Stenographisches Protokoll

645. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 22. Oktober 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

645. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 22. Oktober 1998

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 22. Oktober 1998: 9.03 – 16.38 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird

2. Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird

3. Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

4. Bundesgesetz über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch Radioaktivität (Atomhaftungsgesetz 1999 – AtomHG 1999)

5. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher geändert wird

6. Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen samt Erklärungen der Republik Österreich

7. Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung samt Erklärungen der Republik Österreich

8. Urkunden des Weltpostvereins (Seoul 1994), nämlich

a) Fünftes Zusatzprotokoll zur Satzung des Weltpostvereins,

b) Allgemeine Verfahrensordnung des Weltpostvereins,

c) Weltpostvertrag samt Schlußprotokoll,

d) Postpaketabkommen samt Schlußprotokoll,

e) Postanweisungsabkommen,

f) Postscheckabkommen,

g) Postnachnahmeabkommen

9. 21. Bericht der Volksanwaltschaft 1997

Inhalt

Bundesrat

Sitzungsunterbrechung 83


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 2

Personalien

Krankmeldung 8

Entschuldigungen 8

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 35

Ausschüsse

Zuweisungen 35 und 112

Fragestunde

Bundesministerium für Inneres 8

Mag. Günther Leichtfried (935/M-BR/98); Dr. Paul Tremmel, Franz Richau

Ludwig Bieringer (941/M-BR/98); Irene Crepaz, Andreas Eisl

Dr. Paul Tremmel (948/M-BR/98); Irene Crepaz

Dr. Michael Ludwig (936/M-BR/98); Ulrike Haunschmid, Franz Richau

Ing. Walter Grasberger (942/M-BR/98); Herbert Thumpser, Ernest Windholz

Ulrike Haunschmid (949/M-BR/98); Therese Lukasser, Johanna Schicker

Mag. Harald Repar (937/M-BR/98); Mag. John Gudenus, Gottfried Jaud

Franz Richau (943/M-BR/98); Josef Pfeifer, Ernest Windholz

Ernest Windholz (950/M-BR/98); Engelbert Schaufler

Josef Pfeifer (938/M-BR/98); Mag. John Gudenus, Ludwig Bieringer

Wolfram Vindl (944/M-BR/98); Monika Mühlwerth

Dr. Reinhard Eugen Bösch (951/M-BR/98); Ilse Giesinger

Stefan Prähauser (939/M-BR/98); Dr. Reinhard Eugen Bösch, Gottfried Jaud

Peter Rodek (945/M-BR/98); Erhard Meier, Ulrike Haunschmid

Ernst Winter (940/M-BR/98); Ernest Windholz, Jürgen Weiss

Ing. Peter Polleruhs (946/M-BR/98); Karl Drochter, Dr. Paul Tremmel

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend 50 Millionen Schilling für "die Fortsetzung eines Mittagessens" (1508/J-BR/98)

Begründung: Dr. Susanne Riess-Passer 84

Beantwortung: Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 89


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 3

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 92

Mag. Michael Strugl 94

Albrecht Konečny 96

Dr. Paul Tremmel 99

Stefan Prähauser 102

Mag. John Gudenus 104

Dr. Peter Harring 107

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 110

Verhandlungen

(1) Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird (1386 und 1400/NR sowie 5785/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Drochter 36

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Paul Tremmel 37 und 45

Aloisia Fischer 39

Johann Payer 40

Gottfried Jaud 42

Bundesministerin Eleonora Hostasch 43 und 45

Antrag der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben 39

Ablehnung 46

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen einiger Bundesräte der ÖVP und der Bundesräte der SPÖ, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der ÖVP und der Bundesräte der Freiheitlichen 46

(2) Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (869/A und 1417/NR sowie 5786/BR d. B.)


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 4

Berichterstatter: Johann Payer 46

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ernest Windholz 46

Engelbert Schaufler 47

Mag. Harald Repar 48

Bundesministerin Eleonora Hostasch 49

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 50

(3) Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (876/A und 1418/NR sowie 5787/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Payer 50

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ulrike Haunschmid 50

Engelbert Schaufler 51

Karl Drochter 53

Bundesministerin Eleonora Hostasch 54

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 54

(4) Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch Radioaktivität (Atomhaftungsgesetz 1999 – AtomHG 1999) (1357 und 1415/NR sowie 5788/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Günther Leichtfried 55

(Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Peter Rodek 55

Dr. Michael Ludwig  57

Dr. Reinhard Eugen Bösch 59

Leopold Steinbichler 60

Gottfried Jaud 60 und 63

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 62

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben 63

(5) Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher geändert wird (1384 und 1416/NR sowie 5789/BR d. B.)


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645. Sitzung / Seite 5

Berichterstatter: Dr. Michael Ludwig 64

(Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben 64

Gemeinsame Beratung über

(6) Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend ein Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen samt Erklärungen der Republik Österreich (1204/NR sowie 5790/BR d. B.)

(7) Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung samt Erklärungen der Republik Österreich (1205/NR sowie 5791/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Michael Ludwig 65

[Antrag, zu (6) und (7) gegen die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Vincenz Liechtenstein 65

Dr. Peter Böhm 65

Josef Rauchenberger 67

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (6) und (7) gegen die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben 69

(8) Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend Urkunden des Weltpostvereins (Seoul 1994), nämlich

a) Fünftes Zusatzprotokoll zur Satzung des Weltpostvereins,

b) Allgemeine Verfahrensordnung des Weltpostvereins,

c) Weltpostvertrag samt Schlußprotokoll,

d) Postpaketabkommen samt Schlußprotokoll,

e) Postanweisungsabkommen,

f) Postscheckabkommen,

g) Postnachnahmeabkommen (1358/NR sowie 5792/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Reinhard Eugen Bösch 69

(Antrag, 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den Weltpostvertrag samt Schlußprotokoll, das Postpaketabkommen samt Schlußprotokoll, das Postanweisungsabkommen, das Postscheckabkommen sowie das Postnachnahmeabkommen durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den Weltpostvertrag samt Schlußprotokoll, das Postpaketabkommen samt Schlußprotokoll, das Postanweisungsabkommen, das Postscheckabkommen sowie das Postnachnahmeabkommen durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben 70

(9) 21. Bericht der Volkanwaltschaft 1997 (III-180/BR sowie 5793/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Karl Wilfing 70

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Hedda Kainz 70

Dr. Milan Linzer 71

Dr. Paul Tremmel 73

Johann Grillenberger 77

Jürgen Weiss 77

Monika Mühlwerth 79

Volksanwältin Mag. Evelyn Messner 80

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen 83


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 6

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft 76

Ablehnung 83

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend den "Gipfel von Pörtschach" (1491/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend den "Gipfel von Pörtschach" (1492/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Wahrnehmung österreichischer Interessen während der EU-Präsidentschaft (1493/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Migrationspotentiale durch die Erweiterung der EU (1494/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend "Das rotweißrote Weltkugelbuch" (1495/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend EU-Ratspräsidentschaft; Verteilung von Anstecknadeln (Pins) (1496/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Unvereinbarkeit der Benes-Dekrete mit dem Acquis communautaire (1497/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Gewährung von Förderungen bei einer Osterweiterung der EU (1498/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Standortverlagerung von Unternehmen sowie die Rekrutierung billiger Arbeitnehmer im Falle der Osterweiterung (1499/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend den Aufenthalt des türkischen Staatsbürgers Lüftü Arslan in Österreich (1500/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Höhe der Strafen für Schlepper (1501/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs unter Bezugnahme auf die Anfragebeantwortung 1343/AB-BR/98 (1502/J-BR/98)

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer, Mag. John Gudenus und Andreas Eisl an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Schutz des Wassers vor Verkauf (1503/J-BR/98)


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645. Sitzung / Seite 7

der Bundesräte Mag. John Gudenus, Andreas Eisl und Kollegen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Forcierung der Biomasse für Heizzwecke (1504/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend den Expertenbericht zur österreichischen Kulturpolitik (1505/J-BR/98)

der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schubhaftsituation in Niederösterreich (1506/J-BR/98)

der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Grenzschutz in Niederösterreich und im Burgenland (1507/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend 50 Millionen Schilling für "die Fortsetzung eines Mittagessens" (1508/J-BR/98)

der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Organisationsmaßnahmen im Ressort (Verwaltungsbereich Wissenschaft-Forschung) und Einhaltung der Bestimmungen des Ausschreibungsgesetzes sowie des Frauenförderungsplanes in seinem Wirkungsbereich (1509/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Vermittlung von Kulturtechniken an den Volksschulen (1510/J-BR/98)

der Bundesräte Irene Crepaz und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend nachteilige Auswirkungen des Agrarfördersystems im Rahmen der Agenda 2000 auf die österreichische Landwirte (1511/J-BR/98)

der Bundesräte Irene Crepaz und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Baubeginn und Finanzierung des Brenner-Basistunnels (1512/J-BR/98)

Anfragebeantwortungen

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Mag. Karl Wilfing und Kollegen (1362/AB-BR/98 zu 1468/J-BR/98)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Mag. Karl Wilfing und Kollegen (1363/AB-BR/98 zu 1469/J-BR/98 und 1390/J-BR/98)

Anfragebeantwortungen auf mündliche Anfragen

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Frage des Bundesrates Herbert Thumpser (1/ABM-BR/98 zu 922/M-BR/98)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Frage des Bundesrates Mag. Günther Leichtfried (2/ABM-BR/98 zu 923/M-BR/98)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Frage des Bundesrates Peter Rodek (3/ABM-BR/98 zu 933/M-BR/98)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Frage des Bundesrates Franz Richau (4/ABM-BR/98 zu 934/M-BR/98)


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Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Präsident Alfred Gerstl: Ich eröffne die 645. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 644. Sitzung des Bundesrates vom 1. Oktober 1998 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Wolfgang Hager.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Erich Farthofer, Alfred Schöls, Engelbert Weilharter und Horst Freiberger ab 11 Uhr.

Fragestunde

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde – sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird – im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.04 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Inneres

Präsident Alfred Gerstl: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage – 935/M-BR/98 – an den Herrn Bundesminister für Inneres, den ich herzlich begrüße.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Günther Leichtfried, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich habe schon einmal im Hohen Haus gesagt, daß sich Österreich in der Bosnienfrage hervorragend verhalten hat. Meine Frage lautet

935/M-BR/98

Wie weit sind derzeit die Bemühungen um den Abschluß der Bosnieraktion vorangekommen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! In der Frage der Unterstützungsaktion für kriegsvertriebene Bosnier in Österreich gab es in den letzten beiden Jahren umfangreiche Bemühungen unsererseits, um diese Aktion abschließen zu können. Wie Sie wissen, sind 95 000 Bosnier nach Österreich geflüchtet. Davon sind nicht ganz 70 000 in Österreich geblieben, das heißt, sie haben eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung bekommen. Zirka 10 000 bis 15 000 sind wieder im Rahmen verschiedener Aktionen zurückgekehrt. Zirka 10 000 bis 12 000 sind in andere Staaten weitergewandert.

Anfang Juli gab es noch 4 600 Personen in der Bund-Länder-Aktion, in der Unterstützungsaktion. Diese Zahl hat sich aufgrund verschiedener Maßnahmen bis Ende September auf 2 232 Personen reduziert. Ich gehe davon aus, daß dieser Rückgang noch nicht abgeschlossen ist, weil eine Reihe dieser 2 232 Personen noch in verschiedenen Schulungsaktionen ist. Es ist zu erwarten, daß diese Personen in den nächsten Wochen aufgrund des Abschlusses dieser Schulungsaktionen entweder in den Arbeitsmarkt integriert werden oder nach Bosnien zurückkehren.

Ich nehme an, daß am Beginn des nächsten Jahres einige hundert Personen nur mehr in der Bund-Länder-Aktion sein werden. Das werden in der Regel alte, pflegebedürftige, traumatisierte


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645. Sitzung / Seite 9

und kranke Menschen sein. Das heißt also zusammengefaßt: Ich gehe davon aus, daß diese Aktion bis spätestens Beginn nächsten Jahres gelöst sein wird.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Jene Bosnier, die bis 31. Juli den Status eines De-facto-Flüchtlings gehabt haben, waren bis zu diesem Zeitpunkt krankenversichert. Wenn sie aus diesem Status herausfallen, dann fällt auch die Krankenversicherung weg. Diese Krankenversicherung kann jetzt von nahen Angehörigen oder anderen Bereitwilligen übernommen werden, wenn sie eine Garantieerklärung unterschreiben und eine Mitversicherung bezahlt wird.

Meine Frage geht dahin: Wieso gibt es einen Leistungsanspruch aus dieser Krankenversicherung erst nach einer sechsmonatigen Wartefrist?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich kann Ihnen darauf keine generelle Antwort geben, sondern das hängt vom speziellen Fall ab. Ich gehe davon aus, daß das in der Regel nicht der Fall ist. Wenn es der Fall ist, dann ist das jemand, der beruflich nicht integriert ist, ist es jemand, der keine Möglichkeit hat, auf einem Arbeitsplatz unterzukommen. Da stellt sich natürlich die prinzipielle Frage, was man mit Menschen, die aus der De-facto-Aktion herausfallen, tut, ob sie eine Aufenthaltsbewilligung und einen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen.

Ich gehe davon aus, daß das eine zeitweilige Aktion gewesen ist. Ich gehe davon aus, daß es auch für mögliche kommende Aktionen nicht so sein kann, daß der österreichische Staat, wir alle, die Steuerzahler die Verpflichtung haben, automatisch jeden auch weiter zu betreuen. Überall dort, wo es aus bestimmten humanitären Gründen notwendig ist, gibt es ohnehin diese Betreuung. Wenn jemand aus der De-facto-Aktion herausfällt, besteht kein Grund mehr, daß er von uns unterstützt wird. Somit kann ich mir leicht vorstellen, daß es in dem einen oder anderen Bereich keine weitere Unterstützung durch Sozialversicherungsträger gibt. Aber ich halte das für eine logische und richtige Vorgangsweise.

Präsident Alfred Gerstl: Gibt es weitere Zusatzfragen? – Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel, bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Inneres! Stellt die Bosnieraktion der österreichischen Regierung nicht eine Ungleichbehandlung gegenüber jenen Menschen dar, die in Bosnien verblieben sind, deren Haus etwa zerstört wurde und die keine Mittel zur Verfügung gestellt bekommen haben, um zum Beispiel ihre zerstörten Wohnstätten aufzubauen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die dramatischen und tragischen Ereignisse der Jahre 1991, 1992 und 1993 sind uns allen bekannt. Die Situation war damals so, daß Zehntausende, Hunderttausende bosnische Kriegsflüchtlinge, die verfolgt worden sind, die in Bosnien um Leib und Leben fürchten mußten, nach Europa geflüchtet sind. Es waren an die 350 000, die nach Deutschland geflüchtet sind, zirka 60 000, die in die Schweiz geflüchtet sind, zirka 95 000, die nach Österreich geflüchtet sind, und einige Zehntausend sind in andere Staaten Europas geflüchtet.

Unsere Aufgabe war es, diese Menschen aufzunehmen und ihnen Schutz vor Verfolgung zu bieten. Wir haben uns bemüht, eine kurzfristige Aufnahme zu erreichen. Nach Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen haben wir uns, seit die Möglichkeit einer Rückkehr bestanden hat, bemüht, diesen Menschen vor Ort wieder die Möglichkeit eines Neubeginns zu geben. Unsere Unterstützung, aber auch die Unterstützung durch die Europäische Union waren nicht ausschließlich darauf ausgerichtet, die Heimkehrer mit entsprechenden neuen Möglich


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keiten auszustatten, sondern wir haben uns auch bemüht, im Umfeld zusätzliche Hilfsmaßnahmen zu setzen, beispielsweise den Gemeinden, in denen es Heimkehrer gegeben hat, Infrastrukturunterstützung zu geben, die Möglichkeit zu geben, auch für andere Menschen, die dort in Not sind – es sind sehr viele Menschen in Not gewesen, und sie sind es nach wie vor –, eine entsprechende Unterstützung zu geben.

Es kann aber nicht Aufgabe der österreichischen Bundesregierung sein, alles Leid, das es in Bosnien gibt, zu beseitigen. Unsere wichtigste Aufgabe war es, kurzfristig den Menschen in Österreich Schutz zu geben und dann Maßnahmen zu setzen, daß wieder gewährleistet ist, daß diese Menschen zurückkehren. Da haben wir, so glaube ich, einen sinnvollen Ausgleich gefunden in der Unterstützung der Rückkehrer, aber auch in der Schaffung finanzieller Unterstützungen in den entsprechenden Gemeinden, damit diese Rückkehrer auch leichter die Möglichkeit haben, integriert zu werden.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Franz Richau.

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich konnte mich vor einem Monat in Bosnien von der Lage vor Ort überzeugen und mußte feststellen, daß sich dort Tausende Flüchtlinge aus dem Kosovo aufhalten. Daher die Frage: Planen Sie analog der Quotenregelung für Bosnier auch eventuell eine solche für Leute aus dem Kosovo?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Nein.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 941/M-BR/98, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ludwig Bieringer, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich würde gerne an Sie folgende Frage richten:

941/M-BR/98

Welche Erfolge haben Sie mit der Schleierfahndung im Bereich des Grenzübergangs Walserberg erzielen können?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Herr Bürgermeister! Am liebsten würde ich mit dem antworten, was der bayerische Innenminister Beckstein vor einigen Wochen in einer großen Pressekonferenz über die Sicherheitssituation in Bayern geantwortet hat, nämlich daß sich die Schleierfahndung, die Zusammenarbeit zwischen den österreichischen und den bayerischen, den österreichischen und den deutschen Behörden sehr gut entwickelt hat und daß die offene freie Grenze zwischen Österreich und Deutschland nicht zu einem größeren Sicherheitsrisiko, sondern gerade im Gegenteil zu mehr Sicherheit geführt hat.

Für mich waren diese Äußerungen von Beckstein aus zwei Gründen besonders bemerkenswert: erstens deswegen, weil, wie Sie zum Teil wissen, Beckstein und die bayerische Staatsregierung am Beginn des Jahres 1997 sehr skeptisch gegenüber Österreich und den Bemühungen Österreichs im Hinblick auf den Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union gewesen sind, was sie auch sehr deutlich in den Medien und auch bei anderen Gelegenheiten kundgetan haben, und zweitens, weil der bayerische Innenminister diese Aussagen in der Endphase des bayerischen Landtagswahlkampfes und des deutschen Bundestagswahlkampfes gemacht hat. Das beweist, daß er tatsächlich von dem überzeugt ist, was er gesagt hat.

Ich glaube, daß sich die Maßnahmen, die wir gemeinsam gesetzt haben, sehr bewährt haben. Wir mußten diese Maßnahme der Schleierfahndung setzen, weil jedem bewußt ist, daß eine Grenze eine Art Filter ist und daß, wenn es eine offene Grenze gibt, wenn es diese Kontrollen


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nicht mehr gibt, die Gefahr der illegalen Migration, aber besonders, was noch gefährlicher ist, die Gefahr der grenzüberschreitenden Kriminalität in hohem Ausmaß gegeben ist. Wir haben deshalb die entsprechenden personellen Ressourcen im wesentlichen für die Bundesländer Salzburg und Tirol zur Verfügung gestellt, um dort die Möglichkeit einer intensiven Schleierfahndung zu schaffen. Wir haben versucht, gemeinsam abgestimmte Maßnahmen zwischen Österreich, Deutschland und Italien zu setzen. Ich glaube, daß die Maßnahmen, die wir bisher gesetzt haben, sehr gut gewesen sind und wesentlich dazu beigetragen haben, daß es in diesem Fall kein Sicherheitsrisiko, sondern – gerade im Gegenteil – mehr Sicherheit gibt.

Ich könnte Ihnen, wenn Sie wollen, auch konkrete Zahlen nennen. Wir haben beispielsweise in den letzten Monaten sehr viele Anzeigen nach dem Strafgesetzbuch, sehr viele Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz durchführen können. Es wurden sehr viele Personen zurückgewiesen beziehungsweise festgenommen, weil sie sich illegal aufgehalten haben. Wir konnten eine Reihe von Straftaten, wie beispielsweise Kfz-Verschiebungen, aber auch Anzeigen nach dem Waffengesetz und Dokumentenfälschungen durch diese Schleierfahndung feststellen und entsprechende Maßnahmen setzen.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Bundesminister! Können Sie mir sagen, wie viele Beamte für diese Aufgabe eingesetzt sind?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Insgesamt haben wir versucht, 285 oder 295 zusätzliche Beamte – ich kenne jetzt nicht die genaue Zahl, es sind knapp 300 Beamte – dafür einzusetzen, die ausschließlich die Aufgabe haben, in der Schleierfahndung tätig zu sein. Es kann allerdings nicht die Aufgabe dieser Beamtinnen und Beamten alleine sein, sondern wir haben sehr bewußt auch alle anderen Dienststellen miteinbezogen, ob das jetzt örtliche Gendarmerieposten sind, ob das die Verkehrsabteilungen sind, ob das die Kriminalabteilungen sind, das muß sich verzahnen. Es hat sich gerade beispielsweise an der EU-Außengrenze sehr bewährt, daß wir nicht nur die Kontrolle direkt an der Grenze machen, sondern daß wir auch versuchen, im Landesinneren oder in deutlicher Entfernung von der Grenze zusätzliche Überprüfungsmaßnahmen zu setzen. Beispielsweise gab es im Land Niederösterreich im heurigen Jahr alleine an die 700 Aufgriffe von Illegalen im Bereich von 20, 30 Kilometern von der Grenze entfernt.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Irene Crepaz.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich komme aus Tirol, und deshalb schließe ich meine Frage an: Welche Effizienz haben die Ausgleichsmaßnahmen im Bundesland Tirol? Was können Sie mir da sagen? – Ich weiß natürlich auch von den Differenzen zwischen Italien, Österreich und umgekehrt Österreich, Deutschland, von dem Mißtrauen, das da herrschte. Konnte das abgebaut werden? Können Sie mir da Näheres sagen, bitte?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Bundesrätin! Ich versuche gleich eine genaue Gegenüberstellung von Salzburg und Tirol zu machen, dann kann ich die Frage des Herrn Bundesrates Bieringer auch noch einmal erwähnen: Wir hatten im Land Salzburg insgesamt 91 Inlandstreffer zu ausländischen Ausschreibungen, das heißt, es wurden 91 Personen aufgrund von Ausschreibungen von anderen EU-Staaten festgenommen. Davon entfielen 75 auf Personenfahndung und 16 auf Sachfahndung. Im Bundesland Tirol waren es insgesamt 197 Treffer, davon entfielen 161 auf Personen- und 36 auf Sachfahndung.


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In der Frage der grenzüberschreitenden Kriminalität wurden 141 Anzeigen nach dem Strafgesetzbuch, 36 nach dem Suchtmittelgesetz, 13 nach dem Waffengesetz, 10 aufgrund von Kfz-Verschiebungen und 62 Dokumentenfälschungen gemacht.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Herr Bundesrat Andreas Eisl, bitte.

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Herr Bundesminister! Sie wissen, daß die bayerische Staatspolizei sehr gut ausgerüstet ist. Was haben Sie der Salzburger Polizei an Geräten zur Verfügung gestellt, um dieser Aufgabe gerecht zu werden?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Wir haben für die verschiedenen Maßnahmen rund um das Schengener Durchführungsübereinkommen insgesamt knapp 3 Milliarden Schilling für den Zeitraum 1996 bis 1999 investiert, beziehungsweise werden wir diese Summe noch investieren. Davon sind ein Teil Personalausgaben, der größere Teil allerdings Sachaufwendungen.

Wir haben entsprechende Ausstattungen an der EU-Außengrenze durchgeführt, indem wir versucht haben, mit CO2-Sonden, mit Doku-Boxen, mit Wärmebildgeräten, mit Wärmebildfahrzeugen und entsprechenden zusätzlichen Ausrüstungsgegenständen zu erreichen, daß es zu einer effektiveren Kontrolle der Außengrenze kommt. Zusätzlich haben wir noch eigene Hubschrauberflüge im Rahmen des Assistenzeinsatzes durch das Bundesheer vorgesehen. Bis auf die Wärmebildfahrzeuge und den Hubschraubereinsatz gibt es solche Ausrüstungen auch an der Grenze zu Deutschland und zu Italien.

Präsident Alfred Gerstl: Danke schön.

Wir kommen nun zur 3. Anfrage, 948/M-BR/98, an den Herrn Bundesminister.

Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine Frage lautet:

948/M-BR/98

Inwieweit ist die Umsetzung der mit den Beitrittspartnerschaften eingegangenen Verpflichtungen für die beitrittswilligen Staaten im Bereich Justiz und Inneres zwingend?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich halte die Frage der inneren Sicherheit für eine der entscheidendsten Fragen in der Diskussion um die Erweiterung der Europäischen Union. Ich halte es für unbedingt notwendig, daß es uns gelingt, bei dieser wichtigen Frage der Erweiterung der Europäischen Union Fragen der Sicherheit oberste Priorität beizumessen. Es geht vor allem um Fragen der grenzüberschreitenden Kriminalität, es geht aber auch um Fragen der illegalen Migration in unser Land.

Wir haben deshalb gemeinsam mit der vergangenen britischen Präsidentschaft, aber auch mit der kommenden deutschen Präsidentschaft versucht, diesbezüglich eine gemeinsame Vorgangsweise zu finden. Es hat im Mai dieses Jahres eine Verabschiedung beim EU-Rat in England gegeben, bei dem eine Art Vorbeitrittspakt zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität abgeschlossen worden ist. Dieser Vorbeitrittspakt umfaßt eine Vielzahl von Maßnahmen, die von den Beitrittsländern gesetzt und umgesetzt werden müssen, um zu erreichen, daß es mehr Sicherheit gibt.


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Etwas Ähnliches wie diesen Vorbeitrittspakt zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität stellen wir uns auch im Bereich der Migration vor. Hier soll es ein gemeinsames Arbeitsprogramm zur Umsetzung der Maßnahmen geben, um grenzüberschreitende Migration zu verhindern.

Für mich haben beide Bereiche oberste Priorität, und ich gehe davon aus, daß es in beiden Bereichen dringend notwendig sein wird, daß die Beitrittskandidaten auch entsprechende gesetzliche Maßnahmen setzen. Das heißt, ich erwarte mir beispielsweise eine Angleichung des Fremden- und Asylrechtes zwischen den Beitrittsstaaten und den EU-Staaten. Ich erwarte mir beispielsweise eine Harmonisierung der Visapflicht zwischen den Beitrittsstaaten und den EU-Staaten. Wenn das nicht zustande kommt, dann kann ich mir nicht vorstellen, daß es irgendwann einmal zu einem Beitritt dieser Staaten zur Europäischen Union kommen kann.


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Präsident Alfred Gerstl:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): In Ungarn und in Tschechien ist keine vorzeitige Anpassung der Visapolitik vorgesehen – siehe diesbezügliche APA-Meldung vom 12.10.1998. Auch aus Polen kam eine derartige Meldung des Präsidenten Kwaśniewski, der sagte, es sei derzeit nicht daran gedacht, die Visapflicht gegenüber den GUS-Staaten aufzuheben. Wie kann man unter diesem Aspekt für eine EU-Osterweiterung in bezug auf diese Staaten eintreten?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Bei der Frage der Visumpflicht muß man die Situation in jedem einzelnen Land gesondert betrachten, und ich betrachte jetzt jene Staaten, die uns direkt umgeben, nämlich Slowenien, Ungarn, Tschechien, und möchte vielleicht noch Polen hinzufügen.

Die Situation in diesen vier Staaten ist sehr unterschiedlich. Alle vier Staaten haben keine Visumpflicht zu den unmittelbaren östlichen Nachbarstaaten, also vor allem Weißrußland, Ukraine, Rumänien und Bulgarien sowie dem ehemaligen Jugoslawien. In allen vier Staaten ist es leider so, daß sowohl die politisch Verantwortlichen im Bereich der Sicherheitspolitik als auch die Spitzenbeamten in diesem Bereich sehr oft wechseln. Dadurch ist es immer schwierig, Vereinbarungen, die wir bereits getroffen haben, wieder zu erneuern und Zusagen, die man bekommen hat, dann auch in die Tat umzusetzen.

Ich orte in unserem Nachbarland Ungarn derzeit keine Bereitschaft, eine Visumpflicht für die Nachbarstaaten einzuführen. Die Einführung einer Visumpflicht stößt auf großes Verständnis in Slowenien, und ich bin überzeugt davon, daß es bereits vor einem Beitritt dieses Staates zur Europäischen Union zu einer Harmonisierung der Visumpflicht kommen wird.

Bezüglich Tschechien ist zu sagen, daß es die Zusage des ehemaligen Innen- und Außenministers der letzten tschechischen Regierung gegeben hat, die Visumpflicht schrittweise einzuführen. Geplant war es bereits mit 1999. Die neue tschechische Regierung hat dieses Vorhaben aber wieder gestoppt. Ich hoffe, daß ich in Gesprächen, die ich in den nächsten Wochen mit Vertretern der Regierung führen werde, erreichen werde, daß die neue tschechische Regierung diesbezüglich wieder eine ähnliche Haltung einnimmt, wie sie die alte tschechische Regierung hatte.

Was Polen betrifft, gab es gerade in den letzten Tagen und Stunden Äußerungen, die mich optimistisch stimmen, daß für Weißrußland und die Ukraine die Visumpflicht wiedereingeführt werden könnte.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Irene Crepaz.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Bundesminister! Gibt es, und wenn ja, wann finden die ersten konkreten Gespräche mit den Beitrittswerbern über Fragen der polizeilichen Zusammenarbeit statt?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Bundesrätin! Es gibt eine Vielzahl von Gesprächen über die polizeiliche Zusammenarbeit mit den Beitrittsstaaten. Wir haben am 24. September ein Treffen in Brüssel zwischen den 15 EU-Innenministern und den Innen- und Justizministern der elf Beitrittsländer organisiert, also nicht nur mit den sechs der ersten Kategorie, wenn ich das so nennen darf, sondern auch Litauen, Lettland, Rumänien, Bulgarien und Slowakei waren mit eingeladen. Wir haben dort in einer ersten Runde versucht, zum Kapitel Sicherheit eine Bestandsaufnahme zu machen. Diese Gespräche finden in den nächsten Monaten ihre Fortsetzung. Der Sicherheitsstandard der ersten Gruppe der Beitrittsstaaten soll dann im April 1999 ausführlich durch die Kommission überprüft werden.

Ich glaube, daß die Fragen der Sicherheit so wichtig sind, daß es sinnvoll und notwendig wäre, daß dieses Screening nicht erst im April des nächsten Jahres beginnt, sondern, wenn möglich, bereits früher. Wir werden uns auch sehr bemühen, einen früheren Termin zu erreichen.

Präsident Alfred Gerstl: Danke schön.

Wie gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 936/M-BR/98, an den Herrn Bundesminister.

Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Michael Ludwig um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

936/M-BR/98

In welchem Ausmaß ist Österreich vom verstärkten Zustrom von Menschen aus dem Kosovo nach Westeuropa betroffen?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Im vergangenen Jahr hat Österreich knapp 7 000 Asylwerber gehabt. Die Anerkennungsquote lag bei knapp 10 Prozent. In den ersten Monaten des Jahres 1997 waren es im Schnitt pro Monat 500, in den ersten Monaten des Jahres 1998 ist diese Zahl im Schnitt pro Monat auf 800 bis 900 gestiegen. Im September dieses Jahres ist die Zahl der Asylwerber auf zirka 500 pro Woche gestiegen.

Wir haben im September insgesamt 2 050 Asylwerber gehabt. Davon sind knapp 70 Prozent aus dem ehemaligen Jugoslawien und davon knapp 80 Prozent aus dem Bereich Kosovo, wobei ich sehr bewußt dazusage, daß die Menschen angeben, daß sie aus dem Kosovo sind. Da wird sicherlich auch eine Reihe von Flüchtlingen dabeisein, die aus der unmittelbaren Umgebung kommen: Albanien, Mazedonien, vielleicht sogar auch aus Südserbien.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Welche Auswirkungen wird die Vereinbarung zwischen der OSZE und Jugoslawien, auch Holbrooke-Abkommen genannt, auf die Zahl der Flüchtlinge haben?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Diese Frage ist noch nicht endgültig zu beantworten. Ich bin aber optimistisch, daß diese politische Vereinbarung dazu dient, daß die kriegerischen Auseinandersetzungen befriedet werden, und daß es gelingt, daß die Flüchtlinge im Kosovo wieder in ihre Heimatgemeinden zurückkehren können.

Laut Informationen, die mir zugänglich sind, sind rund 300 000 Menschen im Kosovo auf der Flucht. Davon soll sich ein Teil in direkter Umgebung der Kriegsschauplätze, der kriegerischen Auseinandersetzungen aufhalten. Zirka 50 000 Menschen sollen sich in den Wäldern rund um


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ihre Gemeinden und Dörfer befinden. Ich hoffe, wenn die Auseinandersetzungen einigermaßen eingedämmt werden, wenn die 2 000 Beobachter ihre Arbeit beginnen können, daß es zu einer Rückkehr dieser Menschen kommt. Wenn das gelingt, dann kann es kaum mehr Flüchtlinge aus dem Kosovo geben.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrat Ulrike Haunschmid.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Minister! Ich beziehe mich auf den "Kurier" vom 13. 9. 1998 und frage Sie: Was gedenken Sie – speziell vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Befürchtungen, daß Österreich einem neuerlichen Ansturm von Flüchtlingen nicht mehr gewachsen sei –, gegen diese Gefahr zu unternehmen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Bundesrätin! Österreich hat eine Vielzahl von Maßnahmen versucht. Das Entscheidende und Wichtigste ist, daß die kriegerischen Auseinandersetzungen im Kosovo beendet werden, daß es gelingt, daß die beiden Gegner ihre Kampfhandlungen einstellen und die Menschen in ihre Gemeinden und Dörfer wieder zurückkehren.

Ich glaube, daß mit dem Abkommen, das Holbrooke mit Milošević geschlossen hat, die entscheidende und wichtige Voraussetzung dafür geschaffen worden ist, daß die kriegerischen Auseinandersetzungen beendet werden. Wenn das Abkommen tatsächlich umgesetzt werden kann, wenn die 2 000 Beobachter, die leider unbewaffnet sind, was ich für einen Fehler halte, mit ihrer Arbeit beginnen – ich gehe davon aus, daß auch Österreicher im Rahmen dieser Mission tätig sein werden –, dann wird es meiner Meinung nach dazu kommen, daß sich die Situation entspannt und es zu keinem weiteren Ansturm von Flüchtlingen kommt. Auf jeden Fall sind dann, wenn sich die Situation entspannt, die Menschen, die dann aus diesem Bereich nach Österreich kommen, keine Asylwerber, sondern Armutsflüchtlinge oder Wirtschaftsflüchtlinge.

Darüber hinaus hat sich Österreich bemüht, durch eine Vielzahl von Aktivitäten gemeinsam mit internationalen Organisationen und gemeinsam mit der Europäischen Union zu erreichen, daß sich die Situation der Flüchtlinge vor Ort verbessert. Das heißt, wir haben uns bemüht, die entsprechende humanitäre Hilfe zu geben. Wir haben uns bemüht, zu erreichen, daß rund um die Auseinandersetzungen entsprechende Aufnahmezentren für Flüchtlinge geschaffen werden, und wir haben auch direkte Geldmittel gespendet.

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesrat Franz Richau, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Inwieweit funktioniert die Rückschiebung im Sinne der Drittlandsicherheit, beziehungsweise sind neue Abkommen geplant?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Die Rückschiebeabkommen, die wir mit unseren unmittelbaren Nachbarstaaten geschlossen haben, bewähren sich im wesentlichen sehr gut. Natürlich ist es Faktum, daß viele Menschen, die illegal versuchen, nach Österreich zu kommen, um Asyl ansuchen. Wenn solch ein Asylantrag gestellt wird, gibt es ein zweistufiges Verfahren. Aufgrund der hohen Anzahl von Flüchtlingen, die wir in den letzten Wochen und Monaten in Österreich haben – ich gehe davon aus, daß die Zahl von 7 000 am Jahresende 1997 zwischen 12 000 und 14 000 am Jahresende 1998 liegen wird –, dauert es natürlich länger, bis die Verfahren abgeschlossen, positiv oder negativ entschieden sind. Deshalb dauert es auch eine Zeitlang, wenn es einen negativen Entscheid gibt, bis die entsprechende Abschiebung durchgeführt werden kann.

Im wesentlichen gehe ich davon aus, daß unsere Nachbarstaaten, ob das Italien ist, ob das Slowenien ist, ob das Ungarn ist oder ob das Tschechien ist, sichere Drittstaaten sind, in denen


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die Menschen die Garantie haben, daß sie ein faires Asylverfahren bekommen, wenn sie es beantragen, und in denen die Menschen auch die Garantie haben, daß ihre Interessen fair und offen vertreten werden.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, 942/M-BR/98. Ich bitte Herrn Bundesrat Ing. Walter Grasberger um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben heute schon eine Zahl, nämlich die Zahl von 700 aufgegriffenen illegalen Grenzgängern an der niederösterreichischen Grenze genannt. Meine Frage lautet:

942/M-BR/98

Wie haben sich die Aufgriffe illegaler Grenzgänger an der niederösterreichischen Grenze verändert?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Diese Zahl von 700 umfaßt nur die Menschen, die im Rahmen der Schleierfahndung nach der Grenze festgenommen und aufgegriffen worden sind. Insgesamt wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 1998 2 694 Personen von Organen der Bundesgendarmerie nach dem illegalen Grenzübertritt in Niederösterreich festgenommen, beamtshandelt, je nachdem, wie Sie es formulieren wollen.

Das entspricht gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres, also der ersten neun Monate des Jahres 1997, einer Steigerung von fast 48 Prozent. Damals hatten wir 1 822 Aufgriffe. Heuer sind es 2 694.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Werden Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, zur Verbesserung der Situation den Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres beantragen?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es gibt den Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres an der ungarisch-burgenländischen Grenze, in dessen Rahmen auch noch ein wenig an der slowakisch-niederösterreichischen Grenze zusätzlich kontrolliert wird.

Ich bin sehr glücklich, daß es diesen Assistenzeinsatz des Bundesheeres gibt. Nahezu 2 000 Soldaten sind hier im Einsatz. Die Arbeit, die diese Soldaten leisten, ist hervorragend und ist für die Grenzsicherung unverzichtbar. Ich gehe davon aus, daß wir das auch bis zum Abschluß der Notwendigkeit der Grenzüberwachung der Außengrenze der Europäischen Union beibehalten.

Eine Erweiterung der zusätzlichen Überwachung im Rahmen des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres an der niederösterreichischen Grenze oder an der oberösterreichischen Grenze stößt nicht auf Widerstand des österreichischen Innenministers, sondern stößt auf Probleme, die das österreichische Bundesheer hat. Ich wäre gerne bereit, zusätzlichen Assistenzeinsatz zu akzeptieren, weiß aber, daß das österreichische Bundesheer aus vielen Gründen in einer sehr schwierigen Situation ist und wenn, dann nur zeitlich beschränkt und in sehr geringem Ausmaß zusätzliches Personal zur Verfügung stellen kann.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr


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Bundesrat Herbert Thumpser.

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Bis wann wird die Ausstattung der Dienststellen an der niederösterreichischen Außengrenze mit Wärmebildkameras abgeschlossen sein?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: In den Monaten September, Oktober und November werden insgesamt 12 Wärmebildfahrzeuge an der EU-Außengrenze ihren Betrieb aufnehmen. Diese 12 Wärmebildfahrzeuge sind geleaste Fahrzeuge von verschiedenen Firmen. Es findet derzeit eine Ausschreibung über insgesamt 40 Wärmebildfahrzeuge statt. Diese Ausschreibung wird in den nächsten Wochen dazu führen, daß es einen entsprechenden Zuschlag gibt und die 40 Wärmebildfahrzeuge bis spätestens Frühjahr 1999 an der Außengrenze zum Einsatz kommen.

Diese Wärmebildfahrzeuge haben eine sehr hervorragende unterstützende Wirkung für unsere Beamtinnen und Beamten. Wenn alle 40 Fahrzeuge an der Außengrenze installiert werden, werden wir dann die Möglichkeit haben, alle 30 Kilometer ein solches Wärmebildfahrzeug einsetzen zu können. Ein Wärmebildfahrzeug hat einen Radius von 3,5 Kilometern in der Breite und von mehr als 8 Kilometern in der Tiefe. Es kann auch in der Nacht sehr genau zwischen beweglichen und unbeweglichen Gegenständen sowie zwischen Menschen und Tieren unterscheiden, und es bietet eine zusätzliche Möglichkeit für die österreichische Exekutive, erfolgreich gegen illegale grenzüberschreitende Aktivitäten vorzugehen.

Präsident Alfred Gerstl: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ernest Windholz gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Auch die Donau stellt einen Teil der Grenze zu einem Nicht-EU-Mitgliedstaat dar. Welche Erfahrungswerte besitzen Sie bei der Bekämpfung der Schlepperkriminalität beziehungsweise bei der Bekämpfung der illegalen Grenzübertritte im Bereich der Donau?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Unsere bisherigen Erfahrungen sind die, daß über die "blaue Grenze" – sprich über die Donau – in relativ geringem Ausmaß illegale Migration stattfindet. Wir sind uns aber auch dessen bewußt, daß gerade an der "blauen Grenze" in den letzten Monaten und in den letzten Jahren bedeutend weniger kontrolliert worden ist, als das an der grünen Grenze oder an den Grenzkontrollstellen der Fall ist.

Wir haben deshalb auch mit Bayern und mit Deutschland vereinbart, daß wir da in abgesprochener Weise in der nächsten Zeit verstärkt gemeinsam kontrollieren.

Ich gehe davon aus, daß über Donauschiffe illegale Migration zwar nicht massenweise, aber in geringem Ausmaß mit Einzelpersonen sehr wohl stattfindet, und ich gehe auch davon aus, daß es für uns sehr schwierig sein wird, das zur Gänze einzustellen – vor allem auch deswegen, weil solch ein großer Kahn zum Teil nur unter sehr schwierigen Umständen dahin gehend überprüft werden kann, ob illegale Migration stattfindet.

Wir sind uns aber der Problematik bewußt und versuchen, in koordinierter Weise sowohl in den Häfen als auch durch überraschende Kontrollen einigermaßen diesem Phänomen der illegalen Migration mit Hilfe von Schiffen Herr zu werden.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage,


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 18

949/M-BR/98. Ich bitte Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Minister! Meine Frage an Sie lautet:

949/M-BR/98

In welchen konkreten Punkten wird das von Ihnen vorgelegte Strategiepapier zur Migrations- und Asylpolitik nach ersten Beratungen der zuständigen Gremien der EU modifiziert?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister.


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 19

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl:
Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Dieses Papier, das ein grundsätzliches Papier der österreichischen Präsidentschaft ist, wurde Anfang Juli als Erstentwurf der österreichischen Präsidentschaft dem zuständigen Gremium der Europäischen Union, nämlich dem K4-Ausschuß, vorgelegt. Es war damals geplant, daß dieser Entwurf zunächst auf Beamtenebene zwischen den 15 Mitgliedstaaten diskutiert wird, daß dann aufgrund dieser Diskussion eine Überarbeitung dieses Entwurfes stattfindet, daß Ende Oktober dieses Papier beim informellen Ministerrat in Wien erstmals auf politischer Ebene diskutiert wird, daß es im Anschluß daran an das Europäische Parlament weitergeleitet wird, daß aufgrund der politischen Diskussion weitere Veränderungen in das Papier eingebaut werden und daß in der Dezembersitzung des Europäischen Rates eine Art von Zwischenbericht zu Fragen der Migration vorgelegt wird.

Dieser Zeitplan und dieses Vorhaben der österreichischen Präsidentschaft sind durch völlig unberechtigte Angriffe von mancher österreichischen politischen Seite ein wenig erschüttert worden, die ausschließlich den Zweck gehabt haben, dem Verfasser dieses Papiers und politisch hiefür Verantwortlichen Dinge zu unterstellen, die in keiner Weise richtig sind.

Das hat dazu geführt, daß es zu einer internationalen Diskussion gekommen ist, die aber sofort beendet war, als diejenigen, die diese internationale Diskussion geführt haben, das Papier auch tatsächlich gelesen hatten. Sie sind dann draufgekommen, daß das, was dieser eine Abgeordnete – ein EU-Abgeordneter einer politischen Partei in Österreich – behauptet, keineswegs den Tatsachen entspricht und auch inhaltlich nicht in dem Papier zu finden ist.

Dieses Papier ist sehr breit angelegt. Es hat das Ziel, alle Bereiche der Migrationspolitik zu erfassen, das heißt also Einwanderung, Grenzkontrolle, Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern von Migration, Bekämpfung der kriminellen Schlepperei. Es stellt den Versuch dar, einen gemeinsamen Flüchtlingsschutz in Europa zu erreichen, die Integration der Menschen, die nach Europa geflüchtet sind, zu bewerkstelligen, und es ist ein Versuch des Burden-sharings, also der Lastenaufteilung zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowohl in personeller Hinsicht als auch in finanzieller Hinsicht.

Im wesentlichen wurde dieses Papier von den Mitgliedstaaten sehr positiv aufgenommen. Aufgrund der Diskussion gibt es eine Reihe von Änderungen, die wir in das Papier einzuarbeiten versucht haben. Die erste und wesentlichste Änderung ist, eine solche Formulierung zu finden, die eindeutig klarstellt, daß Österreich die Genfer Flüchtlingskonvention nicht ablösen möchte. Zweitens wollen wir in der modifizierten Fassung des Papiers stärker auf außereuropäische Fluchtbewegungen eingehen. Drittens ist die Frage der Quotierung von Zuwanderung in den einzelnen Staaten nicht als Verpflichtung, sondern nur mehr als Empfehlung in dem Papier beinhaltet, weil sich eine Reihe von Mitgliedstaaten gegen eine Quotierung ausgesprochen hat. Wir haben in der veränderten Fassung auch versucht, Integrationsförderungsmaßnahmen stärker zu berücksichtigen, und schlußendlich haben wir die Empfehlung, daß es eine Angleichung der sozialen Leistungssysteme für Flüchtlinge in den einzelnen Mitgliedstaaten geben soll, etwas zurückgenommen, weil es hier zu unterschiedliche Beurteilungen gegeben hat.


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645. Sitzung / Seite 20

Präsident Alfred Gerstl:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Minister! Bedeutet der Punkt 132 in Ihrem Strategiepapier, wonach Sie sich anstelle von individuellen Bescheidverfahren ein ausgeweitetes Kontingentaufnahmeverfahren vorstellen könnten, nicht die Aufgabe der Rechtsstaatlichkeit bei gleichzeitiger Erhöhung des Aufnahmekontingents für Flüchtlinge?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Nein, das soll es nicht bedeuten, und es soll auch nicht das individuelle Recht auf Asyl angetastet werden. Wir glauben aber, daß es notwendig und wichtig ist, daß es bei Massenfluchtbewegungen aufgrund von kriegerischen Ereignissen, wie es beispielsweise in Bosnien der Fall gewesen ist, ein gemeinsames Handeln der Europäischen Union gibt.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Therese Lukasser.

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben das Stichwort Lastenausgleich genannt. Ich darf Sie fragen: Wieweit sind die Bemühungen um einen adäquaten Lastenausgleich zwischen den Staaten der EU vorangekommen?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Diese Bemühungen, Frau Bundesrätin, gibt es seit einigen Jahren, und bisher ist es nicht möglich gewesen, zu erreichen, daß die europäischen Staaten ein gemeinsames Handeln setzen.

Hier spiegelt sich die alte Weisheit wider, daß das Sein das Bewußtsein bestimmt, und wenn wir sehen, daß eine Reihe von Mitgliedstaaten der Europäischen Union nur einige hundert Asylwerber pro Jahr haben und im Vergleich dazu Österreich, Deutschland, die Niederlande und Schweden sehen, die, gemessen an der Einwohnergröße, die zehnfache Anzahl an Asylwerbern haben, so zeigt sich schon die Problematik, der wir ausgesetzt sind.

Trotzdem glaube ich, daß es aufgrund des starken Drucks von Deutschland, den Niederlanden, von Belgien, Schweden, aber auch und vor allem von Österreich in den letzten Monaten gelungen ist, ein Umdenken zu erreichen, und ich bin eigentlich sehr optimistisch, daß es uns gelingen wird, das Prinzip der gemeinsamen Flüchtlingspolitik noch heuer in einem gemeinsamen Dokument des Rates für Justiz und Inneres festzuhalten.

Ich bin auch optimistisch, daß es uns gelingen wird, zu erreichen, daß es zu einem finanziellen Lastenausgleich kommt. Beispielsweise hat Österreich bei der Aufnahmeaktion von Bosniern bisher rund 5,5 Milliarden Schilling ausgegeben, davon haben wir keinen einzigen Schilling von der Europäischen Union bekommen. Ziel eines solchen finanziellen Lastenausgleiches wäre es, zu erreichen, daß es bei solchen Massenfluchtbewegungen seitens der Europäischen Union auch eine entsprechende finanzielle Unterstützung für die einzelnen Mitgliedstaaten gibt. – Da bin ich sehr optimistisch.

Beim Lastenausgleich nach Personen bin ich nicht so optimistisch, das heißt, daß man nach einer bestimmten Quote auf die einzelnen Staaten aufteilt. Ich halte es für unrealistisch, daß wir das durchsetzen können. Ich halte es aber für realistisch, daß es das Instrument der zusätzlichen freiwilligen Aufnahme geben wird, und ich hoffe, daß wir hier einen Schritt und ein Stück weiterkommen werden.

Präsident Alfred Gerstl: Frau Bundesrätin Johanna Schicker, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage bezieht sich nicht ursächlich auf dieses Strategiepapier, aber sie steht doch im Zusammenhang damit. Denn bezüglich der Migrations- und Asylpolitik steht, so höre ich, auch die Frage der Unterbringung von Kosovo-Flüchtlingen wieder vermehrt im Vordergrund, und es werden für diese Kosovo-Flüchtlinge wieder vermehrt Quartiere auch in den Bundesländern gesucht.

Ich könnte hier ein Angebot machen: Wir haben in Leoben ein Flüchtlingsheim, das bis jetzt von bosnischen Flüchtlingen belegt war und nach deren Rückkehr nur mehr zur Hälfte belegt ist. Leoben hätte also Platz, die Betreuung wäre gewährleistet. Könnten auch solche Quartiere in Betracht gezogen werden?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich bedanke mich sehr herzlich für das großzügige Angebot von Ihnen, Frau Bundesrätin! Das Problem ist, daß es Ziel der österreichischen Asyl- und Flüchtlingspolitik ist, eine gerechte Aufteilung der Flüchtlinge auf das gesamte Bundesgebiet zu erreichen. Ich hielte es für falsch, wenn es eine Massierung von Flüchtlingen in einem bestimmten Bereich gäbe.

Dieses Problem hatten wir Anfang der neunziger Jahre vor allem im Bereich Traiskirchen. Seitdem bemühen wir uns – obwohl Traiskirchen natürlich für die österreichische Flüchtlingspolitik die Anlaufstelle Nummer eins ist und wir dort auch sehr viele Flüchtlinge zumindest kurzfristig haben –, eine klare Quotenaufteilung innerhalb Österreichs zu erreichen.

