Organisationsgeschichte & Personen

"Vier Personen kennen das Geheimnis der Schwäche des parlamentarischen Redners: sein Arzt, sein Beichtvater, seine Geliebte und sein Stenograph." (Cormenin 1843, 30)

Gut zwölf Jahre nach der Auflösung des Reichstages und dem Ende des ersten Stenografenbüros tritt im April 1861 der (neue) Reichsrat zum ersten Mal zusammen. In dem provisorischen Abgeordnetenhaus, das in Anspielung auf den damaligen Staatsminister abwertend auch "Schmerlingtheater" oder "Bretterbude" genannt wurde, haben die Stenografen ihre eigenen Arbeitsräumlichkeiten unmittelbar neben dem Sitzungssaal.

Leopold Conn (1820–1876) wird mit der Zusammensetzung des neuen Stenografenbüros beauftragt, das er bis zu seinem Tod auch leitet. Dabei achtet er darauf, "Männer von juridischer Bildung zu gewinnen" (Conn 1871, 18).
Er ist der Ansicht, dass sich zur Aufnahme der großteils staatsrechtlichen Verhandlungen nur solche Personen eignen, die eine entsprechende Bildung genossen haben. So sind die Mitglieder des Stenografenbüros im 19. Jahrhundert meist Juristen in Ausbildung, Rechtsanwälte, Richter oder aber auch Ärzte, welche die Stenografie im Nebenberuf ausüben.

Neben einer – damals wie heute – für diesen Beruf vorausgesetzten ausgezeichneten Allgemeinbildung, einem wachen politischen Interesse sowie einer hohen Konzentrations- und Belastungsfähigkeit ist auch das Redigieren der Reden von großer Bedeutung, wie bereits Conn betont. Der Kammerstenograf dürfe "nicht ein Fotograf der Rede sein, nicht blindlings Wort für Wort sein Stenogramm in die Kurrentschrift umsetzen" (Conn 1871, 18f.). Stenografen sollen vielmehr sprachliche Unrichtigkeiten und Unebenheiten beseitigen und das Gesprochene in gut lesbares Deutsch überführen. Gerade diese Herausforderung mache den Beruf für gebildete Männer zu einem würdigen. Erst 1946 werden aufgrund Personalmangels auch Frauen  aufgenommen.

Die Verhandlungen des verstärkten Reichsrates 1860 sind, anders als noch jene des Reichstages 1848/1849, nicht öffentlich. Da sie damit auch Journalisten vewehrt bleiben, ruft Conn 1861 die Reichsratskorrespondenz ins Leben. Sie soll größtmögliche Objektivität der Berichterstattung gewährleisten, die Conn als die "heiligste Pflicht" ansieht. Die Aufgaben werden zusätzlich von Mitgliedern des Stenografenbüros, den Stenografen-Redakteuren, erledigt.

Diese schreiben im Saal teils wörtlich, teils auszugsweise mit und schicken ihre Berichte an die Zeitungen, die diese bereits in den Morgenblättern veröffentlichen. Auch den parlamentarischen Klubs werden diese zur Verfügung gestellt. Die Stenografen-Redakteure fertigen außerdem Berichte zu Vorarbeiten von Kommissionen, Gesetzesanträgen und Interpellationen an, sodass die Korrespondenz zu einer wichtigen Informationsquelle der parlamentarischen Arbeit wird.

Dass die Stenografen auch für die Korrespondenz arbeiten, ist laut Theodor Rudolf Alt (1878–1959), späterer Leiter des Stenografenbüros, eine österreichische Besonderheit. Geschuldet sei dies in erster Linie der schlechten Akustik in den Sitzungssälen, die auch später noch im Neubau von Theophil Hansen an der Ringstraße besteht. Den Journalisten ist es in ihrer Loge fast unmöglich, den Verhandlungen zu folgen und verlässlich darüber Bericht zu erstatten. Die Trennung von Parlamentskorrespondenz und Stenografenbüro erfolgt im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Erst im Zuge einer Reorganisation 1994 entstehen zwei selbstständige Abteilungen, die heute zwei verschiedenen der acht Dienste der Parlamentsdirektion zugeordnet sind. Im selben Jahr wird mit Brigitte Gradischnik-Schanner erstmals eine Frau mit der Leitung der Abteilung betraut (bis 2016). Zuvor ist der Dienstleiter des Stenografendienstes der Leiter des Bereichs Parlamentskorrespondenz und der Dienstleiterstellvertreter der Leiter des Bereichs Stenographische Protokolle.

