Stenographisches Protokoll

623. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 13. März 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

Stenographisches Protokoll

623. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 13. März 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 13. März 1997: 9.01 – 18.36 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (Bundesstraßengesetznovelle 1996)

2. Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird

3. Bundesgesetz, mit dem die Unterrichtsordnung für Schulen für Berufstätige erlassen wird (Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige – SchUG-B)

4. Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird

5. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird

6. Bundesgesetz über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an unbeweglichen Sachen (Teilzeitnutzungsgesetz – TNG)

7. Bundesgesetz, mit dem das ABGB, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Gerichtskommissärsgesetz und das Vermessungsgesetz geändert werden und das Gesetz vom 24. Februar 1905 RGBl. Nr. 33 aufgehoben wird (Grundbuchsnovelle 1997 – GBNov. 1997)

*****

Inhalt

Bundesrat

Unterbrechung 62

Personalien

Krankmeldung 7

Entschuldigungen 7

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 27


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 2

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Mitteilung des Bundespräsidenten über die Übertragung der sachlichen Leitung bestimmter, zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörender Angelegenheiten an eine eigene Bundesministerin 25

Schreiben des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Nominierungen gemäß Artikel 23c Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz über die Funktion eines Mitgliedes des Wirtschafts- und Sozialausschusses 26

Vertretungsschreiben 26

Ausschüsse

Zuweisungen 28

Fragestunde

Inneres 7

Dr. Günther Hummer (700/M-BR/97)

Erhard Meier (706/M-BR/97)

Dr. Susanne Riess-Passer (713/M-BR/97)

Ludwig Bieringer (701/M-BR/97)

Hedda Kainz (707/M-BR/97)

Mag. Gerhard Tusek (703/M-BR/97)

Josef Rauchenberger (708/M-BR/97)

Dr. Paul Tremmel (714/M-BR/97)

Karl Pischl (702/M-BR/97)

Helga Markowitsch (709/M-BR/97)

Mag. Karl Wilfing (704/M-BR/97)

Ferdinand Gstöttner (710/M-BR/97)

Dr. Reinhard Eugen Bösch (715/M-BR/97)

Gottfried Jaud (705/M-BR/97)

Herbert Platzer (711/M-BR/97)

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Konsultationsmechanismus und Bundesrat (1264/J-BR/97)

Begründung: Dr. Reinhard Eugen Bösch 63

Beantwortung: Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 65


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 3

Redner:

Dr. Paul Tremmel 68

Jürgen Weiss 71

Albrecht Konečny 75

Dr. Peter Böhm 78

Gottfried Jaud 81

Anna Elisabeth Haselbach 82

DDr. Franz Werner Königshofer 84

Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck 86

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 90

Stefan Prähauser 91

Verhandlungen

(1) Beschluß des Nationalrates vom 26. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (Bundesstraßengesetznovelle 1996) (424 und 595/NR sowie 5387 und 5389/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. John Gudenus 28

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Kurt Kaufmann 28

Helga Markowitsch 31

Engelbert Weilharter 31

Karl Pischl 32

Karl Wöllert 33

Andreas Eisl 35

Peter Rieser 36

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 37

(2) Beschluß des Nationalrates vom 26. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (504 und 593/NR sowie 5390/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Gerhard Tusek 37

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. John Gudenus 38

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 39

Gemeinsame Beratung über

(3) Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Unterrichtsordnung für Schulen für Berufstätige erlassen wird (Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige – SchUG-B) (383 und 599/NR sowie 5391/BR d. B.)

(4) Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (384 und 600/NR sowie 5392/BR d. B.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 4

(5) Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird (385 und 601/NR sowie 5393/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Pischl 40

[Antrag, zu (3), (4) und (5) keinen Einspruch zu erheben]


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 5

Redner:

Monika Mühlwerth 40 und 47

Erhard Meier 41

Mag. Harald Himmer 43

Dr. Michael Ludwig 44

Mag. Karl Wilfing 46

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 48 und 52

Dr. Michael Rockenschaub 51

Mag. John Gudenus 51

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 53

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (4) keinen Einspruch zu erheben 53

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (5) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der Freiheitlichen 53

Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen betreffend gesetzliche Verankerung der Förderung hochbegabter Schülerinnen und Schüler 47

Ablehnung 53

Entschließungsantag der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen betreffend Aussetzen der Rechtschreibreform 48

Ablehnung 53

Gemeinsame Beratung über

(6) Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an unbeweglichen Sachen (Teilzeitnutzungsgesetz – TNG) (574 und 586/NR sowie 5388 und 5394/BR d. B.)

(7) Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ABGB, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Gerichtskommissärsgesetz und das Vermessungsgesetz geändert werden und das Gesetz vom 24. Februar 1905 RGBl. Nr. 33 aufgehoben wird (Grundbuchsnovelle 1997 – GBNov. 1997) (561 und 587/NR sowie 5395/BR d. B.)

Berichterstatter: Herbert Platzer 54

[Antrag, zu (6) und (7) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Milan Linzer 54

Josef Rauchenberger 56

Dr. Peter Böhm 59

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 59

Jürgen Weiss 61

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (6) und (7) keinen Einspruch zu erheben 62

Eingebracht wurden

Berichte

19393-21445-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG

Anfragen

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Paul Tremmel an den Bundesminister für Finanzen betreffend Telebanking – Lücken im Sicherheitssystem (1255/J-BR/97)

der Bundesräte Mag. John Gudenus, Monika Mühlwerth, Dr. Peter Böhm an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Angusrinder ohne Gesundheitszeugnisse in Kärnten (1256/J-BR/96)

der Bundesräte Mag. John Gudenus, Monika Mühlwerth, Dr. Peter Böhm an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Haushaltsumschichtungen der EU zum Nachteil der österreichischen Land- und Forstwirtschaft (1257/J-BR/97)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (1258/J-BR/97)

der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend unverständliche Prioritätensetzungen bei der Ausweitung der österreichischen Auslandsvertretungen (1259/J-BR/97)

der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Wiedereröffnung der Schausammlung des Bundesmobiliendepots (1260/J-BR/97)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundeskanzler betreffend Einführung eines Chipkartensystems in der Sozialversicherung (1261/J-BR/97)

der Bundesräte Grete Pirchegger und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bundesbetreuung (1262/J-BR/97)

der Bundesräte Jürgen Weiss, Ing. Johann Penz und Ilse Giesinger an den Bundeskanzler betreffend eine der Vorlage von Arbeitsprogrammen durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften vergleichbare Vorgangsweise (1263/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Konsultationsmechanismus und Bundesrat (1264/J-BR/97)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 6

der Bundesräte Peter Rieser und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend ermäßigte Jahresmautkarten für Arbeitspendler (1265/J-BR/97)

der Bundesräte Peter Rieser und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend ermäßigte Jahresmautkarten für Arbeitspendler (1266/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Kurt Kaufmann und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Brennholzimporte aus Tschechien (1267/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Kurt Kaufmann und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Bestellung eines neuen Präsidenten für die Donau-Universität Krems (1268/J-BR/97)

der Bundesräte Helga Moser, Dr. Michael Rockenschaub an den Bundeskanzler betreffend Finanzierung eines neuen Opernhauses in Linz (1269/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Michael Rockenschaub, Helga Moser an den Bundesminister für Inneres betreffend Schmuggel und Schlepperunwesen im Donau-Schiffsverkehr (1270/J-BR/97)

der Bundesräte Helga Moser, Dr. Michael Rockenschaub an den Bundesminister für Inneres betreffend neue Struktur von Wachzimmern (1271/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Michael Rockenschaub, Helga Moser an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Grenzsicherung durch das Bundesheer im Mühlviertel (1272/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Unterschiede zwischen den Einstufungen nach dem Bundespflegegeldgesetz und den Landespflegegeldgesetzen (1273/J-BR/97)

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr Dr. Caspar Einem betreffend gefährliche Bahntransporte durch Tirol (1274/J-BR/97)

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr Dr. Caspar Einem betreffend Bahnausbau in Tirol (1275/J-BR/97)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Frage der Bundesräte Karl Pischl und Kollegen (1143/AB-BR/97 zu 1238/J-BR/97)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1144/AB-BR/97 zu 1240/J-BR/96)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen (1145/AB-BR/97 zur 1245/J-BR/97)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Engelbert Weilharter und Genossen (1146/AB-BR/97 zu 1237/J-BR/96)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konečny und Kollegen (1147/AB-BR/97 zu 1248/J-BR/97)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich eröffne die 623. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 622. Sitzung des Bundesrates vom 6. Februar 1997 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Dr. Helmut Prasch.

Entschuldigt haben sich die Bundesräte Franz Richau und Erich Farthofer.

Fragestunde

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, möchte ich vor allem im Hinblick auf die seit der letzten Fragestunde in den Bundesrat neu eingetretenen Mitglieder darauf aufmerksam machen, daß jede Zusatzfrage im unmittelbaren Zusammenhang mit der Hauptfrage beziehungsweise der gegebenen Antwort stehen muß. Die Zusatzfrage darf nur eine konkrete Frage enthalten und darf nicht in mehrere Unterfragen geteilt sein.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde – sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird – im Einvernehmen mit der Frau Vizepräsidentin und dem Herrn Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.02 Uhr – mit dem Aufruf.

Bundesministerium für Inneres

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen zur 1. Anfrage an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich) , um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Günther Hummer: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

700/M-BR/97

Wie könnte eine Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes im Bereich des Fremdenrechts erreicht werden?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich beantworte diese Frage wie folgt:

Ich glaube, daß eine Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs im Bereich des Fremdenrechts – ich ergänze: aber auch im Bereich des Asylrechts – sehr wichtig und notwendig ist, vor allem deswegen, weil es in den letzten Jahren einen enormen Anfall an Beschwerden gegeben hat und der Verwaltungsgerichtshof sehr stark belastet ist.

Meiner Meinung nach könnte die Entlastung im Rahmen des Integrationspaketes, das in den letzten Tagen fertiggestellt wurde, heute präsentiert wird – es geht dann ins Begutachtungsverfahren – und, wie ich hoffe, noch im ersten Halbjahr dieses Jahres auch im Nationalrat und Bundesrat diskutiert werden wird, in zweierlei Hinsicht erfolgen. Die beim Gerichtshof bereits entstandenen Rückstände könnten beseitigt werden, indem die Gesetzesmaterien, die neu


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 8

geregelt werden, nach dem neuen Integrationspaket entfernt werden können und die Möglichkeit besteht, daß der Gesetzgeber differenzierter vorgeht.

Dieser Aufgabe sollte sich der Gesetzgeber in folgender Weise annehmen: Hinsichtlich der Rückstände sollte vom Grundsatz ausgegangen werden, daß der Verwaltungsgerichtshof nach Inkrafttreten des neuen Rechts keinen Bescheid bestätigen muß, wenn er nicht der neuen Rechtslage entspricht. Für die Zukunft soll es durch beschwerdemindernde Regelungen im neuen Recht, aber auch durch die Schaffung eines unabhängigen Spruchkörpers, eines sogenannten Bundesasylsenates, im Bereich des Asylrechtes zur Entlastung kommen. Letzteres würde die Möglichkeit schaffen, dem Verwaltungsgerichtshof auch Ablehnungstatbestände zu eröffnen, sodaß er nur noch in Fällen von besonderer Bedeutung in die Sache einzugehen hat.

Insgesamt verfolge ich damit das Konzept, den Verwaltungsgerichtshof durch intelligente Übergangsbestimmungen zunächst aus der Notlage, in der er sich aktuell befindet, zu befreien, um so den notwendigen Spielraum dafür zu schaffen, daß die Diskussion über die Neuregelung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Ruhe dort wiederaufgenommen werden kann, wo sie vor Entstehen der Rückstände unterbrochen wurde.

Ich gehöre zu jenen, die sich vollinhaltlich zu Landesverwaltungsgerichten und zur Landesverwaltungsgerichtsbarkeit bekennen. Ich halte diese für sehr notwendig und wichtig und bin überzeugt davon, daß wir aufgrund der Einigung, die zwischen den Landeshauptleuten, dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler bei der letzten außerordentlichen Sitzung der Landeshauptleutekonferenz eingeleitet worden ist, in den nächsten Jahren zu dieser notwendigen Landesverwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich kommen und damit den Verwaltungsgerichtshof dann entlasten.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Günther Hummer: Herr Bundesminister! Besteht die Möglichkeit, auch im Asylbereich eine Verrechtlichung des Rechtsmittelverfahrens zu erreichen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Im Asylbereich möchte ich im Hinblick auf die Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes einen sogenannten unabhängigen Bundesasylsenat einführen. Im Integrationspaket ist diese Institution, dieser Verwaltungssenat, vorgesehen. Dieser unabhängige Bundesverwaltungssenat soll im Bundeskanzleramt angesiedelt sein.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Günther Hummer: Herr Bundesminister! Kann ich davon ausgehen, daß der Bundesasylsenat gewissermaßen ein partieller Vorgriff auf die Landesverwaltungsgerichte sein wird?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich empfinde es nicht unbedingt als einen partiellen Vorgriff, sondern als einen wichtigen Zwischenschritt mit dem Endziel, daß die Landesverwaltungsgerichte geschaffen werden.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 706/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark) , um die Verlesung seiner Anfrage. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Erhard Meier: Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage an Sie lautet:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 9

706/M-BR/97

Wie entwickeln sich die für die Umsetzung des Schengener Abkommens in Österreich notwendigen Maßnahmen, um dieses Abkommen in Kraft zu setzen, die Grenzen gegenüber Nicht-EU-Staaten entsprechend auszustatten und auch den organisatorisch reibungslosen Ablauf auf den Flughäfen zu gewährleisten?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Im Rahmen des sukzessiven Aufbaus des Grenzdienstes der Bundesgendarmerie konnten unter Bedachtnahme auf die personellen, baulichen und technischen Möglichkeiten in der Zwischenzeit bereits 26 Grenzkontrollstellen und 25 Grenzüberwachungsposten eröffnet werden. Einige wenige – ich glaube, neun an der Zahl – werden noch bis 1. 7. 1997 eröffnet.

Hinsichtlich des organisatorischen Ablaufes auf den Bundesländerflughäfen ist grundsätzlich zu bemerken, daß die zur Herstellung einer Schengen-konformen Trennung der Passagierströme erforderlichen Maßnahmen bisher planmäßig verlaufen. Ich gehe davon aus, daß diese Maßnahmen bis zum 27. 10. 1997 abgeschlossen sein werden.

Die maßgeblichen Stellen des Bundesministeriums für Inneres und die zuständigen Stellen der Flughafen-Betriebsgesellschaften stehen diesbezüglich in laufendem Kontakt.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier: Wie werden die Grenzen zu EU-Staaten überwacht, die das Abkommen von Schengen noch nicht umgesetzt haben werden, zum Beispiel Italien?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich gehe davon aus, daß Italien so wie Österreich die Umsetzung vom Schengener Abkommen bis zum 27. Oktober schaffen wird. Ich gehe weiters davon aus, daß am 27. Oktober das Schengener Abkommen auch in Italien in Kraft gesetzt werden wird. Unabhängig davon, ob es so sein wird, werden wir auf jeden Fall, so wie das bereits jetzt der Fall ist, in einer Art Schleierfahndung nach der Grenzkontrolle versuchen, Maßnahmen zu setzen, um zu gewährleisten, daß kein illegaler Strom von Menschen aus dem Süden Europas, nämlich aus Italien, durch Österreich oder nach Österreich kommt. – Der jüngste Fahndungserfolg nach dem Brenner zeigt, daß diese Maßnahmen zu greifen beginnen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier: Wird es im täglichen, im kleinen Grenzverkehr mit Nicht-EU-Staaten, zum Beispiel der Schweiz, aber auch Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien, Erschwernisse für die österreichischen Staatsbürger gegenüber jetzt geben, vor allem für jene, die hin- und herpendeln?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Ich gehe davon aus, daß es zu keinen Erschwernissen kommt. Ich werde alles tun, um diese Erschwernisse soweit als möglich hintanzustellen. Es muß aber jedem klar sein, daß dieses Abkommen von Schengen kein Wert an sich ist, sondern etwas, das für die Sicherheit unseres Landes aus zwei Überlegungen sehr notwendig und wichtig ist.

Erste Überlegung: Wir gewährleisten dadurch, daß Österreich kein unbegrenztes illegales Einwanderungsland wird – das heißt, wir müssen alles tun, damit dieser menschenverachtende Schmuggel durch unser Land beseitigt und beendet wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 10

Zweitens: Durch das Abkommen von Schengen ist auch gewährleistet, daß durch die guten Grenzkontrollen ein Übergreifen der organisierten Kriminalität auf Österreich möglichst hintangestellt wird.

Mir stehen beispielsweise Zahlen zur Verfügung, die zeigen, daß vom Jahre 1995 bis 1996, als die Grenzkontrollen wirksamer wurden, die Kriminalität in den Grenzbezirken deutlich zurückgegangen ist. Ich glaube, das ist ein Wert, der sehr wichtig ist.

Ich werde mich selbstverständlich bemühen, daß es zu keinen zusätzlichen gröberen Behinderungen im Grenzverkehr kommt.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 713/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich ersuche die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien), um die Verlesung Ihrer Anfrage. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

713/M-BR/97

Welche Kompetenzen mußten Sie an Ihren Amtsvorgänger hinsichtlich des neuen Integrationspaketes tatsächlich abtreten?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Bundesrat! Ich mußte keine abtreten.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Bundesminister! Wie erklären Sie sich dann Aussagen Ihres Amtsvorgängers, der in Interviews erklärt hat, er sei vom Herrn Bundeskanzler beauftragt worden, das Integrationspaket weiter zu verhandeln?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Bundesrätin! Diese Aussagen des Herrn Bundesministers Caspar Einem stimmen. Ich halte es auch für richtig und notwendig, daß es in der Phase des Übergangs keinen totalen Bruch, sondern einen engen Gesprächskontakt zwischen dem Vorgänger und dem Nachfolger die offenen Gesetzesmaterien betreffend gibt. Und in diesem Sinne ist dieses Zitat von Herrn Dr. Caspar Einem zu verstehen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Bundesminister! Ihr Amtsvorgänger hat weiters in einem Interview mit den "Salzburger Nachrichten" erklärt, er sei vom Herrn Bundeskanzler beauftragt, auch andere inhaltliche Aufgaben, die er im Innenressort begonnen hatte, weiterzuführen. Können Sie mir sagen, um welche Aufgaben es sich dabei handelt?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich kenne diese Aufgaben nicht. Wie Sie auch wissen, ist das Bundesministeriengesetz in keiner Weise geändert worden, daher kann ich mir auch nicht vorstellen, daß er weitere Materien behandelt.

Ich sage und wiederhole, daß es in der Übergangsphase natürlich notwendig ist, daß es zwischen den Ministern einen regen Kontaktaustausch, Meinungsaustausch, Ideenaustausch gibt, aber es gibt keine Kompetenzen, die aus dem Innenministerium ins Verkehrsministerium gewandert sind.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 11

Allerdings – das sage ich schon dazu – wird derzeit innerhalb der Bundesregierung darüber diskutiert, ob es zu einer sinnvollen Kompetenzbereinigung zwischen den Ministerien kommen kann. Da gäbe es gerade zwischen dem Verkehrs- und Wissenschaftsministerium auf der einen Seite und dem Innenministerium auf der anderen Seite die eine oder andere Verschiebung, wobei ich, wenn es eine Verschiebung geben sollte, eher daran denke, daß wichtige Kompetenzen aus dem Verkehrsministerium in das Innenministerium wandern.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 701/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg), um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Ludwig Bieringer: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

701/M-BR/97

Was sind zurzeit die wesentlichsten Schwerpunkte im Bereich der dritten Säule?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Im wesentlichen möchte ich mich bei der Anfragebeantwortung auf drei Bereiche konzentrieren.

Erstens: Aus österreichischer Sicht ist hervorzuheben, daß die niederländische Präsidentschaft besonderes Gewicht auf Fragen im Zusammenhang mit dem Flüchtlingswesen legt. Da gibt es offensichtlich sehr informative und sehr wichtige Gespräche mit den osteuropäischen Staaten, die ich für notwendig und wichtig halte.

Darüber hinaus ist es so, daß bei der letzten Sitzung des K4-Komitees, also des wichtigsten Beamtenkomitees, die zuständige Kommissarin Gradin einen Vorschlag für das zukünftige Verhalten der Europäischen Union in Fragen von Massenfluchtbewegungen vorgelegt hat. Ich persönlich unterstütze diesen Vorschlag sehr, weil ich der Ansicht bin, daß das etwas ist, was Österreich in den letzten Jahren sehr vehement gefordert hat, nämlich daß es einen sinnvollen Ausgleich bei politischen Flüchtlingsströmen und Massenfluchtbewegungen aufgrund von kriegerischen Ereignissen gibt, daß diese also innerhalb der Europäischen Union möglichst gut und solidarisch aufgeteilt werden. Ich glaube, daß das zur Verfolgung der österreichischen Interessen sehr wichtig ist.

Österreich hat bei der Bewältigung der Folgen der Vertreibung aufgrund des Krieges in Bosnien gerade in Europa eine sehr führende Rolle eingenommen. Es sollte daher, wenn die Europäische Union ein solches Konzept aufgreift, von österreichischer Seite sehr positiv darauf reagiert werden.

Schließlich möchte ich darauf verweisen, daß die niederländische Präsidentschaft bereits zu Beginn ihrer Amtstätigkeit eine Reihe von Initiativen gesetzt hat, um eine bessere Arbeit im Kampf gegen die organisierte Kriminalität zu erreichen. Es wurde eine hochrangige Expertengruppe eingesetzt, die bis Mai konkrete Vorschläge ausarbeiten soll. Ich meine, daß eine gemeinsame Vorgangsweise sehr wichtig ist, da nur dadurch eine höhere Sicherheit für die einzelnen Mitgliedsstaaten erreicht werden kann.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, daß es im Zusammenhang mit der Regierungskonferenz auch eine ausführliche Diskussion über eine mögliche Annäherung beziehungsweise Integration vom Schengener Abkommen in die Europäische Union gibt – ich stehe diesen Ansätzen sehr positiv gegenüber. Einerseits deshalb, weil es im Zuge eines solchen Prozesses sehr wichtig ist, daß es ein akkordiertes Vorgehen gibt, und andererseits deshalb, weil ich glaube, daß die derzeitigen sieben Mitgliedsstaaten vom Schengener Abkommen – wenn ich Österreich, Italien und Griechenland dazuzähle: die derzeitigen zehn Mitgliedsstaaten – großes Interesse daran haben müßten, daß das auf ganz Europa ausgedehnt wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 12

Ich möchte dazusagen, daß es ein großer Wunsch meinerseits ist, daß die Dynamik, die es in den sogenannten Schengen-Staaten gibt, auch auf die Europäische Union übergreift.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 13

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Ludwig Bieringer: Herr Bundesminister! Wann werden Sie das Parlament mit der Ratifikation der EUROPOL-Konvention befassen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 14

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl:
Noch in diesem ersten Halbjahr dieses Jahres.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ludwig Bieringer: Welche nationalen Maßnahmen sind zur Umsetzung der EUROPOL-Konvention in Österreich notwendig, Herr Bundesminister?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Es sind im wesentlichen keine allzu großen Maßnahmen notwendig, Herr Bundesrat! Entscheidend und wichtig wird es sein, daß es uns gelingt, die entsprechenden personellen Voraussetzungen zu schaffen. Ich bin optimistisch, daß das der Fall sein wird.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage, 707/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich ersuche die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich), um die Verlesung ihrer Anfrage.

Bundesrätin Hedda Kainz: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

707/M-BR/97

Welche Aktivitäten werden seitens Österreichs zur international koordinierten Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität, die die klassische Form des staatenübergreifenden organisierten Verbrechens darstellt, gesetzt?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Das Bundesministerium für Inneres ist seit Jahren um einen ständigen Ausbau der internationalen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden besonders in Europa in Sachen Suchtgiftbekämpfung bemüht. Diese Zusammenarbeit erfolgt im Wege der internationalen Amtshilfe, aber auch durch die aktive Teilnahme Österreichs an verschiedenen internationalen Arbeitsgruppen. In den letzten Jahren kommt dabei der Mitwirkung in den fachspezifischen Arbeitsgruppen der Europäischen Union sowie im Rahmen des Schengener Vertragswerkes und der innerstaatlichen Umsetzung der dort beschlossenen Maßnahmen besondere Bedeutung zu.

Eine deutliche Verbesserung des internationalen Informationsflusses im Bereich der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität konnte auch durch die Entsendung von österreichischen Verbindungsbeamten zu EUROPOL erreicht werden. Für den Bereich konkreter operativer Suchtgiftermittlungen kommt dem in Wien stationierten Verbindungsmann besondere Bedeutung zu.

Nicht zuletzt wird auch durch den Abschluß bilateraler Arbeitsübereinkommen, insbesondere mit osteuropäischen Staaten, sichergestellt, daß das Netz des internationalen Informationsaustausches und der sicherheitsbehördlichen Kooperation ständig enger und besser geknüpft wird.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz: Herr Bundesminister! Sie haben jetzt auch die Oststaaten angesprochen. Es ist aber festzustellen, daß im Bereich der Suchtgifte eine Veränderung eintritt, nämlich hin zur verstärkten Herstellung von synthetischen Suchtgiften. Das bedeutet einerseits, daß in anderen Ländern produziert wird, und andererseits, daß auch andere Transportwege gewählt werden. Wie kann Österreich im vorhandenen Konzept auf diese Veränderungen reagieren?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Das ist eine Frage, bei der ich mir jetzt schwer tue, Ihnen eine befriedigende Antwort zu geben.