Wenn es notwendig ist, werden wir gerne auf Ihr Angebot zurückkommen. Ich bin optimistisch, daß es gelingen wird, mit den derzeitigen Plätzen das Auslangen zu finden.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 937/M-BR/98. Ich bitte Herrn Bundesrat Mag. Harald Repar um die Verlesung seiner Frage.

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

937/M-BR/98

Wann ist mit der Inbetriebnahme der Sicherheitsakademie, deren Aufbau im Arbeitsübereinkommen für die laufende Gesetzgebungsperiode enthalten ist, zu rechnen?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Von den vorgesehenen Ausbildungsgängen sind zwei inhaltlich fertiggestellt, einer läuft bereits unter dem Titel "Sicherheitsakademie", allerdings nicht in dem Gebäude, das noch zu errichten sein wird, sondern in anderen Einrichtungen.

Was wird derzeit bereits als Sicherheitsakademie gelehrt? – Es ist dies ein Führungskräfte-Lehrgang. Der zweite Kurs, der 1999 beginnen soll, ist ein Aus- und Fortbildungskurs für Lehrer.

Die Arbeiten an der Sicherheitsakademie sind in den letzten Monaten eigentlich sehr positiv verlaufen. Ich gehe davon aus, daß bis spätestens Frühjahr 1999 mit dem Baubeginn zu rechnen sein wird.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Mag. John Gudenus.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Sie erwähnten, daß Gebäude zu errichten sein werden. Können Sie sich vorstellen, daß ehemals oder derzeit noch vom Bundesheer genützte Gebäude im Rahmen der Verringerung der Kapazität des Bundesheeres für diese Art der Sicherheitsakademie genützt werden können?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Nein, weil es bereits den entsprechenden Auftrag an die Bundesimmobiliengesellschaft gibt, auf dem Gelände des Betreuungszentrums Traiskirchen, der Aufnahmestelle des Lagers Traiskirchen, eine Sicherheitsakademie zu errichten. Die Planungsarbeiten sind bereits so weit abgeschlossen, daß ich davon ausgehe, daß wir mit März 1999 mit der Errichtung des Gebäudes beginnen können.

Präsident Alfred Gerstl: Ich bitte Herrn


Bundesrat
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Bundesrat Gottfried Jaud um seine Zusatzfrage.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Minister! Inwieweit ist gewährleistet, daß bei der Auswahl der Kursteilnehmer und der personellen Besetzung der Sicherheitsakademie objektive Kriterien angewendet werden?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Das ist ein Prinzip des österreichischen Innenministeriums und eines meiner Prinzipien, darum kann ich Ihnen diese Gewährleistung geben.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zur 8. Anfrage, 943/M-BR/98. Ich bitte Herrn


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 22

Bundesrat Franz Richau um die Formulierung dieser Anfrage.

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Sehr verehrter Herr Bundesminister! Sie haben in Ihren Antworten sehr vieles vorweggenommen. Dennoch noch einmal die Frage:

943/M-BR/98

Wie ist der Ausrüstungsstand der österreichischen Grenzgendarmerie?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister.


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 23

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl:
Herr Bundesrat! Ich habe darüber eine sehr umfangreiche Information – wahrscheinlich deswegen, weil diejenigen, die mich auf die heutige Sitzung vorbereitet haben, genau wissen, welche berufliche Tätigkeit Sie ausüben und auch wissen, daß Sie wahrscheinlich mindestens genauso darüber informiert sind, wie ich es bin, aber ich möchte trotzdem nochmals versuchen, darauf einzugehen, was wir in diesem Bereich an Maßnahmen gesetzt haben, wobei ich davon ausgehe, daß bis spätestens Mitte des Jahres 1999 die technische Ausstattung für die österreichische Grenzgendarmerie zur Gänze abgeschlossen sein wird. Es wird dann natürlich immer wieder Erneuerungen geben müssen, es werden zusätzliche Ausrüstungsgegenstände, die sich aufgrund der Entwicklung der Technik anbieten, verwendet werden, aber ich glaube, die Endausrüstung wird spätestens in der ersten Jahreshälfte 1999 zu schaffen sein.

Was haben wir an technischer Ausstattung? – Wir haben im Bereich der Grenzkontrolle mobile Fahndungsterminals für die Durchführung von Zugskontrollen, wir haben UV-Lampen und Doku-Boxen, wir haben Hohlraumsonden und CO2-Meßgeräte, wir haben Suchtgiftschnelltests, wir haben Wärmebildgeräte und Nachtsichtgeräte. Wir werden, wie ich bereits ausführte, ab Frühjahr des nächsten Jahres 40 Wärmebildfahrzeuge zum Einsatz bringen – im heurigen Jahr werden es 12 sein –, wir haben die Möglichkeit, an der grünen Grenze insbesondere zur Nachtzeit zusätzlich Hubschrauber des Bundesheeres einzusetzen. Ich habe die Zusage vom Finanzministerium, daß ab 1999 das österreichische Innenministerium fünf neue zweimotorige Exekutivhubschrauber bekommen wird – jedes Jahr einen neuen –, sodaß auch da zusätzliche Möglichkeiten bestehen.

Wir bemühen uns, für die Ausgleichsmaßnahmen, die wir an der Grenze setzen müssen, die entsprechenden zusätzlichen Aktivitäten zu setzen. Allradbusse wird es im Bereich der Landesgendarmerie Kärntens, Oberösterreichs, Salzburgs, Tirols und Vorarlbergs geben. Zum Großteil sind diese Allradbusse bereits angeschafft beziehungsweise ausgeliefert. Die Ausstattung hiefür gibt es zum Teil bereits, zum Teil finden derzeit gerade die entsprechenden Ausschreibungen statt. In der Vollausstattung werden diese Fahrzeuge echte Spezialfahrzeuge sein, die mit ihrer hochwertigen technischen Ausstattung als wichtige und nützliche Ergänzung für die Arbeit der österreichischen Exekutive dienen werden.

Zusammengefaßt: Ich glaube, daß wir, gemessen an dem Ausrüstungsstand der österreichischen Gendarmerie, sicherlich zu den Ländern in Europa gehören, die führend sind.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Sehr verehrter Herr Minister! Sie haben am Anfang Ihrer Beantwortung die mobile Abfragestelle erwähnt. Hier gibt es noch Probleme insofern, daß durch eine mangelnde Vernetzung oder durch einen nicht immer aktuellen Datenstand technische Schwierigkeiten entstehen.

Inwieweit ist daran gedacht, bei der mobilen Anfragestelle Neuerungen zu tätigen?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Wenn Sie diese Note-Books meinen, so befinden sich derzeit 29 Note-Books in Auslieferung. Diese Auslieferung sollte bis Ende dieses Monats durchgeführt sein, und dann, so hoffe ich, wird das Problem mit dem Austausch von Disketten, das Sie auch mir gegenüber bereits einmal erwähnt haben, gelöst sein. Mit diesen mobilen Note-Books werden wir der Tatsache, daß es bei einem Austausch von Disketten natürlich immer eine Zeitspanne gibt, in der der jüngste und der aktuellste Informationsstand noch nicht da ist, begegnen können, sodaß wir eine entsprechend bessere Überprüfungsmöglichkeit geboten bekommen.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Josef Pfeifer.

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Herr Bundesminister! Meiner Meinung nach ist eine gute Ausbildung die beste und wichtigste "Ausrüstung". Wie viele Personen nehmen in etwa neben der normalen Ausbildung noch Angebote an, um sich weiterzubilden?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann, Herr Bundesrat! Ich darf Ihnen aber sagen, daß das österreichische Innenministerium und die Landesgendarmeriekommanden großes Interesse daran haben, daß der Wissensstand unserer Beamtinnen und Beamten immer erhöht wird. Es gibt eine Vielzahl von Ausbildungskursen, es gibt Fort- und Weiterbildungskurse für die einzelnen Beamten. Ich gehe davon aus, daß dieses Angebot in relativ großem Ausmaß genützt wird.

Darüber hinaus möchte ich sagen, daß es Tatsache ist, daß ein Großteil der Grenzgendarmen, die im Einsatz sind, Menschen sind, die entweder von der Zollwache zur Bundesgrenzgendarmerie gekommen sind oder die als Vertragsbedienstete aufgenommen worden sind und einen sechsmonatigen Grundausbildungslehrgang absolviert haben. Es gibt die politische Zusage, daß ab Herbst/Winter 1999 diese Grenzgendarmen, die nur die sechsmonatige Grundausbildung durchlaufen haben, schrittweise zu Vollgendarmen – wenn ich das so sagen darf – ausgebildet werden.

Ich hoffe, daß das in den nächsten Jahren umgesetzt werden wird, sodaß wir dann die Möglichkeit haben, an der Grenze Gendarmeriebeamte einzusetzen, die den entsprechenden Ausbildungskurs absolviert haben, den jeder andere Gendarmeriebeamte im Landesinneren ebenfalls gemacht hat. Ich gehe auch davon aus, daß es dann leichter sein wird, diese Gendarmeriebeamten, die an der Grenze Dienst versehen, schrittweise, wenn sie es wollen, auch auf Gendarmerieposten im Landesinneren zu versetzen.

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesrat Ernest Windholz, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Ist Ihnen bekannt, über welche Ausrüstungsgegenstände zur Grenzsicherung das Bundesheer verfügt, die der Grenzgendarmerie nicht zur Verfügung stehen beziehungsweise die dringend zur Grenzsicherung benötigt werden?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich gehe davon aus, daß die Ausrüstung der österreichischen Gendarmerie qualitativ mindestens genauso gut ist, wie es jene des Bundesheeres ist. Das Bundesheer hat lediglich im Bereich der Luftüberwachung Geräte, die uns derzeit nicht zur Verfügung stehen. Das hängt einerseits damit zusammen, daß ein zweimotoriger Hubschrauber der Exekutive, der im speziellen für den Einsatz an der Grenze vorgesehen war, unter tragischen Umständen abgestürzt ist, wobei leider vier Insassen getötet worden sind, und es hängt andererseits damit zusammen, daß wir erst jetzt die Zusage des Finanzministers bekommen haben, unsere Flotte, unsere Exekutivhubschrauberflotte, in den nächsten Jahren aufrüsten zu können und daß wir fünf neue bekommen.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zur 9. Anfrage, 950/M-BR/98. Ich bitte Herrn Bundesrat Ernest Windholz um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

950/M-BR/98

Welche konkreten Maßnahmen, insbesondere im Personalbereich, werden Sie setzen, um der zunehmenden Schlepperkriminalität bei gleichzeitiger Wahrung der inneren Sicherheit Österreichs effizient zu begegnen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Mit Stand 1. September 1998 hat der Grenzdienst der Bundesgendarmerie einen Planstellenstand von 3 000 erreicht. Mit März 1999 werden diese 3 000 Personen komplett für den Einsatz an der Grenze zur Verfügung stehen; von diesen 3 000 sind derzeit noch 250 in Ausbildung und werden Ende Februar 1999 ausgemustert werden.

Aufgrund der Zunahme der illegalen Migration, aufgrund der Ereignisse in Jugoslawien, im Kosovo, aber auch aufgrund der Tatsache, daß wir im Herbst eines jeden Jahres vermehrt einen Zustrom von Flüchtlingen, vor allem von Wirtschaftsflüchtlingen, Armutsflüchtlingen aus dem Bereich Rumänien, Bulgarien und anderen osteuropäischen Nachbarstaaten feststellen, haben wir kurzfristig 100 Bedienstete der Gendarmeriezentralschule zur Sicherung der Außengrenzen in Niederösterreich und Oberösterreich zum Einsatz gebracht sowie 40 Bedienstete aus den westlichen Bundesländern zur Unterstützung der Grenzsicherung in Niederösterreich und Oberösterreich zugeteilt.

Ich gehe davon aus, daß diese Maßnahmen bis Mitte/Ende November dazu dienen werden, entsprechende Ergebnisse zu erreichen, um grenzüberschreitende Kriminalität und grenzüberschreitende illegale Migration so weit wie möglich zu verhindern. Die Aufgriffszahlen beweisen und dokumentieren das auch sehr eindrucksvoll, wie ich heute bereits gesagt habe. Für mich ist nur die Diskussion überraschend, die von einer bestimmten politischen Seite geführt wird, die in die Richtung geht: Je höher die Aufgriffszahlen, desto schlechter muß das Überwachungssystem an der Grenze sein. – Ich gehe gerade im Gegenteil davon aus, daß die hohen Aufgriffszahlen beweisen, daß die Effektivität der Grenzsicherung bedeutend besser geworden ist. Und jeder, der sich auskennt, weiß, daß wir in den Jahren 1996 und 1997 noch eine sehr löchrige Grenze gehabt haben, daß es aber jetzt, im Jahre 1998, aufgrund der technischen Aufrüstung, aufgrund mehr Personal, das wir zur Verfügung haben, gelungen ist, doch zu erreichen, daß die Grenze effektiv kontrolliert wird.

Eine 100prozentige Grenzsicherung wird es nirgends geben. Diese gibt es nicht einmal an der amerikanisch-mexikanischen Grenze, an der Mauern und Stacheldrahtverhaue errichtet wurden. Auch dort gibt es nach wie vor in großem Ausmaß grenzüberschreitende illegale Migration. Ich glaube aber, daß wir bedeutend besser geworden sind, als das noch vor einem Jahr der Fall war, und ich glaube weiters, daß es uns gelungen ist, zu erreichen, daß die Grenzsicherung sehr effektiv geworden ist.


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645. Sitzung / Seite 24

Natürlich könnten wir statt den 6 000 Personen, die im Einsatz sind – 3 000 Grenzgendarmen, 2 000 Bundesheersoldaten, 800 Zollwachebedienstete und rund 200 Polizisten an den Flughäfen –, noch 1 000, 2 000, 3 000 oder mehr Personen gebrauchen, und damit wäre die Grenzsicherung noch besser. Wenn es möglich ist, daß der Staatshaushalt diese zusätzlichen Personalkosten verkraftet, bin ich der erste, der das gerne annimmt. Ich stelle aber nur fest, daß es auf Landesebene allzu oft so ist, daß eine bestimmte politische Partei vehement zusätzliches Personal fordert, und dieselbe politische Partei mir aber dann bei den Ministerratssitzungen nicht die entsprechende Unterstützung dafür gibt. Ich habe damit natürlich Probleme, wenn Landes- und Bundespolitik einer politischen Bewegung so unterschiedlich sind.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Im Lichte der jüngsten Erkenntnisse, daß die Zahl der Verfahren wegen des Deliktes der Schleppertätigkeit ständig dramatisch ansteigt, frage ich Sie, ob daran gedacht ist, den Strafrahmen für dieses Delikt zu erhöhen.

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Wir haben, so glaube ich, den Strafrahmen im März oder April des vergangenen Jahres erhöht. Ich meine, daß jetzt ein Strafrahmen gegeben ist, der relativ hoch ist und auch ausreicht. Für gewerbsmäßigen illegalen Schmuggel von Menschen und illegale Migration können Schlepper mit einer unbedingter Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren verurteilt werden. Jetzt ist es Sache des jeweiligen Richters, diesen Strafrahmen auszunützen, wobei ich vor einigen Monaten noch feststellen konnte, daß es da zum Teil sehr milde Urteile gegeben hat. Nun stelle ich fest, daß sich die Justiz immer mehr dessen bewußt wird, daß eine höhere Strafverurteilung auch dazu dient, zusätzlich präventiv auf potentielle Schlepper zu wirken, und darüber bin ich sehr froh.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Engelbert Schaufler.

Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Vor einiger Zeit hat es heftige Diskussionen darüber gegeben, ob im Raum Schwechat ein Containerdorf für Schubhäftlinge errichtet werden soll. Nun meine Frage, Herr Bundesminister: Welche Fortschritte konnten zur Schaffung neuer Schubhaftplätze im Osten Österreichs, konkret in Schwechat, erreicht werden?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Die Errichtung eines Containerdorfes war von meiner Seite nie geplant. Das wurde über die Medienberichterstattung zu solch einer Einrichtung umfunktioniert. Geplant war vielmehr, daß man im Bereich des Flughafens Schwechat kurzfristig in Fertigteilbauweise eine entsprechende Schubhaftanstalt zu errichten versucht. Das ist aus mehreren Gründen bisher nicht umgesetzt worden. Einer der Gründe ist, daß die Kosten dafür sehr hoch gewesen wären. Es wären fast 150 Millionen Schilling Errichtungskosten von der Flughafenbetriebsgesellschaft gefordert worden. Wir hätten zusätzliches Personal von mindestens 100 Personen gebraucht, die meinem Ministerium damals nicht zur Verfügung gestanden sind.

Ich habe deshalb entschieden, daß wir zu erreichen versuchen, daß kostengünstigere zusätzliche Schubhaftplätze in den einzelnen Bundesländern geschaffen werden. Der burgenländische Landeshauptmann hat – ich bin ihm dafür sehr dankbar – erreicht, daß wir in Eisenstadt zusätzlich 32 Schubhaftplätze schaffen können, die in den nächsten Wochen fertig werden beziehungsweise bereits fertiggestellt geworden sind und die zu einer Entlastung im Bereich des Bundeslandes Burgenland führen.


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645. Sitzung / Seite 25

Ich habe weiters erreichen können, daß in Wien das Polizeigefangenenhaus aufgestockt wird. Die Arbeiten sind bereits im Gange, sodaß ich bis zum Jahr 2000 mit zirka 150 bis 170 zusätzlichen Schubhaftplätzen rechne.

Wir sind in Salzburg derzeit dabei, 80 Schubhaftplätze durch Aufstockung des Polizeigefangenenhauses zusätzlich zu errichten. Die Arbeiten müßten bis zur ersten Jahreshälfte 1999 abgeschlossen sein.

Darüber hinaus sind wir in Verhandlungen mit der Flughafenbetriebsgesellschaft, um eine Art Schmalspurvariante der Schubhaftanstalt, wie wir sie geplant haben, am Flughafen Schwechat zu erreichen. Ich gehe davon aus, daß die Verhandlungen in den nächsten Tagen und Wochen abgeschlossen sein werden, und hoffe, daß ich dann auch vom Land Niederösterreich, das eigentlich für Schubhaftplätze zuständig ist, eine notwendige finanzielle Unterstützung bekommen werde.


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 26

Präsident Alfred Gerstl:
Wir gelangen nun zur 10. Anfrage, 938/M-BR. Ich bitte Herrn Bundesrat Josef Pfeifer um die Fragestellung.

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

938/M-BR/98

Ist in Anbetracht der allgemeinen Budgetrestriktionen zu befürchten, daß im Gegensatz zu beachtlichen Investitionen in den vergangenen Jahren wichtige Neubau- und Instandsetzungsvorhaben für das Innenministerium nicht oder nicht in der erforderlichen Zeit realisiert werden können?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Ich darf Ihnen sagen, daß es in den letzten Jahren gelungen ist, eine Vielzahl von baulichen Infrastrukturmaßnahmen für das Innenministerium zu setzen, und daß die Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium sowohl auf Beamtenebene als auch auf politischer Ebene ausgezeichnet gewesen ist und das Innenministerium diesbezüglich eine große Unterstützung bekommen hat. Wir konnten vor einigen wenigen Tagen die Ressortverhandlungen über das Neubauprogramm für das Jahr 1999 abschließen, und wir werden im nächsten Jahr 370 Millionen Schilling für Neubauten beziehungsweise für Neubauvorhaben zur Verfügung haben.

Darüber hinaus wird es uns auch gelingen, eine Vielzahl von Geldmitteln für Instandhaltungsmaßnahmen zur Verfügung zu haben. Insgesamt werden wir im kommenden Jahr in die Bauinfrastruktur des Innenministeriums fast 800 Millionen Schilling investieren können. Ich glaube, das wird wesentlich dazu beitragen, daß die wenigen letzten Maßnahmen, die notwendig sind, um Gendarmerieposten und Polizeiwachzimmer zu sanieren, durchgeführt werden können. Das heißt also, ich bin sehr glücklich darüber, daß wir die entsprechende Unterstützung vom Wirtschaftsministerium bekommen haben.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herrn Mag. John Gudenus.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Mein Vorredner hat eine Frage bezüglich der Budgetrestriktionen gestellt. Es ist bekannt, daß in den Vereinigten Staaten das Budget für die Grenzsicherung nächstes Jahr 3,8 Milliarden Dollar betragen wird – soviel nur zur Information.

Ich möchte Sie folgendes fragen: Ist auch in diesem Fall die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit dem österreichischen Bundesheer gegeben, welches, wie wir hören, Infrastrukturen aufgeben wird, um damit eine Einsparung durch Nachnutzung durch das österreichische Innenministerium zu gewährleisten?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat Gudenus! Die Summe von 3,8 Milliarden Dollar, die die Vereinigten Staaten für die Grenzsicherung ausgeben, erschüttert mich in keinem Ausmaß (Bundesrat Mag. Gudenus: Mich auch nicht!), weil das eine Summe ist, die im Größenvergleich mit Österreich ohne Zweifel nicht so dramatisch hoch ist. Ich war heuer in den Vereinigten Staaten und hatte auch die Möglichkeit, das CIA-Hauptquartier zu besuchen und mit dem CIA-Chef ein Gespräch zu führen. Dort ist mir mitgeteilt worden, daß die CIA pro Jahr fast 400 Milliarden Schilling zur Verfügung hat. Wenn man weiß, daß der österreichische Staatshaushalt 700 Milliarden Schilling ausmacht, so zeigt das, welche Größenordnungen dort für Sicherheitsfragen und für Fragen der Arbeit des Geheimdienstes zur Verfügung stehen, wobei ich natürlich die CIA in keiner Weise mit der österreichischen Staatspolizei beziehungsweise mit dem Heeresnachrichtendienst vergleichen möchte. (Bundesrat Dr. Tremmel: CIA-Chef Schlögl!)  – Ja, aber Sie sehen, welche gigantische Summe zur Verfügung steht.

Sie sehen auch, daß trotz der enormen Geldmittel und trotz der enormen personellen Ressourcen, die zur Verfügung stehen, auch die CIA manchmal sehr von gewissen Ereignissen überrascht wird und es da auch sehr viele Pannen gibt. Das heißt also, Geld alleine ist nicht die Garantie dafür, daß man erfolgreich arbeiten kann.

Das österreichische Innenministerium hat an manchen Kasernen beziehungsweise an Teilen von Kasernen großes Interesse. Im wesentlichen haben wir Interesse an einer Kaserne in Salzburg. Dort soll das Landesgendarmeriekommando Salzburg neu errichtet werden. Es gibt derzeit bereits entsprechende Gespräche, und ich hoffe, daß wir noch im heurigen Jahr die Zusage bekommen werden, einen Teil dieses Areals erwerben zu können. Darüber hinaus haben wir Interesse an Teilen der Rhomberg-Kaserne in Vorarlberg, und es gibt auch eine Reihe von anderen Kasernen, die unter Umständen für das österreichische Innenministerium von Interesse sein könnten. Aber das wichtigste und aktuellste Projekt betrifft eine Kaserne in Salzburg zur Neuerrichtung des Landesgendarmeriekommandos.

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesrat Ludwig Bieringer, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Bundesminister! Sie haben meine Frage bereits vorweggenommen. Ich wollte Sie fragen, ob es schon konkrete Pläne hinsichtlich des Landesgendarmeriekommandos für Salzburg gibt. Wenn ja, wüßte ich gerne: Wo soll Ihrer Meinung nach das Landesgendarmeriekommando Salzburg hinkommen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Es hat eine Vielzahl von Besprechungen gegeben. Es hat insgesamt drei Standorte gegeben, die dafür in Frage gekommen wären. Bei der letzten Besprechung hat es eine einheitliche Willensbildung gegeben, daß die Struberkaserne der geeignete Standort für das neue Landesgendarmeriekommando wäre. Es laufen jetzt entsprechende Gespräche mit dem Verteidigungsministerium, und ich hoffe, daß wir heuer die Standortfrage noch klären können, sodaß im nächsten Jahr die Planungsphase stattfinden kann und im Jahre 2000 mit dem Baubeginn zu rechnen sein wird. Die Neuerrichtung des Landesgendarmeriekommandos Salzburg ist ein wichtiges und dringendes Projekt; die Diskussion darüber ist schon viel zu lange im Gange.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur 11. Anfrage,


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 27

944/M-BR/98. Ich bitte Herrn Bundesrat Wolfram Vindl um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

944/M-BR/98

Wie weit sind die Arbeiten zur Schaffung eines einheitlichen Kommunikationssystems der Exekutive (ADONIS) fortgeschritten?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
645. Sitzung / Seite 28

Präsident Alfred Gerstl:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Wenn ich sehr stolz sage, daß das österreichische Innenministerium, die österreichische Exekutive, die Gendarmerie und Polizei, in einer hervorragenden Weise in den letzten Jahren technisch ausgestattet worden sind, so stimmt das. Wenn ich sage, beim Funk schaut es anders aus, so stimmt das auch. Wir haben im Funkbereich einen Standard, der im wesentlichen auf dem Niveau der siebziger Jahre ist, und in manchen Gebieten Österreichs gibt es große Probleme mit der Kommunikation. Gerade in manchen Gebieten Niederösterreichs ist die Kommunikation sehr schwierig, vor allem im Voralpengebiet, aber auch im Bereich des Bezirkes Hollabrunn und in grenznahen Bezirken zu Tschechien.

Deshalb ist es dringend notwendig, ein einheitliches neues Kommunikationssystem einzuführen, nämlich das Projekt ADONIS, und wir sind in den diesbezüglichen Planungsarbeiten sehr erfolgreich. Es ist gelungen, für das Budgetjahr 1999 127 Millionen Schilling dafür zu reservieren, sodaß im Jahre 1999 die Planungsarbeiten durchgeführt werden und ab dem Jahre 2000 damit zu rechnen sein wird, daß dieses Projekt schrittweise bis in das Jahr 2003 umgesetzt werden kann.

Für mich wäre es notwendig und wichtig, daß dieser neue Digitalfunk nicht nur auf das Innenministerium beschränkt bleibt, sondern daß es gelingt, auch die Zoll- und Justizwache sowie andere Blaulichtorganisationen wie etwa die Feuerwehr und die Rettungsorganisationen miteinzubeziehen. Wichtig ist weiters, daß es zur Zusammenarbeit mit Deutschland und Italien kommt, um zu gewährleisten, daß wir auf demselben technischen Standard und Niveau sind.

Es läuft bei allen sehr gut. Ich habe vor ungefähr einem halben Jahr ein Schreiben an die Landeshauptleute gesandt, mit der Bitte zu prüfen, ob sie sich vorstellen könnten, dabei mitzutun und einen entsprechenden finanziellen Beitrag dafür zu leisten. Die Antwortschreiben der Landeshauptleute waren im wesentlichen sehr positiv, obwohl sie sich, wie Sie sich vorstellen können, bezüglich der finanziellen Zusagen bedeckt gehalten haben. Ich wäre aber fast enttäuscht gewesen, wenn ich sofort eine Zusage bekommen hätte, dieses Projekt in größerem Ausmaß mitzufinanzieren. Insgesamt wird es im Vollausbau wahrscheinlich 5 bis 6 Milliarden Schilling kosten, in dieser Summe sind aber Bundesheer und Justizwache sowie alles übrige mitinbegriffen. Rund 3 Milliarden Schilling werden vom Innenministerium aufzubringen sein, den restlichen Betrag müssen die anderen Ministerien beziehungsweise die Länder beisteuern.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
645. Sitzung / Seite 29

Präsident Alfred Gerstl:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Gibt es Überbrückungsmaßnahmen, um die schlechte Funksituation in einigen Teilen unserer Republik schon vor Verwirklichung dieses Systems zu verbessern?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Natürlich schaffen wir Überbrückungsmaßnahmen, aber in äußerst bescheidenem Ausmaß. Sie werden jedoch nur dort gesetzt, wo es unbedingt notwendig ist. Dazu ist anzumerken, daß wir verstärkt dazu übergehen, entsprechende Handys zur Verfügung zu stellen, um Investitionen in das veraltete Funksystem, die in einigen wenigen Jahren durch den neuen Funk verloren sein werden, zu vermeiden.

Wir müssen uns aber dessen bewußt sein, daß auch eine echte Sanierung des jetzigen Funksystems, die mindestens 500 bis 600 Millionen Schilling kosten würde, nicht zu einer befriedigenden Situation um das Funknetz führen würde.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Welche Art der Einschulung wird für die Exekutivbeamten und Hilfsorganisationen nötig sein, und wie lange wird diese dauern?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sicherlich wird es notwendig und wichtig sein, daß es entsprechende Einschulungsmaßnahmen gibt. Ich gehe aber davon aus, daß sie relativ kurz sein werden, ähnlich etwa jenen für Büroautomations- und Kommunikationssysteme, und daß es zu einer koordinierten Vorgangsweise kommen muß, damit die Hilfs- und Blaulichtorganisationen, aber auch andere Organisationen in diese Schulungsmaßnahmen miteinbezogen werden. Es soll nicht so sein, daß in der eigentlichen Umsetzungsphase des Projektes jede einzelne Organisation ihr eigenes Schulungssystem und ihre eigene Ausbildung hat, sondern es sollte eine einheitliche Einschulung unter der Federführung des Innenministeriums geben.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur 12. Anfrage, 951/M-BR/98, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

951/M-BR/98

Welche Handhabe gibt es aus Ihrer Sicht, um die Einrichtung eines islamischen Zentrums in Dornbirn zu verhindern, und damit sowohl den Bedenken vom Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Mag. Sika, als auch dem Willen der drei großen Parteien der Stadt Rechnung zu tragen?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich bin mir der Problematik bewußt. Trotzdem gibt es nach der österreichischen Rechtslage für die Sicherheitsbehörden keine Möglichkeit, die Einrichtung des geplanten islamischen Zentrums in Dornbirn zu verhindern.

Die Errichtung dieses Zentrums wird vom Verband der islamischen Kulturzentren Dornbirn betrieben. Es liegen uns keine Hinweise vor, daß sich diese Organisation nicht an die österreichischen Gesetze halten würde. Es ist für mich daher mangels eines strafrechtsakzessorischen Umstandes nicht möglich, die Errichtung dieses Zentrums zu verbieten. Ich sehe lediglich im Bereich der Kompetenz der Stadtverwaltung etwa bezüglich der baulichen Maßnahmen und ähnlichem eine Möglichkeit, die Umsetzung dieses Projektes zu verhindern. Aus sicherheitsbehördlichen Überlegungen gibt es meiner Meinung nach derzeit keinen Grund zum Einschreiten.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Planen Sie in bezug auf die Bekämpfung radikaler fundamentalistischer Gruppierungen Gesetzesvorlagen?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich plane keine Gesetzesvorlagen. Es ist jedoch vorgesehen, die Aktivitäten islamisch-fundamentalistischer Organisationen in den nächsten Monaten in Österreich verstärkt zu beobachten.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Wortmeldungen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Ilse Giesinger.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Welche Bedrohung stellt der Fundamentalismus in Österreich dar?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten und zu den weltweiten Ereignissen der letzten Monate stellt der islamische Fundamentalismus in Österreich eine äußerst geringe Bedrohung dar. Trotzdem müssen wir uns dessen bewußt sein, daß wir nicht arglos sein dürfen und daß es notwendig und wichtig ist, allfällige Aktivitäten – es gibt die eine oder andere Aktivität in diesem Bereich – verstärkt zu kontrollieren und alles zu tun, damit es zu keinen Straftaten kommt.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur 13. Anfrage, 939/M-BR/98. Der als krank gemeldete Bundesrat Wolfgang Hager hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung sein Einverständnis bekanntgegeben, daß Herr Bundesrat Stefan Prähauser in das Fragerecht eintritt.

Ich bitte den Anfragesteller um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

939/M-BR/98

Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um die Anliegen der Einsatzorganisationen in bezug auf die Zuweisung von Zivildienstleistenden zu befriedigen?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Das Problem ist, daß wir folgender Situation ausgesetzt sind: Es gab in den letzten Jahren immer weniger Zivildienstableistende, gleichzeitig aber steigt die Zahl jener Organisationen, die Zivildiener suchen und entsprechende Plätze zur Verfügung stellen.

Hatten wir noch vor drei oder vier Jahren fast 14 000 Zivildienstableistende beziehungsweise Zivildienstwerber pro Jahr, so ist diese Zahl im vergangenen Jahr auf rund 8 000 bis 9 000 gesunken. Alleine das zeigt, daß ein Rückgang der Zivildienstleistenden und ein vermehrter Anfall von Plätzen nicht alle Wünsche zur Gänze befriedigen können.

Ich habe mich trotzdem bemüht, die Zahl der Zivildienstleistenden zu erhöhen. Im vergangenen Jahr hatten 8 427 Organisationen Plätze angemeldet, davon konnten 6 400 Zuweisungen erfolgen. Im heurigen Jahr ist es uns gelungen, die Zahl der Zuweisungen auf 6 700 zu erhöhen, damit konnten wir wieder die Zahl des Jahres 1996 erreichen.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Haben Sie im Rahmen des Zivildienstes auch einmal die Einrichtung eines Umwelt- und Katastrophenschutzdienstes geprüft, und was halten Sie von dieser Idee?

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich habe diese Idee nicht geprüft, halte es aber gerade in diesem Bereich für sinnvoll und notwendig, sich zu überlegen, Zivildiener stärker als bisher einzusetzen. Teilweise gelingt das bereits, ich denke etwa daran, daß Zivildiener bei der Feuerwehr eingesetzt werden und dort eine sehr wertvolle und wichtige Arbeit leisten.


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 30

Darüber hinaus sollte man in Ruhe darüber diskutieren, was Sie unter Umwelt- und Katastrophendiensteinrichtungen verstehen. Es gibt bereits eine Reihe von Einrichtungen, zum Teil ehrenamtliche, freiwillige Organisationen, etwa die Berg- und Naturwacht, die Bergrettungsdienste, verschiedene Alpenvereine, die Naturfreundeorganisationen, aber auch auf der anderen Seite die Freiwillige Feuerwehr, die für mich die Katastrophenschutzorganisation par excellence in Österreich ist! Man müßte also darüber reden, welche Art von Einrichtungen zusätzlicher Art Sie meinen.

Präsident Alfred Gerstl: Ich bitte Herrn Bundesrat Gottfried Jaud um die Zusatzfrage.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Habe ich Ihre Antwort richtig verstanden, daß Sie derzeit zu wenige Zivildiener für die diversen Einsatzorganisationen haben?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Wir haben jetzt bedeutend weniger Zivildiener als es noch vor einigen Jahren der Fall gewesen ist. In den Jahren 1993 und 1994 hatten wir an die 14 000 Ansuchen um Ableistung des Zivildienstes. Im heurigen Jahr ist diese Zahl auf rund 7 000 bis 7 500 gesunken, genaue Zahlen kann ich Ihnen im Moment nicht nennen. Es zeigt jedenfalls, daß die Zahl der Zivildienstwerber deutlich zurückgegangen ist. Die Gründe dafür sind mannigfaltig und liegen unter anderem in der gesetzlichen Änderung, die vom Nationalrat und Bundesrat beschlossen worden ist.

Aber ich habe derzeit noch genügend Zivildiener zur Verfügung. Tatsache ist jedoch, daß die Zahl der Zivildiener sinkt, während die Zahl jener Organisationen, die um Zivildiener ansuchen, steigt. Wenn es nun immer mehr Plätze gibt, an denen man Zivildienst ableisten kann, weil viele Organisationen Zivildiener für die Verrichtung ihrer Arbeiten brauchen, gleichzeitig aber die Zahl der Zivildiener immer kleiner wird, dann wird es sich irgendwann nicht mehr ausgehen. (Bundesrat Jaud: Derzeit ist es noch ausreichend?) – Ja! Derzeit ist es noch ausreichend.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur 14. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Peter Rodek, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich wollte Sie an und für sich fragen:

945/M-BR/98

Wie hat sich die Zahl der Asylsuchenden durch die Kosovo-Krise geändert hat?

Diese Frage hat sich aber durch Ihre Beantwortung der Anfrage des Herrn Kollegen Ludwig bereits erübrigt.

Aus Ihrer Anfragebeantwortung ist aber hervorgegangen, daß der Flüchtlingsstrom drastisch angestiegen ist. Ich möchte daher folgende Zusatzfrage stellen:

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um diese Steigerung der Flüchtlingszahl eindämmen zu können?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Man muß in diesem Bereich unterscheiden: Meinen Sie Asylwerber oder Flüchtlinge?

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Auf jeden Fall Flüchtlinge, denn die Asylfrage haben Sie bereits beantwortet.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Das Problem der Flüchtlinge, also jener Menschen, die illegal unsere Grenze überschreiten – nicht um Asyl ansuchen – mit dem Ziel, in


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Österreich oder in anderen Ländern aufhältig zu sein und eine Arbeitsbewilligung zu bekommen, ist eines, das man auf verschiedene Arten zu lösen versuchen muß. Entscheidend und wichtig ist natürlich, daß sich die soziale und wirtschaftliche Situation in den Herkunftsländern dieser Flüchtlinge verbessert.

Wenn es beispielsweise gelingt, in Rumänien Lebensumstände zu schaffen, die es nicht mehr interessant machen, dieses Land zu verlassen, wird der Zustrom an Illegalen aus Rumänien deutlich abnehmen. Darum ist es auch eine der notwendigen und wichtigen Aufgaben der Europäischen Union, alles daran zu setzen, diese Lebensumstände zu verbessern.

Eine zweite wichtige Maßnahme ist natürlich, alles daran zu setzen, um bereits in den Herkunftsländern von Flüchtlingsströmen, die nicht politisch, sondern wirtschaftlich und sozial motiviert sind, deutlich darauf hinzuweisen, daß Österreich, Europa und andere Staaten für Flüchtlinge nicht der Goldene Westen und das Paradies sind, wo sie sofort eine Arbeitsbewilligung und die Möglichkeit der Integration in die Gesellschaft bekommen, sondern daß es dort – gerade im Gegenteil – Rechtssysteme gibt, die die Zuwanderung klar regeln und man über eine illegale Immigration keine Aufenthaltsbewilligung bekommt.

Drittens ist es notwendig und wichtig, die Grenzsicherung weiterhin so effektiv wie möglich zu gestalten, damit möglichst wenig illegale Einwanderer nach Österreich und Deutschland kommen können.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sie haben gesagt, daß die Chancen und Lebensumstände in den Herkunftsländern der Flüchtlinge verbessert werden sollen. – Soll das heißen, daß die Osterweiterung der EU in diesem Sinne voranzutreiben ist?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich glaube, daß die Erweiterung der Europäischen Union ein wesentliches Kriterium dafür ist, eine Verbesserung der Lebenssituation in diesen Ländern zu erreichen. Wir sind aber nicht nur mit Sozial- und Wirtschafts- sowie Armutsflüchtlingen aus jenen Ländern, die möglicherweise in den nächsten Jahren Mitglieder der Europäischen Union werden, konfrontiert, sondern immer stärker auch mit Flüchtlingsbewegungen aus Indien, Sri Lanka, Pakistan, aus dem Bereich der Maghreb-Staaten sowie Schwarzafrikas und anderen Staaten. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.) Deshalb wird es notwendig sein, sich nicht nur auf unsere unmittelbaren Nachbarstaaten zu beschränken, wo außerdem manches bereits besser geworden ist – es gibt kaum mehr einen Flüchtling aus Polen, Ungarn oder Slowenien –, sondern uns stärker auf weiter entfernte Länder zu konzentrieren.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Herr Bundesrat Erhard Meier, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Auf welchen Wegen gelangen die Asylsuchenden und Flüchtlinge, vor allem jene, die durch die Kosovo-Krise zu uns kommen, in die einzelnen Bundesländer und damit nach Österreich?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Flüchtlinge aus Kosovo kommen im wesentlichen über folgende drei Routen nach Österreich: Die erste verläuft über Albanien, über das Meer nach Italien und dann Richtung Österreich beziehungsweise Frankreich, die zweite Richtung über den Balkan, über Jugoslawien hinauf nach Ungarn und von dort nach Österreich, die dritte ist auf derselben Strecke, aber nicht über die ungarische Grenze ins Burgenland, sondern über die slowakische und tschechische Grenze.


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Tatsache ist, daß zirka 50 Prozent aller illegalen Immigranten über die ungarisch-österreichische Grenze nach Österreich kommen, zirka 14, 15 Prozent über Tschechien, zirka 12, 13 Prozent über die Slowakei, zirka 9 Prozent über Slowenien, rund 6 Prozent über Italien und knapp 2 Prozent über Deutschland.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Frau Bundesrätin Haunschmid, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Können Sie mir sagen, wie viele Kosovo-Flüchtlinge oder Asylwerber sich momentan in Oberösterreich aufhalten, also dort untergebracht sind?

Vizepräsident Anne Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Die Zahl für das Bundesland Oberösterreich kann ich Ihnen nur nachreichen, ich weiß es nicht. Wir haben im heurigen Jahr rund 8 500 Asylwerber aufgenommen, davon stammen rund 4 000, nicht ganz 4 000 aus dem Bereich des ehemaligen Jugoslawiens, und davon werden wiederum rund 3 000 bis 3 200 aus dem Kosovo kommen, sodaß ich davon ausgehe, daß in Oberösterreich bestenfalls 300, 400 Personen sind. Aber die genaue Zahl kann ich Ihnen nicht sagen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister. Wir kommen zur 15. Anfrage, 940/M-BR/98, an den Herrn Bundesminister für Inneres.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Winter, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

940/M-BR/98

Können Sie bei Ihren Bemühungen, den Angehörigen der Gemeindewachkörper im Bereich des Exekutivdienstes für Sicherheitsbehörden eine weitere Einschreitbefugnis zu schaffen, Fortschritte erzielen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Ich halte das für dringend notwendig. Wir haben 400 Gemeindewachbedienstete in ganz Österreich, von denen ein Hauptteil, etwas mehr als 100, im Bundesland Vorarlberg tätig ist. Es ist einfach schade, daß diese Kapazität nicht im gebührenden Ausmaß für sicherheitspolizeiliche Aufgaben genützt wird.

Es war geplant, eine diesbezügliche Veränderung im Rahmen der Bundesstaatsreform durchzuführen. Auf diese warten wir nun aber schon sehr lange, und ich halte es für notwendig, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen, ohne auf die Umsetzung der Bundesstaatsreform zu warten. Daher habe ich vor einigen Tagen eine Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes zur Begutachtung ausgeschickt, die, falls sie noch heuer beschlossen wird, gewährleistet, daß ab nächstem Jahr die Gemeindewachkörper die entsprechenden Erweiterungen der Einschreitbefugnisse haben, sodaß sie gleichberechtigt mit allen anderen Sicherheitsbehörden tätig werden können.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Windholz. – Bitte.

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Sie sprechen eine beabsichtigte Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes in dem Entwurf, den Sie ausgesendet haben, an. Meine Frage lautet: Ist auch im § 39 Abs. 3 eine neue Kompetenz verankert, was den internationalen Durchzugsverkehr betrifft? Steht diese geplante Maßnahme im


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Zusammenhang mit einer Änderung des Zollrechts-Durchführungsgesetzes, was die Abnahme von Zollverschlüssen durch Sicherheitsorgane betrifft, und ist diese Änderung im § 39 Abs. 3 – beziehungsweise im neuen Abs. 3a – mit den Vertretern des Finanzministeriums abgesprochen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich kann Ihnen jetzt nicht 100prozentig sagen, ob das mit allen Vertretern des Finanzministeriums abgesprochen ist. Aber die Begutachtung einer Gesetzesnovelle hat die Aufgabe beziehungsweise dient dazu, allfälligen Einwänden von verschiedenen Stellen – wie beispielsweise vom Finanzministerium – Rechnung zu tragen. Wenn in der Begutachtung viele Einsprüche beziehungsweise Einwände kommen sollten, bin ich gerne bereit, diese auch zu behandeln und entsprechende Veränderungen vorzunehmen, weil ich nicht vorhabe, Gesetzesveränderungen gegen den Einspruch etwa des Finanzministeriums durchzusetzen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Weiss gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Ausgehend von der bisher unbestrittenen Annahme, daß auch eine verfassungsgesetzliche Grundlage erforderlich sein wird, möchte ich Sie fragen, wie – ergänzend zum Sicherheitspolizeigesetz – eine entsprechende Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes durchgeführt werden wird.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Können Sie die Frage bitte wiederholen?

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Ausgehend von der bisher unbestrittenen Annahme, daß auch eine bundesverfassungsgesetzliche Absicherung notwendig sein wird, möchte ich Sie fragen, in welcher Weise neben dem Sicherheitspolizeigesetz auch die Bundesverfassung entsprechend geändert werden wird.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich gehe davon aus, daß eine Änderung im Sicherheitspolizeigesetz genügen wird.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 16. und letzten Anfrage für heute.

Die 16. Anfrage – 946/M-BR/98 – stellt Herr Bundesrat Herr Ing. Polleruhs. Ich bitte ihn um die Verlesung.

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

946/M-BR/98

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit dem österreichischen Bundesheer bei der Grenzüberwachung mit Hubschraubern?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich möchte zu der vorherigen Frage des Herrn Bundesrat Weiss noch feststellen, daß eine verfassungsgesetzliche Deckung doch notwendig ist. Herr Bundesrat Weiss! Sie haben recht, und ich korrigiere mich. Ich gehe davon aus, daß es uns gelingen wird, auch die entsprechende verfassungsgesetzliche Änderung zu erreichen.


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Zur Frage nach der Zusammenarbeit mit dem Bundesheer im Bereich der Grenzüberwachung darf ich Ihnen mitteilen, daß diese Zusammenarbeit hervorragend funktioniert. Es ist gelungen, mittels Hubschrauber auch zur Nachtzeit – im Burgenland auch zur Tagzeit –, mit dem Einsatz der sogenannten FLIR-Technik zu erreichen, daß die Hubschrauber-Bundesheereinsätze eine wirkungsvolle Ergänzung zu den anderen Maßnahmen der Grenzüberwachung sind. Es gelingt damit, größere Geländebereiche einzusehen und die Arbeit zwischen den Einsatzkräften auch besser zu koordinieren. Diese Arbeit des österreichischen Bundesheeres mit Hubschraubern ist sehr notwendig und wichtig!

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Die nächste Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Drochter gestellt. – Bitte.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ihr Ministerkollege Fasslabend kündigt in regelmäßigen Abständen immer wieder an, daß er Material und Mannschaft aus dem Assistenzeinsatz abziehen möchte. Sollte dies der Fall sein, dann würden auch Hubschrauber abgezogen werden. Welche Maßnahmen werden Sie treffen, um in diesem Gebiet eventuell auch durch Ersatzmaßnahmen die Sicherheit zu gewährleisten?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich gehe davon aus, daß der Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres an der burgenländisch-ungarischen Grenze unabdingbar notwendig ist. Ein Abziehen der 2 000 Soldaten würde bedeuten, daß wir umgehend entsprechendes zusätzliches Personal für die Bundesgendarmerie bekommen müßten, um auch weiterhin wirkungsvoll die grenzüberschreitende Kriminalität und Zuwanderung verhindern zu können. Das gleiche würde auch für eine allfällige Rücknahme der Hubschraubereinsätze gelten.

Ich muß dazusagen: Ich kann mir nicht vorstellen, daß vom Herrn Bundesminister für Landesverteidigung tatsächlich beabsichtigt ist, den Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres zu beschränken, weil ich glaube, daß dieser Assistenzeinsatz sehr wichtig für die Sicherheit Österreichs ist und auch wesentlich zu einem positiven Image des österreichischen Bundesheeres in der Bevölkerung beiträgt.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Sie haben ausgeführt, daß der Assistenzeinsatz des Bundesheeres unverzichtbar ist und daß die 2 000 Soldaten dort notwendig sind. Bekannt ist, daß die diesbezüglichen Mittel mehrheitlich vom Bundesheer aus dem Wehrbudget aufgebracht werden. Diesbezüglich hat sich auch Generaltruppeninspektor Majcen geäußert.

Wären Sie, um diesen Assistenzeinsatz zu sichern, dazu bereit, daß hiefür Mittel aus dem allgemeinen Bundesbudget, außerhalb des Wehrbudgets, aufgebracht werden, um einerseits den Assistenzeinsatz weiter abzusichern und andererseits das Bestehen des Bundesheeres zu garantieren?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich bin leider oder zum Glück nicht in der Lage, solche Fragen zu beantworten, weil das in die Zuständigkeit des Finanzministers fällt.

Ich kann Ihnen nur sagen, daß ich natürlich nicht bereit bin, aus dem Budget des Innenministeriums hiefür entsprechende Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Es wäre auch dumm von mir, wenn ich so etwas zusagen würde. Ich habe aber Verständnis dafür, daß der Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres das Bundesheer in seiner Tätigkeit belastet, und meine,


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daß wir bei den entsprechenden Budgetverhandlungen sicherlich versuchen sollten, einen Ausgleich zu finden. Das ist aber Sache des Herrn Finanzministers und des Herrn Landesverteidigungsministers.

Meine Aufgabe ist es, darauf zu achten, daß die Budgetmittel für das Innenministerium in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen. Darin war das Innenministerium in den letzten Jahren sehr erfolgreich. Ich darf daran erinnern, daß wir 1996 noch 20 Milliarden Schilling Budget hatten und 1999 wahrscheinlich über 23 Milliarden Schilling zur Verfügung haben werden. (Bundesrat Dr. Tremmel: Mehr als das Bundesheer!) Richtig! Mehr als das Bundesheer.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Damit ist die Fragestunde beendet.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe bekannt, daß mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Riess-Passer und Kollegen vorliegt. Diese dringliche Anfrage betrifft 50 Millionen Schilling für "die Fortsetzung eines Mittagessens" und ist an den Herrn Bundeskanzler gerichtet.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung dieser Anfrage an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt sind zwei Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Diese Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Weiters wurden die in der letzten Fragestunde aufgrund des Zeitablaufes nicht mehr aufgerufenen mündlichen Anfragen vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie schriftlich beantwortet und an alle Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Weiters eingelangt ist ein Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert wird.

Dieser Beschluß unterliegt im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates.

Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind ferner jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Der Herr Präsident hat diese Beschlüsse sowie den 21. Bericht der Volksanwaltschaft 1997 den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

All diese Vorlagen befinden sich auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung.


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Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 6 und 7 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Es ist dies nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, möchte ich an die in der Präsidialkonferenz vom 2. Juni 1998 getroffene Vereinbarung der Fraktionen erinnern. Die Fraktionen haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung für alle Debattenbeiträge, für welche die Geschäftsordnung keine bestimmten Redezeiten vorsieht, vereinbart. Es wird daher das rote Lichtsignal beim Rednerpult eine Minute vor Ablauf der vereinbarten Redezeit blinken und nach Ablauf der vereinbarten Redezeit dauernd rot leuchten.

Sind für eine Debatte mehrere Redner von einer Fraktion zu Wort gemeldet, so stehen dem Erstredner bis zu 15 Minuten zur Verfügung. Da es sich um eine freiwillige Redezeitbeschränkung handelt, wird der vorsitzführende Präsident weder ein Glockenzeichen geben noch den Redner bei Ablauf der vereinbarten Redezeit darauf hinweisen.