Herausforderungen: Akustik und Arbeitslast

Die Arbeitslast und die Verantwortung, welche die Stenografen gerade auch in der frühen Phase des österreichischen Parlamentarismus zu tragen haben, kann gar nicht genug gewürdigt werden. Alt, der die Geschichte der Parlamentsstenografen in seinem 1948 erschienenen Buch "Hundert Jahre im Dienste der österreichischen Volksvertretung" aufgezeichnet hat, beschreibt darin die Schwierigkeiten, welche die Akustik bereitet. Erst ab 1917 (Änderung der Geschäftsordnung) sprechen nämlich die Redner im Abgeordnetenhaus von der Rednertribüne aus. Davor halten sie ihre Reden von ihren Plätzen aus, weshalb der im Halbrund stehende Stenografentisch zumeist nicht als Arbeitsplatz taugt. Aufgrund des normalerweise beträchtlichen Geräuschpegels im Saal müssen sich die Stenografen so nahe als möglich zum Redner vordrängen, um überhaupt etwas hören zu können, und mitunter im Stehen schreiben.

Dies ist eine der Herausforderungen, eine andere ist die hohe Arbeitslast. So berichtet Conn, dass er einmal am letzten von vier aufeinanderfolgenden Sitzungstagen aus dem Saal zurückkommend bewusstlos im Büro zusammenbrach und fortan unter Herzproblemen litt. Da das Protokoll damals trotz Personalknappheit am Morgen nach der Sitzung im Präsidialbüro abgegeben werden muss, arbeitet er vier Tage und Nächte durch und kann sich "nicht einmal einem kurzen Schlummer hingeben" (Conn 1873, 14). Obwohl eine solch extreme Arbeitsbelastung auch im 19. Jahrhundert nicht die Regel ist, verweist diese Anekdote auf einen – damals wie heute – wichtigen Aspekt: Mit Schluss der Sitzung ist die Arbeit der Stenograf:innen nicht zu Ende. Das Mitschreiben im Sitzungssaal macht einen verhältnismäßig kurzen Teil der Arbeitszeit aus, denn der Großteil – die Übertragung und das Redigieren – findet im Verborgenen statt.

Vor besonderen Herausforderungen hinsichtlich Arbeitsbelastung und Akustik sehen sich die Stenografen in der Zeit der Obstruktion gestellt, einerseits wegen Dauerreden und Sitzungen, die mitunter die ganze Nacht hindurch dauern, andererseits wegen aktionistischer Störungen wie Pultdeckelkonzerten, Schreiduellen oder anderer Tumulte.

Eine solche Szene am Höhepunkt der Obstruktion schildert der Autor Mark Twain in seinem Essay "Stirring Times in Austria": Als bei einer Sitzung des Abgeordnetenhauses am 28. Oktober 1897 der Abgeordnete Otto Lecher seine berüchtigte zwölfstündige Rede beginnt, bricht ein "wilder, stürmischer und ohrenbetäubender Lärm los" (Twain 2018, 22). "Geschrei von der Linken, Geschrei von der Rechten, Schreiduelle auf allen Seiten zugleich und über den Köpfen ein Durcheinander wild fuchtelnder, wütend drohender Arme und Hände." (Twain 2018, 22) Diese Sitzung dauert insgesamt 33 Stunden und endet im Chaos (zum Protokoll der Sitzung).

Das Stenografenbüro als privates Unternehmen

Eine autonome Parlamentsverwaltung wie heute gibt es im 19. Jahrhundert noch nicht (siehe "Die Geschichte der Parlamentsverwaltung"). Das Staatsministerium – später das Innenministerium – stellt dem Reichsrat für die Dauer einer Tagung (sogenannte Session) das Personal zur Verfügung. Erst ab 1902 gibt es Dienstposten für einzelne dauernde Tätigkeiten in der Parlamentsadministration und ab 1905 erste Systemisierungen. Dienstrechtlich ist das gesamte Personal dennoch bis zum Ende der Monarchie 1918 dem Innenministerium unterstellt.