Entscheidend und wichtig ist, daß die entsprechenden Abteilungen, die dafür zuständig sind – ich war gestern dort zu Besuch und habe mich ausführlich darüber informiert, welche Arbeit dort geleistet wird –, sehr beweglich agieren und versuchen, die notwendigen technischen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen dafür zu schaffen und zu finden, mit denen auf diese Veränderung des Suchtgiftmarktes Rücksicht genommen wird.

Diese synthetischen Mittel nehmen einen immer größeren Anteil im Bereich der Suchtgiftkriminalität ein. Sie sind sehr gefährlich, und wir müssen mit aller Kraft gegen sie auftreten.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Hedda Kainz: Herr Bundesminister! Denken Sie, daß in diesem Bereich die personelle Besetzung und die technische Ausrüstung ausreichend ist, oder sind dort noch wesentliche Veränderungen und der Einsatz höherer Mittel notwendig?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine Beamten sagen, daß die personelle und technische Ausrüstung nicht perfekt ist, daß sie verbesserungswürdig ist. Ich persönlich werde versuchen, diesen Wünschen soweit wie möglich Rechnung zu tragen, möchte aber darauf hinweisen, daß es gerade zur Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität eine eigene Sondereinsatzgruppe innerhalb des Bundesministeriums für Inneres gibt. Man wird schauen, daß es eine noch bessere Verzahnung zwischen dieser Sondereinheitsgruppe in personeller Hinsicht und den Bundesländern und den Sicherheitsdirektionen gibt. Das ist der eine wichtige Punkt.

Andererseits ist es wichtig, daß man prinzipiell – nicht nur bei der Suchtgiftkriminalität, sondern in allen Bereichen der Kriminalität – versucht, der Exekutive mindestens dieselben scharfen Waffen in die Hand zu geben, wie sie das organisierte Verbrechen hat. – Das ist mein Ziel, und ich hoffe, daß ich das soweit wie möglich auch erreichen kann.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage, 703/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich ersuche Herrn Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich) um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek: Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet:

703/M-BR/97

Unter welchen Voraussetzungen wären Sie bereit, die Zollwache als Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes zuzulassen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Ich möchte die Frage gar nicht so beantworten, wie es mir aufgeschrieben worden ist, sondern möchte sehr offen sagen, daß es gerade zwischen meinem Vorgänger Dr. Caspar Einem und dem ehemaligen Finanzminister Viktor Klima in dieser Frage sehr lange Diskussionsprozesse gab. Man hat sich schlußendlich darauf geeinigt, daß es nicht einen Wachekörper gibt, der durch Zusammenführung entsteht, sondern daß die Zollwache und die Bundesgendarmerie im Grenzdienst getrennt bleiben, daß es aber eine sehr genaue Aufgabenteilung gibt.

Ich gehe davon aus, daß das auch in den nächsten Jahren so sein wird, schließe aber nicht aus, daß irgendwann einmal eine Zusammenführung möglich, notwendig und sinnvoll ist.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Herr Bundesrat, bitte.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek: Sollte es diese Zusammenführung in einigen Jahren, wie Sie gesagt haben, geben, wäre es natürlich notwendig, daß die Leute der Zollwache gewisse Zusatzausbildungen machen. Sehen Sie das auch so, Herr Bundesminister?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Ich sehe das genauso. Für die Personen, die von der Zollwache zur Bundesgendarmerie optiert haben oder optieren, gibt es eine solche Zusatzausbildung.

Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Die Qualität der Fähigkeiten der Menschen, die von der Zollwache zur Bundesgendarmerie kommen, ist sehr hoch, und sie sind eine wertvolle Bereicherung für die Tätigkeit der Bundesgendarmerie, vor allem deshalb, weil es, wie ich glaube, notwendig ist, nicht nur den sicherheitspolitischen, sondern auch den finanzrechtlichen, den zollrechtlichen Bestandteil der Kontrolle an der Grenze sehr stark im Auge zu behalten. Ich halte daher eine Vermischung dieser beiden Prinzipien für sehr gut und notwendig.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek: Herr Bundesminister! Ein ähnliches Problem der Gleichstellung wie bei der Zollwache gibt es auch bei den Gemeindewachkörpern. Denken Sie auf längere Sicht an eine Gleichstellung der Gemeindewachkörper mit der Gendarmerie – in den meisten Fällen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Als noch amtierender Bürgermeister bin ich jemand, der sich das sehr wohl vorstellen kann. Ich glaube aber, daß das nur in enger Akkordanz mit dem Städtebund und dem Gemeindebund stattfinden sollte.

Ich möchte aber dazusagen: Meine Phantasie in Sachen Entwicklung von sicherheitspolitischen Aufgaben, von verkehrspolitischen Aufgaben zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften ist sehr groß. Ich glaube, daß man die eine oder andere Aufgabe, die derzeit sehr stark auf Bundesebene wahrgenommen wird, ohne weiteres delegieren könnte. Das hängt aber auch damit zusammen, wie sich die Bundesstaatsreform in den nächsten Monaten wirklich entwickelt. Geht es darum, nur das umzusetzen, was im Perchtoldsdorfer Abkommen beschlossen worden ist, oder geht es darum, daß man grundsätzlich über die Aufgabenteilung und -trennung zwischen den Gebietskörperschaften diskutiert. – Wenn man darüber hinausgeht, dann könnte man sich sehr wohl überlegen, in diesem Bereich Änderungen herbeizuführen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 708/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien), um die Verlesung der Anfrage. – Bitte, Herr Bundesrat.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 15

Bundesrat Josef Rauchenberger:
Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

708/M-BR/97

Was wurde in jüngster Zeit unternommen, um die (Schub-)Haftbedingungen bei der Bundespolizeidirektion Wien zu verbessern, beziehungsweise welche Maßnahmen sollen in nächster Zeit in Angriff genommen werden?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 16

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Es wurde meiner Ansicht nach einiges unternommen, und es wurde auch sehr viel Geld dafür investiert. Ich halte diese Maßnahmen auch für dringend notwendig, und sie dürfen mit dem, was ich Ihnen hier jetzt aufzähle, nicht beschränkt sein, sondern es müssen in den einzelnen Polizeigefangenenhäusern noch weitere Maßnahmen folgen.

Wir haben beispielsweise beim Polizeigefangenenhaus 8, Hernalser Gürtel, in den letzten Jahren eine Reihe von baulichen Maßnahmen mit einer Reihe von Verbesserungen durchgeführt. Unter anderem wurde mit einem nicht unbeträchtlichen Kostenaufwand ein Krankenrevier eingerichtet, welches eine menschenwürdige und zeitgemäße Behandlung erkrankter Häftlinge erlaubt.

Zurzeit wird eine Reihe von Räumen, die der Justizverwaltung seinerzeit als Werkstätten dienten, in Zellen umgebaut, wodurch zusätzliche 30 Haftplätze geschaffen werden können.

Die ungünstige Raumanordnung und die Weitläufigkeit sowie der bauliche und statische Allgemeinzustand im Polizeigefangenenhaus im 9. Bezirk, Rossauer Lände, machen es erforderlich, die Zellen von Grund auf zu sanieren. Es geschieht dies mit einem Aufwand von 500 000 S pro Zelle. Dabei werden eine Reihe von Maßnahmen, wie die Entfernung des Bodens, neue Beschüttung, neuer Estrich und die Umwandlung der Toiletten in menschenwürdige Anlagen, durchgeführt. Gemeinsam mit der Bundesbaudirektion Wien werden diese Sanierungen durchgeführt.

Mein Ressort hat sich dafür verwendet, daß hohe Geldbeträge dafür zur Verfügung gestellt werden. Allein im letzten Jahr wurden dafür fast 4 Millionen Schilling verwendet.

Ab dem Jahr 1997 werden aus Instandhaltungskrediten des Bundesministeriums jährlich weitere 6 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt, sodaß schlußendlich 9 Millionen Schilling für verschiedene bauliche Maßnahmen bereitstehen werden.

Darüber hinaus gibt es ein von meinem Ressort initiiertes Schwerpunktprojekt, nämlich den "Musterarrest", das in den Bezirken 7, 11 und 12 mit einem Kostenaufwand von fast 5 Millionen Schilling abgeschlossen wurde. In anderen Polizeikommissariaten, wie im 3., 9., 7., 6., 10., 14., 18. und 23. Bezirk, werden solche Maßnahmen in den nächsten Wochen und Monaten eingeleitet werden. Zurzeit wird der Arrest innerhalb des Polizeikommissariats Floridsdorf generalsaniert, und die baulichen Maßnahmen werden in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Stellen, wie Berufsförderungsinstitut, Arbeitsmarktservice und anderen, durchgeführt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 17

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Josef Rauchenberger: Medienberichten habe ich entnommen, daß Vertreter der UNO und des UNO-Flüchtlingskommissariats kritisieren, daß die Schubhaft in Österreich zu leichtfertig und ohne Rücksichtnahme auf psychische Situationen und auf das besondere Schutzbedürfnis von Flüchtlingen verhängt wird. Haben derartige Vorwürfe zu konkreten Überprüfungen seitens des Ministeriums geführt, und wenn ja, gibt es diesbezüglich bereits Erfahrungen?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 18

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Jeder Vorwurf, der von internationalen Organisationen an das Innenministerium herangetragen wird, ist Grund, die Situation zu überprüfen und Mißstände, soweit diese im Zuge der Überprüfung auftreten, abzustellen.

Bezüglich der Schubhaft möchte ich Ihnen sagen, daß wir versuchen, mit diesem Integrationspaket neue Strukturen einzuleiten – mit dem Ziel, daß es für die Schubhaft gelindere Mittel gibt. Das heißt also, daß Minderjährige zukünftig nur mehr in Ausnahmefällen in Schubhaft genommen werden sollen und daß bei Personengruppen, von denen anzunehmen ist, daß sie nicht untertauchen, sondern in einem überschaubaren Bereich bleiben und sich melden, wie beispielsweise Eltern mit Kindern, die Schubhaft in Zukunft nicht mehr vorgenommen werden wird. Ich hoffe, daß dadurch die Anzahl der Schubhäftlinge deutlich zurückgeht und auch allfällige Mißstände zusätzlich beseitigt werden können.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Josef Rauchenberger: Es hängt auch häufig vom Wohlwollen des Wachebeamten ab, ob es Schubhäftlingen gelingt, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten beziehungsweise rechtlichen Beistand zu erhalten. Gibt es außer den von Ihnen in Ihrer Antwort bereits skizzierten Möglichkeiten weitere Maßnahmen organisatorischer oder allfällig legistischer Natur, um diesen Vorwurf in Zukunft generell zu entkräften?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Es gibt – das möchte ich herausstreichen – ein Musterprojekt der Zusammenarbeit im Bereich der Betreuung von Schubhäftlingen in Linz, in dessen Rahmen nichtstaatliche Organisationen gemeinsam mit dem Bundesministerium für Inneres eine Betreuung von Schubhäftlingen durchführen. Ich halte das sowohl vom menschlichen als auch vom sozialen Gesichtspunkt her für sehr wichtig und notwendig, und ich möchte diese Initiative ausbauen, forcieren und fördern.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 714/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark) , um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

714/M-BR/9


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 19

7

Wie stehen Sie zu einer direkteren Mitwirkung der ÖsterreicherInnen am Vollzug der Integrationsgesetze (Staatsbürgerschafts-, Aufenthaltsgesetz) zur Entschärfung der Fremdenproblematik?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Ich beantworte die Frage wie folgt:

Jede Mitwirkung der Bürger beim Vollzug von Gesetzen hat der Gesetzgeber vorzusehen. Bei einer solchen Mitwirkung handelt es sich meiner Ansicht nach um keinen Wert an und für sich, sondern um eine Maßnahme, über deren Sinnhaftigkeit man im Zusammenhang mit der betroffenen Materie diskutieren muß. Ich gehe prinzipiell davon aus, daß eine Mitwirkung beim Zustandekommen von Gesetzen eine Notwendigkeit und Wichtigkeit ist, die möglichst breit sein soll und nicht auf die im Parlament vertretenen politischen Parteien beschränkt sein sollte. Beim Vollzug bin ich aber der Ansicht, daß nicht jeder einzelne Bürger mitzuwirken hat, sondern der Vollzug ist die Aufgabe der zuständigen Beamten und Organe, die dafür gesetzlich vorgesehen sind.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Herr Bundesminister! Das war eine sehr philosophische, gesetzestechnisch durchaus richtige Antwort. Ich konkretisiere: Wie stehen Sie zu einer Mitwirkung der Staatsbürger etwa im Bereich des Staatsbürgerschaftsrechtes, bei der Einbürgerung, indem die Gemeinderäte oder in Wien die Bezirksräte mitbestimmen? – Dazu wäre eine Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes notwendig.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Die Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes ist meiner Meinung nach ein Anliegen, das in dem einen oder anderen Bereich ohne Zweifel notwendig und wichtig ist. Es ist für mich beispielsweise nicht einsichtig, wieso die Möglichkeit des Erwerbs der österreichischen Staatsbürgerschaft von Bundesland zu Bundesland äußerst unterschiedlich ist und nach unterschiedlichen Kriterien gehandhabt wird. Es sieht ein Bundesland einen durchschnittlichen Zeitraum von sechs bis sieben Jahren, ein anderes einen von 15 Jahren vor. Ich persönlich glaube, daß es notwendig und wichtig ist, eine Mindestgrenze und eine Maximalgrenze beim Erwerb der Staatsbürgerschaft einzuführen.

Ob man auch zu einer Änderung dahin gehend kommt, daß vor Ort entschieden wird, indem Gemeinderäte oder Bezirksräte ein Mitspracherecht haben, überlasse ich der parlamentarischen Diskussion. Ich weiß nur, daß die örtlichen Organe, wie beispielsweise der Bürgermeister, in solchen Fällen immer gefragt werden und eine Stellungnahme abgeben. Das ist zumindest schon ein Teil eines Mitwirkungsrechtes.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Herr Bundesminister! Im letzten Jahr wurden zirka 12 000 Staatsbürgerschaften verliehen. Die Staatsbürgerschaft ist das größte Recht, das ein Bürger bekommt, und es wäre nur recht und billig, wenn jene, die in diesem Land wohnen, dabei mitwirken könnten. Ich konkretisiere nochmals, Herr Bundesminister: Wären Sie zu einer Novellierung dahin gehend bereit, daß die Hauptwohnsitzgemeinde, der Gemeinderat oder in Wien der Bezirksrat, dabei zwingend mitwirken kann, und zwar nicht in Form eines Anhörrechtes, sondern in Form eines entsprechenden Beschlusses?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Ich verschließe mich dieser Initiative nicht, nur bin ich nicht derjenige, der das zu entscheiden hat. Das ist eine Entscheidung, die die gesetzgebende Körperschaft, nämlich der Nationalrat und in weiterer Folge der Bundesrat durch die Bestätigung einer solchen Novellierung, herbeiführen kann oder nicht. Ich glaube, daß das eine Verschiebung von Kompetenzen wäre, über die man im Rahmen der Bundesstaatsreform ohne Zweifel diskutieren kann. Ich glaube nicht, daß wir den Fehler machen sollten, im Zuge einer notwendigen Bundesstaatsreform an Tabus vorbeizugehen. Man soll alles offen diskutieren und sich fragen, ob es zweckmäßig ist oder nicht.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr nur 9. Anfrage, 702/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol) , um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Karl Pischl: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich habe folgende Frage eingereicht:

702/M-BR/97

Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um der Verbreitung kinderpornographischer und rechtsextremer Beiträge im Internet zu begegnen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Ich halte das für ein sehr wichtiges und notwendiges Anliegen, und ich glaube, daß wir diesbezüglich über alle Parteigrenzen hinweg gemeinsam aktiv und initiativ werden müssen. Die Inhalte rechtsextremistischer und kinderpornographischer Web-Seiten und Newsgroups im Internet werden durch mein Ressort seit dem Jahr 1996 beobachtet. Bei Auffindung entsprechender Nachrichten beziehungsweise Darstellungen werden sofort die notwendigen Veranlassungen und Maßnahmen durch die Sicherheitsbehörden getroffen.

Aufgrund einer Entschließung des Nationalrates vom 19. 9. 1996 wird im Innenressort eine Meldestelle für Kinderpornographie und Wiederbetätigung eingerichtet. Es soll damit den Benutzern des Internets die Möglichkeit geboten werden, Internet-Seiten oder Newsgroups, wie E-Mail, mit kinderpornographischen und rechtsextremistischen Inhalten auch anonym namhaft zu machen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Karl Pischl: Herr Innenminister! Sie haben jetzt die Entschließung vom 19. September 1996 angesprochen. Meine Frage dazu: Ist diese Zentralstelle jetzt eingerichtet? Wie schaut es dort personell aus? Ist dort auch ein Fachmann vorhanden, der von sich aus quasi eine Kontrollfunktion im Internet hat?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Für die Beobachtung extremistischer und terroristischer beziehungsweise kinderpornographischer Aktivitäten im Internet stehen derzeit zwei Rechner mit einem Internetanschluß bei der Gruppe C, drei Rechner bei den Bundespolizeidirektionen Wien, Linz und Salzburg sowie zwei Rechner bei den Sicherheitsdirektionen Vorarlberg und Steiermark zur Verfügung. Die Beamten, die diese Rechner betreuen, verfügen bereits über einen sehr beträchtlichen Adressenstock und sind schon sehr aktiv.

Die Beobachtung von Kinderpornographie wird zentral durch die Abteilung II/10, das ist das Referat für Kapital- und Sexualdelikte, wahrgenommen. Und ich habe mich gestern bei einer Besichtigung dieser Abteilung davon überzeugt, daß dort eine sehr aktive und sehr intensive Arbeit von den Beamten geleistet wird.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Karl Pischl: Herr Bundesminister! Kinderpornographische und rechtsextreme Beiträge sind ja nicht nur national zu sehen, sondern müssen auch international bekämpft werden. Meine Frage: Welche Maßnahmen werden in diesem Bereich im Rahmen der dritten Säule vorbereitet, um auf Provider auch im Ausland entsprechenden Druck auszuüben?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Darüber wurde unter anderem auch bei der letzten Sitzung des informellen Ministerrates der Innen- und Justizminister diskutiert. Es wurde eine Expertengruppe eingesetzt, und diese soll bis Mitte Mai Vorschläge dazu erarbeiten.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur 10. Anfrage, 709/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich ersuche die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Helga Markowitsch (SPÖ, Niederösterreich) , um die Verlesung ihrer Anfrage.

Bundesrätin Helga Markowitsch: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

709/M-BR/97

Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, damit die Bediensteten der Polizeigefangenenhäuser mit der gestiegenen psychischen Belastung besser umgehen lernen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Bundesrätin! Im Februar 1997 wurde bei der Bundespolizeidirektion Wien ein einwöchiges Pilotseminar für Polizeigefangenenhausbedienstete der Polizeidirektionen Wien, Schwechat, Wr. Neustadt und Eisenstadt veranstaltet. Nach Vorliegen positiver Erfahrungen ist in der Zeit von April 1997 bis April 1998 die Durchführung von insgesamt zwölf weiteren Seminaren geplant. Für jedes dieser Seminare sind 17 Teilnehmer und Teilnehmerinnen vorgesehen. Im Rahmen dieser 25 Seminare werden somit fast 430 Bedienstete aller Polizeigefangenenhäuser schulungsmäßig erfaßt und betreut.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Helga Markowitsch: Was sind die Inhalte, die im Rahmen dieser Seminare vorgetragen werden?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Die Inhalte, die in diesen Seminaren vorgetragen werden, sind im wesentlichen Administrationsaufgaben, Probleme des praktischen Dienstes in den Polizeigefangenenhäusern, die Gesundheitsprobleme von Angehaltenen, der Umgang mit Ausländerinnen und Ausländern, die Erfahrungen der Justizanstalten, Fragen der Psychologie und ein gegenseitiger Erfahrungsaustausch.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur 11. Anfrage, 704/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich) , um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Mag. Karl Wilfing: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Im Wissen um die laufende Kritik des bayerischen Innenministers Beckstein habe ich folgende Frage schriftlich eingereicht:

704/M-BR/97

Wie werden Sie sicherstellen, daß die Überprüfung der Schengener Kriterien positiv ausfällt?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Ich sehe die Äußerungen des bayrischen Innenministers Beckstein nicht negativ. Ich glaube, daß er sich in seinen Aussagen eigentlich sehr positiv gegenüber Österreich verhalten hat.

Natürlich ist es so, daß Österreich erst mit 1. Juli 1997 alle Schengen-Kriterien voll erfüllen kann, und natürlich ist es so, daß wir noch in der Aufbauphase sind. Die Deutschen und vor allem die Bayern haben hier eine schon viel längere Tradition und eine bessere Möglichkeit als wir. Ich glaube aber, daß es uns gelungen ist, unserem Ziel, Schengen-reif zu werden, in den letzten Wochen und Monaten doch sehr nahe zu kommen.

Im wesentlichen möchte ich mich in der Antwort auf vier Bereiche konzentrieren:

Der erste Bereich ist, daß wir alle rechtlichen Maßnahmen durchführen, die für Schengen notwendig sind. Das soll in diesem Integrationspaket passieren.

Zweitens sind die notwendigen EDV-Installationen durchzuführen und zu schaffen. Die technische Ausstattung ist bereits vorhanden, und derzeit ist der Testbetrieb im Laufen. Wir haben noch keinen Fehler in diesem Testbetrieb, und ich bin sehr optimistisch, daß unsere Beamtinnen und Beamten das schaffen werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 20

Das dritte sind – das ist natürlich auch sehr notwendig – der Aufbau und der Umbau des Personals an der Grenze. Sie wissen, ursprünglich war bedeutend mehr Personal vorgesehen. Ich habe einen bestimmten Stock an Personal, der mir zur Verfügung steht, aber dieser ist noch nicht zur Gänze für den Grenzdienst im Einsatz. Das soll bis 1998 erfolgen, und ich werde alles daransetzen, daß es mir gelingt, möglicherweise schon vor dem Jahre 1998 eine volle Personalkapazität zu haben.

Und das letzte, was für mich sehr wichtig ist: Man muß natürlich auch die technische Ausstattung zur Verfügung stellen. Diesbezüglich haben wir mit der Ausrüstung von CO2-Sonden und anderen Maßnahmen bereits jetzt erreicht, daß unser Personal an der Grenze genauso ausgerüstet ist wie beispielsweise die Bayern.

Zusammengefaßt: Ich bin optimistisch, daß es von unserer Seite her gelingen wird, die Schengen-Kriterien zu erfüllen, und ich hoffe, daß der Computer in Straßburg auch bis 27. Oktober soweit sein wird.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Karl Wilfing: Vielleicht nur zur Klarstellung: Als Mandatar in einem Grenzbezirk höre ich viele Klagen von Beamten, daß die technische Ausstattung eben noch nicht ausreichend sei. Gehen Sie davon aus, daß diese technische Ausstattung mit Oktober vollzogen sein wird – gerade im Rahmen der EDV?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Wir sind noch nicht soweit. Es wäre unehrlich, zu behaupten, daß alles schon da wäre. Es hat natürlich auch im vergangenen Jahr finanzielle Einschränkungen gegeben, sodaß die Aufwendungen auf mehrere Jahre verteilt werden mußten. Die CO2-Sonde ist ein typisches Beispiel dafür. Wenn wir diese CO2-Sonde, die in der Zwischenzeit jede Grenzstation in Österreich entlang der EU-Außengrenze hat, schon früher gehabt hätten, hätten wir uns den einen oder anderen spektakulären Vorfall an der bayrisch-österreichischen Grenze in Suben ersparen können.

Wir haben die baulichen Maßnahmen noch nicht zur Gänze fertiggestellt. Ich hoffe, daß das bis 1. Juli der Fall sein wird. Und wir haben noch nicht in allen Bereichen die notwendige technische Ausstattung. Wir sind aber auf dem besten Weg dazu.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Karl Wilfing: Sie haben auch die rechtlichen Voraussetzungen angesprochen. Ist auch die Schleierfahndung vorgesehen, und welche legislativen Maßnahmen sind dafür zu treffen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Für die Schleierfahndung sind keine zusätzlichen legislativen Maßnahmen notwendig. Wir üben sie derzeit bereits in verschiedenen Bereichen aus. Das Beispiel Brenner zeigt, daß sich die Schleierfahndung sehr gut bewährt, daß sie sehr notwendig und wichtig ist. Ich glaube, daß diese Schleierfahndung in den nächsten Monaten ausgedehnt und verstärkt werden muß, vor allem im Bereich der österreichisch-italienischen Grenze. Auch wenn Italien Schengen-reif wird und das Schengener Abkommen in Kraft setzt, wird es notwendig sein, auch in Zukunft eine Art von Schleierfahndung an der Grenze zu Italien durchzuführen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur 12. Anfrage, 710/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich) , um die Verlesung seiner Anfrage.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 21

Bundesrat Ferdinand Gstöttner:
Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

710/M-BR/97

Wie gestalten sich die Maßnahmen zur EDV-Unterstützung an den österreichischen Außengrenzen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Grenzkontrollsysteme sollen sehr rasch eingesetzt und sollen auch sehr benützerfreundlich gestaltet werden. Wir haben bereits in einer Reihe von Grenzstationen PCs eingesetzt. Ziel ist es, die Errichtung von insgesamt 300 EDV-Arbeitsplätzen zu erreichen. Über diese PCs können dann alle Ab- und Anfragen erfolgen, und es können in Zukunft auch alle internationalen Fahndungen aus dem Schengener Informationssystem abgefragt werden.

Da viele Länder bereits dazu übergehen, an den von ihnen ausgestellten Reisepässen maschinenlesbare Zonen anzubringen, wird jeder Arbeitsplatz auch mit einem zusätzlichen Paßlesegerät ausgestattet. Mit Hilfe dieses Gerätes können die am Dokument angebrachten Informationen gelesen und dann auch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden.