Sollten Debattenredner im Hinblick auf das zu behandelnde Thema von vornherein die Vereinbarung nicht einhalten können, ersuchen wir, bei Beginn der Rede darauf hinzuweisen.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird (1386 und 1400/NR sowie 5785/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Drochter übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Karl Drochter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen des Bunderates! Der Bericht über das von der Frau Präsidentin erwähnte Gesetz liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich kann Ihnen daher eine Verlesung ersparen.

Ich darf folgenden Antrag stellen: Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Oktober 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf Sie, Frau Präsidentin, ersuchen, die Debatte darüber zu eröffnen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.


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10.53

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Der vorliegende Entwurf beinhaltet gegenüber dem Ärztegesetz 1984 in der derzeit geltenden Fassung mehrere Neuerungen, die Ihnen bereits bekannt sind, wie etwa die Neustrukturierung der Organisation der Ärztekammer, die Schaffung bezugsrechtlicher Regelungen für die künftigen Absolventen der Studienrichtung Zahnmedizin – es ist Zeit, daß das kommt! –, die Schaffung neuer Grundlagen für das Sonderfach Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, die Schaffung eines, den praktischen Erfordernissen Rechnung tragenden, ärztlichen Disziplinarverfahrensrechts und die Neuregelung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht. – So heißt es in dieser Vorlage sehr neutral.

Die von mir genannten Punkte sind eigentlich schon die Kritikpunkte, die ich hier anschneiden möchte. Die Verschwiegenheitspflicht ist meiner Ansicht nach eine Aushöhlung der Anzeigepflicht des Arztes zum Nachteil von Kindern, Unmündigen und Wehrlosen, aber auch der ermittelnden Sicherheitsbehörden und somit des Rechtsstaates. Die Ausrede, die dabei immer wieder vorgebracht wird, lautet: Im alten Ärztegesetz war das auch nicht mehr so, und die Strafprozeßordnung hat das bereits derogiert. – Dem kann man teilweise beipflichten, aber es ändert trotzdem nichts an der Tatsache, daß man mit dieser Regelung de facto den Staatsanwalt bei sexuellem Mißbrauch von Kindern ausschaltet.

Die Jugendämter, die für die Anzeige vorgesehen sind, sind damit eindeutig überfordert. Das stellen nicht nur wir fest, sondern das haben auch verschiedene Landesregierungen in ihren Stellungnahmen dargetan. Die Jugendämter sind nicht nur personell überfordert, sondern auch bei der Beurteilung dieser Angelegenheiten materiell überfordert.

Ein anderer Bereich: Es ist kein tatsächlicher Rechtsanspruch auf Entgelt für die Turnusärzte im Gesetz enthalten. Der alte § 105 des Ärztegesetzes 1984 wurde nicht ins neue Gesetz übernommen! Zwar ist auf Drängen unserer Fraktion im Nationalrat eine diesbezügliche Ausschußfeststellung getroffen worden, aber eigentlich sollte man so etwas, wenn man schon ein neues Gesetz macht, gesetzlich verankern.

Ein besonderes Kapitel sind auch die Flüchtlingsärzte beziehungsweise der diesbezügliche neue § 4 Abs. 7 in Verbindung mit § 32, wodurch de facto die Supervollmacht bei der Ministerin liegt.

Oder: Die Ärzte wollten Kurien haben, de facto ist es aber zu einer ungeheuren Aufblähung der einzelnen Ärztekammern zuungunsten kleinerer Parteien gekommen. Wenn dieses Gesetz nun kurzfristig neu geschaffen worden wäre, dann könnte man diese Fehler vielleicht noch einigermaßen verstehen. Meine Damen und Herren! Es wurde aber zwölf Jahre lang über dieses Gesetz debattiert! Die Kammer hat seit acht Jahren darüber Kenntnis.

Das Hauptziel der Ärztekammer war die Reform, die Einteilung in Kurien, doch jetzt kommt es, wie ich schon ausgeführt habe, zu einer Aufblähung des Kammerapparates. Den pensionierten Ärzten wird quasi das Wahlrecht aberkannt. Die Anzeigepflicht für Ärzte im Fall von Kinderschändung fehlt. Und – ich habe es auch schon gesagt – die Regelung über das Studium der Zahnmedizin wird mit mindestens fünfjähriger Verspätung erst jetzt beschlossen.

Einen weiteren Punkt habe ich vorhin schon angeführt – man könnte sagen, ein Detail am Rande, ich bin aber anderer Ansicht –, und zwar betrifft das § 4 Abs. 7. In diesem Punkt ist beispielsweise enthalten, daß Flüchtlinge, die nach Österreich kommen und angeben, Arzt zu sein, diesen Beruf ausüben können, ohne nachweisen zu müssen, daß sie jemals eine entsprechende Prüfung oder das Doktorat gemacht haben. Es reicht – so heißt es hier im Gesetz – die Glaubhaftmachung.

Meine Damen und Herren! Bitte bedenken Sie: Ein österreichischer Student, der in Österreich Medizin studiert und diesen teilweise sehr dornigen Weg geht, muß sich dadurch doch ungleich behandelt fühlen! Ich finde, die Glaubhaftmachung allein ist nicht ausreichend!

Früher hat es – mir ist ein solcher Fall bekannt – die Nostrifikation gegeben. Mit dieser Nostrifikation konnte der Betreffende seinen Wissensstand nachweisen.


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Ich meine, ein Asylant, ein Flüchtling, der ohne Papiere nach Österreich kommt, kann diesen Beruf ohne Zeugnisse nicht glaubhaft nachweisen. Es ist zwar manchmal durchaus möglich, daß Flüchtlinge an der Grenze ihre Papiere wegwerfen, aber die wichtigsten Dokumente, die den Lebensweg, den Beruf, die Ausbildung betreffen, hat eigentlich jeder bei sich. Und diese mündliche Glaubhaftmachung, meine Damen und Herren, ist völlig unzureichend!

Mir ist persönlich der Fall eines Arztes bekannt, der sich nach der alten Rechtslage noch nostrifizieren mußte. Er war als Chirurg in einem Ostblockstaat ausgebildet worden. Der entsprechende Nachweis hatte in diesem Fall zum Ergebnis, daß er nicht einmal leichtere Operationen durchführen durfte. Dafür reicht bei uns ein Sanitätskurs!

Ich kritisiere nicht nur die Ungleichbehandlung, meine Damen und Herren, sondern auch die Unsicherheit, die den Patienten dadurch vermittelt wird. Wenn das jetzt nur für den Flüchtlingsbereich wäre, dann könnte ich das noch teilweise einsehen. Aber wenn Sie sich § 32 zu Gemüte führen, meine Damen und Herren, dann werden Sie sehen, daß darin die sogenannte Vollmacht des Ministers – der Frau Bundesministerin im jetzigen Fall – enthalten ist. Ich zitiere:

"Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales kann Personen, die im Ausland eine Berechtigung zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes erworben haben und nicht gemäß den §§ 4, 5, 18 oder 19 zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigt sind, unter Voraussetzung einer gleichwertigen Qualifikation sowie ausreichender Kenntnis der deutschen Sprache" – wodurch wird diese Kenntnis nachgewiesen?, habe ich gefragt; mir wurde geantwortet, bei der Ärztekammer sei dieser Nachweis zu erbringen – "eine auf höchstens drei Jahre befristete Bewilligung zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes im Rahmen eines Dienstverhältnisses als Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt oder Zahnarzt in Krankenanstalten erteilen."

Das wird durch § 18 ergänzt, wonach ein Flüchtlingsarzt de facto – wofür ich durchaus Verständnis hätte – in den Status eines normalen Arztes überführt wird.

Meine Damen und Herren! Sie alle kennen die Sorge, die wir um die Turnusplätze, die Facharztplätze et cetera haben. Letztlich war das der Anlaß dafür, daß es zur Novellierung in bezug auf die Zahnärzte gekommen ist, denn in diesem Bereich hat es immer wieder Mängel gegeben. Damit werden geradewegs nicht nur die inländischen Kollegen diskriminiert, sondern das stellt auch eine gewisse Verunsicherung der Patienten dar. – Das ist einer der Hauptkritikpunkte, die wir in diesem Bereich haben.

Ein anderer Bereich, den ich schon erwähnt habe, ist die sogenannte Kammerreform. Ich muß Ihnen auch das ein bißchen zu Gemüte führen. Die wesentliche Kritik besteht darin, daß es zu einer enormen Aufblähung der Kammern kommt. Statt derzeit sechs Gremien pro Bundesland wird es künftig 16 Gremien in der Ärztekammer pro Bundesland geben – 16, und das nicht österreichweit! Österreichweit wurden diese Gremien von 60 auf 160 aufgestockt. – Eine – unter Anführungszeichen – "echte Verwaltungsvereinfachung", so könnte man hier sagen! Die daraus für die Ärztekammer entstehenden Kosten betragen bereits ein Fünftel der diesbezüglichen Einnahmen.

Einen weiteren Bereich, den ich hier noch ausführen möchte und der vor allem die Sicherheit, die Gesundheit und die Fürsorge für unsere Kinder betrifft, ist die Durchlöcherung der Anzeigepflicht. Wenn ein Arzt in seiner Ordination während seiner ärztlichen Tätigkeit den Verdacht hatte, daß sexueller Kindesmißbrauch oder Kinderschändung vorliegen, war bisher für den Arzt absolute Anzeigepflicht gegeben. Ich darf dazu ausführen, daß aufgrund der Strafprozeßordnung grundsätzlich jeder, der in einem entsprechenden Bereich tätig ist, verpflichtet ist, Anzeige zu erstatten. Ich frage mich, ob die entsprechende Stelle im vorliegenden Gesetz nicht die sogenannte Anzeigeverpflichtung der Strafprozeßordnung konterkariert. Das könnte nämlich sein. – Nun ist man aber daran gegangen, diese Anzeigepflicht abzusetzen.

Zum Beispiel ist den "Oberösterreichischen Nachrichten" vom 3. Oktober zu entnehmen, daß – statt wie im Vorjahr 141 solcher Fälle – im ersten Halbjahr 1998 bereits 497 Fälle von Unzucht, Vergewaltigung und Mißbrauchsversuchen aufgedeckt und aktenkundig wurden. Von diesen


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497 Fällen sind vier Fünftel an Jugendlichen und Kindern geschehen. Der Chef der oberösterreichischen Sicherheitsdirektion sagte zu diesem Komplex, als man ihn dazu befragte, nur ein Wort: "Wahnsinn!"

Es kann doch nicht sein, daß man hier in wesentlich erweiterter Form den Täterschutz vor den Opferschutz stellt! Viele Gesetzesmaterien haben wir beschlossen, in denen der Schutz unserer Kinder oberste Priorität hatte. Hier aber wird das zurückgeschraubt.

Meine Damen und Herren! Weil das Licht jetzt schon permanent leuchtet, möchte ich Ihnen einen Antrag zur Kenntnis bringen. Es ist dies ein Antrag auf Einspruch des Bundesrates – weil diese Materie so gravierend ist – gegen einen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 42 der Bundesverfassung. Er wird eingebracht im Zuge der Beratungen über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober – so wie Sie ihn vorliegen haben – betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte – Ärztegesetz 1998 – erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird. Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen auf Einspruch des Bundesrates gegen einen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 42 B-VG

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Gegen den Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998) erlassen und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz geändert wird, wird gemäß Artikel 42 B-VG Einspruch erhoben."

*****

Ich führe die Begründung nur kurz aus – Sie haben den Antrag vorliegen –: Frage der Patientensicherheit; Verfolgung von strafbaren Handlungen; Verschwiegenheitspflicht; Wohnsitzärzte, denen man das Wahlrecht aberkannt hat; den Teil über die Flüchtlingsärzte habe ich schon genannt; Turnusärzte – Verankerung des Rechtes auf Entgelt im Gesetz.

Meine Damen und Herren! Dies ist ein Antrag im Sinne der Sicherheit der Patienten, aber auch unserer Kinder. Im Sinne der Gleichbehandlung mit den innerösterreichischen Ärzten bitte ich um Unterstützung dieses Antrages.

Der Materie selbst werden wir unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.06

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der Antrag der Bundesräte Dr. Tremmel und Kollegen, gegen den gegenständlichen Beschluß des Nationalrates Einspruch zu erheben, ist mit der erforderlichen Begründung versehen, genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weil Kollege Tremmel gemeint hat, daß Sie den Antrag vorliegen haben, darf ich hinzufügen, daß zwar ich ihn vorliegen habe, aber Sie ihn noch nicht vorliegen haben.

Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fischer. – Bitte.

11.07

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Regelungsschwerpunkte des Ärztegesetzes 1998 betreffen die Reform der Ärztekammer, zu der sich die Ärzte als ihrer Berufsvertretung bekennen.


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Die Reform der Ärztekammer soll den Kern haben, daß die Ärzte nicht so wie bisher je nach Berufsausbildung als Allgemeinmediziner, als Fachärzte oder als Turnusärzte in Sektionen zusammengefaßt sind, sondern daß die Angehörigen der Ärzteschaft in Zukunft entsprechend ihren spezifischen Interessen als angestellte Ärzte, als niedergelassene Ärzte oder als Zahnärzte drei sogenannten Kurien angehören. Dabei soll sich die Zuordnung zur Kurie grundsätzlich daran orientieren, welcher Tätigkeitsbereich – Angestelltenverhältnis oder freiberufliche Tätigkeit – schwerpunktmäßig ausgeübt wird.

Die Kammerzugehörigkeit für Ärzte, die in der Leistung des Wohlfahrtsfonds stehen und noch als Gutachter tätig sind, wird neu geregelt. Grundlage für diese Mitgliedschaft und für das Wahlrecht zur Ärztekammer ist die Entrichtung eines Beitrages zur Ärztekammer. Die Höhe des Beitrages wird von der Vollversammlung satzungsmäßig festgelegt.

Von meinem Vorredner ist schwerpunktmäßig schon die Ausbildung der Ärzte angesprochen worden. Mit dem Universitäts-Studiengesetz 1997 wurden die Grundlagen für ein EU-konformes Zahnarztstudium geschaffen, das mit dem Grad eines Doktors oder einer Doktorin der Zahnmedizin abgeschlossen wird. Mit dem Ärztegesetz 1998 sollen jetzt auch die berufsrechtlichen Voraussetzungen für die zahnärztliche Berufsausbildung geschaffen werden. Dabei ist davon auszugehen, daß es sich in bezug auf die zukünftigen Zahnärzte um ein – sich hinsichtlich des Ausbildungsganges von den übrigen Ärzten unterscheidendes – eigenständiges Berufsbild handelt.

Weiters wird die Ausbildung im Sonderfach Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie neu geregelt. Die Ausbildung wird künftig auf zwei Studienabschlüssen, dem Doktorat der gesamten Heilkunde sowie dem Doktorat der Zahnheilkunde, beruhen.

Viel Raum ist im neuen Entwurf auch hinsichtlich des Vorschlags der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht und Anzeigepflicht vorgesehen. Die neue Regelung trägt einerseits der aktuellen Diskussion Rechnung, wonach bei Verdacht der Mißhandlung das Wohl der betroffenen Kinder und Jugendlichen im Vordergrund steht. Mit der Verständigung des zuständigen Jugendwohlfahrtsträgers ist den betroffenen Kindern und Jugendlichen in vielen Fällen eher gedient als mit der Anzeige an die Strafverwaltungsbehörden.

Dem Jugendwohlfahrtsträger obliegt die Beurteilung, ob neben therapeutischen und jugendwohlfahrtsrechtlichen Maßnahmen allenfalls eine Anzeige an die Strafverfolgungsbehörde in Betracht zu ziehen ist. Eine Anzeige war auch in der Vergangenheit nicht immer die Garantie dafür, daß dem Opfer tatsächlich geholfen wurde. Das Vertrauen zum Arzt wurde dadurch nicht selten vermindert. Die Meldepflicht der Ärzte an die Jugendwohlfahrtsträger soll dem Opfer einen besseren Zugang zur Therapie eröffnen, und es soll besser zu erkennen sein, wo es zu Häufungen solcher Vorkommnisse von Mißbrauch kommt.

Meine Fraktion wird diesem Gesetz die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster ist Herr Bundesrat Payer zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.11

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Erlauben Sie mir am Beginn meiner Ausführungen eine Feststellung. Ich halte den Antrag der Bundesräte Dr. Tremmel, Dr. Bösch und Kollegen auf Einspruch des Bundesrates gegen einen Beschluß des Nationalrates – also gegen das vorliegende Gesetz – für eigenartig. Eigenartig darum, weil zu all den Punkten, die hier in der Begründung angeführt werden, kein einziges Wort in der Ausschußberatung gefallen ist. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das stimmt ja nicht, Herr Kollege!)

Sie haben dort andere Punkte angesprochen, gemeinsam mit mir. Aber zu den Begründungen, die Sie hier bringen, ist eigentlich kein Wort gefallen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das muß ich


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nicht bringen!) Sie hätten dort die Möglichkeit gehabt, Auskunft darüber zu bekommen, wie es mit diesem Ärztegesetz tatsächlich ausschaut. Ich werde mir erlauben, zu den einzelnen Punkten später noch Stellung zu nehmen.

Ich denke, daß das vorliegende Ärztegesetz, das zahlreiche Änderungen mit sich bringt, ein gutes und sinnvolles Gesetz ist. Drei wesentliche Punkte scheinen mir hier erwähnenswert zu sein.

Erstens sollen mit dem vorliegenden Entwurf nunmehr auch die berufsrechtlichen Voraussetzungen für die zahnärztliche Berufsausübung geschaffen werden. Gleichzeitig kommt es zu einer Umsetzung der einschlägigen europarechtlichen Vorgaben.

Zweitens kommt es auf Wunsch der Ärzte zu einer Neustrukturierung der Ärztekammerorganisation. Dazu muß ich Herrn Dr. Tremmel sagen, daß er das richtig erkannt hat: auf Wunsch der Ärzte. Er hat auch gesagt, daß das eigentlich von den Ärzten ausgegangen ist. Es werden Kurien für die angestellten Ärzte, für die niedergelassenen Ärzte und für die Zahnärzte geschaffen.

Schließlich werden drittens Unzulänglichkeiten im Bereich des ärztlichen Disziplinarrechtes beseitigt.

Nun zu einigen konkreten Punkten, die Sie auch kritisieren. Es ist eine Tatsache, daß es in den letzten Jahren einen Anstieg des körperlichen und sexuellen Mißbrauchs von Minderjährigen gegeben hat. Oder präziser ausgedrückt: Die Sensibilität gegenüber solchen Übergriffen, solchen grauslichen Verbrechen ist ganz einfach größer geworden. Das ist auch richtig so. Es ist aber auch eine Tatsache, daß das Bekanntwerden von sexuellen Mißbräuchen auf viele ärztliche Interventionen zurückgeht. Im neuen Ärztegesetz ist eine Neuregelung der ärztlichen Verschwiegenheitsanzeige und Meldepflicht enthalten.

Bei der schwierigen Materie des sexuellen Mißbrauchs von Kindern und der dabei auftretenden diagnostischen Unsicherheit scheint es aber zielführender zu sein, die Jugendwohlfahrt damit zu beschäftigen und daher die Jugendwohlfahrt zu benachrichtigen. Es stimmt nämlich nicht, was Sie sagen: daß der Staatsanwalt ausgeschaltet sei. Das trifft auf keinen Fall zu. Es ist aber verständlich, daß man oft aus Angst, Unschuldige zu denunzieren, von einer Anzeige abgesehen hat. Ich weiß auch aus dem Lehrerbereich, wie schwierig es da ist, konkrete Auskünfte über Dinge zu geben, von denen man annimmt, daß sie vielleicht geschehen sind. Nun erfolgt die Meldung an die Jugendwohlfahrt. (Bundesrat Dr. Tremmel: Die kann es besser?) Ich betone aber, daß den Ärzten die Anzeigemöglichkeit nicht genommen wird. Sie haben weiterhin die Möglichkeit, Anzeigen zu erstatten, nur haben sie nicht mehr die unabdingbare Verpflichtung dazu.

Erwähnenswert ist auch, daß der Verdacht auf Vernachlässigung oder Mißhandlung von Behinderten dem Pflegschaftsgericht zu melden ist.

Sie haben in Ihrem Antrag auch auf die finanziellen Auswirkungen Bezug genommen, die auf die Jugendwohlfahrtsämter zukommen sollen. Dazu ist in den Erläuterungen eindeutig festgestellt worden, daß man keine signifikanten Erhöhungen, keinen signifikanten Mehraufwand erwartet.

Meine Damen und Herren! Demokratiepolitisch scheint es mir richtig zu sein, daß die Ärztekammer neu strukturiert wird. (Bundesrat Dr. Tremmel: Da sind aber die Niederösterreicher anderer Meinung!) Den einzelnen Kurien werden klar umrissene Aufgaben zugewiesen. Es ist richtig, daß die Anzahl der Kammerfunktionäre und -funktionärinnen erhöht worden ist. Da gebe ich Ihnen recht. Bedenken wir aber, daß auch die Ärzteschaft größer geworden ist und daß die Probleme der einzelnen Ärzte diffiziler sind. Ich denke, daß die Ärzte in Zukunft besser vertreten sein werden.

Zu Ihrer Kritik bezüglich des Wahlrechts der Wohnsitzärzte darf ich Ihnen sagen, daß der Wohnsitzarzt erst 1989 eingeführt wurde. Da man früher den Ärzten den Ärzteausweis entzog und sie nicht einmal mehr im Familienkreis behandeln durften, erhielten sie durch die Schaffung


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des Wohnsitzarztes die ordentliche Mitgliedschaft in der Ärztekammer. Das war aber ursprünglich nicht so beabsichtigt. Beabsichtigt war, es den Ärztepensionisten zu ermöglichen, auch weiterhin Ärzte zu sein und den Ärzteausweis nicht mehr abgeben zu müssen.

Meine Damen und Herren! Ich sehe schon das rote Lämpchen leuchten, daher werde ich versuchen, mich kürzer zu halten und in einigen Sätzen zum Schluß zu kommen.

Ich denke, daß es gerade für Sie und für Kleinstfraktionen zukünftig leichter sein wird, in der Ärztekammer zu reüssieren und dort verschiedene Meinungen einzubringen. Wie es jetzt vorgesehen ist, wird es für Kleinparteien und Kleinstgruppierungen günstiger gestaltet sein. Man kann da sehr schwer von einer Aufblähung des Verwaltungsapparates sprechen.

Die Zufriedenheit der Ärzteschaft wird meiner Ansicht nach steigen. Diese Zufriedenheit ist notwendig, um die Patienten optimal zu versorgen. Zufriedenheit der Ärzte bedeutet auch mehr Motivation, und erhöhte Motivation bringt in einer Zeit, in der die Menschen immer älter werden und das Gesundheitsbewußtsein stetig steigt, bessere Leistungen für die Patienten. Diese besseren Leistungen für die Patienten wollen wir alle erreichen. Gleichzeitig wollen wir auch den Ärzten mit ihren Partikularinteressen entgegenkommen.

Daher wird meine Fraktion keinen Einspruch erheben und Ihren Antrag ablehnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster ist Herr Bundesrat Jaud zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.19

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hoher Bundesrat! Ich möchte zuerst auf Ihre vorhin gesagten Worte eingehen, Frau Präsidentin! Sie sagten: Wenn jemand seine Redezeit überschreitet, möge er dies vorher sagen. Ich möchte dies somit tun. Ich werde die 5 Minuten ein wenig überschreiten, werde mich aber bemühen, diszipliniert in der Zeit zu sein.

Ich darf mir zuerst erlauben, auf die Ausführungen von Herrn Kollegen Tremmel einzugehen, weil er den Wegfall der Anzeigepflicht der Kindesmißhandlung kritisiert hat. Sehr geehrter Herr Kollege! Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, daß derartige Dinge angezeigt werden. Ich denke nicht, daß das einer gesetzlichen Regelung bedarf. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Im § 40 Abs. 9 des Ärztegesetzes steht – ich erlaube mir zu zitieren –: "Der leitende Notarzt ist gegenüber den am Einsatz beteiligten Ärzten und Sanitätspersonen weisungsbefugt und hat zur Kennzeichnung Schutzkleidung mit der Aufschrift ‚Leitender Notarzt‘ zu tragen."

Dieser Absatz betrifft einen Kernbereich des Kompetenzbestandes des Rettungswesens und somit den Kompetenzbereich der Länder. Das Rettungswesen ist ausdrücklich von der Bundeskompetenz Gesundheitswesen ausgenommen und somit aufgrund der Generalklausel des Artikels 15 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache. Der Verfassungsgerichtshof hat ausdrücklich bestätigt, daß Angelegenheiten des Hilfs- und Rettungsdienstes in Gesetzgebung und Vollziehung gemäß Artikel 15 Abs. 1 B-VG Landessache sind.

Das Amt der Tiroler Landesregierung hat in seiner Stellungnahme zum Ärztegesetz 1998 vom 3. 6. 1998 diese verfassungsrechtlichen Bedenken angemeldet und die Regelung betreffend den leitenden Notarzt abgelehnt. In dem mir vorliegenden Bericht des Gesundheitsausschusses wurde diese Ablehnung jedoch nicht berücksichtigt, während alle anderen Einwendungen, also Einwendungen von Bundesstellen, letztlich im Gesetzestext sehr wohl berücksichtigt wurden.

Es ist deshalb für mich eine Selbstverständlichkeit, daß ich einem Gesetz, das verfassungswidrig ist, die Zustimmung versage. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wenn wir Bundesräte Geset


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zen zustimmen, die den Kompetenzbereich der Länder mißachten und untergraben, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind wir wirklich "für die Wäsch".

Der Nationalrat könnte sagen: Wegen dieser Kleinigkeit werdet ihr doch wohl nicht das gesamte Gesetz ablehnen! Wir können aber leider nicht einen Teil des Gesetzes ablehnen und dem anderen Teil unsere Zustimmung geben. Denn gegen das gesamte Gesetz hätten wir nichts einzuwenden. Außerdem geht es dabei auch darum: Wehret den Anfängen!, denn schon morgen wird an einer anderen Stelle eine Landeshoheit mißachtet, und übermorgen, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommt dann das neue Sanitätsgesetz.

Mit diesem zur Begutachtung ausgesandten Sanitätsgesetz wird dem bestehenden Rettungswesen in unserem Land Tirol und wahrscheinlich auch in den anderen Bundesländern die Basis entzogen. Die Basis unseres Rettungswesens sind nämlich freiwillige Helfer und Mitarbeiter, die unentgeltlich und aus Liebe zum Nächsten ihren Dienst tun.

Mit der im neuen Sanitätsgesetz geforderten Ausbildung und den beruflichen Anforderungen wird der freiwillige Dienst im Rettungswesen nicht nur untergraben, sondern teilweise unmöglich gemacht. Mit dem zur Begutachtung ausgesandten Sanitätsgesetz wird der Grundsatz der freiwilligen Hilfsdienste im Rettungswesen verlassen. Deshalb möchte ich hier im Namen der Tiroler Landesregierung schärfsten Protest gegen dieses geplante Gesetz in der Form, wie es derzeit in Begutachtung steht, einlegen. Und ich möchte gleichzeitig auch ankündigen, daß die ÖVP-Fraktion diesem Gesetz in der vorliegenden Form seine Zustimmung verweigern wird. (Bundesrat Payer: Du bist gegen alles, Herr Kollege Jaud!) – Nein, nicht gegen alles, nur dort, wo berechtigter Einwand erforderlich ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind nicht hier im Parlament, um einseitig Länderinteressen zu vertreten, sondern wir müssen auch abwägen, was im Gesamtinteresse Österreichs gut oder nicht gut ist. Aber einer Gesetzgebung, die eindeutig unserer Verfassung widerspricht und außerdem die Länderhoheit untergräbt, dürfen wir nicht unsere Zustimmung geben.

Nicht über die Bedeutungslosigkeit des Bundesrates jammern, sondern die verfassungsmäßigen Aufgaben erfüllen ist angesagt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Lehnen wir dieses Gesetz ab, senden wir es an den Nationalrat zurück, damit er es in Ordnung bringt und repariert, und wenn er es uns dann neuerlich zur Beschlußfassung vorlegt, werden wir dem Gesetz gerne unsere Zustimmung geben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte.

11.25

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich für die Debatte zu diesem wichtigen Gesetz herzlich bedanken, aber dann gleich konkret auf den letzten Debattenbeitrag des Herrn Bundesrates Jaud Bezug nehmen. Sie können gewiß sein, wären mein Ressort oder ich in irgendeiner Form in Zweifel gewesen, daß dieses Gesetz nicht den verfassungsrechtlichen Grundsätzen entspricht, dann hätten wir es weder in das Parlament noch hier in den Bundesrat eingebracht. Wir haben uns versichert, daß es mit unseren verfassungsrechtlichen Grundsätzen in Einklang zu bringen ist, und dementsprechend stehe ich voll und ganz zu diesem wichtigen neuen Ärztegesetz. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich darf, sehr geschätzte Damen und Herren, auch wenn dies nicht Gegenstand des Tagesordnungspunktes ist, doch ein paar kurze Bemerkungen zu den Rettungssanitätern und zu den verschiedenen Formen der Ausbildung machen, weil das angesprochen wurde. Mein Ressort und ich fühlen uns im Sinne einer Verbesserung der Versorgung von Verunfallten verpflichtet, die jetzige Situation auch rechtlich besser abzusichern, als das derzeit der Fall ist.


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Daher haben wir in Zusammenarbeit mit den Rettungsorganisationen, in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Interessenvertretungen – Herr Bundesrat, bitte, Sie können mir glauben, daß wir mit den Rettungsorganisationen nicht nur stundenlange, sondern wochenlange und monatelange Beratungen geführt haben – nun einen Gesetzestext in Begutachtung geschickt. Eine Begutachtung ist dazu da, die Meinungen und Positionen von allen Betroffenen zu sammeln und dann mit den Betroffenen noch einmal zu diskutieren, damit es zu einer endgültigen Regierungsvorlage kommen kann.

Aber eines, sehr geschätzte Damen und Herren, glaube ich, sollte uns verbinden: erstens dafür zu sorgen, daß Verunfallte bestmöglich versorgt werden können, und zweitens dafür zu sorgen, daß jene, die diese Tätigkeit wahrnehmen, auch rechtlich abgesichert sind und die Voraussetzungen dafür haben. Ich glaube, das ist unverzichtbar für Qualität in ganz heiklen, lebensbedrohlichen Situationen. Ich möchte Sie bitten, uns bei diesem Anliegen zu unterstützen. Kein Mensch will die Ehrenamtlichkeit in Frage stellen. Im Gegenteil, wir wollen sie stützen, damit sie auch in Zukunft Träger unserer gesellschaftlichen Zusammenarbeit ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Erlauben Sie mir, noch ganz kurz auf einige Punkte zu sprechen zu kommen, die in der Debatte angezogen wurden. Es wurde an der Kammerorganisation Kritik geübt und auch im Antrag festgestellt, daß damit kleinere Fraktionen geschädigt würden.

Sehr geschätzter Herr Bundesrat Tremmel! Genau das Gegenteil ist der Fall in dieser neuen Kammerorganisation. Durch die Erweiterung der Gremien, durch die Erweiterung der Vollversammlung von 60 auf 100 Mitglieder ist die demokratische Chance, daß kleine Fraktionen repräsentativer vertreten sind, wesentlich mehr gegeben, als das bei der bisherigen Rechtslage der Fall war. Und das entspricht eigentlich dem, was wir, glaube ich, alle anstreben, nämlich daß auf Basis einer breiten demokratischen Legitimation Interessenvertretung gemacht wird. Ein Gesetz ist meiner Überzeugung nach dann am besten, wenn es von den Betroffenen in seinen politischen Zielsetzungen auch voll akzeptiert wird und wenn die Gruppen, die davon betroffen sind, auch das Recht einer qualifizierten Mitsprache und Mitarbeit gesichert haben. Das soll auch für Minderheiten gelten! Daher halte ich es für richtig, daß diese Erweiterung – auch aufgrund der Größe der Betroffenheiten – gemacht wurde.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Bezüglich der Frage der Größe der einzelnen Organe wurde schon gesagt, daß sich die Anzahl der Ärzte in den letzten Jahrzehnten, seit dieses Gesetz besteht, verdreifacht hat. Und wenn eine Gruppe wesentlich größer geworden ist, dann, glaube ich, ist es auch richtig, daß sich die Organe, in denen diese Gruppe vertreten ist, dieser neuen Größenordnung anpassen. Ich finde daher, daß man nicht von einer enormen Aufblähung der Kammerorganisation reden kann, sondern von einer Neugestaltung auch der inneren demokratischen Meinungsbildung innerhalb der Ärzteschaft in ihrer Gesamtheit.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte noch auf den zweiten Punkt, der in der Diskussion sehr intensiv angesprochen wurde, Bezug nehmen. Es wurden hier die Frage der Anzeigepflicht und die Relation Arzt gegenüber Opfern von Gewalt angesprochen.

Zum einen darf ich rechtlich und juristisch noch einmal festhalten – und ich möchte Sie wirklich bitten, sich auch die Erläuterungen in diesem Zusammenhang noch einmal genau durchzulesen –: Es wird rechtlich sehr klar dokumentiert, daß diese Neuregelung im Ärztegesetz voll den Überzeugungen des Hohen Hauses, auch des Bundesrates, folgt, wonach der Opferschutz im Zentrum steht und dem auch in den verschiedenen Rechtsgrundlagen dazu Rechnung getragen werden soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Dementsprechend habe ich mich bemüht, bei der Behandlung dieses Gesetzes diesem Rechtsverständnis, aber auch diesem sozialen Verständnis Rechnung zu tragen.

Ich darf noch einmal festhalten: Die Ärzte können weiterhin Anzeigen machen, wenn sie es aufgrund ihrer Erfahrung, ihrer Verantwortung und ihrer Einschätzung, daß dies der bessere Weg ist, tun wollen – aber sie müssen nicht. Das Entscheidende ist – und es waren viele Gespräche mit Fachärzten, mit Kinderärzten, mit erfahrenen Betreuern von Gewaltopfern Hintergrund dieser Rechtslage –, daß man dem Opfer oft wesentlich mehr schadet, wenn eine Anzeige ge


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macht wird, als wenn man den Jugendwohlfahrtsträger einschaltet, der aufgrund seiner Situation, auch seiner rechtlichen Situation, andere Möglichkeiten hat als die einseitige Zwangsmaßnahme, Anzeige zu erstatten.

Wenn Sie mit Ärzten reden, dann werden Ihnen diese sagen, daß sie diese Regelung begrüßen, weil sie so aus einem Konflikt herauskommen können, wonach sie oft nicht die Wahlmöglichkeit haben, nicht anzuzeigen oder anzuzeigen, und in einem solchen Konflikt wissen: Wenn ich anzeige, dann schade ich dem Opfer, aber wenn ich das nicht tue, dann helfe ich dem Täter. Auf diese Weise ist ein richtiger Weg gefunden worden, die Opfer besser zu schützen, als das derzeit der Fall ist.

All jene, die wissen, was es bedeutet, wenn eine Strafanzeige gemacht wird – es müssen natürlich Erhebungen erfolgen, Befragungen gemacht werden, und das betrifft dann Kinder, die sich ohnehin in einer irrsinnigen psychischen Belastungssituation befinden –, sind wohl der Meinung, daß man das den Kindern unbedingt ersparen sollte und müßte.

Ich bin sehr froh, daß ich doch davon ausgehen kann, daß dieses Gesetz auch die Zustimmung des Bundesrates in seiner Mehrheit finden wird, und ich kann daher den Antrag, der von den Freiheitlichen eingebracht wurde, nicht nachvollziehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Dr. Tremmel.

11.33

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Frau Präsidentin! Es ist sonst nicht meine Art, wenn ein Mitglied der Regierung seine Endstellungnahme abgegeben hat, hier noch etwas zu sagen. Es gibt diese und jene Meinungen. Ich habe hier ein Papier in der Hand, und zwar die Stellungnahme der Niederösterreichischen Landesregierung zum Ärztegesetz 1998. Darin wird zum Bereich Jugendabteilungen folgendes gesagt – ich zitiere wörtlich –:

Mit großer Wahrscheinlichkeit führt die Umsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfes aber zu einer Mehrbelastung des Personals der Jugendabteilungen. Damit wird auch eine Erhöhung des Personalbedarfs einhergehen. Das Ausmaß läßt sich derzeit nicht abschätzen. Die Berücksichtigung der weiter unten angeführten inhaltlichen Einwände zum § 56 könnte dazu beitragen, eine Flut von wenig konkretisierten Meldungen an die Jugendwohlfahrtsträger zu vermeiden, was wiederum die Mehrbelastung im Personalbereich in Grenzen halten könnte. Dies bedeutet, daß insbesondere hinsichtlich der zu erwartenden Kostenbelastung durch den vorliegenden Entwurf (sollten sich die Kostenschätzungen den Erläuterungen nach, daß den Ländern aus der im vorliegenden Entwurf vorgeschlagenen Neuregelung im Vergleich zur geltenden Rechtslage kein zusätzlicher Vollziehungsaufwand erwächst, nicht bewahrheiten) keine Zustimmung des Landes Niederösterreich dazu abgeleitet werden darf. – Ende des Zitats. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

11.35

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, schon aus dem zitierten Text ist erkennbar, daß hier "wenn, aber, vielleicht, könnte" im Raum stehen, aber keine wirklich objektiv sachliche Begründung dafür gegeben ist, daß diese Vorgangsweise nicht gewählt werden kann.

Ich möchte darüber hinaus feststellen, daß die Ressourcen der Jugendwohlfahrtsträger in den letzten Jahren um etwa 70 Prozent verstärkt wurden, dementsprechend auch Kapazitäten in einem größeren Ausmaß vorhanden sind, als dies noch vor einigen Jahren der Fall gewesen ist, und daß darüber hinaus die Jugendwohlfahrtsbehörden in diesen Fragen sehr große Erfahrung


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haben und, wie ich überzeugt bin, auch mit dieser nicht quantifizierbaren zusätzlichen Aufgabe hervorragend im Sinne der Kinder, im Sinne der Opfer zu Rande kommen werden.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Niederösterreichische Landesregierung ein politisches Ziel verfolgt, um in erster Linie Opfer noch mehr zu Opfern werden zu lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Wir stimmen zuerst über den Antrag auf Einspruch und dann über den Antrag des Berichterstatters ab.

Zunächst zum Antrag der Bundesräte Dr. Tremmel und Kollegen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit.

Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Ich bitte nunmehr jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des Ausschußberichterstatters zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (869/A und 1417/NR sowie 5786/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Payer übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Johann Payer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird, liegt schriftlich vor. Ich erspare mir die Verlesung, ich bringe nur den Beschlußantrag.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Oktober 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Windholz. – Bitte.

11.39

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Änderung des Arbeiterkam


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mergesetzes wurde zuletzt am 3. Juli dieses Jahres in diesem Hause debattiert und beschlossen. Damals hörten wir von den Vertretern der Regierungsparteien, es sei alles wohlüberlegt, es sei alles wohlüberdacht – keine vier Monate später sind wir mit den ersten Reparaturarbeiten konfrontiert!

In der Begründung heißt es, die Änderung korrigiert in Ziffer 1, 2 und 3 redaktionelle, durch ein Kanzleiversehen entstandene Fehler anläßlich der Novellierung des Arbeiterkammergesetzes. Es ist also anscheinend ein Kanzleiversehen dafür verantwortlich, daß wir heute erneut dieses Gesetz beziehungsweise die entsprechenden Änderungen vorgelegt bekommen.

Aus der Sicht von uns Freiheitlichen geht die Sache allerdings wie immer am Kern vorbei. Ich darf hier drei prägnante Punkte herausgreifen, die diese Behauptung belegen sollen:

Zum einen sind das die drei Wochen Wahlzeit, die in der letzten Novellierung vorgesehen sind. Wir sind der Meinung, es soll nur ein Wahltag sein, ein Wahlsonntag, womöglich zusammengelegt mit einer anderen bundesweiten Wahl.

Zweitens: Es gibt weiterhin die Zwangsmitgliedschaft. Wir wollen keinen Zwang, wir wollen auch da Freiwilligkeit.

Drittens wollen wir finanzielle Entschädigungen für Kammerfunktionäre, insbesondere für die Kammerpräsidenten – Stichwort Rechberger –, die sich nach den zu Vertretenden richten, also gehören die bestehenden Entschädigungen weiterhin deutlich reduziert.

Wir Freiheitlichen werden daher heute erneut aus voller Überzeugung unsere Zustimmung verweigern, da dieses Arbeiterkammergesetz untrennbar mit dem Wort "Zwang" verbunden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schaufler. – Bitte.

11.41

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Frau Präsidentin! Vor mir hat jetzt ein Angehöriger der "F" – wie "fehlerlos" – gesprochen (Heiterkeit bei der SPÖ) und dennoch einen Fehler gemacht. Ich verstehe nämlich nicht ganz, wie ein Bundesrat fordern kann, daß in allen Bundesländern gleichzeitig an einem Sonntag gewählt werden soll. Wir können doch ein bißchen föderalistisch denken, und das ist der Grund, warum auch dieser Nachtrag zum Arbeiterkammergesetz notwendig geworden ist.

Sie verwenden als Altpartei auch immer die alten Parolen. Sie sprechen nämlich immer von "Zwang", anscheinend deshalb, weil das Wort "Pflicht" nicht zu Ihrem Sprachschatz gehört. Das zeichnet Ihre Partei ganz besonders aus. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich habe schon erwähnt, daß die vorliegende Änderung eine notwendige Ergänzung der letzten Novelle ist, und meiner Meinung nach darf man ein gutes Werk doch immer ergänzen, ein bißchen schmücken; das wird doch noch erlaubt sein. Ich glaube, daß dadurch die Abgrenzung der Funktionsperiode der Hauptversammlung festgelegt wird, weil eben in den Ländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten gewählt werden darf. Ich glaube auch, daß die Arbeiterkammern als Arbeitnehmerparlamente, als Organisationen, als gesetzliche Interessenvertretungen in der Vergangenheit bewiesen haben, daß sie imstande sind, die ihnen übertragenen Aufgaben zur Zufriedenheit ihrer Mitglieder zu lösen. Der Beweis dafür sind doch – aber das wollen Sie ja nicht wahrhaben – die bravourös geschlagenen Mitgliederbefragungen in allen Arbeitnehmerkammern. (Bundesrat Dr. Bösch: Was war da die Fragestellung? – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Zitieren Sie die Frage, Herr Kollege!) Die Fragen waren in den einzelnen Ländern nicht ganz gleich, und ich werde Ihnen jetzt nicht die Fragestellungen von sieben Landarbeiterkammern vortragen und auch nicht die von neun Arbeiterkammern. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie werden ja eine wissen! Wissen Sie nicht, was gefragt wurde? Sagen Sie es!) Das war unterschiedlich. Die Frage war nicht überall gleich, aber die Antworten waren gleich, nämlich hohe


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
645. Sitzung / Seite 48

Zustimmung für die Arbeit dieser Kammern. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wissen Sie nicht, was gefragt wurde?)

Sie wollen es noch immer nicht zur Kenntnis nehmen, aber wenn Sie mich herausfordern, sage ich Ihnen folgendes: Sie haben einen Ansatz geliefert, um im Bereich der Arbeitnehmer Fuß zu fassen. Sie haben eine eigene Gewerkschaft gegründet. Ich kenne nur den Obmann oder Präsidenten oder wie immer er sich auch nennt; Mitglieder sieht man auf weiter Flur keine. Wissen Sie, warum das so ist? – Weil die österreichischen Arbeitnehmer ganz genau wissen, von wem und wo ihre Interessen bestens vertreten werden. Das ist es! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es ist schon richtig, daß in der Zeit, in der wir leben, dort und da leider eine gewisse Entsolidarisierung zu bemerken ist. Sie tun auch alles dazu, damit sich das fortsetzt. (Bundesrat DDr.  Königshofer: Euch sind die Mitglieder entschwunden, nicht uns!) Die, die uns entschwunden sind, sei es der sozialdemokratischen Fraktion oder der christlichen Fraktion, sind nur ein paar wenige, aber Sie haben sie nicht bekommen. Das weiß ich, und das erfüllt mich mit Genugtuung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Dr. Bösch: Warum verlangen Sie dann eine Wahlzeit von drei Wochen, wenn Sie sich so sicher sind?)

Arbeiterkammern sind die Eckpfeiler der österreichischen Sozialpartnerschaft; das wollen Sie auch nicht wahrhaben. Diese Sozialpartnerschaft – das möchte ich Ihnen ins Stammbuch schreiben –, diese Sozialpartnerschaft ist in Österreich der Garant für eine ausgeglichene, für eine friedliche und stetige soziale Aufwärtsentwicklung (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Gehen Sie einmal zur Arbeitskonferenz und schauen Sie, wie der soziale Aufschwung ausschaut!), um die uns viele Länder in Europa beneiden.

Im Wissen, daß eine – und zwar die niederösterreichische – Arbeiterkammer demnächst ihren 50. Geburtstag als eigenständige Arbeiterkammer feiern wird, weil sie früher mit Wien und Burgenland in einer Kammer zusammen war, möchte ich dieser Arbeiterkammer von hier aus recht herzlich zum Fünfziger gratulieren und ihr weiterhin viel Erfolg im Interesse der niederösterreichischen Arbeitnehmer wünschen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Repar. – Bitte.

11.47

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich zu Beginn meiner Ausführungen, die ich sicherlich sehr sachlich vorbringen möchte, vollinhaltlich hinter die Ausführungen des Kollegen Schaufler stellen, was die inhaltlich wichtigen Aussagen betreffend die Institution der Arbeiterkammer anlangt. Ich kann nur aus Kärntner Sicht auch sagen, daß das eine sehr wichtige Institution im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist, und wir Sozialdemokraten werden darum kämpfen, daß diese Institution bestehen bleibt, und zwar unabhängig und selbständig, wie sie derzeit ist. (Bundesrat Dr. Harring: Wie war denn die Frage in Kärnten?)

Herr Kollege Harring! Ich möchte nur sachlich darauf hinweisen, worum es heute hier bei der Änderung des Arbeiterkammergesetzes 1992 geht: Es geht eben nicht um Polemik, sondern darum, daß textliche Änderungen zu beschließen sind, die aufgrund redaktioneller Probleme, wie hier bereits ausgeführt wurde, notwendig wurden. Im Zuge der letzten Novellierung im Frühsommer wurden im Ausschußbericht gewisse Änderungen nicht abgedruckt, und sie konnten daher auch nicht beschlossen werden. Ich glaube, solche Mißgeschicke können eben passieren, und die Behebung dieser Defizite ist wirklich reine Formsache.

Wesentlich bedeutender ist jedoch der zweite Teil der Änderungen. Diese Ergänzungen betreffen die Zusammensetzung der Bundesarbeiterkammer-Hauptversammlung. In Zukunft wird es nämlich möglich sein, daß die einzelnen Länderarbeiterkammern zu unterschiedlichen Terminen Wahlen abhalten, und das ist sehr gut so. Damit sich die neue Zusammensetzung einer


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Landesarbeiterkammer-Vollversammlung nach einer Wahl auch unmittelbar in der Zusammensetzung der AK-Hauptversammlung niederschlägt, hat der Vorstand die jeweils in die Bundesarbeiterkammer-Hauptversammlung zu entsendenden Kammerräte neu zu bestellen.

Nach der Wahl in einer Landes-AK werden also die Delegierten dieses Bundeslandes für die AK-Hauptversammlung sofort neu bestellt. Damit, meine Damen und Herren, wird gewährleistet, daß sich die Ergebnisse der Abeiterkammerwahlen in den Bundesländern auch sofort bis in das höchste Gremium der Arbeiterkammer durchschlagen.

Der Vorstand einer Landesarbeiterkammer ist also konkret verpflichtet, in seiner ersten Konstituierung der Vollversammlung die in die Hauptversammlung zu entsendenden Kammerräte neu zu bestellen, wobei natürlich auch eine Wiederbestätigung der bisherigen Delegierten möglich sein wird. Diese Regelung ist aus meiner Sicht deshalb wichtig, da in einem demokratischen Prozeß das Resultat von Wahlen rasch und ohne lange Verzögerungen in den Vertretungsgremien umzusetzen ist. Kein Wähler hat dafür Verständnis, daß ein Wahlergebnis über lange Zeit ohne jede Auswirkung bleibt.

Daher ist diese per Gesetz sichergestellte rasche Umsetzung eines Wahlergebnisses im höchsten AK-Gremium aus demokratiepolitischer Sicht auch so wichtig. Eine Zustimmung zu dieser Novelle des Arbeiterkammergesetzes sollte daher für alle hier im Haus vertretenen Parteien selbstverständlich sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Drochter. (Bundesrat Drochter: Zurückgezogen!) – Zurückgezogen? Entschuldigung, das wußte ich nicht.

Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte.

11.50

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, daß alle Kolleginnen und Kollegen, die am Zustandekommen dieses Gesetzes mitgearbeitet haben, auch wenn sie überhaupt nichts dafür können, es sehr bedauern, daß eben ein Versehen passiert ist und sowohl Nationalrat als auch Bundesrat damit befaßt werden müssen, dieses Versehen zu korrigieren und alles wieder in Einklang mit der ursprünglichen Absicht zu bringen. Ich bitte daher, obwohl auch wir nichts dafürkönnen, trotzdem um Ihr Verständnis dafür, daß wir dies tun mußten, um das Gesetz auch wirklich so beschlossen zu haben, wie es auch dem Verhandlungsstand und den politischen Beratungen entspricht.

Erlauben Sie mir aber trotzdem, die Gelegenheit zu nutzen, aufgrund der einzelnen Ausführungen hier noch einmal zum Ausdruck zu bringen, daß Kammern, ob es jetzt um die Landwirtschaftskammern, um die Ärztekammer, die Wirtschaftskammer, die Rechtsanwaltskammer oder die Arbeiterkammer geht, keine Kammern sind, wenn nicht die Mitglieder durch Gesetz als Pflichtmitglieder zugehörig definiert sind. Eine Kammer ohne Pflichtmitgliedschaft ist keine Kammer, sondern eine freiwillige Interessenvertretung (Beifall bei SPÖ und ÖVP), und wir bekennen uns zur Dualität. Wir sehen, daß mit der Dualität freiwilliger Interessenvertretungen und gesetzlicher Interessenvertretungen den einzelnen Interessengruppen, aber auch dem sozialen Zusammenhalt wesentlich besser Rechnung getragen wird, als wenn wir diese Dualität nicht hätten.

Es wurde auch nach der Fragestellung bei dieser Befragung gefragt: Ich glaube, eine derart ehrliche, klare und offene Fragestellung, wie sie die Kammern bei der Mitgliederbefragung gemacht haben, gibt es nicht, ehrlicher geht es nicht. Es wurde gefragt: Sind Sie dafür, daß die jeweilige Kammer als gesetzliche Interessenvertretung für alle – entweder Arbeiterkammer-, Wirtschaftskammermitglieder – bestehen bleibt? (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das hängt aber nicht von der Zwangsmitgliedschaft ab! Es wäre traurig, wenn das von der Zwangsmitgliedschaft abhängt!)