Das Stenografenbüro jedoch ist eine gänzlich autonome Einheit in dieser frühen Parlamentsverwaltung, das bis 1891 als Privatunternehmen geführt. Der jeweilige Vorstand schließt für jede neue Session mit dem Staatsministerium bzw. Innenministerium einen Vertrag über die Erstellung der Stenographischen Protokolle und erhält einen Pauschalbetrag, mit dem er die Materialausgaben sowie die Personalkosten und das eigene Gehalt zu bestreiten hat. Einstellungen, Kündigungen und Gehalt der Stenografen liegen somit alleinig in der Hand des Vorstandes. Zudem werden nur Personen in das Stenografenbüro aufgenommen, die auch Mitglieder des Gabelsberger-Stenographen-Zentralvereins zu Wien sind.

Der Kampf um Systemisierung

1870 verfassen die Kammerstenografen des Büros erstmals eine Petition betreffend eine fixe Anstellung und Besoldung, die im Abgeordnetenhaus eingebracht und debattiert wird. Kritisiert wird in dieser Petition die prekäre Situation der Stenografen, die zwischen den Sessionen kein Gehalt bekommen. Als ein Argument wird der hohe Bildungsgrad der Stenografen angeführt.

Die Petition ist nicht erfolgreich. In der Debatte am 28. März 1870 wird unter anderem die Befürchtung ausgesprochen, "angestellte Beamte würden nur pünktlich ihre Bürostunden einhalten und sich um das, was über die Bürostunden hinausgeht, gar nicht kümmern" (Alt 1948, 25). Auch der damalige Vorstand Conn ist gegen die Systemisierung des Büros, damit "jener knöcherne Bureaukratismus von ihm ferngehalten werde, der sich gern dort einschleicht, wo es fix angestellte Beamte gibt." (Conn 1871, 20)

Zwischen Conn und den Mitgliedern des Stenografenbüros bricht infolge ein heftiger Kampf aus, der auch in den Zeitschriften Erwähnung findet. Conn entlässt Mitarbeiter, steigt aus dem Gabelsberger-Stenographen-Zentralverein zu Wien aus und gründet einen neuen Verein. Obwohl sich weite Teile der Fachkreise in diesem öffentlich ausgetragenen Streit auf die Seite der Kammerstenografen und gegen Conn stellen, bleibt seine dienstliche Stellung davon unberührt. Das Pauschalsystem wird noch über Conns Tod hinaus – er verstirbt 1876 – bis 1891 weitergeführt. Unter seinem Nachfolger Johann Wilhelm Stern (1829–1902) wird jedoch auf Wunsch des Präsidenten des Abgeordnetenhauses vereinbart, dass "das Stenographenbüro bei Versehung des Dienstes die Anordnungen des Präsidiums zu befolgen habe" (Alt 1948, 26f.). Damit bekommt das Präsidium nun erstmals direkten Einfluss auf das Stenografenbüro.

Ab 1873 werden die Mitglieder des Abgeordnetenhauses direkt gewählt und ihre Zahl wird von 203 auf 353 erhöht. Die Tagungen finden zudem nun in kürzeren Abständen statt. Für die Stenografen führt das zu einer enormen Arbeitsverdichtung. Da sie meist nebenberuflich im Parlament tätig sind, wird es für sie zunehmend schwieriger, den jeweiligen Hauptberuf auszuüben. Im Zuge dieser Entwicklung wird der Wunsch nach hauptberuflichen Parlamentsstenografen immer dringender.

1877 werden neuerlich Petitionen im Abgeordnetenhaus eingebracht und dort unter Beifall und Bravorufen per Beschluss "der hohen Regierung zur Erledigung abgetreten". Obwohl auch das nicht unmittelbar zum Erfolg führt, kommt es in den folgenden Jahren bei den zuständigen Ministerialstellen zu einem Umdenken. Unterstützung findet das Anliegen der Stenografen beim Präsidium des Herrenhauses und Kanzleidirektor des Abgeordnetenhauses. Kritisiert wird unter anderem, dass sich der Vorstand des Stenografenbüros im Vergleich zu seinen Angestellten ein weitaus höheres Gehalt genehmigt.

Der erste wichtige Schritt zur Neuorganisation des Büros erfolgt 1891 nach einer Eingabe an den Ministerpräsidenten. Basis dafür ist das Argument, dass nach der Geschäftsordnung (§ 6) die Versehung des stenografischen Dienstes unzweifelhaft zu den präsidialen Obliegenheiten und Rechten gehört. Der Vorstand des Büros wird nun zum Staatsbeamten. Die Stenografen bekommen Dienstverträge mit den Präsidien beider Häuser, das heißt sie werden staatliche Vertragsbeamte. Waren diese zuvor fast ausschließlich nebenberuflich im Parlament tätig, besteht das Büro 1891 mit seinen damals circa 20 Mitgliedern bereits zu zwei Dritteln aus Berufsstenografen.