Diese Ausstattung mit Grenzkontrollsystemen ist bereits voll angelaufen und wird bis Mitte dieses Jahres abgeschlossen sein. Für Zwecke der mobilen Kontrolltätigkeit werden darüber hinaus neben der Funkkommunikation, also sogenannter Notebooks, auch Fahndungsdaten abfragbar sein.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Ferdinand Gstöttner: Es ergibt sich folgende Frage, da immer wieder – besonders in letzter Zeit sehr oft – an der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland Leute aufgegriffen werden, die illegal eingereist sind und dann praktisch abgeschoben werden müssen, die, nachdem wenig Möglichkeiten der Unterbringung gegeben sind, in Gefangenenhäuser in ganz Österreich verbracht und dann eben zum Abschub gebracht werden müssen: Erwarten Sie sich durch die verstärkte Außengrenzenkontrolle eine Verminderung dieser Vorfälle, die momentan unsere Gendarmerie sehr stark belasten?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Erstens erhoffe ich mir durch diese verstärkte Kontrolle und Überwachung der EU-Außengrenze eine deutliche Verminderung der illegalen Zuwanderung in Österreich, und die Aufgriffszahlen, die wir haben, zeigen das auch. 1995 hatten wir an der EU-Außengrenze zirka 6 100 Aufgriffe, 1996 waren es bereits 9 940, und in den ersten zwei Monaten des Jahres 1997 hatten wir gegenüber den ersten zwei Monaten des Jahres 1996 nahezu eine Verdoppelung, nämlich von 1 050 auf über 2 000. Das zeigt also, daß unsere Grenzsicherung eine viel bessere geworden ist, als dies noch vor einem Jahr der Fall war.

Zweitens möchte ich zügig mit allen Staaten, die uns umgeben, bessere Schubabkommen abschließen, sodaß gewährleistet ist, daß derjenige, der aufgegriffen wird, auch direkt und schnell abgeschoben werden kann.

Und drittens bedarf es natürlich auch baulicher Maßnahmen in Schubgefängnissen. Ich bin derzeit in Verhandlung mit den Bundesländern Salzburg und Tirol, um die bestehenden Schubgefängnisse in diesen beiden Bundesländern aufzustocken. Es gibt vor allem mit Salzburg bereits konkrete Übereinkommen, die noch schriftlich niedergelegt werden müssen. Und mit Niederösterreich und Burgenland verhandeln wir darüber, daß für diese beiden Bundesländer ein eigenes Schubgefängnis errichtet werden soll. Beide Landeshauptleute haben prinzipiell bereits zugesagt, und wir diskutieren nun über den Standort und die Modalitäten und über, was


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 22

auch nicht unwichtig ist, die finanzielle Aufteilung zwischen den beiden Bundesländern und dem Bund.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ferdinand Gstöttner: Ich möchte fragen, ob das natürlich auch für Oberösterreich gilt, weil in diesem Bundesland besonders der Fall war, was ich geschildert habe.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Die Verbesserung der Schubabkommen gilt natürlich auch für Oberösterreich, nur kann ich es dort nicht mit Ungarn machen, sondern mit dem entsprechenden Land, nämlich mit Tschechien. Bezüglich der baulichen Maßnahmen hatte ich noch kein Gespräch mit Oberösterreich geführt, aber das wird in nächster Zukunft auch notwendig sein.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Wir gelangen nunmehr zur 13. Anfrage, 715/M. Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm wurde mir jetzt als verhindert gemeldet. Er hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates sein Einverständnis bekanntgegeben, daß Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch an seiner Stelle die Anfrage 715/M stellt. Ich ersuche nun Herrn Bundesrat Dr. Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg) um Verlesung der Anfrage.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 23

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch:
Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Frage lautet:

715/M-BR/97

Wie ist der gegenwärtige Stand der Ermittlungen der eigens eingerichteten Sonderkommission zur Aufklärung der Bombenattentate bei den zahlreichen noch nicht aufgeklärten Brief- beziehungsweise Bombenanschlägen in Österreich?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Ich beantworte die Frage wie folgt:

Gegenwärtig verfolgen die Beamten der Sonderkommission diverse Spurenaufkommen sowie aktuelle Hinweise. Seit Errichtung der Sonderkommission wurden aufgrund abgegebener Hinweise sowie eigener Ermittlungsansätze mehr als 50 000 Personen einer Überprüfung unterzogen, bei mehr als 12 500 Personen wurden eingehende Ermittlungen geführt. Des weiteren wurde einer Vielzahl von Ermittlungsansätzen, die im Konnex zu sichergestellten Asservaten entstanden, nachgegangen.

Mit derselben Intensität werden auch in Zukunft die personen- und sachbezogenen Ermittlungen weitergeführt, wobei sich diese wie bisher nicht auf gesellschaftspolitische Richtungen konzentrieren.

Die Komplexität des Falles gibt der ehemaligen Überlegung, eine Sonderkommission zur Klärung des Falles einzurichten, recht. Strukturen und Arbeitsmethodik der Kommission sind meiner Ansicht nach inzwischen dem notwendigen internationalen Stand angepaßt worden.

Ich hoffe und habe das auch bereits betont, daß es uns doch einmal gelingen wird, diesen spektakulären Kriminalfall der Briefbombenserie und des Bombenattentates von Oberwart aufzuklären, möchte aber hinzufügen, daß nicht nur die eigene kriminalistische Fähigkeit, die eigene Fahndungsfähigkeit notwendig und wichtig ist, sondern daß wir wahrscheinlich auch eine Portion Glück und Zufall brauchen werden, um das tatsächlich aufklären zu können.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch: Herr Bundesminister! Sehen Sie in diesem Zusammenhang die Einführung von Lauschangriff und Rasterfahndung als hilfreich an?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Über Lauschangriff und Rasterfahndung wird derzeit im Parlament im zuständigen Unterausschuß des Justizausschusses sehr ausführlich diskutiert. Ich glaube, daß der Lauschangriff ein Bereich ist, der uns sicherlich keine zusätzlichen Fahndungserfolge bringen wird, weil ohne ihn, wenn es notwendig ist, auch nach den bisherigen Grundsätzen diese Möglichkeit für uns besteht. Ich könnte mir vorstellen, daß die Rasterfahndung unter Umständen in dem einen oder anderen Bereich zur Aufklärung des Falles mit beitragen könnte.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch: Herr Bundesminister! Bis wann ist mit einer Regierungsvorlage zu diesen Themen zu rechnen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Die Regierungsvorlage zu den neuen Fahndungsmethoden, also Lauschangriff und Rasterfahndung, wurde bereits irgendwann Ende 1996 im Ministerrat beschlossen und dann an das Parlament weitergeleitet und wird derzeit im Parlament diskutiert.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur 14. Anfrage, 705/M. – Hoher Bundesrat! Auch Herr Bundesrat Franz Richau ist als verhindert gemeldet und hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates sein Einverständnis bekanntgegeben, daß Herr Bundesrat Gottfried Jaud an seiner Stelle die Anfrage 705/M stellt. Ich ersuche Herrn Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP,Tirol) um die Verlesung der Anfrage. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Gottfried Jaud: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Die Frage lautet:

705/M-BR/97

Wie sollte nach Ihrer Auffassung die im Regierungsübereinkommen verankerte Sicherheitsakademie gestaltet werden?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Es wird derzeit an einer Art bausteinartigem Aufbau der Sicherheitsakademie gearbeitet. Der erste Baustein ist eine sogenannte Führungskräfteausbildung.

Diese dauert zirka elf Wochen und ist auf ein Jahr verteilt. Der erste Führungskräftelehrgang hat im September 1996 begonnen und wird im Juni 1997 beendet. Der zweite Lehrgang wird im heurigen Jahr beginnen und im Dezember dieses Jahres zu Ende gehen. Ziel der Führungskräfteausbildung sind vor allem verstärkte Demokratisierung der Sicherheitsexekutive, Öffnung nach außen und innen, Professionalisierung der Arbeit der Führungskräfte, Weiterentwicklung der Teilnehmer im besonderen im Wege der Selbsterfahrung.

Als zweiter Baustein ist eine neue Lehreraus- und Lehrerfortbildung vorgesehen. Die diesbezüglichen Planungsarbeiten sind im Gange.

Der dritte Baustein soll die Gründung eines Institutes für berufsbegleitende Fortbildung und polizeiliche Forschung bilden. Auch die diesbezüglichen Vorarbeiten werden in diesem Jahr begonnen werden.

In der ersten Phase der Realisierung der Sicherheitsakademie liegt der Schwerpunkt auf der Verbesserung der Ausbildungsstruktur und der Ausbildungsinhalte. Die Möglichkeit der Schaf


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 24

fung einer erforderlichen baulichen Infrastruktur wird von mir derzeit geprüft und soll noch in diesem Jahr endgültig entschieden werden.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Gottfried Jaud: Herr Minister! Bisher wurde diese Ausbildung in erster Linie durch Kurse gemacht. Glauben Sie, daß mit den von Ihnen vorgeschlagenen Ausbildungsmaßnahmen nun österreichweit sichergestellt ist, daß die Ausbildung vereinheitlicht ist, das heißt nicht unbedingt in einer Zentralstelle stattfindet, sondern daß die Ausbildung der Sicherheitsorgane in ganz Österreich einheitlich ist?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich halte die Vereinheitlichung der Ausbildung der Sicherheitsorgane in Österreich für sehr notwendig und wichtig, und ich glaube, daß wir mit diesem Konzept der Sicherheitsakademie einen wichtigen Schritt in diese Richtung machen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Danke.

Wir gelangen nun zur 15. Anfrage, 711/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich ersuche den Herrn Anfragesteller, Bundesrat Herbert Platzer (SPÖ, Niederösterreich ), um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Herbert Platzer: Sehr geehrter Herr Bundesminister! EUROPOL wurde heute in den Anfragen 4 und 5 schon angesprochen. Meine Frage lautet:

711/M-BR/97

Welche technische Unterstützung ist für den österreichischen Verbindungsbeamten bei EUROPOL vorgesehen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Im Rahmen von EUROPOL versieht derzeit ein österreichischer Verbindungsbeamter in Den Haag seinen Dienst. Dieser Verbindungsbeamte lenkt und bearbeitet die Anfragen von Verbindungsbeamten anderer Länder. Der Schwerpunkt liegt derzeit im Bereich Suchtgift sowie Geldwäsche und Schlepperei.

Im Rahmen der technischen Unterstützung wurde eine Anbindung an die National Unit in Wien durchgeführt. Dadurch ist es möglich, den Dokumentenaustausch in elektronischer Form abzuwickeln. Das bedeutet, daß der bestehende Post- und Telefaxverkehr durch diese elektronische Versandmöglichkeit ersetzt wird, wodurch sich eine Beschleunigung des Dokumentenaustausches ergibt. Durch die Verschlüsselung der Daten wird ein weit höheres Sicherheitsniveau erreicht.

Zusätzlich wurde dem österreichischen Verbindungsbeamten ein unmittelbarer Zugriff auf den zentralen Rechner des österreichischen Bundesministeriums für Inneres ermöglicht. Für diesen Zweck wurde ein PC-Notebook eingesetzt, das über Telefon oder GSM eine Verbindung zum Zentralrechner aufbaut, wobei auch hier modernste Verschlüsselungsalgorithmen eingesetzt werden. Damit verfügt der Verbindungsbeamte in Den Haag über eine hochmoderne technische Ausrüstung, die keinen Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten zu scheuen braucht.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt sind fünf Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 25

Eingelangt ist ein Schreiben des Herrn Bundeskanzlers betreffend Mitteilung des Bundespräsidenten über die Übertragung der sachlichen Leitung bestimmter, zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörender Angelegenheiten an eine eigene Bundesministerin.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Helga Markowitsch:

"Sehr geehrter Herr Präsident! Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Herr Bundespräsident am 26. Februar 1997 die beiliegende Entschließung betreffend Übertragung der sachlichen Leitung bestimmter, zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörender Angelegenheiten an eine eigene Bundesministerin gemäß Artikel 77 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz gefaßt hat.

Aufgrund des Artikels 77 Abs. 3 B-VG übertrage ich der Bundesministerin im Bundeskanzleramt Mag. Barbara Prammer die sachliche Leitung folgender, zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörender Angelegenheiten:

(1) Koordination in Angelegenheiten der Frauenpolitik,

Angelegenheiten der Gleichbehandlungskommission und der Anwältin für Gleichbehandlungsfragen,

Angelegenheiten der Bundes-Gleichbehandlungskommission und der Interministeriellen Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen (BGBl. Nr. 100/1993);

(2) Angelegenheiten der Konsumentenpolitik, einschließlich des Konsumentenschutzes, soweit dieser nicht in den Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Justiz fällt,

Koordination der Konsumentenpolitik.

Dazu gehören insbesondere auch:

Beschwerden in Konsumentenangelegenheiten,

Angelegenheiten des Konsumentenpolitischen Beirates,

Angelegenheiten des Schutzes vor gefährlichen Produkten, soweit es sich nicht um gewerbe- oder wettbewerbsrechtliche Angelegenheiten handelt;

(3) Angelegenheiten der Nahrungsmittelkontrolle.

Dazu gehören insbesondere auch:

Angelegenheiten des Verkehrs mit Lebensmitteln, Verzehrprodukten, Zusatzstoffen, kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen,

Nahrungsmittelhygiene,

Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals der öffentlichen Nahrungsmittelkontrolle;

(4) Angelegenheiten des Veterinärwesens mit Ausnahme der Angelegenheiten, die vom Bundesamt für Agrarbiologie zu besorgen sind.

Dazu gehören insbesondere auch:

Angelegenheiten des Verkehrs mit tierärztlichen Mitteln, Desinfektionsmitteln und Tierimpfstoffen; Preisregelungen auf diesem Gebiet,

Angelegenheiten der Futtermittelhygiene und -kontrolle,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 26

Angelegenheiten der Schlachttier- und Fleischuntersuchung,

Angelegenheiten der Tierkörperbeseitigung,

Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals der öffentlichen Veterinärverwaltung,

Angelegenheiten der Tierärzte und der sonstigen Veterinärpersonen einschließlich der Angelegenheiten ihrer beruflichen Vertretung,

Aus-, Fort- und Weiterbildung der Tierärzte nach ihrer Graduierung und der sonstigen Veterinärpersonen;

(5) Angelegenheiten des Giftverkehrs;

(6) allgemeine Angelegenheiten des Schutzes vor ionisierenden Strahlen;

(7) allgemeine Angelegenheiten der Gentechnologie;

(8) die Abs. 1 – 7 gelten nicht für Aufgaben der Personalverwaltung und der Organisation;

(9) Die Abs. 1 – 7 gelten ferner nicht für Angelegenheiten, die dem Bundeskanzler durch Bundesverfassungsrecht vorbehalten sind.

Der Bundespräsident,

der Bundeskanzler."

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 23c Abs. 5 des Bundes-Verfassungsgesetzes betreffend Nominierungen gemäß Artikel 23c Abs. 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes über die Funktion eines Mitgliedes des Wirtschafts- und Sozialausschusses.

Ich ersuche um die Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Helga Markowitsch:

"Sehr geehrter Herr Präsident! Gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG können wir Ihnen mitteilen, daß der Ministerrat in seiner Sitzung vom 21. Jänner 1997 beschlossen hat, für die Nachfolge von Harald Ettl, der aufgrund seiner Wahl zum Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus dem Wirtschafts- und Sozialausschuß ausgeschieden ist, auf Vorschlag des Vereins für Konsumenteninformation gemäß Artikel 23c Abs. 3 B-VG Herrn Dr. Harald Glatz als Erstgereihten und Frau Mag. Melitta Aschauer-Nagl als Zweitgereihte für die Funktion eines Mitglieds des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu nominieren.

Der Bundeskanzler,

der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten."

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt sind Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen, die den heutigen Tag betreffen.

Ich ersuche die Frau Schriftführerin höflich um die Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Helga Markowitsch:

"Der Herr Bundespräsident hat am 28. Februar 1997, Zl. 300.100/30-BEV/97, folgende Entschließung gefaßt:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 27

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johann Farnleitner am 13. März 1997 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer mit der Vertretung.

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend innerhalb des Zeitraumes vom 11. bis 13. März 1997 den Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek mit der Vertretung.

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer am 2. und 3. März 1997 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer, innerhalb des Zeitraumes vom 12. bis 16. März 1997 den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein und innerhalb des Zeitraumes vom 20. bis 31. März 1997 den Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen.

Für den Bundeskanzler:

Ministerialrat Dr. Wiesmüller"

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt ist ein Beschluß des Nationalrates vom 27. Februar 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 1995.

Dieser genannte Beschluß unterliegt im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 des Bundes-Verfassungsgesetzes nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates.

Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind ferner Berichte (19393 bis 21445-EU) über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikels 23e des Bundes-Verfassungsgesetzes. Diese Berichte habe ich dem EU-Ausschuß zugewiesen.

In Anbetracht des Umfanges habe ich gemäß § 18 Abs. 2 Geschäftsordnung des Bundesrates nach Rücksprache mit der Frau Vizepräsidentin und dem Herrn Vizepräsidenten angeordnet, daß eine Vervielfältigung und Verteilung zu unterbleiben hat, alle Vorlagen jedoch in der Parlamentsdirektion zur Einsicht aufliegen.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, daß mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Bösch, Dr. Tremmel und Kollegen betreffend Konsultationsmechanismus und Bundesrat an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus. Der Herr Bundeskanzler kann um 16 Uhr hier sein.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 28

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Ich habe alle diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Meine Damen und Herren! Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 3 bis 5 sowie 6 und 7 der Tagesordnung des Bundesrates unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 26. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (Bundesstraßengesetznovelle 1996) (424 und 595/NR sowie 5387 und 5389/BR der Beilagen)

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (Bundesstraßengesetznovelle 1996)

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. John Gudenus übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Mag. John Gudenus: Durch den gegenständlichen Gesetzesbeschluß des Nationalrates sollen im Sinne einer Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung Regelungen getroffen werden, die zu einer Beschleunigung der Verwaltungstätigkeit führen, ohne daß berechtigte Anliegen nach Bürgerpartizipation und Belange des Umweltschutzes bei Maßnahmen an Bundesstraßen beeinträchtigt werden. Die wesentlichen Bestimmungen des vorliegenden Beschlusses des Nationalrates betreffen Verwaltungsvereinfachungen im Zusammenhang mit der Erlassung von Trassenverordnungen und hinsichtlich der Ausnahmen von Bauverboten entlang der Bundesstraßen. Weiters werden die Bundesstraßenverzeichnisse an die Planungen und Vorhaben der Bundesstraßenverwaltung angepaßt.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 11. März 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile es ihm.

10.15

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Mit der vorliegenden Novelle zum Bundesstraßengesetz sollen im Sinne einer Deregulierung Verwaltungsvereinfachungen beschlossen werden, vor allem die Beschleunigung von Verfahren bei gleichzeitiger Erhaltung der Bürgerbeteiligung und der Belange des Umweltschutzes.

Meine Damen und Herren! Gerade in letzter Zeit haben sich die Klagen über zu lange Verfahren gehäuft, was zu besonders großen Investitionsrückstaus geführt hat. Und es ist dies ein absolut richtiger Schritt, in Zeiten einer Konjunkturabschwächung die Verfahren zu beschleunigen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 29

Gerade das Umweltverträglichkeitsgesetz mit seinem hohen Verwaltungsaufwand hat die Verfahren drastisch verlängert.

Meine Damen und Herren! Mit dieser Verwaltungsvereinfachung können vor allem geringfügige Baumaßnahmen an bestehenden Bundesstraßen raschest durchgeführt werden. Das sind Kreuzungsumbauten, Bau einzelner Rampen zu bestehenden Straßenknoten, das ist das Anlegen einer zweiten Richtungsfahrbahn, wenn der Abstand nicht mehr als fünf Meter zur bestehenden Fahrbahn beträgt – alles Verfahren, die, wenn die Zustimmung durch die Bundesländer erfolgt, raschest realisiert werden können.

Anläßlich der vorliegenden Novelle möchte ich versuchen, anhand von Beispielen aus Niederösterreich zu zeigen, welche Beschleunigung von Verfahren wir dadurch erreichen können.

Allein für Niederösterreich bedeutet dies, daß bei 15 vorliegenden Projekten nur mehr vier einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind. Von zehn Projekten, die ein Bürgerbeteiligungsverfahren nach § 4 Bundesstraßengesetz erfordert hätten, bleiben nur vier übrig. Dieses vereinfachte Verfahren bedeutet, daß die Verfahren raschest eingeleitet werden können, zum Beispiel beim Kreuzungsumbau Fischamend – Ost Autobahn, beim Kreisverkehr Hollabrunn, bei der Trassenverordnung für die Umfahrung Mold beziehungsweise bei einer niveaufreien Eisenbahnkreuzung in Göpfritz – wobei zu sagen ist, daß bei diesem Projekt die Bundesbahnen die Mittel bereits zur Verfügung haben und nur das Bauverfahren noch nicht begonnen werden konnte. Es geht auch um die Ortsdurchfahrt Haid und um die Umfahrung Pyhra – Wimpassing.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie den jüngsten Wirtschaftsforschungsbericht lesen, so sehen Sie, daß in der Baubranche für das heurige Jahr ein Rückgang von 0,5 Prozent zu erwarten ist. Das ist sicherlich vor allem auf das Sparpaket zurückzuführen, aber auch darauf, daß gerade Gemeinden und Länder sehr vorsichtig bei ihren Projekten sind und gerade im Tiefbau lange Vorlaufzeiten notwendig sind. Wir erwarten für das heurige Jahr im Tiefbau einen Rückgang von ungefähr 4 Prozent, im Vorjahr waren es 9 Prozent. Daher ist es besonders wichtig, daß diese Novelle raschest umgesetzt wird.

Wirtschaftspolitik und Standortsicherung bedeuten für die öffentliche Hand, auch die nötige Infrastruktur zu schaffen, damit gesunde und wachsende Unternehmen in Österreich erhalten bleiben. In Niederösterreich versuchen wir in diesem Jahr, um rund 28,5 Milliarden Schilling öffentliche Bauvorhaben durchzuführen. Im Hinblick auf den Straßenbau sind es 400 Millionen für die Donaubrücke Pöchlarn, 120 Millionen für den weiteren Ausbau der B 3 von Stockerau nach Tulln – auch wird mit dem Bau der Umfahrung Wolkersdorf begonnen. Allein vom Land Niederösterreich werden im heurigen Jahr Mittel in der Höhe von 1,5 Milliarden Schilling verbaut. 900 Millionen davon werden vom Bund und 600 Millionen vom Land zur Verfügung gestellt.

Auch die Bundesregierung versucht, aufgrund des Baugipfels im vergangenen Jahr entsprechende Bauvorhaben vorzuziehen. So sind im heurigen Budget für Hochbauvorhaben Mittel in der Höhe von 8,8 Milliarden, für den Straßenbau von mehr als 10 Milliarden Schilling vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Das sind positive Aspekte, die erwarten lassen, daß rund 50 000 Arbeitsplätze in der Baubranche oder in weiteren nahen Branchen gesichert und geschaffen werden.

Meine Damen und Herren! Ich kehre zur Novelle zurück. Zwei Punkte sind besondere Anliegen von mir: Das sind die Donaubrücke Traismauer und die Donaubrücke Klosterneuburg. Im Begutachtungsverfahren der Niederösterreichischen Landesregierung ist angeregt worden, beide Brücken in das Bundesstraßengesetz aufzunehmen. Die Beamten des Ministeriums haben dankenswerterweise im Ausschuß berichtet, daß bei der großen Bundesstraßengesetznovelle nächstes Jahr diese beiden Vorhaben berücksichtigt werden sollen.

Meine Damen und Herren! Gerade der Brückenbau Traismauer ist nicht nur aus regionalpolitischer Sicht, sondern für das gesamte nördliche Niederösterreich von besonderer Be


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 30

deutung. Er bedeutet eine Verkürzung des Straßenverkehrs vom nördlichen Niederösterreich zur West Autobahn um 16 Kilometer. Er bedeutet, daß im südlichen Krems, auf der rechten Donauuferseite, der Straßenlärm entsprechend minimiert werden kann, und er bedeutet für die Wirtschaft und für die gesamte Bevölkerung des nördlichen Niederösterreichs eine verbesserte Anbindung an die Landeshauptstadt St. Pölten.

Meine Damen und Herren! Damit kann auch endlich der Autobahnring um Wien geschlossen werden. Es ist ein gewisser Anachronismus und einzigartig in Europa, ja der Welt, daß eine Großstadt in der Größenordnung von Wien mit fast 2 Millionen Einwohnern keinen voll funktionierenden Autobahnaußenring hat. Erst durch den Bau dieser Brücke wird es möglich sein, die Verbindung auf die S 33 herzustellen und damit den Autobahnring um Wien fertigzustellen.

Die Errichtung der Brücke in Klosterneuburg bedeutet nebenbei eine große Entlastung für die Nordbrücke.

Neben diesen Vorhaben möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen, der auch nicht uninteressant ist. Es werden in dieser Gesetzesnovelle auch einige legistische Maßnahmen hinsichtlich der Autobahnvignette gesetzt. Wenn es zu keiner Änderung des Bundesstraßengesetzes zum Beispiel bei der Donaubrücke in Krems gekommen wäre, so hätte das bedeutet, daß Traktoren und Mopeds für die Kremser Donaubrücke eine Autobahnvignette gebraucht hätten. Sie ist eine autobahnmäßig ausgebaute Brücke, wurde aber vor mehr als zehn Jahren für den gesamten Verkehr freigegeben, und es war daher notwendig, die entsprechenden gesetzlichen Maßnahmen zu treffen. Ich glaube, die Brigittenauer Brücke betrifft das genauso.

