Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

157. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 29. Juni 2006

 

 


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157. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode               Donnerstag, 29. Juni 2006

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 29. Juni 2006: 12.00 – 12.02 Uhr

                                                                                                  15.00 – 17.25 Uhr

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 8

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung ............................................................................................ 9

Redeordnung nach Beratung in der Präsidialkonferenz .............................................. 13

Antrag auf Durchführung einer geheimen Abstimmung – Ablehnung .......................... 52

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 8

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................... 8

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Sicherstellung der Unabhängigkeit und Objektivität des ORF (850/A) (E) ..................................................... 9

Begründung: Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................ 13

Staatssekretär Franz Morak ........................................................................................ 19

Debatte:

Karl Öllinger .................................................................................................................. 23

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 25

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 27

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 30

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................... 32

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer ............................................................................... 33


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Mag. Norbert Darabos ................................................................................................. 35

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 36

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 39

Dr. Ferdinand Maier ..................................................................................................... 40

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 42

Mag. Dr. Magda Bleckmann ........................................................................................ 44

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ........................................................................................... 45

Dr. Werner Fasslabend ................................................................................................ 47

Dr. Peter Wittmann ...................................................................................................... 48

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 50

Dr. Günther Kräuter ..................................................................................................... 51

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 850/A (E) ............................... 52

Eingebracht wurden

Petitionen ........................................................................................................................ 8

Petition betreffend „Ökostrom-Novelle 2006“ (Ordnungsnummer 91) (überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber)

Petition betreffend „Sicher zur Schule“ (Ordnungsnummer 92) (überreicht vom Abgeordneten Erwin Spindelberger)

Regierungsvorlage ........................................................................................................ 9

1568: Übereinkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mit­gliedstaaten und der Republik Albanien, Bosnien und Herzegowina, der Republik Bulgarien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, der Republik Island, der Republik Kroatien, dem Königreich Norwegen, Rumänien, Serbien und Montenegro und der Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen in Ko­sovo zur Schaffung eines gemeinsamen europäischen Luftverkehrsraums samt Anhängen und Korrigendum

Anträge der Abgeordneten

Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Sicherstellung der Unabhängigkeit und Objektivität des ORF (850/A) (E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gender Medicine“ (851/A) (E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Personalentscheidun­gen der Bundesregierung (852/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend UVP und SUP im Zusammenhang mit der Er­richtung der A 26, dem sechsspurigen Ausbau der A 7 zwischen Bindermichl und A 1 sowie der geplanten Autobahnraststätte Linz Franzosenhausweg (4425/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Bahnhof Vöcklabruck (4426/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend WTO-Streitbeile-


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gungsverfahren gegen die EU betreffend gentechnisch veränderte Organismen (GVO) (4427/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend WTO-Streitbeilegungsverfahren gegen die EU be­treffend gentechnisch veränderte Organismen (GVO) (4428/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend WTO-Streitbeilegungsverfahren gegen die EU betref­fend gentechnisch veränderte Organismen (GVO) (4429/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend IPM Stockerau (4430/J)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Haftbedingungen gehörloser Menschen (4431/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend „Nahrungsergänzungsmittel/Gefälschte Arzneimittel – Doping & Gesundheits­gefährdung – Gerichtliche Verfahren“ (4432/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Vollziehung Sortenschutzge­setz 2004 und 2005“ (4433/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Illegales Glückspiel (Glücksspielangebote in Österreich) – Vollziehung des Glückspielgesetzes“ (4434/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Illegales Glückspiel (Glücksspielangebote in Österreich) – Vollziehung des Glückspielgesetzes durch das BMF“ (4435/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Verwendung von Blaulicht durch Kraftfahrzeuge des Diplomatischen Korps in Wien (4436/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend offene Fragen zum Bush-Besuch (4437/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend neuen Lehrplan für Gehörlosenpädagogik (4438/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Sicherheitsgewerbe (Berufsdetektive und Bewachungsgewer­be) – Gesetzliche Regelungen – Daten 2005“ (4439/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend „Bäderhygiene – Behördliche Maßnahmen“ (4440/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Überfälle auf Trafiken in Österreich“ (4441/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Verkehrssicherheit in Österreich – Zahlen und Fakten – sicherheits- und verkehrspolitische Maßnahmen (II)“ (4442/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Versteigerung von Prostituierten in London (4443/J)


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Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Damenprogramm mit Feldhasen (4444/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Isel – Natura 2000 (4445/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend geplante Kraftwerksprojekte in Tirol (4446/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend möglicherweise unkorrekte Vergabe eines Milli­ardenprojektes durch die ASFINAG (4447/J)


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Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend „Leistungen von Behandlungseinrichtungen (Ambulatorien) der Sozialversicherungsträger“ (4448/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Vollziehung Saatgutge­setz 2004 und 2005“ (4449/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Co-Finanzierung des Probebetriebes einer ös­terreichischen Telefonvermittlungszentrale für hör- und sprachbehinderte Menschen (4450/J)

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Hubschrauberflug des OÖ Landesschulratspräsidenten“ (4451/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Anklagen und Verurteilungen für einverständliche Jugendsexualität (4452/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Vollziehung der Ersatzbestimmung für das anti-homosexuelle Sonder­strafgesetz § 209 StGB (§ 207b StGB) (4453/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend entwicklungspolitische Aktivitäten (4454/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Zusammenführung binationaler gleichgeschlechtlicher Paare im Fremden­recht (4455/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Sicherheitsgewerbe (Berufsdetektive und Bewachungsgewerbe) – Gesetz­liche Regelungen – Daten 2005“ (4456/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Nahrungsergänzungsmittel/Gefälschte Arzneimittel – Doping & Gesundheitsgefähr­dung – Gerichtliche Verfahren“ (4457/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Vollziehung des Pflanzen­schutzgesetzes 1995 im Jahr 2004 und 2005“ (4458/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Vollziehung Qualitätsklas­sengesetz 2004 und 2005“ (4459/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Vollziehung Pflanzgutge­setz 2004 und 2005“ (4460/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend „Sozialversicherungsbei­träge – Einhebung und Prüfung (30.06.2006)“ (4461/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend „Pensionsanträge – Be­arbeitungsdauer“ (4462/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Steuerschulden von Unternehmern in Österreich (30.06.2006)“ (4463/J)

Ing. Kurt Gartlehner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend nicht nachvollziehbare Vorgangsweise bei Verhängung der Untersuchungshaft (4464/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Bundesforste – Treuhändige Verwaltung – Verkauf von Liegenschaften durch die Bundesforste – Vermögensver­handlungen mit den Bundesländern“ (4465/J)

Dr. Robert Rada, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Folgen des Hochwassers in der Thaya-March-Region (4466/J)

Dr. Robert Rada, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Folgen des Hochwassers in der Thaya-March-Region (4467/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Raumnot an Innsbrucker Gymnasien 2006 (4468/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (4113/AB zu 4176/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (4114/AB zu 4171/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigid Wein­zinger, Kolleginnen und Kollegen (4115/AB zu 4254/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen (4116/AB zu 4164/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Betti­na Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (4117/AB zu 4169/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (4118/AB zu 4182/J)


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der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (4119/AB zu 4175/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (4120/AB zu 4168/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen (4121/AB zu 4193/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (4122/AB zu 4177/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen (4123/AB zu 4189/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Georg Oberhaidin­ger, Kolleginnen und Kollegen (4124/AB zu 4166/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Gerhard Steier, Kol­leginnen und Kollegen (4125/AB zu 4307/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (4126/AB zu 4172/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (4127/AB zu 4173/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Hei­nisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen (4128/AB zu 4191/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Be­cher, Kolleginnen und Kollegen (4129/AB zu 4195/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Hei­nisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen (4130/AB zu 4192/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordne­ten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (4131/AB zu 4178/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordne­ten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (4132/AB zu 4179/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidl­mayr, Kolleginnen und Kollegen (4133/AB zu 4273/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (4134/AB zu 4183/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (4135/AB zu 4275/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (4136/AB zu 4184/J)


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der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen (4137/AB zu 4190/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (4138/AB zu 4194/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (4139/AB zu 4180/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Be­cher, Kolleginnen und Kollegen (48/ABPR zu 52/JPR)


12.00.18


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Beginn der Sitzung: 12 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die 157. Sitzung des Nationalrates ist eröffnet. Ich darf die Damen und Herren sehr herzlich im Hohen Haus begrüßen.

Diese Sitzung wurde auf Grund eines ausreichend unterstützten Verlangens gemäß § 46 Abs. 6 Geschäftsordnungsgesetz einberufen.

Die Amtlichen Protokolle der 154. Sitzung vom 21. Juni 2006 sowie der 155. und der 156. Sitzung vom 22. Juni 2006 lagen in der Parlamentsdirektion auf und blieben unbe­anstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Großruck, Binder-Maier, Dipl.-Ing. Hofmann, Mittermüller, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Wittauer und Dr. Glawischnig-Pies­czek.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Ent­schließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bun­desregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach wird durch den Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Tech­nologie Mag. Eduard Mainoni vertreten. Bundesministerin für auswärtige Angelegen­heiten Dr. Ursula Plassnik wird durch den Staatssekretär im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Hans Winkler vertreten. Bundesminister für Land und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll wird durch die Bun­desministerin für Inneres Liese Prokop vertreten.

12.01.53Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 des Geschäftsordnungsge­setzes auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 4425/J bis 4446/J;

2. Anfragebeantwortungen: 4113/AB bis 4139/AB;

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 48/ABPR.

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 91 betreffend „Ökostrom-Novelle 2006“, überreicht von Abgeordnetem Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,


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Petition Nr. 92 betreffend „Sicher zur Schule“, überreicht von Abgeordnetem Erwin Spindelberger;

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Verkehrsausschuss:

Übereinkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten und der Republik Albanien, Bosnien und Herzegowina, der Republik Bulgarien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, der Republik Island, der Republik Kroatien, dem Königreich Norwegen, Rumänien, Serbien und Montenegro und der Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen in Kosovo zur Schaffung eines gemein­samen europäischen Luftverkehrsraums samt Anhängen und Korrigendum (1568 d.B.).

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe bekannt, dass der grüne Klub gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt hat, den Selbständigen An­trag 850/A (E) der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die Sicherstellung der Unabhängigkeit und Objektivität des ORF dring­lich zu behandeln.

Der Aufruf des Dringlichen Antrages wird um 15 Uhr erfolgen.

Bevor ich die Sitzung bis 15 Uhr unterbreche, gebe ich bekannt, dass jetzt, um 12.05 Uhr, der Hauptausschuss im Lokal VIII eine Sitzung abhalten wird.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

12.02.48(Die Sitzung wird um 12.02 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

15.00.16Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Sicherstellung der Unabhängigkeit und Objektivität des ORF (850/A) (E)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbstän­digen Antrages 850/A (E).

Da dieser Antrag inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.


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Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Eine Sondersitzung zum Thema ORF ist eine höchst ungewöhnliche Themensetzung für den Nationalrat. Dies kann nur durch höchst ungewöhnliche Umstände gerechtfer­tigt werden. Die laufende öffentliche Debatte über die Gefährdung der Unabhängigkeit und Objektivität des ORF zeigt aber, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um diese so wichtigen Grundsätze sicherzustellen.

Im Jahr 1964 haben 832.353 Österreicherinnen und Österreicher das erste aller Volks­begehren in der Zweiten Republik unterzeichnet. 1966 entstand das Rundfunkgesetz auf der Basis dieses Volksbegehrens. Für die weitere Entwicklung des Österreichi­schen Rundfunks war die große Volksbewegung von zentraler Bedeutung.

832.535 Bürgerinnen und Bürger sprachen sich damals gegen die ungehemmte Kon­trolle und die Knebelung der freien Berichterstattung durch die politischen Parteien so­wie gegen eine ausschließlich proporzorientierte Personalpolitik im ORF aus. Ziel des Volksbegehrens war nicht mehr und nicht weniger, als ein von Parteien und Regierung unabhängiger „Öffentlich-Rechtlicher“, der frei und ohne parteipolitische Einflussnahme berichten, recherchieren und thematisieren sollte.

Unter dem ÖVP-Bundeskanzler Josef Klaus wurde der ORF auch tatsächlich mit dem Rundfunkgesetz 1966 in die Unabhängigkeit entlassen. Damit wurde der Grundstein für eines der angesehensten Unternehmen des Landes gelegt, welches mit großem Er­folg „Österreich in die Welt“ und die „Welt den ÖsterreicherInnen“ vermittelte.

Im Zentrum des heute geltenden ORF-Gesetzes stehen klare Regelungen über die Grundsätze der Unabhängigkeit und Objektivität:

§ 1 Abs. 3:

„Der Österreichische Rundfunk hat bei Erfüllung seines Auftrages auf die Grundsätze der österreichischen Verfassungsordnung [...] sowie auf den Grundsatz der Freiheit der Kunst Bedacht zu nehmen und die Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des Österreichi­schen Rundfunks, die mit der Besorgung der Aufgaben des Österreichischen Rund­funks beauftragt sind, gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu gewähr­leisten.“

§ 4 Abs. 5:

„Der Österreichische Rundfunk hat bei Gestaltung seiner Sendungen weiters für

1. eine objektive Auswahl und Vermittlung von Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzge­benden Organe und gegebenenfalls der Übertragung ihrer Verhandlungen;

2. die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommenta­ren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichti­gung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen;

3. eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen unter Wahrung des Grund­satzes der Objektivität zu sorgen.“

§ 4 Abs. 6:

„Unabhängigkeit ist nicht nur Recht der journalistischen oder programmgestaltenden Mitarbeiter, sondern auch deren Pflicht. Unabhängigkeit bedeutet Unabhängigkeit von


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Staats- und Parteieinfluss, aber auch Unabhängigkeit von anderen Medien, seien es elektronische oder Printmedien, oder seien es politische oder wirtschaftliche Lobbys.“

§ 10 Abs. 5:

„Die Information hat umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein. Alle Nachrichten und Berichte sind sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen, Nach­richt und Kommentar deutlich voneinander zu trennen.“

Von den Zielsetzungen dieser historischen Errungenschaft seines Amtsvorgängers Klaus, nämlich einem „unabhängigen ORF“, hat sich der heutige Bundeskanzler und ÖVP-Parteiobmann Wolfgang Schüssel aber längst verabschiedet.

Längst geht es nicht nur um „Missstände“ im ORF. Es geht nicht nur um die ORF-Ge­neraldirektorin Monika Lindner, die es sich nicht nehmen ließ, bei einer ÖVP-Wahlver­anstaltung in der zweiten Reihe zu sitzen und dem ÖVP-Parteiobmann für seine Aus­führungen begeisterten Applaus zu spenden. Es geht auch nicht nur um den im Stil eines ÖVP-Generalsekretärs agierenden Chefredakteur des ORF-Fernsehens, Werner Mück. Es geht längst um die Besitzergreifung des ORF durch die ÖVP. Genau dieser Tage hat sich zum Beispiel der ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll zu Wort gemeldet und die Geschäftsführung des ORF beurteilt: Lindner sei kein Problem. Aber: „Ich rate ihr nur, ihre Führungsmannschaft zu überdenken. Ich würde auf alle Fälle Direktor Kurt Rammerstorfer auswechseln und auch noch eine andere Reihe von Vorstandsdirekto­ren", so Pröll („trend“ Nr. 7-8/06 vom 01.07.2006). Sie möge also die Mitglieder der Ge­schäftsführung ÖVP-konform austauschen, wenn sie von der ÖVP wieder gewählt werden wolle, so die unmissverständliche Botschaft.

Das Ziel dieser Politik ist es offenbar, die von der ÖVP betriebene ORF-Politik der letz­ten Jahre fortzusetzen und zu verstärken: Politische Interventionen der ÖVP sind dabei nur mehr beschränkt notwendig, weil Personen direkt in die Führungsfunktionen des ORF gehievt werden, die sich der ÖVP-Politik verpflichtet fühlen.

Darüber hinaus verzeichnen – als „Seismographen“ der öffentlichen Meinung – über­parteiliche Initiativen immensen Zulauf, wenn sie Alarm schlagen und „SOS ORF“ rufen. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil die seinerzeit als unerträglich empfundene Proporzwelt des ORF einer noch unerträglicheren Ein-Parteien-Welt der ÖVP gewi­chen ist. Um eine berühmt gewordenen Rede eines ORF-Mitarbeiters abzuwandeln: „Das Gleichgewicht des Schreckens ist zerbrochen, nur mehr der Schrecken ist geblie­ben.“

Offenkundig ist aber auch, dass sich der Vorwurf der parteipolitischen Einflussnahme und versuchten Manipulation zurecht nicht gegen die RedakteurInnen des ORF richtet, die trotz des Drucks der Geschäftsführung um Objektivität bemüht sind und entspre­chenden Widerstand leisten, sondern ausschließlich gegen das von der ÖVP einge­setzte Führungsteam des ORF.

Sobald diese inakzeptable Entwicklung des ORF thematisiert wird, folgt zumeist der Einwand, dass es eine politische Einflussnahme auf den ORF immer gegeben habe. Das mag sein. Aber es geht immer noch um den Grad der Einflussnahme, um die Mög­lichkeiten, die Berichterstattung direkt oder indirekt zu steuern, den brutalen Zugriff auf Posten und Ressourcen und vor allem darum, dass ohne Rücksicht auf den „Öffentli­chen Auftrag“ und das „Redakteursstatut“ regelmäßig regierungskritische Recherchen und Sendungen einfach „verhindert“ werden.

Jetzt, wo genau diese Zustände und Umstände auch „aktenkundig“ geworden sind, wurde der Boden des Rundfunkvolksbegehrens und damit auch ein nationaler Konsens verlassen. Genau in dieser Situation, in der in einer breiten Öffentlichkeit gravierende Missstände im ORF diskutiert werden, in der bekannt wird, wie Führungskräfte kritische


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Themen und Sendungen zu Gunsten einer Partei beeinflussen beziehungsweise miss­liebige Themen unterdrücken und verhindern, in der nicht duldbares Missmanagement, Frauenfeindlichkeit, Bedrohungen und Mobbing von Betroffenen offen artikuliert wer­den, ist der Nationalrat aufgerufen zu handeln.

Die parteipolitische Vereinnahmung durch die ÖVP führt dazu, dass der ORF in Gefahr gerät, seine Glaubwürdigkeit zu verlieren. Es geht um den Bruch des öffentlich-rechtli­chen Auftrags, es geht um den ungenierten Zugriff auf die Informationssendungen, die immer noch die wichtigste Informationsquelle der Österreicherinnen und Österreicher darstellen und es geht um die unerträgliche Personalpolitik der ÖVP, die Posten und Einfluss als Erbpacht versteht. Und es geht um die Kerninhalte des ORF „Objektivität und Unabhängigkeit“, die letztlich gleichzeitig die Legitimation der Programmentgelte beziehungsweise Gebühren sind. Aber auch um die Basis, mit einem eigenständigen und unverwechselbaren Profil gegen die private kommerzielle Konkurrenz bestehen zu können.

In den nächsten Monaten stehen die für fünf Jahre bedeutendsten personalpolitischen Weichenstellungen an: Die Geschäftsführung wird gewählt. Die Bestellung der Gene­raldirektion sowie der weiteren Geschäftsführungsmitglieder erfolgte bislang in Form einer offenen, nicht geheimen Abstimmung im Stiftungsrat. Außerdem war es bislang nicht möglich, über die DirektorInnen einzeln abzustimmen und somit über deren Quali­fikation gesondert zu entscheiden. Man konnte lediglich über einen Gesamtwahlvor­schlag abstimmen. Von vielen Stiftungsräten, von VertreterInnen aller politischen Par­teien im Stiftungsrat wird mittlerweile eine geheime Abstimmung favorisiert. Dagegen stemmt sich die ÖVP. Aus gutem Grund, könnte man vermuten, weil bei einer gehei­men Abstimmung vorzeitige Festlegungen auf Monika Lindner und Werner Mück (be­vor die Ausschreibung überhaupt begonnen hat!) dann doch nicht so sicher scheinen. Was kümmert die ÖVP also die demokratiepolitische Selbstverständlichkeit einer ge­heimen Wahl, wenn sie die berechtigte Sorge zu haben scheint, ihren „Freundeskreis“ im Stiftungsrat nicht unter Kontrolle zu halten?

Die Entscheidungen über die einzelnen Funktionen im Stiftungsrat sollen in geheimer Wahl erfolgen. Dies soll gewährleisten, dass der wahre Wille der Stiftungsrätlnnen in­sofern zum Ausdruck kommt, als sie unbeeinflusst und entsprechend ihrer Überzeu­gung über die einzelnen KandidatInnen entscheiden können, ohne sich in der Folge für ihr Wahlverhalten bei Klubobmann Molterer oder Bundeskanzler Schüssel rechtfertigen zu müssen.

Die Grünen vertreten die Ansicht, dass die Unabhängigkeit und Objektivität des ORF zu wichtig ist, um sie der Parteipolitik zu opfern. Nicht die besten ÖVP-ParteigängerIn­nen sollen in die Geschäftsführung gewählt werden, sondern die qualifiziertesten Kan­didatInnen. Daher wäre es auch eine Selbstverständlichkeit, dass sich die KandidatIn­nen einem medienöffentlichen Hearing zu stellen haben. Das entspricht Belegschafts­forderungen ebenso, wie dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit an den Zu­kunftskonzepten und Vorhaben potenzieller BewerberInnen. Und die qualifizierten Kan­didatInnen haben diese Transparenz schließlich auch nicht zu fürchten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 11.7.2006 eine Regierungsvorlage betreffend eine Novelle des ORF-Gesetzes zuzuleiten, die folgende Regelungen umfassen soll:


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KandidatInnen für die Funktionen des/der GeneraldirektorIn, der DirektorInnen sowie der LandesdirektorInnen sollen sich künftig einem medienöffentlichen Hearing vor dem Stiftungsrat zu stellen haben.

Die Wahlen für diese Funktionen sollen künftig geheim und in gesonderten Wahlgän­gen zu erfolgen haben.

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 74a iVm § 93 Abs. 2 GOG verlangt.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bevor ich dem Antragsteller das Wort erteile, gebe ich noch bekannt, dass in der Präsidialkonferenz folgende Redeordnung für die Zeit der Fernsehübertragung durch den ORF festgelegt wurde:

Antragsteller in der Begründung des Dringlichen Antrages: 20 Minuten; Regierungsmit­glied: ebenfalls 20 Minuten; anschließend eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 8 Mi­nuten; sodann eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten; schließlich eine Wort­meldung pro Fraktion mit gleichfalls je 5 Minuten.