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 50

Diesen Mut muß man haben, die Frage nach dem Weiterbestand einer Organisation in dieser Klarheit zu stellen, wenn man weiß, wie damals die Stimmung gewesen ist, mit welcher Infamie, mit welcher Polemik gegen die Interessenvertretung gearbeitet wurde! Daß dann von den Mitgliedern ein solch überzeugendes Votum gekommen ist, das stärkt die österreichische Sozialpartnerschaft, das stärkt aber auch die Demokratie in unserem Land. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (876/A und 1418/NR sowie 5787/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird.

Die Berichterstattung hat wieder Herr Bundesrat Payer übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Johann Payer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird, liegt schriftlich vor. Ich verzichte daher auf eine Verlesung. Ich bringe nur den Beschlußantrag:

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Oktober 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Haunschmid. – Bitte.

11.55

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Wenn Kollege Schaufler sagt, es darf doch ein bißchen ausgebessert werden, und Sie, Frau Ministerin, sagen, es kann doch ein Versehen passieren, dann frage ich mich, warum derartige "Ausbesserungen" in wachsender Häufigkeit vorgenommen werden müssen. Entweder sind die Gesetzesvorschläge nicht genügend durchdacht, oder es werden gute Argumente oder Entschließungsanträge, wie von der Freiheitlichen Partei, nicht angenommen. Wiederholt kommt es dann aber doch aufgrund der Anträge der Freiheitlichen – manchmal nach ganz kurzer Zeit – zu einer Novellierung, wie zum Beispiel beim Kindesmißbrauch.


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645. Sitzung / Seite 51

Im Frühsommer dieses Jahres hat man dieses Gesetz über die Arbeitslosenversicherung verabschiedet, und im Juli 1998 hat dann das Parlament aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes eine Regelung der Notstandshilfe im Arbeitslosenversicherungsgesetz geschaffen, die zugunsten der Ausländer ausfällt. Ich möchte jetzt vorausschicken: Das hat nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, aber die Frage, wie viele Frauen, wie viele Inländerinnen und Ausländerinnen von diesen Regelungen in Zukunft profitieren werden, kann uns niemand beantworten.

Was ist denn mit den Frauen, die nach dem Mutterschutz sofort wieder arbeiten müssen, Frau Ministerin, zum Beispiel die Selbständigen, oder gar keinen Mutterschutz einhalten können, oder wie ist das bei den Bauern?

Es ist ein Trauerspiel, daß man in der Regierung sofort bereit ist, alles für die Ausländer zu tun, sich aber noch immer nicht entschließen kann, gesetzliche Regelungen für Frauen mit Betreuungspflichten zu treffen. Wenn ich mir die letzten Meldungen vom "Standard" anschaue, dann frage ich mich, wie das der Staat, wie das unsere Regierung noch bezahlen soll. Immer mehr Menschen beziehen Notstandshilfe, hieß es in der Ausgabe von Dienstag. Und weiter: Der Anteil der Notstandshilfebezieher unter den Arbeitslosen dürfte auch heuer wieder steigen. Erhielten 1992 nur 30,5 Prozent dieser Arbeitslosen eine Notstandshilfe, erhöhte sich der Satz 1997 auf 42,3, und jetzt im Schnitt der ersten sechs Monate 1998 betrug der Anteil zwar nur 41,6 Prozent, doch hat er im Vergleichszeitraum 1997 noch 39,8 Prozent betragen.

Frau Ministerin! Das ist ein Faß ohne Boden. Der Staat soll doch endlich das tun, wozu er schon lange verpflichtet gewesen wäre, nämlich Arbeitsplätze schaffen und nicht neuerliche Kosten. Es stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, doch endlich bei den Einsparungen des Staatshaushaltes zu beginnen und wirklich das zu tun, wozu er verpflichtet ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Kainz. ) Arbeitsplätze, Frau Kollegin, schaffen wir nicht bei den Multikonzernen, und wir schaffen es nicht mit den Großdestinationen, sondern wir schaffen es nur mit den Klein- und Mittelbetrieben, diese vielen Frauen auch in geringfügiger Beschäftigung unterzubringen. (Bundesrat Konečny: Wenn die Betriebe kein Mißmanagement betreiben oder in Konkurs gehen!)

Voraussetzung dafür ist: Runter mit den Steuern (Bundesrat Prähauser: Am besten keine!), runter mit den Lohnnebenkosten, runter mit den unnötigen Belastungen! Und – das wissen Sie genau –: weg vom Staat! (Bundesrat Prähauser: 20 Prozent für alle!)

Aber, Herr Kollege! (Bundesrätin Kainz: Weg mit dem Staat!) Ja, weg mit den Fingern des Staates! (Bundesrat Konečny: "Wenn I was z’reden hätt’, I schaffert’ alles ab!" – Bundesrat Payer: Lumpazivagabundus! Der Komet ist da!) Genau! Der Staat, Herr Kollege Konečny, hat überall seine Finger drinnen, auch dort, wo er sie nicht drinnen haben soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nicht, um die Leistungen der Frauen zu schmälern oder gar den Frauen nicht das gewähren zu wollen, wozu sie berechtigt wären, stehe ich heute hier, sondern weil wir der Meinung sind, daß es bessere, andere Wege gibt, die die Regierung gehen müßte, statt die Bevölkerung dauernd vom Wohlwollen des Staates abhängig zu machen, die Frauen andauernd zu Almosenempfängerinnen zu machen. Ich glaube, das ist nicht der richtige Weg. Daher lehnen wir diesen Antrag grundsätzlich ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.59

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schaufler. – Bitte.

11.59

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Es gäbe schon wieder so viel zu sagen nach den Ausführungen meiner Vorrednerin, aber ich möchte mir das ersparen. (Bundesrat Prähauser: Es zahlt sich nicht aus!) Es zahlt sich wirklich nicht aus, denn es spricht für Ihre Haltung, daß Sie diese Gesetzesvorlage ablehnen. Es ist nämlich eine wesentliche Verbesserung, wenn die Rahmenfrist


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645. Sitzung / Seite 52

von zehn Jahren zur Anspruchsvoraussetzung um "neutrale" Zeiten des Karenzgeldbezuges verlängert wird.

Es könnte Frauen geben, die mehrmals ein Kind zur Welt gebracht haben, und es könnte Frauen – vielleicht auch Väter – geben, die mehrmals in diesen zehn Jahren ein Kind erzogen haben. Dann wird diese Frist vielleicht um einige Jahre länger. Das ist sehr positiv, sodaß ich nur sagen kann: Ich freue mich darüber! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich freue mich wirklich darüber, daß diese Besserstellung vor allem Müttern – Väter gehen bedauerlicherweise nach wie vor selten in Karenz – zugute kommt. (Bundesrätin Haunschmid: An die Ausländer denken wir, aber an die Selbständigen denken wir nicht!) Ich habe nichts gegen Mütter, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben und in Österreich wohnen. Das ist Ihre Geisteshaltung, aber nicht unsere und schon gar nicht meine. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Jetzt erlauben Sie mir aber doch noch, auf etwas anderes einzugehen. Ich stehe der Forderung, die in den letzten Monaten von unserem Minister Dr. Bartenstein in Diskussion gebracht worden ist, nämlich die Forderung nach einem Karenzgeld für alle, sehr positiv gegenüber. In den nächsten Jahren ein Karenzgeld für alle einzuführen, ist meiner Meinung nach der beste Vorschlag, den man machen kann. (Bundesrätin Haunschmid: Forderung der Freiheitlichen!) Natürlich wird sich bei der Finanzierung einiges ändern müssen, denn derzeit ist es so, daß 30 Prozent der Geldmittel aus der Arbeitslosenversicherung und 70 Prozent aus dem Familienlastenausgleichsfonds stammen. Wenn der Herr Minister – seine Berechnungen gehen dahin – im Jahr 2000 das Geld zur Verfügung haben wird, um aus dem Bereich der Arbeitslosenversicherung herauszukommen, dann wird es möglich sein, Karenzgeld für alle einzuführen. Daran sollen wir arbeiten! (Bundesrätin Haunschmid: Das ist noch nicht! Das ist nur versprochen!)

Das bringt einerseits Mehrkosten in der Höhe von 700 bis 800 Millionen Schilling jährlich mit sich, aber andererseits werden diese Mittel auch aufgebracht – die Vorausberechnungen gehen in diese Richtung. Dieses Karenzgeld kann auch vereinheitlicht und auf 6 000 S angehoben werden. Vor allem ist es wichtig, daß auch junge Mütter – ich nenne beispielsweise Studentinnen –, die noch nicht die Möglichkeit gehabt haben, aufgrund von Versicherungszeiten einen Anspruch auf Karenzgeld zu erwerben, nun diesen Anspruch haben werden.

Anfangs hat es dazu einige Wortmeldungen gegeben, die mich irritiert haben. Diese bleiben jetzt zunehmend aus, weil man doch, wenn man sich mit dieser Materie, mit dieser Königsidee näher befaßt, daraufkommt, daß es eigentlich ungerecht ist, wenn jene, die die Möglichkeit noch nicht gehabt haben, Beitragszeiten zu erwerben, kein Karenzgeld bekommen. Auch für Selbständige und jene im bäuerlichen Bereich kommt es zu einer Besserstellung. Insgesamt betrifft dies aber nicht so viele. Es geht um 7 Prozent, die neu hinzukommen.

Meiner Meinung nach ist der Vorschlag des Herrn Bundesministers zum einen gerecht, weil uns jede Mutter – und damit auch jeder Vater – gleich viel wert sein muß, zum anderen wird dieser Vorschlag, wie schon ausgeführt, aus dem Familienlastenausgleichfonds finanzierbar sein. Drittens – das ist ein Effekt, der sich jetzt nahtlos an Ihre Forderung anschließt, daher müßten Sie dazu applaudieren, Frau Kollegin Haunschmid – werden auch die Arbeitskosten etwas entlastet werden, denn die Finanzierung läuft nicht mehr über den Arbeitslosenversicherungsbeitrag, und dieser kann daher vielleicht ein wenig gesenkt werden. Insgesamt wird es zu weniger Bürokratie kommen, was auch wünschenswert ist. (Bundesrätin Haunschmid: Wir haben heute keine geringfügige Beschäftigung in der Gastronomie!)

Daher ist diese Idee meiner Meinung nach gut. Wir werden alles daransetzen, um diese Idee, nämlich Karenzgeld für alle, umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


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645. Sitzung / Seite 53

12.04

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Karl Drochter das Wort. – Bitte.

12.04

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich bin Kollegin Haunschmid dankbar dafür, daß ihr der Mund übergegangen ist und sie gewissermaßen das Innere nach außen gekehrt hat. (Bundesrat Prähauser: Einfach ehrlich!) Ich würde ganz einfach sagen: Frau Kollegin Haunschmid! Ihr Lack ist ab. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Mehr kann ich dazu gar nicht sagen.

Nun einige Anmerkungen zu Ihrer Einstellung bezüglich sozialer Sicherheit. Sie haben gesagt, daß die soziale Sicherheit ein Faß ohne Boden und der Staat alleine für die Arbeitsplätze verantwortlich sei. Das heißt, daß Sie als Unternehmerin für die Gewinne verantwortlich sind. Weg mit dem Staat! Das kann nur heißen, daß Sie gegen den demokratischen Staat sind, in dem Sie jetzt leben. Das läßt natürlich den Schluß zu, daß Sie sich einen anderen, nicht demokratischen Staat wünschen und daß diesem Ihre politische Tätigkeit gilt. (Bundesrat Dr. Harring: Aber geh, hör auf!) Das ist sehr klar und deutlich gesagt worden. Ich weiß schon, daß das unangenehm ist, aber wenn Sie hier vom Rednerpult aus solche Worte sprechen, dann müssen Sie sich auch die entsprechenden Antworten gefallen lassen. (Bundesrätin Haunschmid: Wenn man etwas Gutes nicht verstehen will!) Und das ist nicht überraschend! Manche von Ihnen machen das geschickter, Sie sind dazu nicht willens oder nicht imstande. Diese Beurteilung überlasse ich Ihren Kolleginnen und Kollegen in Ihrem Klub. (Bundesrätin Haunschmid: Sie haben genau verstanden, was ich gesagt habe!)

Auch zur Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, die heute unsere Zustimmung bekommen soll, meinten Sie, daß es zu einer Begünstigung der Ausländer komme, was schlicht falsch ist. Ihre dahin gehende Feststellung ist nicht aufrechtzuerhalten. Sie haben auch beklagt, daß die Selbständigen, die weiblichen Selbständigen, sofern sie ein Kind gebären, keinen Anspruch auf Karenzgeld haben. Wenn sie angemeldet sind und die entsprechenden Beiträge bezahlen, dann haben sie genauso wie alle Unselbständigen Anspruch auf Karenzgeld und auch auf Arbeitslosengeld. (Bundesrätin Haunschmid: Aber Selbständige sind nicht angemeldet!) Ich kann Ihnen sowohl aus Ihrem Bundesland als auch aus anderen Fremdenverkehrsbundesländern viele Beispiele dafür nennen, daß Frauen oder Männer von Selbständigen sehr wohl Arbeitslosengeld beziehen und dennoch ihre normale Tätigkeit in ihrem Betrieb machen. (Bundesrätin Haunschmid: Das ist eine Unterstellung, Herr Kollege!) Sie brauchen sich nur bei den regional Zuständigen und Verantwortlichen der Arbeitsmarktserviceeinrichtungen zu erkundigen, vielleicht sind sie gar Vertreter der Wirtschaftskammer in diesen Beiräten.

Wir werden heute auf jeden Fall die Voraussetzungen dafür schaffen, daß es künftig Verbesserungen für jene Frauen geben wird, die bisher davon ausgeschlossen gewesen sind. Bisher galt die Regelung, daß eine Arbeitslose oder ein Arbeitsloser unter anderem Anspruch auf Notstandshilfe hatte, wenn sie oder er in den letzten zehn Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld oder Karenzgeld 416 Wochen oder acht Jahre arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Es kam sehr oft vor, daß Frauen in dieser Zeit der Arbeitslosigkeit ein Kind geboren haben und aufgrund des Karenzgeldbezuges nachher keinen Anspruch auf Notstandshilfe hatten. Das ist eine weder gerechtfertigte noch vertretbare Härte. Um diese ungerechtfertigte Härte zu beseitigen, wird nun die Zehnjahresfrist um die Zeit des Karenzgeldbezuges verlängert.

Mit dieser heutigen Novellierung wird mit Sicherheit erreicht, daß nun auch arbeitslose Frauen, die wegen eines Karenzgeldbezuges die bisher notwendigen Voraussetzungen nicht erbringen konnten, einen Anspruch auf Notstandshilfe geltend machen können. Die Novellierung tritt rückwirkend mit 1. April 1998 in Kraft. Bei dieser Gelegenheit werden auch vier Regelungen als Anspruchsvoraussetzung für die Notstandshilfe in Kraft gesetzt, welche sind: acht Jahre Beschäftigung während zehn Jahren in Österreich, die Hälfte der Schulpflicht muß in Österreich absolviert werden, Geburt in Österreich, die Hälfte der Lebensarbeitszeit muß in Österreich verbracht werden.

Was Sie bekritteln – seien wir froh, daß dies positiv erledigt wurde –, ist die bisherige Diskriminierung wegen einer anderen Staatsbürgerschaft. Diese ist somit ausgeschlossen. All jene Frauen, die bisher negativ beschieden wurden, haben nach heutiger Beschlußfassung die Möglich


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645. Sitzung / Seite 54

keit, neuerlich einen Antrag zu stellen. – Wir Sozialdemokraten werden dieser Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.11

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Eleonora Hostasch das Wort. – Bitte.

12.11

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich habe mir erlaubt, seinerzeit bei der Debatte zur Änderung des Arbeitslosenversicherungsrechtes im Zusammenhang mit der Notstandshilfe anzukündigen, daß wir uns die konkreten Erfahrungen mit dieser neuen gesetzlichen Bestimmung ansehen werden, um zu erfahren, ob es irgendwelche Änderungsbedürfnisse gibt und ob man mit dieser Rechtsgrundlage tatsächlich den politischen Intentionen gerecht wird.

Es hat sich herausgestellt, daß die nun vorliegenden Adaptierungen sozialpolitisch wünschenswert, aber auch aus verfassungsrechtlicher Sicht her sinnvoll sind. Daher bitte ich Sie, diesen nach relativ kurzer Zeit vorliegenden neuerlichen Änderungsvorschlag des Arbeitslosenversicherungsgesetzes in diesem Lichte zu sehen.

Erlauben Sie mir aber eine kurze Reflexion auf die Wortmeldung der Bundesrätin Haunschmid, die gesagt hat, durch Einsparungen des Staates würden Arbeitsplätze geschaffen.

Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! In erster Linie ist es die Wirtschaft, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellt und Arbeitsplätze auch weiterentwickelt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Der Staat liefert dazu die Rahmenbedingungen. Genau um diese Rahmenbedingungen geht es. Daher bedarf es auch eines starken Staates, damit diese Rahmenbedingungen den Entwicklungen, den Notwendigkeiten und auch den zukünftigen Erwartungen entsprechen können. Daher ist es für mich schlicht und einfach nicht nachvollziehbar, wie durch Einsparungen staatlicher Ausgaben Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. (Bundesrat Dr. Bösch: Dadurch wird die Wirtschaft entlastet! – Bundesrätin Haunschmid: Das habe ich nicht gesagt! Das habe ich nicht gesagt!)

Herr Kollege! Heißt das, daß man Arbeitsplätze schafft, wenn man keine Familienbeihilfe zahlt? Wenn wir kein Karenzurlaubsgeld zahlen, schaffen wir dann Arbeitsplätze? Wenn wir die Wirtschaft nicht mit Investitionsförderung versehen, schaffen wir dann Arbeitsplätze? Wenn wir für die BÜRGES keine Mittel für Klein- und Mittelbetriebe zur Verfügung stellen, schaffen wir damit Arbeitsplätze? Ist es das, was Sie vom Staat erwarten? (Bundesrat Dr. Tremmel: Daß der die Steuern senkt! – Bundesrätin Haunschmid: Frau Ministerin! Deregulierung!) – Ich erwarte etwas anderes, nämlich eine Fortsetzung unserer bisherigen Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

12.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.


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645. Sitzung / Seite 55

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch Radioaktivität (Atomhaftungsgesetz 1999 – AtomHG 1999) (1357 und 1415/NR sowie 5788/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch Radioaktivität (Atomhaftungsgesetz 1999).

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Günther Leichtfried übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Mag. Günther Leichtfried: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Bericht über den Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch Radioaktivität (Atomhaftungsgesetz 1999) liegt in schriftlicher Form vor. Ich erspare mir daher die Verlesung und stelle folgenden Antrag:

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Oktober 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte, die Debatte zu eröffnen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Rodek. Ich erteile es ihm.

12.15

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Spätestens seit Tschernobyl kennen wir aus eigener Erfahrung die Gefahren, die von Atomkraftwerken ausgehen können, und wir alle wissen, daß das Risiko von Atomkraftwerken einfach zu hoch ist.

Die Auswirkungen des Reaktorunglückes von Tschernobyl können heute noch in den österreichischen Alpen, in der Tier- und der Pflanzenwelt nachgewiesen werden. Erst in zirka 300 Jahren wird sich in Österreich die radioaktive Belastung durch Cäsium verflüchtigt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was das Atomhaftungsgesetz 1999 betrifft, so bin ich überzeugt davon, daß damit richtungsweisende Regelungen geschaffen werden. Österreich hat sich für einen verantwortungsvollen Weg – entgegen dem internationalen Trend – bei der Atomhaftung entschieden. Diese Verantwortung zeigt sich in der uneingeschränkten und strikten Gefährdungshaftung, in der Beseitigung der Haftungshöchstgrenzen, in der massiven Verschärfung der Versicherungspflicht und durch die Möglichkeit, Schäden, die durch ausländische AKWs entstanden sind, in Österreich einklagen zu können.

Diese konsequente Haltung in der Haftungsfrage stellt auch einen Meilenstein auf dem Weg zur Kostenwahrheit dar, denn die Kernenergie ist nicht nur die gefährlichste, sondern auch die teuerste Energieform, vor allem wenn man die Entsorgungskosten von den Zwischen- oder Endlagern der radioaktiven Brennelemente oder die Stillegungskosten miteinrechnet. Aber diese werden meistens verschwiegen.

Das auf der Tagesordnung stehende Atomhaftungsgesetz leistet dadurch – ich habe es schon erwähnt – einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Kostenwahrheit in der Energiepolitik. Aufgrund der Kostenwahrheit und aufgrund der zunehmenden Sensibilisierung der Bevölkerung, aber auch der Politiker, scheint ein Ausstieg aus der Atomenergie immer wahrscheinlicher zu sein.


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645. Sitzung / Seite 56

Wie schwierig jedoch der Ausstieg aus der Atomenergie ist, zeigen die verschiedenen Standpunkte der neuen Bonner Koalition deutlich. Während die Grünen den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie gefordert haben – in der Koalitionsvereinbarung ist allerdings jetzt keine Rede mehr davon –, scheint der SPD eine 30jährige Übergangszeit notwendig zu sein. – Verständlich, wenn man weiß, daß Deutschland 30 Prozent seines Energiebedarfes aus Atomkraftwerken deckt.

Saubere Alternativenergie im erforderlichen Ausmaß wäre die Wasserkraft, aber auch dagegen verwehren sich etwa die Umweltschützer, wie es bei uns in Oberösterreich am Kraftwerk Lambach verdeutlicht wurde.

Daß es aber auch ohne Atomenergie geht, zeigen uns die Bayern, die schon vor der Bundestagswahl auf die Fertigstellung des AKW Greifswald verzichtet und ein weiteres Kernkraftwerk unmittelbar nach seiner Fertigstellung abgeschaltet haben.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Am 1. Oktober dieses Jahres wurde im EU-Ministerrat eine Resolution der EU-Kommission beschlossen, in der darauf hingewiesen wird, daß die Slowakei zwei Reaktoren im AKW Bohunice schließen muß. – Eine richtige Entscheidung!

Ich halte aber nichts von der Junktimierung, den EU-Beitritt der beitrittswerbenden Länder vom Ausstieg aus der Atomkraft abhängig zu machen. Ich halte diese Forderung für kontraproduktiv und gebe zu bedenken, daß ein Beitritt eines AKW-betreibenden Landes zur EU die Chancen auf einen Ausstieg aus der Atomenergie eher erhöht als verringert.

Viel mehr halte ich davon, die EU-Kommission aufzufordern, jene 4,4 Milliarden Schilling, die sie, wie erst kürzlich zu lesen war, in den Bau neuer Atomkraftwerke in der Ukraine investieren will, den beitrittswerbenden Staaten zum Aufbau der Alternativenergien zur Verfügung zu stellen.

Prinzipiell, meine sehr geehrten Damen und Herren, bin ich davon überzeugt, daß die Haltung Österreichs in der Atompolitik richtig ist und daß der Weg, den wir betreffend Kernenergie auf internationaler Ebene eingeschlagen haben, auch im Hinblick auf Tschechien und die Slowakei richtig ist – etwa wenn ich an die Forderung denke, EU-Kontrollore unter Mitwirkung von österreichischen Experten nach Temelin zu entsenden.

Wir sind aber auch aufgerufen, unsere Bemühungen in dieser Richtung weiter zu verstärken, weil speziell in unserem Land der Begriff "Nachhaltigkeit" immer mehr in unser Bewußtsein dringt. Atomkraft zur Energiegewinnung ist aber mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit leider überhaupt nicht vereinbar. Dem Grundsatz folgend, daß man eigentlich nicht mehr konsumieren kann, als nachwächst, sollte man die Kriterien der Umweltverträglichkeit berücksichtigen. Ein Schwerpunkt in der Zukunft sollte daher die Erforschung und Forcierung alternativer Energiequellen sein, um echte Alternativen zu den bestehenden Atomkraftwerken anbieten zu können.

Soweit mir bekannt ist, bemüht sich die Bundesregierung, die Forschungsförderung für erneuerbare Energien in der EU zu erhöhen und generell auf europäischer Ebene in diese Richtung zu wirken. Durch neue Ansätze in der Energiepolitik könnten noch zusätzliche beschäftigungspolitische Effekte ausgelöst werden. Biomasse würde viele Probleme zum Beispiel der Überproduktion beseitigen und mittels eines neuen Beschäftigungspotential gleichzeitig den ländlichen Raum absichern.

Ich fordere die Bundesregierung daher auf, die positiven Entwicklungen, die bereits existieren, weiter in Richtung Förderung erneuerbarer Energieträger – in der Erwartung, daß damit ein atomfreies Mitteleuropa so rasch als möglich verwirklicht werden kann – voranzutreiben.

Abschließend halte ich nochmals fest, daß das Atomhaftungsgesetz 1999 Vorbildcharakter hat, und hoffe, daß dieses beispielhafte Gesetz in der internationalen Staatengemeinschaft Nachahmung finden wird. Meine Fraktion wird daher gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.22


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645. Sitzung / Seite 57

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig. Ich erteile ihm das Wort.

12.22

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Seit der Volksabstimmung in Österreich über die Inbetriebnahme von Zwentendorf und dem damit verbundenen Beschluß des Atomsperrgesetzes wird in unserem Land der Einsatz der Atomkraft abgelehnt. Seit diesem Beschluß verfolgt Österreich eine sehr konsequente Antiatompolitik mit dem Ziel, ein kernenergiefreies Mitteleuropa zu erreichen. Die Antiatomkraftwerkspolitik der österreichischen Regierung hat innerhalb der Europäischen Union Einfluß auf die Haltung zur Atomkraft im allgemeinen, aber im speziellen auch bei der Gestaltung verschiedenster Programme im Bereich der Energieversorgung, ausgeübt.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß im fünften Rahmenprogramm der Europäischen Union eindeutige Erfolge dadurch erzielt werden konnten, daß die Mittel, die für die Erforschung der Atomkraft zur Verfügung gestellt wurden, reduziert und innerhalb des Budgets zugunsten von Sicherheitsstandards umstrukturiert wurden. Ein anderer großer Teil dieses Budgets steht für die Erforschung und den Ausbau erneuerbarer Energieformen zur Verfügung. Kollege Rodek hat bereits auf einige sehr wichtige Technologien hingewiesen, die auch mit diesen Finanzmitteln von seiten der EU gefördert werden.

Kernenergie ist eine risikoreiche und deshalb auch sehr teure Technologie. Nur vordergründig ist Atomstrom verglichen zu anderen Energieformen im liberalisierten Strommarkt Europas kostengünstiger. Dies ist deshalb so, weil die Folgekosten, wie zum Beispiel die Kosten der Entsorgung oder auch die Sicherheits- und Haftungsfragen, sehr oft von den Betreibern an die öffentliche Hand delegiert werden. Deshalb ist das vorliegende Gesetz auch ein Beitrag dazu, die Kostenwahrheit in der Energieerzeugung herzustellen, und damit verbunden auch ein großer Vorteil, wie ich meine, für unser Land, das in besonderer Weise sehr umweltfreundliche Formen fördert.

Die zentrale Bestimmung des neuen Atomhaftungsrechts ist die uneingeschränkte, strikte Gefährdungshaftung. Dies bedeutet, daß es im Haftungsrecht für Anlagen nach oben kein Haftungslimit, wie es jetzt bestanden hat und es auch in den internationalen Haftungsübereinkommen weiterhin Gültigkeit hat, mehr gibt. Das jetzige Gesetz sieht für die Haftung eine betragsmäßig unbeschränkte Haftungsregulierung mit einer Mindestdeckungssumme in der Höhe von 5,6 Milliarden Schilling für Betreiber von Atomkraftwerken vor.

Aufgrund der besonderen Gefährlichkeit von nuklearem Material, insbesondere dessen Aufbereitung, Transport und Nutzung für Forschung und medizinische Zwecke, wurde die Haftung sehr weit normiert. Dies geht noch weiter, als es in den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt ist. Neben dem Verschuldensprinzip und den Schadensersatzgrundsätzen des ABGB werden für Geschädigte von Kernkraftwerken im Atomhaftpflichtgesetz Beweiserleichterungen vorgesehen, die es den Geschädigten ermöglichen, den Zusammenhang zwischen dem eingetretenen Schaden und der Verursacherquelle darzustellen.

Wie im Gen-Haftpflichtgesetz werden auch bei dem vorliegenden Gesetzentwurf die Umweltschäden mitberücksichtigt. Das ist ein Thema, das wir auch bereits im Justizausschuß behandelt und besprochen haben. Bei beiden Technologien sind die Auswirkungen gegenwärtig nicht völlig abschätzbar. Deshalb sind gesonderte Haftpflichtgesetze sinnvoll und notwendig. Außerdem gibt es in diesem neuen Gesetz eine strikte Gefährdungshaftung, das heißt, es gibt eine Haftung auch im Falle höherer Gewalt. Es haftet dabei derjenige, der eine derartige Gefahrenquelle aufbaut oder verursacht, letztlich auch für all jene Konsequenzen, die durch diese Gefährdungsquelle entstehen können – auch im Falle höherer Gewalt, wie beispielsweise Katastrophenfälle.

Ein weiterer maßgeblicher Schritt besteht darin, daß es in Zukunft auch möglich sein wird, bei Schäden, die von einem Atomkraftwerk außerhalb Österreichs ausgehen, die aber in Österreich


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645. Sitzung / Seite 58

wirksam werden, auch in Österreich, also an dem Ort, wo der Schaden tatsächlich entstanden ist, auf Schadenersatz zu klagen, also nach österreichischem Recht.

Die Forderung nach einer grenzüberschreitenden Haftung, nach der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches entsteht dort, wo der Schaden entstanden ist, ohne den Geschädigten zu zwingen, ins Ausland zu gehen und den Schaden dort einzuklagen. Das ist, wie ich meine, eine neue Qualität in diesem Gesetz und auch ein juristischer Quantensprung. Auf internationaler Ebene werden wir dieses Recht leichter durchsetzen können, wenn wir darauf verweisen, daß wir im eigenen Land bereits entsprechende Regelungen getroffen haben.

Ein weiterer wichtiger Schritt in diesem Gesetz ist die Beseitigung der Kanalisierung der Haftung. Bis jetzt war es so, daß der Betreiber eines Atomkraftwerkes zu haften hatte, nicht jedoch der Zulieferer von Bestandteilen des Kraftwerkes. Beim Auftreten eines Schadens in einem Atomkraftwerk kann aber selbstverständlich ein einzelner Bestandteil die Ursache des Gesamtschadens sein.

Es ist völlig unverständlich, warum man sich in einem Schadensfall, in dem ein Kraftwerk jenseits der Grenze und ein Lieferant diesseits der Grenze betroffen sind, nicht direkt an den Lieferanten wenden kann, so wie dies bei der Schadensersatzregelung des Bürgerlichen Gesetzbuches ohnehin vorgesehen ist. Der Grund dieser Ausnahmeregelung für die Zulieferanten von Atomkraftwerken ist sicher darin zu sehen, daß die Atomkraft als damals neue Technologie besonders zu schützen war. Deshalb hat man diese Ausnahmeregelungen für Atomkraftwerksbetreiber eingerichtet und vorgesehen. Ich bin aber der Auffassung, daß eine derartige Regelung nicht mehr zweckmäßig erscheint und auch die Lieferanten von Bestandteilen für Atomkraftwerke einkalkulieren müssen, daß sie jederzeit in Haftung genommen werden können.

Für die Durchsetzung etwaiger Forderungen gibt es im europäischen Raum als Regelung das Lugano-Abkommen – zur Durchsetzung von Urteilen, die erwirkt worden sind. Ich erwähne das deshalb, weil wir auch im Justizausschuß darüber diskutiert haben, wie die Durchsetzung dieses Atomhaftungsgesetzes vorgenommen werden kann. Das heißt, daß ein in Österreich erwirktes Schadenersatzurteil innerhalb Europas durchgesetzt werden kann. Es muß deshalb unser Ziel sein, daß dem Lugano-Abkommen vor allem auch jene Länder beitreten, die Atomkraftwerke in unmittelbarer Nähe zu unseren Grenzen haben und noch nicht Mitglied der Europäischen Union sind. Wir hätten durch deren Beitritt zum Lugano-Abkommen die Möglichkeit, unsere Exekutionsverfahren und Forderungen im Rahmen dieser Verfahren leichter um- und durchzusetzen.

Wir haben mit einer konsequenten Antiatompolitik in unserem Land auch international deutlich gemacht, wie ernst wir diese Frage nehmen. Nicht zuletzt ist auch das vorliegende Gesetz ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung. Es bietet den Vertretern Österreichs auch das moralische Recht, gegenüber anderen Ländern auch auf internationaler Ebene auftreten zu können. Die Aktivitäten der Bundesregierung, vor allem im Gespräch mit unseren Nachbarländern, gehen in diese Richtung.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf die engagierte Tätigkeit zahlreicher Umweltorganisationen verweisen, die sehr oft in Kooperation, in Ergänzung mit den Aktivitäten der Bundesregierung oder auch einzelner Abgeordneter im Bereich der Antiatompolitik tätig waren. An dieser Stelle sind zum Beispiel Greenpeace, Global 2000, Antiatom International und viele andere Privatinitiativen zu nennen. Uns verbindet alle ein gemeinsames Ziel, nämlich für eine Welt ohne Atomkraftwerke und Atomwaffen einzutreten.

Aus diesen Gründen wird die sozialdemokratische Fraktion gegen die Vorlage keinen Einspruch erheben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
645. Sitzung / Seite 59

12.31


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
645. Sitzung / Seite 60

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch das Wort. – Bitte.

12.31

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Meine Herren Vorredner sind schon auf das eine oder andere Detail des heute zu beschließenden Gesetzes eingegangen. Ich werde mir deshalb erlauben, mich kurz zu fassen.

Das heute zu beschließende Atomhaftungsgesetz beinhaltet einige zentrale Anliegen. Neben anderen ist dies vor allem die uneingeschränkte, strikte Gefährdungshaftung, was bedeutet, daß es hinkünftig bei Unfällen kein Haftungslimit nach oben mehr geben wird und Betreiber einer Gefährdungsquelle, wie sie ein Atomkraftwerk nun einmal darstellt, auch im Falle höherer Gewalt, im Falle von Naturereignissen und ähnlichem zur Verantwortung gezogen werden können.

Zum zweiten wird es durch dieses Gesetz möglich, bei Schäden, die von ausländischen Kernkraftwerken ausgehen, aber in Österreich wirksam werden, Schadenersatz nach österreichischem Recht einzuklagen. – Kollege Dr. Ludwig hat das schon erläutert.

Zum dritten wird die sogenannte Kanalisierung der Haftung aufgehoben, was bedeutet, daß hinkünftig auch Zulieferanten von Bauteilen der Kernkraftwerke bei Mängeln, die Unglücksfälle verursachen, zur Verantwortung gezogen werden können.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen erkennen diese Fortschritte in diesem Gesetz an und werden deshalb auch zustimmen. Dies tun wir jedoch nicht, ohne darauf aufmerksam zu machen, daß dieses Gesetz auch grobe Mängel beinhaltet – Mängel, gegen die es nach unserem Dafürhalten konsequenter anzukämpfen gilt. Zum einen zählt dazu die Haftungsfrage und die damit zusammenhängende Schwierigkeit, allfälligen österreichischen Geschädigten auch tatsächlich zu ihrem Recht zu verhelfen.

Meine Damen und Herren! Trotzdem auf der "Insel der Seligen" ein Atomhaftungsgesetz beschlossen wird, ist davon auszugehen, daß allfällige Urteile österreichischer Gerichte im Ausland, zum Beispiel in der Slowakei – ein in diesem Zusammenhang nicht uninteressanter Staat – nicht durchsetzbar sind. Das Lugano-Abkommen, das dieses Exekutionsverfahren verbindlich macht, gilt nur in EWR-Ländern, also nicht in den mittel- und osteuropäischen, beitrittswilligen Staaten, mit denen konsequenter als bisher nicht nur die Sicherheitsstandards ihrer Kernkraftwerke zu behandeln sind, sondern nach freiheitlicher Position auch der verbindliche Ausstieg aus der Kernenergie. Speziell in bezug auf die mittel- und osteuropäischen Länder und deren Kernkraftwerke zeigt die bisherige Politik der Bundesregierung überhaupt keinen Erfolg, meine Damen und Herren!

In Mochovce ist vor kurzem ein Uraltkernkraftwerk vom Typ "Unsicherheit" ans Netz gegangen, ohne daß die Vereinbarung nach Stillegung des ebenso sicherheitstechnisch veralteten Kernkraftwerkes Bohunice umgesetzt worden wäre. Dies geschah trotz der Verhandlungen und auch letztlich leerer Drohungen des Bundeskanzlers in Richtung Slowakei.

Meine Damen und Herren! Ebenso erging es dem Anliegen des oberösterreichischen Landtages im Falle des tschechischen Atomkraftwerkes in Temelin, der mit einem Landtagsantrag die österreichische Bundesregierung aufforderte, dem Beitritt neuer Länder in die EU erst dann zuzustimmen, wenn diese ein verbindliches Ausstiegskonzept aus der Kernenergie vorgelegt haben. Diese Frage wurde vom Bundesminister für Umwelt in der letzten Fragestunde klargestellt. Er hat klargemacht, daß das Anliegen von seiten der Bundesregierung ignoriert wird.

Meine Damen und Herren! Das kann nach freiheitlicher Auffassung nicht österreichische Antiatompolitik sein. Das ist eine Politik der bloßen Ankündigung, aber nicht eine der Umsetzung. Das ist eine Politik, die auf längere Sicht den Interessen Österreichs widerspricht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren der Koalition! Betreiben Sie auf dieses heute zu beschließende Gesetz aufbauend endlich eine glaubwürdige österreichische Antiatompolitik! Setzen Sie österreichische Interessen international durch, und verweigern Sie die Zustimmung zu einem EU-Beitritt eines Landes, das im Rahmen der Kernkraft gegen lebenswichtige österreichische Interessen verstößt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.35

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Leopold Steinbichler das Wort. – Bitte.

12.35

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben auf die wesentlichen Punkte des neuen Atomhaftungsgesetzes, das sicherlich zu mehr Transparenz und mehr Kostenwahrheit bei der Energieerzeugung beiträgt, hingewiesen. Atomstrom ist, wenn man die Nachfolgekosten einrechnet, die teuerste Form der Energieversorgung. Es sind, wie bereits angesprochen, die Forschung und der Ausbau alternativer und nachwachsender Energie zügig voranzutreiben – besonders trifft das in der aktuellen Situation unter dem Aspekt der Sicherung und Schaffung neuer Arbeitsplätze zu.

Kollege Bösch hat vorhin davon gesprochen, daß es in der Bundesregierung in dieser Richtung keine Erfolge gegeben hätte. Ich möchte dem ein Beispiel entgegenstellen: Bereits 1995 ist es dem damaligen EU-Neuling Österreich im Umweltministerrat gelungen, eine Mehrheit gegen einen EBRD-Kredit zur Fertigstellung des AKW Mochovce zu erreichen und damit den Einstieg der Entwicklungsbank in die Förderung der Atomenergie zu verhindern. Ich glaube, wir sollten die großen Erfolge darstellen und nicht schmälern.

Folgende Punkte wurden bereits angeführt: die Verschärfung der Haftung für Kernanlagen und für nukleare Transporte, die weitgehendste Beseitigung der Kanalisierung dieser Haftung für die Zulieferer – wie soeben von Kollegen Bösch angesprochen –, die Einführung von Beweiserleichterungen und Auskunftsrechte zugunsten der Geschädigten oder – ein ebenfalls meiner Meinung nach wesentlicher Punkt – die Haftung für kostenvorbeugende Maßnahmen und Sonderregelungen für die Haftung bei Umweltbeeinträchtigungen.

Ich möchte dabei auf das Beispiel Landwirtschaft, die im Falle eines Super-GAUs besonders betroffen wäre, verweisen: Für sie ist das eine wesentliche Frage. Erinnern wir uns an den Fall Tschernobyl: Wir haben heute noch bei den Maronipilzen erhöhte Cäsiumwerte, erhöhte Strahlenwerte. Es ist sicherlich ein Erfolg, daß die Verjährung der Haftung erst nach 30 Jahren eintreten wird.

Ich verweise auf das große Spannungsfeld und Risikofeld im Falle eines Ernstfalles, eines Krisenfalles. Wenn im Ausland ein Super-GAU passiert, dann muß das Völkerrecht angewendet werden, und die Haftung ist nicht gesichert. Deshalb möchte ich darauf hinweisen, daß – wollen wir bei den EU-Osterweiterungsverhandlungen, wie bereits angesprochen, etwas erreichen und uns ein realistisches Ziel setzen – es sinnvoll ist, darauf hinzuwirken, daß für die Neubeitrittsländer genau dieselben strengen Parameter gelten beziehungsweise Versicherungsgarantien abgegeben werden, wie sie im vorliegenden Atomhaftungsgesetz von österreichischer Seite garantiert werden. Ich glaube, daß das ein realistisches Ziel wäre, das man in nächster Zeit bei den Verhandlungen, die auf uns zukommen werden, seitens der Bundesregierung verfolgen sollte.

Meine Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.39

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Gottfried Jaud das Wort. – Bitte.

12.39

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Ganz genau betrachtet sind die uns heute vorliegenden Abänderungen zum Atomhaftungsgesetz eine Frechheit.

Dies betrifft nicht den Inhalt – dieser ist sehr zu befürworten –, sondern die Form. Dies trifft übrigens bei fast allen Gesetzesnovellen, die wir im Bundesrat zu beschließen haben, zu.


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 61

Ich möchte dieses Gesetz nur dazu benützen, um eine generelle Kritik gegen diese Form vorzubringen. Meine Kritik richtet sich vor allem gegen den Umstand, daß es für uns Bundesräte unmöglich oder nur mit hohem Aufwand möglich ist, die geänderten Gesetzesstellen zu kontrollieren oder zu beurteilen. Wir sind auf Beschreibungen, Berichte angewiesen, es ist uns aber nicht möglich, eine eigene Beurteilung mit einem vertretbaren Zeitaufwand vorzunehmen. Dabei wäre es mit den heutigen Methoden der EDV ganz einfach, wenn bei allen Gesetzesnovellen die geänderten Gesetzesstellen komplett ausgedruckt würden, wenn die Veränderungen entsprechend markiert und alle zitierten Paragraphen angeführt würden. Dann wäre eine Beurteilung dieser Gesetzesänderung durch uns Bundesräte leicht möglich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Tremmel: Richtig!)

Die so oft in der Öffentlichkeit kritisierte Fülle, Unklarheit und Unübersichtlichkeit von Gesetzen stammt nach meiner Auffassung nicht daher, weil die Sprache der Gesetzgebung so unverständlich wäre, sondern weil die Übermittlung der verschiedenen Gesetzesänderungen so umständlich und unübersichtlich geworden ist. Sogar ich, der ich mit der Rechtsmaterie eigentlich nichts zu tun habe, getraue mich, die meisten Gesetze zu beurteilen, und ich verstehe sie auch.

Unsere Arbeitsweise als Gesetzgeber ist heute noch dieselbe wie zur "Steinzeit" der Schreibmaschine ohne Korrekturtaste. Es mag damals durchaus richtig gewesen sein, daß bei Novellen zum Beispiel folgende Vorgangsweise gewählt wurde: Dem Paragraphen sowieso wird folgender Satz angefügt, oder: Der Absatz sowieso hat soundso zu lauten. – Da heute aber alle Gesetzestexte EDV-mäßig abgespeichert sind, könnte ohne besonderen Aufwand auf Knopfdruck jederzeit die geänderte Gesetzesstelle ausgedruckt werden. Dazu bedürfte es nur ein bißchen guten Willens der Verantwortlichen. (Bundesrätin Schicker: Oder eines Mitarbeiters für die Bundesräte, für uns!) Auch dieses. Aber es würde auch den Nationalräten nicht schaden, wenn sie wüßten, was sie beschließen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich möchte aber mit meinem Vorschlag noch weitergehen. Für Tausende Beamte in Österreich, die unsere im Parlament geschaffenen Gesetze beachten beziehungsweise täglich damit arbeiten müssen, wäre es sicherlich eine riesige Erleichterung, wenn die ganzen Querverweise von Novelle zu Novelle wegfallen würden. Ich schlage deshalb vor, daß bei jeder Gesetzesnovelle das gesamte Gesetz neu ausgedruckt wird, soweit dies möglich ist. Beim ASVG wird das in absehbarer Zeit nicht möglich sein, davon bin ich überzeugt. Dies ist ohne weiteres auf Knopfdruck möglich. Der jeweils geänderte Gesetzestext könnte entsprechend kenntlich gemacht werden.

Jeder, der mit den von uns beschlossenen Gesetzen arbeitet, hätte dann jeweils den gesamten Gesetzestext vorliegen und könnte wesentlich rationeller arbeiten. Eine solche Vorgangsweise würde nicht nur eine wesentliche Erleichterung für all jene, die mit dem Gesetz arbeiten, bringen, nach meiner Auffassung wäre das auch ein wesentlicher Beitrag zur Gesetzesklarheit und Gesetzessicherheit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir dürfen nicht nur in der Öffentlichkeit über die vielen komplizierten Gesetze klagen, es liegt an uns im Hohen Haus, eine Veränderung herbeizuführen. Ich hoffe deshalb auf Ihre Unterstützung.

Unsere Welt verändert sich täglich mit ungeheurer Geschwindigkeit. Wir im Parlament haben die Verpflichtung, nicht nur zuzusehen, wie sich diese Welt verändert, sondern auch diesen Veränderungen Rechnung zu tragen und alles daranzusetzen, daß auch die Gesetzgebung mit dieser Dynamik Schritt hält. Die österreichischen Bürger können von uns erwarten, daß wir nicht leichtfertig Gesetzesvorlagen zustimmen.

Ich werde deshalb und nur aus Protest gegen die unzureichende Information von uns Bundesräten über diese Gesetzesnovellen – nicht wegen des sachlichen Inhaltes! – der vorliegenden Novellierung meine Zustimmung verweigern. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.45


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 62

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Ich erteile nunmehr Herrn Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek das Wort.

12.45

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Vizepräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst dem Herrn Vorredner zuwenden. Ich habe ein grundsätzliches Verständnis für das, was Sie angesprochen haben. Ich bitte Sie aber zu verstehen, wenn ich gerade im Hinblick auf das jetzt hier debattierte Gesetz sage, daß es darauf nicht zutrifft. Es handelt sich hiebei überhaupt nicht um eine Novelle eines Gesetzes, sondern um ein vollständig neues eigenständiges Gesetz, das praktisch überhaupt nichts mit dem früheren Atomhaftpflichtgesetz zu tun hat.

Ansonsten ist das Justizressort immer sehr bemüht, bei gesetzlichen Neuerungen durch eine Gegenüberstellung im Anhang die alte Fassung links, die neue Fassung rechts und durch entsprechende Unterstreichungen das Neue klar darzustellen. Das heute vorliegende Gesetz konnte diesen Weg nicht gehen, weil es etwas vollständig Neues ist.

Was die Möglichkeit der Beurteilung des hier zur Beschlußfassung Vorgelegten anlangt, möchte ich Ihnen folgendes sagen: Gerade dieses Gesetz, meine Damen und Herren, wurde mit größter Akribie begründet, und gerade zu diesem Gesetz wurde in den Erläuternden Bemerkungen alle Für und Wider aufgeführt, woraus Sie auch ersehen können, daß wir offen mit den Regelungen gerungen haben.

Der Kernpunkt des Gesetzes besteht in der Aufgabe der Kanalisierung der Haftung. Davon leitet sich alles andere ab. Und gerade diese Frage wurde über viele Seiten mit allen Für und Wider dargelegt, damit hat man sich sehr ausführlich auseinandergesetzt. Zu allen Punkten gibt es ausführlichste Erläuterungen, auch mit den sich daraus ergebenden Folgerungen und Weiterungen.

Herr Bundesrat! Mag also Ihre Kritik zu anderen Gesetzen, vor allem zu Novellierungen, gerechtfertigt sein, so muß ich doch sagen, für dieses Gesetz – davon bin ich überzeugt – ist sie nicht gerechtfertigt, da es sich um ein eigenständiges neues Gesetz mit außerordentlich umfangreichen Erläuterungen handelt. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage geben geradezu ein beredtes Zeugnis dafür ab, wie die Abwägung der Für und Wider für die Grundsatzentscheidung und die sich daraus ergebenden Einzelentscheidungen stattgefunden hat.

Das Bemerkenswerte zu diesem vorliegenden Gesetz wurde schon von den Vorrednern ausgeführt, und ich kann es nur mit anderen Worten zusammenfassend wiederholen.

Mit dem neuen Atomhaftungsgesetz sollen im Sinne der österreichischen Antiatompolitik die seinerzeit im Atomhaftpflichtgesetz 1964 zur Förderung der nuklearen Wirtschaft festgelegten haftungsrechtlichen Privilegien der Nuklearwirtschaft abgeschafft und durch ein drastisches Haftungsregime für nukleare Anlagen und Transporte ersetzt werden. Das betrifft sowohl den Umfang der Haftung – die Einzelheiten wurden heute schon mehrfach erwähnt –, es erfaßt die Durchsetzung von Ansprüchen, und es erfaßt auch die Vorsorge für eine Deckung, wenn es dann zur Festlegung von Schadenersatzansprüchen kommt.

Vor allem das Abgehen von der Kanalisierung, das uns auch von den internationalen Instrumenten ausschließt, wurde in den Erläuterungen ausführlich dargelegt, damit die Abgeordneten genau wissen: Wenn sie sich für dieses System entschließen, entschließen sie sich für etwas vollständig Neues, in Europa vollständig Neues. Sie entschließen sich damit auch, aus den derzeit bestehenden Deckungsinstrumenten internationaler Vereinbarungen draußen zu bleiben.

Der grenzüberschreitenden Dimension von nuklearen Unfällen trägt der Entwurf durch die auch schon angeklungenen spezifischen Regelungen über Gerichtsstand und anzuwendendes Recht Rechnung. Österreichische Geschädigte können es sich in Hinkunft aussuchen, ob sie ihre Ansprüche vor einem österreichischen oder vor einem ausländischen Gericht geltend machen. Da


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 63

mit steht ihnen quasi die Wahl zwischen dem österreichischen und dem ausländischen Recht frei.

Auch wenn, wie heute angeklungen ist, die Durchsetzung österreichischer Urteile international derzeit auf gewisse Schwierigkeiten stoßen mag, sehe ich keinen Grund, deshalb die materiellen Ansprüche der Geschädigten überhaupt zu negieren und auf Bestimmungen, wie wir sie vorgesehen haben, zu verzichten.

Insgesamt meine ich, daß mit unserem neuen Atomhaftungsgesetz ein ganz grundlegender Wandel im Bereich der Atomhaftung vollzogen wird. Es trägt den unabwägbaren Risken der atomaren Energieerzeugung Rechnung, es stellt aber anders als das bisher geltende Atomhaftpflichtgesetz und anders als alle auf internationaler Ebene geltenden Übereinkommen den Geschädigten und die geschädigte Umwelt in den Vordergrund der Betrachtung. Damit trägt es zu einer bemerkenswerten Neugewichtung im Schadenersatzrecht bei, zu einer Umorientierung, die anderen Ländern ebenso wie der Staatengemeinschaft insgesamt als Beispiel und Vorbild dienen mag.