Meine Damen und Herren! Zu einem Punkt, der nicht direkt mit der Novelle zusammenhängt, wohl aber mit der Finanzierung des gesamten Straßenbaus: Es geht um das Road-pricing. – Meine Damen und Herren! Nach den letzten Erfahrungen bezüglich Einnahmen aus der Autobahnvignette – man kann unter Anführungszeichen "erfolgreichen" Einnahmen sagen –, die natürlich dem Straßenbau zugute kommen, wäre wirklich darüber nachzudenken, ob wir das Road-pricing, wie es im Gesetz vorgesehen ist, 1998 oder ehebaldigst einführen sollten – ein System, das derzeit überhaupt nicht ausgegoren ist, allein schon von der Technik her, ein System, das, wenn es Österreich ohne europäischen Gleichklang einführt, zu einer schweren Belastung der österreichischen Wirtschaft führen würde.

Meine Damen und Herren! Wir sollten darüber nachdenken und offen darüber diskutieren, diese Gesetzesbestimmung auszusetzen. Road-pricing, wenn wir es alleine, ohne europäischen Gleichklang durchführen, bedeutet eine Benachteiligung der heimischen Wirtschaft, vor allem eine Benachteiligung der Wirtschaft im ländlichen Raum. Für Betriebe aus dem Waldviertel, dem Weinviertel oder auch aus der Oststeiermark, die heute ihre Hauptauftraggeber in Wien haben, bedeutet das eine enorme Belastung. Ich verweise nur auf den ÖAMTC, der ausgerechnet hat, daß das für einen Pendler von Oberwart nach Wien, wenn man 200 Fahrten im Jahr rechnet, eine zusätzliche Belastung von 27 000 S bedeuten würde und für einen selbständigen Handelsvertreter bei einem durchschnittlichen Fahraufkommen von 40 000 Kilometern ebenfalls eine Mehrbelastung in der Höhe von ungefähr 30 000 S.

Meine Damen und Herren! Road-pricing, das wir voriges Jahr alle miteinander beschlossen haben, würde in der jetzigen Form bedeuten, daß nicht nur die heimische Wirtschaft an Wettbewerbsfähigkeit verliert, sondern daß durch die höheren Transportkosten auch die österreichische Transportwirtschaft enorme Belastungen zu tragen hat und im internationalen Vergleich nicht mehr konkurrenzfähig ist.

Meiner Meinung nach wäre die beste Lösung, das System der Vignette zu verlängern. Ich glaube, die Mittel, die dadurch hereinkommen und die zum größten Teil zum Ausbau der Straßen zweckgebunden sind, würden ausreichen, in den nächsten Jahren raschest die wichtigsten Bauvorhaben durchzuführen.

Meine Damen und Herren! Die heutige Novelle zum Bundesstraßengesetz bedeutet eine spürbare Verwaltungsvereinfachung für die Durchführung von Bauvorhaben im österreichischen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 31

Tiefbau, im österreichischen Straßenbau. Meine Fraktion wird der vorliegenden Novelle gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.27

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Frau Bundesrätin Helga Markowitsch. – Bitte.

10.27

Bundesrätin Helga Markowitsch (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Der Straßenbau ist, bedingt durch die neuen Rechte der Anrainer und die strengeren Umweltauflagen, vielfach von einem technischen Problem zu einem rechtlichen Problem geworden. So begrüßenswert und berechtigt diese Auflagen für neue Straßenplanungen sind, so zeitraubend sind diese Auflagen, wenn es sich nur um geringfügige Änderungen des Straßenverlaufs handelt, die vielfach helfen, lokale Probleme zu reduzieren oder die Interessen örtlicher Anrainer zu erfüllen. Es ist daher zu begrüßen, daß derartige geringe Änderungen des Straßenverlaufs nun rascher und mit geringerem Verwaltungsaufwand erfolgen können.

Positiv zu bewerten ist auch der Umstand, daß zwei wichtige Donauübergänge – nämlich die Brigittenauer Brücker und die Brücke in Krems – nicht mehr den Status einer Autobahn oder Schnellstraße haben. Das ist besonders seit der Einführung der Mautvignette von Bedeutung. In Zukunft können auch Fahrzeuge, die keine Mautvignette haben, die Donau an diesen beiden Stellen queren und ersparen dadurch kilometerlange Umwege, unnötigen Energieverbrauch und Schadstoffemissionen. Das hat auch schon Herr Bundesrat Dr. Kaufmann ausgeführt. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Das Konzept zur Neuordnung und Finanzierung des hochrangigen Straßennetzes wurde bereits ausführlich diskutiert. In letzter Zeit verstärkt sich allerdings die Front gegen die Einführung des bereits beschlossenen Road-pricing. Derzeit trägt der gewerbliche LKW nur zu einem sehr geringen Teil zur Finanzierung der Straße bei. Bedingt durch den EU-Beitritt mußten die Abgaben für LKWs sogar erheblich reduziert werden. Die Hauptlast der Straßenfinanzierung trägt der private PKW-Verkehr über die Mineralösteuer und die NoVA. Diese starke Quersubventionierung muß durch das Road-pricing für den LKW – wir haben ja ein diesbezügliches Gesetz mit Zeitplan und Rahmenbedingung beschlossen – reduziert werden.

Nur eine Erhöhung der Transportkosten durch eine wegstreckenabhängige Gebühr kann die prognostizierten starken Zuwachsraten im Straßenverkehr reduzieren und eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene bewirken. Meine Fraktion wird der vorliegenden Gesetzesnovelle gerne ihre Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

10.29

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Mobilität zählt, glaube ich, zu den Urbedürfnissen des Menschen. Wir alle kennen die Sage von Ikarus, der fliegen wollte; wir kennen die Geschichte der Römer, die sich in ihren Troikas fortbewegten, über Postkutschen bis hin zur heutigen Zeit der diversen anderen Fortbewegungsmitteln.

Heute leben wir in einer Zeit, in der bereits im Alter von 18 Jahren der Führerschein und damit verbunden ein sogenannter fahrbarer Untersatz eine Selbstverständlichkeit ist.

Meine Damen und Herren! Daß diese Mobilität nach wie vor ein Bedürfnis ist, beweist uns auch die ständige Steigerung der Zulassungszahlen. Es gilt, dieser Mobilität Rechnung zu tragen, indem man die entsprechende Infrastruktur schafft und – damit verbunden – auch Straßen baut.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 32

Die vorliegende Novelle zum Bundesstraßengesetz zielt darauf ab. Künftig sollen Verfahren rascher durchgeführt werden können. Die Umweltverträglichkeitsprüfung, welche ein Bestandteil des Verfahrens in der Vergangenheit war, hat in manchen Fällen Zeiträume von bis zu zwei Jahren in Anspruch genommen. Diese Umweltverträglichkeitsprüfung wird aufgrund der vorliegenden Gesetzesnovelle in einigen Verfahren dem sogenannten Bürgerbeteiligungsverfahren weichen.

Meine Damen und Herren! Wird dieses Ziel erreicht – ich glaube, das ist die Intention des Gesetzes –, können Verfahren innerhalb eines halben Jahres und vielleicht noch schneller durchgeführt werden, vor allem werden sie effizienter und sparsamer. – Meine Damen und Herren! Deshalb wird auch meine Fraktion dieser Novelle die Zustimmung geben.

Gleichzeitig, meine Damen und Herren, wissen wir aber, daß sich bei Verfahrensbeschleunigungen die Projektierungskosten insgesamt reduzieren werden müssen. Es wird – so hoffen wir – mehr Geld für den Straßenbau bleiben.

Eine erneute Belastung der Verkehrs- und Straßenbenützer ist daher nicht gerechtfertigt, solange es innerhalb der Verwaltung und innerhalb der Verfahrensbeschleunigungen noch Ressourcen gibt und sich vor allem noch Einsparungen erzielen lassen.

Meine Damen und Herren! Die gesamte Diskussion um die B 146, die sogenannte Ennstal Bundesstraße, hat uns dramatisch und drastisch vor Augen geführt – es leben zurzeit dort ganze Talschaften im Streit –, was ein ineffizientes Verfahren anrichten kann und angerichtet hat. Ein Ende dieser leidigen Causa betreffend die B 146 ist nicht absehbar.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß die Straßenverlegung in Dürnstein betreffend die B 83 im Bereich der Landesgrenze Steiermark-Kärnten nicht dasselbe Schicksal erleidet. Dasselbe gilt auch für die Ortsumfahrung in Unterzeiring betreffend die B 114. Dasselbe, Frau Kollegin Schicker, hoffe ich im Hinblick auf die Verlängerung der Ortsumfahrung in Obdach im Bereich der B 78. Ich hoffe, daß bei all diesen genannten Beispielen aufgrund des neuen Verfahrens der Bau rasch vollzogen wird und daß nicht – da diese Verfahren nach der alten Rechtslage bereits abgeschlossen sind – all diese Projekte wiederum auf die lange Bank geschoben werden und wiederum neuen Verfahren unterliegen.

Meine Damen und Herren! Jetzt – im Hinblick auf die drei genannten Projekte – ist das Bundesministerium am Zug. Die einzige Frage, die sich bei all diesen Projekten noch stellt, ist: Will man diese Umfahrungen? Will man Straßen bauen oder nicht? – Das ist die einzige offene Frage, die von seiten des Ministeriums jetzt beantwortet werden muß. Wir, die Steirer, meine Damen und Herren, wollen diese Projekte, damit sich der Blutzoll auf diesen von mir genannten Projekten und Straßen reduziert. Wir, die Steirer, wollen diese Straße, damit sich die Lebensqualität in den betroffenen Orten wieder erhöht und es für die Bewohner wieder lebenswert wird. Wir, die Steirer, wollen diese Straße, damit den Urbedürfnissen des Menschen auch Rechnung getragen wird.

Meine Damen und Herren! Wir hoffen, daß aufgrund dieser Verfahrensvereinfachung, aufgrund dieser Novelle endlich den Worten, dem Formalismus auch Taten folgen. Unter diesem Aspekt werden wir dieser Novelle unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und Beifall der Bundesrätin Schicker. )

10.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pischl. – Bitte.

10.35

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bundesstraßengesetznovelle mag bei oberflächlicher Betrachtungsweise wohl kein großes Gesetz, ja schon gar kein Jahrhundertgesetz sein. Es könnte aber – es ist für mich so etwas – die Einleitung für eine Trendwende sein, was den Ge


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 33

setzesbereich und die Gesetzesflut anlangt, also daß es sogar ein Jahrhundertgesetz sein könnte.

Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Jahrzehnten eigentlich nur danach getrachtet, was alles gesetzlich beziehungsweise mit Verordnungen geregelt werden muß. Wir alle haben geglaubt, daß nur Normen und Regelungen den Menschen, der Gesellschaft, aber auch der Umwelt dienlich sein und uns allen Orientierung geben können. Wir haben dadurch eine Situation geschaffen, in der wir uns vor lauter Verfahren und Auflagen heute sehr oft selbst im Wege stehen. Daß wir für uns dadurch eine Situation geschaffen haben, in der der Handlungs- und Entscheidungsspielraum immer enger wurde und daß vieles auch bei größter Verantwortlichkeit nicht mehr machbar und durchführbar wurde, haben wir lange Zeit nicht begriffen oder nicht begreifen wollen.

Heute läuft die Diskussion in Richtung Entbürokratisierung, Deregulierung, Verwaltungsvereinfachung, aber auch in Richtung mehr Eigenverantwortung – das möchte ich als sehr wichtig hinstellen –, und zwar für alle Bereiche des gesellschaftlichen, aber auch des zwischenmenschlichen Zusammenlebens. Dazu gehören Neuüberlegungen für Entwicklungen im Sozialbereich, im Umweltbereich, im fiskalischen Bereich und in vielem anderen mehr. Dies hat aber auch für den Verkehrsbereich Gültigkeit.

Meine Damen und Herren! Ich habe eingangs von einer möglichen und von mir sehr gewünschten Trendwende bei dieser Bundesstraßengesetznovelle gesprochen. Sie bringt tatsächlich Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung. Sie bringt die Chance einer beschleunigten Verwaltungstätigkeit, ohne daß berechtigte Anliegen nach Bürgerbeteiligung und Belange des Umweltschutzes bei Maßnahmen an Bundesstraßen beeinträchtigt werden.

Hohes Haus! So hoffe ich, daß mittels dieser Novelle gezeigt werden kann, wie sensibilisiert und verantwortungsbewußt die Verantwortlichen an die notwendigen Maßnahmen herangehen. Als Tiroler Vertreter in der Länderkammer bin ich auch sehr froh darüber, daß es durch einen Abänderungsantrag im Ausschuß des Nationalrates möglich war, den Absatz 7 im § 4 dahin gehend zu erweitern, daß für Schutzbauten zur Vorbeugung oder Beseitigung von Gefahrenbereichen oder Katastrophen ein schnelles Handeln möglich gemacht wird, sofern die davon betroffenen Länder und Gemeinden diesen notwendigen Baumaßnahmen zustimmen.

Diese Bundesstraßengesetznovelle ist meines Erachtens ein Schritt, vielleicht nur ein kleiner Schritt, aber ein mutiger Schritt in die richtige Richtung. Ich wünsche mir, sehr geehrter Herr Bundesminister, daß es dafür auch Nachahmer innerhalb dieser Regierung geben wird. In diesem Sinne wird die Österreichische Volkspartei dem Antrag zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wöllert. – Bitte.

10.39

Bundesrat Karl Wöllert (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohen Haus! Wir hörten es heute schon: Der Verwaltungsaufwand bei der Vollziehung des Bundesstraßengesetzes hat sich erhöht, daher waren und sind verwaltungsvereinfachende Maßnahmen und Regelungen zu treffen.

Ich meine aber auch, diese müssen so strukturiert werden, daß dadurch Bürgerbeteiligung und Bürgermitbestimmung in solch wichtigen Bereichen wie der Beeinflussung der Lebensqualität durch Straßenregulierung und Straßenneubauten nicht beeinträchtigt werden dürfen.

Die vorliegenden Änderungen betreffen vor allem Bestimmungen im Zusammenhang mit der Erlassung von Trassenverordnungen und Ausnahmen von Bauverboten entlang der Bundesstraßen. Zusätzliche Kosten sind, wie wir gehört haben, keine zu erwarten, ebensowenig wird das EU-Recht tangiert.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 34

Die vorliegenden Regulierungen sind daher grundsätzlich löblich und begrüßenswert, das zeigt auch das einstimmige Verhalten dieses Hohen Hauses. Sie sind allerdings auch mit entsprechender Substanz zu füllen. Wie wichtig gerade im Straßenbau und in seinen manchmal fatalen Auswirkungen auf die Lebensqualität der betroffenen Anrainer die Mitwirkung der Bürger ist und wie schwer es oft engagierte Menschen haben, ihre berechtigten Sorgen, Nöte und Wünsche an kompetenter Stelle auch wirksam vertreten zu können, mag folgendes Beispiel aus dem oberösterreichischen Raum aufzeigen:

Im Stadtteil Linz führt die A 7, die sogenannte Mühlkreis Autobahn, von der West Autobahn kommend direkt quer durch die Stadt. Ihre Trassenführung zerpflückt im Süden von Linz die drei großen Stadtteile Bindermichl, Spallerhof und die Muldensiedlung. Rund 25 000 Menschen – Sie haben sich nicht verhört – sind von Lärm und Abgasen direkt betroffen. Damit die Relation auch wirklich sichtbar wird, sei noch hinzugefügt, daß dieses Autobahnteilstück mitten durch die Stadt führt und stündlich von 80 000 Fahrzeugen frequentiert wird. Die A 7 in Linz am Bindermichl ist damit nach der Wiener Südosttangente das am zweitstärksten mit Lärm und Abgasen belastete Stadtautobahnteilstück Österreichs, viel stärker belastet als beispielsweise die bekannte Inntal Autobahn, der Brenner oder irgendeine andere Autobahn Österreichs.

Dazu kommt noch, daß dort die Häuserfronten der Wohnbauten rund fünf Meter – fünf Meter! – neben der Autobahn stehen. Daß dort niemand mehr ein Fenster öffnen kann, ohne daß ihn Smog und Lärm in ungeheuren und unerträglichem Ausmaß belästigen und man des öfteren im Wohnzimmer das eigene Wort nicht mehr versteht, wird unter den gegebenen Umständen wohl jedem verständlich erscheinen. Jeder, der schon einmal von der Autobahn kommend nach Linz in Richtung Zentrum fuhr, kennt die dortige Situation sicherlich, kennt die Häuserfronten entlang der sogenannten Lärmschutzwände. (Ruf: Waren die Häuser schon, als gebaut wurde, oder wurden sie später gebaut?) – Sie waren schon, als gebaut wurde – das möchte ich auch hier noch einmal klarstellen –, sowie die gesamten Stadtteile auch schon dort waren, als man damals die A 7 mit Brachialgewalt baute. (Bundesrat Dr. Bösch: Wer hat denn das gebaut, Herr Kollege? Welche Bundesregierung war denn das?) – Das war noch in den sechziger Jahren. Heute wäre eine solche Vorgangsweise möglicherweise undenkbar, diese Sünde wurde in einer Zeit geschrieben, in der noch die Philosophie der autogerechten Stadt vorherrschte – auch in Ihrer Partei, Herr Kollege – und damit alle Gedanken an Lebensqualität hintanhielt und von der menschengerechten Stadt noch keine Rede war.

Daß da eklatanter Handlungsbedarf gegeben ist, liegt auf der Hand. Es ist also kein Wunder, daß man sich auf städtischer und auch auf Landesebene bemüht, Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Diese Aktivitäten vermisse ich bis zum heutigen Zeitpunkt auf Bundesebene allerdings sehr.

Natürlich hat sich in dieser Situation auch eine Bürgerinitiative aus betroffenen Bewohnern dieses schwer belasteten Linzer Stadtteiles gebildet und wird von der Stadt Linz und dem Land Oberösterreich auch in die Entscheidungsfindung miteingebaut.

Eine von Stadt und Land Oberösterreich finanzierte Projektstudie hat ergeben, daß dieses Problem nur durch eine Tunnelvariante gelöst werden kann. Der Tunnel kostet natürlich viel Geld, das wissen wir alle. Die Stadt Linz hat im Gemeinderat einen Beschluß gefaßt, finanzielle Mittel zur Realisierung dieses Projektes zur Verfügung zu stellen. Sie kann natürlich nicht das gesamte Projekt alleine bezahlen. Ich weiß, daß man auch im Land Oberösterreich daran geht, über die Finanzierung ernsthaft nachzudenken. Es wird aber ohne den Bund dabei nicht gehen. Eigentlich sollte man dies dort auch wissen. Dieses Bewußtsein scheint aber bisher noch nicht eingekehrt zu sein.

Es ist mir daher umso unverständlicher, wie man Vertreter der Bürgerinitiative – ich muß dies leider hier sagen – im Büro des Herrn Ministers Farnleitner behandelt hat. Abgesehen davon, daß sie trotz Termin zum Herrn Minister nicht vordringen konnten oder durften, wurden sie von ministeriellen Mitarbeitern in einer Art – ich muß es so sagen – ohg’schasselt, wie es mit der heute zu beschließenden Intention, Verwaltungsvereinfachung zu initiieren und damit verstärkt Bürgerinitiativenfreundlichkeit zu entwickeln, in keinerlei Einklang steht.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 35

Diese Vorsprache der Bürgerinitiative wurde übrigens auch im Einvernehmen mit den Herren seines Ministerbüros und allen Anwesenden auf Videoband aufgenommen. Ich stelle es gerne bei Bedarf zur Verfügung. (Bundesrat Dr. Bösch: Schicken Sie es doch dem Herrn Verkehrsminister!) – Das ist schon geschehen, Herr Kollege!

Ich habe Verständnis dafür, daß auch Ministerbüros einmal etwas passieren kann, ich habe auch Verständnis dafür, Herr Kollege, wenn Ihren blauen Straßenreferenten in Linz auch einmal etwas passiert, die Freiheitliche Partei in Linz war nämlich bis jetzt gegen eine Tunnelvariante, also gegen die Problemlösung dieser gewaltigen Geschichte. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Das stimmt zwar nicht, aber bitte!) Ich hoffe, Sie haben so aufgepaßt, daß Sie es auch verstanden haben, Herr Kollege!

Meine Damen und Herren! Es handelt sich dabei also um ein für zigtausende betroffene Menschen wichtiges und unangenehmes Problem. Ich sage es noch einmal: 80 000 Fahrzeuge pro Stunde quälen 25 000 Menschen täglich. Es ist ein Problem, das man sich zu Herzen nehmen muß. Es ist ein Problem, das man nicht mit dem lapidaren Satz: "Wir haben kein Geld" vom Tisch fegen kann. Es ist ein Problem, dessen Lösung den Vorsatz, den wir uns heute mit der gegenständlichen Neuregulierung vornehmen, nämlich auch im Straßenbau bürgerfreundlich zu agieren, auch mit Substanz füllen würde.

Wir alle – und damit auch der Bund – sind dazu eingeladen, einen entsprechenden Beitrag zu leisten. Übrigens ist in Linz auch die Freiheitliche Partei herzlich dazu eingeladen. Ich bedanke mich im voraus herzlich für dieses Entgegenkommen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Eisl. – Bitte.

10.48

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich habe mich zu früh gefreut, ich habe nämlich geglaubt, wir behandeln heute vielleicht das Güterwegeerhaltungsfondsgesetz, ich dachte, daß der Bund vielleicht auch einmal in die Fußstapfen des Landes Salzburg steigt, aber wie wir wissen, ist der Bundesminister heute in Vertretung des Wirtschaftsministers bei uns.

Meine Damen und Herren! Die Novellierung des gegenständlichen Gesetzes hat auch durch Stellungnahme der Länder einige Wünsche offengelassen. Die in der Erläuterung enthaltene Klarstellung, daß unter besondere Anschlußstellen "niveaufrei" zu verstehen ist, sollte auch im Gesetzestext selbst enthalten sein. Dieser Wunsch wurde vom Lande Salzburg der Bundesregierung und dem Minister mitgeteilt, weil es gewisse Teilstücke betrifft. Die Aufnahme dieser Straßen wurde bereits mehrmals beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten beantragt. Es handelt sich dabei jeweils um Verbindungsstücke zwischen der Autobahn A 1 und der Bundesstraße B 1, somit also um Verbindungen zwischen Straßen höchster Funktionsstufe.

Diese Straßen können nicht den Status einer Landes- oder Gemeindestraße behalten. Weiters ist noch angeregt worden, daß anläßlich der Gesetzesnovelle auch klargestellt werden sollte, daß Maßnahmen für den öffentlichen Verkehr, wie zum Beispiel Busspurenregelung oder Bodenmarkierung, zu Lasten des Bundes gehen sollten.

Da Bundesstraßen dem öffentlichen Verkehr dienen, muß die Leistungsfähigkeit und damit die wirtschaftliche Verkehrsart, nämlich die des öffentlichen Verkehrs, miteinbezogen werden. Darüber hinaus sollte zumindest in Ballungsräumen die Anlage der Bushaltestellen in Knotenbereichen der Autobahnen zugelassen werden. Im Ausland haben sich derartige Einrichtungen bestens bewährt, für deren sichere Ausgestaltung gibt es bereits technische Lösungen mit geringem Aufwand.

Diese sogenannten Straßenäste, die derzeit noch der Gemeinde und dem Land gehören und eklatant belastet und auch mit Ab- und Auffahrtproblematiken behaftet sind, hätte man in das Gesetz aufnehmen sollen; dadurch hätte man eine Erleichterung schaffen können. Wir sind des


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 36

wegen nicht gegen dieses Gesetz, weil es eine Reihe von Erleichterungen bringt. Es drängt vor allem die Bürokratie ein wenig zurück, was wir ja auch schon in vielen anderen Bereichen x-mal gefordert haben. Deswegen werden wir auch dieser Gesetzesnovelle die Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.51

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rieser. – Bitte.

10.51

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Bundesstraßengesetznovelle – wir haben es von den Vorrednern schon vernommen – ist notwendig geworden, weil sich der Verwaltungs- und Zeitaufwand durch das Umweltverträglichkeitsgesetz drastisch erhöht haben.

Die bestehenden Gesetze, die zur Umsetzung der Verkehrsinfrastruktur, sei es für die Schiene, sei es für die Straße, angewendet werden müssen, werden im zunehmenden Maße – das erleben wir ja ständig – nicht mehr durchsetzbar. Bei vielen Projekten hat man den Eindruck, daß man sich einer bestimmten Unregierbarkeit nähert. Ich denke in diesem Zusammenhang – auch das wurde heute schon angesprochen – an die B 146, die Ennstal Bundesstraße.

Nur eine Deregulierung der Gesetze, die wir alle gemeinsam schon lange fordern, kann Bewegung in diese verkrustete Struktur bringen. Die besten Projekte – sehr oft ausgereift, die Grundeinlösungsverhandlungen bereits durchgeführt – sind sehr oft zum Scheitern verurteilt, weil aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und des langwierigen Verfahrens Probleme entstehen.

Ein Umdenken ist notwendig, und es gibt dafür in der letzten Zeit einige positive Beispiele. Ich erwähne in diesem Zusammenhang die Novelle zum Wasserrechtsgesetz, die Novelle zum UVP, und auch die gegenständige Novelle zum Bundesstraßengesetz ist unseres Erachtens ein Ansatz in die richtige Richtung.

Es sollen jedoch keineswegs wichtige Belange des Umweltschutzes und der Bürgerbeteiligung umgangen werden. Es muß aber im Sinne des Gemeinwohles vor dem Wohl des einzelnen der Republik Österreich möglich sein, für die Bevölkerung, für die Wirtschaft wichtige Verkehrsinfrastrukturprojekte in überschaubaren Zeiträumen zu realisieren. Dies kann nur über Verwaltungsvereinfachung funktionieren. Die Bauwirtschaft, ein wichtiger Motor für die österreichische Konjunktur, sowie das Baugewerbe und das Baunebengewerbe würden – das hören wir auch ständig – dringend Aufträge benötigen. Eine Verfahrensbeschleunigung in diesem Zusammenhang ist daher auch im berechtigten Interesse der Bürger.