Vor Beginn der letzten Runde wird nach Rücksprache mit den Klubvorsitzenden die allenfalls verbleibende Redezeit auf die vier Fraktionen in der Weise verteilt, dass alle Fraktionen gleichmäßig zu Wort kommen.

Tatsächliche Berichtigungen gelangen erst nach Beendigung der Fernsehübertragung zum Aufruf. Es werden keine Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung vorgenom­men.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall.

*****

Ich erteile nun Herrn Abgeordnetem Dr. Van der Bellen als Antragsteller zur Begrün­dung des Dringlichen Antrages das Wort. Herr Kollege, 20 Minuten. – Bitte.

(Abg. Dr. Van der Bellen begibt sich mit einer Tafel zum Rednerpult, auf der der Bild­schirm eines Computers sowie das ehemalige ORF-Testbild zu sehen sind, ergänzt um die Aufschrift ÖVP“ sowie „www.rettet-den-orf.at“. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist ein Flat Screen? – Abg. Mag. Molterer: Danke für die Werbung! Werbeeinschaltung für 20 Minuten!) 

 


15.01.34

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht bei unserer Debatte über den ORF heute nicht ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, wir haben technische Hilfsmittel am Rednerpult? – Wir haben beispielsweise einmal dem damaligen ÖVP-Generalsekretär Graff, als er ein Diktiergerät hinstellen wollte, dies nicht gestattet. (Rufe bei den Grü­nen: Das ist ein Taferl!)

Was ist das? (Abg. Mag. Molterer: Das ist ein Taferl!) Ist das nicht ein technisches Ge­rät, ein Monitor? (Abg. Dr. Van der Bellen: Nein! – Weitere Nein-Rufe.) Aha, dann ent­schuldigen Sie. Sie sind am Wort! (Abg. Scheibner: Das schaut aber sehr danach aus!)

 


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): Im Prinzip ist es ein Pa­pier. Es ist das kein technisches Hilfsmittel, Herr Präsident. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Aber Sie hätten es nötig!)


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Bei unserer dringlichen Debatte heute geht es um die Führung des ORF – es ist mir wichtig, das zu betonen – und nicht um die Journalistinnen und Journalisten, Redak­teurinnen und Redakteure in diesem großen Medienhaus. (Abg. Mag. Molterer: Das soll jemand glauben? Das glaubt Ihnen ja niemand!)

Da gibt es nichts zu lachen, Herr Kollege Molterer. Ich bin davon überzeugt, dass es im ORF, das heißt im Fernsehen genauso wie im Radio, eine Fülle von Menschen, von Redakteurinnen und Redakteuren gibt, die mit Engagement bei der Sache sind, die kreativ bei der Sache sind, die vor allem auch im Informationsbereich parteipolitisch unabhängig und mit Begeisterung bei ihrer Sache sind (Beifall bei den Grünen, der ÖVP und der SPÖ) – vorausgesetzt, dass man sie lässt, und vorausgesetzt, dass sie ein Klima vorfinden, in dem das möglich ist (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ist das eine Vor­leistung für eine Koalition mit den Grünen?), und vorausgesetzt, sie finden ein offenes Redaktionsklima vor, das Kreativität fördert und nicht erstickt. (Abg. Scheibner: Sie sind ja jetzt schon ...! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch – auf die Tafel vor dem Redner deu­tend –: Ist das ein Koalitionsbild, für die künftige? – Abg. Scheibner: ... plakatieren, was die ÖVP sagt? – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ist das die Koalition, die künftige?)

Meine Kollegen vom BZÖ (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Van der Bellen und ÖVP Hand in Hand?), ich würde es vorziehen, wenn Sie mir wenigstens eine Zeit lang zuhören! Wenn Sie jedoch dazu nicht in der Lage oder nicht willens sind, dann kann ich das nicht ändern (Abg. Scheibner: Wir warten ja ...!), dann muss ich meine Worte eben an die Allgemeinheit auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen zu Hause richten. (Bei­fall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Im ORF herrscht eine klimatische Krise der Sonderklasse. Ich würde das sogar als Identitätskrise bezeichnen, da insbesondere im Informations­bereich, bei den Nachrichtensendungen, bei den Nachrichtenmagazinen nicht jenes Klima herrscht, das Pluralität fördert, das Objektivität fördert, das Unabhängigkeit von parteipolitischer Einflussnahme fördert. Die bisherige Führung des ORF, meine Damen und Herren, hat inzwischen viereinhalb Jahre lang bewiesen und gezeigt, dass sie die Herstellung dieses offenen Redaktionsklimas entweder nicht will oder nicht leisten kann, dass sie nicht interessiert ist an einer Unternehmenskultur, die einem Leitmedi­um dieser Größe und dieser Bedeutung, wie es der ORF ist, angemessen ist.

Diese Führung des ORF, angefangen von der Frau Generaldirektorin, will die ÖVP durchwinken – deswegen auch die Dringlichkeit unseres Antrages. Durchwinken: mor­gen beginnt die Ausschreibungsfrist, und am 17. August soll, wenn es nach dem Willen der ÖVP geht, der Stiftungsrat, in dem die ÖVP zumindest eine relative Mehrheit hat, die Frau Generaldirektorin durchwinken. Deswegen ist dies jetzt der richtige Anlass da­für, einmal zu sehen, was in diesen viereinhalb Jahren mit dem ORF passiert ist, insbe­sondere im Nachrichtenbereich des Fernsehens.

Ich behaupte – und ich fordere alle Seherinnen und Seher zu Hause auf, sich das zu überlegen –, dass in diesen viereinhalb Jahren eine Ödnis und Langeweile in diesen Sendungen eingezogen ist, eine Belanglosigkeit, die den ORF in diesem Bereich un­interessant macht. Der ORF in diesen Bereichen führt sich auf wie ein ÖVP-Privatsen­der. Das ist Hofberichterstattung! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Das ist die Be­tonung von Belanglosigkeiten statt inhaltlich interessanter Debatten, statt des Setzens eines Themas, statt dessen, wie es in der Vergangenheit einmal war, als wir den ORF und Nachrichtensendungen wie die „ZiB 2“, den Vorläufer von „Offen gesagt“ (Abg. Dr. Fekter: Als Broukal moderiert hat!) und Ähnliches ernst genommen haben und mit Interesse bei der Sache waren.

Meine Damen und Herren, in diesem Bereich zeigt sich, ob ein öffentlich-rechtlicher Sender eine Daseinsberechtigung hat oder nicht. Das ist die Kernkompetenz eines


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öffentlich-rechtlichen Senders. Wenn er da verwechselbar wird mit beliebigen Privat­sendern aus dem deutschen oder sonstigen europäischen Raum (Abg. Scheibner: Die ersten tausend Seher haben schon abgeschaltet!), dann wird es bald zu Ende sein mit dem ORF, wie wir ihn kennen. Da verliert er Vertrauen – Vertrauen in die Objektivität und annähernde Vollständigkeit der Information durch den ORF. Er wird verwechselbar mit Privatsendern, auch im Programmbereich. Die Folge sind sinkende Marktanteile, sinkende Seher- und Seherinnenanteile, und die Konsequenz daraus sind natürlich sin­kende Werbeeinnahmen.

Meine Damen und Herren! Noch fünf Jahre mit dieser Politik, noch fünf Jahre mit die­ser Führung des ORF – und der ORF ist in seiner heutigen Form – oder ich sollte sa­gen: in seiner früheren Form, wie wir ihn noch gut kennen – klinisch tot! Dazu muss man allerdings sagen: Der ORF gehört immer noch der Republik Österreich – und nicht der ÖVP! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Der ORF gehört weder der ge­genwärtigen Bundesregierung, noch gehört er der ÖVP! Er ist nicht das Privateigentum der ÖVP!

Wenn Sie diese Politik weiterhin betreiben wollen, mit dieser Beherrschung der ORF-Führung, den maßgeblichen Personen in der Leitung, dann seien Sie doch ehrlich und marktwirtschaftlich korrekt – jetzt schaue ich gerade Sie an, Herr Kollege Stummvoll von der ÖVP –, dann kaufen Sie den ORF! (Beifall bei den Grünen.) Legen Sie ein vernünftiges Angebot, kaufen Sie den ORF, und ich weiß dann, wenn ich den ORF aufdrehe: Okay, jetzt kommen die Abendnachrichten von den geschätzten Kollegen von der Österreichischen Volkspartei. (Zwischenruf des Abg. Hornek.) Das wäre eine klare, faire Regelung. Spekulieren Sie aber nicht mit einem Kapital, das uns allen ge­hört: der Republik Österreich und allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes!

Ich weiß schon, Abgeordnete von der ÖVP werden jetzt hier herausgehen und sagen: Die Grünen wollen einen unzulässigen Einfluss auf künftige Entscheidungen für die Se­herinnen und Seher ausüben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich darf Sie beruhigen. Der Stiftungsrat fällt diese Entscheidungen, und in diesem Stiftungsrat haben die Grü­nen genau eine Stimme von 35! Wenn sich dort jemand durchsetzen kann – was ich nicht hoffe, aber die Gefahr besteht –, dann ist es die ÖVP! Eine Einflussnahme unse­rerseits wäre völlig absurd.

Zweitens werden Abgeordnete von der ÖVP hier herausgehen und sagen: Der ORF ist wunderbar, das ist ja alles nicht wahr, alles ist in Ordnung! (Ruf bei der ÖVP: Genauso ist es!) „Genauso ist es“, ich höre es ja jetzt schon aus dem Klub der ÖVP. – Dazu kann ich nur sagen: Ja, das Potenzial ist noch da, aber die Führung des ORF taugt nichts! Und Sie, die Seherinnen und Seher des ORF zu Hause, können das viel besser beurteilen als die Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Das darf nicht wahr sein! So weit haben wir es gebracht!)

Meine Damen und Herren! Man sagt nicht zu Unrecht, dass in einer modernen Demo­kratie die Medien die „vierte Gewalt“ darstellen – neben der Gesetzgebung, neben der Administration und der Regierung, neben der Justiz und der Rechtssprechung. Das ist nicht falsch, glaube ich, und diese Medien haben Aufgaben: aufzudecken, Kontrolle auszuüben, und zwar eine Kontrolle, die über das hinausgeht, was wir hier tun können, objektiv Bericht zu erstatten und so weiter.

Unter all diesen Medienaufgaben ist es auch insbesondere die Rolle des Fernsehens, objektiv Bericht zu erstatten. Und warum? – Viele von uns abonnieren für zu Hause eine Tageszeitung, aber nicht alle Menschen unseres Landes tun dies. Und wenn man eine Tageszeitung aufschlägt, rechnet man ja schon mit einer gewissen Linie dieses oder jenes Blattes. – Umgekehrt hat aber fast jeder Haushalt in Österreich einen Fern-


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seher/ein Radio und vertraut darauf, dass das, was dort im Informations- und Nachrich­tenbereich gemeldet wird, einigermaßen objektiv und vollständig ist.

Diese Rolle des Mediums Fernsehen insbesondere lässt jedoch die ÖVP nicht zu. Sie haben keinen Respekt vor diesem Pfeiler der Demokratie. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich sage sogar: Sie haben in diesem Bereich jede Bodenhaftung verloren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie glauben wohl, dass ÖVP gleichzusetzen sei mit Österreich, dass Kritik an der ÖVP sozusagen Majestätsbeleidigung ist. Das erleben wir ja hier dauernd – und auch außerhalb dieses Hauses. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Mit diesen Allüren von Allmacht, meine Damen und Herren von der ÖVP, sollten Sie aufhören.

Ich bringen Ihnen jetzt ein aktuelles Beispiel zum ORF: Landeshauptmann Pröll hat sich zu Wort gemeldet und gesagt, Frau Dr. Lindner sei seiner Auffassung nach als Kandidatin für die Generaldirektion in Ordnung, allerdings gebe es im ORF-Radio, so der niederösterreichische Landeshauptmann, einen Herrn Mag. Rammerstorfer – die­sen Namen nenne ich, weil er bereits medial bekannt gegeben wurde, und zwar in der „Kronen Zeitung“, im „trend“ und in den „Niederösterreichischen Nachrichten“ –, der nicht führe, sondern lediglich geschehen lasse.

Erwin Pröll sagte weiters, Herr Rammerstorfer sei ein „Frühstücksdirektor“, und im Hör­funk habe sich ein „Wildwuchs“ bei Nachrichten und Analysen ausgebreitet.

Abgesehen davon, ob es ein besonders guter Stil ist, wenn ein Politiker einen Ange­stellten des ORF in dieser Form öffentlich beleidigt (Abg. Mag. Molterer: Was tun Sie? Was machen Sie jetzt? Das machen Sie gerade!), zitiere ich Ihnen, Herr Molterer, jetzt stellvertretend für viele Konservative in unserem Lande Alfred Payrleitner – und ich glaube, ich tue ihm nichts zuleide, wenn ich ihn als solchen bezeichne.

In seinem Buch „Der Auftrag“ schreibt Alfred Payrleitner – ich glaube, Sie, Herr Kol­lege Molterer, haben es nicht gelesen (Abg. Mag. Molterer: Warum wissen Sie, was ...?) – lesenswerte Aufsätze über den ORF, und zwar auch aus konservativer Sicht. So sagte Herr Payrleitner beispielsweise über „Ö 1“: eine „unendlich wohltuende Oase in einer Wüste sonstigen Junks“. Und weiters: Insbesondere sind „die heimi­schen Journale“ – „Mittagsjournal“, „Abendjournal“ und so weiter – „eine unentbehrliche Informationsquelle“. – Soweit Alfred Payrleitner zur Einschätzung des Radios. (Beifall bei den Grünen.)

Protestiert gegen Landeshauptmann Pröll hat nicht etwa die Generaldirektion des ORF, deren verdammte Pflicht es gewesen wäre, gegen solche Aussagen einzuschrei­ten, sondern der Redakteursrat des ORF! Der Redakteursrat des ORF hat es als „ent­larvend“ bezeichnet, wie Pröll seine Aussage begründet, nämlich mit einem „Wild­wuchs bei Nachrichten und Analysen“. Dies besagt nach Ansicht des Redakteursra­tes – ich zitiere –, „dass im ORF-Radio journalistische Eigenverantwortlichkeit und Un­abhängigkeit ... praktiziert, also das ORF-Gesetz eingehalten wird“.

Das finde auch: Bei uns ist das Radio – verglichen mit dem Fernsehen – ein Lichtblick. Das sage ich aber nicht, weil ich irgendwelche Sekunden gezählt habe, wie oft ich oder Herr Kollege Molterer, Herr Kollege Scheibner oder sonst jemand in diesem Medium vorkommt (Abg. Scheibner: Sie kommen eh immer vor!), und ich glaube auch nicht, dass Landeshauptmann Pröll diese Sekunden gezählt hat. Es geht ja auch nicht, wie ich meine, darum, dass das ORF-Radio besser als das ORF-Fernsehen gegen Inter­ventionen abgeschottet ist und dass diese Tatsache die ÖVP zu ärgern beginnt.

Interventionen hat es immer gegeben und wird es immer geben, aber gute Geschäfts­führer, gute Generaldirektoren schotten das Unternehmen dagegen ab, lassen solche


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Versuche versickern und versanden. Schlechte Geschäftsführer hingegen geben den Druck eins zu eins weiter.

Der ÖVP, behaupte ich, geht es nicht darum, wie man am besten interveniert; die Stra­tegie der ÖVP ist viel raffinierter: Der ÖVP geht es darum, dass die ORF-Führung von sich aus ÖVP-Medienpolitik betreibt – ohne dass es dazu einer Intervention des Herrn Molterer bedarf! (Abg. Mag. Molterer: Ungeheuerlich! Weit haben Sie es gebracht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Insofern glaube ich auch, dass die Karikatur be­treffend „Moltofon“ irreführend ist, als Sie, Herr Kollege Molterer, gar nicht so häufig mit Fernseh-Leuten telefonieren, weil Sie das ja gar nicht nötig haben. (Abg. Dr. Stumm­voll: Was der alles weiß! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Gewiss nicht! – Abg. Dr. Stumm­voll: Wenn Sie wissen, welche ...!)

Ziel der ÖVP ist es, den ORF sozusagen als 13. Ministerium dieser Bundesregierung einzurichten, zumindest was das Fernsehen betrifft. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Landeshauptmann Pröll ist draufgekommen, dass auch das ORF-Radio zum 13. ÖVP-geführten Ministerium gehören sollte, Herr Kollege Scheibner. Das ist das Leitmotiv dieser ÖVP-Politik. In dieser Hinsicht sind Ihre – unter Anführungszeichen – „Fortschritte“ im Fernsehen tatsächlich um vieles höher als im Radio.

Das war jedenfalls die Botschaft von Landeshauptmann Pröll: Lasst mir meine Monika Lindner in Ruhe, das ist meine Kandidatin, aber Abschuss frei für den Hörfunkdirek­tor, der im Sinne der ÖVP versagt hat! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Ironie des Ganzen ist jedoch, wie ich Medienberichten entnehme, dass Herr Mag. Rammerstorfer bisher den Schwarzen zugerechnet wurde; aber das tut hier nichts zur Sache. (Abg. Dr. Mitterlehner: Nichts außer Zeitungsmeldungen ...!)

Der Generaldirektorin des ORF gegenüber wäre es, wie ich meine, nicht fair, so zu tun, als ob ihr Job, als ob ihre Aufgabe eine einfache wäre – noch dazu in einer Institution, in der die Unternehmenskultur bereits so zerrüttet ist, dass sich Angehörige des Zent­ralbetriebsrates als die echten und wahren Chefs aufspielen, wobei die Grenzen zwi­schen Kritik und Anmaßung vollständig verloren gegangen sind.

In diesem Zusammenhang beziehe mich beispielsweise darauf, dass ORF-Zentralbe­triebsratsobmann Fiedler einen Stiftungsrat, der vom Land Tirol entsandt wurde und der sicherlich nicht der linken Reichshälfte zuzuordnen ist, abschießen will, denn dieser Stiftungsrat hat sich sozusagen erfrecht, etwas zu sagen, was Herrn Fiedler nicht passt. Herr Fiedler hat daraufhin gesagt – ich zitiere –:

Daher „werde ich die Tiroler Landesregierung anregen, ihre Entscheidung für ...“ – ich nenne jetzt nicht den Namen – „als Vertreter des Landes Tirol im Stiftungsrat des ORF zu überprüfen“.

Ich halte das für eine unverschämte Amtsanmaßung des Herrn Zentralbetriebsrates Fiedler! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nicht besser ist Herr Roland Schmidl vom ORF-Zentralbetriebsrat – Fiedler und Schmidl sind übrigens Stiftungsräte im ORF und dürfen bei der Wahl des Generaldi­rektors/der Generaldirektorin mitstimmen –, der Mitglieder des Stiftungsrates wüst be­schimpft – egal, von welcher Fraktion sie sind beziehungsweise welchen Hintergrund sie haben –, und zwar als,  ich zitiere, „Marodierende“ und als „linke Provokateure“! Unter diesen „Marodierenden“ und „linken Provokateuren“ befindet sich übrigens auch Frau Dr. Huberta Gheneff-Fürst, eine bedeutende Rechtsanwältin. Ich weiß das, weil wir oft genug gegen sie prozessiert haben. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie haben aber meistens verloren!) Frau Dr. Gheneff-Fürst ist eine sehr gute Anwältin, eine BZÖ-Ver­treterin. Sie soll eine „linke Marodeurin“ sein, Herr Kollege Scheibner? (Abg. Scheib­ner: Sie ist eine gute Expertin!)


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Dieses Mitglied des ORF-Zentralbetriebsrates also hält es für richtig – wie ich einer Nachricht der „Wiener Zeitung“ von gestern entnehme –, gegen die eigenen Kollegen loszuziehen, und zwar deswegen, weil er beleidigt ist, da Frau Lindner ihn in eine bestimmte Gruppe – in jene, die bestimmte Vorwürfe gegen Herrn Mück untersuchen soll – nicht nominiert hat. Dieser Herr Zentralbetriebsrat und Stiftungsrat sagte dann der „Wiener Zeitung“ gegenüber: „Lindner hat unser Vertrauen verloren.“

In so einem Unternehmen soll die Generaldirektorin gute Politik machen?! Im Grunde verdient sie ein gewisses Maß an Mitleid, muss ich fast sagen. – In jedem anderen Unternehmen wäre so etwas jedenfalls nicht möglich.

Meine Damen und Herren! Die Grünen wollen einen Wettstreit der Bestqualifizierten für dieses Amt, zunächst für das Amt der Generaldirektorin/des Generaldirektors, dann für die übrigen Vorstandsdirektoren und Landesdirektoren. Wir wollen nicht, dass die gegenwärtige Führung von der ÖVP im Stiftungsrat durchgewinkt wird.

Was wir verlangen, ist, finde ich, nicht zu viel, nämlich ein öffentliches Hearing im Stiftungsrat – statt eines Hearings hinter verschlossenen Türen, nur mit den Mitgliedern des Stiftungsrates –, ein medien-öffentliches Hearing also wollen wir. Ich muss nicht dabei sein. Journalisten sollen das von mir aus über die Fernseher des ORF-Hauses verfolgen können, aber öffentlich soll das jedenfalls sein.

Zweitens: Wir verlangen eine geheime Abstimmung im Stiftungsrat über diese Nomi­nierung. – Ich weiß wirklich nicht, was Sie da dagegen haben. Ich bin es noch von der Universität her gewohnt, dass solche Personalentscheidungen grundsätzlich in gehei­mer Abstimmung erfolgen. Das hat Vor- und Nachteile, aber man muss sich einmal da­für entscheiden, was man will.

Wenn Sie sich nicht dem Verdacht aussetzen wollten – ich verwende den Konjunktiv –, dass die Stiftungsräte beobachtet und kontrolliert werden, ob sie denn dem ÖVP-Kan­didaten/der ÖVP-Kandidatin ihre Stimme geben, dann stimmen Sie einer geheimen Abstimmung zu! (Beifall bei den Grünen.)