Ich würde mich daher sehr freuen, Herr Bundesrat, wenn Sie sich unter dem Eindruck dessen, was ich zu diesem Gesetz gesagt habe, und unter Aufrechterhaltung Ihrer durchaus berechtigten Kritik zu anderen Gesetzesvorlagen, vor allem Novellierungen, wie die anderen Bundesrätinnen und Bundesräte, so hoffe ich, doch auch dazu entschließen könnten, diesem Gesetz Ihre Zustimmung zu erteilen. – Ich danke vielmals. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.52

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich noch einmal Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile es ihm.

12.53

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte mich zunächst für die Aufmerksamkeit und auch für die Aufnahme, wie ich glaube, meiner Anregungen bedanken. Warum ich der Meinung bin, daß dieses Gesetz als Beispiel für generelle Kritik an der Vorgangsweise dienen könnte, möchte ich folgendermaßen begründen: Wir Bundesräte haben hier zwei Vorlagen. Auf der einen Seite haben wir den Gesetzestext; da können wir sehen, wie das Gesetz lautet. Wir haben aber gleichzeitig auch eine Novellierung – ich weiß auch nicht –, die so verfaßt ist, wie üblicherweise Novellierungen hier im Bundesrat verfaßt sind, in der es eben heißt: "In § 7 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:". Es ist uns also durchaus möglich, hier Vergleiche ... (Bundesminister Dr. Michalek: Das ist aber nicht von mir, sondern das ist vom Ausschuß!) Das mag durchaus sein. Deshalb habe ich es als Vergleich herangezogen. Ich werde aber gerne Ihrer Anregung Rechnung tragen und diesem Gesetz meine Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.54

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 64

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher geändert wird (1384 und 1416/NR sowie 5789/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht über den Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher geändert wird.

Der Bericht liegt schriftlich auf, ich brauche ihn deshalb nicht zu verlesen. Ich bringe Ihnen zur Kenntnis, daß der Justizausschuß nach Beratung der Vorlage am 20. Oktober 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag gestellt hat, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend ein Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen samt Erklärungen der Republik Österreich (1204/NR sowie 5790/BR der Beilagen)

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung samt Erklärungen der Republik Österreich (1205/NR sowie 5791/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 und 7, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen samt Erklärungen der Republik Österreich sowie

ein Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung samt Erklärungen der Republik Österreich.


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 65

Die Berichterstattung über diese Punkte hat Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Dr. Michael Ludwig: Beide Berichte liegen schriftlich auf, ich möchte deshalb davon Abstand nehmen, beide Berichte zu verlesen und stelle für beide Berichte den gleichlautenden Antrag:

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlagen am 20. Oktober 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bedanke mich.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. Ich erteile es ihm.

12.57

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter lieber Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon gesagt, daß es hier um zwei Übereinkommen betreffend den EU-Raum geht, in dem wir uns befinden. Sie stellen etwas absolut Positives dar, weil wir gerade in diesem Raum, sowohl was die innere als auch die äußere Sicherheit anlangt, ein einvernehmliches Vorgehen an den Tag legen sollen, müssen und auch brauchen. Dasselbe gilt natürlich auch für das Juridische.

Es gibt ganz wenige Bereiche, in denen das staatliche Monopol unangreifbar ist: Das ist der Bereich der inneren Sicherheit, das ist auch jener der äußeren Sicherheit, und das ist gerade im EU-Raum natürlich auch der rechtliche Bereich. Das liegt, wenn man es rein vom Juridischen her sieht, in der rechtsgeschichtlichen Bedeutung des Staates begründet. Ich glaube, daß wir das juridisch gar nicht weiter ausfertigen müssen, und damit gilt es auch für den gesamteuropäischen Raum.

Die innere Sicherheit muß europaweit geordnet sein. Wir haben vor wenigen Wochen die Frage Europol behandelt. Wir haben die Frage im rechtlichen Bereich gehabt, und wir haben die Frage im äußeren Bereich gehabt, nämlich was die NATO anlangt. Deswegen, so glaube ich, sind gerade Angelegenheiten wie die Auslieferung etwas, was im EU-Raum durchaus von der Polizei koordiniert werden muß und koordinierbar ist – und von Juristen dann natürlich auch.

Wir haben heute in der Fragestunde, als es um die innere Sicherheit ging, sehr klare Äußerungen in dieselbe Richtung gehört. Deswegen werde ich mich heute ganz kurz halten und sagen, daß ich die zwei Übereinkommen für völlig richtig, für europäisch notwendig halte. Meine Partei wird ihnen die Zustimmung geben. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.59

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

12.59

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Vorerst darf ich auf das Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen etwas näher eingehen.

Das Grundvertragswerk, das Europäische Auslieferungsübereinkommen von 1957, sieht vor, daß die Übermittlung des formellen Auslieferungsersuchens und der ihm nach Artikel 12 Abs. 2 anzuschließenden Unterlagen innerhalb von 40 Tagen nach dem Zeitpunkt der Verhaftung der gesuchten Person, das heißt dem Beginn der Auslieferungshaft, zu erfolgen hat.


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 66

Diese Frist ließ sich von Anfang an immer dann schwer einhalten, wenn es einer beglaubigten Übersetzung dieser Unterlagen in die Sprache des ersuchten Staates bedurfte. Sobald sich die modernen technischen Mittel der Telekommunikation herausbildeten, entstand die Praxis, solche Ersuchen samt den Unterlagen zunächst per Telefax zu übermitteln, um die Frist zu wahren, und dann die Originaldokumente auf dem Postweg nachzureichen. Das vorliegende Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der EU aus 1989 soll im Anschluß an diesen Erfahrungswert das Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen dadurch vereinfachen, daß dieses und die ihm angeschlossenen Begleiturkunden künftig allein mittels Telekopie, mittels Fernkopie übersandt werden können.

Diese Entformalisierung und damit verbundene Entbürokratisierung ist schon im grundsätzlichen zu begrüßen. Sie erleichtert und verbessert damit auch die institutionelle Zusammenarbeit der Justiz im Bereich der Strafrechtspflege. Zugleich trägt diese Zulassung moderner Übermittlungstechnik zur in jeder Hinsicht wünschenswerten Beschleunigung des Strafverfahrens bei – ein Gesichtspunkt, der nicht zuletzt auch dem Interesse an der effizienten Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität entspricht.

Dem stehen meines Erachtens keine ernsthaften Bedenken gegenüber, die vielleicht aus der fortan nicht mehr mit letzter Sicherheit verbürgten Originalität der Dokumente erwachsen könnten. Denn die Bezeichnung zentraler Behörden durch die einzelnen Vertragsstaaten, die für die Übermittlung wie auch für die Entgegennahme der Ersuchen und der Beweisurkunden zuständig sind, gewährleistet eine angemessene Kontrolle, die allfällige Schwachstellen der Telekopie ausgleicht – das umso mehr, als Österreich mit gutem Grund das Bundesministerium für Justiz als die für uns maßgebliche zentrale Behörde benannt hat.

Die nötige Geheimhaltung und der Datenschutz werden dadurch gewahrt, daß ein Kodierungsgerät, das an den Fernkopierer anzuschließen ist, die Vertraulichkeit der Übertragung durch verschlüsselten Austausch der betreffenden Informationen sichert. Es ist ferner Sache des ersuchenden Staates, die Übereinstimmung der zusätzlich zu seinem Ersuchen übermittelten Dokumente mit den Originalen für bescheinigt zu erklären. Zweifellos dient auch das dazu, die Echtheit der Auslieferungsunterlagen zu verbürgen.

Darüber hinaus räumt Artikel 4 Satz 2 der zuständigen Behörde des ersuchten Staates ein, daß sie bei Zweifeln an der Übereinstimmung der Urkunden mit den Originalen von der Behörde des ersuchenden Staates verlangen kann, daß sie innerhalb angemessener Frist die Originalurkunden oder beglaubigten Kopien davon auf dem diplomatischen oder dem sonst vereinbarten Wege vorlegt. All diese rechtsstaatlichen Kautelen erlauben es gewiß, der Ratifikation dieses Übereinkommens auch aus strenger österreichischer Sicht zuzustimmen.

Im folgenden wende ich mich nun der zweiten Vorlage zu, nämlich dem Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der EU über das Verbot der doppelten Strafverfolgung. Unter allen so üblichen wie nichtssagenden diplomatischen Höflichkeitsfloskeln, die in die Präambeln derartiger Abkommen Eingang zu finden pflegen, akzeptiere ich als ihren Sachgehalt die Aussage, daß es der Zusammenarbeit in Strafsachen auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens entspricht, das Verbot der doppelten Strafverfolgung in bezug auf ausländische Entscheidungen beziehungsweise Verfahren wechselseitig anzuerkennen.

Ganz zentral scheint mir hiebei aus der Sicht des strafgerichtlich Verfolgten die Garantie des Artikels 3 zu sein. Danach wird nämlich jede in einem Mitgliedstaat aufgrund rechtskräftiger Verurteilung wegen ein und derselben Straftat verhängte Freiheitsstrafe auf eine in einem anderen Vertragsstaat infolge erneuter Strafverfolgung zu verhängende Sanktion angerechnet. Bereits vollstreckte andere als freiheitsentziehende Sanktionen sind dabei ebenfalls zu berücksichtigen.

Artikel 4 dient der Zielsetzung des Artikels 3. Denn danach ist die Behörde jenes Mitgliedstaates, der bereits ein rechtskräftiges Strafurteil über den Betroffenen gefällt hat, dazu verpflichtet, darüber dem anderen Mitgliedstaat, in dem der Verurteilte wegen derselben Straftat angeklagt wird, sachdienliche Auskünfte zu erteilen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
645. Sitzung / Seite 67

Die Republik Österreich hat völkerrechtlich verbindliche Erklärungen gemäß Artikel 2 Abs. 1 des Übereinkommens dahin gehend abgegeben, daß sie in folgenden Fällen nicht gebunden ist:

erstens, wenn die Tat, die dem Urteil zugrunde lag, ganz oder teilweise auf unserem Gebiet begangen wurde – im letzten Fall jedoch dann nicht, wenn die Tat teilweise auch im Gebiet des Urteilstaates begangen wurde –,

zweitens, wenn die Tat bestimmte Strafttatbestände erfüllt hat, wie Hochverrat, staatsfeindliche Verbindungen, Landesverrat, Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole, Angriffe auf oberste Staatsorgane, strafbare Handlungen gegen das Bundesheer oder solche, die jemand gegen einen österreichischen Beamten während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben begeht,

und drittens, wenn die Tat, die dem ausländischen Urteil zugrunde lag, von einem österreichischen Beamten unter Verletzung seiner Amtspflichten begangen wurde.

Von selbst versteht sich allerdings, daß diese Ausnahmen nicht in Betracht kommen, wenn Österreich selbst andere Mitgliedstaaten um Übernahme der Strafverfolgung ersucht oder die Auslieferung des Beschuldigten bewilligt hat.

Lassen Sie mich den Kern der vertraglichen Regelung daher so zusammenfassen: Im Grunde geht es bei Artikel 4 um die Einrichtung eines Konsultationsmechanismus zwischen den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten mit dem Ziel, den fundamentalen Verfahrensgrundsatz des ne bis in idem abzusichern. Artikel 5 stellt zudem klar, daß weitergehende innerstaatliche Regelungen über den Ausschluß der Doppelbestrafung unberührt bleiben. Meines Erachtens wirft freilich dieses Regime zur Vermeindung des ne bis in idem interne Folgefragen auf, insbesondere etwa jene: Entspricht es dann noch diesem Standard auch im Hinblick auf den innerstaatlichen Gleichheitssatz, ein und dieselbe Handlung sowohl strafgerichtlich als auch disziplinarrechtlich zu sanktionieren?

Diese intrasystematischen Probleme des österreichischen Rechtes werden wir noch auszutragen haben. Sie sollen uns aber nicht daran hindern, den mit dem vorliegenden Übereinkommen erzielten Fortschritt der Rechtsentwicklung im Bereich des internationalen Strafrechts völlig anzuerkennen, nämlich der grenzüberschreitenden Wahrung des Verbotes der Doppelbestrafung ein und derselben Straftat.

Meine Fraktion wird daher auch dieser Vorlage so wie der zuvor erörterten gerne ihre Zustimmung geben. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

13.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. Ich erteile ihm das Wort.

13.07

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegen Dr. Liechtenstein und Dr. Böhm haben bereits ausgeführt, daß es sich bei den gegenständlichen Vorlagen um längst fällige Anpassungen an EU-Recht handelt, einerseits um das Abkommen über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen, welches bereits am 26. Mai 1989 geschlossen wurde, und andererseits um das Übereinkommen über das Verbot der doppelten Strafverfolgung vom 25. Mai 1987.

Mit dem Titel dieser beiden Vorlagen sind auch schon die Inhalte definiert. Im übrigen sind die beiden Vorredner, im besonderen Dr. Böhm, konkret darauf eingegangen. Die durch das österreichische Parlament vorgesehene Zustimmung zur Genehmigung der beiden Vorlagen hat mich dazu veranlaßt, zu hinterfragen, welche europäischen Rechtsnormen bisher noch nicht in innerstaatliches Recht übernommen wurden. Aufgrund der in den gegenständlichen Vorlagen genannten Daten seit dem Abschluß 1985 beziehungsweise 1987 war zu befürchten, daß es viele weitere unerledigte Bereiche geben könnte. Erfreulicherweise ist dies zumindest im Justizbereich laut den Informationen seitens Ihres Ministeriums, sehr geehrter Herr Bundesminister, nicht der Fall.


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 68

So gibt es im Zivilrecht drei und im Strafrecht vier offene Bereiche, die allerdings erst in den letzten Jahren ab 1995 geregelt wurden. Österreich war daher in diesem Bereich nicht säumig. Konkret ist das im Zivilrecht das Europäische Zustellübereinkommen. Diesbezüglich ist Österreich hinsichtlich der Ratifikation nicht im Verzug. Brüssel 2, das Abkommen über Zuständigkeit und Anerkennung in Ehesachen, wurde erst in der ersten Hälfte des heurigen Jahres unterzeichnet. Was das Insolvenzübereinkommen betrifft, ist aufgrund eines Streits zwischen Spanien und Großbritannien wegen der Gribraltarklausel noch keine Unterzeichnung erfolgt.

Im Strafrecht betrifft es schließlich das Übereinkommen über die Übertragung der Strafverfolgung und das Übereinkommen über die Vollstreckung ausländischer strafrechtlicher Verurteilungen. Beide sind noch aus der dritten Säule, Inneres und Justiz, also aus der Europäischen Politischen Zusammenarbeit, offen. Das Übereinkommen über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der EU stammt erst vom 27. September 1996 und das Einkommen über vereinfachtes Auslieferungsverfahren vom 10. 3. 1995. Die beiden letztgenannten Vereinbarungen sollen noch im Herbst dieses Jahres dem Parlament zugeführt werden.

Die gegenständlichen Vorlagen betreffend Auslieferungsersuchen und Strafverfolgung geben mir aber auch Gelegenheit, auf ein im europäischen Bereich sehr aktuelles Thema einzugehen.

Wie Sie wissen, putschte vor 25 Jahren, am 11. September 1973, das chilenische Militär unter Führung von Augusto Pinochet gegen die demokratische Regierung von Salvador Allende. Unzählige Chilenen, aber auch fremde Staatsbürger – darunter viele Spanier – wurden in den Jahren des Militärregimes verfolgt, in Haft genommen oder zu Tode gefoltert.

Die Menschenrechte wurden zumindest bis zum Übergang zur Demokratie im Jahre 1989 brutalst mißachtet. Noch heute sind das Schicksal vieler Menschen und ihr Verbleib ungeklärt. Auch wenn Kritik und Widerstand gegen den nunmehrigen Senator auf Lebenszeit Pinochet im Land selbst wachsen, können ihn der Freibrief des Militärs und die in Chile geltende Immunität im Ausland nicht ungeschoren lassen. Es entsprach daher nicht nur europäischem Recht, daß Großbritannien dem Antrag Spaniens nachkam und die Verhaftung Pinochets in London vornahm. Mit dieser mutigen Entscheidung bewiesen die regierenden Sozialdemokraten Großbritanniens vielmehr, daß Menschenrechte unteilbar sind.

Obwohl die ehemalige Premierministerin und Konservative Lady Thatcher Pinochet noch unmittelbar vorher zum Tee lud und damit offensichtlich ein Signal setzen wollte, müssen die bisher ungesühnten Verbrechen dieses Diktators und Putschisten gerichtlich verfolgt werden.

Europa hat mit dem durch Großbritannien gesetzten Schritt einen notwendigen, den Menschenrechten verpflichteten, demokratisch legitimierten und rechtsstaatlichen Schritt gesetzt. Jetzt muß Pinochet den gerichtlichen Instanzen übergeben und seiner gerechten Strafe zugeführt werden. Diese Vorgangsweise muß durch all jene Unterstützung finden, denen Demokratie und Menschenrechte ein echtes Anliegen sind.

In diesem Sinn freue ich mich, daß wir mit den heute vorliegenden Vereinbarungen ein Recht schaffen, welches uns verpflichtet, im europäischen Bereich nach diesen Grundsätzen zu handeln.

Meine Fraktion wird deshalb gegen die zur Debatte stehenden Vorlagen keinen Einwand erheben, sondern mit Freude zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 69

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend ein Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen samt Erklärungen der Republik Österreich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen .

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung samt Erklärungen der Republik Österreich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag ist angenommen .

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend Urkunden des Weltpostvereins (Seoul 1994), nämlich

a) Fünftes Zusatzprotokoll zur Satzung des Weltpostvereins,

b) Allgemeine Verfahrensordnung des Weltpostvereins,

c) Weltpostvertrag samt Schlußprotokoll,

d) Postpaketabkommen samt Schlußprotokoll,

e) Postanweisungsabkommen,

f) Postscheckabkommen,

g) Postnachnahmeabkommen (1358/NR sowie 5792/BR der Beilagen)


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 70

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung: Urkunden des Weltpostvereins (Seoul 1994), nämlich a) Fünftes Zusatzprotokoll zur Satzung des Weltpostvereins, b) Allgemeine Verfahrensordnung des Weltpostvereins, c) Weltpostvertrag samt Schlußprotokoll, d) Postpaketabkommen samt Schlußprotokoll, e) Postanweisungsabkommen, f) Postscheckabkommen, g) Postnachnahmeabkommen.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Reinhard Bösch übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Dr. Reinhard Eugen Bösch: Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Verkehr über den Beschluß des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 betreffend Urkunden des Weltpostvereins liegt schriftlich vor. Ich kann mich deshalb darauf beschränken, Ihnen den mit Stimmeneinhelligkeit beschlossenen Antrag des Ausschusses vorzutragen, nämlich

1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den Weltpostvertrag samt Schlußprotokoll, das Postpaketabkommen samt Schlußprotokoll, das Postanweisungsabkommen, das Postscheckabkommen sowie das Postnachnahmeabkommen durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag ist somit angenommen .

Ferner bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

9. Punkt

21. Bericht der Volksanwaltschaft 1997 (III-180/BR sowie 5793/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung: 21. Bericht der Volksanwaltschaft 1997.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Karl Wilfing: Geschätztes Plenum! Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme daher zur Verlesung des Ausschußantrages:

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Oktober 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz. – Bitte.

13.17

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Volksanwalt! Die Damen der Volksanwaltschaft sind gerade am Eintreffen und sind in meine Anrede natürlich miteingeschlossen.

Uns liegt heute der 21. Bericht der Volksanwaltschaft zur Beratung und Kenntnisnahme vor, und ich meine, daß dieser Bericht – vor allem was das Zahlenwerk und auch die umfassende Thematik, die sich bereits aus dem Inhaltsverzeichnis ablesen läßt, betrifft – ein beeindruckendes Zeugnis für die umfassende Tätigkeit der Volksanwaltschaft ablegt.

Ich denke nur, daß der Bericht der Volksanwaltschaft darüber hinaus auch das Spiegelbild unserer eigenen Tätigkeit hier im Hohen Haus sein soll, denn wenn im Rahmen der Volksanwaltschaft Probleme zu behandeln sind, die sich aus dem Zusammenleben und dem Handhaben jener Normen, die das Zusammenleben zwischen dem Bürger und dem Staat regeln sollen, ergeben, dann, so glaube ich, ist es auch notwendig, zu hinterfragen, ob das, was wir im Hohen Haus beschließen, auch inhaltlich so zugänglich ist, wie es der Bürger erwartet. Das gilt, wie gesagt, für die Legislative und natürlich auch für die Exekutive.

Diese Normen, die jedoch zunehmend Materien behandeln, die komplex und uneinsichtig werden und manchmal auch von ihrer Textierung her Schwierigkeiten bringen, sind dann ein Grund


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645. Sitzung / Seite 71

dafür, daß der Bürger diesen leichten Zugang zum Recht – von dem wir auch selbst immer wieder sprechen – nicht in ausreichendem Ausmaß bekommt. Ich glaube aber, daß es nicht nur der Zugang zum Recht an und für sich und die in den Gesetzen enthaltene Thematik ist, sondern – ich würde das daraus schließen, daß doch ein empfindliches Ost-West-Gefälle in der Inanspruchnahme der Volksanwaltschaft vorhanden ist – daß auch andere Faktoren eine Rolle dabei spielen.

Wenn ich damit die Regionalisierung der Volksanwaltschaft angesprochen habe, dann muß ich sagen, daß meine persönlichen Erfahrungen auf einer ähnlichen Situation basieren, nämlich jener in der Gleichbehandlungskommission, die auch sehr stark vom leicht nutzbaren Angebot für den Bürger abhängt – davon, ob jemand die Dinge in Anspruch nehmen und sich dessen bedienen kann, was ihm ein Rechtsstaat an Möglichkeiten gibt, oder ob er einen sogenannten Katalysator für seine Anliegen braucht.

Es sind in diesem Bericht aber durchaus auch Bereiche angesprochen, die die Tätigkeit der Volksanwaltschaft an und für sich betreffen. Ich glaube, die Ausweitung des Kompetenzbereiches der Volksanwaltschaft ist ein Punkt, der meiner persönlichen Einschätzung nach diskussionswürdig ist. Ich mache jedoch kein Hehl daraus, daß ich mit dem Ansinnen Probleme habe, den Kompetenzbereich der Volksanwaltschaft auch auf die ausgegliederten Betriebe auszudehnen. Ich glaube, wenn man sich zur politischen Willensentscheidung findet, Bereiche aus der Hoheitsverwaltung auszugliedern, dann soll das konsequent geschehen. Sie über die Volksanwaltschaft ihrer stärkeren privatwirtschaftlichen Verantwortung wieder zu entbinden, ist für mich – ich habe es betont: persönlich – ein Widerspruch in sich.

Ich gestehe aber durchaus zu, daß Meinungen aufeinandertreffen, daß es zwischen der Auffassung jener Damen und Herren, die die Anliegen im Rahmen der Volksanwaltschaft auch aufgrund ihrer Erfahrungen bearbeiten, und jener, die die politischen Entscheidungen dafür treffen, Divergenzen geben kann. Ich glaube, diese Probleme sollte man in einem vernünftigen und sachlichen Klima diskutieren, um zu gewährleisten, daß die an und für sich sehr positive, erfolgreiche und auch umfangreiche Tätigkeit der Volksanwaltschaft, wie sie auch aus dem Bericht hervorgeht, sichergestellt werden kann und sich so weiterentwickelt, wie sie sich jetzt darstellt: als positives Instrument, das dem Bürger ermöglicht, das zu nutzen, was ihm die Gesetze zuordnen sollen, nämlich in jenen Anliegen Recht zu bekommen, die ihn persönlich betreffen.

Ich bedanke mich von dieser Stelle aus nicht nur für die Tätigkeit zum Wohle unserer Bürger, sondern auch für die Berichterstattung in dieser schriftlichen Form. Ich bitte Sie, diesen Dank auch Ihren Mitarbeitern zu übermitteln, und darf der Volksanwaltschaft auch weiterhin eine positive Arbeit und viel Erfolg wünschen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer. Ich erteile ihm das Wort.

13.23

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor nicht ganz einem Jahr haben wir hier eine Premiere gefeiert. Ich glaube, diese ist noch bestens in unserer Erinnerung. Es wurde uns damals nach der neuen Geschäftsordnung erstmals ein Bericht der Volksanwaltschaft zur Diskussion vorgelegt. Wir waren damals der Meinung, daß durch die Berichte eine ausgezeichnete, jederzeit und überall herzeigbare Arbeit und Tätigkeit nachgewiesen wird. Dies ist auch heute absolut der Fall.

Ohne übertreiben zu wollen, glaube ich, sagen zu können, daß dieser Bericht einen Leistungsnachweis bedeutet, daß die Volksanwaltschaft für uns, für unser Land eine zusätzliche Säule unserer rechtsstaatlichen Demokratie geworden ist – dies vor allem deswegen, weil sich die Volksanwaltschaft dadurch auszeichnet, daß sie ihre Tätigkeit vorrangig für die Schwächsten unserer Gesellschaft ausübt, vor allem für diejenigen, die – sei es aus finanziellen oder aus anderen Gründen – nicht die Möglichkeit haben, sich Rechtsberatung zu leisten oder anzueignen, und die dann eben den Weg zum Volksanwalt gehen und da entsprechend hochqualifizierte Beratung erfahren. – Das möchte ich an die Spitze meiner Ausführungen stellen.


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Ich begrüße, daß die Volksanwaltschaft auch im Hinblick auf ihren hohen Kompetenzanspruch bereits internationale Kontakte aufgenommen hat. Ich glaube, daß damit vor allem für unsere östlichen Nachbarstaaten eine Vorbildwirkung gegeben ist, die der Weiterentwicklung ihrer Demokratieformen dienlich sein kann.

Wenn wir uns nun im einzelnen die Beschwerdehäufigkeit ansehen, so läßt sich feststellen, daß durchaus geographische Unterschiede gegeben sind. Wien, Niederösterreich und vor allem auch das Burgenland liegen insofern an der Spitze, als die Quoten, wenn man sie umlegt, so wie es in der Darstellung auf Seite 13 im allgemeinen Teil des Berichtes gezeigt wird, folgendermaßen aussehen: In Wien kommen 77 Beschwerdefälle auf 100 000 Bürger, dann kommt gleich das Burgenland mit 72 auf 100 000. Vielleicht ist das auch darauf zurückzuführen, Frau Volksanwältin, daß Sie doch sehr populär sind und die Burgenländer gerne Ihre Dienste in Anspruch nehmen. Aber sicher trägt dazu – ich möchte das hier anführen – auch die Tatsache bei, daß Sie dankenswerterweise dem Grundsatz "Näher zum Bürger!" schon vor vielen Jahren zum Durchbruch verholfen haben und das auch unter Zuhilfenahme der EDV und aller Kommunikationstechniken noch verstärken. Ich glaube, nur so kommen wir tatsächlich an jene Bürger heran, die eben Ihrer Hilfe am meisten bedürfen.

Aber es ist nicht nur der Bürger, der durch Ihre Anregungen beziehungsweise Ihre Empfehlungen sozusagen profitiert, es sind auch wir, die Abgeordneten, die wir im gesetzlichen Vertretungskörper arbeiten. Sie liefern uns die sogenannte Rückkoppelung, wie wir das nennen, und ich denke, daß es für uns sehr wertvoll ist, wenn Sie aufzeigen, wo den Bürger der Schuh drückt, wo gewisse Probleme sind, wo allenfalls ein Handlungsbedarf gegeben ist.

Ich möchte auch einzelne Schwerpunkte nennen, die graphisch ebenfalls sehr schön dargestellt sind. Dazu gehört natürlich – oder leider, je nachdem, von welcher Seite wir es sehen – der Sozialbereich. Auch da, Frau Volksanwältin Messner, haben Sie dankenswerterweise vor allem im Pensionsbereich verschiedene Problematiken aufgegriffen, so etwa die etwas problematische Auslegung der Bestimmungen über die Ausgleichszulage, vor allem hinsichtlich der Anrechnungsbestimmungen, natürlich auch Probleme im Krankenversicherungsbereich wegen der oft verschiedenartigen kasuistischen Auslegung. Desgleichen haben wir – auch das läßt sich herauslesen – im Landes- und Gemeindebereich eine relativ große Häufigkeit, wenn auch eine leicht absteigende Tendenz zu verzeichnen ist.

Last but not least möchte ich auch den Zivilrechtsbereich, für den die Volksanwaltschaft an sich nicht zuständig ist, erwähnen, in dessen Rahmen sich im Familienbereich eine sehr große Beschwerdehäufigkeit ergibt. Das ist eine Tatsache, die darauf hinweist, daß hier offenbar Handlungsbedarf gegeben ist, und zwar für das Parlament respektive für das zuständige Justizministerium.

Ich könnte jetzt noch fortsetzen, denn der Bericht zeigt, wie gesagt, verschiedene Schwerpunkte auf. Ich persönlich würde meinen, daß wir den Anregungen, die die Volksanwaltschaft hinsichtlich einer Weiterentwicklung gemacht hat, größtenteils durchaus zustimmen können. Um eine bessere Transparenz und Koordination der Anregungen und Empfehlungen zu erreichen und eine bessere Kommunikation mit dem gesetzlichen Vertretungskörper herzustellen, finde ich es durchaus für begrüßenswert, daß die Einladung zu Ausschußberatungen verstärkt wird. Ich weiß nicht, inwieweit wir das dann gesetzlich systemisieren, aber ich glaube, daß da auch gemäß der Geschäftsordnung eine gewisse Bandbreite gegeben ist.

Natürlich soll – dazu stehe ich – die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Verkehr mit den Behörden effizient sein. Es soll durchaus Fristsetzungen geben. Es ist da, so glaube ich, eine Vier-Wochen-Frist vorgesehen. Das ist durchaus begrüßenswert, und dem ist zuzustimmen.

Meine Damen und Herren! Alles in allem: Ich glaube, daß unser Land auf die Tätigkeit der Volksanwaltschaft stolz sein kann. Diese kann durchaus – ich habe es schon erwähnt – auch für andere Länder Vorbildfunktion haben. Wir können unseren drei Volksanwälten und der gesamten Belegschaft nur danken für die hochqualifizierte Arbeit, die immer wieder auch – ich


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wiederhole mich bereits – in diesen Berichten in einer umfassenden, leicht verdaulichen und trotzdem anspruchsvollen Art und Weise dokumentiert ist. Herzlichen Dank!

Meine Fraktion wird dem Bericht gerne zustimmen. (Allgemeiner Beifall.)

13.32

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel das Wort. – Bitte.

13.32

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen der Volksanwaltschaft! Frau Mag. Messner! Frau Korosec! Herr Volksanwalt Schender! Meine Damen und Herren! Die Vorredner haben bereits in mehr oder weniger differenzierter Form darauf hingewiesen, wie wertvoll die Arbeit der Volksanwaltschaft für uns, für die österreichischen Bürger, vor allem aber auch für die Parlamentarier ist. In diesem Zusammenhang hat Kollege Dr. Linzer darauf hingewiesen, daß voriges Jahr hier eine Premiere gefeiert wurde. Ich war über diese Premiere auch sehr froh, weil uns als Parlamentariern und Abgeordneten damit ein wunderbares Instrument und Werkzeug in die Hand gegeben wurde – auch vom systematischen Überblick her –, um einigermaßen Durchblick über die Komplexität unserer Verwaltung und unserer Rechtsmaterie zu gewinnen. Um wieviel größer, meine Damen und Herren, muß diese Komplexität, diese Größe der Rechtsmaterie für die einzelnen Bürger und Rechtsuchenden erscheinen, die sich mit Rechtsmitteln wehren und sich, wenn der ordentliche Rechtsmittelzug erschöpft ist, an die Obersten Gerichte wenden. Als gutes Ventil wurde seinerzeit die Volksanwaltschaft eingerichtet.

Lassen wir nur die nackten Zahlen sprechen, meine Damen und Herren! An Prüfverfahren, Erledigungen von Bürger- und Behördenkontakten, Petitionen, Schriftverkehr – all das zusammengenommen – hat es rund 60 000 Vorgänge gegeben – 60 000 Vorgänge, hinter denen das Interesse, der letzte Ausweg des Bürgers, manchmal des gequälten Bürgers, steht und bei denen er – leider Gottes nicht in der Mehrzahl der Fälle, aber doch in einer erheblichen Minderzahl – recht bekommen hat.

Die Volksanwaltschaft – ich werde auf die Ausführungen der Kollegin Kainz noch später eingehen – hat bereits – unabhängig davon, daß von allen Fraktionen gesagt wurde, daß diese Tätigkeit der Volksanwaltschaft sehr wertvoll ist – von sich aus dargetan, daß diese Tätigkeit erweitert werden sollte.

In die Zukunft schauend darf ich vielleicht einige Beispiele bringen, meine Damen und Herren, wie diese Prüftätigkeit bisher war: Im 20. Bericht – also nicht in diesem Bericht – wurde unter anderem eine Anregung gebracht, die jetzt ihre Fortsetzung in diesem Bericht findet, nämlich die Anrainerrechte im Bereich des Gewerberechtes zu verbessern. Dabei hat man ganz dezidiert auch vom Bergrecht gesprochen, und es wurden – ich möchte den bedauerlichen Fall Lassing gar nicht extra erwähnen – genau jene Punkte erwähnt, die heute zu einer Novellierung dieses Bergrechtes heranstehen: eine Abschlankung der Behörde, ein gewisses Zusammenlegungsverfahren mit den Bezirkshauptmannschaften.

All das wurde bereits genannt, aber leider Gottes, meine Damen und Herren, haben die entsprechenden Ministerien, hat die Regierung nicht reagiert, denn da steht noch immer: Maßnahme wird aufrechterhalten. C. "C" bedeutet, daß derzeit nicht in Erwägung gezogen wird, daß man das zu ändern versucht. – Nicht so ist es bei den Anrainerrechten. Diese sind derzeit in Arbeit.

Das war ein visionärer Hinweis, der sine ira et studio, unbeeinflußt von Parteieninteressen, erfolgt ist, dem man aber leider Gottes nicht Rechnung getragen hat – zum Schaden der Bürger, zum Schaden der Unternehmungen; Tote lasse ich hier weg.

Über die Anrainerrechte, die darin enthalten sind, habe ich bereits gesprochen. So sollen die Anrainerrechte etwa im Bereich des Straßenverkehrs verbessert werden. Der Nachbar kann nicht der neue Sündenbock des neuen Betriebsanlagenrechtes sein, sondern er muß seine


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Rechte haben. Trotzdem kann man das Verfahren beschleunigen und darf sich nicht allein darauf ausreden, daß die Partei, daß der Bürger, der rechtsuchende Bürger, die Bremse ist.

Es gibt auch noch andere Bereiche, die in diesem Bericht sehr gut aufgelistet sind.

Deswegen, meine Damen und Herren, bin ich für die Erweiterung der Kontrollzuständigkeit, und zwar auch, Frau Kollegin Kainz, bei den ausgegliederten Rechtsträgern. Ich weiß, es kann Meinung und Gegenmeinung geben, und jede Meinung hat ihre Berechtigung, so auch jene: Wenn man schon ausgliedert, dann möchte man das aus der staatlichen Verwaltung herausnehmen.

Nicht so hat man allerdings gedacht, als man die Prüftätigkeit dem Rechnungshof zugeordnet hat. Da hat man gesagt: Das muß nach wie vor kontrolliert werden! – Das ist auch verständlich, meine Damen und Herren, denn es handelt sich um solch riesige Bereiche wie die ÖBB oder die Post. Gerade jetzt – heute oder gestern – konnten Sie in der Zeitung lesen, daß die Telekom um 27 Milliarden – Gott sei Dank zu einem guten Preis – an eine italienische Gesellschaft verkauft worden ist. Aber, meine Damen und Herren, die Kontrollmöglichkeit der Parlamentarier, sowohl der Abgeordneten des Nationalrates als auch der Bundesräte, ist völlig ausgeschlossen. – Das ist die eine Seite.

Es gibt aber noch die andere Seite. Frau Kollegin Kainz! Ich gebe Ihnen recht in bezug auf die Verwaltung, aber es geht bei der Tätigkeit der Volksanwaltschaft vor allem darum, dem Bürger, der in seinen Rechten beschränkt ist, der im normalen Rechtsmittelzug nicht mehr durchkommt, zum Recht zu verhelfen. Wir haben seinerzeit aus einer Beantwortung des Bundesministers für Justiz erfahren, daß Zivilrechtsverfahren drei, vier, fünf Jahre dauern, bis ein Anspruch durchgesetzt wird.

Deswegen kam unter anderem etwa auch der Hinweis des Finanzministers, der gemeint hat, bei ausgegliederten Rechtsbereichen könne man keine Prüfung machen, da könne es auch keine Beschwerde geben, der Bürger hätte durchaus die Möglichkeit, den Zivilrechtsweg zu beschreiten. Wir wissen, wie mühsam es manchmal ist, diesen Zivilrechtsweg zu bestreiten, etwa für ein kleines Unternehmen, etwa wenn eine kleine Firma Geld einzuklagen hat. Zwischenzeitlich geht dieses Unternehmen in Konkurs, dann ist das Verfahren so erledigt.

So kann es nicht sein, daher ist es neben der Notwendigkeit, daß man – meistens ist der Staat Mehrheitseigentümer – einerseits eine gewisse Kontrollmöglichkeit schafft, andererseits auch erforderlich, daß man dem Bürger einen verbesserten Zugang zum Recht gewährt. Denn auch das ist Zugang zum Recht, daß er zur Volksanwaltschaft gehen kann, und die Volksanwaltschaft, weil sie nicht zuständig ist, eine Beschwerde oder ein Ersuchen nicht a limine zurückweisen muß.

Meine Damen und Herren! Ich muß aber auch auf den Bericht selbst eingehen. Ich komme dabei zu weniger erfreulichen Dingen, nicht was den Bericht an und für sich, was die materielle Form betrifft – es wurde schon dargetan, daß hervorragend geordnet und übersichtlich erkennbar gearbeitet wurde –, sondern ich meine die weniger erfreulichen Dinge, die in diesem Bericht aufgezeigt werden und bei denen eigentlich keine Reaktion erfolgt.

Ich komme zu einem Bereich, der mich persönlich aufgrund meines beruflichen Interesses berührt. Es wurde aus dem Bereich des Bundeskanzleramtes etwa das Mikrozensusverfahren aufgegriffen. Das scheint eine Kleinigkeit zu sein. Ein älteres Ehepaar wurde nach dem Zufallsprinzip für eine Befragung ausgewählt. Es hat gesagt: Bitte, wir können nicht mehr, wir sind krank, und wir sind nicht mehr dazu in der Lage, daran teilzunehmen. – Das Interview wurde vom ÖSTAT, vom Österreichischen Statistischen Zentralamt, außer Haus gegeben. Ein dortiger Mitarbeiter hat gesagt: Ja, selbstverständlich. – Er konnte aber letztlich nicht entscheiden, daß dieses Ehepaar nicht mehr für den Mikrozensus herangezogen wird. Es ist erst durch die Intervention – wenn ich so sagen darf – der Volksanwaltschaft gelungen, daß dieses Ehepaar nicht mehr befragt wurde.


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Meine Damen und Herren! Warum erwähne ich das? – Voriges Jahr gab es eine Gewerbestrukturerhebung. Da wurden Gewerbetreibende nach dem Zufallsprinzip ausgesucht. Sie bekamen sechs Seiten lange Fragebögen und 20 Seiten lange Erläuterungen zugeschickt. In Graz etwa waren das Dutzende Betriebe – vor allem kleinere –, die nicht in der Lage waren, diese auszufüllen. Postwendend kam vom Österreichischen Statistischen Zentralamt die Aufforderung, daß man Strafverfahren durchführen solle. Wir haben das in Graz nicht gemacht, wir haben einen Beamten detachiert, dorthin geschickt und gesagt, er solle den Betrieben beim Ausfüllen behilflich sein, man werde keine Strafe verhängen. Die Folge war, daß in dieser Causa ein achtseitiger Beschwerdebrief des Präsidenten Mag. Bader an den Grazer Bürgermeister gegangen ist.

Das muß man sich einmal vorstellen: Ein Inhaber eines kleinen Betriebes, eines Malerbetriebes, der darum kämpfen muß, Aufträge zu bekommen, muß so etwas am Abend durchlesen. Wenn er Glück hat, gibt er das seinem Steuerberater, und dieser füllt es dann aus. So obrigkeitlich kann man nicht vorgehen! Ich danke der Volksanwaltschaft, daß sie dieses Vorgehen in dieser Weise aufgedeckt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wäre höchst an der Zeit – in den Ministerien wird das durchgelesen –, das entsprechende Bundesstatistikgesetz und die dazugehörige Verordnung zu ändern. Bis jetzt ist das leider nicht erfolgt!

Man bräuchte nur ein paar Parameter hereinzunehmen, daß etwa bei diesen oder jenen Fällen von einer Befragung abzusehen ist – aus Krankheitsgründen oder sonstigen Gründen. Das wäre eine kleine Novellierung! Man beschließt unzählige solcher Novellierungen, nur in diesem Falle, bei dem es um das Wohl und Weh des Bürgers geht, hat man bis jetzt noch keine Novellierung durchgeführt.

Ein weiterer Bereich – ich danke den Damen und Herren der Volksanwaltschaft, die bekanntlich verschiedenen politischen Gruppierungen angehören und die gerade aus ihrer Tätigkeit heraus als seinerzeitige Parlamentarier wissend etwas aufgegriffen haben, das nach wie vor wie eine Wunde schwärt – ist der Proporz, nämlich der Proporz bei der Vergabe von Leiterstellen. Hier wurde mit Akribie ein Fall des Wiener Stadtschulrates aufgelistet, und zwar wie ein Direktorposten bereits vorher vergeben wurde, obwohl erst nachher die entsprechenden Verfahren gelaufen sind. Da wurde eindeutig die Objektivierung durchbrochen.

Die Auffassung der Volksanwaltschaft ist folgende – ich zitiere –: Nach Auffassung der Volksanwaltschaft werden, solange die Zusammensetzung der vorschlagsberechtigten Kollegien der Bezirks- und Landesschulräte nach dem Parteienproporz erfolgt, auch Objektivierungsmaßnahmen nichts daran ändern, daß die Entscheidungen dieser Gremien überwiegend von parteipolitischen Überlegungen geprägt sind. Die Volksanwaltschaft bleibt daher bei ihrer Forderung nach Aufhebung des verfassungsrechtlich verankerten Parteienproporzes in den Kollegien. – Zitatende. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch in diesem Fall ist der Volksanwaltschaft herzlich zu danken, daß sie dieses Thema berechtigterweise aufgegriffen hat und bei dem eigentlich alle innerlich zu nicken beginnen. Wir alle wollen den Proporz in dieser Form nicht! Nur muß dessen Abschaffung endlich einmal verwirklicht werden. Es gab schon Ansätze für diese Verwirklichung, nämlich das sogenannte "Schilcher-Papier", das vom seinerzeitigen Präsident des steirischen Landesschulrates stammt. Dieses Papier ist in den Bundesländern reihum gegangen. Da hat man bereits neue Vorgangsweisen geprägt; unter anderem ist es auch vom Wiener Stadtschulratpräsidenten Scholz unterzeichnet worden. Nur jetzt kann man sich offensichtlich nicht mehr daran erinnern. Der Hinweis der Volksanwaltschaft ist hier wirklich mahnendes Gewissen.

Es gibt noch viele andere Punkte: ob das der Bereich des Rundfunks ist, ob das der Bereich der Schadenersatzleistung ist, die gesetzliche Verankerung von Zivilrechtsstreitigkeiten, das Betriebsordnungsrecht oder der Bereich des Staatsbürgerschaftsgesetzes. Es gibt Hunderte solcher Anregungen. Lesen Sie den Anhang! Es wäre für die Abgeordneten des Nationalrates, aber auch für uns Bundesräte – so wie es Kollege Jaud heute in seiner sehr beachtlichen Rede


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ausgeführt hat – durchaus eine Möglichkeit, diesen Dschungel und diese Flut von Gesetzen, die den Bürger verwirren, wohinter sich manchmal die Koalition versteckt, ein wenig einzuschränken. Bei diesem "Werk" ist uns die Volksanwaltschaft tatsächlich behilflich.

Meine Fraktion und ich haben die anderen Parteien eingeladen, einem Entschließungsantrag beizutreten, der nicht von uns erarbeitet wurde, sondern der bereits von früher aus der Feder der Volksanwaltschaft stammt und hier intern abgeklärt wurde. Die Reaktion darauf entnahm ich nur verschiedenen Debattenbeiträgen: Man müßte sich das überlegen. – Dabei handelt es sich um ein völlig ausformuliertes Verfassungsgesetz, um den Entwurf eines solchen Gesetzes, und diesen sollte man einbringen.

Meine Damen und Herren! Man sollte diesen Gesetzentwurf deswegen einbringen, weil die Volksanwaltschaft seit 21 Jahren immer erkennbarer wertvolle Arbeit leistet – nicht für uns, sondern vor allem für den Bürger. Es haben auch meine Vorredner ausgeführt, daß es eine Entwicklung genommen hat, bei der die Volksanwaltschaft als Rechtsschutzeinrichtung der Menschen unseres Landes nicht mehr wegzudenken ist. Wir sollten dafür sorgen, daß es zu einer dynamischen Weiterentwicklung, zur Verbesserung unseres demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzips unseres Landes kommt.

Deswegen bringe ich jetzt namens meiner Fraktion und meiner Kollegen – wir haben auch alle anderen Fraktionen zeitgerecht dazu eingeladen – den Entschließungsantrag betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft ein. Die Begründung kann ich mir sparen, ich habe sie in meiner Rede ausgeführt. Ich bringe den Entschließungsantrag wie folgt zur Verlesung:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, innerhalb von drei Monaten den Entwurf eines Bundesgesetzes zur Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft vorzulegen, der die Umsetzung der folgenden Punkte vorsieht:

Erweiterung der Kontrollzuständigkeit der Volksanwaltschaft auf ausgegliederte Rechtsträger, analog der Zuständigkeit des Rechnungshofes,

Aufnahme einer entsprechenden Frist von vier Wochen" – nicht von zwölf Wochen, wie es seinerzeit hier diskutiert wurde, sondern von vier Wochen, wie es die Volksanwaltschaft meinte – "für die Behörden zur Erteilung der erforderlichen Auskünfte an die Volksanwaltschaft,

Teilnahme" – das sollten wir tatsächlich tun, zumindest wir in unserem Haus können es tun – "der Volksanwälte an den Verhandlungen der Ausschüsse (Unterausschüsse) des Nationalrates und des Bundesrates,

Verpflichtung der Bundesregierung, die Nichtumsetzung legislativer Anregungen" – ich habe hier einige Beispiele angeführt – "innerhalb von einer Frist von drei Monaten zu begründen."

*****

Meine Damen und Herren! Mit der Volksanwaltschaft haben wir ein Instrument zur Hand, mit Hilfe dessen der einfache Bürger noch Recht findet beziehungsweise Recht finden kann. Sorgen wir dafür, daß dieses Instrument, daß diese Einrichtung zum Wohle unserer Demokratie und zum Wohle der Menschen weiter verbessert wird!


Bundesrat
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645. Sitzung / Seite 77

Ich bitte Sie sehr: Treten Sie unserem Entschließungsantrag bei! Im übrigen wird meine Fraktion selbstverständlich diesen hervorragenden Bericht der Volksanwaltschaft die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.51

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Dr. Tremmel und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft ist ausreichend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Johann Grillenberger. Ich erteile ihm das Wort.

13.51

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Der vorliegende 21. Bericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 1997 ist sehr umfangreich und übersichtlich gestaltet. Er legt dar, wo Mißstände auftreten und wo Menschen das Gefühl haben, von den Behörden, sprich von den Gebietskörperschaften, ungerecht behandelt zu werden.

Wohin wendet sich die Bürgerin oder der Bürger, wenn sie beziehungsweise er im Zusammenhang mit Fragen, die die Verwaltungstätigkeit betreffen, nicht mehr weiter weiß? – An die Volksanwaltschaft!

Ich glaube, daß es besonders für jene Menschen, die sich mit schwierigen Gesetzen und langen Behördenwegen schwer tun, wertvoll ist, daß sie in der Volksanwaltschaft Unterstützung finden, daß sie jemanden haben, der ihre Anliegen und ihre Sorgen zum Ausdruck bringt. Das ist gerade für jene Bürger wichtig, die sich in der Gesetzesmaterie nicht zurecht finden.

Wenn man den Bericht liest, sich den einzelnen Abhandlungen näher widmet, dann kann man feststellen, daß die Zahl der Prüfungsverfahren im Bereich der Landes- und Gemeindeverwaltung deutlich zurückgegangen ist, was ich als sehr zufriedenstellend vermerke – als Bürgermeister und auch als Bürger. Es wird jedoch über den Bereich Gesundheit und Soziales, neben vielen Verwaltungsverfahren, sehr häufig Beschwerde geführt wird. (Präsident Gerstl übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Es ist schon sehr vieles von meinen Vorrednern gesagt worden. Ich meine, daß das Instrument der Kontrolle in einer Demokratie immer ausbaufähig ist. Unter diesem Aspekt soll man auch die weiteren Anregungen, wie sie von meinen Vorrednern vorgebracht worden sind, für die Volksanwaltschaft sehen. Aber ich glaube, dem Entschließungsantrag der Freiheitlichen können wir ad hoc nicht beitreten. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hätte mich auch gewundert!)

Ich wünsche jedoch den Damen und Herren der Volksanwaltschaft natürlich sehr viel Erfolg für das Wohl unserer Bürger und weiterhin alles Gute für die Zukunft. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.54

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Jürgen Weiss. Ich erteile es ihm.

13.54

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Ich kann mich dem bereits von Vorrednern geäußerten Dank für die während des Berichtsjahres geleistete Arbeit und auch für die so ausführliche und übersichtliche Verfassung des Berichtes ohne weiteres anschließen. Ich tue das auch im Namen eines Bundeslandes, das für den Bereich seiner Verwaltung einen eigenen Landesvolksanwalt hat. Das wurde seinerzeit nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung, insbesondere aufgrund der großen geographischen Entfernung zur Bundesvolksanwaltschaft, verstanden. Es ist erfreulich, festzuhalten, daß sich hier ein gutes Zusammenarbeitsverhältnis von vorn


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645. Sitzung / Seite 78

herein herausgebildet hat und auch von der Volksanwaltschaft des Bundes sehr gepflegt wird. Auch dafür ein herzliches Wort des Dankes.

Zunächst ganz kurz zum eingebrachten Entschließungsantrag. Wir haben schon in den Ausschußberatungen kurz darüber gesprochen und auch aus den Informationen über die Beratungen im Nationalrat gesehen, daß etwas in Bewegung geraten ist, daß man sich dort intensiv mit diesem Thema beschäftigt.

Daher bin ich im Zweifel, ob es richtig wäre, die Bundesregierung zu ersuchen, daß der Nationalrat in seiner Geschäftsordnung eine bestimmte Regelung treffen möge. Wir hätten es vermutlich auch nicht gerne, wenn wir vom Nationalrat via Bundesregierung einen Appell bekämen, wie wir das in unserer Geschäftsordnung handhaben sollten.