Die vorliegende Novelle zum Bundesstraßengesetz wird von der Steiermark begrüßt, denn endlich können wir damit rechnen – wie die Mitglieder im Ausschuß in der Sitzung vom 11. März dieses Jahres erfahren konnten –, daß viele Projekte, die lange anstanden, darunter auch konkret vier Projekte in der Steiermark, schneller realisiert werden. Ich erwähne die B 70, die Packer Bundesstraße, ein dringendes Anliegen, die B 78, die Tangente in Zeltweg, die B 83, Wildbad Einöd, und die B 114, die Triebener Bundesstraße, die Umfahrung in Unterzeiring.

Ich möchte in diesem Zusammenhang gegenüber dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten dankend und lobend zum Ausdruck bringen, daß es in schwierigen Verhandlungen gelungen ist, doch endlich auch die Obdacher Bundesstraße, die Umfahrung in Obdach zu realisieren. Es hat dort zwar eine Bürgerinitiative gegeben, aber in Verhandlungen ist es dann gelungen, Konsens zu finden. Ich habe mich in den letzten Tagen noch einmal informiert und erfahren, daß es so weit ist, daß die Projektunterlagen für diese Trassenänderung bereits im Wirtschaftsministerium aufliegen, und, lieber Kollege Weilharter, wir hoffen gemeinsam, daß es noch vor Ostern bearbeitet sein wird und daß noch im heurigen Jahr im Süden, dort, wo es keine Probleme gegeben hat, mit der Realisierung begonnen wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 37

Ein großer Wunsch, den ich in diesem Zusammenhang auch erwähnen möchte, ist natürlich der vierspurige Ausbau ab Judenburg Richtung Unzmarkt, weil es oft von der Bevölkerung und besonders von den Verkehrsteilnehmern nicht verstanden wird, daß dort eigentlich, wenn man es kritisch betrachten möchte, ein Ende ist und die Straße dann einem Blinddarm gleich bis zur Kärntner Landesgrenze weiterführt.

Die Herstellung der einheitlichen Verhältnisse der Bevölkerung in unserer Republik verpflichtet uns, die notwendige Infrastruktur zu schaffen. In den sechziger und siebziger Jahren bis Mitte der achtziger Jahre ist vieles in diesem Land geschehen. Durch die Verbürokratisierung sind heute behördliche Entscheidungen oft festgefahren.

Bei der Vorbereitung und Einholung von Informationen zu diesem Tagesordnungspunkt bin ich auch auf das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz aus Deutschland gestoßen, welches vom Bundestag im Jahr 1991 beschlossen wurde. Liebe Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Ich stelle diese Unterlagen gerne zur Verfügung, weil ich glaube, daß wir gemeinsam darüber nachdenken sollten, ob wir uns nicht dieses Beispiel aus einem anderen EU-Land vor Augen halten sollten, damit es uns schneller gelingt, Straßen zu bauen. – Die heutige Novelle ist nach unserem Erachten ein Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei der ÖVP.)

10.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 26. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (504 und 593/NR sowie 5390/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Mag. Tusek übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Mag. Gerhard Tusek: Da der Bericht des Ausschusses allen Mitgliedern des Bundesrates in schriftlicher Form vorliegt, kann ich auf eine Verlesung verzichten.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 11. März 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 38

11.00

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es mag vielleicht eigenwillig erscheinen, zu einer Angelegenheit, die dem Staat Geld bringt, ein paar Worte zu finden. Ich gebe gleich den Grund bekannt, warum es mir wichtig erscheint, auf diesen Punkt einzugehen.

Wir wurden im Ausschuß darüber informiert, daß die Konsulargebühren rund 110 bis 120 Millionen Schilling jährliche Einkünfte für den Staat bedeuten und daß durch die Änderung dieses Gesetzes weitere 5 Millionen Schilling – das entspricht etwa dem Einkommen von 25 bis 30 österreichischen Haushalten – lukriert werden. Es erstaunt mich jedoch, daß bei anderen Vorhaben, die der Staat durchführt, nicht die gesetzgebenden Körperschaften befaßt werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte als Beispiel dafür die österreichische Teilnahme an der Partnerschaft für den Frieden anführen und dabei aus einer Anfragebeantwortung des Herrn Bundeskanzlers – es war noch Vranitzky – vom 5. Mai 1995 wie folgt zitieren: "Die österreichische Teilnahme an der Partnerschaft für den Frieden ist mit der formellen Annahme des Einladungsschreibens sowie des Rahmendokuments begründet worden. Weder das Rahmendokument noch das Präsentationspapier sind als völkerrechtliche Verträge anzusehen. Es handelt sich dabei vielmehr um außervertragliche politische Abmachungen, um eine Absichtserklärung nach der Art eines Gentlemen’s Agreements. Im Hinblick darauf, daß beide Dokumente keine völkerrechtlichen Instrumente darstellen, bedeutet dies, daß die bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen für den Abschluß von Staatsverträgen keine Anwendung finden und damit auch eine Zuleitung an den Nationalrat zur Einholung der Genehmigung gemäß Artikel 50 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz nicht erforderlich ist." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, daß die Teilnahme an der Partnerschaft für den Frieden weder kostenlos noch mit keinen Ausgaben für den Staat verbunden ist, aber sie findet statt, und zwar ohne daß die gesetzgebenden Körperschaften damit befaßt worden sind. Das erstaunt mich. Man bezeichnet das locker als "Gentlemen’s Agreement" – so ähnlich wie man auch sagt: Der Gentleman zahlt, aber schweigt. Über die Kosten der Teilnahme an der Partnerschaft für den Frieden schweigen die österreichischen gesetzgebenden Körperschaften.

Wenn es aber um Einnahmen geht, die den österreichischen Staatsbürger selbst gar nicht treffen – es sind nämlich Ausländer, die die Sichtvermerksgebühr zahlen –, dann wird der Gesetzgeber bemüht! Ich bitte Sie, sich diese Ungleichgewichtigkeit in der Behandlung ein bißchen vorzustellen: Einnahmen, die uns Ausländer bescheren, werden durch den Gesetzgeber behandelt. Ausgaben, die die Österreicher betreffen, werden hingegen nicht behandelt. Ich meine, wir sollten diesen Punkten ein bißchen mehr Beachtung schenken.

Es fällt mir dazu – um im Rahmen der Außenpolitik zu bleiben – auch die GASP, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, ein. Zusätzlich zu unseren Zahlungen an die EU sind dafür 20 Millionen Schilling im Budget für Außenpolitik budgetiert. Aber auf die Verwendung dieses Geldes im Rahmen der GASP – über die EU – hat der österreichische Gesetzgeber keinen Einfluß mehr. Auch der Rechnungshof kann nicht prüfen, was mit dem Geld geschehen ist.

Dies gilt übrigens auch für die Wirtschaftssanktionen, denen wir uns in diesem Zusammenhang anschließen müssen. Sie treffen einerseits den Staat, denn ihm entgehen Steuern durch nicht verkaufte Produkte, und es sind andererseits österreichische Staatsbürger, die im Falle von Wirtschaftssanktionen wirtschaftliche Nachteile zu gewärtigen haben, ohne daß der Gesetzgeber ihnen dafür Ersatz leisten kann. Es ist nicht nur der Unternehmer, sondern es sind auch die Arbeitnehmer in solchen Firmen davon betroffen.

Weiters sind manche Verordnungen oder, besser gesagt, alle Verordnungen der EU, die wir ungesehen zu übernehmen haben, in diesem Parlament nicht mehr behandlungsfähig, trotzdem wirken sie sich aber auf den österreichischen Staat und auf die österreichischen Steuerzahler ganz wesentlich aus.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 39

Ich will durch diese wenigen Beispiele – vermutlich gibt es noch viel mehr – nur darauf hinweisen, daß wir hier zwar ein Gesetz beschließen, welches dem Staat 5 Millionen Schilling bringt, daß aber viele andere Vorkommnisse und Tätigkeiten, zu denen der Staat sich freiweg verpflichtet hat, oder meint, sich im Rahmen eines Gentlemen’s Agreements dazu verpflichten zu müssen, hier keinen Ort der Behandlung finden, aber trotzdem zahlt der österreichische Steuerzahler dafür.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, meine Worte nicht als Einschränkung gegen diese Einnahmen in Höhe von 5 Millionen Schilling zu werten. Ich bin sehr froh, daß 5 Millionen Schilling in die Staatskasse kommen, aber ich bitte Sie, auch Ausgaben, die im Rahmen der Republik getätigt werden, die gleiche Beachtung zu schenken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.06

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Unterrichtsordnung für Schulen für Berufstätige erlassen wird (Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige – SchUG-B) (383 und 599/NR sowie 5391/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (384 und 600/NR sowie 5392/BR der Beilagen)

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird (385 und 601/NR sowie 5393/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 bis 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem die Unterrichtsordnung für Schulen für Berufstätige erlassen wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird, und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 40

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 3 bis 5 hat Herr Bundesrat Pischl übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.

Berichterstatter Karl Pischl: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 27. Februar 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Unterrichtsordnung für Schulen für Berufstätige erlassen wird, Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige.

Meine Damen und Herren! Der Bericht liegt allen vor, deshalb brauche ich ihn nicht zu verlesen.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 11. März 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Ich erstatte ferner den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 27. Februar 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird. Dieser Bericht liegt ebenfalls allen vor und braucht deshalb nicht verlesen zu werden.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 11. März 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 27. Februar 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird. Dieser Bericht liegt ebenfalls allen vor und braucht daher nicht verlesen zu werden.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 11. März 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Frau Präsidentin! Für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, bitte ich, die Debatte fortzusetzen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erste Rednerin darf ich Frau Bundesrätin Mühlwerth um ihren Debattenbeitrag bitten.

11.10

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich ist es zu begrüßen, daß aus Erlässen endlich Gesetzesmaterie wird. Es ist das Gesetz an sich auch nicht so schlecht, aber es sind zwei Punkte darin enthalten, die wirklich problematisch erscheinen.

Der erste dieser Punkte ist die Leistungsbeurteilung beziehungsweise das Ablegen von Kolloquien bei drei Nicht genügend. Die Tagesschule hat es da ein bißchen einfacher: Da können die Schüler am Ende des Schuljahres beziehungsweise im Herbst zu einer Wiederholungsprüfung antreten. In der Schule für Berufstätige hingegen ist dann, wenn der Wechsel vom Winter- zum Sommersemester stattfindet, nur genau eine freie Woche lang Zeit, um sich den Stoff eines ganzen Semesters anzueignen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 41

Wir müssen uns vor Augen halten, daß Berufstätige eben ihren Beruf haben, meistens außerdem Familie haben und eine zusätzliche Qualifikation, wie zum Beispiel die Matura, erreichen wollen. Das heißt, der Studierende ist einer Dreifachbelastung ausgesetzt und muß alles unter einen Hut bringen. Da kann es natürlich passieren, daß es – aufgrund von beruflichen Anforderungen oder auch Erschwernissen in der Familie – dem einzelnen Studierenden nicht gelingt, innerhalb eines Semesters wirklich alles zu lernen und sich den gesamten Stoff zu verinnerlichen.

Wenn der Studierende aufgrund dieser Umstände mit drei Nicht genügend abschneidet, dann erhält er nun die Möglichkeit, in jenen Unterrichtsgegenständen, in denen er auf Nicht genügend steht, Kolloquien abzulegen. Diese Belastung, nämlich während man schon den laufenden Stoff des aktuellen Semesters zu bewältigen hat, noch zusätzlich für das vorangegangene Semester lernen zu müssen, damit man seine Kolloquien ablegen kann, ist natürlich eine ungeheure.

Besonders schwierig scheint das vor allem bei Schulen für Kindergartenpädagogik oder auch Sozialpädagogik zu sein, bei denen auch Praktika abgehalten werden müssen. Da sieht es so aus, als ob es für einen berufstätigen Studierenden fast unmöglich wäre, diese Praxis dann auch noch nachzuholen.

Der nächste Punkt ist die Höchstdauer eines Studiums. Im ersten Entwurf der Regierungsvorlage hat es geheißen: Wenn das Studium oder die Schule länger als fünf Semester dauert, dann darf die Überziehung beziehungsweise die längere Studiendauer nicht mehr als fünf Semester betragen, das heißt, sie darf fünf Semester nicht überschreiten.

Die nunmehrige Regierungsvorlage sieht vor, daß die Höchstdauer das Zweifache der normalen Dauer betragen kann. Das heißt, wenn zum Beispiel eine AHS für Berufstätige neun Semester dauert, dann kann der Studierende diese Ausbildung, diese AHS, 18 Semester lang besuchen, also neun Jahre. Wenn man nun bedenkt, daß auch viele Schulabbrecher diese Schule für Berufstätige in Anspruch nehmen, weil sie oft keinen Ausbildungsplatz bekommen oder vielleicht auch keinen bekommen wollen, dann heißt das, daß sie neun Jahre lang in einer Schule versorgt sind und sich dort so quasi hineinkuscheln – und neun Jahre gehen einfach vorbei.

Das erscheint uns Freiheitlichen nicht sehr sinnvoll, besonders angesichts der zahlreichen Einsparungen, die im schulischen Bereich im Zuge des Belastungspakets getroffen worden sind. Da kann es wohl nicht Sinn und Zweck eines Gesetzes oder einer Regierungsvorlage sein, jedem die Möglichkeit zu geben, sich neun Jahre lang in einer Schule gewissermaßen auszuruhen. Das ist eigentlich der Hauptgrund, der gegen dieses Gesetz spricht, und ich für meinen Teil werde dagegen stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Meier. – Bitte.

11.14

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Die drei Gesetze regeln den Schulbesuch von Berufstätigen und die damit zusammenhängenden Fragen.

Neu ist das bisher nicht bestehende Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, mit dem die Unterrichtsordnung für Schulen für Berufstätige erlassen wird. Es handelt sich dabei zum Beispiel um Schulen, in denen Berufstätige in den im Gesetz bezeichneten Fachrichtungen etwa eine Reifeprüfung ablegen können. Diese öffentlichen und mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen sind im Schulorganisationsgesetz 1962 angeführt.

In der Regel sind die Besucher älter als Maturanten. Sie haben bisher nur eine Pflichtschule oder eine Berufsschule besucht – also etwa auch ein Handwerk erlernt –, sie haben Fachschulen besucht oder sind vorzeitig aus AHS oder BHS ausgetreten, haben dann aber erkannt, wie notwendig und wie wichtig eine weitere Ausbildung – also etwa eine Matura – ist, um sich beruflich zu verbessern oder die Voraussetzung für ein Universitätsstudium zu erfüllen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 42

Neben dem Beruf, unter Umständen schon nach Gründung einer Familie, zu lernen, zu studieren, bedarf großen Fleißes, eines starken Willens und des Verzichts auf Freizeit. Viele stehen diese Belastungen ja auch nicht durch und hören wieder auf. Ich habe daher großen Respekt vor jenen, die diese Schulen – vielleicht im Anschluß daran sogar noch ein Hochschulstudium – neben ihrer Berufstätigkeit absolvieren und schaffen.

Bisher waren Schulen für Berufstätige meist nur Abendgymnasien mit einer Ordnung, die von den entsprechenden Formen der AHS, BHS – oder welcher Schultyp oder welche Fachrichtung es immer war – abgeleitet und den Notwendigkeiten für Berufstätige hinsichtlich Schulzeit, Stundenplan, Gegenständen und so weiter angepaßt wurde. Diese Anpassung wurde mit Verordnungen, also eher verwaltungstechnisch, geregelt.

Nunmehr gibt es dafür ein eigenes Gesetz, das sich als SchUG-B an das SchUG anpaßt, also kein wesentlich neues oder anderes Schulunterrichtsgesetz ist. Sehr wichtig erscheint mir aber der dezidierte Hinweis im § 18, daß es sich überwiegend um Erwachsene handelt, die diese Schulen besuchen, also daß – ich zitiere – "a) der Unterricht erwachsenengerecht und b) der Berufstätigkeit der Studierenden entsprechend zu gestalten ist". – Das heißt, der Unterricht muß anders gestaltet sein. Für diese Studierenden ist der Lehrstoff anders aufzubereiten als dies zum gleichen Thema etwa in der 6. Klasse, also für einen etwa 16jährigen, erforderlich ist.

Neben den Sprachen, neben Mathematik und so weiter wird ein berufstätiger Studierender auf die Berufspraxis bezogene technische Fächer ganz anders aufnehmen und hiezu eingestellt sein. Er geht ja freiwillig in diese Schule und will etwas Bestimmtes erreichen!

Nehmen wir etwa Wirtschaftsgeographie oder Geschichte als Beispiele eines völlig anderen approaches durch Erwachsene: Der Lehrer oder die Lehrerin wird bei erwachsenen Schülern ganz andere didaktische, methodische und pädagogische Mittel einzusetzen haben als etwa in der AHS oder BHS. Er oder sie – der Lehrer, die Lehrerin – muß dies wissen, muß das können, also darauf vorbereitet und dafür ausgebildet sein.

Hierauf zu achten ist Sache der Schul- und Schulaufsichtsbehörden – wie es überhaupt auch Aufgabe der Schulaufsicht ist, in allen Schultypen die Lehrer und Lehrerinnen dahin gehend zu überprüfen, ob sie vielleicht durch Mobbing oder sadistische Verhaltensweisen Menschen – Schüler, Studierende – verletzen und diesen Schaden zufügen, nur weil die Schüler ihnen ausgeliefert sind. Meine Damen und Herren! Wenn bisher mehr zur Verhinderung jener Fälle von Lehrerfehlverhalten, die bisher bekannt geworden sind, getan worden wäre, würde heute die überwiegende Zahl der überaus korrekten Lehrer und Lehrerinnen aller Schulformen nicht wegen einer geringen Zahl von schwarzen Schafen in den Verdacht des Mißbrauchs ihrer Stellung hineingezogen werden! Die Benotung von Lehrern und Lehrerinnen durch Schüler und Eltern ist jedenfalls sicher keine Lösung des Problems.

Zurück zum Thema – ohne auf die Einzelheiten des Gesetzes einzugehen –: Was ist dieses Gesetz nicht ? – Es ist kein Gesetz für die gesamte Erwachsenenbildung. Eine Diskussion über dieses Thema müßten wir gesondert führen, und sie sollte meiner Ansicht nach auch geführt werden. Verwechseln wir dieses Gesetz aber nicht mit einer Verstärkung der Möglichkeiten der Erwachsenenbildung insgesamt.

Was kann dieses Gesetz nicht ? – Es kann die unterschiedliche Zugänglichkeit für Berufstätige in Ballungszentren – also etwa in Wien oder in anderen größeren Städten, wo dieses Angebot besteht – einerseits und in dünner besiedelten Gebieten – also etwa auf dem Land – andererseits nicht verbessern.

In Wien, Graz und Linz gibt es entsprechende Möglichkeiten für Berufstätige, aber wer etwas weiter von diesen Zentren entfernt wohnt, schafft es nicht, neben seiner Arbeitszeit, neben der Zeit der Ausbildung, also der Schule als solche, auch noch längere An- und Rückreisezeiten – und das jeden Tag – in Kauf zu nehmen.

Ich weiß dafür auch keine Lösung, die nicht auch Geld kostet. Das ist eine Frage der Finanzierung. Man sollte aber, wenn man der Ausbildung für Berufstätige das Wort redet – und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 43

das scheint mir doch ein sehr wichtiges Anliegen zu sein –, doch auch die Chancengleichheit berücksichtigen.

Früher hieß es einmal: Jeder Bezirk braucht seine Mittelschule!, also AHS und BHS. Ich glaube, das haben wir in Österreich erreicht. Es gibt sogar in vielen Bezirken mehrere Schulen dieses Typs. Schließen wir heute daran vielleicht die Forderung: Jedem Bezirk seine Schule für Berufstätige!, wobei ich natürlich weiß, daß es sehr viele Sparten dieser Schulen gibt und daß auch nicht in jedem Bezirk die Nachfrage so groß ist, daß man dem – abgesehen von den Finanzen – nachkommen muß. Aber man sollte sich im Zusammenhang mit der Erwachsenenbildung doch überlegen, wie man die Chancengleichheit hinsichtlich der Möglichkeit, eine Schule für Berufstätige zu besuchen, noch verbessern kann.

Je eine kurze Anmerkung zu den beiden anderen Novellen: Das Schülerbeihilfengesetz 1983 wird an die in Semester eingeteilten Schulen für Berufstätige angeglichen. – Ich glaube, mehr ist dazu nicht zu sagen.

Die Novelle über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten trägt ebenfalls den gegebenen Änderungen Rechnung. Diese Abgeltungen sind relativ geringfügig und bedeuten gegenüber den bisherigen Vergütungen insgesamt keine Mehrausgaben.

Zur Frage, ob es überhaupt Prüfungsabgeltungen geben soll, weil man zum Beispiel der Ansicht sein könnte, daß die Prüfungstätigkeit in der normalen Dienstleistung enthalten wäre, ist zu sagen, daß Prüfungen bei genauer Handhabung viel Zeit in Anspruch nehmen und daß nicht alle Lehrer einer Schule in gleicher Intensität in Prüfungen involviert sind. Das hängt auch von den Fächern ab, die ein Lehrer, ein Professor unterrichtet. Eigentlich kommt in jenen Fällen, in denen eine Prüfungstaxe für den Lehrer vorgesehen ist, eine leistungsbezogene Komponente, die ja immer wieder gefordert wird, zum Tragen.

Zusammenfassend: Die SPÖ-Fraktion des Bundesrates wird gegen alle drei vorliegenden Gesetze keinen Einspruch erheben. – Ich danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.23

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

11.23

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Bundesregierung ist insbesondere in der gegenwärtigen arbeitsmarktpolitischen Situation gut beraten gewesen, die Motivation zum lebenslangen Lernen im Koalitionsübereinkommen festzuschreiben. Diesem Prinzip kommt nicht zuletzt deshalb eine so große Bedeutung zu, weil Fragen des Wirtschaftsstandortes und des Arbeitsplatzes sowie die soziale Absicherung nicht getrennt vom Ausbildungssystem gesehen werden können. Dabei scheint es mir wichtig zu sein, einerseits zu betonen, daß die Politik sicherzustellen hat, daß die Menschen eine Chance bekommen, ihre Qualifikation an neue Herausforderungen anzupassen, beziehungsweise andererseits entsprechende Möglichkeiten zu bieten, verpaßte Chancen nachzuholen.

Gerade im Bereich der verpaßten Chancen – etwa bei pubertierenden Jugendlichen beziehungsweise auch aufgrund von schwierigen persönlichen und sozialen Situationen, die entstehen können – haben die Probleme und Arbeitsplatzverluste vieler Menschen ihre Ursachen. In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, daß mit diesem Gesetz eine Initiative in Richtung Erwachsenenbildung gesetzt wird, und zwar nach den Grundsätzen der Deregulierung, der Dezentralisierung und auch der Autonomisierung.

Ohne wie auch mein Vorredner zu meinen, daß weitere Anstrengungen im Bereich der Erwachsenenbildung mit der Verabschiedung dieses Gesetzes nicht mehr notwendig wären, möchte ich herausstreichen, daß einige Punkte dieses Gesetzes als besonders erwachsenengerecht zu erkennen sind, so zum Beispiel die eigenständige, selbstverantwortliche Gestaltung des


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 44

Unterrichts, die sich dem höheren Lebensalter und der Berufstätigkeit der Studierenden anpassen kann.

Die eigenverantwortliche Entscheidungsmöglichkeit, die grundsätzliche Möglichkeit für Erwachsene, auch mit Nicht genügend aufzusteigen, scheint mir sehr wichtig zu sein, weil man doch davon ausgehen kann, daß man als Erwachsener selbst in der Lage ist, zu beurteilen, was man im Laufe des Semesters nachholen kann.

Auch die Einbeziehung des Fernunterrichts beziehungsweise diesen auch schulunterrichtsgesetzlich zu verankern, scheint mir eine wichtige Maßnahme zu sein. Dabei ist klar, daß die berufliche Erfahrung – und einschlägige Erfahrung in sonstigen Bereichen – gerade von Studierenden, die nicht im Grundschulsystem beginnen, letztendlich natürlich auch Bedeutung hat. Die Möglichkeit, direkt in höhere Semester einsteigen können, scheint mir in diesem Zusammenhang ebenfalls eine wichtige Maßnahme zu sein.

Als positiv erachte ich auch die Möglichkeit, daß punktuelle Prüfungen gegenüber der Feststellung der Mitarbeit im Vordergrund stehen, wonach zwar die Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht grundsätzlich aufrecht bleibt, es aber gleichzeitig eine weitgehende Sanktionslosigkeit gibt, die Rücksicht auf Beruf, auf Familie et cetera nimmt.

Gerade im Hinblick darauf, daß die Politik – in einer Zeit, in der die Arbeitsmarktsituation so angespannt ist wie in der heutigen – herausgefordert ist, alle Maßnahmen zu setzen, die uns die Chance geben, die Situation besser bewältigen zu können, wird meine Fraktion diesen Gesetzentwürfen die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Ludwig. – Bitte.

11.28

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! 1996 war das "Europäische Jahr für das lebensbegleitende Lernen". Ziel dieses Aktionsjahres war es, den Themenschwerpunkt "Erwachsenenbildung" in allen Staaten der Europäischen Union, so auch in Österreich, hervorzuheben und zu verankern. Ich sehe das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige unter diesem Gesichtspunkt – nämlich als Maßnahme, jungen Erwachsenen den Zugang zu Bildungseinrichtungen zu ermöglichen beziehungsweise zu erleichtern.