Abschließend, meine Damen und Herren: Mit größtem Erstaunen habe ich neulich während der Nacht im ORF-Gesetz geschmökert. Das ORF-Gesetz in seinem Pro­grammauftrag ist gar nicht so schlecht. (Abg. Mag. Molterer: Das haben Sie das erste Mal gelesen? – Abg. Scheibner: Haben Sie nichts Besseres zu tun?) – Nicht das erste Mal, aber ich hatte auf Grund der ÖVP-Politik vergessen, was da drinnen steht.

§ 4 Abs. 6 besagt wörtlich: „Unabhängigkeit ist nicht nur Recht der journalistischen oder programmgestaltenden Mitarbeiter, sondern auch deren Pflicht.“ (Abg. Mag. Mol­terer: Ja! – Abg. Dr. Brinek: Wo ist das Problem?) – Und wie ist es im Fernsehen heute?

Weiters heißt es: „Unabhängigkeit bedeutet“ – unter anderem – „Unabhängigkeit von Staats- und Parteieinfluss ...“. – Und wie ist es heute?

Nehmen Sie doch Ihr eigenes Gesetz, das Sie vor wenigen Jahren beschlossen ha­ben, endlich ernst! Dann wären wir ja bei Ihnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Wir wollen nichts anderes als diese Unabhängigkeit. Und – auch das steht im ORF-Ge­setz –: Die Unverwechselbarkeit des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks mit kommerziellen Sendern im In- und Ausland soll gegeben sein. – Auch davon kann bei weitem derzeit keine Rede sein! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.21



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Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich Herr Staats­sekretär für Kunst und Medien im Bundeskanzleramt Morak zu Wort gemeldet. Seine Redezeit soll 20 Minuten nicht übersteigen. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


15.21.53

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! In der heutigen Sondersitzung des Nationalrates wird wieder ein Thema berührt, das in Vorwahlzeiten immer Konjunktur hat. Stehen Wahlen an, so wird von der Opposition zum Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ge­blasen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Mag. Kogler: Völlig falsch!) Es han­delt sich bei der heutigen Sitzung und der Debatte rund um den ORF also um keine Besonderheit des Jahres 2006. (Abg. Sburny: Die Besonderheit liegt bei Ihrem ...!)

Gleich zu Beginn möchte ich an die Adresse jener, die sich in den vergangenen Wo­chen lautstark und medienwirksam Sorgen um den ORF gemacht haben, Folgendes sagen (Abg. Öllinger: Dem Pröll?): Wenn man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seinen Auftrag ernst nimmt, so ist diesem nicht gedient, wenn man ihn zum Schau­platz parteipolitischer Strategiespiele umfunktioniert. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen – BZÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Sie dürfen das dann alles hier sagen. Glauben Sie mir, Sie dürfen das alles hier sagen, dafür sind wir zusammengekommen. (Abg. Öllinger: Sie finden das besonders witzig!)

Jede parteipolitische Polemik schadet dem Ansehen und dem Image des ORF. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Ein klares Ja – ein klares Ja! – zu jeder sachlichen Dis­kussion, ein klares Nein hingegen zu jeder Polemik. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

In diesem Zusammenhang möchte ich einige Klarstellungen treffen. Der Dringliche An­trag der Grünen spricht wörtlich von einer „Besitzergreifung des ORF“ durch eine politi­sche Partei. (Abg. Öllinger: Ja! – Abg. Dr. Wittmann: Schlechte Rollenverteilung!) – Soweit die Fakten. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fakten – Doppelpunkt –: Das Ergebnis der letzten Arbeiterkammerwahl im Jahre 2004 zeigt auf, wie die Parteipräferenz inner­halb des ORF gelagert ist. Im Gegensatz zu Betriebsratswahlen, die als Personen- und Persönlichkeitswahlen durchgeführt werden, werden bei dieser Wahl Parteilisten gewählt. Bei dieser Wahl werden Parteilisten gewählt. (Abg. Dr. Wittmann: Falsche Rolle!) Dabei entfielen auf die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter 63,3 Prozent. (Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Auf den ÖAAB ... (Abg. Marizzi: Das ist eine geheime Wahl!) – Auf den ÖAAB 18,2 Prozent. (Abg. Dr. Wittmann: Nehmen Sie ihm das Mikrophon weg! – Rufe bei der ÖVP: Rotfunk!)

Auf Listen wie Gewerkschaftlicher Linksblock, Alternative und Grüne Gewerkschafte­rInnen, Bunte Demokratie für alle und Bündnis Mosaik 15,6 Prozent. (Abg. Dr. Fekter: Rotfunk! – Abg. Öllinger: Unfassbar!)

Sie sehen also, meine Damen und Herren, dass die Dominanz dieser Partei, von der Sie in Ihrem Dringlichen Antrag gesprochen haben, nicht wahr ist und nicht zur Rede steht. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner. – Abg. Brosz: Sie haben falsch umgeblättert!)

Kommen wir jetzt zum nächsten Vorwurf, der erhoben wurde, die Regierung sei in der Berichterstattung des ORF überrepräsentiert. (Abg. Dr. Wittmann: Das ist die falsche Rede! Ist das die Rede vom Vorjahr?) Die Sekundenauswertung der „ZiB-Watch“, also


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jenes unabhängigen Instrumentariums, das die Sendezeit von Politikern misst, zeigt ein anderes Bild (Abg. Dr. Wittmann: Falsche Rede!): Im Monat Mai lagen in dieser präzisen Auswertung in der „ZiB 1“ die Politiker Jörg Haider und Alfred Gusenbauer unangefochten auf den ersten beiden Plätzen. (Oh-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Aber aus unterschiedlichen Gründen!)

Unter den ersten zehn Politikern liegen vier Sozialdemokraten und natürlich Sie, Herr Professor Van der Bellen. (Abg. Scheibner: Verzetnitsch!) Also auch hier ist kein Übergewicht der Regierung feststellbar.

Es zählt zu den Besonderheiten der Diskussion der letzten Wochen und Monate, dass einzelne leitende Redakteure des ORF persönlich – ich wiederhole: persönlich! – zur Zielscheibe oppositioneller Kritik geworden sind. (Abg. Dr. Wittmann: Das ist peinlich! Falsche Rede – falsche Rolle!)

Es stellt sich folgende Frage: Stellt es der medienpolitischen Diskussion in unserem Land wirklich ein gutes Zeugnis aus, wenn Abgeordnete dieses Hauses, immerhin un­ter dem Schutz ihrer Immunität, führende Journalisten frontal und teils persönlich an­greifen? (Abg. Dr. Van der Bellen: Wo denn?)

Ich appelliere daher nochmals an die Damen und Herren des Hohen Hauses und an die Opposition: Tragen Sie dem verfassungsmäßig gewährten Schutz der journalisti­schen Freiheit in diesem Land Rechnung! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheib­ner.)

Eines kann mit Gewissheit gesagt werden: Unrichtige Behauptungen und Vorwürfe werden auch dann nicht wahrer, wenn man sie oft genug wiederholt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Unglaublich! – Abg. Mag. Kogler: Staatssekretär für deplatzier­te Leseübungen!)

Womit sollte sich eigentlich eine zukunftsorientierte Medienpolitik wirklich beschäfti­gen? Ich meine, dass Zukunftsthemen in diesem Lande Fragen sind wie Digitalisie­rung, Wettbewerbsfähigkeit im globalen Umfeld mit einer Vielzahl an technischen Platt­formen und Kanälen und die Wahrung der österreichischen Identität in einer Cyberwelt. Das sind nämlich die essentiellen Herausforderungen, über die wir diskutieren sollten.

Da brauchen wir Antworten, da sollten wir Antworten geben und Rahmenbedingungen schaffen, die durch die Politik gestaltet werden. Wir von der Regierung sind diesen Weg, meine Damen und Herren, die letzten Jahre konsequent gegangen. Nach jahr­zehntelangen Versäumnissen der Medienpolitik unter Vranitzky und Klima hat sich die­se Bundesregierung der Liberalisierung und Modernisierung der österreichischen Medi­enlandschaft gewidmet. (Abg. Dr. Wittmann: Wer hat diese Rede geschrieben?) Mit den Reformen der letzten Jahre – dem ORF-Gesetz, dem Privatfernsehgesetz, dem Privatradiogesetz, der Schaffung einer kompetenten Regulierungsbehörde und vielen weiteren Initiativen – konnte Österreich an den internationalen Standard in medienpoli­tischen Fragen anschließen. Die Zielsetzung des ORF-Gesetzes ist klar: Wir wollen einen starken, in seiner Existenz abgesicherten ORF. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner.)

Wir wollen einen ORF, der frei ist von wirtschaftlichem und politischem Druck, und für die TV-Zuschauer ein identitätstiftendes öffentliches Programm auf zwei Kanälen. Für den ORF bedeutet das, dass jahrlange Diskussionen über den Verkauf eines Kanals, die noch gar nicht so lange her sind, endgültig begraben sind. Und ich bedauere in diesem Zusammenhang, dass die Opposition im Nationalrat nicht bereit war, dieser Bestandsicherungsreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zuzustimmen.

Die Sicherung des unabhängigen ORF wurde mit der Reform 2001 garantiert. (Iro­nische Heiterkeit bei den Grünen.) Dazu zählt die Unabhängigkeit der Personen und


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Organe des ORF. Das ORF-Gesetz beinhaltet gerade im Hinblick auf die programmge­staltenden Mitarbeiter Verbesserungen, die die Freiheit der journalistischen Berufsaus­übung aller journalistischen Mitarbeiter sichern. (Abg. Mag. Kogler: Das ist ja ein Text fürs Kabarett!)

Die Objektivität und die Unabhängigkeit der Berichterstattung wurden erstmals – Sie haben es verlesen, Herr Professor Van der Bellen – im Gesetz festgeschrieben, und zwar nicht nur als Recht – Sie haben es schon gesagt –, sondern auch als Pflicht der dort Arbeitenden.

Das Aufsichtsorgan des ORF, der Stiftungsrat, wurde durch das ORF-Gesetz ebenfalls neu definiert. Die Mitglieder des Stiftungsrates haben dieselbe Sorgfaltspflicht und Ver­antwortung – dies bedeutet in diesem Zusammenhang auch die Haftung – wie Auf­sichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft. Die Verantwortung in dieser Funktion ist beträchtlich. Wir sprechen beim ORF von einem Unternehmen mit einer Bilanzsumme von 900 Millionen € und 4 500 Mitarbeitern. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die große moralische Verantwortung der Stiftungsräte, die weit über den Buchstaben des ORF-Gesetzes hinausreicht, hinweisen.

Ich hoffe mich mit Ihnen eins, dass Stiftungsräte angehalten sein sollten, sich bei all­fälligen geschäftlichen Verbindungen mit dem ORF oder Unternehmungen, die in einem Naheverhältnis zum ORF stehen, eine strenge Unvereinbarkeit aufzuerlegen. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Ausgehend davon, dass der Stiftungsrat des ORF dem Aufsichtsrat einer Aktiengesell­schaft nachgebildet ist, lässt sich zur Frage der Beschlussfassung durch Abstimmung im AG-Aufsichtsrat festhalten, dass nach allen Rechtsmeinungen geheime Abstimmun­gen, also solche, bei denen anonym und geheim abgestimmt wird, jedenfalls unzuläs­sig sind. Auch im Hinblick auf die Bestellung des Vorstandes ist die Nachverfolgbarkeit des Stimmverhaltens in Bezug auf Haftungsfragen von entscheidender Bedeutung.

Es ist nämlich unstrittig, dass auch die vom Aufsichtsrat vorzunehmende Personen­wahl in seinem pflichtgemäßen Ermessen steht und dass daher der Aufsichtsrat be­ziehungsweise diejenigen seiner Mitglieder, die für den betreffenden Beschluss ge­stimmt haben, im Falle der Bestellung einer fachlich nicht geeigneten Person zum Vorstandsmitglied mit Haftungsfolgen zu rechnen haben – vor allem aber, und für mich ist dies eine Selbstverständlichkeit in einer Demokratie, dass Transparenz, Offenheit und Nachvollziehbarkeit bei der Wahl des Generaldirektors des ORF gegeben sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Bei der BAWAG ...!)

Natürlich sind auch die Stiftungsräte für ihr Stimmverhalten bei der Wahl des General­direktors verantwortlich. Genau das ist nämlich einer der Garanten der Unabhängigkeit des ORF. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Scheibner.)

Da der heute eingebrachte Dringliche Antrag die österreichische Mediengeschichte strapaziert, darf auch ich ein Beispiel aus der Vergangenheit bringen. Es betrifft die zweite Wahl von Gerd Bacher zum ORF-Generalintendanten im September 1978. (Abg. Öllinger: Ja?!) Als Ergebnis der damaligen geheimen Wahl konnte der damalige SPÖ-Zentralsekretär Karl Blecha die Vorwürfe von Bestechung und Erpressung in den Raum stellen und – ich zitiere wörtlich – „auf Verrätersuche“ gehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, wie Sie diese Wortmeldung bewerten, aber Transparenz der Entscheidung und das Festmachen von Verantwortungen im ORF-Gesetz des Jahres 2001 garantieren, dass in Österreich nie mehr ein Parteisekretär „auf Verrätersuche“ gehen muss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ. –


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Abg. Schieder: Damit haben Sie Recht! Der weiß vorher schon ...! – Abg. Dr. Witt­mann: Das ist sehr peinlich!)

Gestatten Sie mir noch einige Sätze zur zweiten hier aufgeworfenen Frage, nämlich zum öffentlichen Hearing der Kandidaten für die Geschäftsführung des ORF. Das Stel­lenbesetzungsgesetz, welches auch auf den ORF anzuwenden ist, sieht keinerlei Hea­ring, geschweige denn eine öffentliche Anhörung vor. Was gefordert ist, das ist eine öffentliche Ausschreibung sowie die Veröffentlichung des Namens der beziehungs­weise des Gewählten.

Es wäre wohl ein Unikum bei der Bestellung von Leitungspositionen in staatsnahen Be­trieben, ein öffentliches Hearing durchzuführen. Die Besetzung von Leitungsfunktionen erfolgt im Aufsichtsrat und sonst nirgendwo! (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Beim ORF ist dies der Stiftungsrat. (Abg. Heinzl: Überraschung!)

Die Verantwortung des Stiftungsrates ist im ORF-Gesetz klar definiert. Wohin es führt, meine Damen und Herren, wenn man es mit der Sorgfaltspflicht eines Aufsichtsrates nicht so genau nimmt, wurde uns leider die letzten Wochen und Monate beim größten Finanzskandal der Zweiten Republik dramatisch vor Augen geführt. (Ironische Heiter­keit bei Abgeordneten der SPÖ.)

Gestatten Sie mir abschließend noch einige Worte zu Ihrer Sorge hinsichtlich der Erfül­lung des öffentlich-rechtlichen Auftrages! (Abg. Dr. Wittmann: Falsche Rede – falsche Rolle!) Ich nehme dieses Thema sehr ernst, nicht nur weil es mir als Medienpolitiker ein Anliegen ist, sondern weil ich an das duale Rundfunksystem, also einen starken, qualitätsorientierten, wettbewerbsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk einerseits und kommerziell orientierte Privatsender andererseits, glaube.

Die Neuformulierung des öffentlich-rechtlichen Auftrages sollte die hohe Qualität der ORF-Programmangebote und seiner Programminhalte gewährleisten. Mit dem wesent­lich präziser formulierten Programmauftrag wurde betont, dass sich der ORF in seinem Gesamtprogrammangebot an der Vielfalt der Interessen der Hörer und Seher zu orien­tieren hat und diesbezügliche Kriterien wie Qualität, Innovation, Integration und Ver­ständigung in den Vordergrund zu stellen hat.

Als weiteres Ziel sollten die Programmangebote des ORF ausgewogen, anspruchsvoll und für ein breites Publikum, also als massenattraktive Sendungen, gestaltet werden. Der Programmauftrag unterstreicht auch die besondere Bedeutung von Information, Kultur und Wissenschaft und hebt die Berücksichtigung von Sendungen für Minderhei­ten hervor. (Abg. Öllinger: Das ist ja unglaublich!) Da bietet der ORF auch in Zusam­menarbeit mit einem privaten Hörfunkveranstalter – ich meine damit das Volksgruppen­radio – spezielle öffentlich-rechtliche Programmangebote.

Mit der klaren und transparenten Trennung in öffentlich-rechtliche und kommerzielle Aktivitäten wurden für den ORF adäquate Rahmenbedingungen geschaffen, die ihn im nationalen und internationalen Wettbewerb auch für die Zukunft als starken Teilnehmer positionieren.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF sind mit viel Kompetenz und journalisti­schem Engagement bemüht, dem öffentlich-rechtlichen Auftrag bestmöglich nachzu­kommen. Es ist daher auch angebracht, ihnen für ihre teilweise hervorragenden journa­listischen Arbeiten hier von dieser Stelle aus zu danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir haben mit dem ORF-Gesetz ein modernes Gesetz ge­schaffen. Es liegt am ORF und seiner Geschäftsführung, seinen Mitarbeitern und sei­nen Organen, dies täglich umzusetzen und für das Publikum den Mehrwert zu schaf­fen, den es sich für sein Programmentgelt erwartet.


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Wem der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich tatsächlich ein Anliegen ist, der sollte sich überlegen, ob und inwieweit er das geeignete Terrain für parteipolitische Scharmützel abgibt. Meine Damen und Herren, wenn uns nämlich der ORF als Institu­tion wesentlich ist, dann lassen wir diesen doch aus der Parteipolitik heraus! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

15.39


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erster Herr Abgeordneter Öllinger. Seine Redezeit be­trägt 8 Minuten. – Bitte.

(Abg. Brosz begibt sich mit Abg. Öllinger zum Rednerpult und stellt dort wieder die Tafel auf das Rednerpult, auf der der Bildschirm eines Computers sowie das ehema­lige ORF-Testbild zu sehen sind, ergänzt um die Aufschrift ÖVP“ sowie „www.rettet-den-orf.at.“ – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Testbild für die Testkoalition!)

 


15.40.01

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär Morak, Sie sollten, glaube ich, ein ernsthaftes Wort mit der Person sprechen, die Ihre heutige Rede geschrieben hat. (Beifall bei den Grü­nen und der SPÖ.) Ich fürchte ganz ehrlich – und das tut mir wirklich Leid –, dass wäh­rend Ihrer Rede sehr viele Menschen das machen, was man normalerweise bei der Werbung macht: dringende Erledigungen, die sonst im Haushalt nicht gemacht werden können, denn so spannend, wie es sein hätte können, Herr Staatssekretär, war Ihre Rede leider wirklich nicht. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wegen Ihnen wird niemand auf­drehen!)

Wir hätten uns auch, Herr Staatssekretär, etwas mehr Ernsthaftigkeit von Ihrer Seite gewünscht, und ich versuche, das ganz simpel zu erklären. Wenn Sie hier den Be­diensteten im ORF ihr Wahlverhalten bei den Arbeiterkammer-Wahlen vorhalten (Zwi­schenrufe bei der ÖVP) und damit für uns sozusagen als Beweis demonstrieren wol­len, wie rot der ORF ist, Herr Staatssekretär, dann muss ich schon sagen: Weit sind Sie gekommen in der ÖVP! Vielleicht fällt Ihnen demnächst auch noch ein – oder viel­leicht tun Sie es auch schon –, dass Sie die Landtagswahlergebnisse oder die Natio­nalratswahlergebnisse der ORF-Bediensteten interpretieren. Ja wohin sind wir denn gekommen?! (Abg. Scheibner: Na, na, diese künstliche Aufregung!)

Trauen Sie den Menschen im ORF denn nicht zu, dass sie sehr wohl differenzieren können, ob sie bei der Betriebsratswahl, bei einer Nationalratswahl, bei einer Land­tagswahl oder bei einer Arbeiterkammerwahl eben der Liste, die ihr Vertrauen hat, den Vorzug geben? Welchen Vorwurf wollen Sie daraus gegenüber den ORF-Bediensteten konstruieren? Das ist doch ungeheuerlich! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zweiter Punkt: Sie, Herr Staatssekretär Morak, stellen sich her und machen einem un­serer Redner, Herrn Abgeordnetem Van der Bellen, einen Vorwurf, indem Sie sagen, wir würden führende Journalisten in diesem Land anschwärzen! (Abg. Freund: Na si­cher!) Mir ist nur eine diesbezügliche Äußerung in Erinnerung, und die stammt von Herrn Landeshauptmann Pröll, der nämlich gesagt hat, Herr Rammerstorfer führe nicht, sondern lasse geschehen. Und: Im Hörfunk habe sich ein „Wildwuchs bei Nach­richten und Analysen“ ausgebreitet. – Lassen Sie das einmal auf sich wirken: ein „Wild­wuchs bei Nachrichten“! Ja was heißt denn das? Das ist doch eine ungeheuerliche Äußerung: „Wildwuchs bei Nachrichten“! Es passt Pröll nicht, dass es so viele Nach­richten gibt; er möchte weniger Nachrichten.

Landeshauptmann Pröll möchte in jeder Nachrichtensendung wahrscheinlich 10 Minu­ten Bundeskanzler Schüssel, durchgeschaltet auf allen zwei ORF-Programmen. Das


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wäre dann die Einfalt, die Einfalt des Schwarzfunks ORF, den Sie sich wünschen, den sich Erwin Pröll wünscht! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da spielen wir aber nicht mit – und da spielen auch sehr viele Menschen in unserem Land nicht mit! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

„Wildwuchs bei Nachrichten und Analysen“, was heißt denn das? Es gibt zu viele, zu vielfältige Analysen, einen „Wildwuchs“ also – und da muss man hinein schneiden, da muss man abschneiden? Das sind doch die Schlussfolgerungen, die man aus den Äußerungen des Herrn Landeshauptmannes Pröll ziehen muss. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sagen Sie das dem Herrn Pröll, aber nicht uns!)

Wahrscheinlich kommt von Ihnen dann wieder der Hinweis – und das kann ich mir schon vorstellen; ich weiß nicht, wie Herr Molterer seine Rede aufgebaut hat –: Aber früher war das doch genauso schlimm, da war es doch noch schlimmer! Erinnern wir uns doch an die 8 Sekunden in diesem Beitrag über „Euroteam“, wo Jan Klima heraus­geschnitten wurde!