Ich glaube auch, man sollte den Punkt etwas überdenken, ob denn tatsächlich für die Nichterledigung legislativer Anregungen in erster Linie die Bundesregierung verantwortlich zu machen ist. Das ist letzten Endes die Schlußverantwortung des Gesetzgebers – in gewisser Weise auch unsere, wenngleich nur im eingeschränkten Maße im Verhältnis zum Nationalrat. Das ist ja bekannt. Aber es ist häufig so, daß der Nationalrat bei Regierungsvorlagen Änderungen vornimmt – viele Gesetzesbeschlüsse stammen überhaupt aus Initiativanträgen –, ohne daß er darauf Rücksicht nimmt, ob zu diesem Thema nicht bereits eine seit längerem unerledigte legislative Anregung der Volksanwaltschaft einzubinden gewesen wäre.

Wir im Bundesrat haben es bisher, so muß ich sagen, auch nie urgiert, daß der Nationalrat hiebei etwas hätte berücksichtigen sollen. Ich denke, das sollten wir in Zukunft verstärkt tun. Dem könnte sicherlich auch dienen, daß die Volksanwälte an den Ausschußberatungen des Nationalrates – auch an jenen des Bundesrates – teilnehmen dürfen, um solche Dinge einzubringen oder um etwa Auskunft darüber zu geben, wie sich die Vollziehungserfahrung mit einem bestimmten Gesetz aus der Warte der Volksanwaltschaft darstellt, inwieweit aus ihrer Erfahrung bei einem Regelungsvorhaben von vornherein Probleme zu erwarten sein werden. Auch diesbezüglich gibt es in den Stellungnahmen der Volksanwaltschaft ausreichend Anhaltspunkte.

Wir könnten das im Bundesrat durchaus auch – ich gebe zu, in gewisser Weise behelfsmäßig, weil ohne Rechtsanspruch der Volksanwaltschaft, aber doch – machen, weil nach § 33 unserer Geschäftsordnung ein Ausschuß durchaus die Möglichkeit hat, Sachverständige und Auskunftspersonen zu laden. Auf wen träfe dieses Attribut mehr zu als auf die Volksanwaltschaft?

Ich würde meinen, daß man im Kreise der Fraktionen beraten sollte, ob man nicht bei wichtigen Gesetzen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen sollte – unabhängig davon, daß es wünschenswert wäre, bei einer Novellierung der Geschäftsordnung vorzusehen, daß die Volksanwaltschaft von sich aus das Recht auf Teilnahme hat.

In besonderer Weise scheint mir das bei einem Gesetzesvorhaben notwendig zu sein, das in nächster Zeit anstehen dürfte, nämlich das Mineralrohstoffgesetz, das das bisherige Berggesetz ablösen soll. Es gab zwar eine Novellierungsabsicht hinsichtlich des alten Berggesetzes mit einem Begutachtungsverfahren. Das neue Gesetzeswerk mit ganz wesentlichen Änderungen sowohl für die Landesverwaltung als auch für die Bürger – insbesondere für die Parteienrechte, aber auch für die betroffenen Betriebe – wurde als Regierungsvorlage dem Nationalrat zugeleitet, ohne daß es dazu ein Begutachtungsverfahren gegeben hätte, was ich an dieser Stelle kritisch anmerken möchte.

Gerade bei einem solchen Gesetz, bei dem man die Vollziehungserfahrung nicht durch eine Begutachtung eingebunden hat, erschiene es mir erst recht notwendig, die Volksanwaltschaft zu hören.

Zum Schluß noch eine kurze Anmerkung zu dem Anliegen, auch ausgegliederte Rechtsträger prüfen zu dürfen. Frau Kollegin Kainz hat sicherlich recht, daß man das nicht so undifferenziert sagen kann. Wo es sich um eine Eigentumsprivatisierung handelt und sich das neu geschaffene


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645. Sitzung / Seite 79

Unternehmen auf dem Markt bewegt, ist es natürlich eine Sache für den Konsumentenschutz, wenn es dort gestörte Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden gibt.

Anders verhält es sich natürlich dort – darauf zielt das Anliegen der Volksanwaltschaft ab –, wo es sich um eine Organisationsprivatisierung handelt, wo also die Aufgabenerfüllung im öffentlichen Bereich bleibt und aus organisatorischen Gründen der größeren Flexibilität und dergleichen mehr eine andere Organisationsform als ein Amt geschaffen wurde. In diesen Fällen, in denen ein solches Unternehmen als beliehenes Unternehmen nach wie vor öffentlich-rechtliche Aufgaben in monopolartiger Weise wahrnimmt, wäre es meiner Meinung nach richtig, die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft für Prüfungen in diesem Bereich sicherzustellen. Denn an wen sollen sich die Leute sonst wenden können als an die Volksanwaltschaft?

Ich glaube, daß wir alle uns im Hinblick auf diese Differenzierung einig sind, daß öffentlich-rechtliche Aufgaben und öffentlich-rechtliche Aufgabenerfüllung der Nachprüfung und Kontrolle durch die Volksanwaltschaft unterliegen sollen – und das völlig losgelöst von etwas anders gearteten Überlegungen hinsichtlich der Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes, die sehr stark auf das Eigentum der und die Mittelverwendung durch die öffentlich-rechtliche Hand abstellen. Hier geht es darum, ob in einer Rückbesinnung auf die Schaffung von Gesetzen Änderungen notwendig sind. Im Ausschuß gab es das beeindruckende Resümee der Volksanwaltschaft, daß nicht mehr so sehr das Fehlverhalten von Behörden oder die mangelhafte Vollziehung von Gesetzen und so weiter das Problem ist, sondern daß inzwischen die Gesetze selbst zum Problem geworden sind und den Bürgerinnen und Bürgern Probleme schaffen. Ich denke, daß das auch ein ganz wichtiger Ansatzpunkt für unsere weitere Arbeit hier sein wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.02

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.

14.02

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Dankesworte sind heute schon sehr viele gesprochen worden, und ich möchte mich diesen Dankesworten meiner Kolleginnen und Kollegen, die vor mir hier am Rednerpult gestanden sind, uneingeschränkt anschließen.

Der Volksanwaltschaftsbericht zeigt, daß die Tätigkeit der Volksanwälte nicht nur von nationalem Interesse ist. Das zeigen deren Auslandskontakte, die Vorbildcharakter vor allem auch für die sich entwickelnden Demokratien in Osteuropa haben.

Ich glaube, daß das Verhältnis der Bürger zum Staat die Einrichtung Volksanwaltschaft geradezu erforderlich macht. Die vielen Anregungen in Ihrem Bericht – das ist jetzt ein kleiner Nachsatz – sind wichtig und gut, es zeigt sich jedoch anhand dieser Anregungen auch, daß die verantwortlichen Regierungspolitiker bedauerlicherweise offensichtlich immer noch zuwenig über die Bedürfnisse der Bürger und vor allem über die Vollziehbarkeit von Gesetzen wissen. In diesen Anregungen wird sehr gut und sehr deutlich aufgezeigt, daß viele gutgemeinte Gesetze in letzter Konsequenz, wenn es um deren Umsetzung geht, doch nicht ganz so gut sind und daher Bereinigungen vorgenommen werden müssen.

Ihr Bericht zeigt auch auf, daß ein ganz deutliches Ost-West-Gefälle im Hinblick auf die Zahl der Beschwerden besteht. Als Wiener Bundesrätin habe ich auch den Volksanwaltschaftsbericht, der dem Wiener Landtag übermittelt wurde, gelesen, und es zeigt sich bedauerlicherweise, daß nicht nur im Bereich der Bundesverwaltung, sondern auch im Lande Wien in bezug auf die Landes- und Gemeindeverwaltung die Zahl der Beschwerden seit 1978 kontinuierlich gestiegen ist. Daraus schließe ich, daß Ihre Einrichtung krisensicher ist. Sie werden auch in Zeiten wie diesen nicht von Arbeitslosigkeit geschüttelt werden!

Einige wenige Punkte möchte ich noch anmerken. Es wurde schon sehr viel gesagt, und ich will jetzt nicht alles wiederholen, möchte aber feststellen, daß ich mit besonderem Interesse, aber


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645. Sitzung / Seite 80

auch mit großem Bedauern die Kritik an der Koordination der Vergabe- und Fördermittel für die Frauenberatungsstellen gelesen habe. – Auch dazu sei mir eine kleine Anmerkung am Rande gestattet: Die Regierungsparteien, die immer wieder die Wichtigkeit der Solidarität mit den Frauen betonen, scheinen bei deren Umsetzung dann doch nicht so konsequent zu sein, wie es oft in Sonntagsreden gesagt wird. Denn es kann mir niemand erklären, warum, wenn es auf der einen Seite heißt, daß die Frauen gefördert werden müssen und deren Position gestärkt werden soll, die Arbeitslosigkeit – wie wir aus jüngsten Berichten wissen – immer mehr weiblich wird und Frauenförderkurse gestrichen werden, die für 1998 geplant waren. – Ich glaube, da wartet auf die Regierungspolitik auch noch viel Arbeit!

Auch in den Bereichen Arbeit und Soziales – es wundert mich eigentlich nicht, daß dort die meisten Beschwerden zu verzeichnen sind – werden die jetzige Ministerin beziehungsweise, da nächstes Jahr gewählt wird, auch die zukünftige Ministerin oder der zukünftige Minister, wer immer es sein wird, noch viel Arbeit haben.

Ich möchte kritisch dazu anmerken, daß Arbeitslose, die aus Eigeninitiative Weiterbildungskurse gemacht haben, plötzlich kein Arbeitslosengeld beziehungsweise keine Notstandshilfe mehr bekommen haben. Ich glaube, daß das vor allem in Zeiten wie diesen besonders kritisch zu sehen ist, in denen wir von einer sehr hohen Arbeitslosigkeit betroffen sind und von seiten der Politik immer wieder völlig richtig gesagt wird, daß lebenslanges Lernen wichtig ist. In Zeiten, in denen Jugendlichen schon auf dem Ausbildungsweg mitgegeben wird, daß man sich von der Idee, daß man seinen Beruf ein Leben lang wird ausüben können, verabschieden muß, können Langzeitarbeitslose, die über 45 oder über 50 sind, doch nicht auf diese Weise bestraft werden, wenn sie aus eigener Initiative eine Weiter- oder Umschulung anstreben! Ich glaube, daß es zu solchen Situationen kommt, liegt zum Teil auch daran, daß viele Gesetze beschlossen werden, mit welchen alles bis ins kleinste Detail geregelt werden soll. Ich glaube, es wäre manchmal besser, wenn man mit den Gesetzen wohl einen gewissen Rahmen abstecken würde, aber nicht jedes kleinste Detail unbedingt regeln zu müssen glaubt.

Der zweite große Beschwerdenbereich ist die Justiz. Offensichtlich hat der Bürger das Gefühl, überhaupt nicht beziehungsweise nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu seinem Recht zu kommen. Wir werden auch darauf achten, daß sich in dieser Hinsicht etwas verbessert.

Mein Kollege Paul Tremmel ist zwar ein Steirer, hat aber erfreulicherweise ein Problem, das in Wien besteht, angesprochen, nämlich die Objektivierung bei der Schulleiterbestellung. Da ich selbst im Kollegium sitze, erlebe ich das hautnah mit: Es handelt sich hiebei um eine sogenannte Objektivierung. Man hat sich sogenannte Objektivierungskriterien verordnet, nicht zuletzt auf Betreiben der Opposition, und da waren es nicht einmal wir Freiheitlichen allein, sondern man muß der Ordnung halber anmerken, daß auch Liberale und Grüne diesbezüglich immer Schulter an Schulter mit uns gekämpft haben. Trotzdem ist es eine scheinbare Objektivierung, und jedem ist klar, wenn diese Vorschläge erarbeitet werden, was am Schluß herauskommen wird: Sie können in Wien jede Schule nach dem Parteibuch zuordnen. Daran muß noch sehr hart gearbeitet werden. Das wird von uns immer wieder kritisiert. Aber nach Studium Ihres Berichtes, sehr geehrte Damen Volksanwältinnen und sehr geehrter Herr Volksanwalt, bin ich mir sicher, daß Sie dranbleiben werden und Ihre Tätigkeit in dieser Richtung auch weiterhin etwas bewirken wird.

Daher danke ich Ihnen für das, was Sie in der vergangenen Zeit gemacht haben, und gebe Ihnen auch schon einen Vorschuß für die Zukunft. – Vielen Dank! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.09

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich die Vorsitzende der Volksanwaltschaft Frau Mag. Messner. Ich erteile es ihr.

14.09

Volksanwältin Mag. Evelyn Messner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf als derzeit turnusmäßige Vorsitzende der Volksanwaltschaft ver


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suchen, mit ein paar Sätzen auf die allgemeinen Überlegungen, die von unserer Seite im Rahmen unserer Berichtslegung an den Bundesrat vorzubringen sind, einzugehen.

Meine Damen und Herren Bundesräte! Zuerst möchte ich mich bei Ihnen sehr herzlich dafür bedanken, daß Sie die Arbeit der Volksanwälte, aber vor allem auch die Arbeit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihren Ausführungen heute gewürdigt haben. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden sicherlich ein ausgezeichnetes und sehr engagiertes Team, und all die Anerkennung, die Sie uns und unserer Einrichtung gezollt haben, ist daher auch an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzuleiten. Deshalb richte ich auch von dieser Stelle aus meinen herzlichen Dank an sie!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Volksanwälte haben in intensiven Diskussionen gemeinsam Überlegungen zur Weiterentwicklung dieser Einrichtung angestellt, und wir haben es uns dabei sicherlich nicht leicht gemacht. Wir haben im Jahr 1997, also voriges Jahr, sozusagen unseren 20. Geburtstag gefeiert und sind, wenngleich in der Tradition der Volksanwaltschaft stehend, zu der Auffassung gelangt, daß sich eine Einrichtung, wenn sie in einer lebendigen Demokratie bestehen will, auch weiterentwickeln muß. Sie darf nicht statisch werden und darf sich nicht sozusagen zurücklehnen und sagen: Es war immer so, und es muß immer so bleiben!

Die Volksanwaltschaft ist auch in ihrer Berichtslegung eine Art Seismograph der Gesellschaft. Die Fälle, die im Bericht aufscheinen – Herr Bundesrat Dr. Linzer hat in diesem Zusammenhang auf den zivilrechtlichen Bereich hingewiesen und hat angemerkt, daß zum Beispiel in familienrechtlichen Fragen sehr viele Auskunftsersuchen an die Volksanwaltschaft herangetragen werden –, sind meiner Ansicht nach wirklich gleichsam ein Barometer für die Probleme, die von den Menschen an die Volksanwaltschaft herangetragen werden, und für die Tätigkeit der Volksanwaltschaft, welche sich letztlich im Bericht niederschlägt.

Da sich aber unsere Gesellschaft entwickelt und auch wir mit diesen Weiterentwicklungen wie etwa mit der Frage der Ausgliederung von Rechtsträgern konfrontiert sind, möchte ich auch Sie in Ihrer Eigenschaft als Abgeordnete zum Bundesrat bitten, unser Anliegen ernst zu nehmen, sodaß wir auch weiterhin die entsprechenden Einrichtungen prüfen können, die nun eine Art Monopolstellung – wie Herr Bundesrat Weiss gesagt hat – innehaben und öffentlich-rechtliche Verwaltung de facto wahrnehmen. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, es sind nicht die sehr wohlhabenden und sehr leicht zum Recht findenden Menschen, die sonst benachteiligt werden würden, sondern die – unter Anführungszeichen – "kleinen Leute", die dann letztendlich auf den Rechtsweg verwiesen wären und zu Gericht gehen sollten, wobei ich zu bezweifeln wage, daß sie das dann tatsächlich tun werden.

Um ein Beispiel zu nennen, möchte ich sagen, daß sich das in dem Bereich, in dem sich der Nationalrat bereits entschlossen hat, einen ausgegliederten Rechtsträger weiterhin der Kontrolle der Volksanwaltschaft zu unterwerfen oder – besser gesagt – zu unterstellen, nämlich beim Arbeitsmarktservice, sehr wohl bewährt hat. Wenn Frau Bundesrätin Mühlwerth ein Problem aus meinem Berichtsteil, nämlich die Situation arbeitsloser Menschen in unserem Land angesprochen hat, dann beweist das sehr deutlich – auch die Statistik zeigt, daß eine relativ hohe Zahl der Beschwerden aus diesem Bereich kommt –, daß sehr wohl die Möglichkeit bestehen muß, daß sich Menschen in unserem Land, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind und das Arbeitsmarktservice in Anspruch nehmen, wenn es die Umstände erfordern und sie das Gefühl haben, von dieser Einrichtung nicht entsprechend den Gesetzen betreut worden zu sein, auch an die Volksanwaltschaft wenden können.

Gestatten Sie mir jetzt noch ein paar Sätze zum Grundverständnis der Volksanwaltschaft. Ich beziehungsweise – ich habe gestern im Zusammenhang mit dem Bericht an den Wiener Landtag meine verehrten Amtskollegen gefragt, ob ich in diesem Zusammenhang "wir" sagen darf, und sie haben es mir gestattet, daher darf ich das sicherlich auch heute so sagen – wir sehen es so, daß wir sehr wohl eine wesentliche Rolle in dieser Demokratie einnehmen. Ein wesentlicher Teil dieser Rolle ist, daß wir einerseits, was ursprünglich bei der Entstehung der Volksanwaltschaft sicherlich Arbeitsschwerpunkt gewesen ist, falsches Verwaltungshandeln aufzeigen


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und in der Folge den Menschen helfen, in einem möglichst unkomplizierten und vor allem kostenfreien Verfahren zu ihrem Recht im Zuge österreichischen Verwaltungshandelns zu kommen. In der Zwischenzeit – und 21 Jahre sind eine lange Zeit! – hat sich aber herausgestellt, daß auch andere Tätigkeiten der Volksanwaltschaft gefragt sind. Der französische Kollege trägt die Dienstbezeichnung "médiateur", und ich meine, daß auch wir in zunehmendem Maße Mediation leisten. Dabei verstehe ich "Mediation" nicht nur als Modewort, sondern bin überzeugt davon, daß das, was derzeit an Mediation an österreichischen Gerichten zum Beispiel bei Streitigkeiten im Familienrecht angeboten wird, wirklich Hand und Fuß und eine Berechtigung hat. Daher meine ich, daß wir auch die Möglichkeiten, die sich dadurch bieten, daß sich die Volksanwaltschaft auch als eine mediative Einrichtung versteht, nützen sollten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir üben nicht Kritik um der Kritik willen, und die Menschen, die zu uns kommen, sind oftmals auch damit zufrieden, wenn sie von der Volksanwaltschaft noch einmal die Bestätigung bekommen, daß ein bestimmtes Verwaltungshandeln korrekt war. Wenn Sie sich die diesbezüglichen Zahlen, die in einer Statistik in unserem Bericht auf Seite 15 angeführt sind, noch einmal anschauen, dann werden Sie sehen, daß im Jahr 1997 bei einem Gesamtaufkommen von 4 668 Erledigungen nur – das darf ich wohl sagen – 697 mit der Feststellung, daß die Beschwerde berechtigt ist, mit Mißstandsfeststellung oder mit Empfehlung entschieden worden sind. Das ist zwar ein beachtlicher Teil, und diesen Menschen konnten wir im Zusammenhang mit ihrer berechtigten Beschwerde auch helfen, den anderen 2 251 haben wir aber lediglich gesagt: Liebe Bürgerin, lieber Bürger, Sie meinen zwar, Anlaß zu einer Beschwerde zu haben, die Entscheidung, die gefällt wurde, ist aber zu Recht. Und damit sind die Menschen in der Regel zufrieden, wenn auch nicht alle, denn es ist ganz klar und menschlich verständlich, daß jemand, der sich mit einer Beschwerde an eine Stelle wendet und sich subjektiv beschwert fühlt, eigentlich erwartet, daß ihm auch objektiv eine Beschwerdeberechtigung zuerkannt wird. Bei der Art von Vermittlung, die wir zwischen den Bürgern und dem demokratischen Staat Österreich mit all seinen Einrichtungen zu leisten versuchen, sagen uns aber doch immerhin eine erkleckliche Anzahl von Menschen im persönlichen Gespräch: Wenn Sie, Frau oder Herr Volksanwalt, das so sehen und so beurteilen, dann wird es schon seine Richtigkeit haben, dann sind wir damit zufrieden.

Lassen Sie mich, ohne die Zeit über Gebühr auszudehnen, in diesem Zusammenhang noch kurz auf die Frage der regionalen Tätigkeit der Volksanwaltschaft eingehen. Einige Damen und Herren haben angemerkt, daß es ein Ost-West-Gefälle betreffend die Inanspruchnahme der Volksanwälte gebe. Wenn wir allerdings das Faktum berücksichtigen, daß Vorarlberg nur die Zahl der Beschwerden gegen die Bundesverwaltung ausweist, und das entsprechend hochrechnen, dann kann man sagen, daß die Zahl der Beschwerden ungefähr gleich hoch wäre wie im Burgenland. Ich betone das auch deshalb, weil wir uns bemühen, die Distanz zwischen dem zentralen Arbeitsort der Volksanwälte in Wien und den Bundesländern auszugleichen. Wir haben in den letzten Jahren unsere Sprechtagstätigkeit in den Bundesländern stark ausgeweitet, wir sind nicht mehr nur in die Landeshauptstädte und in die Bezirksvororte gegangen, sondern wir kommen auch in regionale Zentren und bieten auch dort verstärkt die Möglichkeit des persönlichen Gesprächs der Bürgerin und des Bürgers mit dem Volksanwalt und der Volksanwältin an.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß wir gerade folgende Aufgabe wahrnehmen: Wir würden uns wünschen, daß Sie als Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaft dieses Landes das auch wirklich so annehmen, wie wir es sehen, nämlich daß wir eine Art Hörrohr und Verstärker für die Anliegen der Menschen sind, die sich nicht trauen, sich direkt an ihre Mandatarin oder ihren Mandatar zu wenden. Ich weiß schon, daß natürlich auch diese Möglichkeit jedem offensteht, aber offenbar ist im Laufe der Geschichte der Volksanwaltschaft das Vertrauen, das dieser entgegengebracht wird, sehr groß geworden; das ehrt und freut uns natürlich. Die Menschen kommen daher mit ihren persönlichsten Anliegen und erwarten offensichtlich von uns, daß wir, wenn wir Systemschwächen feststellen, die gesetzgebenden Körperschaften in unserem Land, denen wir berichtspflichtig sind, davon in Kenntnis setzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Sinne möchten wir auch die Kritik, die in unseren Berichten aufscheint, verstanden wissen. Unserer Meinung nach kann jemand, der eine


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bestimmte Sachlage von außen ansieht, manches Mal ein bißchen distanzierter, vielleicht mit ein bißchen mehr Abstand urteilen und hat vielleicht auch einen objektiveren Blick dafür als jemand, dessen unmittelbares Arbeitsfeld das ist. Das geht uns selbst auch nicht anders, wenn wir in unserem ganz persönlichen Umfeld betroffen sind.

In diesem Sinne wollen wir auch den Bericht der Volksanwaltschaft verstanden wissen: nämlich als eine positiv gemeinte Kritik, die uns letztendlich von den Bürgern in jenem Sinn mitgegeben wird, daß wir sie als eine Art Sprecher der Bürger – im besten Sinne als Anwälte der Menschen in unserem Land – an Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren im Hohen Haus, weitergeben.

In diesem Sinne möchten wir Volksanwälte weiterhin für unsere demokratische Gesellschaft tätig sein. Wir erbitten aber auch Ihre Unterstützung dafür, und wir bitten Sie, daß Sie versuchen, auf unsere Argumente einzugehen, ob sie nun einerseits die konkreten Anregungen im legistischen Bereich oder die unmittelbare Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft selbst betreffen.

Meine Damen und Herren! Ein Volksanwalt, ein Ombudsmann, ist immer auf die besseren Argumente angewiesen. Wir wollen diese besseren Argumente finden, nicht aus persönlichem Ehrgeiz, sondern weil wir damit die Chance haben, für die Menschen in unserem Land im Sinne jenes Auftrages, den letztlich auch Sie uns erteilt haben, tätig zu sein. Darum wollen wir uns weiter bemühen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

14.22

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Tremmel und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft ist daher abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich unterbreche die Sitzung bis zum Eintreffen des Herrn Dr. Wittmann, der schon im Hause ist.

(Die Sitzung wird um 14.24 Uhr unterbrochen und um 14.25 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Alfred Gerstl: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.


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Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend 50 Millionen Schilling für "die Fortsetzung eines Mittagessens" (1508/J-BR/98)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Dr. Riess-Passer und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Dr. Riess-Passer als Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort.

14.26

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Vor einigen Monaten dieses Jahres haben der französische Präsident Jacques Chirac und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl im Zuge ihrer bekannt guten Beziehungen die Idee gehabt, einen gemeinsamen Vorstoß in Sachen Europapolitik zu machen.

Wie Sie wissen, war in Deutschland zu dieser Zeit gerade Wahlkampf, und Mr. Europa Helmut Kohl befürchtete, daß seine jahrelang massiv zur Schau gestellte EU-Euphorie seine Wahlchancen beeinträchtigen könnte. Über Nacht und offensichtlich unter dem Eindruck entsprechend negativer Umfragen reifte in den beiden die "Erkenntnis", daß Europa nicht nur aus der Kommission, dem Euro, der Agenda 2000 und aus der Osterweiterung besteht, sondern daß es da auch noch Bürger gibt in Europa, die vielleicht gar nicht so begeistert sind von dem, was von den Brüsseler Hochburgen auf sie niederprasselt.

Bei der Regierungskonferenz hat man die Bürger nicht mitreden lassen, in Amsterdam schon gar nicht. Auch beim Euro hatten sie nichts zu melden, und zur Osterweiterung fragt man sie erst recht nicht. Aber im Wahlkampf geht es nicht ohne die Bürger – denn das immerhin dürfen die Bürger noch, nämlich alle vier Jahre ihr Kreuzchen auf den Stimmzettel machen. Dann muß man ihnen klarmachen, daß man zwar alles ohne sie, aber dafür alles für sie getan hat.

Dabei macht es sich natürlich gut, wenn man mehr vom "Europa der Bürger" und weniger vom Europa der Agenda 2000 und ähnlichem redet. Das Wort "Bürgernähe" schmückt jeden Wahlkämpfer ungemein, und immer, wenn ein Wahlkampf im Gange ist, erinnert man sich auch wieder daran, daß irgendwo im Vertrag das Wort "Subsidiarität" auf geduldigem Papier steht. Dann ist es natürlich wichtig, klarzumachen, daß man "jetzt" und "jetzt wirklich" und "endgültig" das Wort "Subsidiarität" auch mit Leben erfüllen möchte und daß man es jetzt auch wirklich ernst damit meint.

So haben innerhalb kürzester Zeit alle Regierungschefs in der Europäischen Union wechselseitig aneinander die Forderung gestellt, daß man jetzt endlich bürgernah, transparent und natürlich viel demokratischer als bisher werden müßte. Und jeder von ihnen beteuerte, daß das ohnehin schon immer seine Meinung gewesen wäre, aber die säumigen Kollegen hinderlich gewesen seien.

Auch unserem Herrn Bundeskanzler ist es plötzlich wie Schuppen von den Augen gefallen, daß eigentlich viel zu viel in Brüssel geregelt wird und daß das gar nicht notwendig wäre und daß man manches durchaus wieder in den nationalen Bereich zurückverlagern könnte. Dafür – das hat er nicht nur den Österreichern, sondern gleich allen Europäern ganz fest versprochen – werde er sich jetzt persönlich einsetzen. So wurde die Idee vom Sondergipfel in Pörtschach geboren.

Offen war nur noch der Zeitpunkt. Vor der deutschen Wahl sollte es möglichst nicht sein, weil es unschön gewesen wäre, wenn man dann ohne Ergebnis vor die Fernsehkameras hätte treten


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müssen. Aber die großen Ankündigungen mußte man natürlich vor der Wahl machen, der Gipfel selbst sollte aber erst hinterher stattfinden.

Je näher das Datum dieses Gipfels rückte, desto weniger war vom eigentlichen Ziel, nämlich Bürgernähe, Subsidiarität, Transparenz und Demokratisierung der Union, die Rede.

Das Außenministerium hat vor wenigen Tagen erklärt, daß heute überhaupt niemand mehr dieses Thema anschneiden möchte. Statt dessen ist der Herr Bundeskanzler quer durch die EU gejettet, nach dem Motto "In 80 Tagen um die Welt" diesmal "In 80 Stunden durch Europa".

Eine österreichische Tageszeitung hat vor wenigen Tagen ein EU-Tagebuch des Herrn Bundeskanzlers von seiner Reise veröffentlicht. Unter dem Titel "Leere Kilometer" heißt es:

Mein Kanzler ist schon ein rechter Wirbelwind. Wie oft habe ich ihn in den letzten Tagen in der "Zeit im Bild" volle Kanone aus einem Auto heraushechten und in einen Amtssitz von einem Regierungschefkollegen hineinlächeln sehen und schwups, da kommt er nach einem Close up auf eine sich diskret schließende Tür und einem kurzen Kameraschwenk über durchschnittlich 2,5 Sehenswürdigkeiten einer der gerade visitierten Metropolen auch schon wieder aus dem Sitz herausgestürmt. Schon wieder ist ein anderes Mitgliedsland auf europäischen Vordermann gebracht! Forza Schwechatiana! Kurz: Ich freue mich jetzt schon so richtig auf den EU-Sondergipfel von Pörtschach, der wahrscheinlich wegen dieser Politik als körperlicher Extremsport ohne Sauerstofflaschen in Angriff genommen werden wird. Selbstverständlich handelt es sich bei dieser Vorbereitungstour in alle EU-Hauptstädte um eine riskante Angelegenheit, bei dieser können nur die allerjüngsten und allermutigsten und speziell dafür ausgebildeten ORF-Reporter zum Einsatz kommen, unverbrauchte Gesichter, junge Löwen, die zuvor in russischen Raumfahrtzentren monatelang auf ihre körperliche Belastbarkeit geprüft wurden. Diese weder oft einstündige Zeitverschiebungen noch das Leben in den Lüften fürchtenden Teufelskerle gehen allerdings in ihrer Berichterstattung davon aus, daß der Weg zugleich schon das Ziel ist – leere Kilometer.

Diese "Tour der Qual", wie der Herr Bundeskanzler uns ausrichten hat lassen, um den österreichischen Bürgern auch klarzumachen, welche Strapazen er für sie auf sich genommen hat, hat also ein einziges Ergebnis gebracht, nämlich neben romantischen Bildern vor diversen Kaminen in den europäischen Amtssitzen eine Themenliste für den Gipfel von Pörtschach.

Diese Themenliste umfaßt unter anderem – ich zitiere nur auszugsweise die vom Herrn Bundeskanzler selbst angeführten Themen –: die Wirtschaftspolitik in Europa, die Finanzfragen der Europäischen Union, die innere Sicherheit, die äußere Sicherheit, die Fragen der WEU, die Bestellung eines "Mr. GASP", das Beschäftigungskapitel, die Einführung des Euro und die Bestellung eines "Mr. Euro", den Zeitplan für die Steuerharmonisierung, die Zusammenarbeit bei militärischen Einsätzen, die weltwirtschaftliche Verantwortung der Europäischen Union, das In-Gang-Bringen der Agenda 2000, die Krise in Rußland, die Krise im Kosovo, die Krise in Asien, die Erhaltung des europäischen Gesellschaftsmodelles, die politische Zukunft Europas und – ganz am Schluß und kleingedruckt – Bürgernähe und Subsidiarität.

Herr Staatssekretär! Sie haben sich damit, könnte man sagen, ein recht ambitioniertes Programm vorgenommen, denn es umfaßt eigentlich alles, was nur irgendwie mit der EU und Europa zu tun hat. Das wäre eigentlich nicht nur ein Jahresprogramm, sondern ein Arbeitsprogramm für Jahrzehnte. Aber die EU-Regierungschefs – und darüber darf man staunen – schaffen das Unmögliche, nämlich alle diese Probleme, von den Weltwirtschaftskrisen bis hin zu allen Fragen der Europäischen Union, in sage und schreibe vier Stunden und 15 Minuten Arbeitssitzung zu bewältigen!

Das ist natürlich eine böse Unterstellung, wie ich gestern gehört habe, denn es gebe nicht nur die Arbeitssitzung von vier Stunden und 15 Minuten, sondern dazu noch gemeinsame Abendessen, ein Kamingespräch und eine Bootsfahrt, und auch diese Bootsfahrt werde man natürlich zu intensivster Arbeit nützen.


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Der Grund für diese pompösen Rahmenprogramme, die wir bereits von den anderen Ministerratstagungen kennen, sei – so hat es mir neulich EU-Abgeordneter Swoboda anläßlich des Rahmenprogramms des Umweltministergipfels in Graz, wo es ein gemeinsames Luftballonsteigenlassen gegeben hat sowie eine Kutschenfahrt und ähnliches, in einer Diskussion erklärt –, daß der Europäischen Union immer vorgeworfen werde, sie sei so bürgerfern, sie gehe nicht zu den Menschen, sie tage hinter verschlossenen Türen. Deswegen also setzt man sich jetzt in die Kutsche und fährt hinaus zu den Menschen. Die Menschen dürfen dann am Wegrand stehen, Europafahnen schwenken und applaudieren.

Herr Staatssekretär! Der Inhalt dieses Gipfels – ich sage das nicht an Sie persönlich gerichtet, sondern an diese Regierung – ist nicht wichtig für diese Regierung! Für sie sind das Drumherum, die mediale Inszenierung, die schönen Fotos, die medialen Auftritte wichtig. Deswegen war es auch ganz wichtig – das war das Allerwichtigste bei der Vorbereitung des Gipfels –, daß der zukünftige deutsche Bundeskanzler Schröder an diesem Gipfel teilnehmen wird. Man hat gesagt, wenn Herr Schröder als neuer Medienstar nicht dabei sei, sei der ganze Gipfel umsonst. Herr Schröder hat sich dann breitschlagen lassen und kommt für ganze fünf Stunden – für ganze fünf Stunden! – zum Gipfel nach Pörtschach. In der restlichen Zeit wird die Bundesrepublik Deutschland nur durch Beamte vertreten sein. Dafür dürfen die österreichischen Steuerzahler mit ihren Budgetmitteln noch das Treffen der Sozialistischen Internationale, nämlich der sozialistischen Staatschefs im Vorfeld des Gipfels, mitfinanzieren. (Bundesrat Meier: Freiheitliche gibt es ja keine!) Warten Sie es ab, Herr Kollege, warten Sie es ab. Nächstes Jahr ist eine Wahl.

Frau Stenzel, Europaabgeordnete der ÖVP, die immer sehr großen Wert darauf legt, daß Sie eine gute Europäerin ist, daß Sie es mit der Europäischen Union sehr ernst meint, hat gesagt: Das wird hauptsächlich eine Schau für Gerhard Schröder und Viktor Klima. – Für die einzelnen Bürger schaut dabei wenig heraus.

Diese Show für Viktor Klima, Gerhard Schröder und andere läßt man sich auch einiges kosten. Vorsichtige Schätzungen über die Kosten des Gipfeltreffens in Pörtschach belaufen sich auf ein Budget von 50 Milliarden Schilling. 50 Milliarden Schilling! (Bundesrat Mag. Himmer: Millionen! – Bundesrat Konečny: Mit den Nullen könnten Sie sich bereits auskennen in Ihrer Partei!)  – Millionen! Entschuldigung! Ganz richtig: 50 Millionen Schilling. Auf die Milliarde, Herr Kollege Konečny, bin ich deswegen gekommen, weil – das ist einer der zentralen Punkte – uns der gesamte ”Zirkus" dieses Ratsvorsitzes für dieses halbe Jahr ... (Bundesrat Steinbichler: Ist das ein Zirkus?) – Ja, das ist ein Zirkus, Herr Kollege, und ich erkläre Ihnen auch gleich warum, nämlich weil uns dieses ganze Theater sage und schreibe mindestens 1 Milliarde Schilling kostet, 1 Milliarde Schilling für Pomp, Glanz und Gloria, ohne daß Sie inhaltlich irgend etwas erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es lohnt sich – das würde ich dir auch empfehlen –, daß du dir als ordentlicher Steuerzahler und Staatsbürger dieses Landes anschaust, wofür dein Geld dort ausgegeben wird, dein Geld und das Geld der österreichischen Steuerzahler. (Bundesrat Steinbichler: Das Image des österreichischen ...) – Genau! Das ist ein gutes Wort, danke: Image! Um das Image geht es, um das Image, das wir dort präsentieren.

Wie befördern wir das gute Image Österreichs in Europa? – Das Image befördern wir nicht dadurch, daß wir uns etwa ernsthaft um die Frage der Demokratisierung der Europäischen Union oder um die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips bemühen, sondern das Image wird befördert dadurch, daß wir den anreisenden Regierungschefs Gastgeschenke überreichen, zum Beispiel Manschettenknöpfe mit eingearbeiteten Chips von Siemens für die Staats- und Regierungschefs zum Diskontpreis von 80 000 S oder Krawattenschieber mit eingearbeiteten Chips für die Staats- und Regierungschefs zum Diskontpreis von 30 000 S. (Bundesrat


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Drochter: Das ist aber nicht so teuer wie ein Porsche für den Gratzer!)

Da geht es aber um Steuergeld, Herr Kollege, das ist ein Unterschied. Wenn die SPÖ oder Herr Viktor Klima von seiner Privatschatulle seinen Regierungskollegen ein Erinnerungsgeschenk mitgeben möchte, dann ist das eine nette Idee. Hier geht es aber um Steuergelder. (Bundesrat Drochter: Auch bei der Parteiführung der Freiheitlichen geht es um Steuergelder!) Hier geht es darum, daß Geld verschwendet wird für Dinge wie Poloshirts mit Olympiaaufdruck um 375 000 S. Ich möchte einmal wissen, wie viele davon überhaupt hergestellt werden.

Für Binkerle, Gastgeschenke für Journalisten, werden 150 000 S ausgegeben, was "nicht viel" ist an einem Wochenende! Ich meine, für die paar tausend Journalisten, die anreisen, ist das wirklich nicht zuviel verlangt. Die Bewirtung der Journalisten insgesamt ist auch ganz "günstig", sie kostet "nur" 2 288 000 S. (Zwischenruf des Bundesrates Drochter. ) Das ist aber schon interessant, Herr Kollege Drochter, weil es zum Beispiel Ihre Gewerkschaftsmitglieder sicher auch interessieren würde, wofür dort das Geld der Steuerzahler ausgegeben wird. Vielleicht teilen Sie ihnen das einmal mit. Die Getränke für die durstigen Herren in drei Tagen kosten uns 600 000 S und die Snacks, die außerhalb der schönen Diners und Tagungsessen stattfinden, noch einmal 300 000 S. So geht das weiter, bis hin zu einer Lichtskulptur um 250 000 S, damit man die sozialistischen Regierungschefs auch in einem schönen Licht erstrahlen lassen kann.

Für die Steuerzahler, die Mitglieder des ÖGB und andere in diesem Lande stellt sich natürlich sehr wohl die Frage, wofür wir zahlen, und wofür wird dieses Geld ausgegeben wird! Besonders angesichts dessen, was Herr Vizekanzler und Außenminister Schüssel, der Ratspräsident – darüber gab es schon im Vorfeld eine große Diskussion, es war eine der wichtigsten Diskussionen, die geführt wurden, nämlich ob der Herr Bundeskanzler oder der Herr Vizekanzler Ratspräsident sei –, gesagt hat: Ich bin nicht besonders glücklich über den von Klima einberufenen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs. Das Ganze, sagt der Herr Außenminister, ist eigentlich nicht mehr als die Fortsetzung eines Mittagessens.

Meine Damen und Herren! Mit Verlaub gesagt, für die Fortsetzung eines Mittagessens finde ich 50 Millionen Schilling reichlich happig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner, die auch für sich in Anspruch nimmt, eine große Europäerin zu sein, erklärt, daß schon viel über Subsidiarität und Bürgernähe geredet und auch beschlossen wurde. Es müßte nur umgesetzt werden, ist die gute Idee von Frau Ferrero-Waldner. Und, so sagt sie, in Pörtschach kann nicht sehr viel Konkretes herauskommen; beschlossen wird jedenfalls nichts.

Auch im Ausland wird der Gipfel von Pörtschach durchaus kritisch gesehen. Die sehr renommierte und angesehene Zeitung "Financial Times" schrieb vor wenigen Tagen: Die beste Lösung wäre, den Gipfel von Pörtschach abzusagen, denn mit substantiellen Fortschritten für die Europäische Union kann nicht gerechnet werden. Die Regierungschefs werden sich selbst und die Europäische Union lächerlich machen. – Und die Landeshauptleute Schausberger und Pröll haben den Verdacht geäußert, daß das ursprünglich geplante Thema, nämlich Subsidiarität und Bürgernähe, kaum abgehandelt werden wird. Und mit dieser Befürchtung haben sie auch völlig recht.

Symbolisch – besonders wenn man an das Wort "Bürgernähe" denkt – ist auch, wo dieser Gipfel stattfindet, nämlich auf einer hermetisch abgeriegelten Halbinsel in Pörtschach am Wörthersee, vom See her durch Taucher geschützt. Kein Bürger kommt auch nur auf Sichtweite an dieses Ereignis heran! Ich habe der heutigen Zeitung sogar entnommen, daß die Bürger von Pörtschach nicht einmal die Sonntagsmesse in der Pfarrkirche von Pörtschach besuchen werden können. Für die Sonntagsmesse braucht man nämlich eine Akkreditierung, weil zu dieser Sonntagsmesse Premierminister Blair von Großbritannien erwartet wird. Die Sonntagsmesse wird an diesem Sonntag also einmal nicht für alle Christen gehalten (Bundesrätin Schicker: Was haben Sie gegen Pörtschach?! – Bundesrat Pfeifer: Was haben Sie gegen Kärnten?! Was haben Sie gegen Pörtschach?!), lieber Kollege aus Kärnten, sondern nur für diejenigen, die einen Akkreditierungsausweis für die Kirche vorweisen können. (Bundesrat Konečny: Wenn Haider teilnehmen darf, sind wir dann wieder gut?!)

Die Bürger nehmen jedenfalls nicht an diesem Gipfel teil. Aber es ist wichtig, daß Herr Santer teilnimmt. Das ist der Chef. Herr Santer darf an diesem Gipfel teilnehmen – der Präsident der Kommission, der Chef jener Behörde, die geradezu das Sinnbild für die Bürokratie in Europa


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und das Anti-Bild zur Demokratie ist. Er ist in der Kommission in letzter Zeit vor allem dadurch aufgefallen, daß er mit Betrugsaffairen in Milliardenhöhe zu tun gehabt hat, bei denen Hilfsgelder für Bosnien und Afrika in die Taschen von Verwandten, Freunden und sonstigen Günstlingen verschiedener Kommissare gewandert sind, ohne daß es irgendwelche Konsequenzen daraus gegeben hätte. – Auch das wäre übrigens ein lohnendes Thema für diesen Gipfel, bei dem es um Bürgernähe und um Ehrlichkeit geht. Man könnte überlegen, was in diesem Fall zu geschehen hat. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Ich weiß, daß Sie all das furchtbar lächerlich finden, Herr Kollege, aber ich muß Ihnen sagen, in Europa gibt es eine Diskussion über die Subsidiarität, und zwar gerade auch unter Mitgliedern Ihrer Partei. Fragen Sie einmal Ihre Landeshauptleute, wie viele Sitzungen des Ausschusses der Regionen es in Brüssel schon gegeben hat, bei denen man gefordert hat, das Subsidiaritäsprinzip endlich auch in der Praxis umzusetzen! Und genau darum sollte es bei diesem Gipfel gehen.

Aber wenn man sich anschaut, was der Herr Bundeskanzler unter dem Wort "Subsidiariät" versteht – so wie er das gestern vor dem Europäischen Parlament erklärt hat –, dann kommt einem das Fürchten! Der Herr Bundeskanzler erklärt den Begriff "Subsidiarität" nämlich so:

"Subsidiarität ist die Stärkung jener Politikfelder, in denen ein Mehr an Europa im Interesse der Bürger liege." – Wenn er das ernst meint, dann hat er es überhaupt nicht verstanden! Das ist nämlich genau das Gegenteil von Subsidiarität! (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Und wenn Sie es auch nicht wissen, Herr Kollege, dann erkläre ich es Ihnen gerne. (Rufe bei der SPÖ: Frau Lehrerin!) Subsidiarität heißt, das politische ... (Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Unruhe im Saal.) – Er hat gefragt! Wenn Sie es wissen, dann ist es schön. Ich gehe davon aus, Sie wissen das, aber der Herr Kollege weiß es nicht, und deswegen erkläre ich es ihm.

Subsidiarität heißt im Sinne der Demokratie, daß die Probleme dort gelöst werden, wo sie dem Bürger am nächsten sind und wo sie am besten gelöst werden können. (Bundesrat Dr. Tremmel in Richtung ÖVP: Wahrscheinlich dürft ihr nichts sagen!)

Es ist auch interessant, wie man in Brüssel, wie man auf Brüsseler Ebene ... (Neuerliche, anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und den Freiheitlichen. – Unruhe im Saal.) Frag’ bitte einmal deinen Landeshauptmann, damit er dir erklärt, was Subsidiarität ist und was er von diesem Gipfel hält. Da wirst du dich wundern, denn er wird ziemlich einer Meinung mit mir sein!

Wie definiert Brüssel die Ziele für Pörtschach? – Brüssel sagt, die Subsidiarität soll so marginal wie möglich behandelt werden. Subsidiarität heißt Mitspracherecht der Bürger, und das ist furchtbar lästig, denn da muß man immer vorher fragen, wenn man etwas tun will. Der Gipfel soll sich vielmehr Gedanken darüber machen, wie der Nutzen des Binnenmarktes den Bürgern besser vermittelt werden kann, sagt man in Brüssel. Das ist auch der eigentliche Zweck dieses Gipfels: nicht der Inhalt, sondern nur die Propaganda, Fassade statt konkreter Ergebnisse, Performance statt Politik und Aktionismus statt Substanz. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Sie und diese Regierung haben in Pörtschach eine Chance vertan. Es hätte, wenn man es ernst genommen hätte, wahrscheinlich der wichtigste Gipfel der letzten Jahre werden können, weil es dabei nämlich um das Thema geht, das Europa wirklich bewegt. Sie hätten der Demokratie und den Bürgern Europas einen echten Dienst erweisen können, aber statt dessen haben Sie ein pompöses Medienspektakel inszeniert. Herr Kommissionspräsident Santer hat in bewundernswerter Offenheit vor wenigen Tagen dargelegt, was in Pörtschach passieren wird. Er hat gesagt: "Wir werden gemeinsam nachdenken, obwohl wir nicht wissen, worüber." (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Ich hätte es als angebracht empfunden, daß Sie sich, bevor Sie 50 Milliarden Schilling an Steuergeldern für solch einen Gipfel verwenden (Bundesrat Konečny: Schon wieder "Milliarden"! Millionen!  – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Ruf: Rosenstingl beraten! – Bundesrat Konečny: Reden Sie sich in keinen Wirbel hinein!), 50 Millionen für diesen Gipfel und 1 Milliarde für den Ratsvorsitz, vielleicht vorher einmal Gedanken darüber machen,


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worüber Sie eigentlich nachdenken wollen! Denn so, wie Sie das inszenieren, ist es ein Affront für die Steuerzahler in diesem Land und für die Bürger Europas insgesamt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.47

Präsident Alfred Gerstl: Zur Beantwortung hat sich Herr Staatssekretär Dr. Wittmann zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

14.47

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In Beantwortung der dringlichen Anfrage darf ich die Fragen 1 bis 13 sowie die Frage 16, da sie alle die thematische Ausrichtung des informellen Treffens der Staats- und Regierungschefs und des Präsidenten der Europäischen Kommission in Pörtschach betreffen, zusammenziehen und unter einem beantworten.

Zunächst möchte ich feststellen, daß das Treffen in Pörtschach kein Gipfel ist (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sondergipfel!), sondern ein informelles Treffen der Staats- und Regierungschefs und des Präsidenten der Europäischen Kommission. Die Entscheidung über diese Art des Zusammentreffens wurde nicht  – die Betonung liegt hier auf "nicht" – von der österreichischen Präsidentschaft, sondern von den Staats- und Regierungschefs Europas gemeinsam beim Europäischen Rat von Cardiff im Juni dieses Jahres getroffen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: War Klima dagegen?!)  – Ich werde erst am Schluß auf diese Zwischenrufe eingehen, weil ich es für notwendig erachte, zuerst ins rechte Licht zu rücken, welche Argumente dort vorgebracht wurden.

Der Europäische Rat von Cardiff hat gleichzeitig auch die Aufgabenstellung dieses Treffens vorgegeben. Es geht zum einem darum, die Beratungen darüber zu vertiefen, wie die Europäische Union den Menschen nähergebracht werden kann, und darum, die Union auf jene Fragen zu konzentrieren, die den Bürgern Europas am wichtigsten sind. Das Treffen in Pörtschach soll dabei den Beginn eines Prozesses (Bundesrat Mag. Gudenus: Welchen Prozesses?) darstellen, der in einem nächsten Schritt, nämlich im Europäischen Rat von Wien, seine Fortsetzung haben soll.

Alle großen Integrationsprojekte der letzten Jahrzehnte bedurften der Einleitung durch eine grundlegende Reflexion, bevor sie durch konkrete Entscheidungen umgesetzt werden konnten. Dies gilt für den Binnenmarkt genauso wie für die Wirtschafts- und Währungsunion. Gerade weil wir bei diesen beiden wohl herausragenden Projekten ziemlich erfolgreich waren und das Ziel erreicht haben, ist es nunmehr wichtig, zu zeigen, daß damit die Europäische Integration nicht an einem Ende angelangt ist, sondern weitere Entwicklungschancen hat.

Die Europäische Union hat nun die Potentiale, die sich aufgrund der einheitlichen Währung eröffnen, auch effektiv zu nutzen. Ein besonderes Augenmerk muß dabei vor allem auch der Umsetzung der europäischen Beschäftigungsstrategie gelten. Die Union hat sich aber auch den neuen politischen Herausforderungen im Bereich der inneren Sicherheit und der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu stellen. Dies sind jene Bereiche, bei denen die Bürger Europas von der Union ein effektives Handeln erwarten und auch einfordern.

Dies sind deshalb auch jene Bereiche, auf die wir uns in den nächsten Jahren verstärkt konzentrieren müssen. Deshalb wird die Erörterung dieser Themen auch einen Schwerpunkt der informellen Debatte in Pörtschach bilden.

In einem zweiten Teil werden sich die Staats- und Regierungschefs damit befassen, welche konkreten Vorschläge die strukturellen Voraussetzungen für eine bürgerorientierte Unionspolitik verbessern können. Um welche Themen es dabei insbesondere geht, wurde ebenfalls bereits in den Schlußfolgerungen von Cardiff vorgezeichnet, nämlich um die Stärkung der demokratischen Legitimation, um die Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips in der Praxis sowie um die Effizienz der Funktionsweise sowohl von Rat als auch von Kommission.