Ich habe großen Respekt vor all jenen Berufstätigen, die sich trotz Mehrfachbelastung durch familiäre, aber auch berufliche Bedingungen dazu entschließen, einen weiteren Schulgang zu durchlaufen, sich in einer Schule für Berufstätige einzuschreiben und damit auch eine sehr große Belastung ihres Privatlebens auf sich zu nehmen. Trotz aller Belastung ist dies ein richtiger Weg, weil wir wissen, daß zusätzliche Ausbildung und zusätzliche Abschlüsse bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt garantieren. Besonders im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit junger Erwachsener sind zusätzliche Qualifikationen von großer Bedeutung, wenngleich wir heute auch wissen, daß es die Automatik: "Bessere Ausbildung ist automatisch ein sicherer Arbeitsplatz" nicht mehr gibt.

Ich möchte an dieser Stelle den Soziologen Ulrich Beck zitieren, der zu dieser Situation gemeint hat: Die Zertifikate, die im Bildungssystem vergeben werden, sind keine Schlüssel mehr zum Beschäftigungssystem, sondern nur noch Schlüssel zu den Vorzimmern, in denen die Schlüssel zu den Türen des Beschäftigungssystems verteilt werden. – Ich meine, dieses Zitat zeigt sehr deutlich, daß es zwar schwieriger geworden ist, selbst mit guten Ausbildungen, mit guten Qualifikationen einen Arbeitsplatz zu bekommen, daß aber dennoch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für besser Ausgebildete weitaus günstiger sind.

In diesem Gesetz werden alle Formen von Schulen für Berufstätige – allgemeinbildende höhere, berufsbildende mittlere und berufsbildende höhere Schulen und Lehranstalten – erfaßt und bekommen durch dieses Gesetz auch die notwendige Rechtssicherheit. Da es bei den Schulen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 45

für Berufstätige um Ausbildungsstätten für Erwachsene geht, war es zweckmäßig, Methoden der Erwachsenenbildung, wie zum Beispiel Fernunterricht, in das Konzept miteinzubeziehen. Mein Vorredner hat bereits darauf hingewiesen.

Erwachsene sind hinsichtlich der Lehr- und Lernformen, aber auch der Prüfungssituationen und der Prüfungsmethoden anders zu behandeln, als dies der Schulunterricht vorsieht, und zwar nicht nur aufgrund ihres höheren Lebensalters, sondern weil auch der Zugang zur Bildung ein ganz anderer ist. Aus diesem Grund ist die Übernahme von in der Erwachsenenbildung erprobten Methoden des Lernens zweifellos ein Fortschritt für das gesamte Schul- und Bildungssystem.

Das Weißbuch der Europäischen Kommission mit dem Titel "Lehren und Lernen – auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft" weist unter den zahlreichen und komplexen Veränderungen unserer Gesellschaft auf drei große Umwälzungen hin: auf die Globalisierung des Wirtschaftsaustausches, die Herausbildung der Informationsgesellschaft und die Beschleunigung der wissenschaftlich-technischen Revolution.

Die Antwort, die wir auf diese großen Herausforderungen finden können, ist meines Erachtens die Aufwertung der Allgemeinbildung und die Entwicklung der Eignung zur Beschäftigung. In beiden großen Bereichen leistet das neue Gesetz Wesentliches, damit sich Betriebe auch weiterhin in Österreich niederlassen.

Schule und Unternehmen sollen einander angenähert werden. Es kann für beide Seiten von Nutzen sein, die Übergänge zwischen Schule und Unternehmen zu erweitern, und es kann auch die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt sowie die Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz verbessern.

Für die Schule geht es darum, das vermittelte Wissen an die Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Für die Unternehmen hingegen geht es darum, Arbeitnehmer zu finden, die fachlich qualifiziert sind und gleichzeitig über ein solides Allgemeinwissen sowie über die Fähigkeit zum selbständigen Handeln verfügen.

Deshalb muß sich die Wirtschaft auch ihrer großen Verantwortung im Bereich des dualen Ausbildungssystems bewußt sein. Es muß so wie bisher für junge Menschen, die Lehrberufe anstreben, auch die Möglichkeit bestehen, diese Lehrberufe in der Wirtschaft lernen zu können. Diesbezüglich sehe ich noch großen Handlungsbedarf, denn es gibt auf dem Arbeitsmarkt ein immer geringer werdendes Angebot an offenen Lehrstellen.

Daß bereits im Berufsleben stehende junge Erwachsene sich wieder einer Schulausbildung unterziehen, ist zweifellos eine gute Verbindung von Schule und Arbeitswelt. Ich sehe deshalb im Schulunterrichtsgesetz eine für Berufstätige notwendige Maßnahme, um den Vorgaben, die sich die EU im "Jahr des lebensbegleitenden Lernens" selbst gegeben hat, gerecht zu werden.

Natürlich gibt es nach wie vor viele offene Fragen im Bereich der Erwachsenenbildung; ich möchte hier nur einige ansprechen.

Eine dieser ungeklärten Fragen ist die Schaffung einer Berufsreifeprüfung, die den Zugang zur Universität, zu Fachhochschulen und Akademien öffnen kann und somit die Gefahr von Bildungssackgassen reduziert. Diesbezüglich gibt es bereits Verhandlungen und Gespräche, und ich hoffe, daß diese bald auch in unserem Haus erfolgreich abgeschlossen werden können.

Aber auch die gezielte Finanzierung der bestehenden und auszubauenden Angebote im zweiten Bildungsweg ist ein noch offener Punkt. Ich denke hier an die Lehrgänge für die Studienberechtigungsprüfung, aber auch für Abschlüsse im Bereich der Hauptschule. Ich halte es für einen großen Nachteil des österreichischen Bildungssystems, daß zwar der Zugang zur Universität ein freier ist – das ist gut und richtig so, und wir Sozialdemokraten bekennen uns dazu –, daß aber jene Personen, die einen Hauptschulabschluß nachholen wollen, dies nur gegen privaten Kostenersatz tun können. Das heißt, sie sind genötigt, in Volkshochschulen – dort


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 46

preiswerter – und bei privaten Bildungsanbietern – dort im Regelfall teurer – diese Kurse nachzuholen.

Ich sehe aber auch großen Nachholbedarf bezüglich der Finanzierung pädagogischen Personals im Bereich der Erwachsenenbildung. Frau Bundesministerin, Sie wissen, daß die Autonomie im Schulbereich auch dazu geführt hat, daß Erwachsenenbildungseinrichtungen Schulräume und Turnsäle nur mehr unter Abgeltung der Mehrkosten nutzen können, was natürlich dazu führt, daß sich die Gebühren im Bereich der Erwachsenenbildung auch im zweiten Bildungsweg verteuern.

Ich bin aber auch der Auffassung, daß ein Informationssystem im Bereich der Erwachsenenbildung eine Notwendigkeit ist. Menschen, die sich für Einrichtungen der Erwachsenenbildung interessieren, müssen sich an eine Stelle wenden können, um dort über entsprechende Kurse informiert zu werden. Es gibt eine solche Einrichtung. Sie nennt sich EBIS und ist ein Informationsservice, das Bildungsmaßnahmen von allen Einrichtungen für Erwachsene in einer Datenbank für die Fachbereiche Sprachen, EDV, Allgemeinbildung, zweiter Bildungsweg, Schlüsselqualifikationen, aber auch Technik und Gewerbe erfaßt, laufend aktualisiert wird und diese Informationen auf vielfältige Art und Weise Interessierten zugänglich macht.

Bislang konnte EBIS diese Auskünfte über das Angebot in Wien, Burgenland, Niederösterreich und der Steiermark erteilen, aber ich glaube, es wäre sinnvoll und notwendig, dieses Service auch auf die anderen Bundesländer auszudehnen.

Lebensbegleitendes Lernen ist aufgrund der von mir eingangs erwähnten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen notwendiger denn je. Ich bin auch überzeugt, daß der zukünftige Weg der Erwachsenenbildung, unter Einbeziehung der Einrichtungen der Erwachsenenbildung, insbesondere der KEBÖ, sicherlich ein guter Weg sein wird.

Ich bin überzeugt davon, daß sich die KEBÖ-Vertreter gerne an der Mitgestaltung der Zukunft beteiligen werden, und ich bin auch überzeugt davon, daß die Erwachsenenbildung noch sehr viel dazu beitragen kann, die ArbeitnehmerInnen zu qualifizieren und auf die neuen Herausforderungen des Arbeitsmarktes vorzubereiten. Die Schulen für Berufstätige leisten einen Beitrag dazu, und deshalb werden wir Sozialdemokraten keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ.)

11.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Wilfing. – Bitte.

11.37

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Das vergangene Jahr, 1996, stand für die Europäische Union und damit für Österreich unter dem Leitmotiv des "lebenslangen Lernens". Dabei ging man selbstverständlich davon aus, daß das lebenslange Lernen nicht 1996 beendet werden soll, sondern vielmehr für jeden Menschen zu einer Selbstverständlichkeit werden muß. Keinesfalls darf es nur ein plakatives Motto für ein Feierjahr gewesen sein.

Wir alle wissen, daß heute im Rahmen der Globalisierung unserer Wirtschaft eines der wesentlichsten Wettbewerbsmerkmale und -kriterien Bildung, Ausbildung und damit auch Weiterbildung ist. Und wenn wir heute diese drei Tagesordnungspunkte beraten und beschließen, dann ist das nichts anderes als das Einfügen wichtiger Mosaiksteine in das Gesamtbild der großen Herausforderungen unserer Bildungspolitik.

Die Herausforderungen sind deshalb so groß, weil die Bildungspolitik heute in einem sehr engen Zusammenhang mit der Arbeitsmarktpolitik, mit der Beschäftigungspolitik zu sehen ist. Es reicht heute nicht mehr aus, nur eine gute Erst- und Grundausbildung zu garantieren, denn heute ist


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 47

das lebenslange Lernen entscheidend, und wir haben die Schüler auch darauf vorzubereiten, daß sie Lernen lernen und daß sie das lebensbegleitende Lernen zu einem Grundsatz erheben.

Es ist klar, daß durch diesen enormen Fortschritt, den wir alle erleben, Wissen sehr rasch veraltet und es immer wichtiger wird, sich mit Neuem zu konfrontieren und sich dieses Neue anzueignen. Deshalb ist dieses Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige sehr wichtig. Immerhin nehmen derzeit rund 12 000 Personen das Angebot der verschiedenen Schulen wahr, deren Innenbereich wir heute gesetzlich regeln, weil eben bisher eine solche gesetzliche Regelung nicht existiert hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viele meiner Vorredner haben schon darauf hingewiesen, daß mit diesem Gesetz eine erwachsenengerechte Regelung erfolgt, nicht eine schülergerechte. Das ist eben der wesentliche Unterschied im Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige: Es enthält Regelungen für Menschen, die im Beruf stehen und daher andere Anforderungen, andere Bedingungen vorfinden müssen, um den entsprechenden Notwendigkeiten des Bildungserwerbs gerecht werden zu können.

Diese Regelungen, die wir heute vorschlagen, müssen nicht nur diese Bedarfsgerechtigkeit für Erwachsene erfüllen, sondern sie bilden auch einen Schwerpunkt im Bereich der Dezentralisierung und Entbürokratisierung, weil eben – das ist das Ziel der ÖVP-Politik – die Schule soviel wie möglich selbst beschließen können muß.

Zum Bereich der Erwachsenenbildung muß man ganz klar feststellen: Es darf dort keine neue Zentralbürokratie entstehen, die unseren Erwachsenenbildungsorganisationen Vorschriften macht, sondern es muß die Vielfalt gewährleistet bleiben.

Wir streben Teilrechtsfähigkeit für die Schulen an, damit dort eigene Angebote gemacht werden können. Natürlich muß diesbezüglich im Zusammenhang mit der Arbeitsmarktpolitik, im Zusammenhang mit der Bildungspolitik sehr viel koordiniert werden. Frau Bundesministerin Gehrer hat auch bei der Nationalratssitzung schon angekündigt, daß es ein interministerielles Gremium geben wird, welches die Erwachsenenbildung zwischen den fünf beteiligten Ministerien zu koordinieren hat.

Wir glauben, daß mit diesen drei Gesetzen Bildung den Bedürfnissen der Menschen wieder gerechter wird, ihnen näher kommt, und wir werden daher diesen drei Gesetzen unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

11.41

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Zuge dieser Debatte möchte ich namens der freiheitlichen Fraktion zwei Entschließungsanträge einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mühlwerth und Kollegen betreffend die gesetzliche Verankerung der Förderung hochbegabter Schülerinnen und Schüler

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Frau Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wird ersucht, entsprechende Maßnahmen zu setzen, die zur optimalen Förderung im Rahmen der schulischen Ausbildung überdurchschnittlich begabter Schüler und Schülerinnen,

eine gesetzliche Verankerung der Förderung überdurchschnittlich begabter Schüler und Schülerinnen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 48

eine Anpassung des Lehrplanes an die Hochbegabung,

die den Anfordernissen im Unterricht mit hochbegabten Schülern notwendige Lehreraus- und Lehrerfortbildung,

die Möglichkeit eines Schulfrüheinstiegs beziehungsweise Einstiegs in eine höhere als die erste Schulstufe sowie

die Einführung des Team-teaching-Modells

vorsieht.

*****

Der zweite Antrag betrifft das Aussetzen der Rechtschreibreform. Ich darf auch ihn verlesen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mühlwerth und Kollegen betreffend Aussetzen der Rechtschreibreform

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wird ersucht, die Vertragspartner der ,Wiener Absichtserklärung‘ unverzüglich zu einer Besprechung der Kritiken an der Rechtschreibreform zu laden; in Österreich für das Aussetzen der neuen Rechtschreibung umgehend Sorge zu tragen und" – und da bitte ich jetzt um eine Korrektur; da steht nämlich irrtümlich "Nationalrat", ich bitte, das auf "Bundesrat" auszubessern – "dem Bundesrat ehebaldigst einen umfassenden Bericht über die Art und die Kosten der Umsetzung der Rechtschreibreform vorzulegen."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die beiden Entschließunganträge von Frau Bundesrätin Mühlwerth und Kollegen sind ordnungsgemäß eingebracht.

Weiters zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. Ich darf sie bitten, das Wort zu ergreifen.

11.43

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird also heute von Ihnen das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige diskutiert, und ich danke allen, die erwähnt haben, wie wichtig gerade für Berufstätige die Angebote des lebensbegleitenden Lernens sind. Das "Jahr des lebensbegleitenden Lernens" muß natürlich für alle Politiker und Politikerinnen Auftrag sein, gerade den Angeboten für Berufstätige ein besonderes Augenmerk in unserem Bildungsangebot zu schenken.

Wir müssen uns auch immer wieder die Frage stellen, was der junge Mensch in der Erstausbildung lernen muß und was ins lebensbegleitende Lernen verlagert werden kann. Mir ist es ganz besonders wichtig, daß der junge Mensch aus der Schule kommt und weiß, daß er nicht fertig ist, daß er sich lebensbegleitend weiterbilden muß. Ich danke daher auch dafür, daß gegen dieses Gesetzeswerk kein Einspruch erhoben wird.

Nun zu den beiden Entschließungsanträgen, die soeben eingebracht wurden.

Meine Damen und Herren! Das Unterrichtsministerium setzt sich selbst immer interne Schwerpunkte für die Arbeit. Die Schwerpunkte, die wir seit dem vergangenen Jahr verfolgen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 49

sind: die Autonomie an den Schulen, die Förderungen der Angebote für lebensbegleitendes Lernen, die Integration, die wir bereits auch gesetzlich umgesetzt haben, die Verdichtung der Lehrpläne in Kernbereiche und Erweiterungsbereiche, neue Möglichkeiten der Qualitätskontrolle an den Schulen und – ein ganz besonderer Schwerpunkt, der bereits ganz intensiv verfolgt wird – die Begabtenförderung.

Ich habe bereits im vergangenen Juni, also im Juni 1996, ein Referat für Begabtenförderung eingerichtet. Es wurde von uns die Broschüre "Begabungen unserer Kinder erkennen, wecken, fördern" erarbeitet, und diese Broschüre wurde an alle Schulen, an alle Landesschulräte und Elternvereinigungen verteilt.

Es gab im Oktober 1996 einen großen Begabtenförderungskongreß. Wir haben bereits in den Lehrplänen, die jetzt erarbeitet werden, festgelegt, daß in den Erweiterungsbereichen die Förderung der besonders Begabten sowie die Unterstützung derer, die noch Defizite haben, im Lehrplan verankert werden.

Es gibt seit Jahren bundesweite Wettbewerbe, "Jugend innovativ", es gibt Olympiaden, und es gibt in den einzelnen Bundesländern bereits seit Jahren Begabtenförderungen. Es gibt Begabtenförderungsvereine, es gibt ein Beratungsservice für Eltern und Lehrer, Fremdsprachenwettbewerbe. In Salzburg werden zum Beispiel die Begabtenförderungskurse "Plus" angeboten.

Wir haben den bilingualen Unterricht an Hauptschulen in manchen Schulversuchen bereits umgesetzt. Wir haben den Verein zur Förderung Hochbegabter in Oberösterreich.

Es gibt also bereits ein großes Angebot. Was noch not tut, ist, verstärkt die Lehrer zu schulen, Begabungen zu erkennen, zu wecken und zu fördern. Diese Schwerpunkte wurden bereits in die Arbeit der pädagogischen Institute aufgenommen.

Zu den einzelnen Punkten des Entschließungsantrages. – Die gesetzliche Verankerung der Förderung überdurchschnittlich begabter Schüler und Schülerinnen ist bereits auch durch die Möglichkeit, Freigegenstände für besonders Hochbegabte anzubieten, im Gesetz verankert.

Zur "Anpassung des Lehrplanes an die Hochbegabung": In den Lehrplänen, an denen wir schon zwei Jahre arbeiten, wird bereits in den Erweiterungsbereichen die Notwendigkeit der Förderung Hochbegabter vorgesehen.

Bezüglich der für den Unterricht mit hochbegabten Schülern notwendigen Lehreraus- und Lehrerfortbildung ist bereits ein Erlaß in Ausarbeitung, bei dem in die Grundausbildung an den Pädagogischen Akademien die Förderung Hochbegabter aufgenommen wird, in den PIs werden die entsprechenden Angebote bereits gemacht.

Zur Möglichkeit eines Schulfrüheinstieges in eine höhere als die erste Schulstufe: Diesbezüglich wird bereits an einer gesetzlichen Vorlage gearbeitet, aber ich muß ganz klar dazusagen, daß wir gerade im Volksschulbereich mit aller Vorsicht an so etwas herangehen müssen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir dürfen die Kinder nicht überfordern. Auch wenn sie besser schreiben und lesen können, bleibt immer noch die Frage, ob ihre soziale Fähigkeit auch dergestalt ist, daß sie in einer höheren Klasse mitkommen.

Das heißt, wir müssen also sehr verantwortlich und sehr sorgsam mit den Eltern die jeweiligen Wünsche nach dem Überspringen einer Klasse prüfen, denn es ist durchaus möglich, daß die betreffenden Kinder in ihren sozialen Fähigkeiten noch nicht so weit sind, daß sie in einer höheren Schulstufe mithalten können. Wir werden jedoch die rechtliche Möglichkeit auch im Schuleingangsbereich schaffen.

Die im Entschließungsantrag geforderte Einführung des Team-teaching-Modells lehne ich ab, das muß ich Ihnen ganz klar sagen. Ich meine, Begabtenförderung geschieht nicht dadurch, daß man einen noch gescheiteren Lehrer beizieht, sondern Begabtenförderung geschieht dadurch, daß im Erweiterungsbereich spezielle Angebote geschaffen werden, daß mit der Wirtschaft


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 50

zusammengearbeitet wird, daß die besonders begabten Jugendlichen im Wirtschaftsbereich Projekte durchführen können.

Begabtenförderung geschieht zum Beispiel in unseren vielen Schulen mit musikalischem Schwerpunkt, in denen die Schüler ein Instrument lernen, auf Orchesterreisen gehen, die Schule darauf Rücksicht nimmt und dafür der Unterricht geblockt wird. Das alles ist bereits Begabtenförderung.

Für ganz speziell Hochbegabte soll es dann noch die Möglichkeit geben, an der Universität bereits frühzeitig Vorlesungen zu besuchen, eventuell die Matura früher abzulegen. Das ist gesetzlich durchaus möglich.

Ich werde noch versuchen, in Gesprächen mit den Hochschulen zu erreichen, daß die Vorlesungen, die man besucht hat, die Prüfungen, die jemand abgelegt hat, auch auf ein reguläres Studium angerechnet werden, was ja laut Universitäts-Studiengesetz durchaus möglich ist.

Ich muß zu diesem Antrag sagen, er ist entbehrlich, weil zu spät, weil alles bereits geschieht.

Zu dem Entschließungsantrag bezüglich der Rechtschreibreform kann ich genauso wie im Nationalrat, wo ja dieser Antrag auch eingebracht wurde, feststellen, daß die Rechtschreibreform kein Gesetzeswerk ist. Es kann auch niemand angezeigt werden, der nicht richtig schreibt, niemand kann deswegen verurteilt werden. (Heiterkeit.) Es ist also kein Gesetzeswerk, es ist eine Vereinbarung – eine Vereinbarung! – zwischen den deutschsprechenden Staaten. Daß einmal nach hundert Jahren neue Regelungen in der Rechtschreibung kommen, ist ganz natürlich. Die Sprache entwickelt sich, und mit der Sprache entwickelt sich auch die Schreibweise.

Zu meiner Schulzeit wurde "Friseur" noch nach der alten Schreibweise geschrieben. Heute hingegen ist es selbstverständlich, daß man "Friseur" auch mit "ö" schreiben kann. Mir kommt es immer noch komisch vor, wenn ich es sehe, aber das ist eine Alterserscheinung.

Ich meine also, daß diese Rechtschreibreform ein Entwicklungsschritt ist, der eine lange Übergangszeit hat. Ich habe bereits Gespräche mit dem deutschen Kollegen, Herrn Minister Rüttgers, geführt, der der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz ist und der mir gesagt hat, daß in Deutschland an keinerlei Zurückstellung oder Änderung gedacht sei.

Ich muß auch ganz klar feststellen, daß die Kosten immer weit übertrieben werden. Es ist überhaupt nicht notwendig, alle Bücher, in der Belletristik und überall, umzustellen. Es gibt heute auch Bücher vom Anfang unseres Jahrhunderts, in denen anders geschrieben ist, als man jetzt schreibt. Und Künstler und Autoren nehmen sich sowieso die Freiheit heraus, zu schreiben, wie sie wollen – angefangen von dauernder Kleinschreibung bis zu was weiß ich alles. Die nehmen sich das sowieso heraus, und die können deswegen auch nicht angezeigt und gesetzlich verfolgt werden.

Wir haben eine Übergangsfrist bis zum Jahr 2005, und selbstverständlich werden die Behörden umstellen, werden die Schulbücher im Laufe der normalen Erneuerung ebenfalls umgestellt. Wenn die Verlage aber übereifrig sind und alle Bücher früher umstellen, müssen sie das in ihrem eigenen Bereich tun und die Kosten dafür selbst aufbringen.

Ich verstehe also diese ganze Hektik nicht. An den ersten Klassen ist bereits mit einer Umstellung begonnen worden, und die Lehrer wissen sich auch selbst zu helfen. Sie nehmen ein Buch und sagen dem Schüler, was sich geändert hat. Das ist doch der allerbeste Anschauungsunterricht, wenn ich anhand eines bestehenden Buches und eines bestehenden Skriptums zusammen mit den Kindern nachschaue, was sich geändert hat.

Durch die lange Übergangsfrist besteht da kein Druck, ist kein Grund für irgendeine Hast. Ich verstehe daher diese ganze Hektik überhaupt nicht und möchte noch einmal darauf hinweisen, daß die deutschen Kollegen nicht daran denken, jetzt alles wieder zurückzunehmen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 51

Diese Rechtschreibreform ist das Ergebnis einer zwölfjährigen Beratung von Experten, einer zwölfjährigen ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Was kostet sie?) Für mich im Schulbereich kostet diese Rechtschreibreform nichts. Die Lehrer werden geschult, die Rechtschreibfibel wurde erstellt, es werden auch andere Unterrichtsbehelfe erstellt, und die Schulbücher werden im Zuge der laufenden Erneuerung umgestellt. Das ist ein laufender, fließender Prozeß.

Es gibt keine "Deadline", bis zu der alles umgestellt sein muß. Und eines muß ich schon sagen: Bis zum Jahr 2005 werden wir es wohl alle erlernen. Und wahrscheinlich wird es auch für die, die im privaten Bereich noch anders schreiben, keine Katastrophe sein und keine rechtlichen Konsequenzen haben.

Ich meine also, daß wir dieser Rechtschreibreform als einer ganz normalen Entwicklung unserer Sprache und der damit verbundenen Rechtschreibung gelassen gegenübertreten und die Umsetzung auch in aller Ruhe vornehmen sollten. Deshalb glaube ich, daß auch dieser Antrag entbehrlich ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Dr. Rockenschaub.

11.53

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Sie haben gemeint, der Antrag betreffend die Rechtschreibreform sei entbehrlich. Da muß ich Ihnen sagen, daß die Vorgangsweise einiger Ihrer Parteikollegen aber noch viel entbehrlicher ist. Ich persönlich wäre seinerzeit nicht auf die Idee gekommen, mich mit der Rechtschreibreform auseinanderzusetzen, weil das sozusagen ein Streit wie um ein Kunstwerk ist; hier geht es auch um Geschmacksfragen.