Ich weiß nicht, ob Sie das sagen wollten, Herr Molterer, aber ich erinnere mich sehr gut daran, ich war nämlich der andere in dem Beitrag. Und ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben gekämpft – und ich sage Ihnen auch ein zweites Beispiel –, dass es diesen Bei­trag gibt. (Abg. Dr. Stummvoll: Haben Sie interveniert beim ORF?) Ich habe nicht ge­wusst, dass geplant war, den Jan Klima herauszuschneiden oder hinein zu nehmen, aber wir haben uns sehr wohl, als wir das erfahren haben, sofort aufgeregt. Wir haben die Causa „Euroteam“ damals durchgesetzt und auch eine Öffentlichkeit dafür erhalten; das ist richtig. (Abg. Scheibner: Was habt ihr durchgesetzt?)

Das Problem des heutigen ORF ist, dass derartige Themen, einzelne Beiträge nicht mehr nur herausgeschnipselt werden, sondern dass diese Themen gar nicht mehr vor­kommen – und das ist der Unterschied, Herr Molterer! Dafür gibt es auch gute Bei­spiele, und ich kann Ihnen diese Beispiele auch nennen.

Was ist beispielsweise gewesen im Jahr 2000/2001, als Ihnen die Berichterstattung im Hörfunk – jetzt bin ich wieder beim Hörfunk –, im Speziellen das „Journal Panorama“, nicht gepasst hat? – Da haben Sie und die FPÖ damals eine Überprüfung dieser Sen­dereihe durchgesetzt – ein deutlicher Hinweis darauf, dass Ihnen dieses Sendeformat, ein überaus beliebtes und gutes Format, nicht gepasst hat. (Abg. Dr. Stummvoll: Mär­chenerzählung!) Das ist kein Märchen! (Abg. Dr. Stummvoll: Beweisen Sie es!)

Was ist gewesen mit der Türkei-Berichterstattung rund um die steirischen Landtags­wahlen: Türkei-Berichterstattung vor der Landtagswahl – Türkei-Berichterstattung nach der Landtagswahl? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sind wir jetzt für das türkische Fernse­hen auch schon zuständig?)

Was ist gewesen – und diese Frage hätte ich gerne dem Herrn Bundeskanzler gestellt, der leider bei dieser Debatte nicht anwesend ist; ich weiß nicht, warum, wahrscheinlich deshalb, weil ihm hier nicht garantiert werden kann, dass er auf alle Kanäle durchge­schaltet wird (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ) –, als sich der Herr Bundeskanzler anlässlich der Winterolympiade produziert hat, wo er bei fast je­dem – Gott sei Dank gewinnendem – Athleten aufgetaucht ist, ihm die Hand geschüt­telt und ihn abgebusselt hat, bei den Analysen vorgekommen ist, so, als ob es das Wichtigste wäre, dass der Bundeskanzler überall im Bilde ist?! (Abg. Dr. Stummvoll: Sie hätten nicht gratuliert?)

Was ist beispielsweise mit anderen Beiträgen und Sendeleisten im ORF? Ganze Sen­deleisten werden gestrichen, dürfen nicht vorkommen – egal, ob es eine Unterhal­tungs- oder eine Informationssendung ist –, wenn es nicht ins Konzept der ÖVP passt!


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So schauen die Realitäten derzeit im ORF aus! Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist viel schlimmer geworden, als es jemals war! Und es war schon schlimm genug in der Vergangenheit! (Beifall bei den Grünen.)

Der Unterschied zwischen FPÖ-Interventionen und ÖVP-Interventionen – darauf hat mein Klubobmann schon hingewiesen – ist der: Die Zeiten, als der Herr Westenthaler Redakteurssprecher beschimpft hat – ein „paar Irre“, hat er über sie gesagt –, die Zeiten, als der Herr Westenthaler die Absetzung von Sendeleisten gefordert hat – „Of­fen gesagt“ beispielsweise –, direkt interveniert hat, sind vorbei. Das spielt es so nicht mehr. Herr Westenthaler braucht jetzt ein etwas stärkeres Mobiltelefon, um da noch durchzukommen.

Der Unterschied zwischen den FPÖ-Interventionen und denen der ÖVP ist: Die ÖVP braucht nicht direkt über den Herrn Molterer zu intervenieren, da reicht es, wenn die „Betriebspolizei“, die „schwarze Betriebspolizei“ des ORF in Form des Herrn Fiedler, in Form des Herrn Schmidl ihre Tätigkeit durchführt und von „marodierenden linken Ele­menten“ und Ähnlichem spricht.

Das ist der Zustand des ORF, den wir uns nicht wünschen! Wir wollen Freiheit für die Berichterstattung, für die Meinung im ORF, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.48


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Mol­terer. Auch seine Redezeit beträgt 8 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


15.48.59

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Staats­sekretäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was hier geschieht, hat mit der Zukunft des ORF und der Diskussion über die Zukunft des ORF nichts, aber auch rein gar nichts zu tun! Dies ist in Wirklichkeit lediglich der Versuch, eine Zukunftsdiskus­sion des ORF zu verhindern und durch eine rot-grüne, parteipolitisch motivierte Insze­nierung zu ersetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Dabei sage ich, es gäbe wichtige Zukunftsfragen für das Unternehmen ORF, für diese so wichtige Einrichtung unseres Landes. Ich meine, dass die Diskussion über die Fra­ge der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages in einem Wettbewerbsumfeld eine ist, die wir zu führen haben, auch als Gesetzgeber durchaus zu führen haben, so wie wir sie beim ORF-Gesetz übrigens geführt haben, und ich denke, dass wir ein hervor­ragendes Gesetz in diesem Zusammenhang haben.

Eine Diskussion über folgende Frage ist aus meiner Sicht durchaus legitim: Wie si­chern wir mittel- beziehungsweise langfristig, auch in Übereinstimmung mit der Euro­päischen Union, die Gebührenfinanzierung als essentielle wirtschaftliche Grundlage für den ORF ab?

Es ist auch eine Diskussion über folgende Frage richtig und legitim: Mit welchen Rah­menbedingungen kann der ORF den föderalen Auftrag als Teil des öffentlich-recht­lichen Auftrags erfüllen angesichts einer Medienentwicklung, die sehr stark in Richtung Regionalisierung geht?

Es ist die Diskussion über die Frage Qualitätsmonitoring eine, die wir durchaus führen können. Es ist etwa die Debatte über die Weiterentwicklung des ORF-Angebotes für die Seherinnen und Seher, für die Hörerinnen und Hörer – Stichwort: Spartenkanal Kul­tur – durchaus eine interessante Frage.


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Es ist beispielsweise eine der essentiellen Zukunftsfragen für das Unternehmen ORF, für den öffentlich-rechtlichen ORF: Wie wird denn eigentlich in Zukunft die Situation zwischen Medienunternehmen ORF und Telekommunikationsunternehmen aussehen, wo wir wissen, dass die Telekommunikationsunternehmen hier ganz präzise und klare Strategien haben?

Ja, die Diskussionen über diese zukünftigen Fragestellungen des ORF, die will ich, die will ich auch leidenschaftlich führen, aber was hier geschieht, Herr Van der Bellen, ist exakt das Gegenteil. Es ist entlarvend und eigentlich ungeheuerlich, was Sie hier ge­sagt haben. Mit Ihrer Rede haben Sie drei Dinge sehr deutlich gemacht und bewiesen, dass Sie diese Zukunftsdiskussion des ORF überhaupt nicht interessiert!

Sie haben erstens hier behauptet, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF nicht an das Objektivitätsgebot, nicht an das Unabhängigkeitsgebot, das nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht darstellt, halten, dass sie diese Gebote verletzen würden. – Und das ist ein derart ungeheuerlicher Misstrauensvorwurf gegen die Re­dakteurinnen und Redakteure des ORF, den ich in deren Interesse massiv zurückwei­sen muss, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ. – Abg. Dr. Van der Bellen: Da haben Sie wirklich nicht zu­gehört!)

Ich gebe Andreas Koller absolut Recht, wenn er in einem Leitartikel titelt: Wer rettet den ORF vor seinen Rettern? – Herr Abgeordneter Van der Bellen, Sie tragen zum Un­tergang des ORF in diesem Sinne letztendlich bei – und das halte ich für verwerflich und ungeheuerlich! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Van der Bellen: Haben Sie den heutigen Artikel von Koller auch gelesen?)

Die zweite Sache, Herr Professor Van der Bellen: Sie haben in Ihrer Rede gesagt, Sie wollen eigentlich gar nicht über den ORF diskutieren, sondern über die Führungs­mannschaft des ORF. Wissen Sie, was Sie hier tun? – Sie ziehen die Entscheidung über die zukünftige Struktur, über die Führungsstruktur des ORF aus dem Stiftungsrat heraus und führen sie in die parteipolitische Dimension des Parlaments! Das ist unge­heuerlich, was Sie hier gemacht haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Herr Kollege Van der Bellen, Sie entmachten den Stiftungsrat, jene Einrichtung, die die Verantwortung für die Zukunft des ORF trägt! (Abg. Dr. Stummvoll – in Richtung Grü­ne –: Das ist ungeheuerlich! – Abg. Dr. Van der Bellen: Sie machen das!) Das ist eine Diskussion, wo Sie sich – habe ich den Eindruck – überhaupt nicht dessen bewusst sind, in welche Richtung Sie da tendieren.

Herr Professor Van der Bellen, Sie haben sich selbst klar entlarvt: Sie wollen eine Ver­politisierung (Abg. Mag. Kogler: Scheinheiligkeit!), denn interessanterweise haben Sie in den gesamten Ausführungen über den öffentlich-rechtlichen Auftrag das Thema Pro­gramm überhaupt nie erwähnt. Es ist Ihnen ausschließlich um die Information gegan­gen. Ja, was liegt denn dann ganz klar auf dem Tisch? – Es geht Ihnen in Wahrheit um Ihren politischen Einfluss dort! (Zwischenrufe bei den Grünen.) Es ist doch auch entlar­vend, dass Sie hier gesagt haben, Sie wollen die Diskussion hier im Parlament führen, weil Sie nur einen Stiftungsrat haben. – Herr Professor Van der Bellen, sich selbst die Maske so vom Gesicht zu reißen, das habe ich eigentlich noch selten hier in diesem Hause erlebt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Übrigens: Unabhängigkeit; ich habe mich erkundigt: Wenn Sie Probleme haben (Abg. Mag. Kogler: Das Problem ist die ÖVP!) und es Fälle gäbe, dann frage ich Sie: Warum ist derzeit – nach meinem Informationsstand – beim Bundeskommunikationssenat kei­ne Beschwerde der Grünen anhängig? Warum hat es eine einzige Beschwerde der Grünen in den letzten Jahren gegeben (Abg. Öllinger: Weil es sinnlos ist! – Abg.


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Mag. Kogler: Es ist ja schon alles schwarz!), die vom BKS, der unabhängigen Kontroll­behörde, als nicht rechtmäßig zurückgewiesen worden ist? Da sieht man doch, worum es Ihnen eigentlich in Wirklichkeit geht.

Sie haben einen Stiftungsrat, der von sich behauptet, er sei unabhängig, aber in der letzten Sitzung des Stiftungsrates erklärt hat, er hätte seine Wortmeldung selbstver­ständlich mit Professor Van der Bellen abgestimmt. – So weit zur Unabhängigkeit Ihres Stiftungsrates. (Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Sie haben einen Stiftungsrat, der Geschäfte mit dem ORF macht, Pächter des Radio­kultur-Cafés ist, das TV-Übertragungen auf Großleinwand macht. Die Rechte dafür hat er vom ORF bekommen. (Abg. Dr. Stummvoll: Unglaublich!) Ja, unglaublich, meine Damen und Herren, ist das! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Grünen.) Das ist es, was Sie in Wirklichkeit hier machen. Es ist schade, dass wir diese Chance der Zu­kunftsdiskussion durch Ihre Verpolitisierung letztendlich nicht nutzen können.

Letzte Bemerkung. Es wird jetzt Kollege Cap herauskommen, dem ich nur in Erinne­rung rufe: ORF-Intendant Kunz: ehemaliger Pressesprecher/Bundeskanzler, SPÖ, Ge­neralintendant Zeiler: ehemaliger Pressesprecher/Kanzler, SPÖ, Stiftungsrat Kramer: ehemaliger Pressesprecher/Kanzler, SPÖ, Rudas: ehemaliger Sekretär von Blecha, dann ORF-Pressesprecher, dann ORF-Generalsekretär und nachher SPÖ-Zentralsek­retär. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist ein Filz, ein roter Filz!)

Ich rufe Ihnen weiters in Erinnerung: Kalina, von dem Gusenbauer selbst im Zusam­menhang mit dem ORF von „Schandtaten“ spricht. (Abg. Öllinger: Und was ist mit Bergmann?) Und, meine Damen und Herren, ich rufe in Erinnerung, dass es die SPÖ war, die den ORF der ÖIAG eingliedern wollte, und Bürgermeister Häupl immerhin ge­sagt hat, er will, dass der ORF eine AG wird, damit dann ein Kanal privatisiert werden kann. – Das ist Ihre wahre Absicht!

Meine Damen und Herren! Mir ist dieser ORF sehr wichtig, und ich bin mir meiner Ver­antwortung als Mediensprecher bewusst. Ich appelliere daher an Sie: Stoppen Sie end­lich diese Menschenhatz – und lassen Sie den ORF in eine gute Zukunft gehen! (Leb­hafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

15.57


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Cap. Seine Redezeit beträgt ebenfalls 8 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


15.57.46

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Stimmt, Herr Klubobmann Molterer, alle Parteien haben Fehler gemacht in Bezug auf den ORF. Wir geben es zu. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Wir geben es zu, aber Sie nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie sagen, es wird die Diskussion aus dem Stiftungsrat hierher getragen, um über die Geschäftsführung zu debattieren, dann frage ich Sie, Herr Klubobmann Molte­rer: Wer hat auf Seite 1 in der „Presse“ dekretiert: Lindner wird wieder Generaldirek­tor!? – Ich, Molterer, Fürst der Medien, Fürst des ORF, dekretiere: Lindner wird wieder Generaldirektor! Ihr braucht eh keine Stiftungsratssitzung mehr zu machen, ich habe es beschlossen! – Und dann stellen Sie sich da her und sagen: Nein, nein, nein, der Stiftungsrat ist natürlich überparteilich und was weiß ich noch alles. Die Fernseh­zuschauer und -zuschauerinnen werden sich ja ihr Bild ohnehin schon auf Grund des Programmes und der Infokrise gemacht haben. Das stimmt jedenfalls nicht!

Sie von der ÖVP sollten hier Selbstkritik üben, sich ein bisschen geißeln und sagen: Ich habe gesündigt, denn ich habe die demokratischen Spielregeln nicht eingehalten! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)


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Mir fehlt die Zeit, um über den Bundeskommunikationssenat zu sprechen und über die Chance, dort erfolgreich Beschwerden einzubringen. – Hoffnungslos! Das ist natürlich eine abhängige Einrichtung, von Ihnen politisch dominiert: hoffnungslos!

Aber wenn Sie sagen, es geht um die Zukunft des ORF, dann muss ich sagen, man kann natürlich über die Digitalisierung debattieren, über die deutschen Fenster, dar­über, dass die keine österreichische Programmschöpfung machen, dass man das re­geln sollte. Dafür bin ich, für eine wirklich konkrete, sachliche Debatte darüber. Aber das Allerwichtigste für den ORF ist die Glaubwürdigkeit. Das ist das Entscheidende. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Dieses Problem kennen Sie, gell?)

Das, was Sie untergraben mit Ihrer Politik gegenüber dem ORF, mit der Einfluss­nahme, die bisher in diesem Ausmaß in der Republik noch nie da gewesen ist, ist die Glaubwürdigkeit des ORF und damit die Zukunftsfähigkeit! Das haben Sie auf dem Gewissen!

Kommen Sie heraus, Herr Klubobmann Molterer – und vielleicht vom BZÖ auch noch jemand – und sagen Sie: Ja, wir geben es zu, uns ist die Quotenentwicklung bei den Informationssendungen völlig egal! Es reicht, wenn die ÖVP-Angestellten zuschauen, wenn ich zu sehen bin! Wenigstens hören sie mir einmal zu, wenn ich etwas sage!

Okay, machen wir es so! Aber dann ist er kaputt, der ORF. Und ich finde, das ist schade, denn der ORF ist ein ganz wichtiges kulturelles Medium in Österreich, er ist für unsere kulturelle Identität von größter Bedeutung. Er ist ein wichtiges Informationsme­dium, und man sollte mit diesem Unternehmen wirtschaftlich – denn Sie haben in der Vergangenheit ja mit Gesetzen ziemlich „gezwangelt“ – nicht so umgehen und auch mit den Journalisten, die da drinnen arbeiten und tagtäglich um ihre Freiheit kämpfen, nicht so umgehen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie haben sich wenigstens bemüht – immer wenn Staatssekretär Morak diesen Grill­parzer-Ton bekommt, weiß man: Jetzt hat er Distanz zum Text. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) – Auch eine Form der Ehrlichkeit, nur: Ich meine, man muss das schon einmal richtig bewerten. Wenn der Landeshauptmann von Niederös­terreich, Pröll, in die Medien geht (Abg. Mag. Molterer: Was hat denn der Gusenbauer gemacht?) und sagt, da gehört der Hörfunkdirektor weg – also ein ÖVPler richtet dem anderen ÖVPler aus: Du gehörst weg, denn du lässt es in deinem Unternehmen, im Hörfunk, geschehen, dass dort die Objektivität eingehalten wird, die Unabhängigkeit eingehalten wird, dass dort einfach die Journalisten ihre Pflicht erfüllen können! Du gehörst weg! Das nenne ich Wildwuchs – ich, Fürst von Niederösterreich! –, sollte sich Pröll meiner Meinung nach eine Perücke aufsetzen und mit der Kutsche durchs Land fahren, damit man wenigstens erkennt, wer da kommt! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

So soll Pröll durchs Land fahren: Ich, Fürst von Niederösterreich, ich habe den Dau­men so (die entsprechende Bewegung mit dem Daumen machend) gesenkt und er­warte mir: Der Hörfunkdirektor gehört weg, denn dort wird noch gemäß den Prinzipien des Rundfunkgesetzes agiert!

Und da hätte ich mir erwartet, und zwar sowohl von Staatssekretär Morak als auch von Klubobmann Molterer, dass sie sich von diesem frechen Angriff auf die Freiheit der Journalisten hier vom Rednerpult aus distanzieren. – Nichts dergleichen haben Sie ge­tan! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Wie ist man mit Armin Wolf umgegangen, der in einer sehr respektablen Rede auf die Situation hingewiesen hat, die im ORF momentan herrscht – vor allem im Bereich der Information, vor allem unter der Ägide des Herrn Werner Mück, über dessen Schreib­tisch ja alles zu gehen hat? Wolf sagt in seiner Rede: „... die ORF-Informa-


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tion ... braucht ... redaktionelle und inhaltliche Pluralität.“ Und weiters sagt er: und „nicht bei jedem Studiogast und jedem Diskussionsthema erst nachfragen müssen“.

Was heißt das? Wenn eine „Offen gesagt“-Sendung gemacht wird, wenn eine „Presse­stunde“ gemacht wird, wenn die Themen für die „ZiB 1“, für die „ZiB 2“, für die „ZiB 3“ ausgesucht werden, muss der Journalist jedes Mal zu Herrn Werner Mück gehen und muss fragen: Herr Mück, darf ich dieses Thema nehmen? – Nein, darf ich nicht? Na, dann streichen wir es halt.

Oder er kämpft. Und viele kämpfen mutig gegen dieses Diktat, das von diesem Schreibtisch in diesem Unternehmen ausgeht, wenn es um die Freiheit im ORF geht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Armin Wolf zitiert in seiner – man muss fast schon sagen legendären – Rede auch Heinrich Neisser. Heinrich Neisser ist hier gesessen, wo Klubobmann Molterer jetzt sitzt. Klubobmann der ÖVP war er – nicht irgendwer –, einer der größten und besten Redner, die dieses Haus je gesehen hat. Was sagt er? – Ich zitiere Heinrich Neisser:

„Noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik wurde der medienpolitische Macht­anspruch so ungeniert artikuliert wie unter der ,Wenderegierung‘. (...) Der ORF wird als Besitz betrachtet, Politiker fühlen sich als Hausherren. (...) Eine neue Facette im Sys­tem ist die Unverfrorenheit, mit der die politischen Parteien ihre Kandidaten aufstellen und bewerben.“ (Zwischenrufe der Abgeordneten Schöls und Rädler.)

Das hat Heinrich Neisser gesagt, Ihr ehemaliger Klubobmann, der hier gesessen ist. Ihr Chef – ÖVP! –, sagt das, was jetzt die offizielle ÖVP-Medienpolitik ist.

Und wissen Sie, was verräterisch war? – Verräterisch war Ihr Zitat mit der „Verräter­suche“. Das war ganz verräterisch, denn was Sie sagen, ist: Wir wollen keine geheime Abstimmung im Stiftungsrat am 17. August, denn wir, Molterer, Lopatka und Co – oder Sie sagen „wir“ und meinen nur Sie –, wir wollen nicht „auf Verrätersuche“ gehen müs­sen, denn wir kennen die Diskussion in der ÖVP-Fraktion im Stiftungsrat, wenn Herr Andreas Braun aus Tirol sagt: Ich weiß nicht, aber ich glaube, ich werde jetzt nicht der Empfehlung der ÖVP folgen!, und der ÖVP-Zentralbetriebsratsobmann Fiedler sagt: Dann raus mit ihm!, Haut ihn raus aus dem Stiftungsrat!, und geht zur Tiroler Landes­regierung und sagt: Beruft ihn doch endlich ab, der will sich im Stiftungsrat nicht an die ÖVP-Linie halten! – Das ist die Wahrheit! Lernen Sie endlich daraus!

Wir haben von unseren Fehlern gelernt – Sie nicht! Bei Ihnen herrscht die Panzer-Men­talität vor! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Murauer: Was habt ihr gelernt, Herr Cap?) Sie wollen diesen Weg fortsetzen (Abg. Murauer: Noch einmal: Was habt ihr gelernt?) – und wenn der ORF daran zerbricht! Das ist Ihnen egal. (Zwischenruf der Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer.)