Die tatsächliche Verstaatlichung erfolgt dann 1897 mit der Schaffung von sieben Staatsbeamtenstellen. Die Bezüge erlöschen jedoch jeweils zehn Tage nach Schließung einer Session. Nach sukzessiven Verbesserungen kommt es erst 1911 zur Umstellung auf Dienstverhältnisse mit von den Sessionen unabhängigen Jahresbezügen, Ansprüchen auf Urlaub, Krankengeld et cetera. Dienstrechtlich untersteht das Stenografenbüro hinsichtlich Ausübung des Dienstes den Präsidien von Abgeordnetenhaus und Herrenhaus und bezüglich Personalangelegenheiten in letzter Instanz dem Innenministerium.

Der Einfluss politischer Umbrüche auf das Stenografenbüro

Die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts haben einen nachhaltigen Einfluss.    "[H]äufige und einschneidende Wechsel staats- und verfassungsrechtlicher Konstruktionen" (Alt 1948, 72) wirken sich unmittelbar auf die Organisation der Stenografie aus. 

Bei dem im Vielvölkerstaat jahrzehntelang währenden Sprachenkonflikt geht es immer wieder um die Protokollsprache im Parlament. Nur auf Deutsch gehaltene Reden werden im Stenographischen Protokoll wiedergegeben.

Erst 1917, als der Reichsrat wieder einberufen wird (siehe Erster Weltkrieg - Ende der Monarchie), kommt es aufgrund der politischen Situation zu einer entscheidenden Änderung in der Geschäftsordnung (§ 51): "sämtliche Reden [sind] wortgetreu, wie sie vorgetragen wurden, in das stenographische Protokoll aufzunehmen". Die neue Geschäftsordnung tritt am 11. Juli in Kraft. Im Stenographischen Protokoll der 4. Sitzung der XXII. Session am 12. Juni 1917 sind zum ersten Mal auch nicht deutschsprachige Reden zu finden. Für das personell ohnehin bereits dezimierte Stenografenbüro ist dies eine zusätzliche Herausforderung, weswegen zur Unterstützung Stenografen aus Prag und Laibach geholt werden.

Vor dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) waren 24 Personen im Stenografenbüro beschäftigt, wovon viele während des Krieges entweder im Kriegsdienst oder der Kriegsfürsorge verwendet werden, etwa auch in dem zum Militärspital umgewandelten Parlamentsgebäude.

In der Ersten Republik wird das Büro in Stenografenamt umbenannt. Dessen Mitglieder sind Beamte der Nationalversammlung bzw. später der Kanzlei des Präsidenten des Nationalrates. Damit ist die zweifache Unterordnung – unter das Präsidium und das Ministerium –, die es während der Monarchie gab, beseitigt. Das Parlament kann erstmals eigenständig über sein Personal entscheiden. Laut Alt treten die Nationalratspräsidenten immer als Förderer der Stenografen auf. Aufgrund der Geldnot der jungen Republik wird jedoch insgesamt der Beamtenapparat des Staates reduziert. So werden beim Stenografenamt statt der für die Tätigkeit eigentlich notwendigen 24 Stellen nur mehr 20 besetzt.

Mit der Ständeverfassung vom 1. Mai 1934 werden Nationalrat und Bundesrat durch vorberatende Organe und ein gesetzgebendes Organ, den Bundestag, ersetzt. Das Parlament heißt nunmehr Haus der Bundesgesetzgebung. Für die Bediensteten ist das Bundeskanzleramt zuständig. Mit Ausnahme des Budgets werden Gesetzentwürfe in den vorberatenden Körperschaften unter Ausschluss der Öffentlichkeit debattiert und vom gesetzgebenden Organ unverändert angenommen oder verworfen. Die Zahl der Sitzungen, über die Stenographische Protokolle angefertigt werden, reduziert sich und damit auch die Zahl der Parlamentsstenografen. Sie sinkt auf neun im Jahr 1934. Von den wenigen Bundestagssitzungen werden gedruckte Protokolle erstellt, von den Sitzungen der vorbereitenden Organe – zum ersten Mal – Protokolle in Maschinenschrift. Alt selbst wird 1934 in den Ruhestand versetzt.