Wenn aber diese Rechtschreibreform durchgeführt wird und in einem Verfahren entschieden ist, dann geht der Herr Landesschulratspräsident von Oberösterreich, der Herr Landeshauptmann von Oberösterreich her und gibt in der Öffentlichkeit Statements ab, daß das ein Unsinn, ein aufgelegter Blödsinn sei, daß das die Leute verwirre! Und ich sitze als Vater von schulpflichtigen Kindern in der Elternversammlung und muß dort feststellen, daß die Lehrer wie die begossenen Pudel dort sitzen und sich hinten und vorne nicht auskennen, die Kinder sich nicht auskennen und die Eltern nur mehr verwirrt sind, weil der Herr Präsident ... (Bundesrat Bieringer: 2005! Sie müssen aufpassen, was die Frau Bundesministerin sagt!) Sagen Sie das nicht mir, sagen Sie das Ihren Parteifreunden!

Wenn der Herr Präsident des Landesschulrates derartige Äußerungen von sich gibt, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn wir hier auf den Gedanken kommen, diesen Dingen parlamentarisch nachzugehen, denn in Ihren Vollziehungsbereichen erfolgt schlicht und einfach eine schlechte Umsetzung und herrscht ein Chaos, und das ist der Grund für diese Initiative. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Mag. Gudenus, bitte.

11.55

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Vorsitzende! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die Antwort, die Sie gaben, Frau Bundesministerin, daß die Rechtschreibreform keine Kosten verursache... (Bundesministerin Gehrer: In meinem Bereich!) Gerade in Ihrem Bereich, war zu vernehmen, haben jene Verlage, die Schulbücher herausgeben, sich schon so weit darauf vorbereitet, daß ein Zurückhalten, ein Zurücknehmen der Rechtschreibreform sehr wohl Kosten verursachen würde, weil sie dann die Bücher ja nicht herausgeben könnten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 52

Kosten fallen also auf jeden Fall an. Man kann es nicht so darstellen, als wenn keine Kosten entstünden. Man kann doch in dem Bereich, der maßgebend ist für die Schreibweise in Österreich und im deutschen Raum, und das sind nun einmal die Kultusministerien, nicht behaupten, daß keine Kosten entstehen.

Es gibt ja auch die Anfrage vom Autorinnen- und Autorenverband – und sie dürfte Ihnen nicht unbekannt sein –, was die Rechtschreibreform kostet. Ich gebe schon zu, es ist sicher nicht möglich, das auf den Groschen auszurechnen, aber zweifelsohne entstehen hier Kosten.

Es machen sich auch die verschiedensten durchaus schreib- und wortgewaltigen Persönlichkeiten über die Rechtschreibreform lustig, so beispielsweise in der "Presse" gestern Nenning – der zwar einmal als "Auhirsch" tätig war, aber das war sehr verdienstvoll, so sagt er jetzt –, der meinte – und ich wandle es ein bißchen ab –: Madame, geben Sie Rechtschreibfreiheit!

Das meint er natürlich nicht ernst, das heißt, er schon, aber das ist nicht der Vorschlag.

Sie sagen, wir haben jetzt einen Übergangszeitraum, aber gerade in den Schulen, in denen die Lehrkräfte jetzt eher geprüft werden als die Kinder, wird sich dann herausstellen, daß der eine Lehrer so schreiben läßt und der andere anders. Vielleicht fällt das unter die Gestaltungsfreiheit des Unterrichts in der Schule, daß die eine Schule oder vielleicht sogar die einzelne Lehrkraft die Rechtschreibung beim einen als richtig benotet, während sie beim anderen als falsch gilt.

Das kann es doch wohl nicht sein! Ich glaube auch, wir sind es unseren Kindern schuldig, daß man sagt, die Rechtschreibreform gilt – oder sie gilt nicht, bei aller Nachsicht, die man walten lassen muß. Aber es jetzt nur den einzelnen Schulen und einzelnen Klassen zu überlassen, ja vielleicht sogar den einzelnen Fächern, wie man etwas schreibt, das kann doch nicht die Lösung sein, Frau Bundesministerin! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.58


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Die Frau Bundesministerin ist am Wort.

11.58

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Klarstellung. Erstens: Diese Rechtschreibreform wurde zwölf Jahre lang von Experten beraten, es wurden Autoren miteinbezogen, sie wurde im Kulturausschuß, auch des Nationalrates und so weiter, durchdiskutiert. Es ist wie immer: Zuerst interessiert es niemanden, und hintennach regen sich alle auf. Das ist das typische Modell, nachdem derartige Modelle gestrickt sind.

Zweitens: Es haben bereits alle Schulen ganz klare Anweisungen, daß bis zum Jahr 2005 beide Rechtschreibungen gelten, und der Lehrer nur die neue Form daneben hinschreibt, solange der Schüler noch die alte Form verwendet, es aber nicht als Fehler gilt. Das ist bekannt, das wissen alle.

Wie Sie gerade gesagt haben, Herr Kollege, entstehen Kosten, wenn wir es jetzt wieder zurücknehmen. Ich sage es noch einmal: Die Schulbuchverlage stellen die Bücher immer wieder auf neue Anforderungen hin um. Es gibt eine Lehrstoffteilung in Erweiterungsbereiche und Kernbereiche, sehr wahrscheinlich wird es auch in anderen Bereichen verschiedene Änderungen geben, zusätzliche Dinge, die in die Bücher aufgenommen werden müssen. Es erfolgt eine laufende Erneuerung. Mit den Schulverlagen ist ganz dezidiert abgeklärt, daß sie im Zuge der laufenden Erneuerung auf die neue Rechtschreibung umstellen. Wenn Verlage voreilig und fleißig sind – und letzteres ist sicher sehr lobenswert –, dann müssen sie auch schauen, wie sie die Kosten aufbringen. Es werden von uns keine zusätzlichen Mittel für die Umstellung auf die neue Rechtschreibung geleistet. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung das Wort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung. Die Abstimmung über die Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 27. Februar 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Unterrichtsordnung für Schulen für Berufstätige erlassen wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Es liegen Anträge vor, die ordnungsgemäß eingebracht wurden. Wir stimmen daher darüber ab.

Der erste Antrag, über den wir abstimmen, ist von Frau Bundesrätin Mühlwerth und Kollegen eingebracht worden und betrifft die gesetzliche Verankerung der Förderung hochbegabter Schüler und Schülerinnen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit .

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend die gesetzliche Verankerung der Förderung hochbegabter Schüler und Schülerinnen ist daher abgelehnt .

Es liegt ein weiterer Antrag von Frau Bundesrätin Mühlwerth und Kollegen vor. Es geht darin um die Aussetzung der Rechtschreibreform.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenminderheit .

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Aussetzen der Rechtschreibreform ist daher abgelehnt .

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 54

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist angenommen .

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an unbeweglichen Sachen (Teilzeitnutzungsgesetz – TNG) (574 und 586/NR sowie 5388 und 5394/BR der Beilagen)

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ABGB, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Gerichtskommissärsgesetz und das Vermessungsgesetz geändert werden und das Gesetz vom 24. Februar 1905 RGBl. Nr. 33 aufgehoben wird (Grundbuchsnovelle 1997 – GBNov. 1997) (561 und 587/NR sowie 5395/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an unbeweglichen Sachen,

ein Bundesgesetz, mit dem das ABGB, das Grundbuchsumstellungsgesetz und das Gerichtskommissärsgesetz und das Vermessungsgesetz geändert werden und das Gesetz vom 24. Februar 1905, veröffentlicht im RGBl. Nr. 33, aufgehoben wird.

Ich darf Herrn Bundesrat Platzer um die Berichterstattung der Punkte 6 bis 7 bitten.

Berichterstatter Herbert Platzer: Ich berichte zunächst über den Beschluß des Nationalrates vom 27. Februar betreffend ein Teilzeitnutzungsgesetz. Der Bericht des Rechtsausschusses liegt schriftlich vor. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 11. März 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Rechtsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 27. Februar betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ABGB, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Gerichtskommissärsgesetz und das Vermessungsgesetz geändert werden und das Gesetz vom 24. Februar 1905, Reichsgesetzblatt Nr. 33, aufgehoben wird.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 11. März 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer. Ich erteile es ihm.

12.06

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Die internationale Tourismuswirtschaft bedient sich seit etwa zwei, drei Jahrzehnten des sogenannten Time-sharings. Es geht darum, daß sogenannte Teilnutzungsrechte an Immobilien, an einem Hotelzimmer, an einem Appartement oder an einem Teil eines Hauses begründet werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 55

Diese Finanzierungsmodelle aber, die bei uns in Österreich auf diversen rechtlichen Konstruktionen basieren, sind vielfältig, unübersichtlich und oft nicht nachvollziehbar. Es geht etwa darum, daß Miteigentum begründet wird oder an der betreffenden Liegenschaft ein Fruchtgenußrecht besteht. Es gibt auch Modelle, bei denen Aktien an bestimmte Unternehmungen ausgegeben werden, Anteilsscheine an Vereinssystemen und einiges mehr.

Bei diesen Vermarktungs- und Verwertungsformen ist es bedauerlicherweise zu Mißständen gekommen, teilweise auch durch unseriöse Praktiken. So gab es zum Beispiel zu aggressive Werbeaktivitäten und auch bei der Abwicklung der Verträge manche Unkorrektheiten. Es war daher nicht verwunderlich, daß diese Mißstände bald europaweit den Ruf nach mehr Konsumentenschutz, nach mehr Verbraucherschutz national, aber auch international laut haben werden lassen.

Das Europäische Parlament, das den Verbraucherschutz, Konsumentenschutz sehr ernst nimmt, hat sich daher bereits vor etwa zehn Jahren mit dieser Thematik beschäftigt. Letztlich wurde im Oktober 1994 gemeinsam vom Rat und vom Parlament eine Richtlinie zu diesem Thema, nämlich zum Erwerb von Teilnutzungsrechten an Immobilien, verabschiedet.

Es sollte damit eine minimale Rechtsgrundlage von gemeinsamen Vorschriften auf diesem Gebiet geschaffen werden. Es ging vor allem um zwei Schwerpunkte: um eine Information, und zwar um eine vorvertragliche Information über den Vertragsinhalt, und um die Einführung des Rücktrittsrechtes bei Abschluß eines Vertrages.

Wenn wir nunmehr den Gesetzesbeschluß des Nationalrates, welcher sich mit dieser Materie befaßt hat, diskutieren, so können wir erfreulicherweise feststellen, daß dieser Beschluß weit über die Europäische Richtlinie hinausgeht. Der Beschluß übernimmt selbstverständlich die vorvertragliche Informationspflicht und das Rücktrittsrecht und beinhaltet natürlich zusätzlich wesentliche Formvorschriften, aber auch materiell-rechtliche Bestimmungen.

Was die Informationsschrift betrifft, so haben wir im § 3 dieses Gesetzesbeschlusses eine taxative Aufzählung aller Angaben, die eine solche Informationsschrift zu enthalten hat. Und diese Informationsschrift ist dem präsumtiven Konsumenten, dem Nutzungsnehmer zu übergeben – wie gesagt, vor Vertragsabschluß.

Ferner ist für den Nutzungsvertragsinhalt genau festgehalten beziehungsweise gesetzlich geregelt eine Formvorschrift, nämlich die Schriftform, und – wie schon erwähnt – ein Rücktrittsrecht.

Es kann nach Ausfolgung der Vertragsurkunde binnen 14 Tagen ein Rücktrittsrecht vom Konsumenten ausgeübt werden. Dieses Rücktrittsrecht hat in erster Linie auch die Rechtswirkung, daß Abgaben und Kosten zurückverlangt werden können. Auch im Zusammenhang mit einer Kreditfinanzierung gibt es auf dieser Ebene eine Begünstigung, und zwar daß Zinsen und Kosten ausgeschlossen sind.

Die Regelung des Gesamtpreises, aber auch die Regelung des Verbotes der vorzeitigen Zahlungsannahme möchte ich hier besonders betonen. Nicht zuletzt wurde auch die Regelung einer Treuhandschaft im § 10 vorgenommen, und zwar soll ein Treuhänder in der Person eines Notars oder eines Rechtsanwaltes eine sogenannte Reallast zur Sicherung des Nutzungsnehmers begründen können; eine Reallast auf die Immobilie, die Nutzungsimmobilie und zusätzlich auch eine sogenannte Treuhandhypothek für allfällige Rückforderungsansprüche, die sich ergeben können.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend läßt sich sagen, daß dieser Gesetzesbeschluß zweifellos nicht nur eine gelungene Umsetzung der EU-Richtlinie ist, sondern auch insgesamt alle Tatbestände beinhaltet, die zur Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auf diesem Gebiet notwendig sind. Diese Finanzierungsform, das Time-sharing, bringt der Fremdenverkehrswirtschaft an sich sehr viele Vorteile und hoffentlich auch einen Aufschwung, sodaß wir sagen können, diese gesetzliche Regelung ist nicht nur für unser nationales Recht, für unsere Bevölkerung und für unsere Wirtschaft von großer Bedeutung, sondern hat durchaus auch Vorbildfunktion. Wir


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 56

können stolz darauf sein, daß wir diese Thematik, diese Problematik mit diesem Gesetzesbeschluß in dieser Form geregelt wissen.

Meine Damen und Herren! Den zweiten Gesetzesbeschluß will ich in aller Kürze behandeln, ohne seine Bedeutung abwerten zu wollen. Es geht um die sogenannte Grundstücksdatenbank, die Vermessungsdatenbank, daß wir die Verfahren mittels effizienterer, erfolgreicherer Vorschriften einfacher handhaben können. Hinsichtlich des Grundbuches geht es über eine Änderung der Bestimmungen, um eine sogenannte Löschungsverpflichtung bei Hypotheken.

Die Vermessungsdatenbank ist auch wieder eine Hilfestellung für alle Dienstleistungsunternehmen, die sich damit beschäftigen, vor allem hinsichtlich des Grenz- und Grundsteuerkatasters. Ich darf auch sagen, daß die Bedeutungen des Notars als Urkundenverfasser und als jene Person, die sich vor allem mit Grundstücksdatenbankabfragen oder Grundstücksgeschäften beschäftigt, hier hervorgestrichen wird. Es sind aber nicht nur die Rechte, sondern auch die Pflichten umfassend vorgesehen. Eine entsprechende Abfragestelle ist für den Notar als Urkundenverfasser, aber auch als Gerichtsbeauftragter in Verlassenschaftssachen verpflichtend vorgesehen.

Alles in allem dient dieser Gesetzesbeschluß einer effizienteren Arbeit der behördlichen Institutionen, der Gerichte, aber auch der Dienstleistungsunternehmen, vor allem aller Freiberufler und Notare, Vermesser, Ingenieure, Rechtsanwälte, und er dient damit letztlich auch unserer Wirtschaft. – Meine Fraktion wird beiden Beschlüssen gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.15

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. Ich erteile ihm das Wort.

12.15

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Seitens des Berichterstatters, aber auch des Vorredners wurde bereits darauf verwiesen, daß die zusammengezogenen Berichte unter Punkt 6 ein Bundesgesetz über den Erwerb von Teilnutzungsrechten an unbeweglichen Sachen und unter Punkt 7 die Grundbuchsnovelle 1997 beinhalten.

Ich werde in meinem Beitrag dennoch eine Trennung dieser beiden Materien herbeiführen, obwohl beide von Grund und Boden handeln, in der Sache selbst aber dennoch sehr unterschiedliche Bereiche darstellen.

Zum Bundesgesetz über den Erwerb an Teilnutzungsrechten von unbeweglichen Sachen ist grundsätzlich festzustellen, daß es sich dabei um ein für die österreichische Rechtsordnung neues Gesetz handelt, wenn auch schon bisher bestimmte inländische Vorschriften zu einzelnen Regelungsinhalten bestanden. Als positiv zu betrachten ist es, daß mit dieser Vorlage der gesamte Bereich des Time-sharing als eigenes Bundesgesetz unter Berücksichtigung eines EU-konformen Rechtsbestandes verwirklicht werden soll.

Die wirtschaftliche Bedeutung von Time-sharing in Österreich war noch nie aufregend. Sie liegt mit einer Marktdurchdringung bei bescheidenen 0,4 Prozent und ist damit gegenwärtig sogar geringer als beispielsweise in den späten siebziger Jahren, als ein erster Boom ausländischer Anbieter auch bei uns festzustellen war.

Nach einer von der EU erstellten Statistik aus dem Jahre 1992 gab es weltweit 1 796 340 Eigentümer von Time-sharing-Wohnungen, in Österreich waren es lediglich 5 630. In der internationalen Rangordnung standen wir damit an 28. Stelle mit 1,9 Eigentümern von Time-sharing-Wohnungen pro 10 000 Einwohner.

Nach einer von der ÖUTF, das ist die österreichische Vereinigung für Time-sharing- und Ferienclubsysteme, vorgelegten Statistik des Jahres 1994 bestanden weltweit 4 145 Hotels und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 57

Ferienanlagen, davon in Europa 1 188 und in Österreich immerhin noch 52 derartige Einrichtungen.

Durch besonders aggressive Werbung, unseriöse Geschäftspraktiken, spektakuläre Insolvenzfälle und die damit verbundene öffentliche Diskussion führten Time-sharing-Produkte international zu einem erheblichen Imageverlust und verstärkten auch hierzulande bei potentiellen Kunden eine abwartende Haltung gegenüber diesem Produkt.

Durch diese Praxis hat der Vertrieb von Time-sharing-Verträgen europaweit zu Problemen und Nachteilen der Verbraucher geführt. Verträge wurden regelmäßig nur unter Einsatz aggressivster Werbemethoden an den Verbraucher gebracht, denn eine "Nachfrage" für Time-sharing-Produkte existiert so gut wie nicht.

Time-sharing ist ein Begriff aus der Tourismusbranche, nicht aus einem Gesetzbuch. Dementsprechend werden unter diesem Begriff auch rechtlich ganz verschieden gestaltete Konstruktionen verstanden. Kleinster gemeinsamer Nenner ist ein langfristig – meist ab 30 Jahren bis unbefristet – eingeräumtes Recht, ein bestimmtes Hotel oder Appartement in einer bestimmten Woche jeden Jahres bewohnen zu dürfen, wofür der Kaufpreis im vorhinein bezahlt wird. Das juristische Beziehungsgeflecht schaut typischerweise etwa so aus: Eine Hotelbetriebsgesellschaft erwirbt Eigentum an einem Hotel oder einer Ferienanlage. Dieses Unternehmen räumt nun dem eigentlichen Time-sharing-Unternehmen das Recht ein, die Anlage zu nützen. Dieses Recht wird als sogenannte "Dienstbarkeit des Fruchtgenusses" im Grundbuch eingetragen. Der Time-sharing-Organisator wiederum verkauft dieses Fruchtgenußrecht gewissermaßen anteilig als Time-sharing-Ferienwohnrecht an den Konsumenten weiter.

Manchmal handelt es sich beim eigentlichen Time-sharing-Unternehmen um einen Verein, bei dem man mit der Mitgliedschaft ein Wohnrecht erhält, manchmal wird man Mitglied und muß zusätzlich ein Time-sharing-Wohnrecht erwerben. Manchmal gibt es auch nur einen schlichten Beherbergungsvertrag mit dem Konsumenten, dem eigentlichen Time-sharing-Erwerber, der somit in der gleichen rechtlichen Position wie der Gast eines Hotels ist.

Wir müssen also feststellen, daß sich hinter diesem Begriff "Time-sharing" sehr verschiedene Erscheinungsformen verbergen. Im Kern handelt es sich um spezifische Vermarktungs- und Vertretungsformen für Ferienwohnungen, Ferienanlagen und Hotels. Der damit angesprochene Kunde erwirbt das Recht, etwa eine Ferienwohnung oder auch ein Hotelzimmer periodisch wiederkehrend, jeweils durch einen entweder schon von vornherein nach Tagen oder Wochen oder aber auch nach anderen Kriterien, beispielsweise nach Punkten, bestimmten Zeitraum hindurch ausschließlich zu benützen.

Die rechtlichen Konstruktionen, in denen Time-sharing angeboten wird, sind vielfältig. Die Palette reicht von Miteigentum oder Fruchtgenuß an einer Liegenschaft oder dem Modell der Ausgabe von Aktien an ein Unternehmen, das Eigentümer der Ferienimmobilien ist, über Vereinssysteme und Treuhandmodelle bis hin zu Miet- oder Beherbergungsverträgen.

Der kommerzielle Erfolg des Time-sharings war – ich habe es bereits ausgeführt – insbesondere auf internationaler Ebene zunehmend von Problemen und Fehlentwicklungen begleitet.

Die Anbieter wendeten häufig aggressive, überrumpelnde Werbe- und Akquisitionspraktiken an, durch die die so Umworbenen oft zu übereilten, unüberlegten Vertragsabschlüssen veranlaßt wurden. Die den Interessenten gegebenen Informationen waren vielfach irreführend oder unvollständig, sodaß den Kunden oftmals ein falsches oder verzerrtes Bild über das Ferienobjekt, über die erworbene Nutzungsmöglichkeit oder über die erworbene Rechtsposition vermittelt wurde. In zahlreichen Fällen wurde die Problematik für die betroffenen Konsumenten noch dadurch verschärft, daß entweder schon aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters des abgeschlossenen Vertrages oder aber aufgrund taktischer Rechtswahl in den vom Anbieter vorgegebenen Vertragsbestimmungen eine dem Konsumenten fremde Rechtsordnung für die Beurteilung der Vereinbarung und der daraus sich wechselseitig ergebenden Rechte und Pflichten maßgeblich war.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 58

Faktum ist jedoch, daß sich mittlerweile in den europäischen Ländern, so auch in Österreich, nationale Interessenvertretungen gebildet haben, um die Branche zu regulieren und somit zu einem seriösen Anbieter touristischer Dienstleistungen zu machen. Aufgrund dieser Maßnahmen ist anzunehmen, daß zukünftig eine weitaus höhere Akzeptanz des Produktes zu erwarten ist, und es wird auch zu wesentlich höheren Marktdurchdringungsraten kommen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist zu hoffen, daß es durch die Langfristigkeit des Produktes dazu kommt, daß Kunden immer wieder ins Land kommen, was wiederum zu gesicherten Deviseneinnahmen und Steueraufkommen führen würde.

Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben bereits 1994 mit einer eigenen Richtlinie zum Schutz der Erwerber reagiert. Für EU-Mitgliedsländer besteht demnach die Verpflichtung, diese Richtlinie innerhalb von 30 Monaten, konkret also bis zum 29. April dieses Jahres, zu einem EU-konformen Rechtsbestand zu verwirklichen. Grundsätzlich hätte bei dieser Gelegenheit aber auch die Möglichkeit bestanden, die umzusetzenden Regelungen in das Konsumentenschutzgesetz einzubauen, doch wurde dies im Hinblick auf die spezifische Materie und den beträchtlichen Regelungsumfang nicht realisiert.

Ein besonderer Streitpunkt war die Frist für das Rücktrittsrecht. Die EU-Richtlinie sah eine zehntägige Mindestfrist vor, zum besseren Schutz des Verbrauchers in Österreich konnte diese Frist auf 14 Tage ausgedehnt werden. Der Umstand, daß Verbraucher regelmäßig mit Vertragsabschlüssen bei Time-sharing-Verträgen überfordert sind, da vor allem die Vertragskonstruktionen schwer durchschaubar sind, rechtfertigt die nunmehr geltende 14tägige Frist. Im besonderen werden in diesem Bundesgesetz also Inhalte geregelt, die dem Kunden oder Verbraucher ein verstärktes Informationsrecht einräumen und für diesen Kreis gewisse Schutzbestimmungen beinhalten.

Konkret zu nennen sind dabei Bestimmungen über die vorvertragliche Informationspflicht des Veräußerers in § 3, die Form und die Mindestinhalte von Nutzungsverträgen in § 4, die Sprache, in der die Vertragsurkunde abzufassen ist, in § 5, das Rücktrittsrecht des Erwerbers in § 6, ein Verbot von vorzeitiger Annahme von Zahlungen des Erwerbers vor Ablauf der gesetzlichen Rücktrittsfrist in § 7, kollisionsrechtliche Fragen in § 9 und schließlich die grundbücherlichen Sicherungsmittel in § 10.

Insgesamt betrachtet handelt es sich bei der gegenständlichen Vorlage also um eine sinnvolle und sachlich klar gerechtfertigte Ausweitung des Verbraucherschutzes und damit um ein wichtiges Konsumentenschutzgesetz, wenn auch unter einem anderen Titel.

Aus dieser Sicht heraus sind naturgemäß auch kritische Aspekte zur Vorlage einzubringen. So ist nach Auffassung von Konsumentenschützern, insbesondere seitens der Arbeiterkammer, die vorgesehene grundbücherliche Absicherung unzureichend, weil der Konsument keine Information erhält, wie viele Anteile an einem Objekt bereits veräußert wurden. Auch die Tatsache, daß der Konsument bereits bei Vertragsbeginn die gesamte Zahlung zu leisten hat, als Gegenleistung demgegenüber jedoch nur über Jahre hinweg ein Wohnen auf Zeit möglich wird, ist als unbefriedigend anzusehen.

Zur vorliegenden Grundbuchsnovelle ist schließlich festzustellen, daß es sich dabei um Änderungen handelt, die mit der Führung des Grundbuchs zusammenhängen. Die Änderungen betreffen unter anderem eine Vereinfachung der grundbücherlichen Behandlung der Löschungsverpflichtung, wobei die Erfahrungen des automationsunterstützten Grundbuches berücksichtigt werden sollen. Diese automationsunterstützte Grundbuchsabfrage ist technisch hervorragend gelöst und hat sich seit seiner Einführung bestens bewährt. Bei der bereits im Jahre 1980 erlassenen Regelung über die Zugangsbefugnisse zur automationsunterstützten Grundbuchsabfrage waren die technischen Möglichkeiten noch beschränkt. Sicher unterschätzt wurde damals auch der seither eingetretene Bedarf oder vielmehr das mögliche Interesse, das erfreulicherweise auch durch die vorhandene technisch ausgereifte Lösung eine starke Nachfrage auslöste. Diesem verstärkten Interesse entsprechend soll nunmehr im Sinne des Dienstes an Kunden die Grundbuchsabfrage, ähnlich jener der Firmenbuchabfrage, unter bestimmten Einschränkungen praktisch für jedermann möglich sein.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 59

Somit bleibt abschließend nur mehr festzustellen, daß die beiden vom Bundesminister für Justiz vorgelegten Gesetzentwürfe im Sinne der Bürger einerseits eine Verbesserung ihrer Rechte in Richtung Verbraucherschutz und andererseits neue verbesserte beziehungsweise vereinfachte Zugänge zu wichtigen Rechtsbereichen mit sich bringen werden. Es sind dies insgesamt erfreuliche Tatbestände, um bei einem in diesem Zusammenhang üblichen Begriff zu bleiben, weshalb ich auch feststelle, daß diesen Vorlagen seitens meiner Fraktion gerne die Zustimmung erteilt werden kann. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.26

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke schön.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.