Daher sage ich Ihnen, das Entscheidende ist – und das ist meine Botschaft an all die Journalisten, die hier zuhören –: Lassen Sie die Journalisten einfach in Ruhe! Lassen Sie sie ... – Ja, dann lachen Sie. Das kennen Sie gar nicht! Haben Sie schon das Tele­fon in der Hand, oder was? – Lassen Sie die Journalisten im ORF einfach in Ruhe! Sie sollen dort ihre Arbeit tun, sie sollen dort kreativ sein dürfen. Sie sollen die Prinzipien des ORF-Gesetzes erfüllen dürfen.

Lassen Sie das endlich zu: im Interesse der ZuseherInnen und ZuhörerInnen, im Inter­esse des ORF, im Interesse der Demokratie in Österreich! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie Bravorufe bei der SPÖ.)

16.06


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Seine Redezeit beträgt 8 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 



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16.06.39

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche - BZÖ): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Gusenbauer, der Möchtegern-Fürst der SPÖ, sagt: Wrabetz wird Generaldirektor! – Herr Cap, das ist hüben wie drüben genau das Gleiche: Sie stellen sich hier heraus, beschimpfen die ÖVP, dass sie die Frau Lindner favorisiert – Herr Gusenbauer favorisiert den Herrn Wrabetz. Ich werde Ihnen eines sagen – ich bin mit meiner Meinung ja nicht oft deckungsgleich mit den Grünen, aber da bin ich deckungsgleich –: Das ist hüben wie drüben das gleiche Theater! Das, was Sie gerade beschrieben haben im ORF, dürfte nichts anderes sein als die Beschrei­bung einer Zeit, wie Sie sie noch erlebt haben, als Sie in einer großen Koalition den ORF gemeinsam geführt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ. – Ruf bei der SPÖ: Und der Herr Westenthaler!)

Herr Professor Van der Bellen, das Einzige, was man an Ihrer 20-minütigen Rede wirk­lich herausstreichen kann – da hat mein Herz einmal kurz höher geschlagen –, war, als Sie hier am Rednerpult gesagt haben, Frau Mag. Huberta Gheneff ist eine hervorra­gende, engagierte Anwältin. Das war, glaube ich, der einzige Satz in Ihrer gesamten Rede, der wirklich richtig war. Dazu muss ich Ihnen meine Glückwünsche ausspre­chen, denn ansonsten hat diese Rede wahrscheinlich nicht nur in unseren Reihen, sondern auch in anderen eher für Müdigkeit gesorgt.

Dieser ORF, der heute hier in Diskussion steht, ist – das steht, glaube ich, außer Zwei­fel für alle, die hier herinnen sitzen – wichtig: wichtig für die Demokratie, wichtig für die Kultur, wichtig für die Information. Er ist unerlässlich für dieses Land – darin sind sich alle Redner hoffentlich einig.

Deshalb, glaube ich, sind wir auch alle aufgerufen, etwas dazu beizutragen, dass es so bleibt, dass dieser ORF auch künftig gehört, gesehen und von den Menschen in die­sem Land wahrgenommen wird.

Die Grünen haben heute hier eine Sondersitzung verlangt, und sie haben in ihrer Be­gründung im Ansatz in Bezug auf eine Tatsache nicht Unrecht: Es gibt sehr verstärkte öffentliche Diskussionen. Es gibt eine öffentliche Diskussion, es gibt ein politisches Ge­rangel, und es gibt Kritik von außen in den ORF hinein und von innen über den ORF. – Das ist problematisch. Darüber werden wir reden müssen. Darüber mache auch ich als Mediensprecher meiner Fraktion mir meine Gedanken.

Ich habe auch in den letzten Wochen und Tagen viele Gespräche mit Redakteuren, mit Journalisten, mit beunruhigten Sehern geführt, aber wissen Sie, was mich an der Dis­kussion stört – und das haben auch meine Vorredner hier, mit Ausnahme von Herrn Klubobmann Molterer, nicht anders gehalten –? In Wirklichkeit gibt es eine medial verkürzte Diskussion: Wer wird Generaldirektor? – Als ob das das einzige Problem des ORF wäre! Ob das wirklich das einzige Problem ist, das uns beschäftigt (Abg. Dr. Van der Bellen: Eh nicht, aber ...!): Wer wird Generaldirektor oder -direktorin? Und wer wird Informationsdirektor oder -direktorin? Und wie wählen wir ihn?

Herr Dr. Van der Bellen, dieses Machtdenken innerhalb des ORF, ob das jetzt ausge­prägt ist oder nicht, ob Sie gerne mehr Macht hätten oder nicht, oder ob die SPÖ einer ehemaligen Macht nachjammert oder nicht – ich glaube, den ORF haben andere Dinge zu interessieren! Ich glaube, da gibt es viele andere Bereiche, die für uns wichtig sind, und nicht nur diese eine Frage. – Man muss einmal Ihre Dringliche Anfrage lesen! Ich hoffe, die Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer lesen sie im Internet, laden sie her­unter; ich glaube, sie ist auf Ihrer Homepage.

Man muss sich diese Anfrage einmal auf der Zuge zergehen lassen! (Abg. Neudeck: Schad’ ums Papier!) Da geht es nur um die Frau Generaldirektorin Lindner: Wo ist sie? Wo war sie? Wem hat sie zugeklatscht? Mit wem spricht sie? (Abg. Öllinger – ein


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Exemplar des Dringlichen Antrages in die Höhe haltend –: Wo lesen Sie das? – Abg. Gradwohl: Wo steht das da?) Was hat sie gemacht? – Seien Sie mir nicht böse, aber ich glaube, es gibt wichtigere Dinge im ORF, es gibt viel wichtigere Dinge! (Abg. Öllin­ger: Wo steht denn das?)

Wenn Herr Cap sich hier herausstellt (Abg. Öllinger: Wo steht das?) und sich dort in diesen Jammerton einnabelt (Abg. Öllinger: Wo steht denn das?) und sich beschäftigt mit dem, was in den letzten Jahren gemacht wurde, dann sage ich ihm: Herr Dr. Cap, es gibt wichtigere Fragen im ORF! (Abg. Öllinger: Wo lesen Sie das?) – Anscheinend, Herr Öllinger, haben Sie Ihre Anfrage selbst nicht gelesen. (Abg. Öllinger: Lesen Sie den Antrag! Da kommt ein Mal der Name „Lindner“ vor!) Es tut mir sehr Leid, dass Sie in Ihrem Klub die eigene Anfrage nicht lesen.

Diese Kritik, die hier geäußert wird, ist verkürzt. Sie ist insofern berechtigt, als es in die­sem Rundfunk tatsächlich Probleme gibt. Es ist berechtigt, darauf hinzuweisen, dass man hier über sehr viele Dinge nachdenken sollte. Das stimmt. (Abg. Dr. Matznetter: Das stimmt aber nicht mit der ÖVP!) – Herr Kollege Matznetter, Sie sollten eher bei irgendeiner Krisensitzung des ÖGB und der SPÖ sein, denn ich glaube, dort gibt es genug Probleme zu lösen, und nicht hier auch noch über den ORF mitdiskutieren. (Bei­fall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Was ist wirklich wichtig für diesen ORF? – Perspektiven, die Finanzierungsfrage, die Visionen: Wohin entwickelt sich der ORF? Welche Konzepte gibt es? – Das ist das, was ich vermisse, das ist das, was auch meine Fraktion vermisst bei der jetzigen Dis­kussion. Wir stehen knapp vor einer entscheidenden Wahl: Wir stehen knapp vor einer Wahl des Führungsgremiums des ORF für die nächsten fünf Jahre. – Wir diskutieren lediglich über Köpfe! Wer spricht darüber, wie man sich den Herausforderungen der Zukunft stellen wird? Wer spricht darüber, wie man sich künftig in der neuen Medien­landschaft behaupten kann? Wer spricht darüber, wie man sich abgrenzen kann von den Privatfernsehstationen, speziell aus Deutschland? Wer spricht darüber, wie man mit den sinkenden Zuschauerzahlen umgeht? (Abg. Öllinger: Wir!) Wer spricht dar­über, wie man auch künftig moderne Programme gestalten kann, wie man innovativ ist?

Wer spricht zum Beispiel darüber, wie man für jugendliche Zuseher und für Senioren spezielle Programme gestalten kann? Wer macht sich Gedanken darüber, dass man mit innovativen Ideen den ORF wieder beleben kann? – Das wären eigentlich die zent­ralen Fragen, wenn es darum geht, wie man mit diesem sehr wichtigen Instrument um­gehen soll. (Beifall bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Nicht sich hier herausstellen und stundenlang diskutieren: Ist die Direktorin rot oder schwarz oder vielleicht grün? – Herr Professor Van der Bellen, das sollte zweitrangig sein! Es geht um Perspektiven für den Rundfunk! Und da gibt es so viele offene Fra­gen: Bleibt der Standort am Küniglberg, oder kommt er woanders hin? Wie entwickelt man die Personalpolitik am Küniglberg? – Da gibt es so viele offene Punkte! Dort feh­len mir die Strategien, damit hätten Sie sich in Ihrer Anfrage beschäftigen sollen – aber das habe ich vermisst! Da hätte ich mir gewünscht, dass Sie auch die Frage stellen: Wie sieht das neue Führungsgremium diesen Perspektiven entgegen?, und nicht, ob die Wahl geheim ist oder nicht. – Also seien wir einmal ganz ehrlich: Eine lächerliche Anfrage ist das in Wirklichkeit gewesen (die Abgeordneten Öllinger und Brosz – auf ein Exemplar des Dringlichen Antrages weisend –: Antrag! Antrag! Nicht Anfrage!), denn dazu hat schon Herr Staatssekretär Morak ganz klar ausgeführt, dass das recht­lich gar nicht möglich ist. Dieser Antrag ist lächerlich – ja, genau, Herr Kollege Brosz: Lächerlich ist er!


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Deshalb sage ich Ihnen eines ganz klar: Sie haben heute hier massiv das Thema ver­fehlt. Die Probleme im ORF sollte man in anderen Gremien lösen. Der Stiftungsrat ist ein gutes Gremium, der Stiftungsrat nimmt seine Aufgabe auch sehr ernst. Er hat sich dieser Sache angenommen. Er wird in den nächsten Wochen wichtige Entscheidungen zu treffen haben. Und in Wirklichkeit ist jeder Stiftungsrat zu bedauern, weil er durch die politischen Machenschaften, die hier von der Opposition in den ORF hineingetra­gen werden, in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt wird und in seiner Entschei­dungsfreiheit von außen negativ beeinflusst wird. (Ironische Heiterkeit bei Abgeordne­ten der SPÖ und der Grünen.)

Meine geschätzten Damen und Herren von Rot und Grün! Lassen Sie den ORF dort, wo er ist! Er ist auf einem guten Weg. Sorgen wir lieber gemeinsam dafür, dass die strukturellen Probleme des ORF dort gelöst werden, wo sie hingehören, nämlich im Führungsgremium! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Ab­geordneten der ÖVP. – Abg. Mandak: Oh weh, oh weh!)

16.14


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Sie hat 5 Minuten Redezeit. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


16.14.17

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Poštovane dame i gospodo! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Händen von Uwe Scheuch lassen wir den ORF ganz sicher nicht! Das versprechen wir Ihnen – ich nehme an, ich spreche auch im Namen der sozialdemokratischen Opposition. (Ironische Heiterkeit und lebhafte Zwischenrufe bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ und ÖVP.)

Wenn man nämlich etwas in den Händen von Uwe Scheuch lässt, dann sollte man sich vor Augen halten: Er weiß nicht einmal, dass es sich heute nicht um eine Dringliche Anfrage der Grünen handelt, sondern um einen Dringlichen Antrag, in dem es darum geht, das ORF-Gesetz zu ändern. Jetzt stellen Sie sich vor, er hätte im ORF tat­sächlich etwas zu sagen! – Na gute Nacht! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abge­ordneten der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dipl.-Ing. Scheuch, Neudeck und Dr. Bleckmann.)

Meine Damen und Herren! Uwe Scheuch ist aber nicht das Thema meines Redebeitra­ges, sondern das, was in den letzten Tagen passiert ist. Und ich glaube, kaum jemand hat das besser zusammengefasst als Andreas Koller in den „Salzburger Nachrichten“, der am Dienstag geschrieben hat: „Und jetzt noch das Radio“. – Und nachdem wir schon den ORF haben, nämlich das ORF-Fernsehen – wir, die ÖVP –, wollen wir jetzt noch das Radio! – Nur so lässt sich das, was Landeshauptmann Pröll in seinem „Kro­nen Zeitung“-Interview gesagt hat, zusammenfassen, und treffender könnte es nie­mand formulieren.

Meine Damen und Herren! „Und jetzt noch das Radio“ ist die Drohung, dass die Gleich­schaltung in dieser Republik erfolgt – die Gleichschaltung, die nicht Nonkonformismus verhindert, sondern die dem gesetzlichen Auftrag des ORF-Gesetzes, nämlich dem Objektivitätsgebot des ORF-Gesetzes, widerspricht, die die journalistische Arbeit der hervorragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF einschränkt, ihnen quasi einen Maulkorb umhängt. Das sind die Absichten, die dahinter stecken und die sich im Fernsehen – und das wurde mehrfach von den Vorrednern anhand von Beispielen be­reits hier dargelegt – ja schon erkennen lassen. – Und jetzt noch das Radio!

Meine Damen und Herren! Aber auch Herr Klubobmann Molterer mit seiner letzten Be­merkung: Lassen Sie doch „die Menschenhatz“! (Abg. Mag. Molterer: Jawohl! Ja­wohl!), bezogen auf die Grünen und ihre Kritik an der ORF-Führung. – Herr Klubob-


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mann Molterer! Lassen Sie die Hatz – mit „Sie“ meine ich jetzt die ÖVP, aber auch Sie persönlich – auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF! (Beifall bei den Grü­nen.)

Ich sage Ihnen eines, Herr Klubobmann Molterer: Reden Sie einmal mit dem Herrn Präsidenten Khol, der – zugegeben, da war er noch nicht Präsident, da war er „nur“, unter Anführungszeichen, Klubobmann der ÖVP-Fraktion, wobei die ÖVP in der Regie­rung war – damals gesprochen hat von den „roten Gfrießern“, die einem entgegenrin­nen, bezogen auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF! Was ist das, Herr Klub­obmann Molterer, wenn nicht Menschenhatz, Diskreditierung und Verurteilung? (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Sorge gilt in erster Linie dem, was der ORF den Bürgerinnen und Bürgern und FernsehzuschauerInnen in diesem Land bietet – und das ist nicht mehr das, was das ORF-Gesetz gebietet, was zu tun wäre. (Abg. Ellmauer: ... mehr als 63 Prozent!) Das ist unsere Sorge, deshalb heute die Diskussion, deshalb die Sorge der Grünen, dass sich bei der ab morgen sozusagen laufenden Ausschreibung für die oberste Führungs­garnitur des ORF die Dinge keineswegs zum Guten verändern werden. Wenn schon auf kleine Redakteure dieser Druck ausgeübt wird, na dann wollen wir ja gar nicht reden von dem, was da oben passiert! Aber viel braucht ja nicht mehr zu passieren, Frau Lindner sitzt ohnedies bei ÖVP-Veranstaltungen in der ersten Reihe und zeigt ja schon bildlich, wie und mit wem sie es hält. Das ist Tatsache!

Oder, andere Beispiele: Dass Politikerinnen und Politiker der Opposition vom ORF ein­geladen werden, um sozusagen ihren Job zu machen – und dann kommt der Minister oder die Ministerin und sagt: Na da habe ich aber keine Lust zu diskutieren!, und flugs werden solche Diskussionssendungen wieder storniert und finden nicht statt. Das sind unsere Probleme, denn wir wollen nämlich, dass die Bürger und Bürgerinnen über das informiert werden, was in diesem Land passiert.

Als Allerletztes, weil die Zeit knapp ist, als ein Beispiel: Ein Zentralbetriebsrat und Stif­tungsrat ist interimistischer Leiter einer Sendung, die mir sehr am Herzen liegt: „Hei­mat, fremde Heimat“, 1989 eingeführt, sozusagen ein Format, das sich für die Zuwan­dererbevölkerung, für die zweisprachige Bevölkerung im ORF sehr große Verdienste erworben hat. 30 Minuten wöchentlich, jeden Sonntag, seit 1989!

Jetzt wird fest daran gearbeitet, Kosmetik zu betreiben in Bezug auf „Heimat, fremde Heimat“ – Kosmetik statt mehr Programm und mehr Inhalte. Herr Schmidl will einen Relaunch des Programms und verordnet als interimistischer Leiter einmal zwei Monate Pause für diese Sendung über den Sommer! In diesem Land, wo über Integration und Migration und die Problematik von AusländerInnen so viel diskutiert wird wie noch nie, verordnet der interimistische Chef zwei Monate Pause!

Was ist daran objektiv, was ist daran noch gesetzesgemäß? Es ist schwarze Politik! – Wir sehen auch schwarz, und deshalb der heutige Dringliche Antrag. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.20


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgart­ner-Gabitzer. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.20.03

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Was von der Opposition an Vorwürfen vorgebracht wurde, ist alles in allem sehr viel – so viel Redezeit habe ich gar nicht, um auf all das eingehen zu können.


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Ich habe Ihren Redebeiträgen außerordentlich genau zugehört, ganz besonders dem Herrn Kollegen Cap und der Frau Kollegin Stoisits. Hier handelt es sich um eine un­glaubliche Heuchelei. Ich habe so etwas noch nie erlebt! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner.)

Es geht Ihnen überhaupt nicht um einen erfolgreichen ORF, auch wenn Sie das immer wieder auf den Lippen tragen, sondern es geht Ihnen schlicht und einfach darum, den ORF fertigzumachen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.) Und das möchte ich von Grund auf massiv zurückweisen.

Der ORF ist ein hervorragendes Unternehmen und wird auch hervorragend geführt. Das möchte ich hier ausdrücklich festhalten. Dass Sie nicht mit allem einverstanden sind, ist okay, aber auch uns gefällt nicht alles. Allerdings handelt es sich dabei nicht um Angelegenheiten, die hier zu lösen sind. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) Hier lösen kann man nur die Regelungen, die wir im ORF-Gesetz festgelegt haben – und die sind einwandfrei, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP so­wie der Abg. Dr. Bleckmann.)

Sie behaupten mit unglaublichen Krokodilstränen, dass es dem ORF so schlecht geht. – Schauen Sie sich doch endlich einmal die Daten und Fakten an! Tatsache ist, dass der ORF eine sehr gute Ausbeute an Hörerinnen und Hörern und Seherinnen und Sehern hat. Bei der letzten Media Research im Jahr 2005 hatte er immerhin 59,1 Pro­zent der Reichweite. Das spricht in Zeiten wie diesen, wo es eine unglaubliche Vielfalt an verschiedenen Sendern in Österreich gibt, für ein wirklich tolles Programm. Das möchte ich betonen: Es werden ein gutes Programm und eine sehr ordentliche Infor­mation geboten.

Und worum geht es Ihnen? – Es geht Ihnen überhaupt nicht darum, irgendetwas an der ORF-Linie oder am ORF insgesamt zu beleuchten. Sie beschäftigen sich – wie auch schon mehrere Redner vor mir gesagt haben – nur mit der Information, mit sonst nichts. Dass der ORF hervorragendes Programm macht, findet bei Ihnen überhaupt keine Erwähnung. (Abg. Reheis: ... ist auch nicht besser!)

Auch die wirtschaftlichen Zahlen sind außerordentlich gut. Der ORF hat im vergan­genen Jahr sogar 3,2 Millionen € Plus gemacht. Dass sich der ORF wirtschaftlich in einem Niedergang befindet, wie Sie in Ihrem Antrag insinuieren, ist Gott sei Dank nicht wahr!

Kollege Cap hat Herrn Staatssekretär Morak den – wie er es genannt hat – „Grillpar­zer-Ton“ angedichtet. Grillparzer war ein hervorragender Dichter, ein wirklicher Weiser. Wenn Staatssekretär Morak diesen Ton hat, dann gratuliere ich ihm dazu. (Beifall bei der ÖVP.) Das ist in jedem Fall besser, als ein Büttenredner zu sein, so wie Sie es des Öfteren sind, Herr Kollege Cap. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Cap hat in seiner Rede gemeint, dass es einen Eingriff in den ORF in diesem Ausmaß noch nie gegeben hat. Diesen haben angeblich die ÖVP und Klub­obmann Molterer getätigt. – Tatsächlich hat es jedoch vor einigen Jahren einen Eingriff in den ORF gegeben, wie er in der Geschichte der Zweiten Republik wohl einzigartig ist: Es war Herr Kalina – wenn ich Ihnen das in Erinnerung rufen darf –, der damals tat­sächlich in den Schneideraum des ORF eingegriffen hat und acht Sekunden einer Auf­nahme rausschneiden hat lassen, als diese Affäre ... (Abg. Scheibner: Was macht denn der jetzt, der Kalina? – Abg. Mag. Molterer: Was macht er jetzt?) – Der Herr Kali­na ist derzeit der Pressesprecher beziehungsweise der Zuständige für die Pressearbeit der SPÖ. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Fekter: Wahlkampfleiter! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Blödsinnigkeiten!)


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Kollege Cap hat hier eine Fülle von Aussagen getätigt, die wirklich ihresgleichen su­chen. Er hat gefragt: Wer ist denn der BKS, der Bundeskommunikationssenat? – Dem Bundeskommunikationssenat, meine sehr geehrten Damen und Herren, gehören außerordentlich honorige Personen an: Das sind alles unabhängige Richter – ein Ober­landesgerichtspräsident, ein Mitglied des Handelsgerichtes, des Oberlandesgerichtes und des OGH. (Abg. Öllinger: Wie viele vom CV sind dabei?) Das sind Personen mit untadeligem Ruf, die sich keineswegs Fragen wie diese – wer ist denn dieser BKS? – gefallen lassen müssen. Dieser Senat wird hier in einer Art und Weise der Parteilichkeit von Ihnen bezichtigt, die er sich schlicht und einfach nicht verdient hat. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Freiheitlichen – BZÖ.)