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Es geht dabei nicht um eine Veränderung des Primärrechts der Union – dies ist, wie wir alle wissen, bei einem informellen Treffen auch nicht möglich, sondern erfordert eine Regierungskonferenz und normalerweise die Ratifikation der nationalen Parlamente.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch folgendes klarstellen: Der Europäische Rat von Cardiff hat hervorgehoben, daß der Ratifikation des Amsterdamer Vertrages die erste Priorität eingeräumt wird. Der Europäische Rat ist deshalb in Cardiff übereingekommen, die im Amsterdamer Vertrag nicht gelösten institutionellen Fragen frühzeitig, aber erst im Anschluß an die Ratifikation des Vertrages in Angriff zu nehmen. Die österreichische Präsidentschaft hat bei der Planung des informellen Treffens von diesen Vorgaben des Rates von Cardiff auszugehen.

Wir haben jedoch durch den Vertrag von Amsterdam gerade in den Bereichen demokratische Legitimation und Subsidiarität wesentliche Fortschritte erzielt. Ich nenne nur hinsichtlich der Legitimation zum einen die wesentliche Ausweitung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments (Bundesrat Dr. Tremmel: Die Einschränkung!) und die Anerkennung der Rolle der nationalen Parlamente, zum anderen haben wir im Amsterdamer Vertrag auch ein Subsidiaritätsprotokoll verankert. Nun geht es darum, diese Vorgaben und Potentiale auch umzusetzen, damit sie sich in der konkreten Unionspolitik effektiv niederschlagen.

Zudem wird es aber auch notwendig sein, die Arbeitsmethoden aufgrund der bisherigen Erfahrungen zu optimieren. Um die Debatte in Pörtschach zu fokussieren und bestmöglich nützen zu können, hat der Herr Bundeskanzler in den letzten zwei Wochen im Rahmen der erwähnten "Tour de Capital" bilaterale Gespräche mit allen Staats- und Regierungschefs und dem Präsidenten der Europäischen Kommission geführt. Dies beweist auch das Engagement, mit dem die österreichische Präsidentschaft an dieses Treffen herangeht, um die Vorgaben des Europäischen Rates von Cardiff so konkret und effizient wie nur möglich umzusetzen.

Ich möchte aber nochmals den informellen Charakter des Treffens von Pörtschach betonen. Dies bedeutet, daß aufgrund der Usance informeller Treffen – wie bereits im Herbst 1995 in Formentor – keine formellen Beschlüsse gefaßt und keine schriftlichen Schlußfolgerungen vorgelegt werden können. Gerade diese Informalität soll jedoch jene Arbeitsbedingungen schaffen, die notwendig sind, um über die politische Routine des Alltags hinausgehende grundlegende Perspektiven zu skizzieren und vorzuzeichnen.

Der Erfolg von Pörtschach wird sich allerdings nur mittelfristig zeigen, wenn die in Pörtschach eingeleiteten Weichenstellungen für eine bürgerorientierte künftige Union in den nächsten Jahren Schritt für Schritt umgesetzt werden. Deshalb lohnt sich das Engagement der österreichischen Präsidentschaft für das informelle Treffen in Pörtschach. Es ist eine mittelfristige Investition in die Zukunft Europas und damit auch eine Investition in die Zukunft Österreichs.

Zu Ihrer Frage 10 nach der Behandlung der EU-Erweiterung:

Im Zusammenhang mit der Debatte über die großen politischen Herausforderungen der Zukunft Europas kann auch der Erweiterungsprozeß in eine Erörterung der grundlegenden Perspektiven einbezogen werden. Es ist jedoch nicht beabsichtigt, die konkreten Fragen des Beitrittsprozesses und der Situation der Beitrittskandidaten in Pörtschach im Detail zu besprechen, weil nämlich der Europäische Rat von Luxemburg letztes Jahr eine Struktur für diesen Prozeß bereits vorgezeichnet hat. Demnach soll die Europäische Kommission jährliche Fortschrittsberichte vorlegen. Ein solcher Bericht wird erstmals Anfang November vorgelegt werden. Eine Erörterung dieser Berichte wird sodann Gegenstand des Europäischen Rates von Wien sein.

Schließlich möchte ich noch auf Ihre letzten Fragen eingehen, auf die Fragen 12 und 13.

Die Staats- und Regierungschefs haben beim Europäischen Rat in Cardiff bewußt die Abhaltung eines derartigen informellen Treffens beschlossen. Hinsichtlich des Formats und des Ablaufs hat man sich hiebei an dem bereits erwähnten Treffen von Formentor orientiert. Dabei wird es konkrete Arbeitssitzungen, ein Arbeitsabendessen und diverse informelle Gesprächsrunden geben, wie es eben dem Charakter eines derartigen Treffens entspricht. Eine konkrete Gesamtarbeitszeit läßt sich bei weitem nicht festlegen, aber ich kann Ihnen versichern, daß es in jedem


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Fall mehr als die von Ihnen angegebenen fünf Stunden sein werden. (Bundesrat Dr. Tremmel: Bei einem Glaserl Wein! Das wißt ihr ja, ihr Burgenländer!)

Dem Charakter eines derartigen Treffens entspricht es weiters, wie schon erwähnt, daß es nicht zum Ziel hat, schriftliche Schlußfolgerungen zu verabschieden.

Zur Frage 14.

Die Gesamtkosten des informellen Treffens der Staats- und Regierungschefs in Pörtschach lassen sich zum derzeitigen Zeitpunkt nicht endgültig beziffern, da es erst in zwei Tagen beginnen wird und natürlich erst danach die tatsächlichen Kosten abgerechnet werden können. Wie bei der gesamten Präsidentschaft ist man aber selbstverständlich auch in diesem Fall bemüht, so sparsam und wirtschaftlich wie möglich vorzugehen.

Zu den Fragen 15 und 16 darf ich auf die vorangegangenen Feststellungen verweisen.

Ich möchte nun die Argumentation, die in der Begründung dieser dringlichen Anfrage vorgebracht wurde, noch etwas eingehender betrachten. Frau Bundesrätin Riess-Passer! Zunächst einmal haben Sie Ihren Argumentationsinhalt und die Information für die Kosten aus den Zusammenstellungen einer Zeitung, deren Wahrheitsgehalt nicht nur nicht überprüfbar ist (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Falsch! Aus der Anfragebeantwortung!), sondern auch sehr zweifelhaft erscheint. Ich glaube, daß man nicht Olympia-T-Shirts, die bei einem Treffen von Ministerpräsidenten verwendet wurden, einrechnen darf. Ich meine, man sollte schon in irgendeiner Art und Weise beim Thema bleiben. (Bundesrat Dr. Tremmel: Ich wüßte mir schon etwas Besseres! Eine schöne Krawattennadel!)

Ich meine schon, daß es grundsätzlich wichtig ist, diese Veranstaltung – nämlich die Olympischen Spiele in Kärnten – zu bewerben. Aber das mit einem Europäischen Rat in Verbindung zu bringen, scheint mir doch etwas weit hergeholt zu sein! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Harring. )

Ich betone, daß es einen Mechanismus gibt, den man sich in der Europäischen Union selbst ausgesucht hat, etwa wie man die Organisation von Präsidentschaften durchführt. Man hat einen periodischen Ablauf dafür festgelegt. Dieser periodische Ablauf trifft in diesem Halbjahr Österreich, und ich glaube, wir können stolz darauf sein, das erste Mitgliedsland nach der Erweiterungsrunde zu sein, das diese Präsidentschaft ausübt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das heißt, es trifft jedes Land ein halbes Jahr. Ich finde diese Kostenaufteilung innerhalb der Europäischen Union sehr wichtig und auch richtig für die Identifikation des einzelnen Bürgers mit der Europäischen Union. Es ist wichtig, daß die Präsidentschaft periodisch immer wieder an ein anderes Land geht. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich finde, daß es fatal ist, über die Kosten eines demokratischen Mechanismus zu diskutieren, weil es letztendlich immer billigere Varianten gibt. Ich frage Sie: Ist die billigste Variante wirklich die beste? Oder ist nicht vielmehr jene Variante die beste, die man in einer Gemeinsamkeit beschließt und dann nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Ansprüchen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit vollzieht?

Ich denke auch, daß es beschämend wäre, ein gefordertes Treffen von Staatschefs an den Kosten scheitern zu lassen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Mittagessen um 50 Millionen Schilling!) Ich glaube, diese Argumentation ist einerseits gefährlich und auch beschämend. (Bundesrat Pfeifer: Beschämend ist das, jawohl!)

Außerdem sollten wir uns darüber im klaren sein, daß es bei diesem Treffen um ein Vordenken geht und daher die Resultate nicht schon vor dem Treffen kolportiert, in Zeitungen dargelegt und Gegen- und Für-Argumente abgewogen werden können. Es soll ein Treffen stattfinden, bei dem Gedanken ausgetauscht werden, die die Zukunft der Europäischen Union bestimmen – nicht das politische Alltagsgeschäft, sondern die Leitlinien! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Dr. Harring: Das hat der Bundeskanzler gesagt, daß es so ist!)


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Gerade dieser Formalismen entledigt kann man im direkten Gespräch andere Lösungsansätze erarbeiten. Diese müssen letztendlich selbstverständlich auf formalisierten Wegen vollzogen werden, aber das Ausarbeiten dieser Visionen muß den Regierungschefs möglich sein. Ich bin stolz darauf, daß ein Treffen, bei dem derartige Gedanken und Leitlinien gedacht werden, in Österreich stattfindet und sich Österreich als Veranstaltungsort von seiner besten Seite zeigen können wird. Es wird auch entsprechende Beachtung in den internationalen Medien finden.

Es gehört dazu, daß einige Medien diese Veranstaltung schon schlechtmachen, bevor sie tatsächlich stattgefunden hat. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Nein! Herr Santer hat gesagt, Sie müssen über Themen nachdenken!) Das ist nicht nur eine österreichische Eigenheit, sondern das ist zum Teil auch eine internationale Eigenheit. Ich glaube nicht, daß wir unser Licht unter den Scheffel stellen sollten (Bundesrat Dr. Tremmel: Da steht es schon lang!), sondern daß es dort ein richtungsweisendes Treffen geben wird, das in der Lage ist, zukunftsorientierte Leitlinien und Visionen für den Bürger der Europäischen Union zu entwickeln. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.02

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte. (Bundesrat Pfeifer: Der ist ja kein Kärntner! – Bundesrat Dr. Tremmel: Er zählt auch mit!)

15.03

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mit dem Interesse der ÖVP an der demokratischen Auseinandersetzung zum Thema EU ist es nicht allzuweit her, wie ich sehe, wenn ich die leeren Bankreihen im Sektor dieser Partei anschaue und mir die unqualifizierten Zwischenrufe von vorhin vor Augen führe. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Das hat nichts mit der EU zu tun, sondern mit Ihrer dringlichen Anfrage!)

Meine Damen und Herren! Umso dankbarer sind wir, daß Sie heute hierhergekommen sind, Herr Staatssekretär, um uns diese dringliche Anfrage zu beantworten. So dankbar wir auch sind, daß Sie physisch anwesend sind, war allerdings das, was Sie uns verbal geboten haben, in seiner Oberflächlichkeit – Sie müssen das verstehen – nicht akzeptabel.

Ich darf bei der letzten Frage beginnen, die Sie eigentlich nicht beantwortet haben. (Zwischenruf des Bundesrates Rauchenberger. ) Die Oberflächlichkeit dieser Beantwortung, Herr Kollege Rauchenberger, ist ein Beweis dafür, wie wichtig diese dringliche Anfrage der Freiheitlichen hier und jetzt ist. In der letzten Frage halten wir fest, daß der Bundeskanzler dieser Republik der Ansicht ist, daß der sogenannte Gipfel in Pörtschach stattfinden muß, weil beim informellen Außenministerrat in Salzburg nur über das Mittagsmenü geredet worden sei. (Bundesrat Dr. Tremmel: Stimmt das, Herr Staatssekretär?) Diese Aussage machte der Herr Regierungschef in der "Pressestunde" vergangenen Sonntag. (Bundesrat Dr. Tremmel: Unglaublich!) Diese werden Sie wohl auch, so nehme ich an, alle gesehen haben, denn ich kann davon ausgehen, daß Sie Fans des Viktor Klima sind, und ich nehme an, daß Sie sich jeden Film anschauen, in dem er vorkommt.

Der Herr Bundeskanzler hat damit natürlich zu Recht auf eine unverschämte Äußerung seines Vizekanzlers repliziert, der wenige Tage und Wochen davor in der Presse verlauten ließ, daß dieser Gipfel von Pörtschach eigentlich unnötig sei, weil er in Wirklichkeit nur die Fortsetzung des Mittagessens der Außenministerkonferenz in Salzburg sei. Meine Damen und Herren! Bei so viel Einigkeit und Harmonie in einer Regierung wäre es meiner Ansicht nach fahrlässig, wenn eine Opposition nicht mannhaft Partei ergreifen würde – nämlich weder für die eine noch für die andere Seite. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Was Sie in Ihrer Antwort verschwiegen haben, ist genau das, was wir eigentlich hören wollten. Wir waren in den letzten Tagen verblüfft Zeugen einer neuen EU-Einladungskultur. Meine Damen und Herren! Der Ratspräsident reist eine Woche lang von Mitgliedsland zu Mitgliedsland, umarmt dort den entsprechenden Regierungskollegen mehr oder weniger herzlich, einmal links, einmal rechts, einmal ein-, einmal zweiarmig, immer freundlich zähnefletschend, um dann hinter einer Türe zu verschwinden und den Heimgesuchten auf Knien zu bitten, doch nach Österreich zum EU-Gipfel zu kommen (Beifall bei den Freiheitlichen), weil seine Partei, die SPÖ, eine furchtbare Opposition gegen, einen unzuverlässigen Koalitionspartner neben und den Wahlkampf aller Wahlkämpfe vor sich hat! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Richau: Den hat sicher Haider vor sich!)

Meine Damen und Herren! Wir erleben derzeit, wie eine einzige Partei eines Mitgliedslandes die gesamte EU um den Finger wickelt, um ihre innenpolitischen Probleme zu lösen. All das, meine Damen und Herren, spricht nicht für die EU und läßt auch für die Entwicklung der Union Böses ahnen! Dem SPÖ-Bundeskanzler dieser Republik gelang es nicht nur, die anderen Mitgliedsländer zu instrumentalisieren, sondern ihnen auch die zu besprechenden Themen zu oktroyieren. Meine Damen und Herren! Das ursprünglich geplante Thema "Subsidiarität in der EU" war nämlich auf einmal zuwenig, weil das – um den Herrn Bundeskanzler zu zitieren – die Menschen "nicht interessiert". Das hat nicht in einem Wahlkampf stattzufinden, das paßt nicht in den Wahlkampf der SPÖ.

Die beiden EU-Politiker Kohl und Chirac – Sie werden sich erinnern – haben in einem Brief festgelegt, welche Themen in Pörtschach und auch nach Cardiff zentrales Anliegen sein sollen. Sie erlauben, daß ich einen kleinen Pressespiegel vorlege – mit Ihrer Erlaubnis, Frau Vizepräsidentin.

Kohl und Chirac schrieben damals: Es kann nicht die Zielsetzung europäischer Politik sein, einen europäischen Zentralstaat zu begründen.

In dieses Horn stieß auch unser sehr verehrter Herr Bundeskanzler, indem er in einem Interview mit der "Zeit" sagte: Brüssel muß Macht zurückgeben. – Soweit hat der Herr Bundeskanzler unsere Zustimmung.

Allerdings hat es auf einmal einen Richtungswandel gegeben. Auf einmal war das Thema Subsidiarität nicht mehr interessant genug. Meine Kollegin Dr. Riess ist darauf schon eingegangen. So hat der Herr Bundeskanzler plötzlich andere Themen entdeckt, saftigere Themen, die die Menschen "interessieren", um ihn noch einmal zu zitieren. So kam er dazu, am 18. Oktober 1998 gegenüber der APA folgende Aussage zu machen: Keine Diskussion über Renationalisierung und keine stundenlangen Streitereien über technische Details – über die Anzahl der Kommissare, über die Agenda 2000 oder über die Nettozahlungen –, das will doch niemand! In Pörtschach geht es um die Zukunft der Union. – Ich frage mich, was die Zukunft der Union ist, wenn die Agenda 2000 nicht dazugehören soll.

Die Widersprüche waren in den letzten Wochen und Monaten erheblich. Auch der Koalitionspartner hat diese Widersprüche gesehen, und er hat sie beeindruckend aufgedeckt. Dazu haben sich berühmte Abgeordnete aus dem EU-Parlament wie Frau Stenzel geäußert. Sie hat beklagt, daß die Subsidiarität innerhalb der EU von der Tagesordnung dieses Gipfeltreffens gestrichen worden ist: Die Abgeordnete äußerte in einem Pressegespräch am Freitag in Klagenfurt die Befürchtung, daß das informelle Treffen der Regierungschefs zu einer reinen Show wird.

Ich zitiere Frau Stenzel, meine Herren von der ÖVP – um auf Ihre Empörung von vorhin zu replizieren: Frau Stenzel sagt, sie habe die Sorge, daß dieses Treffen der Regierungschefs zu einer reinen Show mit dem designierten deutschen Kanzler Gerhard Schröder verkommen könnte. – Stenzel weiter: Das darf nicht passieren. Dazu gibt es zu viele wichtige Dinge zu besprechen. Man müsse bei dem Gipfel über die Vertiefung der Union nachdenken, außerdem müsse der Begriff der Subsidiarität endlich mit Inhalten gefüllt werden. (Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Nicht nur der Koalitionspartner der SPÖ hat darauf repliziert, sondern auch die vielbeschworene unabhängige Presse. Doron Rabinovici hat im "Standard" vom


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19. Oktober zu allen diesen Vorgängen, die innerhalb unserer Bundesregierung passiert sind, treffend folgendes geschrieben: Hierzulande zählt kaum Inhalt, sondern Verpackung. Politik wird nicht vertreten, sondern verkauft, ausverkauft. Die Regierung ist zur Kulisse verkommen, der Kanzler wird zu einer multipotenten Schimäre, und deswegen weiß niemand mehr, wofür dieser Staatsmann steht, was er ist oder darstellen will.

Meine Damen und Herren! Dieser ganze Gipfel in Pörtschach ist eine Aneinanderreihung von Peinlichkeiten innerhalb unserer Regierung. Die Ankündigungen von seiten der Regierungsparteien, was alles dort laut Tagesordnung besprochen werden sollte, wurden von einer Beschwichtigungstour aller SPÖ-Politiker abgelöst – mit dem Grundtenor, man dürfe all das nicht so ernst nehmen, am wenigsten die Politik.

So hat zum Beispiel der SPÖ-Abgeordnete zum Europäischen Parlament Hannes Swoboda gesagt, es sei nie vorgesehen gewesen, beim bevorstehenden Gipfeltreffen in Pörtschach irgendwelche Entscheidungen zu treffen: Pörtschach soll vielmehr erste Ideen für die zukünftige Entwicklung der Europäischen Union bringen. Deshalb sollte man sich als verantwortungsvoller Politiker davor hüten, so zu tun, als ob irgendwelche wichtigen Beschlüsse erwartet würden, nur um dann hinterher enttäuscht zu sein. – Die Enttäuschung steht, so denke ich, in bezug auf dieses Gipfeltreffen in Pörtschach in Aussicht, meine Damen und Herren!

Man kann die Ausführungen zu diesem Thema meiner Ansicht nach nicht abschließen, ohne die "Financial Times" zu zitieren. Sie schreibt, daß sie fürchtet, daß die Regierungschefs in Pörtschach sich und die Europäische Union lächerlich machen. – Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß das informelle Gipfeltreffen in Pörtschach die Regierung, dieses Land und auch die Europäische Union nicht lächerlich machen wird.

Wenn ich mir allerdings anschaue, wie heute in der Presse darüber reflektiert wird, daß es bereits französische Ängste gibt, es könnte sich durch die EU-Präsidentschaft Österreichs ein germanischer Block innerhalb der EU bilden – von London über Berlin nach Wien –, dann würde ich mir etwas mehr Fingerspitzengefühl bei all diesen Themen wünschen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Hüten Sie sich davor, daß dieser Gipfel in Pörtschach eine Lächerlichkeit wird! Machen Sie innerhalb der Europäischen Union eine glaubhafte und greifbare Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.13

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster ist Herr Bundesrat Mag. Strugl zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.13

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Etwas früher als zur gewohnten Stunde beschäftigen wir uns wieder mit einer dringlichen Anfrage der Freiheitlichen Partei. Ich habe mit großem Interesse verfolgt ... (Bundesrat Eisl: Ihr dürft aber auch eine machen, wenn euch etwas einfällt! Das ist nicht verboten!) Ich bedanke mich herzlich für das Zugeständnis.

Ich habe sehr interessiert zugehört, als Frau Dr. Riess ihre politische Hintergrundanalyse geboten hat. (Bundesrat Dr. Harring: Das kann Ihnen nicht geschadet haben!) Wie meinen Sie? (Bundesrat Dr. Harring: Wenn Sie Riess zugehört haben, kann Ihnen das nicht geschadet haben! – Bundesrat Prähauser: Er steht noch aufrecht! – Bundesrat Konečny: Er hat es gut überstanden!) Darum sage ich auch, daß das für mich sehr interessant gewesen ist.

Sie sind so weit gegangen, daß Sie sich mit persönlichen Überlegungen etwa des scheidenden Bundeskanzlers Dr. Kohl auseinandergesetzt haben. Damit haben Sie sich offensichtlich intensiv beschäftigt, was kein Fehler ist und auch nicht schadet. Denn dieser Politiker hat einen wichtigen Beitrag zur europäischen Einigung geleistet. Daher finde ich es sehr gut, daß Sie sich damit auseinandergesetzt haben. Ich sage Ihnen auch, daß ich Ihnen in einem sehr wichtigen Punkt, den Sie in den einführenden Erläuterungen Ihrer Anfrage angeschnitten haben, nämlich in der Frage der Subsidiarität und Bürgernähe, durchaus folgen und zustimmen kann – nicht


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allerdings in manchen Formulierungen, die in Ihrer Anfrage stehen, weil sie mir sehr einseitig zu sein scheinen. Aber das ist meiner Ansicht nach eine Frage des Politikstils, und diese Diktion, wie sie auch hier verwendet wurde, ist uns nicht neu.

Um nur zwei Dinge herauszugreifen: Sie reden davon, daß die Skepsis der Bürger gegenüber der Europäischen Union zutage trete. Das ist nichts Neues. Was Sie allerdings verschweigen, ist, daß die Europäische Union diesbezüglich auf dem Weg der Besserung ist. Das heißt, die Skepsis nimmt eher ab und nicht zu. Das müßte man ebenfalls dazusagen.

Weiters sprechen Sie von "EUphorikern", und man bekommt, wenn man den Text Ihrer Anfrage liest, den Eindruck, daß dieser europäische Prozeß mit Subsidiarität überhaupt nichts zu tun habe. Das ist ein politischer Standpunkt. Allerdings hätten Sie auch dazusagen können, daß das Subsidiaritätsprinzip im Vertrag von Maastricht verankert ist und daß wir im Amsterdamer Vertrag ein Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität haben. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Aber es ist nicht umgesetzt!)

Aber ich weiß schon, was Sie meinen. Ihnen geht es ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie haben mir nicht zugehört oder es nicht verstanden! Es steht drinnen, aber es wird nicht umgesetzt! Das sagt Frau Stenzel auch! Darum würde ich bitten, daß Sie Ihre Worte auch an Ihre Frau Kollegin Stenzel richten!) Wenn Sie mich ausreden lassen würden, Frau Dr. Riess-Passer, dann hätten Sie gehört, daß ich das auch angefügt hätte. Aber ich tue es jetzt trotzdem.

Ich habe Sie nicht falsch zitiert, sondern ich habe gesagt, das hätte man auch dazusagen können. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das habe ich auch gesagt!) Ich verstehe auch, was Sie meinen, nämlich daß es Ihnen um die verstärkte Anwendung der Subsidiarität geht. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ja, durchaus!) Das ist nachvollziehbar und verständlich, und darin sind wir uns auch einig. Ich habe ebenfalls die Passage im Protokoll des Europäischen Parlaments gelesen, in der der Herr Bundeskanzler erklärt hat, was er unter Subsidiarität versteht. Auch ich muß sagen, daß ich es nicht ganz verstehen und nachvollziehen konnte. Vor allem fehlt mir in diesem Zusammenhang eines, was aus meiner Sicht zur Subsidiarität gehört, nämlich die Verantwortlichkeiten auf den verschiedenen Ebenen, speziell was die Mitgliedstaaten, die Länder und die Regionen betrifft.

Allerdings muß ich Ihnen folgendes sagen, Frau Dr. Riess: Ihre Belehrung darüber, was Subsidiarität bedeutet, mutet etwas seltsam an. Das sage ich für mich persönlich: Fragen Sie einmal Ihre Kollegen in Salzburg, wie sie in Ihrer Partei Subsidiarität erlebt haben! (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Ich denke, da sollte die Treppe von oben nach unten gekehrt werden, und da sollten wir nicht mit verschiedenem Maß messen.

Aber ich sage es Ihnen noch einmal ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Aber reden wir auch darüber, wie Herr Khol von der ÖVP im Parlament mit den Leuten umgeht und wie er das macht!) Auch darüber können wir reden. Das ist für mich überhaupt keine Schwierigkeit. (Bundesrat Konečny  – in Richtung Bundesrätin Dr. Riess-Passer –: Aber das weiß er besser als Sie! – Weitere Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Staatssekretär in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers die Anfrage beantwortet hat, möchte ich die Gelegenheit nicht versäumen, aus Ländersicht noch die eine oder andere Anregung mitzugeben. Es ist durchaus begrüßenswert, daß der Herr Bundeskanzler diese europäische Tournee gemacht hat, aber ich denke, es wäre vernünftig und wünschenswert, daß man auch die Länder in diesen Prozeß miteinbezieht, speziell wenn es um das Thema Subsidiarität geht.

Es gibt eine übereinstimmende Meinungsbildung in den Ländern darüber, wie man sich in diesem Bereich eine Verbesserung vorstellen könnte. Das könnte etwa dadurch geschehen, daß das Subsidiaritätsprotokoll schon vor Inkrafttreten des geänderten Vertrages angewendet werden könnte. Man könnte damit auch die Bürgernähe sowie den Willen zur Bürgernähe und zur Subsidiarität ernsthaft dokumentieren. Wenn dazu eine Erklärung auf dem Gipfel in Pörtschach, der ja keiner ist, wie wir gehört haben – auch, wenn es nur informell ist –, erfolgen könnte, wäre das ein wichtiges Signal. Vor allem wäre es meiner Ansicht nach gut, daß die Länder beteiligt


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und einbezogen werden, wenn es darum geht, die Einzelheiten der Anwendung des Subsidiaritätsprotokolls auszuarbeiten.

Einen weiteren Punkt möchte ich erwähnen, nämlich die Vollziehung des EU-Rechts, die aus der Sicht der Länder eine Aufgabe der Mitgliedstaaten, der Regionen und Kommunen darstellt und nicht in erster Linie eine von Vollzugsbehörden der EU-Kommission. Da geht es vor allem darum, daß allfällige übermäßige Berichtspflichten zurückgedrängt werden, weil diese natürlich die Verwaltung und die Wirtschaft sehr belasten, so wie das derzeit in einigen EU-Rechtsakten vorgesehen ist.

Ein weiterer Punkt ist die Möglichkeit, für die Regionen und für den Ausschuß der Regionen ein Klagerecht zur Wahrung der eigenen Mitgestaltungsrechte und zur Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu haben, wiewohl wir der Meinung sind, daß sich der Ausschuß der Regionen zu einem Organ der Europäischen Union mit vollen Rechten weiterentwickeln sollte.

Ganz wichtig ist auch aus meiner Sicht – auch das geht aus dieser Stellungnahme der Länder hervor – eine klare Trennung zwischen den Aufgaben von EU und Mitgliedstaaten, nämlich im Sinne einer verbesserten und exakteren Abgrenzung der Kompetenzen, zumal die derzeitige Kompetenzabgrenzung nicht immer geeignet ist, eine klare Trennlinie zwischen dem europäischen Handeln und der Verantwortung der Mitgliedstaaten und Regionen zu ziehen – dies vor allem deshalb, weil eben die Kompetenznormen in erster Linie auf abstrakte Ziele ausgerichtet und weniger sachgebietsbezogen formuliert sind.

Damit könnte man auch der Tendenz entgegenwirken, daß mit dem Hinweis der Binnenmarktzuständigkeit immer mehr Aufgabengebiete gemeinschaftlich geregelt werden sollen. Ich erwähne diesbezüglich nur die Raumordnung und die Sozial- und Gesundheitspolitik. Da werden natürlich regionale Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt.

Ein Katalog von EU-Zuständigkeiten im Sinne von ausschließlichen, nicht ausschließlichen und ergänzenden Zuständigkeiten wäre also wünschenswert – mit einer Generalklausel zugunsten der Mitgliedstaaten, nämlich daß all das, was nicht von diesem Katalog erfaßt ist, dann in der Kompetenz der Mitgliedstaaten läge.

Diese Frage der exakten Abgrenzung der Kompetenzen sollte auch aus Ländersicht zum Gegenstand der nächsten Regierungskonferenz gemacht werden, und es wäre wünschenswert – ich bitte, das auch entsprechend weiterzutragen –, die Länder von Anfang an in diese Vorbereitungen miteinzubeziehen. In diesem Sinne ergeht auch die Bitte an den Bundeskanzler beziehungsweise an Sie, Herr Staatssekretär, daß auch diese Anliegen bei dem informellen Treffen in Pörtschach eingebracht werden. Ich glaube, dann hätten wir etwas Konkretes, und dann könnten wir vielleicht auch mit den Ergebnissen und Beratungen durchaus zufrieden sein, um nicht zu sagen stolz, so wie Sie das formuliert haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.24

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Konečny. – Bitte.

15.24

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es gehört zu den schönen Dingen der Demokratie und zu den schönen Dingen der Geschäftsordnung des Bundesrates, daß sie nota bene der Opposition eine Menge Rechte einräumt. Selbst bei dieser Opposition, mit der wir konfrontiert sind, ist der grundsätzliche Tatbestand nicht außer Kraft gesetzt, daß die Kritik und die Auseinandersetzung mit der Opposition jeder Regierung guttut. Es ist allerdings die Entscheidung der Opposition, solche Rechte weise einzusetzen. Ob das heute geschehen ist, möchte ich heftig bezweifeln. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie bezweifeln das jedes Mal!) Ein Recht anzuwenden, heißt eben auch, sich der Lächerlichkeit preiszugeben, was den Freiheitlichen mit ihrer heutigen Anfrage zweifelsfrei in eindrucksvoller Art und Weise gelungen ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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Ich habe nicht die geringste Lust, mich zwei Tage vor Beginn dieser informellen Beratung in Pörtschach mit Ihnen darüber zu unterhalten, welche Ergebnisse diese Zusammenkunft zeitigen wird. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Bitte, wie meinen? (Bundesrätin Mühlwerth: Warum machen Sie es dann? – Bundesrat Dr. Tremmel: Warum haben Sie sich dann zu Wort gemeldet?)  – Weil ich Ihnen unter anderem das, was ich Ihnen gesagt habe – was Sie sichtlich geärgert hat! –, zu sagen das dringende Bedürfnis hatte. (Bundesrätin Mühlwerth: Sie wollen es zwar nicht, aber Sie tun es!)

Wir können uns gerne bei unserer nächsten Sitzung oder im EU-Ausschuß, den wir, wenn ich das richtig mitbekommen habe, vor der nächsten Plenarsitzung anberaumt haben, über die tatsächlichen Ergebnisse unterhalten. Ich glaube, daß – man kann immer mehr verlangen und sich immer mehr wünschen – diese Diskussion damit gegenstandslos ist.

Aber was mich ehrlich gesagt gestört hat, ist wieder einmal diese Fülle von Unterstellungen, die mit der Präsentation dieser Anfrage und auch mit dem Wording dieser Anfrage verbunden ist.

Frau Kollegin Riess! Es ist richtig, die elf sozialdemokratischen Regierungschefs treffen sich vor Beginn dieser informellen Beratungen zu einer Sitzung. Woher haben Sie eine realistische Begründung für den locker dahingesprochenen Vorwurf, daß dies auf Kosten des österreichischen Steuerzahlers geschieht? (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Weil das ein Faktum ist!) Ja, genauso ist es: Sie unterstellen in einer beispiellosen Art und Weise! So wie die Schelmin denkt, unterstellt sie es den anderen. Das ist keine Form der politischen Auseinandersetzung! (Beifall bei der SPÖ.)

Selbstverständlich treffen wir einander, wir haben einander etwas zu sagen, aber es ist ganz klar, daß wir uns unser Mittagessen und unsere Tagungsmöglichkeiten selbst bezahlen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist ein Faktum! Jedes Wort ist belegt, das ich gesagt habe! Jede Zahl ist belegt!)  – Frau Kollegin! Ich bin am Wort, und ich habe nicht die Absicht, hier eine Zwischenrede zu gestatten! Diese Frechheit, so etwas zu unterstellen (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Eine Frechheit ist, daß Sie sich hinstellen ...!), ist eine politische Methode, die wir in diesem Land nicht einreißen lassen dürfen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Das gilt auch für Sie, Herr Kollege, aber Sie können sich noch melden. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wollen Sie die Zensur einführen?) Ja, die Zensur der Wahrhaftigkeit werde ich ausüben, darauf können Sie sich verlassen! In diesem Haus wird nicht ungestraft die Unwahrheit gesagt – und wenn Sie noch so schreien! (Bundesrätin Dr.  Riess-Passer: Das ist Ihre Denkungsart! Sie schreien!)

Sie, meine Dame, haben zu unterstellen versucht, Sie haben einmal mehr ohne den geringsten Grund verdächtigt, und das wird es hier nicht mehr geben! Allein der Tonfall, in dem Sie von den "sozialistischen Regierungschefs" gesprochen haben (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wieso?), beweist, was Sie tatsächlich stört: daß es ein Team, wenn man so will, von Menschen gibt, die eine gewisse politische Nähe zueinander haben und bei denen tatsächlich die Möglichkeit besteht, daß ein solcher Nachdenkprozeß zu konkreten Resultaten führt.

Ich weiß nicht, wie Sie das mit dem Nachdenken halten, aber ich persönlich halte es für den wohl wichtigsten politischen Vorgang, daß Menschen nicht mit festgefügten Positionen, nicht mit klaren Vorstellungen, was unbedingt sein muß, zusammentreffen, sondern sich darüber austauschen, was es an Ideen gibt, was es an Möglichkeiten gibt, und auf diese Weise letztendlich zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. )

Pörtschach ist natürlich auch im Zusammenhang mit dem Gipfel in Wien zu sehen. Das hat auch einen vorbereitenden Charakter. Und das, was Sie so lächerlich gemacht haben, nämlich daß der Herr Bundeskanzler von Hauptstadt zu Hauptstadt eilt, gehört zum guten, so muß ich sagen, selbstverständlichen Repertoire der Europäischen Union als "Tour des Capitales". Es ist die Aufgabe der Präsidentschaft, in einer Art qualifizierten Meinungsumfrage die Auffassungen der Partner einzuholen, auch ein bißchen Botschafterdienste zu leisten, weil man nur so zu gemeinsamen Standpunkten kommen kann.


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Pörtschach ist das genaue Gegenteil von einem Medienspektakel. Pörtschach ist der Versuch, so gut das eben bei 15 Regierungschefs geht  –  das geht nicht sehr gut; das gebe ich schon zu –, in einer ruhigen Atmosphäre miteinander zu sprechen. Aus den wenigen Stunden, die uns insgesamt für diese Tagung zur Verfügung stehen, ist ein Maximum an Tagungszeit und Gesprächszeit herausgeholt worden. All jene Events, die Sie anführen zu müssen gemeint haben, finden in Wirklichkeit nicht statt. Es gibt keine Blasmusik und auch keine Ballons oder sonst irgend etwas. Was es gibt, ist konzentrierte ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ich habe kein Wort von Blasmusik gesagt! Das war in Graz! Zitieren Sie wenigstens richtig!)  – Frau Kollegin! Bitte könnten Sie das Maschinengewehr abstellen? (Heiterkeit.) – Ich bitte Sie, sich zu Wort zu melden, dann können Sie sagen, was Sie meinen. Ich bin ein großer Anhänger und auch ein großer Ausübender des pointierten Zwischenrufes, aber der zehnminütigen diesbezüglichen Begleitmusik einer Rede hänge ich tatsächlich nicht an. (Ruf bei den Freiheitlichen: Es kommt auf die Rede an!)

Meine Damen und Herren! Pörtschach wird ein Erfolg. Es wird zwar nachher kein hundertseitiges Papier herauskommen, aber wir werden einem Klärungsprozeß nähergekommen sein, und wir werden eine Menge von Themen behandelt haben, bei denen die Meinungen der Mitgliedstaaten heute noch weit auseinandergehen. Ich weiß, daß es – nicht nur von Ihrer Seite – Kritik an der Tagesordnung gibt. All diese Kritiker, die meinen, es seien zu viele Themen auf der Tagesordnung, begehen den gleichen Fehler, indem sie dann im nächsten Satz sagen: Außerdem gibt es noch fünf weitere Themen, über die man unbedingt reden müßte! (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Es gibt nur eines: die Subsidiarität!)

Das ist das Problem. Es gibt eine Auswahl von Themen, und es sind dies, so glaube ich, jene Themen, welche die Bürgernähe der Union unterstreichen. Denn Bürgernähe ist nicht in erster Linie eine Frage von Institutionen, sondern eine Frage, ob die Union in ihrer Politik die Themen, die den Menschen am allermeisten am Herzen liegen, auch tatsächlich "erwischt". Es ist keine Frage, daß in einem Staatenverband mit 18 oder 20 Millionen Arbeitslosen die Frage der Ankurbelung der Wirtschaft und die Frage der Beschäftigung deshalb bürgernahe Themen sind, weil die Arbeitslosigkeit so viele Bürger betrifft, und das hat für uns Vorrang! (Beifall bei der SPÖ.)

Irgendwie habe ich den Eindruck, daß wir uns dafür zu entschuldigen hätten, daß wir uns "erfrecht" haben, diese Tagung in Kärnten zu machen. Meinem Empfinden nach haben Sie signalisiert – Sie haben es nicht gesagt –, daß es sozusagen auf der Kärntner Showbühne einen Darsteller gibt, und dem dürfe man nicht Konkurrenz machen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat damit überhaupt nichts zu tun!)

Wir haben uns "erfrecht", in einem Land, das schwere Probleme mit seinem Fremdenverkehr hat, in einer Region, der Wörther See-Region, die im Augenblick zu den heikelsten touristischen Gebieten unseres Landes gehört, eine Tagung zu machen, die tatsächlich ein Höchstmaß an europäischer und internationaler Aufmerksamkeit nach sich ziehen wird. Ich glaube, daß verantwortungsbewußte Kärntner dafür und auch für die Investitionen, die in diesem Zusammenhang getätigt werden, dankbar sind, weil sie verstehen, daß das auch ein Angebot der Unterstützung ist.

Sie haben von den Kosten des Treffens in Pörtschach und denen der österreichischen Präsidentschaft gesprochen. Glauben Sie mir, Kärntner Touristikfachleute – eine solche, warum ist Sie denn gerade jetzt hinausgegangen?, sitzt auch in Ihrer Fraktion – wissen diese Investitionen zu schätzen, denn Sie wissen, daß es so etwas wie Umwegrentabilität gibt. Das, was an Berichterstattung von dort kommt, werden umgewandelt – dessen sind wir sicher – Kärntner Touristikbetriebe in der nächsten Saison in ihrer Kasse finden. Das war auch eine Überlegung bei der Entscheidung für den Ort, weil wir glauben, daß dieses Bundesland in einer schwierigen Situation unserer Unterstützung bedarf.

Man kann an allem Kritik üben. Es ist letztlich die Aufgabe der Opposition, Kritik zu üben. Dieser mildernde Umstand ist beim Schiedsspruch über die heutige dringliche Anfrage sicherlich zu berücksichtigen. Aber es gibt auch so etwas wie ein nationales Interesse, und wir haben ein natio


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nales Interesse daran, daß diese Präsidentschaft, für die die Bundesregierung, der Bundeskanzler, der Außenminister, alle Mitglieder der Regierung und ein bißchen auch wir mit großer Energie arbeiten, zu jenem Erfolg wird, den wir uns wünschen, weil das unserem Land – ganz egal, ob wir zur Regierung oder zur Opposition gehören – nur guttun kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

15.35

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Endlich haben wir eine konkrete Antwort bekommen auf unsere drängenden Fragen: Was passiert bei diesem Gipfel? – Tourismuswerbung – das war eine der prägnanten Aussagen des Herrn Kollegen Konečny. (Bundesrat Dr. Böhm: Er ist schon wieder weg!) Er ist weg. Er hält seine Rede und meint dann, darüber hinaus beschäftige er sich nicht mit dem Volk. Aber vielleicht übermitteln es ihm seine Fraktionskollegen: Ich bin ihm dankbar dafür, daß er uns als Opposition zugesteht, daß wir uns noch artikulieren dürfen. Er hat das Wort "Zensur" dann zurückgenommen. (Bundesrat Prähauser: Die Zensur der Wahrheit! Da hat er recht!) Die "Zensur der Wahrheit" soll er selbst einmal ernst nehmen! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Lautstärke des Kollegen Konečny ersetzt sicherlich nicht die Qualität der Argumente, die ich von ihm erwartet hätte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Staatssekretär – das sei ihm zugute gehalten – hat es wenigstens ruhig gesagt. Er hat sich über die Summen, was das tatsächlich kosten wird, hinwegbegeben. Man hätte erklären können: Bitte, wir müssen erst einmal einen Schlußstrich ziehen, und dann können wir sagen, was es kostet. (Staatssekretär Dr. Wittmann: Das habe ich gesagt!) Kollege Konečny hat gleich gesagt: Das kostet überhaupt nichts! Oder: Der Steuerzahler bezahlt nichts! – Ich würde bitten, daß fraktionell eine Abklärung darüber stattfindet: Woher kommen die erforderlichen Mittel? (Zwischenruf der Bundesrätin Schicker. )  – Frau Kollegin! Lassen Sie mich ausreden, und ich höre dann zu! Bitte rufen Sie nicht dazwischen, denn ich bin nämlich schon ein bißchen terrisch, wissen Sie. Ich möchte es genau hören. (Bundesrätin Schicker: Er hat gesagt, für das Treffen der Fraktionsvorsitzenden zahlt der Steuerzahler nichts! Und das stimmt, und das ist richtig!) Also sie legen das Hemd ab, und dann sind sie wieder Regierungschefs. Es findet ja alles in Pörtschach statt! Oder findet das nicht in Pörtschach statt? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Es ist ein inoffizielles Gespräch. (Bundesrätin Schicker: Das sind zwei Paar Schuhe!) Er zieht das Hemd des Fraktionsvorsitzenden aus, schlüpft in das Hemd des Ministerpräsidenten hinein, und dann redet er so und so. – Das könnt ihr euren Parteifreunden erzählen, aber diese glauben es euch auch nicht mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Rauchenberger: Trennung der Ausgaben!)

Zur Frage der sogenannten Lächerlichkeit, wie unsere Anfrage hier vom Kollegen Konečny bezeichnet wurde: Mein Gott, wir orientieren uns an Zitaten, wir orientieren uns an Zeitungsmeldungen, wir orientieren uns an der Meinung der Regierungsparteien. (Bundesrat Prähauser: An Gerüchten!) Deswegen habe ich zur Kenntnis genommen, daß das Tourismuswerbung ist. So steht etwa im heutigen "Standard" – wie heißt das neudeutsch? – als Headline: "Wiener EU-Aktionismus". "Mit großem Spektakel und Brimborium hat die österreichische EU-Präsidentschaft begonnen. Die Zwischenbilanz nach knapp zwei Dritteln der Zeit fällt weniger glorios aus. Man muß nicht in das populistische Geheul" – so schreibt eben die Zeitung – "von den verschleuderten Steuermillionen einstimmen" – aber wir fragen trotzdem, wie viele Steuermillionen erforderlich sind; das war jetzt extemporiert –, "um zu fragen: Wozu der ganze Aufwand, wenn am Ende wenig bis nichts bleibt, was als österreichische Initiative Spuren in der künftigen Entwicklung der Union hinterlassen könnte?" – Ende des Zitats. (Bundesrat Meier: Das wissen sie aber noch nicht, wie das Ergebnis aussieht!) O ja, sie haben ja gefragt. Sie haben den Herrn Bundeskanzler gefragt, sie haben wahrscheinlich den Herrn Staatssekretär gefragt, sie haben das Pressebüro gefragt, und daraus ziehen sie ihre Schlüsse. (Bundesrat Prähauser: Das sind alle keine Hellseher! Die können das nicht vorhersehen!) Wenn das nur der "Standard" – der


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uns bekanntlich nicht nahesteht – sagen würde, dann wäre es gut. Aber in allen Gazetten des deutschen, des englischen und des französischen Sprachraums steht das gleiche: Warum der Gipfel? – Subsidiarität hätte stattfinden sollen. – Verstimmung in Paris vor dem Pörtschach-Gipfel. – So ist abgestimmt worden! So war die Tour des Herrn Bundeskanzlers!

Mich wundert es natürlich nicht, Herr Staatssekretär! Sie sind als Inkarnation des Herrn Bundeskanzlers eine arme Haut. (Heiterkeit. – Staatssekretär Dr. Wittmann: Artikel 75 der Bundesverfassung bin ich!) Ja, ich nehme all das zur Kenntnis. Ich weiß, das haben Sie mir draußen schon gesagt.

Aber jetzt hat der Herr Bundeskanzler die Tour noch nicht ganz überstanden. – Das heißt, eigentlich hat er sie schon überstanden. Jeder hat ihm ein Packerl mitgegeben, und andere haben ihm gesagt: Bitte, Herr Bundeskanzler, Herr Vorsitzender, was soll das Ganze?

Die Einbringerin unserer dringlichen Anfrage, Frau Dr. Riess, hat es schon erwähnt: Jacques Santer hat gesagt: Wir werden nachdenken, nur worüber wir nachdenken, wissen wir noch nicht so genau. (Bundesrat Meier: Warum fährt er dann hin?)  – So wurde es ihm gesagt, und er ist immerhin Vorsitzender der Kommission, Herr Kollege Meier!

Jetzt werde ich ein wenig weiterzitieren, und ich werde auch ein bißchen konkret werden, meine Damen und Herren, weil das wirklich ein An-der-Nase-Herumführen des österreichischen Bürgers ist, was hier betrieben wird.

In dem "Standard" heißt es weiter: "Die EU-Erweiterung nach Ostmitteleuropa müßte Österreichs ureigenes Thema sein, aus bekannten Gründen. Die Ankündigungen haben sich in Luft aufgelöst. Zu groß ist die Angst der Regierungspolitiker, mit diesem Thema Wahlen zu verlieren."

Jetzt darf ich zu Ihnen kommen, Herr Staatssekretär! (Bundesrat Dr. Linzer: Das ist eine Drohung! – Staatssekretär Dr. Wittmann: Kommen Sie nur zu mir!) – Ich drohe überhaupt nicht! Herr Kollege Linzer! Wir sind beide Juristen und gesetzestreue Bürger; Sie können mir so etwas nicht unterstellen!

Herr Staatssekretär! Sie haben den Fortschreibungsbericht erwähnt, den die Regierung und die einzelnen Länder bezüglich der Beitrittskandidaten im November in Luxemburg vorlegen werden. Das haben Sie in Ihrer Beantwortung erwähnt. (Staatssekretär Dr. Wittmann: Erstens legen wir nichts in Luxemburg vor, und zweitens: Nicht die Regierung, sondern die Kommission macht den Bericht und legt ihn vor – und nicht in Luxemburg!) Der Kommission legen Sie es vor. Na gut, okay. Sie wissen es genau. Wollen wir doch nicht Wörter klauben. Wird dieser Fortschreibungsbericht vorgelegt, ja oder nein? (Staatssekretär Dr. Wittmann: Aber durch die Kommission, nicht durch die Regierung!) Er wird vorgelegt, so hat es die Kommission bestimmt.

Ich sage Ihnen noch etwas: Der Vorsitzende, das vorsitzführende Land hat dafür zu sorgen, daß die entsprechenden Mechanismen und Gesetzlichkeiten, die sie sich selbst gegeben haben, eingehalten werden. Ich komme jetzt nicht auf den wirtschaftlichen Bereich zu sprechen, sondern auf den Menschenrechtsbereich.

Im Abkommen von Kopenhagen 1993 und dem in Ratifizierung befindlichen EU-Vertrag, Artikel 6, heißt es, daß die Beachtung der Menschenrechte zwingender, imperativer Auftrag ist. Das wissen alle, und das hat zum Beispiel Herr Außenminister Schüssel in der letzten diesbezüglichen Parlamentsdebatte, als wir eine Dringliche eingebracht haben, durchaus zugegeben. (Bundesrat Bieringer: In der Nationalratsdebatte!) "Parlament" ist die Zusammenfassung von Nationalrat und Bundesrat, also: Nationalratsdebatte. Ludwig, es ist aber gut, wenn du hin und wieder einen Zwischenruf machen kannst.

Hier gibt es das Problem der AVNOJ-Gesetze von Jajce und Belgrad. Herr Bundesminister Schüssel hat den Völkerrechtler Zemann zitiert und gesagt, de facto sei das totes Recht.


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Ich darf Ihnen dieses "tote" Recht ein bißchen näher erläutern. Das wäre zum Beispiel ein Teil des Berichtes, den Sie liefern könnten.

Unter anderem gibt es da zwei Urteile, datierend aus dem Jahr 1997; einmal ist es ein Bescheid der Republik Slowenien, Verwaltungsgericht, und einmal ist es ein Verfassungsbescheid. Ich habe die deutsche Übersetzung, und darin steht folgendes: "Das Verfassungsgericht hat im Bescheid Nr. ... vom 20. 3. 1997 ... schon die Verfassungsmäßigkeit der zitierten Bestimmung des Zden beurteilt. Es hat festgestellt, daß diese Bestimmung nicht im Widerspruch zur Verfassung ist und daß sie verfassungsmäßig zulässig ist; daß der Gesetzgeber bei der Feststellung der Staatsbürgerschaft" – es handelt sich um die Denationalisierungsbereiche aufgrund der AVNOJ-Dekrete – "von der Annahme – nicht aber Fiktion –"; das war der Streit; "der Unloyalität ausgeht. Die Annahme der Unloyalität hat die Grundlage in den geschichtlich begründeten Umständen."

Damit ist eindeutig festgeschrieben – in einem Verfassungserkenntnis einerseits und in einem diesbezüglichen Bescheid andererseits –, daß diese völkerrechtswidrigen Gesetze aufrecht sind, und das vorsitzführende Land hat dafür zu sorgen, daß der Rechtsbestand in diesem Land entsprechend durchleuchtet und überprüft wird und daß berichtet wird, daß diese menschenrechtswidrigen Bestimmungen beseitigt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber man läßt sich noch wesentlich mehr gefallen. Da gibt es die slowenische Botschafterin Katja Boh, die 1997 unter anderem gesagt hat, derzeit stelle Slowenien keine Gebietsansprüche an Österreich. Als der Kärntner Landtag seinen einstimmigen Beschluß bezüglich der AVNOJ-Dekrete gefaßt hat, ist im ”Vejcer” eine hämische Karikatur erschienen. (Der Redner hebt ein Blatt mit einer Karikatur in die Höhe; darauf sind ein alter Mann und eine alte Frau zu sehen; der Mann weist mit dem Finger auf Gräber.) Der Mann sagt: "Schau Mathilde, nur da noch kann der Kärntner Landeshauptmann die deutsche Minderheit finden." – Das ist offizielle Presseberichterstattung, ohne daß das die dortige Regierung widerrufen hat!