Josef Kafka (1878–1942), der dem Stenografenamt von 1934 bis 1938 vorsteht, wird in seinem Personalakt für dessen Neuorganisation, nach der Verminderung des Personalstands von 14 auf acht Beamte im Jahr 1935, gelobt.

Das Stenografenamt ist daher personell bereits stark reduziert, als das Parlament im März 1938 von den Nationalsozialisten übernommen wird. Das Parlamentsgebäude wird von SS und SA besetzt und zum Gauhaus für den Reichsgau Wien umgewandelt.

Bis auf zwei Personen werden alle Mitglieder des Stenografenamts gekündigt oder pensioniert. Insgesamt werden während des Zweiten Weltkriegs 15 Stenografen und ehemalige Stenografen in den Konzentrationslagern von den Nationalsozialisten ermordet, 13 schaffen es sich ins Exil zu retten.

Weiterführende Informationen über das Personal des Stenographenbüros in den 1930er und 1940er Jahren finden Sie in der 2014 erschienenen Projektarbeit von Susanne Oberpeilsteiner: Politische Zäsuren und personelle Veränderungen. Die Bediensteten des Stenographenbüros 1938 / PDF, 4 MB

Neuaufstellung in der Zweiten Republik

Am 29. April 1945 wird das Parlamentsgebäude feierlich von der Provisorischen Staatsregierung in Besitz genommen (siehe dazu die Fachdossiers "75 Jahre Zweite Republik" und "Wie wurde Österreichs demokratische Gesellschaft nach 1945 errichtet?"). An diesem Tag melden sich nur zwei ehemalige Mitglieder des Stenografenamts zum Dienstantritt, nämlich der zuvor pensionierte Alt und Josef Meier (siehe Parlamentskorrespondenz 329/2025).

Ohne dazu beauftragt worden zu sein, bauen sie das Stenografenamt wieder auf und machen sich auch auf die Suche nach ehemaligen Kollegen – zwei können sie aus der Kriegsgefangenschaft befreien. Die erste Sitzung des im November gewählten Nationalrates findet am 19. Dezember statt. Bei den insgesamt fünf Plenarsitzungen, die Ende 1945 abgehalten werden, bewältigen nur drei Stenografen die gesamte Arbeit.

Aufgrund der Personalnot und des fehlenden Nachwuchses – Parlamentsstenografen werden nicht einfach so von den Bäumen geschüttelt (Alt 1948, 59) – werden unter der Leitung von Theodor Rudolf Alt ab 1946 erstmals auch Frauen aufgenommen. Die erste Vertragsbeamtin ist Anna Antony. Man muss zudem auf externe Hilfskräfte zurückgreifen, bei denen der Frauenanteil sogar überwiegt, darunter sind auch promovierte Juristinnen. Bis 1948 sind nur acht der zehn vorgesehenen Stellen besetzt, unterstützt wird das Büro von acht Externist:innen. Die bewährte Arbeitsteilung zwischen Revisor:innen, Kammerstenograf:innen und Redakteur:innen kann mit diesem Personalstand nicht mehr umgesetzt werden.

Die jüngere Geschichte der Abteilung Stenographische Protokolle

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts steigt der Frauenanteil bei den Parlamentsstenograf:innen stetig. Die Abteilung Stenographische Protokolle hat heute 20 ständige Mitarbeiter:innen, außerdem gibt es über 30 Externist:innen, die an Sitzungstagen als Eingabekräfte für die Transkription beziehungsweise als Stenograf:innen im Einsatz sind.

Im Jahr 1971 wird die Parlamentsverwaltung tatsächlich autonom. Es erfolgt die Ausdifferenzierung der Organisationseinheiten, die Verwaltungen von Nationalrat und Bundesrat werden zusammengelegt. 1973 wird die seither offiziell so bezeichnete Parlamentsdirektion im Bundes-Verfassungsgesetz verankert. Die erste formale Geschäftseinteilung von 1973 sieht vier Dienste vor: den sogenannten Stenographen- und parlamentarischen Pressedienst, den Nationalratsdienst, den Bundesratsdienst sowie den Rechts- und Administrativen Dienst. Personalrechtlich untersteht die gesamte Parlamentsdirektion seitdem ausschließlich dem Präsidenten beziehungsweise der Präsidentin des Nationalrates.

Die jüngere Geschichte des Stenografendienstes bzw. der Abteilung Stenographische Protokolle ist nicht mehr von politischen Umbrüchen, sondern von technischen Neuerungen geprägt.

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