Frau Kollegin Stoisits zitierte Herrn Koller von den „Salzburger Nachrichten“. Auch ich kann ihn zitieren: „Der ORF ist im Würgegriff. Nicht nur der Regierung, sondern auch der Opposition.“ (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

16.25


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Darabos. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.25.33

Abgeordneter Mag. Norbert Darabos (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Herr Kollege Molterer, Sie haben in Richtung Van der Bellen die Worte „entlarvend“ und „ungeheuerlich“ verwendet. Ich würde sagen, Ihre Wort­meldung, Herr Kollege Molterer, war entlarvend und ungeheuerlich, nach dem Motto: Haltet den Dieb! (Abg. Dr. Baumgartner-Gabitzer: Es war eine gute Rede!) Ich habe Sie selten mit einem so schlechten Gewissen am Rednerpult gesehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie haben versucht, das zu kaschieren. Entlarvend und ungeheuerlich war Ihre Wortmeldung, die Täter zu Opfern zu machen und umgekehrt! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Fekter und Steibl.)

Auf der anderen Seite haben Sie von Verantwortung gesprochen, Herr Kollege Molte­rer. Ihre Verantwortung schaut so aus (der Redner hält das beschriebene Foto in die Höhe): 50. Geburtstag Molterer – Sie bekommen hier eine Torte in Form eines Fern­sehers. Auf diesem Fernseher ist nur eine Person, die pausenlos über den Bildschirm läuft, nämlich die Person Wolfgang Schüssel. – Das ist Ihr Verständnis von Verantwor­tung gegenüber dem ORF: „Moltofon“ einschalten und intervenieren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber um eines gleich vorwegzunehmen: Es geht hier in der Debatte tatsächlich nicht um das Zählen von Sekunden durch Parteisekretäre (Zwischenrufe bei der ÖVP), wer wann wie oft im ORF vorkommt – diese Frage ist längst beantwortet. Sie brauchen sich nur die Media-Analysen anzuschauen: Über 70 Prozent beträgt der ÖVP-Anteil in den „ZiB 1“-Sendungen im Jänner und Februar dieses Jahres. Der SPÖ-Anteil beträgt zum Beispiel 20 Prozent. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wer im ORF das Sagen hat, wer interveniert und wer die Informationssendungen dominiert und kontrolliert, ist beantwortet.

Es geht aber tatsächlich um mehr – es geht um die Existenz des ORF! Ja, Herr Kol­lege, es geht um die Existenz des ORF! Schauen wir uns einmal die Daten des ORF an. (Der Redner hält eine Tafel mit Tabellen in die Höhe.) Überall im Informationsbe­reich geht es bergab: Die „ZiB 1“ hat in fünf Jahren 9 Prozent Marktanteil verloren – von 70 auf 61 Prozent. (Rufe bei den Freiheitlichen – BZÖ: BAWAG!) Die „ZiB 2“ hat einen Marktanteil von 7 Prozent verloren – von 34 auf 27 Prozent. Bei der „ZiB 3“ hat sich der Marktanteil von 30 auf 23 Prozent reduziert. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist wegen der ÖGB-Berichterstattung!) Der „Report“ hat einen Marktanteil von 6 Prozent verloren – von 28 auf 22 Prozent. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Fekter und


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Dipl.-Ing. Scheuch.) „Thema“ hat einen Marktanteil von 5 Prozent verloren – von 35 auf 30 Prozent. – Das könnte man fortsetzen.

Auch diesbezüglich könnte man sagen – so wie es Kollege Cap angesprochen hat –: Es ist ja egal, Hauptsache die ÖVPler schauen zu. – Dem ist aber nicht so! Sie haben gesagt, die Information sei nicht so wichtig. Wann aber wird die Information gesendet? Sie wird zur Primetime, in der Hauptsendezeit gesendet. Wenn der ORF in der Haupt­sendezeit an Marktanteilen verliert – das werden Sie wohl zugestehen müssen –, ver­liert er auch an Werbeeinnahmen! Wenn er an Werbeeinnahmen verliert, verliert er einen Teil seiner Existenzberechtigung, was die finanzielle Zukunft des ORF betrifft! (Abg. Fauland: Eure Lösung ist es, die Beiträge zu erhöhen!)

Der ORF ist mischförmig organisiert und finanziert, über die Gebühren, über die Zwangsgebühren und über den Werbeanteil. Sehr viele Firmen sagen bereits: Da wir an Marktanteil im ORF zur Hauptsendezeit verlieren, schalten wir im ORF nicht mehr oder zahlen nicht mehr. – Das ist sozusagen Ausfluss dieser verfehlten Management­politik, die einen Namen trägt: Mück. Sie trägt den Namen Mück! All diese Bereiche, die ich aufgezählt habe, sind verantwortet von Chefredakteur Mück. (Zwischenruf des Abg. Wattaul.)

Es ist Ihnen offensichtlich egal, dass Sie den ORF mit einer Informationspolitik, die die ÖVP bevorzugt, gegen die Wand führen! Mich wundert, dass die Kollegen vom BZÖ das so gelassen hinnehmen. Es wird ein fader politischer Einheitsbrei serviert, wo die Leute sagen: Das interessiert mich nicht mehr, da schaue ich nicht mehr zu, da schalte ich weg! – Uns geht es aber um die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Österreich braucht einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk! – Das ist Ihnen aber egal. (Abg. Dr. Rasinger: Herr Kalina! – Abg. Dr. Fekter: Die BAWAG rausschnipseln!)

Sie sprechen von „Wildwuchs“, der weggeschnitten gehört. Ich sage Ihnen dazu, in Niederösterreich gibt es keinen Wildwuchs, der weggeschnitten wird, es gibt sozusa­gen in jeder Sendung jeden Tag dreizehn Mal den Herrn Landeshauptmann Pröll. Des­wegen verstehe ich, dass sein Demokratieverständnis ein bisschen eingeschränkt ist. Wenn er sich dann einem unabhängigen ORF-Radiosender gegenübersieht, muss er ja etwas nervös werden, weil das nicht kompatibel ist mit den Erfahrungen, die er in Niederösterreich macht.

Liebe Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Ich sage Ihnen: Die Um­fragen zeigen, dass wir Recht haben. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.) 50 Prozent der Bevölkerung sagen bereits, die ÖVP hat den ORF in Geiselhaft, die Re­gierung kommt in der Berichterstattung überproportional oft vor, die anderen Parteien kommen wenig vor. Das spüren die Menschen!

Ich verstehe nicht, dass Sie über das hinweggehen und tatenlos zusehen, wie der ORF gegen die Wand geführt wird. Ich kann nur an Sie appellieren: Entlassen Sie den ORF aus der Geiselhaft der ÖVP! Ermöglichen Sie wieder einen unabhängigen Rundfunk in Österreich! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

16.31


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Auch seine Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Cap – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Scheibner –: Bisschen was Kritisches, nur ein bisschen was!)

 


16.31.07

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche - BZÖ): Herr Abgeordneter Cap wünscht sich von mir „ein bisschen was Kritisches“. (Abg. Dr. Cap: Natürlich!) – Gerne,


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das bringe ich gerne. Ich würde mir auch etwas wünschen: ein bisschen mehr Ehrlich­keit! Das habe ich bei euch (in Richtung SPÖ) vermisst.

Ich werde diese Kritik bringen; vielleicht kommen wir dann gemeinsam zu mehr Ehr­lichkeit, denn, Kollege Cap, wenn Sie sagen, Sie hätten aus Ihren Fehlern gelernt – ich nehme an, Sie meinen die Medienpolitik und die Einflussnahme der SPÖ auf den ORF und auf andere Medien in der Zeit, als sie noch in der Regierung war –, dann möchte ich das gerne glauben. Aber: Das ist jetzt leicht zu sagen, denn Sie als Oppositionspar­tei fühlen sich natürlich schlechter behandelt, als das Ihnen gegenüber als Regierungs­partei der Fall war.

Ich glaube es Ihnen dann, wenn Sie – wovon ich nicht hoffe, dass das so bald sein wird (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) – noch dasselbe sagen und auch danach handeln, wenn Sie wieder einmal in einer Regierung sein werden. Und glauben würde ich es, wenn Sie dort, wo Sie noch in einer Regierung vertreten sind, nämlich in manchen Län­dern, genau nach diesen Grundsätzen handelten, die Sie hier hereingebracht haben. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Das ist aber leider nicht der Fall. Als Wiener Abgeordneter weiß ich ganz genau, was es bedeutet, im Landesstudio Wien für ein Interview zu sitzen, das sich als verlängerter Arm – und ich sage das hier ganz deutlich – einer Wiener Stadtregierung, einer SPÖ, die mit absoluter Mehrheit regiert, sieht. Das ist doch die Realität! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Man darf das alles nicht sagen: doppelbödig, scheinheilig und was auch immer, denn das ist ordnungsrufverdächtig, aber solche Gedanken kommen einem, wenn man die­se Debatte hier verfolgt.

Kollege Cap, ja, auch mir gefällt das nicht, und zwar nicht nur beim ORF, sondern dass es in der österreichischen Medienlandschaft überhaupt Einflussnahme oder den Ver­such einer Einflussnahme gibt. Aber in Wirklichkeit – geben wir es doch zu! – würden wir uns alle gerne wünschen, dass wir Einfluss auf die Berichterstattung mancher Me­dien haben, damit wir persönlich alle möglichst gut dastehen.

Dass die Strukturen nicht in Ordnung sind, auch darüber können wir diskutieren. Aber da haben wir alle auch einiges bei uns selbst aufzuarbeiten. Schauen wir uns doch ein­mal den Publikumsrat, die Wahl zum Publikumsrat an! Theoretisch gäbe es da eine Mitwirkungsmöglichkeit der HörerInnen und SeherInnen auch an der Zusammenset­zung des Stiftungsrates.

Und was war vor kurzem wieder der Fall? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Reine Parteipoli­tik!) – Das war keine demokratische Entscheidung, sondern das war ein Wettbewerb der Parteisekretariate von SPÖ und ÖVP, vor allem der Seniorenorganisationen, näm­lich wer dieser drei Publikumsräte es am besten schafft, auch in den Stiftungsrat hin­einzukommen. (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ.)

Das hat doch nichts mit einer Offenheit und einer Entpolitisierung zu tun, meine Damen und Herren auch von der SPÖ! Dort, wo man es kann, versucht man, den politischen Einfluss entsprechend zu unterstützen, dort, wo man es nicht kann, kritisiert man, dass es die anderen so machen.

Es wäre schön, über den ORF zu diskutieren. Das habe ich aber auch bei den Grünen vermisst, die wahrscheinlich noch keine Erfahrungen betreffend eine direkte politische Beeinflussung haben. Aber hätten wir doch darüber diskutiert: Wie schaut denn die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus? Die ist notwendig; ich bekenne mich dazu, dass man in diese Konkurrenz von Qualitätsfernsehen und Qualitätshörfunk ge-


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genüber diesen Massenbelustigungen hineingeht, wo der ORF aber auch nicht davor gefeit ist, sich dieser Entwicklung zu stellen.

Wie schaut es denn mit den Nischenprogrammen aus? Wie schaut es denn mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in einer stärker werdenden Konkurrenzsituation aus? Wie schaut es mit der Frage Öffentlichkeit, Freiheit des Journalisten versus Grundrechte der Staatsbürger insgesamt, auch jener, über die in den Medien des Ös­terreichischen Rundfunks berichtet wird, aus? – Darüber könnte man sehr viel disku­tieren.

Warum finden denn die wirklich interessanten Qualitätssendungen zu einer Zeit statt, zu der es kaum mehr jemand schafft, sich diese auch anzusehen? Wie sehen denn die Strukturen aus? Den Stiftungsrat habe ich schon genannt.

Herr Kollege Van der Bellen, ist es wirklich Ihre einzige Sorge bei einem Dringlichen Antrag, dass es ein Hearing und eine geheime Abstimmung im Stiftungsrat gibt? Sind das die einzigen Sorgen, die Sie haben?! (Abg. Dr. Van der Bellen: Aber nicht einmal das!)

Ich sage Ihnen, ich persönlich bin gegen diese geheimen Abstimmungen – im Stif­tungsrat genauso wie hier im Hohen Haus! Das sind nämlich alles Leute, die nicht in ihrer eigenen Verantwortung dort abstimmen, sondern sie sind auch Repräsentanten der HörerInnen und SeherInnen, so wie Sie als Mandatare hier Repräsentanten der Bevölkerung sind. Wir und auch die Stiftungsräte haben zu unserem beziehungsweise ihrem Abstimmungsverhalten zu stehen. Da gibt es aus meiner Sicht keine geheime Abstimmung. Man hat zu seiner Meinung zu stehen! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben Frau Anwältin Huberta Gheneff angesprochen. Sie steht zu ihrer Meinung. Auch Sie haben ja Stiftungsräte entsandt, auch das kann man hinterfragen: Soll das wirklich so sein? – Wir reden von einer Entpolitisierung des Österreichischen Rund­funks, und dann schicken aber die politischen Parteien Stiftungsräte in die Entschei­dungsgremien. Auch dazu finde ich keine Anträge, dass das in Zukunft anders gestal­tet werden soll.

Sie werden doch hoffentlich Leute entsandt haben, die zu ihrer Meinung stehen kön­nen, Herr Kollege Van der Bellen!

Deshalb sind wir auch der Meinung, dass dieser Dringliche Antrag ins Leere geht. (Abg. Dr. Fekter: Die machen Geschäfte mit dem ORF!)

Frau Kollegin Stoisits, wenn Sie sagen, wir – und damit meinen Sie schon Rot-Grün –, wir lassen den ORF nicht in den Händen von Uwe Scheuch, so muss ich Ihnen ent­gegnen: So große Hände, glaube ich, hat Uwe Scheuch nicht, dass der ORF darin Platz hat. Und das zeigt ja auch, dass Sie in Wirklichkeit dasselbe wollen: den ORF unter Ihre Fittiche zu bekommen. – Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren! (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Wir können uns noch sehr gut an eine Zeit erinnern, als Journalisten und Kunstschaf­fende mit persönlichen Konsequenzen und Restriktionen zu rechnen hatten – und das nur deshalb, weil sie auf unseren Veranstaltungen waren. (Zwischenruf der Abg. Mag. Stoisits.) Diese Zeit wollen wir nicht mehr! Objektivierung so weit als möglich, aber bitte mehr Ehrlichkeit in der Debatte! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

16.37


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Redezeit wird von mir ab nun auf 5 Minuten 20 Se­kunden eingestellt, damit alle Redner gleichmäßig zu Wort kommen.


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Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

(Abg. Dr. Pilz begibt sich mit einer Tafel zum Rednerpult, auf der der Bildschirm eines Computers sowie das ehemalige ORF-Testbild zu sehen sind, ergänzt um die Auf­schrift ÖVP“ sowie „www.rettet-den-orf.at“.)

 


16.37.52

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern Abend ist eine wichtige Entscheidung gefallen: 800 000 Menschen haben in Österreich ihre Entscheidung für das Hauptabendprogramm von ORF 1 und ORF 2 getroffen. 800 000 Menschen bei absolutem Fernsehwetter, es hat bekanntlich in fast ganz Österreich geregnet. 800 000 – das ist der absolute Tiefpunkt!

Viel weniger ist nicht mehr denkbar. Unter Generaldirektorin Monika Lindner ist der ORF erstmals in seiner Geschichte auf dem Weg zu einem Minderheitenprogramm. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Brinek: Das stimmt ja nicht in Wirklichkeit!)

Die öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt wird ein Minderheitenprogramm, weil eine Re­gierung in Kauf nimmt und will, dass eine gescheiterte Geschäftsführung ihre Ge­schäfte weiterführt. Und folgende Frage stellt sich: Warum soll einer unfähigen und für ihr Amt nicht geeigneten Generaldirektorin (Ruf bei der ÖVP: Ungeheuerlich! – Abg. Mag. Molterer: Das darf nicht wahr sein! – Abg. Steibl: Das ist Menschenhatz!) – das ist keine politische Behauptung, sondern durch wirtschaftliche Zahlen gut und profund untermauert – weiter das Geschick des ORF übertragen werden?

Es gibt einen einfachen Grund: Weil eine politische Partei und ihr politischer Arm in Form des Chefredakteurs Werner Mück in dieser Frage zu allem fähig sind. „Zu allem fähig“ heißt, die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – wirtschaftlich und von seiner Glaubwürdigkeit her – aufs Spiel zu setzen, nur um bei den nächsten National­ratswahlen ein willfähriges Instrument der Berichterstattung zu haben! (Abg. Dr. Fek­ter: Längst nicht mehr glaubwürdig!)

Der Österreichischen Volkspartei ist der ORF als Instrument der Machterhaltung wichti­ger als die Verteidigung eines der wichtigsten, sensibelsten und wertvollsten öffentli­chen Unternehmen dieser Republik. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und da geht Herr Klubobmann Molterer heraus und sagt: Bitte keine Parlamentsde­batte! Bitte den Stiftungsrat ungestört arbeiten lassen! (Abg. Steibl: So ist es auch!)

Wie sieht die „ungestörte Arbeit“ des Stiftungsrates aus? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das täten Sie gerne wissen!) – Klubobmann Molterer lässt im Hinterzimmer von Wie­ner Gasthäusern zu Sitzungen (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: War Bauernbund-Sitzung?) des so genannten Freundeskreises des ORF-Stiftungsrates der ÖVP einladen. (Ruf bei der SPÖ: Das ist ja unerhört!)

Und wenn man hört „ÖVP-Freundeskreis“ (Ruf bei der SPÖ: Ein Skandal!), dann erin­nert das an einiges, was in den letzten Jahren passiert ist (Zwischenrufe bei der ÖVP): Es war ein ÖVP-Freundeskreis, der die Immobilien verschleudert hat. Es war ein ÖVP-Freundeskreis, der ein öffentliches Unternehmen nach dem anderen zu billig verkauft hat. Und jetzt ist es ein ÖVP-Freundeskreis, der sich unter Anleitung des ÖVP-Klubob­mannes im Hinterzimmer eines Gasthauses trifft, um den ORF gegen den Willen der Mitarbeiter, gegen die Interessen des Unternehmens und gegen die Interessen der Zu­seherinnen und Zuseher auf Parteilinie zu halten.

Das ist Respekt vor dem Stiftungsrat? ÖVP-Hinterzimmer-Politik? ÖVP-Wirtshaustref­fen zur Regulierung des ORF?


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Natürlich hat Molterer Recht, wenn er sagt: Die SPÖ hat es früher auch gemacht! – Nur: Das „Capofon“ hat derzeit keine Verbindung zum Küniglberg. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Na Gott sei Dank!) Meine persönliche Befürchtung ist schon, dass nach den Nationalratswahlen an der Behebung dieses technischen Problems gearbeitet wird. Es wird an den Wählerinnen und Wählern liegen, das möglichst schwer zu ma­chen. (Abg. Gaál: Da ist schon ein Unterschied!)

Aber unser heutiges Problem ist nicht ein „Capofon“. Unser heutiges Problem ist der Anspruch der Österreichischen Volkspartei (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ihr braucht nur einen Anschluss!), im ORF nicht nur möglichst viel Macht zu haben (Abg. Ellmauer: Pflichtverteidiger der SPÖ!), sondern die Allmacht zu haben, über alles zu entscheiden, über jede Sendung zu entscheiden, über jeden Studiogast zu entscheiden (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Kein Anschluss unter dieser Nummer!), über jedes Thema zu entschei­den, und sich alles vom ÖVP-Vertreter in der Chefredaktion, Herrn Chefredakteur Wer­ner Mück, dem persönlichen Vertreter der Österreichischen Volkspartei, absegnen zu lassen! (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist keine Menschenhatz, was Sie da machen?)

Machen Sie nicht uns den Vorwurf, dass wir über den ORF zu diskutieren beginnen! Die Diskussion ist aus dem ORF heraus selbst begonnen worden, von einem nam­haften und seriösen ORF-Redakteur (Abg. Gaál: Hilferufe!), der bei einer Preisverlei­hung – es war mit Sicherheit kein Preis der Opposition oder der grünen Partei – erklärt hat, dass diese Zustände nicht mehr tragbar sind. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie ver­einnahmen den Wolf auch noch für sich!)

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Journalistinnen und Journalisten des ORF haben der Chefredaktion und der Geschäftsführung bereits mehrmals eindeutig und öffentlich das Misstrauen ausgesprochen!

Die Seherinnen und Seher sprechen jeden Tag durch massenhafte Abwendung vom ORF der Unternehmensführung das Misstrauen aus!

Die Einzigen, die dem ORF und seiner Führung heute noch vertrauen, sitzen im Partei­vorstand der Österreichischen Volkspartei! Das ist, zumindest zahlenmäßig, eine Min­derheit – aber keine Minderheit, die das Recht hat, die Existenz und die Zukunft eines ganzen Unternehmens, das nicht irgendein Unternehmen ist (Abg. Steibl: Pilz, tritt ab!), sondern das Schlüsselunternehmen für das Funktionieren von Öffentlichkeit und österreichischer Demokratie (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), aufs Spiel zu setzen. Deswegen: Bitte, die schwarzen Hände weg vom ORF! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.44


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maier. Glei­che Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.44.01

Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Staatssek­retäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss ja gestehen: Ab und zu höre ich Herrn Klubobmann Van der Bellen ganz gerne zu, weil er so erfrischende Themen spielt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) Heute war das insofern ein Problem, als Sie, Herr Klubobmann, wie ich glaube, nicht gut beraten waren, erstens diese Sonder­sitzung einzuberufen und zweitens – das hätten Sie schon gar nicht tun sollen – diesen Monitor hier herzustellen.

Mir ist aufgefallen, dass der Monitor, als Frau Kollegin Stoisits gesprochen hat, nicht hier gestanden ist – bei den anderen drei Kollegen von den Grünen hingegen wurde hier ein Monitor aufgestellt. (Abg. Öllinger: Sehr aufmerksam!)


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Dieser Monitor, Herr Klubobmann, hat das Testbild des ORF gezeigt, das es seit 1995 nicht mehr gibt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Ich möchte das nur den jungen Zusehern sagen: Dieses Testbild ist Geschichte. Es ist bis zum 6. März 1995 immer dann übertragen worden, wenn Sendepause war – oder nach Mitternacht.