Das, meine Damen und Herren, sollten wir ein bißchen berücksichtigen, und darüber könnten wir bei der Durchleuchtung des Rechtsbestandes auch einmal berichten.

Oder: Da gibt es den "Atlas Slowenije" – ich glaube, wir haben den Bürgermeister von Ebental, Herrn Kollegen Pfeifer, hier – , in dem dieser Ort als "Zrelec" bezeichnet wird. (Bundesrat Dr. Harring: Eberndorf!) Eberndorf, richtig. Danke!

Eigentlich sollte man auch hier darauf hinweisen, daß es den gutnachbarschaftlichen Beziehungen nicht dienlich ist und daß es nicht gut ist, wenn man die Vergangenheit so diskriminiert. (Staatssekretär Dr. Wittmann: Was hat das mit Pörtschach zu tun?)

Slowenien will zur EU, es grenzt an Kärnten an. (Zwischenruf des Bundesrates Meier. ) Die EU-Osterweiterung ist ein Thema, Herr Kollege! Wenn Sie nur mehr die Ausrede haben: Was hat das mit Pörtschach zu tun, während es bei uns um vitale Probleme geht?, dann bin ich wirklich erschüttert. Wenn nur die Probleme wichtig sind, wovon Österreich heute nicht tangiert ist und bei denen die anderen sagen: Die braven Österreicher haben ohnehin nichts gesagt!, dann ist die EU Vorsitzführung – selbst wenn sie nur nach dem Alphabet erfolgt – für Österreich überhaupt nicht notwendig.

Herr Kollege Meier! Sie haben seinerzeit einmal einen Zwischenruf gemacht. Vielleicht ist das auch chauvinistisch, wenn man die erste Strophe des Dachsteinlieds hernimmt, in dem es nach wie vor heißt: Bis ins Rebenland am Tal der Drav. – Das war ein Land, das durch Gebietsraub von der Republik Österreich entfernt wurde. Das nehmen Sie auch einmal zur Kenntnis! Oder treten Sie in der Steiermärkischen Landesregierung auf und sagen Sie, das solle abgeändert werden. (Staatssekretär Dr. Wittmann: Wir holen es eh wieder in die EU!)

Wir sind jetzt wieder bei der EU, Herr Kollege! – Ich habe Ihnen zwei Urteile zitiert. Bitte sorgen Sie dafür, daß der Rechtsbestand in Slowenien auf diese Bereiche hin durchleuchtet wird! Die Einhaltung der Menschenrechte ist aufgrund des Kopenhagener Abkommens und aufgrund des in Ratifizierung befindlichen Amsterdamer Vertrages zwingendes Rechtsgut. Das ist einzuhalten, und der Vorsitzführende hat darauf zu achten. Achten Sie darauf! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.49


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645. Sitzung / Seite 102

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Prähauser. – Bitte.

15.49

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Es fällt mir sehr schwer, den Einstieg zu finden, außer ich nehme Zuflucht in der Annahme, daß die FPÖ heute den 11. November vorverlegt hat. Für jene, die es nicht wissen: Das ist der Faschingsbeginn.

Was wir heute hier hören, erinnert mich an einen Witz, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Es ist ein Mensch gestorben, und die Witwe dieses Mannes hat den Papierkram erledigt, wie Testamentseröffnung, Versicherungen, Lebensversicherung, und auch die Autoversicherung war abzumelden. Sie hat ein paar Fehler gemacht und ist dann verständigt worden, sie möge das ausbessern. Sie hat sich dann nicht mehr zu helfen gewußt und hat an die Versicherung geschrieben: Wenn ich den Papierkram vor mir habe, wäre es mir schon fast lieber, mein lieber Mann wäre nicht verstorben.

Meine Damen und Herren! So kommt es mir vor, wenn ich daran denke ... (Bundesrat Dr. Bösch: Herr Kollege, erzählen Sie keine Witze, führen Sie eine Debatte!)  – Ich kann das, was Sie heute von sich gegeben haben, nur mit Hilfe solcher Witze aushalten, Herr Kollege Bösch! Ich werde aber darauf eingehen, obwohl es mir schwerfällt. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Dieser Witz erinnert mich an das Verhalten der FPÖ bezüglich Volksabstimmung EU: ja oder nein? – Was wäre uns erspart geblieben, wären wir nicht der EU beigetreten? – So ein Tag wie heute wäre uns möglicherweise erspart geblieben, nur hätte Österreich wesentlich mehr Probleme – viel mehr, als Sie sich eingestehen wollen. Nur haben das verantwortungsvolle Politiker vorausgesehen, und die Bevölkerung hat das in ihrer Reife erkannt und ist Ihren Meinungen und Empfehlungen Gott sei Dank nicht gefolgt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Dr. Harring: Das wird die Geschichte weisen!)

Meine Damen und Herren! Alles, was Sie hier anzetteln und aufführen, ist nichts anderes als ein schlichtes Ablenkungsmanöver von einer Tatsache, die Sie sich eingestehen müssen: daß Sie nämlich einer der größten Täuschungen aufgesessen sind, und zwar, zu glauben, daß Sie die Bevölkerung dazu bringen können, der Europäischen Union nicht zuzustimmen.

Das erinnert mich auch an Ihre Initiative Anti-Euro-Volksbegehren. Heute wird so viel darüber geredet, wieviel 50 Millionen sind. Sie haben den Bürgern 50 Millionen an Ausgaben zugemutet, um uns einreden zu wollen, der Euro wäre für Österreich schädlich, die Wirtschaft würde den Bach hinuntergehen.

Das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren! Wir brauchen nur über die Grenze zu schauen: Die Schweiz ergreift alle Möglichkeiten, korrigierend zu wirken, denn der Schweizer Franken spürt es deutlich.

Wir wissen auch, daß es EU-Länder gibt, die dem Euro nicht beigetreten sind. Wir wissen, daß eines davon Dänemark ist, und wir wissen auch, daß allein aufgrund der Tatsache, daß sich die dänische Bevölkerung gegen den Euro ausgesprochen hat, Dänemark in der Bonität vom zehnten auf den 22. Platz zurückgefallen ist (Bundesrat Dr. Harring: Denen geht es furchtbar schlecht!), während Österreich vom zehnten auf den fünften Platz vorgerückt ist.

Das sind Auswirkungen des Euro, meine Damen und Herren! Wir erleben täglich die Vorteile dieser harten Währung, wenn wir uns die Krisen im Osten, aber auch in Lateinamerika, in Südamerika vor Augen führen. Es wäre fatal, diesbezüglich die Augen zu verschließen.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich weiß, es ist schwierig, wenn man einen Fehler gemacht hat, diesen öffentlich zuzugeben, aber insgeheim wissen Sie sicherlich, daß Österreich trotz Ihrer Warnungen den richtigen Weg gegangen ist und im nächsten Jahrtausend


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bei jenen sein wird, die die Probleme, die auf uns zukommen, auch positiv bewältigen können werden.

Ich möchte ein paar Dinge aus Ihrer Präambel herausgreifen. Da ist von der Europäischen Union und ihrem Akzeptanzproblem in der Öffentlichkeit die Rede. – Meine Damen und Herren! Das ist Geschichte. Die EU ist in der Öffentlichkeit längst akzeptiert worden. Es wird darum gehen, was wir damit anfangen können werden, und daher ist es gut, daß es eine kritische Opposition gibt. Nur eine Opposition, die die EU und ihre Auswirkungen von vornherein ablehnt, ist vielleicht etwas überfordert, und das sollten Sie auch bedenken.

Weiters heißt es da, der Bürger müsse konkret an der Gestaltung Europas beteiligt werden. – Das unterschreibe ich, daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln, aber sagen Sie das auch Ihren Europa-Abgeordneten. Ihre Abgeordneten ergreifen dort mit Abstand am wenigsten das Wort, sind auch am wenigsten dort anwesend. Ich würde Ihnen empfehlen: Reden Sie in Ihrer nächsten Klubveranstaltung darüber!

Ich erwarte mir von der österreichischen Bevölkerung, daß sie da korrigierend eingreift und in Zukunft jene Männer und Frauen nach Europa schickt, die auch dazu stehen, in der Lage sind und willens sind, in Europa für Österreich etwas bewerkstelligen zu wollen.

Ich glaube, daß Viktor Klima mit seinem Ansatz, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, dieses Problem auf die europäische Ebene zu legen, einen guten Weg beschreitet. Nicht allein deshalb werden Blair und Kok mit ihm einer Meinung sein. Ich glaube, daß es in der nächsten Zeit natürlich auf uns ankommen wird. Wir müssen dieses Thema immer wieder aufs Tapet bringen. Wir wissen, daß Österreich im Vergleich zu den anderen EU-Mitgliedern, was die Arbeitslosenrate angeht, noch – noch! – halbwegs gut dasteht, nur wundert ... (Bundesrat Eisl: Aber sie sind nicht weniger geworden!) Herr Kollege Eisl! Gerade Sie als Ökonom wissen vielleicht, was es bedeuten würde, würden wir den Handelspartner EU nicht unter diesen Voraussetzungen haben, wie es heute der Fall ist. (Bundesrat Eisl: Ich möchte nur an Ihr Versprechen erinnern! Wir haben vorher gewußt, daß es dann mehr Arbeitslose geben wird! Ihr habt genau das Gegenteil gesagt!)

Herr Kollege Eisl! Das einzige, was die Opposition einmal in einem Seminar vielleicht erarbeiten sollte, wäre, sich vor Augen zu führen, was es für unseren Arbeitsmarkt bedeuten würde, wenn wir bei dieser Europäischen Union nicht dabeiwären. (Bundesrat Eisl: Das wollte ich Ihnen nur zur Wissenserweiterung sagen!) Herr Kollege! Ich glaube, daß die FPÖ ganz einfach gekränkt ist. Die FPÖ hat es versäumt, den fahrenden Zug in Richtung Europa zu besteigen, und sie hat jetzt nicht die Kraft, dem Zug hinterherzulaufen, weil ein ganzer Berg Rosenstingl im Weg liegt. (Beifall des Bundesrates Payer. )

Meine Damen und Herren! Ich weiß, wie schwierig es ist, Fehler eingestehen zu müssen und hinterherzulaufen, ohne in der Öffentlichkeit das Gesicht zu verlieren. Das verstehen wir ja, aber trotzdem: Geben Sie sich einen Ruck, springen Sie über diesen Schatten, und gehen Sie diesen Weg mit uns gemeinsam! Dann bringen wir nämlich wesentlich mehr zusammen, als wenn wir miteinander streiten. Gott sei Dank ist die Koalition stark genug, um ihren Weg unbeirrt fortgehen zu können und die Bevölkerung entscheiden zu lassen, welcher Weg richtig ist. Ich bin sicher, nicht nur Umfragen beweisen, daß die Koalition auf dem richtigen Weg ist.

Sie machen sich Gedanken darüber, daß der Bundeskanzler im Interesse Österreichs auch außenpolitisch tätig ist und Staatschefs anderer Länder besucht. Dann heißt es so locker, er hat 14 Rucksäcke gefüllt mit Sonderwünschen mitbekommen, die er nicht erfüllen kann. Meine Damen und Herren! Eines darf ich mit Sicherheit und Selbstbewußtsein sagen: Jeder einzelne Punkt, jedes einzelne Thema in diesem Rucksack wird zumindest zur Diskussion gebracht werden – ganz anders als die Themen in jenen Rucksäcken, die Ihr Parteichef auf dem Rücken hat: den Rucksack der Wiener Partei, den Rucksack mit der Kärntner Situation, den Rucksack des Kindergartens aus Salzburg, wie wir wissen, jenen des Bettvorlegers Schnell, der es für meine Begriffe sehr schwer haben dürfte, in Zukunft reüssieren zu können; er hat sein Gesicht als


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"Rucksack" total verloren. Und dann gibt es da noch den Rucksack von Beratern des Herrn Parteiführers, die an die Genitalien greifen, wie wir wissen.

Das sind natürlich andere Probleme als jene, wie Europa in das nächste Jahrtausend gebracht werden kann. Da muß man natürlich ablenken, um die eigene Schwäche zu verdecken. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß Österreich gut beraten ist, die Regierung auch mental auf ihrem Weg in Europa zu unterstützen. Die Bevölkerung hat es schon einmal bewiesen, sie ist der FPÖ nicht gefolgt. Sie hat es ein zweites Mal beim Euro bewiesen und ist der FPÖ nicht gefolgt. Es wird für Sie natürlich zunehmend schwerer werden, sie auf Ihre Linie zu bringen. Mich stört das nicht, mich freut das, denn ich weiß, daß der Weg der Sozialdemokraten, der ÖVP in Europa, von Rosenstingln befreit, nur richtig sein kann. Dafür werden wir Sozialdemokraten stets eintreten und arbeiten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.59

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

16.00

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Betreffend den Gipfel von Pörtschach plätschert es schon lange im See bei Klagenfurt, im Wörther See. Es plätschert, und man hofft, endlich Konkretes darüber zu hören, welche Themen überhaupt angeschnitten werden. Jacques Santer verlangt Signale: Das ist natürlich ein Mordsthema, daß ein Signal gesetzt werden soll, nicht wahr? – Staatssekretär Wittmann erwähnte hier, daß ein Prozeß in Bewegung gesetzt werden soll. Ist das also ein Prozeß für Signale, oder geht es um ein Signal, welches prozessieren soll, Herr Staatssekretär? – Ich meine, daß es notwendig wäre, daß die Verantwortlichen endlich einmal sagen sollten, was sie eigentlich vorhaben!

Daß es zu diesem Gipfel in Pörtschach gekommen ist, haben wir – wie Ihnen wahrscheinlich auch bekannt ist – Präsidenten Mandela von Südafrika zu verdanken. Er war auch in Cardiff, ist aus irgendeinem Grund zu früh gekommen, und Tony Blair wollte ihn nicht sitzenlassen und hat daher gesagt: Diskutieren wir beim nächsten Treffen über die Subsidiarität! – So wurde der Gipfel der Bürgernähe geboren! So einfach ist Politik! So war es! Lesen Sie es nach! Sie haben es sicherlich auch in Ihren Unterlagen, und wenn nicht, kann ich es Ihnen fotokopieren. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Linzer. ) Eigentlich ist die Art, wie wir zu einem solchen Gipfel wie diesem in Pörtschach kommen, daß wir dazu Nelson Mandela als eine Art Entwicklungshelfer aus Südafrika brauchen, sehr schön, denn dann kommt einmal etwas retour. Ich halte das auf jeden Fall für gut! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Staatssekretär Dr. Wittmann: Haben wir nicht noch irgend jemanden?)

Schauen Sie: Ein solcher Gipfel ist ungefährlich, wenn man – so wie Präsident Chirac – vorhat, mit Herrn Zernatto gemeinsam in die Sonntagsmesse zu gehen. Wer betet, kann nicht fehlgehen, kann ich Ihnen nur sagen, Herr Staatssekretär! Beten Sie und Ihr Team weiter! Dann können Sie keine Fehler machen, und es kommt der Republik billig! Wenn Sie aber zu arbeiten beginnen oder vorgeben zu arbeiten, Herr Staatssekretär, dann geht das in die Millionen!

Wir haben uns heute schon hie und da über die eine oder andere Nulldifferenz unterhalten: Die Milliarde, die dieses halbe Jahr der österreichischen Bevölkerung gekostet hat, war es wert, nach Pörtschach zu fahren. Reden wir dann über Kartoffelsalat oder Erdäpfelsalat? Sind wir österreichisch, oder machen wir Wiener Schnitzel? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der von mir sehr verehrte Doron Rabinovici schreibt in einem durchaus launigen Artikel im "Standard" – daraus wurde teilweise schon von meinem Vorredner Kollegen Bösch zitiert –: "Der Kanzler wird zu einer multipotenten" – multipotenten sogar! – "Schimäre, zur hochgezüchteten Kreuzung, und da in der Biotechnologie bereits die Mischform zwischen Schaf und Ziege" – man höre! – "existiert, mutiert auch das österreichische Regierungsoberhaupt zur politischen Schiege. " – Wenn das das Ergebnis von Pörtschach ist, daß man eine neue Tierrasse gezüchtet hat, dann freue ich mich darüber. (Bundesrat Bieringer: Können Sie nicht noch ein bißchen tiefer greifen?) Die österreichische Landwirtschaft wird es Ihnen danken! Hoffentlich ist


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dieses neue Tierchen dann nicht EU-abhängig! (Bundesrat Bieringer: Wenn Sie dazu nichts Besseres zu sagen haben, dann schweigen Sie lieber!) – Herr Kollege! Ich überlasse Ihnen gerne das Rednerpult. Sie können es dann tiefer stellen und Ihr Thema vorbringen! (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Sie haben das schon einmal gesagt, Herr Kollege! Sie wiederholen sich! Sie sind Ihr eigener Epigone!

Meine Damen und Herren! Bruno Kreisky hat zu seiner Zeit gerne zitiert, was einer seiner Verwandten einmal gesagt haben soll: Mach dich nicht so klein, du bist nicht so groß! – Wir Österreicher machen das Gegenteil: Wir blasen uns zum Teil auf wie ein Ochsenfrosch, bringen jedoch keine Konferenz zu einem substantiellen Thema zustande. Ich möchte Ihnen jetzt ein paar Themen nennen, mit denen Sie durchaus reüssieren können, damit die "Financial Times" Bundeskanzler Klima nicht wieder den Rat gibt, die Konferenz abzusagen, weil sie sinnlos ist – das schreibt die "Financial Times"!

Ich nenne Ihnen also einige Themen, wie etwa: Weniger attraktive Gehälter für die EU-Kommission und ihr Personal in Brüssel. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Das wäre doch etwas! Oder: Zur Verhinderung zentralistischer, bürokratischer Eigeninteressen der Kommission ist die Wiederwahl und die "Wiedererneuerung" der Kommissionsmitglieder und deren Beschäftigung auszuschließen. – Das wäre auch etwas, denn wir alle unterliegen dem Diktat der Kommission und nicht einem vermeintlichen Parlament, welches es in Brüssel und Straßburg nicht gibt. Das Parlament sind wir, uns hat man jedoch die Kompetenz entzogen. Wir können nur im nachhinein darüber reden.

Oder: Das Wachstum des EU-Haushaltes ist zu begrenzen, am besten einzufrieren. Meine Damen und Herren! Dann bräuchten wir uns nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, wie wir unsere Beiträge nach Brüssel zahlen.

Oder: Die oftmals geforderte Steuereinhebungskompetenz ist der EU zu verweigern. – Das ist ein wesentlicher Punkt, denn es geht jetzt darum, daß die EU in Zukunft selbst Steuern einheben kann. Das ist unbedingt zu verhindern! Denn damit versteinert man nur die Kommission, die sich nicht erneuern lassen will.

Fünftens: Den Teilnehmerländern ist in den Satzungen ein niedergelegtes Austrittsrecht einzuräumen. Denn was ist das für eine Vereinigung, aus der man nicht einmal austreten kann?

Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Das wären ein paar Punkte, über welche man in Europa, bei dieser Konferenz in Pörtschach, durchaus diskutieren könnte: Steuern, Kommission, Austrittsrecht und die attraktiven Gehälter der Kommissionsmitglieder. Wenn Sie das in den Griff bekommen, dann könnte ich sagen: Wir haben heute eine Tagesordnung beschlossen, die sich sehen lassen kann. Die Betroffenen wissen nämlich bis jetzt noch nicht, welche Tagesordnung es geben wird.

Europa ist jetzt so wirr, wie Europa mythologisch gesehen gelebt hat. Europa war die Tochter des Phönix und der Perimede. Sie ist am Strand baden gegangen – siehe Pörtschach, dort gehen Sie vielleicht auch baden, weil alles recht locker stattfindet –, und wer nähert sich der Europa? – Zeus in seiner Verkleidung als Stier. Dieser Stier entführt sie, und aus dieser Verbindung entstehen Kinder. Europa wird dann aber trotzdem mit einem anderen König verheiratet. – Herr Staatssekretär! Ich sage Ihnen: Diese Verwirrungen um Europa spiegeln sich in dieser Konferenz wider! Nur wissen wir, die wir auch die Interessen der Landwirtschaft vertreten müssen, daß uns das nicht behagt, wenn ein Stier kommt und uns entführt! (Bundesrätin Schicker: Was haben Sie gegen Tiere!)

Sie wissen, daß es die Absicht unseres Kommissars Fischler ist, daß die Agrarreform, die in der Agenda 2000 vorgesehen ist, eine Senkung der garantierten Preise für Rindfleisch, Getreide und Milch um bis zu 30 Prozent mit sich bringen soll. Meine Damen und Herren! Wer diese Zahl hört und weiß, wie hoch die Preise jetzt sind, wird sich vorstellen können, daß sich der eine oder andere Landwirt in Zukunft nicht mehr als Landwirt betätigen können wird, weil er sich den Luxus, Stierchen oder eines dieser Kunstprodukte zu züchten, dann nicht mehr leisten können wird. Weder eine Ziege noch ein Schaf werden wir uns dann leisten können! Und die Landwirt


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schaft – eine unserer großen Stützen des Fremdenverkehrs –, diese Kulturlandwirtschaft, wird eingehen!

Wenn mein Kollege Prähauser sagt: Die Konferenz in Pörtschach ist gut für den Fremdenverkehr!, dann kann ich ihm nur sagen: Lieber Kollege! Für den Fremdenverkehr brauchen wir andere Dinge als eine Regierungskonferenz! Dafür haben wir ohnehin Gunter Sachs, Udo Jürgens, und wie sie alle heißen, die dort unten trällern. (Bundesrat Prähauser: Aber leider Jörg Haider auch, und darum bleiben die Holländer aus, das ist das Problem! – Zwischenruf des Bundesrates Payer. ) Ja, das können sie ruhig. Ich freue mich, daß dort eine Konferenz stattfindet!

An Kollegen Konečny gerichtet, der hier gemeint hat, daß er sich besonders auf diese Konferenz festlegen muß: Natürlich muß er sich festlegen, er hat sich schon einmal als Partner der Regierung bezeichnet und lebt diese Partnerschaft mit voller Überzeugung. Ich wäre fast enttäuscht gewesen, wenn Kollege Konečny heute etwas anderes gesagt hätte. Er ist ein linientreuer Partner der Regierung. Akzeptiert! Wir kennen die Spielregeln.

Die Landwirtschaftspolitik, die wir in Brüssel vertreten haben, kommt mir vor wie ein Kleid mit Faltenwurf, aus dem hie und da Probleme hervorschauen. Was soll denn geschehen? – Die Exportsubventionen sollen aufgegeben werden. Sagen Sie, daß das nicht stattfinden soll! Sonst machen wir wieder den Kotau vor der Welthandelskonferenz, die im Jahr 1999 tagen wird, und die österreichischen Landwirte erbringen schon wieder eine Art Vordienstleistung. Es sollen auch die neuen demokratischen Länder aufgenommen werden, die eine sehr hohe landwirtschaftliche Bevölkerungs- und Beschäftigungszahl haben. Das ist der Preis, den wir für die Aufnahme zahlen werden: Der Preis für die Aufnahme wird das Zugrunderichten der österreichischen Landwirtschaft sein. Es geht aber nicht nur um unsere, auch in Deutschland fürchtet man sich.

Oder es wird behauptet – das stimmt zum Teil auch, und es wird damit politischer Druck ausgeübt –, daß der EU-Haushalt übergewichtig auf Agraraufgaben festgelegt ist. Meine Damen und Herren! Erst werden die Agraraufgaben entnationalisiert, und dann klagt man darüber, daß die Agraraufgaben einer der wesentlichen Ausgabenposten des europäischen Budgets sind! So kann man doch nicht vorgehen! Hätten wir uns diese Sachen doch etwas besser überlegt! Ich halte Kommissar Fischler wirklich für einen agrarpolitischen Landesverräter, das muß ich schon sagen. So etwas wie das, was er jetzt mit unseren Bauern aufführt, habe ich noch nicht erlebt. Er ist ein agrarpolitischer Landesverräter. Und solche Leute wollen wir jetzt in Pörtschach noch mit Wiener Schnitzeln und Erdäpfelsalat bewirten! (Staatssekretär Dr. Wittmann: Fischler ist nicht dabei!) Es fehlt Ihnen und Ihren Kollegen die Möglichkeit und das Vermögen, die Agraragenda für die Bauern und für die Konsumenten gerecht zu gestalten! Man huldigt dem Zeit- und dem Neidgeist und der Mondialisierung. Herr Staatssekretär! Huldigen Sie doch endlich einem – und sei es nur ganz geringfügigen – Patriotismus! Lassen Sie die österreichischen Bauern nicht zugrunde gehen! Es wäre schade, wenn Sie mit daran beteiligt wären!

Dafür gibt es andere Interessen, die der Herr Bundeskanzler pflegt. Es liegt mir ein Brief vor, den er an die österreichische Gesellschaft zur Hilfe an das Tibetische Volk geschrieben hat. In diesem Schreiben heißt es: "Für Österreich ist es sehr wichtig, daß die einmalige tibetanische Kultur und Sprache bewahrt werden, genauso wie die ethnische Identität des tibetanischen Volkes und seine religiösen Freiheiten." – Ich wollte, der Herr Bundeskanzler würde solche Worte auch für jene Österreicher finden, die aus dem ehedem deutschen Kulturkreis vertrieben worden sind. Mein Kollege Tremmel hat schon jene Deutschen genannt, die aus Slowenien vertrieben worden sind, aber selbstverständlich gibt es da auch noch die vielleicht viel größere Zahl ... (Zwischenruf des Bundesrates Richau. ) Sie haben völlig recht, dafür soll er sich einsetzen, aber nicht für die Tibetaner! Er soll sich für die Tibetaner einsetzen, wann er will, aber als Bundeskanzler hat er sich vor allem für unsere Bevölkerung einzusetzen!

Sagt Ihnen das Dekret des Präsidenten der Tschechischen Republik vom 19. Mai 1945 etwas? – In diesem heißt es: "Das Eigentum staatlich unzuverlässiger Personen auf dem Gebiet der Tschechoslowakischen Republik ist der Nationalverwaltung ... unterstellt." "§ 4. Als staatlich


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unzuverlässige Personen sind anzusehen: a) Personen deutscher und magyarischer Nationalität ..." – Damit sind auch jene gemeint, die diese Sprache sprechen und jüdischer Herkunft sind.

Oder: Im Dekret des Präsidenten vom 21. Juni 1945 ist zu lesen: "§ 1. Mit sofortiger Gültigkeit und ohne Entschädigung ist für die Zwecke der Bodenreform das landwirtschaftliche Eigentum konfisziert, welches sich im Eigentum befindet: a) Aller Personen deutscher oder magyarischer Volkszugehörigkeit, gleich welcher Staatszugehörigkeit ..."

Jetzt kommt der Oberhammer. Am 19. September 1945 folgt das Dekret des Präsidenten: "Wer auf Grund des Dekretes vom 2. 8. 1945" – das betrifft alle Deutschen – "die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren hat, unterliegt der Arbeitspflicht (Zwangsarbeit)."

Krönung freilich ist das Gesetz vom 8. Mai 1946 "über die Straflosigkeit von Handlungen, welche mit dem Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zusammenhängen". Dessen § 1 bestimmt: "Eine Handlung, welche nach geltenden Vorschriften eine gerichtliche Straftat begründet, ist nicht strafbar, wenn es zu ihr kam in der Zeit vom 30. September 1938 bis zum 28. Oktober 1945 auf Grund des Wiedererkämpfens der Freiheit der Tschechen und Slowaken oder der Ausdruck der Sehnsucht nach einer gerechten Vergeltung für Taten der Okkupanten und ihrer Helfershelfer war." – Auf diese Weise wurde die Menschenjagd sanktioniert. Ein solcher Staat beziehungsweise dessen Staatsvertreter, die diese Gesetze immer noch gutheißen und sich nicht für diese Gesetze und die Schandtaten von damals entschuldigen, können nicht unsere Gesprächspartner sein, Herr Staatssekretär! Für solche Gesprächspartner müssen wir uns alle, egal welcher Partei wir angehören, eigentlich genieren. Wir können solche Leute nicht als Gesprächspartner annehmen.

Ich bitte Sie sehr nachdrücklich: Sagen Sie Ihren Kollegen bei der Konferenz, daß Staaten, die für solche Unmenschlichkeiten heute noch nicht um Vergebung bitten, keinen Platz in einem geeinten Europa haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Harring. – Bitte.

16.17

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bei der Wortmeldung des Herrn Kollegen Konečny habe ich mir heute gedacht, daß man, wenn man eigentlich im Recht ist, die Ruhe nicht so ohne weiteres zu verlieren braucht. Man neigt aber dazu, wenn man sich ertappt fühlt, etwas lauter zu werden, und nachdem das heute immer wieder vorgekommen ist, habe ich mir trotz der interessanten und sicher geistreichen Wortmeldung gedacht, daß es auch von psychologischem Interesse ist, was in Herrn Kollegen Konečny vorgeht. Allerdings gibt er meistens seine Wortspende ab und verschwindet dann, sodaß wir mit ihm nicht mehr ... (Bunderätin Schicker: Meistens nicht, nur heute!) – Ja, Frau Kollegin, gut!

Ich hätte ihm allerdings ganz gerne etwas zur Unterstützung des Fremdenverkehrs gesagt. (Bunderätin Schicker: Wir werden es ihm weitergeben!) Wenn Herr Konečny davon spricht, daß es eine gute Idee ist, in Pörtschach in der letzten Oktoberwoche etwas für die Förderung des Tourismus zu tun und dafür 50 Millionen Schilling auszugeben, dann muß ich tatsächlich sagen: Man kann von vielem etwas verstehen, aber man kann nicht von allem etwas verstehen! Denn die Betriebe in Pörtschach sind seit Ende September alle geschlossen. Der Herr Bürgermeister ist persönlich von Hotel zu Hotel gewandert und hat die Betriebe ersucht, für drei bis vier Tage aufzusperren. Aber es ist kein Koch da, und es ist kein Personal mehr da. Ende Oktober bietet Pörtschach einen traurigen Anblick. Sie werden das selbst sehen. Das ist keine freiheitliche Böswilligkeit. Sie werden dann in den Medien lesen, daß es neblig war, daß alle Geschäfte geschlossen waren und kein Wirtshaus offen hatte. – Das ist kein Rahmen für eine touristische Unterstützung! Daher kann man nicht sagen: Seid froh, ihr Kärntner, daß wir euch das verschafft haben! – Denn es bringt nichts, für Pörtschach ist das um einen Monat zu spät gekommen. Um 50 Millionen Schilling, Herr Kollege, hätte man sich auch etwas anderes einfallen


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lassen können, wenn man den Tourismus unterstützen will! (Bundesrat Meier: Es finden sich bestimmt andere Regionen, die das gerne übernehmen würden!)

Wir übernehmen eine solche Aufgabe auch sehr gerne, aber es muß zu einer Zeit sein, in der man tatsächlich etwas für den Tourismus tun kann. Sie werden doch zugeben daß es kein Bild macht, wenn man dort spazierengeht und alles geschlossen ist. Herr Kollege! Fragen Sie unsere Kärntner Freunde! Sie werden Ihnen bestätigen, daß dem so ist!

Ich möchte noch etwas sagen: Stellen Sie sich vor, meine Damen und Herren, ein kleines oder mittleres Unternehmen entschließt sich, wie es der Herr Staatssekretär gesagt hat, über die Zukunft nachzudenken, über den Tellerrand hinauszuschauen, so nach dem Motto: Wer heute keine Visionen hat, hat morgen kein Unternehmen mehr. – Der Termin steht fest, das Seminarhotel ist gebucht, auch die Teilnehmerrunde steht fest. Der Küchenchef ist informiert, daß etwas Feines gekocht werden muß, die Menüvorschläge werden im Detail ausgearbeitet. Die Extras kann man im Hotel sogar mit Kreditkarte bezahlen, was auch sehr toll ist. Allerdings: In Pörtschach wollten die Ministergattinnen in demselben Tagungshotel, in dem die Industrieminister letztes Mal getagt haben, die Extras mit Kreditkarte bezahlen, aber das Parkhotel Pörtschach hat keine Kreditkarte angenommen. Daher mußten die Ministergattinnen bei dem Treffen der Industrieminister durch ganz Pörtschach pilgern, um den einzigen Bankomaten in Pörtschach zu suchen, um dort das Bargeld beheben zu können, damit sie ihre Extras bezahlen konnten. Sie werden mir recht geben, daß das keine so tolle Vorbereitung im Detail ist! Das hat auch einen entsprechenden Wirbel in Kärnten ausgelöst. – Herr Kollege Richau, stimmt das?

Jetzt ist alles geplant. Diesmal ist alles besser organisiert, worüber geredet wird, steht jedoch noch nicht fest. Das hat die heutige Debatte gezeigt. Der einzige, der weiß, worüber geredet wird, ist der Herr Staatssekretär, denn er hat gesagt, daß er genau weiß, welche Themen dort abgehandelt werden. Ich frage mich nur, ob auch die Herren, die aus Europa anreisen, wissen, was der Herr Staatssekretär weiß. Ich hoffe, es ist so!

Ich kehre zu diesem Beispiel der kleinen und mittelständischen Unternehmen zurück. Da sagt der Chef: Machen wir eine Klausur! – Es ist dies kein Gipfel, sondern ein informelles Treffen. Nun macht der Chef in der Firma eine Rundreise. Er fährt zu seinen Abteilungsleitern, in seine Filialen, zu seinen Außendienstmitarbeitern und fragt: Freunde, worüber könnten wir denn reden? – Er sammelt also Themen. Er versichert sich auch dessen, daß alle kommen werden, und eine solche Tour – ein Unternehmer wird sicher nicht von einer "Tour der Qualen" sprechen – ist einfach etwas ganz Normales. Die Pressestelle wurde selbstverständlich davon verständigt, daß man den Chef, der zu seinen Abteilungen unterwegs ist, auch immer fotografiert. Was dort geredet wird, ist nicht so wichtig. Hauptsache ist, er ist unterwegs!

Es wird also alles gesammelt. Es gibt aber, wie wir heute gehört haben, keine Schwerpunkte. Alles Mögliche wird aufgelistet. In einer sehr kurzen Zeit kann über alles Mögliche geredet werden. Der Herr Staatssekretär hat gesagt, für grundlegende Überlegungen wäre Zeit. Ich halte dem entgegen, daß vier bis fünf Stunden etwas zu wenig dafür sein werden.

Was glauben Sie, daß in einem Unternehmen bei einer auf diese Weise vorbereiteten Klausur herauskommen wird? – Ich sage Ihnen: wenig bis gar nichts! Das, meine Damen und Herren, ist auch von Pörtschach zu befürchten. Es werden zweifelsohne jene Kommentatoren recht haben, die meinen, daß Pörtschach ein Schlag in das leider schon sehr kalte Wasser des Wörther Sees sein wird. Als Kärntner habe ich keine Freude damit. Sie dürfen nicht glauben, daß wir uns freuen, daß das ein Flop wird! (Bundesrat Meier: Ein bißchen Schadenfreude!) Genau das Gegenteil ist der Fall. Aber es wird leider so sein, daß das herbstliche, vorwinterliche Pörtschach leider nicht in die Geschichte der Europäischen Union eingehen wird. Das ist keine Bösartigkeit von uns, sondern es wird – die "Financial Times" hat das geschrieben – in jeder Beziehung ein trauriger Gipfel, den man am besten – so haben diese geschrieben – absagen sollte.

Bezüglich Bürgerrechte, Bürgernähe und betreffend Verringerung des Abstands zwischen den Politikern und der EU sind sich alle darüber im klaren, daß dies umgesetzt werden soll. Das hat auch Herr Bundeskanzler Klima gestern – ich habe das Protokoll seiner Rede vor dem Parla


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ment in Straßburg da – gesagt, daß wir auch dazu Gelegenheit haben werden, "Bilanz zu ziehen und auf die Fragen einzugehen, welche Verbesserungen für eine verstärkte Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für die Union erforderlich sind. Wir haben in Cardiff" – das hat der Herr Staatssekretär auch so gesehen – "eine Diskussion über die Zukunft Europas begonnen, einen Prozeß, der in Pörtschach vertieft, beim Europäischen Rat in Wien und bei den nächstfolgenden Präsidentschaften fortgesetzt werden sollte." – Es wird also über Bürger geredet. Doch allzu intensiv soll diese Diskussion nicht sein. Herr Bundeskanzler Klima hat sich schon zurückgenommen. Ich lese in der Kärntner "Kleinen Zeitung" – wahrscheinlich auch in der steirischen "Kleinen Zeitung", denn es steht auf der Seite der Weltpolitik – über die gestrige Rede in Straßburg: "Im schütter besetzten Plenarsaal" – es wird ihm so vorgekommen sein wie oftmals im Bundesratssaal – "versuchte Klima vor allem Befürchtungen zu zerstreuen, wonach die Forderung nach Bürgernähe zu einer Renationalisierung der europäischen Politik führe. Es gehe nicht darum, den ,Integrationsprozeß zu stoppen oder ganz umzukehren oder die Institutionen anzugreifen oder zu schwächen.‘ Pörtschach sei kein Gipfel der Renationalisierung."

Das heißt, mit den Bürgern hat man nicht allzu viel am Hut. Man will eine gute Nachrede haben. Die Bürger sollen am besten an Ort und Stelle besonders viel davon bemerken. Das war nämlich schon beim Treffen der Industrieminister in Klagenfurt so. Damals konnte man die Stadt Klagenfurt nicht mehr betreten, denn es war alles abgesperrt. Herr Kollege Richau und seine Freunde waren so streng, daß man als Bürger fast nicht in die Innenstadt konnte. (Bundesrat Prähauser: Wir wollen uns auf die Polizei und Gendarmerie verlassen können!) Momentan passiert dasselbe in Pörtschach. Ich rede vom Möglichen. Ich sage, man geht "Europa schauen". Es findet eine Riesentagung statt, und da merke ich nicht einmal ... (Bundesrat Meier: Wenn etwas passiert, was sagt ihr dann?) Sie haben ja recht, Herr Kollege! Das stimmt.

Aber daß man jetzt wochenlang in Pörtschach die Taucher ins kalte Wasser schickt und rund um die Halbinsel jeder Zentimeter abgesucht wird – ich weiß nicht, was sie im kalten Wasser gesucht haben –, daß jetzt die ganze Halbinsel abgesperrt ist, daß man die Kirche – das haben wir heute früh schon gehört – nicht besuchen kann, weil Tony Blair offensichtlich das Bedürfnis hat ... (Bundesrat Meier: Nicht der Tony Blair, der Jacques Santer!) Nein, Blair. Aber es ist gut. Er möchte nur die Kirche besuchen.

Das heißt, mit den Bürgern will man offensichtlich nicht allzuviel zu tun haben. Unser Europa-Abgeordneter Dr. Lukas wird schon recht haben, wenn er sagt, daß er aufgrund seiner Erfahrungen das Gefühl hat, daß die Akzeptanz, die Österreich in Europa und in Brüssel genießt, durch die Ratspräsidentschaft nicht nur nicht gestiegen, sondern sogar gesunken ist. Ich glaube schon, daß an dem, was Dr. Lukas gesagt hat, etwas dran ist.

Im übrigen ist dieser Rede von Bundeskanzler Klima auch zu entnehmen, daß er sich in Pörtschach über die Finanzen unterhalten wird. Im Protokoll steht nämlich wörtlich, daß der Bundeskanzler sagte: "Wir brauchen dazu eine geeignete Reform der internationalen Finanzarchitektur." – Das muß etwas Tolles sein! Das ist ein neues Gebäude, wie man die Finanzen abhandelt. Vielleicht kann er auch über die österreichische Bankenaufsicht seine Erfahrungen miteinbringen, er war ja auch Finanzminister.

"Wir brauchen ... eine geeignete Reform der internationalen Finanzarchitektur. Es liegen bereits einige Vorschläge auf dem Tisch, und es sollte hier rasch zu einer Einigung kommen. Ich bin zuversichtlich, daß uns die Finanzminister entsprechende Empfehlungen rasch vorlegen werden." – Es heißt, daß dies schon ein konkretes Thema ist, über das geredet werden wird.

Zur EU-Ostöffnung – das muß ich sagen – ist ein weitreichender, kluger Satz zu lesen, den man sich genau durchlesen muß. Klima hat nämlich gestern in Straßburg gesagt: "Es muß allen klar sein, daß die Erweiterung der Europäischen Union sorgfältig geplant durchzuführen ist" – das ist wahrscheinlich keine Überraschung für Sie –, "damit sich sowohl die gegenwärtigen Mitgliedstaaten als auch die Beitrittskandidatenländer darauf vorbereitet können." – Solch kluge Sätze stehen darin, über solch klasse Themen wird man in Pörtschach reden. Danach wird die Frage


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auftauchen, ob das ein Erfolg war oder nicht. Sie haben völlig recht, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, daß man erst nach Betrachtung feststellen können wird, ob dies ein Erfolg war.

Wir von den Freiheitlichen befürchten, daß ohne jegliche Erfolgskontrolle sehr viel Geld eingesetzt wird. Das ist sicher eine Investition für die Zukunft. Was wir bedauern, ist, daß wir trotz dieser "Tour der Qualen" und der Vorbereitungen das Gefühl haben, daß niemand von den Herrschaften, die über unser Schicksal in Europa entscheiden, Zeit hat, meine Damen und Herren, abzuschalten, nachzudenken und tatsächlich etwas zu tun, so wie bei diesem informellen Treffen.

In Pörtschach wird das nicht gehen, denn dort stehen die Hubschrauber vor dem Parkhotel. Diese werden ständig in der Luft sein, damit sie den Luftraum überwachen. Dann können sie einander nicht mehr verstehen, weil aufgrund der Luftraumüberwachung ein Wirbel sein wird. (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Konečny. ) Es wird schwierig sein. Aber man kann auch nicht nachdenken, wenn ständig die Hubschrauber dort sind. Bürger trifft man dort ohnehin keinen.

Niemand wird wissen, was wichtig ist. Heute hat der Herr Staatssekretär gesagt, das Treffen sei wichtig, damit man erfährt, was die Bürger wollen. Ich weiß nicht, wie ein Staatssekretär oder ein Bundeskanzler erfährt, was die Bürger wollen. Wahrscheinlich weiß niemand, was Priorität hat. Niemand überlegt, was man den Bürgern, der Bevölkerung tatsächlich zumuten kann und was akzeptabel ist.

Nun komme ich auf mein Beispiel vom Anfang zurück: Wenn es um die Zukunft eines Unternehmens geht und wenn jemand mit dem Unternehmen derart umgeht, dann bin ich davon überzeugt, daß früher oder später existentielle Probleme auftauchen werden. Leider ist dies auch für das europäische Modell zu befürchten, wenn man derart lieblos und ohne konkrete sinnvolle Planung, ohne Prioritätensetzung diesbezüglich vorgeht. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Staatssekretär. – Bitte.

16.29

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Es sind einige Bemerkungen gefallen, zu denen ich mich unbedingt zu Wort melden muß, weil ich glaube, daß sich dieses Gremium auch dessen bewußt sein muß, daß diese Diskussionsbeiträge auch veröffentlicht werden. (Heiterkeit des Bundesrates Konečny.  – Bundesrat Dr. Harring: Gott sei Dank!)

Wenn man eine Wortmeldung wieder findet, daß Nelson Mandela diesen Pörtschacher Gipfel ins Leben gerufen hat, und es werde dort über Kartoffelsalat oder Erdäpfelsalat gesprochen, über eine neue Tierrasse und über die Rettung der tibetanischen Kultur, dann muß ich Ihnen sagen, daß meiner Meinung nach das Bild verheerend sein wird und das Bild Österreichs auf dem internationalen Parkett umso mehr! (Bundesrätin Mühlwerth: Der Bürger wird das besser verstehen als Sie!)

Meiner Meinung nach ist das eine Diskussion über Europa, die man in aller Härte, aber auch in aller Ernsthaftigkeit führen sollte. Man kann sachliche Kritik durchaus in aller Härte anbringen. (Bundesrat Eisl: Aber Herr Staatssekretär! Diese Worte sind ja von Ihnen!) Ich habe volles Verständnis dafür. Aber Europa und damit auch Österreich in dieser Debatte der Lächerlichkeit preiszugeben, dagegen sollten sich meiner Ansicht nach alle Mitglieder dieses Hauses wehren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zur Wortmeldung der Bundesrätin Riess-Passer betreffend die schnellere Wirksamkeit des Subsidiaritätsprotokolles von Amsterdam: Meine Damen und Herren! Vielleicht ist es nur ein Mißverständnis, vielleicht ist es aber ein bewußtes Mißverständnis. Ich versuche nur festzustellen: Es ist im Vertrag von Amsterdam ein Subsidiaritätsprotokoll enthalten. Der Vertrag von Amster


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dam ist noch nicht ratifiziert, daher noch nicht wirksam. Österreich setzt sich dafür ein, daß dieser Subsidiaritätsteil vorzeitig in Kraft treten soll, nämlich mit 1. Jänner 1999. Das ist auch ein Ziel unserer Verhandlungen, aber dazu brauchen wir die Zustimmung der anderen Mitgliedstaaten. Das würde bedeuten, daß wir uns – obwohl der Vertrag noch nicht ratifiziert und damit noch nicht in Kraft ist – sehr wohl mit den dort angebotenen Subsidiaritätsregeln auseinandersetzen und sie auch vorzeitig in Anwendung setzen können. Dieser Vorwurf geht also ins Leere. Genau das wird nämlich gemacht, genau deswegen gibt es diesen Gipfel, genau das sind die Ziele.

Die Osterweiterung ist meiner Meinung nach ein sehr ernstes Thema. Ich möchte dazu einiges klarstellen. Nicht die Regierung macht einen Bericht über die Fortschritte der einzelnen Beitrittskandidaten, sondern die Kommission macht einen solchen Bericht und legt diesen dem Rat vor, um dann weitere Schlüsse daraus zu ziehen. Es wird dies erstmals im November geschehen. Der Ort wird nicht Luxemburg sein. Ich gehe davon aus, daß es Brüssel sein wird, dies steht aber noch nicht fest.

Ich glaube auch, daß es ganz wesentlich darum geht, klarzustellen, daß die Achtung der Menschenrechte eines der Kopenhagener Kriterien ist, unter denen die Beitrittsverhandlungen zu sehen sind, und daß dieses Kriterium der Menschenrechte, das Sie angesprochen haben, in den Beitrittsverhandlungen sehr wohl eine Rolle spielt. Es ist aber nicht Primärrecht – nämlich Recht, das jetzt im Zuge des Acquis-Screenings durchleuchtet wird –, sondern es ist ein Teil der Kopenhagener Kriterien, die man zusätzlich als Kriterien bestimmt hat. Das heißt im wesentlichen – ich glaube, auch da ist es zu einer Verquickung von Tatsachen gekommen –, daß derzeit ein Acquis-Screening, eine Durchleuchtung des Primärrechts in den einzelnen Beitrittsstaaten durchgeführt wird. Auch da wird es diesen Bericht geben. Ein Austrittsrecht (Bundesrat Dr. Tremmel: ... ist Teil des Rechtsbestand!) ist nicht Rechtsbestand, sondern Teil der Kopenhagener Kriterien und daher auch erst bei den politischen Verhandlungen der Prüfung unterlegen.

Die Argumentationsweise der den Antrag Einbringenden lautete, daß viel zuviel enthalten sei. Die andere Argumentationsweise lautete dahin gehend, daß man noch fünf, sechs weitere Themen dazunehmen sollte. Ich glaube, man sollte sich darüber klar werden, wohin man will. Entweder man sagt, es ist zuviel enthalten – dann ist dies verständlich, und ich kann das argumentieren –, oder es ist zu wenig. Wenn aber in derselben Diskussion zwei Wortmeldungen später gesagt wird, man hätte noch Ideen für fünf weitere zusätzliche Themen – darunter ein solch griffiges Thema wie das Austrittsrecht –, dann halte ich dem entgegen, daß wir darüber, meine Damen und Herren, nicht sprechen wollen, sondern über eine weitere Integration. Das ist Sinn und Zweck dieses Gipfels: Gerade das Gegenteil wird dort gemacht (Beifall bei der SPÖ), und das soll auch Ziel dieses Gipfels sein. Meiner Meinung sollte man im wesentlichen die Tatsachen so anerkennen, wie sie auch sind.

Ich glaube aber auch, daß über den Teilnehmerkreis offensichtlich noch keine Klarheit herrscht. Es wurde gesagt, Kommissar Fischler solle auch daran teilnehmen. Dieser nimmt nicht daran teil! Es sind die Regierungschefs und der Kommissionspräsident dabei. Herr Bundesrat Gudenus hat gesagt, auch Kommissar Fischler werde dort verköstigt. Ich möchte nur klarstellen: Es handelt sich nicht um einen Gipfel, bei dem alle eingeladen sind, die in der Kommission sind, sondern ausschließlich der Kommissionspräsident und die Staats- und Regierungschefs, die derzeit in der Europäischen Union im Amt sind.

Auch muß man meiner Meinung nach die Zahlen zurechtrücken: Es ist grundsätzlich keine Milliarde, die diese Präsidentschaft kostet. Das sind derzeit alles Spekulationen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das werden wir erst sehen!) Bisher handelt es sich auf keinen Fall um Kosten in dieser Höhe. Ich kann auch sagen, daß dieser Betrag in der Höhe von 50 Millionen reine Spekulation ist. Kein Mensch weiß, wieviel das genau kosten wird. Ich kann Ihnen versichern, daß wir nach den Kriterien der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit vorgehen. Aber eine demokratiepolitische Positionierung und eine demokratiepolitische Weiterentwicklung Europas ausschließlich an den Kosten zu messen, ist meiner Ansicht nach der falsche Weg. Ich glaube, wir sollten


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uns sehr wohl als ein Land von Format, das internationale Treffen durchführen und bestens organisieren kann, präsentieren.

Ich garantiere Ihnen, daß Kärnten keinerlei Schaden davontragen wird, denn so oft, wie Pörtschach in den internationalen Medien genannt wurde, wurde kein anderer österreichischer Ort jemals genannt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Diese Wechselwirkung liegt natürlich nicht gleich auf der Hand, aber letztendlich weiß man, wo Kärnten liegt. Man weiß, daß Kärnten ein guter Gastgeber sein wird, und man weiß, daß sich auch die Regierungschefs dort sehr wohl fühlen werden. (Bundesrat Mag. Gudenus:  Geld spielt also keine Rolle, Herr Staatssekretär?) Ich glaube, das ist genug Werbung für ein Land.

Abschließend: Ich bin wirklich stolz auf die Durchführung dieses Gipfels in Kärnten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 22 Anfragen eingebracht wurden.

Weiters gebe ich bekannt, daß ich den eingelangten Entschließungsantrag der Bundesräte Jürgen Weiss und Kollegen betreffend Stärkung der Autonomie der Länder bei der Gestaltung ihres Wahlrechts dem Ausschuß für Verfassung und Föderalismus zugewiesen habe.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 19. November 1998, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 17. November, 14 Uhr, vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 16.38 Uhr