Auf Grund der unbegrenzten Sendezeit, die es im ORF gibt, und des technischen Fort­schritts hat man dieses Testbild mittlerweile von der Bildschirmoberfläche entfernt. Sie jedoch stellen dieses Testbild hier her und wollen dann allen Ernstes kompetent mit uns über die Zukunft des ORF diskutieren! Sie haben ja nicht einmal das ORF-Pro­gramm gesehen, sonst hätten Sie ja nicht dieses Testbild hier aufgestellt haben! (Hei­terkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.) Das gilt für Herrn Öllerer genauso. (Rufe: Öllinger!)

Wenn ich so in die Runde schaue, stelle ich fest, dass die Funktion des Medienspre­chers Chefsache ist (Abg. Öllinger: Sie können nicht einmal meinen Namen sagen! – Haben Sie aufgepasst?) – das gilt für die SPÖ, für die ÖVP und auch für das BZÖ. Aber: Der Mediensprecher der Grünen ist der Klubobmann der Bezirksräte in Döbling. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Das ist vielleicht eine Aufwertung der Döblinger Be­zirksvertretung, aber das ist auch symptomatisch für Ihre Medienpolitik, Herr Klubob­mann Van der Bellen!

Sie stellen sich hier her und geben irgendetwas, was man Ihnen vorgeschrieben hat, zum Besten. (Zwischenruf des Abg. Dr. Van der Bellen.) Ich hätte mir gewünscht, dass Sie hier im Zusammenhang mit dem ORF auch darüber sprechen, was beispiels­weise mit „Starmania“, „Dancing Stars“ und den Sportübertragungen gelungen ist, dar­über, wie die technische Entwicklung des ORF ist.

Wenn Sie bei den deutschen Medientagen gewesen wären, hätten Sie es gesehen: Die Technik des ORF wird dort beklatscht und bejubelt! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Abg. Schieder: Aber die Information! Die Technik schon, aber die Information nicht!)

Sie, Herr Klubobmann, stellen sich hier her – nicht wissend, dass ein Testbild nicht ein­mal auf Sendung ist – und bauen noch eine Mauer für die rot-grüne „Schlechtredepoli­tik“, die Sie, leider Gottes, vertreten.

Herr Kollege Cap, wenn das, was Herr Darabos gesagt hat, wirklich stimmen würde, müssten Sie ja froh sein, nämlich dass dann so wenige sehen und hören, welchen BAWAG-Skandal Sie haben! Darüber müssten Sie ja froh sein! Aber in Wirklichkeit ist es ja nicht so, denn tatsächlich ist die Qualität des ORF unbestritten, und die Zahlen – Frau Kollegin Baumgartner-Gabitzer hat das schon gesagt – sprechen eine deutliche Sprache. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.)

Ich frage mich aber schon – das ist heute schon angesprochen worden; Öllinger hat das wieder kurz so verschämt angesprochen –: Den größten, brutalsten Interventions­fall in der Geschichte des ORF hat der momentane Pressesprecher des Herrn Gusen­bauer und der damalige Pressesprecher des Herrn Kalina begangen, indem er bestellt hat, dass acht Sekunden geschnitten werden. Wo waren denn damals die Grünen? Hat es damals eine Sondersitzung gegeben? (Zwischenrufe bei den Grünen.) Wo waren denn diese „SOS“-Heuchler, die heute irgendwo versuchen, sich aufzuregen? (Zwi­schenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) – Nirgends habe ich sie erlebt, Herr Klubob­mann! Und Sie haben damals keine Sondersitzung verlangt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ. – Abg. Öllinger: Sie sind ja völlig von der Rolle! – Zwischen­rufe bei der SPÖ und den Grünen.)


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Ich würde mir wünschen, dass aus Ihren Reihen jene Themen angesprochen werden, die für die Zukunft des ORF wichtig sind: Wie ist das gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Fernsehen? Welche Gefahren gibt es seitens Brüssels in der Frage der ausgewogenen Finanzierung zwischen werbefinanziert und gebührenfinanziert? (Abg. Mag. Kogler: Das ist ja unglaublich!) – Das hätte mich von Ihnen interessiert, aber dazu hört man kein Wort.

Wo waren Sie, als wir die Debatte über die Privatisierung des Fernsehens geführt haben? Ohne die ÖVP hätte es nie Privatfernsehen in diesem Land gegeben. (Abg. Scheibner: Nein! Nein!) Dank deiner Unterstützung, der Unterstützung des BZÖ (an­haltende Zwischenrufe bei der SPÖ), aber die Initiative ist schon Jahre vorher von der ÖVP ausgegangen. Und das gilt genauso für das Privatradio, das wir seit 1993 in Ös­terreich haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

16.49


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Ho­sek. Gleiche Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


16.49.08

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Staats­sekretäre! Mein Verständnis von der Arbeit einer Abgeordneten und eines Abgeordne­ten ist schon, dass wir alle eine angemessene Sprache hier im Haus verwenden (Bei­fall bei Abgeordneten der SPÖ – Zwischenrufe bei der ÖVP) – das gilt für jetzt, aber auch für die Vergangenheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn es hätte dem ehemaligen Klubobmann und jetzigen Nationalratspräsidenten Khol damals auch nicht passieren dürfen, dass er sagt: „wo einem immer, wenn man den Einschaltknopf betätigt hat, rote Gfrieser entgegengeronnen sind“. – Das war auch damals nicht an­gemessen. Und das, was Sie, Herr Kollege Maier, heute gesagt haben, ist genauso wenig angemessen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meiner Überzeugung nach gehört zur Arbeit einer Abgeordneten auch, darüber zu reden – das ist legitim und wichtig, wenn eine Wahl im ORF bevorsteht –, dass es auch Führungsschwächen an der Spitze gibt. Und die Führungsschwächen von Frau Dr. Lindner sind eklatant und nachweisbar! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Tatsache ist, dass sich in den letzten Jahr­zehnten – nicht erst vor kurzem – das Verständnis, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ter geführt werden wollen und auch geführt werden sollen, deutlich verändert hat. Frau Dr. Lindner hat die Grundbegriffe eines modernen Führungsstils überhaupt noch nicht übernommen – und Herr Mück schon gar nicht. (Zwischenruf der Abg. Dr. Baumgart­ner-Gabitzer.) Es geht immerhin um 3 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen modernen Führungsstil haben wollen und brauchen – aber keinen altmodischen und keinen feudalen, wie er jetzt geprägt ist! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wollen Sie wissen, wovon der Führungsstil geprägt ist? – Vom Korrigieren, Komman­dieren und Kontrollieren! Das ist ein altmodischer und feudaler Führungsstil. Aber der ist Teilen von Ihnen auch nicht unbekannt, das weiß ich! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Wattaul.)

Kommandieren. – Wissen Sie, was „kommandieren“ heißt? „Kommandieren“ heißt: an­weisen, Gehorsam einfordern, MitarbeiterInnen als Sache sehen, keinen Spielraum für eigene Ideen und Wege zulassen.

Kontrollieren. – Wissen Sie, was „kontrollieren“ heißt? Begrenzen des Handlungsspiel­raumes, Misstrauensvermutungen, überfallsartige Kontrollen.

Und „korrigieren“ heißt: zurechtweisen, sanktionieren und kein Dazulernen. (Abg. Watt­aul: Wenn ihr das ein wenig in der BAWAG gemacht hättet!)


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Wissen Sie, wie jemand, der solch einen Führungsstil vertritt, die Menschen sieht? – Antriebsschwach, selbstsüchtig, verantwortungslos. So sollen die 3 000 Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter gesehen werden? Das soll ein guter Führungsstil sein? (Zwischen­ruf des Abg. Wattaul.) – Das hier zu kritisieren ist wohl legitim, Herr Kollege Wattaul! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Wattaul: Ihr müsst einmal das Führen lernen!)

Das ist nicht mehr zeitgemäß. Wäre dieser ORF, meine sehr geehrten Damen und Herren, modern geführt (Abg. Wattaul: So wie die BAWAG!), dann gäbe es diesen zig­tausendfachen Aufschrei dieser Plattform, für die ich auch unterschrieben habe, nicht.

Wäre der ORF modern geführt, dann würde er mehr auf seine weiblichen Mitarbeiterin­nen schauen und dann wären mehr Frauen in Spitzenpositionen; darauf komme ich später noch zu sprechen.

Wäre der ORF modern geführt, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann gäbe es keine verbalen Kraftmeier wie Herrn Mück, der mit seinen wirklich umstrittenen Aus­sagen das Unternehmen, so meine ich, nachhaltig geschädigt und den Gipfel der Ge­schmacklosigkeit sowieso längst überschritten hat und herablassend war.

Herablassend waren Aussagen wie: Sind Sie so naiv, oder tun Sie nur so? (Abg. Scheibner: Was spielen Sie uns da heute vor?) – Aber das ist ja noch harmlos im Ge­gensatz zu dem, was er noch alles gesagt hat. „Ich kann Sie jederzeit“ – zwischen Klammern: beruflich – „umbringen“, „profil“, 29. Mai 2006.

Oder: „30 Prozent meines Bezuges ist Schmerzensgeld.“ – Wofür Schmerzensgeld, frage ich mich. (Abg. Wattaul: Das war beim Verzetnitsch auch!) Dafür, dass er mit bestqualifizierten Menschen arbeitet, will er Schmerzensgeld kassieren? (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Das ist wirklich arrogant! – Das geht bis zu Sexismus; ich möchte das ganze Zitat hier gar nicht bringen, aber der Anblick einer Mitarbeiterin nach der Babypause sei eine Beleidigung für den Zuseher, war noch harmlos. Was dann noch gefolgt ist, werde ich hier gar nicht sagen. (Abg. Parnigoni: Der ist rücktrittsreif!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr seltsam wird im ORF mit Aufstiegsmög­lichkeiten und Karrierechancen von weiblichen Mitarbeiterinnen umgegangen. Unter dem Motto: Papier ist geduldig!, gibt es zwar einen Gleichstellungsförderplan zur be­trieblichen Gleichstellung von Männern und Frauen, aber nach einem Jahr hat sich, das stellen wir fest, wenn wir genau hinschauen, fast nichts getan: nach wie vor fest in Männerhand. Auch bei der Verteilung der Löhne schaut der ORF sehr alt aus, denn 78 Prozent der Top-Verdiener sind nach wie vor Männer!

Immer wieder – und das finde ich besonders verwerflich – ist es auch passiert, dass mit der Rückkehr aus dem Mutterschutz für die Kolleginnen, für die Mitarbeiterinnen der Platz vor der Kamera weg war. Das heißt, das Mutter-Werden wird beim ORF be­straft. Das ist aber leider nicht nur ein Phänomen des ORF, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern Ihre gesellschaftspolitische Realität. Das ist altmodisch feudal, so wie die ÖVP in diesem Land agiert, bis hin zu frauenfeindlich. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Abschluss sei Ihnen eines noch gesagt: Wir sind für Fordern, Fördern und Feed­back, denn das macht einen modernen Führungsstil aus. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen noch Folgendes: So wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF Besseres verdient haben, so haben das die Österreicherinnen und Österreicher schon lange verdient! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

16.54



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Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Dr. Bleckmann. Ihre Redezeit beträgt auch knapp über 5 Minuten. – Bitte, Frau Abge­ordnete.

 


16.54.48

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche - BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Staatssekretäre! Hohes Haus! Werte Zuhörerinnen und Zuseher! Kollegin Heinisch-Hosek, interessant und sehr spannend finde ich es, dass die SPÖ einen guten Führungsstil einfordert, denn das ist in Anbetracht der Skandale, die Sie in letzter Zeit geliefert haben, wirklich lächerlich. Von Führung haben Sie keine Ahnung! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

„Konsum“, BAWAG, ÖIAG, all diese Dinge – Sie haben keine Ahnung von Führung! (Abg. Neudeck: Die haben nicht einmal eine Ahnung von Kontrolle!) Sie können hier nicht Führung einfordern, das möchte ich Ihnen einmal ins Stammbuch geschrieben haben.

Kollegin Heinisch-Hosek hat auch gesagt, dass sie sich keinen feudalen Führungsstil mehr wünscht. Aber Kollege Cap, Ihr Kollege, Frau Heinisch-Hosek, hat gerade deut­lich gesagt: Er wünscht sich sehr wohl den alten Führungsstil zurück, denn der ehema­lige Fürst vom ORF, der ja Kollege Cap war (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Aber kein Edel­mann!) – und er wäre gerne wieder Fürst –, hat sich jetzt erwartet, dass man hier – und das waren seine Zitate – Fehler zugibt, sich geißelt, dass man Selbstkritik übt.

Ich habe mir, wo Sie das gesagt haben, Herr Klubobmann Cap, erwartet, dass Sie Ihre Fehler auch zugeben (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: So viel Zeit hätte er nicht gehabt!), dass Sie Ihr Sündenregister aufzählen, dass Sie sich bei den Hörerinnen und Hörern und Seherinnen und Sehern für das entschuldigen, was Sie ihnen jahrzehntelang mit dem „Rotfunk“ angetan haben. Dass Sie Ihr Sündenregister aufzählen, das habe ich erwartet! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP.)

Aber wir wurden bitter enttäuscht. Sie von der SPÖ haben gesagt, die Einflussnahme sei so groß wie noch nie. Dann frage ich Sie: Wie kann Einflussnahme größer sein, als wenn man direkt Parteisekretäre seitens der SPÖ in wichtige Positionen des ORF schickt, dann wieder zurückschickt, Parteisekretäre direkt in die Generalintendanz schickt und wieder zurückschickt, Parteisekretäre – ja, auch Herrn Kollegen Cap – in den Stiftungsrat setzt? Wie, wenn nicht so, ist die Einflussnahme am größten und am direktesten? Genau dann, wenn man es so macht, wie Sie es gemacht haben! Und Sie haben wirklich kein Recht, sich als Verteidiger des unpolitischen ORF aufzuspielen. Sie haben hier keinerlei Recht dazu. (Die Abgeordneten Riepl und Gaál: Das werden aber Sie nicht bestimmen! – Abg. Reheis: Das möchten Sie gerne bestimmen ...!)

Da Sie von der SPÖ Ihr Sündenregister nicht aufgezählt haben, mache ich das jetzt für Sie, nämlich in Form von Zitaten aus Zeitungen, aus „Kurier“, „Presse“ und „profil“, was Ihnen alles vorgeworfen wurde.

Aus dem „Kurier“: „Wie sich hier“ – nämlich Sie, die SPÖ – „serienweise die Böcke Gärtnerschürzchen umbinden und zur Verteidigung der ORF-Journalisten antreten, ist tatsächlich ebenso beschämend wie lächerlich.“ – Das schrieb Ihnen Peter Rabl ins Stammbuch.

„Die Presse“ schrieb: „Die Entpolitisierung ist überfällig“, als ein neues Gesetz kam, „– aber sicher kein Thema, das sich die SPÖ auf die Fahnen heften kann, ohne lächerlich zu wirken.“ – Das aus der „Presse“.

Dann wieder im „Kurier“: „Wenn Cap meint, die SPÖ habe nie mit ,Drohungen‘ bei ORF-Journalisten interveniert, dann stimmt das nicht. Solche Fälle gab es. Etwa jenes Ex-ZiB-Redakteurs, der vom damaligen Sprecher des SPÖ-Kanzlers aufgefordert wur-


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de, im Interesse seiner beruflichen Zukunft über gewisse Themen nicht mehr zu berich­ten.“ – So schreibt der „Kurier“. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Ganz interessant war ja dann – ich habe mir die Arbeit angetan, gewisse Dinge
wirklich nachzurecherchieren –, dass Klubobmann Cap in der „Pressestunde“ als Mediensprecher auf die Frage: Na, hat die SPÖ nie interveniert?, gesagt hat: Wir von der SPÖ wollten bei unseren Anrufen immer nur überzeugen! – Und wie diese Überzeugung ausgesehen hat, haben wir ja immer wieder gehört. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

Im „profil“ konnte man auch lesen: „Nur die SPÖ hält sich mit öffentlichen Attacken über die Berichterstattung des ORF auffallend zurück. Sie hat es nicht nötig, denn sie agiert noch auf die gute alte Art. Da und dort ein kleiner Anruf, platziert an der richtigen Stelle, und die Berichterstattung läuft wie geschmiert. – So schrieb das „profil“.

Ich könnte noch mehr Zitate bringen, aber Sie wissen selbst, was Sie getan haben. Es ist ganz klar: Sie sehnen sich genau diese alten Zeiten des „Rotfunks“ wieder herbei und wollen wieder zu diesen Zeiten zurück. Geben Sie endlich Ihre Sünden zu! Sagen Sie es den ZuhörerInnen und ZuseherInnen, sagen Sie ihnen Ihre Sünden, die Sie als ehemaliger Fürst in feudalem Verhalten begangen haben. Geben Sie es endlich hier und jetzt zu, Herr Kollege Cap! (Beifall bei den Freiheitlichen – BZÖ und der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Nehmen Sie Platz!)

Uns geht es nicht darum, Politiker in die ORF-Gremien zu setzen, im Gegenteil, des­halb wurde ja das neue ORF-Gesetz gemacht. Wir wollen, dass unabhängige Perso­nen drinsitzen, dass nicht Politiker, nicht amtierende Politiker drinsitzen, wir wollen aber auch nicht haben, dass Politiker vier Jahre nach der Zeit, in der sie in der Politik waren, die Möglichkeit haben, das zu tun.

Es ist Ihnen von der SPÖ nicht einmal eingefallen, die Gremien unpolitisch zu beset­zen. Das ist Ihnen in Ihrer Zeit alles nicht gelungen. Im Gegenteil: Sie selber sind mit Freude im Stiftungsrat gesessen, um direkt mit entscheiden und mitgestalten zu kön­nen!

Wir wollen keine Verquickung von Politik und ORF. Wir wollen nicht, dass die Perso­nen direkt von der Politik in den ORF und wieder zurück wandern, wie zum Beispiel Generalintendant Zeiler als Pressesprecher des Bundeskanzlers damals eben direkt in die Generaldirektion gegangen ist. Wir wollen auch keine amtierenden Politiker im Auf­sichtsrat. Was dann passiert, sehen wir ja an Ihrem BAWAG-Skandal. Wir haben uns immer für einen objektiven und unpolitischen ORF eingesetzt, und wir werden das auch in Zukunft tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

17.00


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Dr. Zinggl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten; Restredezeit der Grünen: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.01.04

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Werter Präsident! Werte Staats­sekretäre! Meine Damen und Herren! Überlegen wir einmal gemeinsam: Was wäre das für ein Schiedsrichter in einem Fußballturnier, von dem so gut wie alle Mannschaften sagen, dass dieser Schiedsrichter nicht unparteiisch wäre – bis auf eine einzige Mann­schaft, nämlich jene, die einen Vorteil davon hat. Dieser Schiedsrichter – da wären sich doch alle einig – dürfte nicht pfeifen. Und genau so eine Situation haben wir jetzt beim ORF. Und die ÖVP ist jetzt diese einzige Mannschaft, die den Vorteil hat. Und die sagt natürlich, es ist alles in Ordnung, der Schiedsrichter, der ORF, ist unparteiisch und wir brauchen nichts zu ändern.


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Ich würde der Meinung sein, dass Sie von der ÖVP hier in diesem Zusammenhang befangen sind und sich eigentlich der Stimme enthalten sollten. (Abg. Prinz: „Würde“! Haben Sie diese Meinung oder nicht!) Es geht schließlich darum, ob Sie von diesem ORF bevorteilt werden oder nicht, und da sollten Sie sich eigentlich vornehm zurück­halten.

Natürlich könnten Sie sagen, wir anderen Parteien, die auch im Konkurrenzteam antre­ten, sind ja auch befangen, und da müssten wir uns überlegen, ob da nicht vielleicht die Öffentlichkeit, zum Beispiel die Kommentatoren und Kommentatorinnen in den Zei­tungen, das Urteil über die Unparteilichkeit des ORF fällen sollten. Und da sieht es, meine Damen und Herren, wahrlich nicht besonders gut für Sie aus. Und wenn man aber umgekehrt dann auch noch weiter denken könnte, auch die gesamte Bevölkerung und die Zivilgesellschaft könnte sich da auch vielleicht zu Wort melden, dann kommt man zu der Meinung, dass es da auch nicht besonders gut ausschaut. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Ich brauche Sie nur daran zu erinnern, dass sich in den Zeitungen in der letzten Zeit sehr viele zu Wort gemeldet haben, denen man nicht unbedingt Parteinähe ankreiden kann. Beispielsweise haben in der unabhängigen oder zumindest unabhängigen „Pres­se“ im „Spectrum“ vom 10. Juni einige Damen und Herren ihre Kommentare zum ORF abgegeben. Ich darf da kurz Friedrich Achleitner zitieren, der ja wirklich keine Partei­nähe hat. Er schreibt: Für mich erfüllt der ORF seinen Bildungsauftrag, weil ich nicht einmal mehr die Informationssendungen aufdrehen kann und endlich wieder zum Le­sen komme. – Also so weit hat es der ORF gebracht.

Oder Anneliese Rohrer: „Ermüdete und desinteressierte Kunden aber können sich heute durch andere Kanäle auch gähnen.“ – Also mit einem Wort, hier liegt etwas ...

Oder gehen wir zum Nächsten, Franz Schuh: „Mir kommt die Führungsetage des ORF derzeit wie eines der vielen Hinterzimmer der ÖVP-Parteizentrale ... vor.“ 

Oder Teddy Podgorski: „Das Fernsehen, das mittlerweile vom Informationsmedium zum Ablenkungsmedium geworden ist, muss auf den Quotenstrich gehen, um sich zu finanzieren.“

Das ist die Zivilgesellschaft, meine Damen und Herren, die sich auch ein Urteil gebildet hat und die Sie als Heuchler bezeichnen und als Heuchlerinnen – die sind wahrschein­lich auch mit gemeint, obwohl Sie nur die männliche Form verwendet haben. Das sind die, die SOS ORF unterschrieben haben und von denen man doch annehmen kann, dass sie Interesse an diesem ORF haben. Die wollen nicht mehr eingelullt werden, die wollen keinen Baldrian mehr, die haben genug von diesem Valium. Dieses Valium macht sie genau genommen sogar nervös.

Jetzt sind Sie von der ÖVP sogar gegen eine geheime Abstimmung, wenn es um die Geschäftsführung geht, damit ja nicht vielleicht irgendjemand im Stiftungsrat umfällt, von dem Sie eigentlich gehofft hätten, dass er die Parteilinie einhält, weil der- oder die­jenige vielleicht doch einen Funken an Demokratieverständnis mitbringt und sich denkt, da ist jemand von den sich Bewerbenden, der beim Hearing einen sehr guten Eindruck gemacht hat und eigentlich in die Geschäftsführung gehören würde.

Jetzt haben Sie ohnehin schon den halben Stiftungsrat schwarz besetzt und drei Vier­tel der Direktoren und Direktorinnen von Ihrer Partei in den ORF gesetzt. Alles von der Chefredaktion bis zu den wichtigen innenpolitischen Sendungen wie dem „Report“ ist schwarz. Und jetzt haben Sie noch immer Angst, dass das vielleicht doch insgeheim je­mandem zu viel werden würde und sich derjenige denken könnte, es gehört mehr De­mokratie, und mehr Verantwortung zeigen würde, wenn er geheim abstimmen könnte. Das drehen Sie jetzt auch zu, das wollen Sie auch nicht unterstützen.


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Wir wissen schon, es geht nicht allein um die Quoten, es geht nicht um den Erfolg und um Reichweiten, das sind nur sozusagen die Kennzahlen, die aber doch immer irgendwie so etwas wie ein Bild vom Status quo zeigen. Es ist uns ganz klar, dass
wir als Parlament, wenn sich alle Parteien einigen, diesen ORF-Karren, der jetzt irgendwo stecken geblieben ist, herausziehen könnten. Aber dann muss es wohl
klar sein, dass dieser ORF unabhängig ist, denn es hat keine Partei etwas davon, einen ORF zu retten, der eigentlich in Wirklichkeit ein Parteifunk ist. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

Uns geht es darum, dass dieser ORF wieder eine Chance bekommt. Das geht aber nur dann, wenn erstens alle Fraktionen hinter ihm stehen und wenn irgendeine regierende Partei über ihren eigenen Schatten springen und Gesetze und Rahmenbedingungen beschließen kann, die eigentlich über die eigenen Machtansprüche hinausgehen. (Bei­fall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordne­ter Dr. Fasslabend. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten; Gesamtrestredezeit: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.06.55

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Werte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, es war heute eine durch­aus interessante und spannende Diskussion. Mir hat nur eines gefehlt (Abg. Dr. Nie­derwieser: Geht ja noch weiter!), besser gesagt, mir hat ein Mann gefehlt, der hier aus dem Hause stammt und der sich bei einer ORF-Diskussion eigentlich am besten aus­kennen müsste. (Abg. Öllinger: Schüssel?) – Nein. Es ist auch nicht Gusenbauer. Es ist Josef Broukal, ein Mann, der jahrzehntelang im ORF war und bei einer derartigen Diskussion nicht das Wort ergreift.

Da stellt sich für mich schon die Frage, warum er das nicht getan hat. Hat Josef Brou­kal das deshalb nicht getan, weil er vielleicht auf der einen Seite zwar ein hervorragen­der Journalist ist, aber wenn es um das Thema Unabhängigkeit und Überparteilichkeit geht, vielleicht selbst nicht gerade der absolute Modellfall dafür ist? Oder hat er es des­halb nicht getan, weil es gar nicht darum geht, sondern weil heute hier die Stunde der Ideologen war? Warum redet nicht Josef Broukal, sondern warum reden Cap und auch noch Darabos und Wittmann und Kräuter? (Ruf bei der SPÖ: Warum reden Sie?)

Warum reden auf der anderen Seite bei den Grünen Öllinger und Pilz? Es ist offen­sichtlich. Offensichtlich ist, dass es tatsächlich nur um ideologische Speerspitzen geht, dass man einfach versuchen will, kurz vor der Wahl politischen Druck herbeizuführen, dass es nicht wirklich um die Unabhängigkeit geht, dass es nicht wirklich um die Quali­tät des Rundfunks geht, sondern dass ganz andere, nämlich parteipolitische Ziele im Vordergrund stehen. (Abg. Öllinger: Warum reden Sie?)

Das ist etwas, was nach meiner Ansicht sehr schön und sehr deutlich an die bisherige Tradition einer linken Politik im ORF anschließt. Die Beispiele, die heute zum Teil schon genannt worden sind, egal, ob das jetzt Rudas, Zeiler, Kalina oder Krammer war, sind wirklich nicht die Musterbeispiele dafür, dass, wenn andere Personen für die Führung des ORF verantwortlich wären, eine bessere Voraussetzung für Unabhängig­keit und Qualität vorhanden wäre.

Ich muss Ihnen sagen: Ich habe die meisten von denen persönlich erlebt. Ich habe es geradezu als Zumutung empfunden, wie offen etwa Karl Krammer interveniert hat. Er hat sich nicht einmal gescheut, das vor anderen Leuten zu tun, der hat das in aller Öffentlichkeit getan, hat einfach angerufen in eine Sendung hinein und gesagt, das und


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das und das passt ihm nicht. – Derartige Zeiten möchten wir nicht mehr gerne haben. Und daher können wir auch nur sagen: Es ist eigentlich eine Zumutung, wenn Sie heute auftreten und eine Rückkehr zu den alten Umständen verlangen! (Abg. Öllinger: Wir?)

Ich kann Herrn Van der Bellen nur sagen: Seine Vorgängerin hier im Hohen Hause hat mehr Mut bewiesen, hat sie sich beispielsweise tatsächlich gegen den damaligen SP-Bundesgeschäftsführer Andreas Rudas gestellt und diesen ordentlich und hart kritisiert, aber nicht erst ein paar Wochen vor der Wahl, sondern zu dem Zeitpunkt, als Rudas tatsächlich beim ORF interveniert hatte. Ich könnte Ihnen das heute alles zitieren, wie hart da Madeleine Petrovic war.

Jetzt aber, kurz vor der ORF-Wahl, hier herauszukommen und sozusagen etwas von der Suppe für die Grünen auf die Seite zu bringen, das finde ich schon sehr billig. (Abg. Dr. Van der Bellen: Haben Sie übersehen, dass die ORF-Wahl ansteht?)

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt nur zwei unabhängige Journalisten zitieren und meine, dass weder Paul Lendvai noch Andreas Koller von den „Salzburger Nach­richten“ im Ruf stehen, allzu sehr rechts, ÖVP-minded oder was immer zu sein.

Andreas Koller schrieb: „Wer rettet den ORF von seinen Rettern?“ Und genau das ist die Frage!

Das, was hier passiert, ist doch genau das, was auch Paul Lendvai gesagt hat. Ich zitiere: „ORF: Feuer am Dach. Er braucht Reflexion. Aber keine Heuchler.“

Gleichzeitig hat Paul Lendvai Werner Mück das höchste Kompliment ausgestellt und gesagt, dass Mück nicht nur qualifiziert und kompetent ist, sondern dass er sein Bestes gibt im Hinblick auf einen unabhängigen ORF sowie im Hinblick auf eine unabhängige Berichterstattung. Dafür kann man Werner Mück wirklich dankbar sein.

In diesem Sinne sollten wir diese Sitzung auch sehen.

Meiner Auffassung nach sollten Sie sich, Herr Professor Van der Bellen, dafür schä­men, eine Aktion wie die heutige gesetzt zu haben. Sie sind damit nicht einmal in Ihren eigenen Reihen glaubwürdig! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von Freiheit­lichen – BZÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

17.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordne­ter Dr. Wittmann. Wunschredezeit: 4 Minuten; Gesamtrestredezeit der Fraktion: 7 Mi­nuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.11.59

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Staatssekretär Morak, der, der Ihnen die Rede geschrieben hat, mag Sie nicht sehr. (Abg. Scheibner: Das weißt du noch aus deiner Zeit!) – Sie sollten sich überlegen, ob der Betreffende nicht Ihren Job will, denn diese Rede, Herr Staatssekretär, war eigentlich ein Jammer­tal, und zwar von Anfang bis Ende. Diese Rede hatte nichts zu tun mit den Tatsachen, die hier diskutiert werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Grundsätzlich bekennen wir uns, glaube ich, alle zu einem öffentlich-rechtlichen Rund­funk, zu einem wichtigen Teil einer funktionierenden Demokratie also, in der Informa­tion unabhängig und objektiv an die KonsumentInnen gebracht werden soll.

Das Problem ist, dass diese Unabhängigkeit beim ORF nicht mehr gewährleistet ist. Nun, Frau Kollegin Bleckmann, nenne ich Ihnen einige „Interventionsschmankerl“ des Herrn Westenthaler aus dem Jahre 2001, als Westenthaler einen der „ZiB“-Redakteure


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als „depperten roten Regierungskommandanten“ bezeichnet hat; ebenso hat er einen Redakteurssprecher als „Irren“ bezeichnet. Nach einer Klage musste Westenthaler das dann wieder zurücknehmen.

Weiters erinnere ich an den Auftritt des Herrn Westenthaler mit dem damaligen ORF-Chefredakteur Roland Adrowitzer, als Westenthaler zu diesem sagte: Reden wir einmal über Ihr Gehalt und über Ihre Pension!, womit dieser eingeschüchtert und davon abge­halten werden sollte, unangenehme Fragen zu stellen.

Das waren ganz offensichtliche – noch dazu vor laufender Kamera stattfindende – In­terventionen! Das diente doch nur dazu, die ORF-MitarbeiterInnen einzuschüchtern! (Abg. Wattaul: Das stimmt nicht!) Bereits im Jahre 2001 gab es innerhalb des ORF Resolutionen, dass politische Interventionen unterlassen werden sollen, wobei das insbesondere in Richtung ÖVP gegangen ist.

Jetzt tritt eben jemand in der Öffentlichkeit auf, fasst den Mut, weil es zu viel wird, weil es ganz einfach interne Vielfalt im ORF nicht mehr gibt! Diese sachliche Kritik muss man doch ernst nehmen, dass eben interne Vielfalt nicht mehr gegeben ist!

Was momentan Herr Mück macht, das haben früher drei Chefredakteure gemacht; da hatte jeder seinen Bereich – und damit war die Vielfalt gewährleistet. Mück hat das zusammengefasst und macht dort jetzt ÖVP-Propaganda! Das ist doch jetzt ein Gene­ralsekretariat der ÖVP, daher kann es Vielfalt nicht mehr geben! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist schon alleine aus der Machtfülle des Herrn Mück heraus nicht mehr gegeben! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Überdies hat Mück den Durchgriff auf jeden einzelnen Redakteur, da im ORF ja keine selbständigen Redakteursaufträge mehr gegeben sind, Aufträge, die der/die, die einen Beitrag selbstständig gestalten, zu verantworten hätte, sondern es gibt jetzt nur mehr den direkten Durchgriff.

Das heißt, die ÖVP kann mit einem Anruf auf alle Beiträge durchgreifen. Das war frü­her nie möglich. Dieser direkte Zugriff ist der ganz fundamentale Fehler dieses Sys­tems! Jetzt regen sich sogar schon ÖVP-Stiftungsräte über dieses System auf! Auch ÖVP-Politiker regen sich über dieses Durchgriffssystem auf, dass eben in jeden ein­zelnen Beitrag hineinregiert wird. Daher lassen Sie die Stiftungsräte nicht mehr geheim abstimmen, weil Sie von der ÖVP Ihren eigenen Stiftungsräten nicht mehr vertrauen, weil manche von diesen den Informationsauftrag noch ernst nehmen!

Sie von der ÖVP wollen sichergehen, dass dieses Durchgriffssystem aufrecht und wei­terhin gewährleistet bleibt. Ich frage mich, warum auch Sie vom BZÖ das wollen. Ich frage mich, warum Sie auch da der ÖVP die Mauer machen! Wie lange noch? – Bis es das BZÖ nicht mehr gibt beziehungsweise bis die ÖVP Sie vom BZÖ aufgerieben hat? (Zwischenruf des Abg. Scheibner.)

Ich frage mich: Was wollen Sie damit erreichen? Das geht nur dann, wenn auch der Generaldirektor beziehungsweise die Generaldirektorin mitspielt. Einen derartigen Durchgriff kann man nur dann machen, wenn man von oben gedeckt wird. Frau Generaldirektorin Lindner hat ja ihre Lektion gelernt, nämlich bei Erwin Pröll. Wenn Sie sich den ORF-Niederösterreich anschauen, dann wissen Sie, was „Wildwuchs“ ist. Das ist wirklich Wildwuchs. Da gibt es nur mehr Pröll – andere kommen gar nicht mehr vor. (Abg. Scheibner: So wie in Wien, nur eine andere Form!)

Manchmal habe ich den Eindruck, dass man das sozusagen auch auf Bundesebene übertragen möchte. Und was Durchschalten einer Rede des Bundeskanzlers an die Nation betrifft: Da frage ich mich schon, mit welcher Berechtigung man dann eigentlich ein solches Verlangen etwa bei einer Rede des Nationalratspräsidenten ablehnen sollte, immerhin das zweithöchste politische Amt in unserem Lande!


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Haben Sie das schon versucht, Herr Präsident Khol? – Ich glaube, Mück und Lindner würden Ihnen das ermöglichen. Und das ist falsch! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Ab­geordneten der Grünen.)

17.16


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rosenkranz. Wunschredezeit: 4 Minuten; Gesamtrestredezeit: 6 Minuten. – Bitte.

 


17.16.47

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche - BZÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wir von der FPÖ befürworten diesen Dringlichen Antrag, da es mittlerweile schon so ist, dass bei Abstimmungen besser auf ein geheimes Abstimmungsrecht Wert gelegt werden sollte, da die politische Einflussnahme und der Druck – auch nach den Angaben derer, die im ORF diesem Druck ausgesetzt sind – mittlerweile so groß sind, dass ein Ergebnis eigentlich nur mehr als gefälscht erscheinen kann, wenn manche meinen, dass einem sozusagen nichts anderes übrig bleibe, als sich eben in eine ganz bestimmte Richtung zu bekennen. (Abg. Scheibner: Das ist nur in der FPÖ so!)

Wie ja zu erwarten war, ist diese Debatte über weite Strecken zu einem Schlagab­tausch darüber geworden, wer es schlimmer getrieben hat: Sie von der SPÖ in der Zeit, als Sie die Regierungen dominiert haben – oder eben jetzt Sie von der ÖVP!

Wir von der FPÖ, sozusagen als leidtragende Dritte – wir waren nicht wirklich jemals vom ORF begünstigt –, können Ihnen von der ÖVP bestätigen: Sie sind da weitaus „ef­fektiver“. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie von der ÖVP sind da weitaus „effektiver“, denn so schlimm wie jetzt war es noch nie. Es drohen – das hat mein Vorredner, der ja auch ein Niederösterreicher ist, bewiesen – niederösterreichische Verhältnisse auf ganz Österreich ausgedehnt zu werden. (Zwischenruf des Abg. Schöls.) Und wenn Sie es vielleicht nicht wissen sollten: Die Sendung „Niederösterreich heute“ heißt im Volks­mund „Pröll heute“! Man kann es natürlich auch übertreiben. (Beifall des Abg. Dr. Bösch sowie bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Schöls: Dann gehen Sie zu den Menschen!) – Ja, gehen Sie zu den Menschen!

Dass in Niederösterreich, was den ORF betrifft, die Situation zumindest leicht überzo­gen ist, steht wohl fest. Nicht umsonst kommt ja Frau Dr. Lindner aus dem ORF Nie­derösterreich; dort hat sie das gelernt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die, die Sie hier so schreien, haben jegliche Sensibilität verloren! (Neuerliche Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Ich würde mich scheuen, hätte ich die Funktion wie Frau Lind­ner, auf einer reinen Parteiveranstaltung aufzutauchen! Das war doch eine unglaub­liche Offenlegung einer parteipolitischen Einvernahme! In einer solchen Position muss man doch neutral sein!

Weiters: Die Aussagen des Landeshauptmannes von Niederösterreich, wen die ORF-Generaldirektorin zu feuern habe, wenn diese weiter recherchieren! Sie von der ÖVP haben nicht nur jegliche Sensibilität, sondern mittlerweile auch jedes Maß verloren! (Beifall des Abg. Dr. Bösch sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen. – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Jeder, der objektiv ist – das zeigen ja auch die Quoten –, sieht, dass der ORF nicht das tut, was er tun sollte, nämlich Politik wiederzugeben, und zwar in einem breiten Spekt­rum, ungeachtet der Meinung des einzelnen Journalisten. Keiner kennt bedauerlicher­weise mehr Voltaire; das ist etwas aus unserer frühen glanzvollen Jugendzeit, in der wir diesen immer wieder zitiert haben: Ich verabscheue deine Meinung, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass du sie sagen kannst! – Ich glaube, das wird heute gar nicht mehr wirklich verstanden.

Politik soll im ORF dargestellt und nicht gemacht werden! Aber das Gegenteil ist der Fall; das hat man ja auch rund um die ORF-Berichterstattung bei der Abspaltung des


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BZÖ gesehen; etwas, was ich auch aus eigener persönlicher, ja intensiver Wahrneh­mung berichten kann.

Ungeachtet der Realität, dass hier nämlich keine neue Partei entstanden ist, sondern eine Abspaltung stattgefunden hat, hat der ORF ganz intensiv versucht, den kleinen Regierungspartner zu so etwas wie zu einer Partei aufzublasen. Man sieht das ja an den medialen Auftrittsmöglichkeiten, die manche, wie jetzt zum Beispiel Westenthaler, genießen, ohne dass diese Partei je eine Wahl geschlagen hat, erfolgreich geschla­gen hat. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.) Aber nicht unter dem Titel, den er jetzt führt.

Wenn ich heute in diesem Dringlichen Antrag von der goldenen Regel eines „öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ lese, dann klingt das wie eine schöne Verheißung aus einer anderen Welt.

„Die Information hat umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein. Alle Nachrichten und Berichte sind sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen, Nach­richt und Kommentar deutlich voneinander zu trennen.“

Das gibt es ja beinahe nicht! Man kennt doch jedem an, was er von seinem Ge­sprächspartner hält. Die Kultur ist wirklich auf ein Maß gesunken, das beinahe unver­träglich ist. Es ist natürlich nicht so, dass das der einzelne Journalist macht – das ist mir bewusst, das wäre ja auch für den Einzelnen mitunter oft sehr peinlich –, sondern das ist eine Linie, und ich meine, dass diese Linie äußerst schädlich für dieses Land und seine Meinungsvielfalt ist.

Man kann es natürlich auch übertreiben – die Quoten zeigen das. Die Bürger sind nicht so dumm, wie manche das meinen. Ich bin überzeugt davon, dass sie weiterhin zwi­schen den Zeilen lesen und hören werden, andere Sender hören werden, und irgend­wann wird es wirklich dazu kommen, dass es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, der diesen Namen verdient. (Beifall des Abg. Dr. Bösch sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

17.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Kräuter. Gesamtrestredezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


17.21.47

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die „Zeit im Bild“ um 19.30 Uhr ist zweifelsfrei die wichtigste Nachrichtenüber­mittlung überhaupt in der Republik Österreich. – Ich werde Ihnen im Folgenden bewei­sen, wie Sie damit umspringen.

Es war am Samstag, dem 16. Juli 2005. Das BZÖ war gerade wieder am Zerbröseln, Herr Dr. Haider hat von einer „Liste Haider“ gesprochen, und Herr Rumpold ist damals als Werbeguru von diesem Gebilde zurückgetreten. – Selbstverständlich war das an diesem Tag ab 13 Uhr die Topmeldung; in allen Nachrichtensendungen war das immer wieder die Topinlandstagesmeldung. Für die „Zeit im Bild“ um 19.30 Uhr war dieses Thema natürlich auch vorgesehen; fünf internationale Themen und als Topinlandsmel­dung diese BZÖ-Sache.

Also (der Redner hält eine Tafel in die Höhe, auf der die vom Redner aufgezählten Punkte aufgelistet sind), 19.30 Uhr, ORF 1 und ORF 2: Tour de France, historischer Triumph für Totschnig – um das vom Zeitpunkt her einzuordnen –, Türkei, erstes Opfer, Rumänien, Serbien-Montenegro und dann: BZÖ, Rumpold-Rückzug. (Zwischen­ruf des Abg. Walch.) So hat die eigentliche Tagesordnung, der ursprüngliche Inhalt von „Zeit im Bild“ ausgesehen. Und was ist passiert, meine Damen und Herren? – Der Bericht ist nicht gekommen! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Weil der Rumpold geblieben ist!) Was ist da passiert vom Zeitpunkt des Mitteilens des Inhaltes der „Zeit im Bild“ bis zur Ausstrahlung der Sendung, Herr Molterer? Haben Sie da interveniert? Ist da die Regierung auf dem Spiel gestanden? Oder waren Sie das, Herr Scheibner, oder Herr Dr. Haider?

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! In dieser Art und Weise, mit dieser Manipula­tion, springen Sie mit der wichtigsten Nachrichtensendung der Republik um. Sie sollten sich schämen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.23



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
157. Sitzung / Seite 52

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Entschließungsan­trag 850/A (E) der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betref­fend die Sicherstellung der Unabhängigkeit und Objektivität des ORF. (Abg. Dr. Jaro­lim – in Richtung ÖVP –: Vom Kräuter können Sie sich was abschneiden, meine Herren!)

Es liegt ein Antrag von 20 Abgeordneten auf Durchführung einer geheimen Abstim­mung vor.

Eine geheime Abstimmung ist durchzuführen, wenn dies der Nationalrat beschließt. Ich lasse daher über den gegenständlichen Antrag abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Durchführung einer geheimen Abstim­mung sind, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag auf geheime Abstimmung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Entschließungsan­trag 850/A (E) der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betref­fend die Sicherstellung der Unabhängigkeit und Objektivität des ORF.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist nicht die Mehrheit. Dieser Antrag ist somit abgelehnt.

17.25.09Einlauf

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 850/A (E) bis 852/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 4447/J bis 4468/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, den 12. Juli 2006, 10 Uhr, in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Weg einberufen werden.

Bevor ich diese Sitzung schließe, meine Damen und Herren, mache ich darauf auf­merksam, dass die Sitzung des Hauptausschusses um 17.40 Uhr in Lokal VIII begin­nen wird.

Diese Sitzung ist geschlossen.

17.25.54Schluss der Sitzung: 17.25 Uhr

Impressum:

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1017 Wien