12.27

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte im wesentlichen nur zur Grundbuchsnovelle 1997 kurz Stellung nehmen. Ich kündige zwar auch hier die Zustimmung meiner Fraktion vorweg an; lassen Sie mich aber an einem einzigen Punkt Kritik üben.

Zunächst möchte ich positiv hervorheben: Nichts ist einzuwenden gegen die Anpassung der Befugnis zur automationsunterstützten Grundbuchsanfrage an die Abfrage des Firmenbuchs. Was sollte man auch gegen Änderungen im Grundbuchsumstellungsgesetz betreffend die Wiedergabe von Katastereintragungen im Grundbuch und die rationelle Zusammenfassung von Grundbuchsbeschlüssen haben? Nichts gibt es auch gegen die Aufhebung des Gesetzes aus 1905, das nur partielles Bundesrecht war, das nur im Bundesland Vorarlberg gegolten hat und die grundbücherliche Eintragung bestimmter Felddienstbarkeiten verboten hat, zu sagen.

Der einzige Kritikpunkt, den ich noch als Anregung einbringen möchte, bezieht sich auf die Änderung des § 469a ABGB. Ich verstehe diese Kritik im weiteren Sinne als eine Anregung zum Verbraucherschutz. Wir hatten bisher aus wohlerwogenen Gründen im Gegensatz zu vergleichbaren anderen Ländern in unserem Grundbuch nicht das Prinzip des automatischen Nachrückens. Das bisher als gesetzlicher Regelfall vorgesehene Verfügungsrecht des Liegenschaftseigentümers über die nach Abzahlung seiner Schuld freigewordene Pfandstelle hat seinen Kreditspielraum prinzipiell erweitert.

Ich räume ein, daß in der realen Praxis der Kreditapparat dem Kreditnehmer heute die automatische Löschungsverpflichtung geradezu formularmäßig abnimmt. Aber weshalb soll hier dem Grundstückseigentümer eine Möglichkeit genommen werden, die seinen Kreditspielraum prinzipiell erweitert? Sie wird ihm zwar theoretisch deshalb nicht genommen, weil er im privatautonomen Weg weiter derartiges vereinbaren kann. Geht man aber davon aus, daß der Eigentümer ohne eine professionelle juristische Beratung von dieser Möglichkeit nicht weiß, wird ihm praktisch diese Möglichkeit, die bisher dispositives Recht, also der Regelfall, war, genommen. Ich denke, daß die bloße Entlastung der mit den Grundbuchseintragungen befaßten Rechtspfleger doch wohl kein gleichwertiges und kein gleichgewichtiges Argument ist. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.30

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek. Ich erteile es ihm.

12.30

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die weltweite Verbreitung des in rechtlich sehr verschiedenen Konstruktionen auftretenden sogenannten Time-sharings hat nicht nur Vorteile, sondern – wie wir heute schon gehört haben – auch Gefahren und Nachteile für die Verbraucher mit sich gebracht, die im Hinblick auf die meist grenzüberschreitenden Bezüge und die durch die Rechtswahl immer wieder vorkommenden Anwendungen auch ausländischen Rechts nicht mehr bloß durch nationale Konsumentenschutzbestimmungen in den Griff zu bekommen waren. Auch noch so gute nationale Rechtsvorschriften nützen nichts, wenn ein anderes anzuwendendes Recht kein solches Schutzniveau bietet.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 60

Das war nicht zuletzt auch ein Grund für die Europäische Union, sich dieses Themas anzunehmen und durch eine Richtlinie den offenkundigen verbraucherschutzrechtlichen Defiziten zu begegnen und potentiellen Erwerbern von Time-sharing-Rechten zumindest ein gewisses Mindestmaß an Schutz – und das über die nationalen Grenzen hinweg – zu gewährleisten.

Damit ist die Richtlinie, wie ich nicht unerwähnt lassen möchte, ein weiteres gutes Beispiel dafür, welche Bedeutung der Europäischen Union – ganz im Gegensatz zu früheren, aber auch manchmal heute noch geäußerten Befürchtungen oder Vorbehalten – für die Fortentwicklung des Konsumentenschutzes zukommt.

Mit dem Teilzeitnutzungsgesetz wird die sich aus der Richtlinie ergebende Umsetzungsverpflichtung fristgerecht – entgegen einer kürzlichen Urgenz der Kommission – erfüllt. Das Gesetz ist aber, worauf schon hingewiesen wurde, nicht bloß ein schematisches Nachvollziehen eines europäischen Normenwerkes, sondern – ungeachtet seiner Wurzeln in den Regelungsinhalten der Richtlinie – ein eigenständiges Produkt österreichischer Legistik unter Einbeziehung aller betroffenen Interessengruppen. Als solch eigenständiges Werk enthält es durchaus auch autonome Regelungen. (Präsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Abgesehen von gewissen Modifizierungen und systemkonformen Erweiterungen der Richtlinienvorgaben zwecks Gewährleistung eines möglichst geschlossenen österreichischen Konsumentenschutzes geht unser Gesetz auch über die Richtlinien hinaus, etwa bei der fakultativen Möglichkeit des Modells spezifischer grundbücherlicher Sicherheiten, wie der schon erwähnten Treuhänder-Hypothek, oder auch der Reallast des Betreibens einer Teilzeitnutzungsanlage.

Insgesamt wird – davon bin ich überzeugt – mit dem vorliegenden Gesetz ein ausgewogener, abgerundeter Verbraucherschutz im Bereich des Time-sharings für die Zukunft gewährleistet.

Noch einige Worte zur Grundbuchsnovelle: Mit ihr werden einige weitere Schritte gesetzt, um den Dienstleistungsbereich der Justiz noch effizienter zu gestalten. Die wichtigste Änderung, vor allem auch in der praktischen Auswirkung, ist die Angleichung der Voraussetzungen für die Grundbuchsabfrage an das Firmenbuch, nämlich keine weiteren Voraussetzungen mehr. Künftig wird also für jedermann, ohne daß es einer vorhergehenden grundsätzlichen bescheidmäßigen Bewilligung bedarf, die Grundbuchsabfrage möglich sein.

Diese Grundbuchsgesetznovelle bot aber auch, worauf ich insbesondere – den Vorsitz führt Herr Präsident Weiss jetzt nicht mehr – in Anwesenheit der Vorarlberger Vertreter im Bundesrat hinweisen möchte, Gelegenheit, einem Wunsch des Landes Vorarlberg Rechnung zu tragen und die nur für das Bundesland Vorarlberg geltende Sonderregelung eines Reichsgesetzes aus 1905 aufzuheben, wonach in Vorarlberg bestimmte Felddienstbarkeiten nicht ins Grundbuch eingetragen werden durften. Natürlich deckt sich dieser Wunsch des Landes Vorarlberg auch mit den grundsätzlichen Überlegungen der Justiz für ein möglichst einheitliches gesamtösterreichisches Grundbuchsrecht.

Durch die Novellierung wird auch die vom Herrn Vorredner angesprochene Bestimmung des 469a ABGB geändert. Ich teile Ihre Bedenken, Herr Bundesrat, nicht in diesem Ausmaß. Natürlich kann man sagen, daß der künftige Vorbehalt der Verfügungsberechtigung bei Aufnahme eines Kredites dem Kreditwerber und Grundbuchseigentümer erst im Wege der Beratung nahegebracht werden muß. Umgekehrt: Was zeigt denn eine Analyse der heutigen Situation? – Es gibt so gut wie keine vertragliche Hypothekenaufnahme, in der nicht die vorbehaltslose Löschungsverpflichtung gegenüber allen Vorpfandrechten enthalten ist.

In der Qualität der Möglichkeiten für den Eigentümer sehe ich also keine Verschlechterung, und es ist in der Tat eine ganz beträchtliche Entlastung der Grundbücher-Datenbank, vor allem aber auch eine Entlastung im Grundbuchsauszug selbst, was zu dessen verbesserter Lesbarkeit führt und damit ein verbessertes Angebot für den sich über den Grundbücherstand orientierenden Leser darstellt.

Mit den Gesetzesänderungen der Grundbuchsnovelle wird, so möchte ich nicht ohne Genugtuung sagen, die Erfolgsstory des automationsunterstützt geführten Grundbuches fortgeführt –


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 61

eine Einrichtung, die seinerzeit der Beginn und der Impulsgeber für die inzwischen weltweit beispielgebenden Leistungen der österreichischen Justiz im Einsatz von modernster Informationstechnik war, ein Leistungsbereich der Justiz, bei dem das Selbstverständnis der Justiz, bei aller Autorität im Rechtsprechungs- und Durchsetzungsbereich, eben auch ein Dienstleistungsbetrieb zu sein, der sich an den Interessen und Bedürfnissen der rechtsuchenden Bevölkerung auszurichten hat, in besonders signifikanter Weise zum Ausdruck kommt und der durch die Verbesserung der Rechtssicherheit zweifelsohne auch ein nicht unwesentlicher Beitrag für den Wirtschaftsstandort Österreich darstellt. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.38

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Vizepräsident Jürgen Weiss. Ich erteile es ihm.

12.38

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Mit der ihm eigenen Bescheidenheit hat der Herr Justizminister am Schluß nur ganz kurz die Bedeutung des Grundbuchs als Beispiel für den Dienstleistungscharakter des Justizministeriums dargestellt. Ich möchte das bekräftigen, weil tatsächlich über Österreich, ja über Europahinaus Beispielhaftes geleistet wurde, was jetzt durch die allgemeine Zugänglichkeit der Grundbuchabfragen geradezu noch perfektioniert wird. Eine solch engagierte und auch sachkundige Durchdringung des Amtsbetriebes mit den modernen Möglichkeiten der Informationstechnologie kann man sich in anderen Bereichen der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltungen nur wünschen; das möchte ich ausdrücklich anerkennen.

Ich werde noch ganz kurz zu zwei Teilbereichen Stellung nehmen. Es wird vielleicht vielfach überlesen, aber im Ausschußbericht des Nationalrates steht ein für den Bundesrat nicht unwesentlicher Satz. Es ist darin ausgeführt, daß die Regierungsvorlage unter anderem auch eine Änderung des Vermessungsgesetzes vorgesehen habe, mit der die Einführung von Verwaltungsabgaben für bestimmte Beurkundungen neu eingeführt werden sollte. Dann ist angeführt, daß eine solche Regelung noch weiterer Diskussionen mit den Ländern bedürfe. Um das Gesetzgebungsverfahren nicht aufzuhalten, soll auf die angestrebte Änderung überhaupt verzichtet werden.

Daß die Länder mit ihren Einwendungen beim Bundesgesetzgeber Nationalrat offenbar doch Beachtung gefunden haben, hat auch damit zu tun, daß letztlich auch bekannt war, daß der Bundesrat einer solchen von den Ländern kritisierten Regelung hätte zustimmen müssen. Das ist ein Beispiel dafür, wie die potentielle Möglichkeit eines Einspruchs konfliktvermeidend wirken kann, und das ist letztlich auch das Ziel, das wir bei unserer Arbeit im Auge haben sollten.

Der Herr Bundesminister hat schon darauf hingewiesen, daß mit dem vorliegenden Gesetzespaket auch ein aus dem Jahre 1905 stammendes Gesetz aufgehoben wird, das seinerzeit für Vorarlberg und damals auch für Galizien eingeführt wurde, und zwar aus einer ganz bestimmten konkreten Situation. Es ist vielleicht wenig bekannt, daß wir in Vorarlberg bei der Vererbung bäuerlichen Grundbesitzes eine andere Rechtstradition haben als die meisten anderen Bundesländer, in denen der Grundbesitz im wesentlichen ungeteilt übergeben wird.

Wir haben das Prinzip der Realteilung, das heißt, eine ganz gewaltige Zersplitterung des bäuerlichen Grundbesitzes mit der Folgewirkung, daß es zu einer Unzahl sogenannter Felddienstbarkeiten, Durchfahrtsrechten und ähnlichem kommt. Damals hat es offenkundig ein Bestreben auch der Justizverwaltung gegeben, das Grundbuch nicht mit zahllosen solcher Eintragungen zu überlasten, auf der anderen Seite gab es sicher auch ein Interesse der bekannt sparsamen Alemannen, für solche zahlreiche Eintragungen keine entsprechenden Gebühren entrichten zu müssen.

Im Laufe der Zeit hat sich aber dann doch herausgestellt, daß das Gesetz in Vergessenheit geriet und zahlreiche Dienstbarkeiten tatsächlich verbüchert wurden. Erst bei der Umstellung des Grundbuchs auf das elektronische Grundbuch und die damit verbundene Erfassungstätigkeit hat man sich wieder dieses Gesetzes erinnert und alle Eintragungen wieder gelöscht, was natürlich bei den betroffenen Bürgern, aber auch bei der Gerichtsbarkeit selbst den Wunsch ausgelöst


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 62

hat, diesen unbefriedigenden Zustand zu ändern. Er hat sich auch der Herr Landesgerichtspräsident in sehr verdienstvoller Weise dieses Anliegen zu eigen gemacht. Vor einem Jahr hat der Vorarlberger Landtag in einer Entschließung ersucht, dieses Gesetz endlich aufzuheben, nachdem sich eine Klärung beim Verfassungsgerichtshof als nicht zielführend herausgestellt hat.

Ich möchte mich ausdrücklich dafür bedanken, daß nunmehr in einer durchaus angemessenen Zeit diesem Wunsch des Vorarlberger Landtages Rechnung getragen wurde. Ich möchte die Hoffnung daran knüpfen, ähnliche Dankesbezeugungen auch in anderen Materien abgeben zu können. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.42

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht gegeben.

Hoher Bundesrat! Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an unbeweglichen Sachen, nämlich Teilzeitnutzungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 27. Feber 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ABGB, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Gerichtskommissärsgesetz und das Vermessungsgesetz geändert werden und das Gesetz vom 24. Februar 1905 RGBl. Nr. 33 aufgehoben wird, nämlich Grundbuchsnovelle 1997.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich unterbreche nunmehr die Sitzung für die Behandlung der dringlichen Anfrage bis 16 Uhr. Die Sitzung ist unterbrochen .

(Die Sitzung wird um 12.44 Uhr unterbrochen und um 16.04 Uhr wiederaufgenommen. )

Vizepräsident Jürgen Weiss: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Konsultationsmechanismus und Bundesrat (1264/J-BR/97)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage 1264/J-BR/97 der Bundesräte Dr. Bösch, Dr. Tremmel und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Konsultationsmechanismus und Bundesrat.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 63

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort.

16.04

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Wir haben seit einigen Monaten bundesratsintern einen Arbeitskreis oder einen Unterausschuß, oder wie immer wir es nennen mögen, zur Behandlung der Gesetze zur Bundesrats- und Geschäftsordnungsreform in bezug auf den EU-Ausschuß eingerichtet.

Das Hauptziel dieses Ausschusses muß es nach unserem Dafürhalten sein, einen gemeinsamen Vorschlag zur Reform des Bundesrates vorzulegen. Nur, meine Damen und Herren, wird es durch die geplante Einführung des Konsultationsmechanismus so gut wie keinen Spielraum für eine Reform in Richtung mehr Effizienz geben. Einrichtungen, die verfassungsmäßig nicht vorgesehen sind, wie zum Beispiel die Landeshauptleutekonferenz, die sich – um einen berühmten österreichischen Abgeordneten zu zitieren – außerhalb des Verfassungsbogens befinden, haben das politische Sagen im Staate, und die legitime Legislative, die Landtage und der Bundesrat, wird zurückgedrängt.

Neue Gremien wie der Konsultationsmechanismus werden in großkoalitionärer Eintracht aus dem Boden gestampft, obgleich man bereits verfassungsmäßig legitime Organe hätte. Wir haben nämlich nicht nur den Bundesrat, der die Interessen der Länder auf Bundesebene zu vertreten hat, sondern wir haben im Finanz-Verfassungsgesetz auch einen Ständigen Ausschuß zwischen National- und Bundesrat, der sich der Finanzfragen annehmen soll, festgeschrieben. Aber "ständig" heißt in diesem Zusammenhang eigentlich niemals. Das ist die Verfassungsrealität in unserem Lande.

Es ist seit langem unbestritten, meine Damen und Herren, daß die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern grundlegend neu geordnet werden müssen und insbesondere auch die Aushöhlung des in Österreich ohnehin schwach entwickelten bundesstaatlichen Prinzips gestoppt werden muß. Die zentralistischen Tendenzen haben sich nach dem Beitritt zur Europäischen Union durch die Kompetenzverlagerung zu den Unionsorganen noch verstärkt – entgegen allen Beteuerungen vor der Abstimmung über den EU-Beitritt.

Dieser neuerliche massive Kompetenzverlust der Länder verstärkt eine Entwicklung, die das bundesstaatliche Prinzip der Bundesverfassung aushöhlt und eine schleichende Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellt. Es ist nicht zu bezweifeln, daß Österreich bereits jetzt ein relativ schwach ausgebildeter Bundesstaat ist, da der Bund ein erhebliches Übergewicht an Kompetenzen aufweist und der Einfluß des Bundesrates auf die Bundesgesetzgebung leider Gottes sehr gering ist.

Im sogenannten Perchtoldsdorfer Übereinkommen vom Oktober 1992 wurden deshalb zwischen dem damaligen Bundeskanzler als Vertreter des Bundes und dem damaligen Landeshauptmann von Niederösterreich als Vertreter der Länder eine große Bundesstaatsreform sowie eine Aufwertung des Bundesrates paktiert und in der Folge eine entsprechende Regierungsvorlage sowie entsprechende Änderungen des Finanzverfassungsrechtes ausgearbeitet. Im Zuge der parlamentarischen Beratungen wurde aber die Bundesstaatsreform durch föderalismusfeindliche Anreicherungen geradezu ein Modell zentralistischer Staatsvorstellung, weshalb die Länder ihre ursprüngliche Zustimmung auch zurückziehen mußten.

Die erwähnte Regierungsvorlage, meine Damen und Herren, wurde seither nicht mehr behandelt. Die Debatte um eine Bundesstaatsreform ist zu einem gänzlichen Stillstand gekommen. Der Klubobmann der SPÖ im Nationalrat erklärte sogar die bisherigen Verhandlungsergebnisse für obsolet und sagte, man müsse wieder an den Start zurück.

Um eine weitere Aushöhlung des bundesstaatlichen Prinzips der Bundesverfassung zu verhindern, sollten daher nach unserer Auffassung auf Regierungsebene die Beratungen über die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 64

Bundesstaatsreform auf der Grundlage der zwischen Bund und Ländern bereits vereinbarten Grundsätze möglichst rasch wiederaufgenommen werden. Ziel der Beratungen muß dabei eine eindeutige Stärkung der Länderrechte sein, wie sie etwa auch von Landeshauptmann Dr. Purtscher immer wieder eingefordert wurde.

Ein wesentlicher Aspekt bei der Gestaltung des Bundesstaates ist die Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften. Rechtssetzende Akte einer Gebietskörperschaft bewirken oftmals für andere erhebliche finanzielle Belastungen, ohne daß sich diese dagegen erfolgreich zur Wehr setzen können. Eine Regelung, die die finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu ordnet und für diesen Fall Vorkehrungen trifft, ist daher im Interesse der Verwirklichung des bundesstaatlichen Prinzips durchaus geboten – das soll auch hier anerkannt werden –, zumal es fast ausschließlich rechtssetzende Akte des Bundes sind, deren finanzielle Auswirkungen auf die anderen Gebietskörperschaften den Gegenstand der Debatte bilden.

In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung eine Regierungsvorlage betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigung des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes und die Genehmigung einer Vereinbarung vorgelegt, dessen Anlage eine Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften bildet. Diese Regierungsvorlage aber bewirkt im Falle ihrer Verwirklichung eine Zäsur der österreichischen Verfassungsentwicklung. Sie legt die Absicht der an ihrem Zustandekommen Beteiligten schonungslos offen. Rechtssetzende Akte, meine Damen und Herren, von Bund und Ländern werden nur noch als Regierungsakte angesehen, die Absegnung durch die gesetzgebende Körperschaft ist offenbar nur Formsache, und sie muß sich jedenfalls dem Willen der Regierenden unterwerfen. Vertreter der gesetzgebenden Körperschaften werden selbstverständlich von jeglicher Mitwirkung am Konsultationsmechanismus ausgeschlossen.

Offene Worte gegen diesen Anschlag auf die parlamentarische Demokratie fand der Präsident des Nationalrates Dr. Fischer. Er bestand darauf, daß die Verantwortung für die Gesetze nach wie vor bei National- und Bundesrat liegen soll, und er beharrte darauf, daß Vertreter des Nationalrates, des Bundesrates und der Landtage in die Entscheidungen miteingebunden werden sollen.

Die jetzt vorgesehene Entwicklung, meine Damen und Herren, hat eine De-facto-Abwertung des Bundesrates zur Folge. Eine Information des Bundesrates über die diesbezüglichen Absichten der Bundesregierung scheint uns Freiheitlichen daher dringend geboten, weshalb wir auch die heutige Anfrage an den Herrn Bundeskanzler gestellt haben.

Ich fasse zusammen: Wir haben im Bundesrat einen Arbeitsausschuß eingerichtet, der neben der Geschäftsordnung alle Reformanträge betreffend den Bundesrat, die wir in den letzten Jahren auch fraktionsübergreifend eingebracht haben, behandeln soll. Grundlage aller dieser Bestrebungen ist das Perchtoldsdorfer Abkommen aus dem Jahr 1992, in dem unter anderem auch die Reform des Bundesrates paktiert wurde. Aber die Entwicklung, die jetzt eingetreten ist, muß bei den Bundesräten die Alarmglocken läuten lassen, denn jetzt wird anderweitig organisiert, was ureigenste Aufgabe des Bundesrates sein müßte.

Wohin, frage ich Sie allen Ernstes, soll sich der Bundesrat nach Einrichtung des Konsultationsmechanismus denn noch reformieren? – Unser Selbstverständnis als Bundesräte, als Vertreter eines verfassungsmäßigen Kollegialorganes zwingt uns dazu, hier der Regierung entgegenzutreten und auf die Mitspracherechte der Legislative und auf die Einhaltung der österreichischen Verfassung zu pochen.

Meine Damen und Herren! Wenn uns das nicht gelingt, dann ist unser Gremium, der Bundesrat, im Konzert der Bundesgesetzgebung in Zukunft wohl unnötig. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.13


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 65

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

16.13

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, Herr Bundesrat Dr. Bösch, daß ich versuche, zu den drei Problemkreisen, die Sie angesprochen haben, kurz Stellung zu nehmen, und dann auf Ihre Fragen eingehe.

Zum ersten Problemkreis, was die Reform des Bundesrates selbst betrifft: Ich weiß, daß es zahlreiche Reformbestrebungen, zahlreiche gute Änderungsvorschläge gibt, aber seien Sie bitte so nett und nehmen Sie zur Kenntnis, daß ich als Exekutive sehr diszipliniert bin und mich nicht in die Überlegungen einmische, die die Legislative – in diesem Fall der Bundesrat – für sich erst anstellt.

Zum zweiten, zum Konsultationsmechanismus: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es entspricht einem Verständnis der Zusammenarbeit, daß Bund, Länder und Gemeinden in dieser neuen finanziellen Qualität der Zusammenarbeit, bevor Gesetze beschlossen werden, die andere Ebenen der Verwaltung belasten, sich informieren und über die budgetäre Bedeckung dieser Gesetze Gespräche führen.

Es ist nicht richtig, daß nur durch irgendeinen Punkt des Konsultationsmechanismus die Gesetzgebung des Nationalrates oder des Bundesrates beeinträchtigt oder sogar verhindert würde. Es ist allerdings eines richtig, und zu dem stehe ich – zu dem stehe ich als Vertreter des Bundes genauso wie die Vertreter der Länder –, nämlich daß wir als Bundesgesetzgeber zum Beispiel es uns keineswegs so leicht machen dürfen, finanzielle Belastungen für die Länder und für die Gemeinden zu beschließen, die über die vereinbarte faire Balance des Finanzausgleichs hinausgehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in den letzten Monaten, wie ich glaube, erfolgreich diese neue Qualität im Sinne eines föderalistischen Zusammenarbeitens zwischen Bund, Ländern und Gemeinden definiert. Wir haben einen Finanzausgleich für vier Jahre abgeschlossen. Was heißt denn das? – Das heißt gemäß FAG, daß es eine Balance zwischen den Verpflichtungen, die die Gebietskörperschaften übernehmen, und den finanziellen Rechten, die diese Gebietskörperschaften übernehmen, gibt. Ich halte es nur für legitim, daß es, wenn nun eine Gebietskörperschaft eine Gesetzgebung plant, zu den Kostenauswirkungen, die in den einzelnen Ebenen über diesen balancierten Finanzausgleich hinausgehen, Gespräche gibt. Ich sehe da überhaupt kein Problem einer Beeinträchtigung der Funktion des Nationalrates oder des Bundesrates.

Ich halte es für sehr wichtig, daß als Bestandteil dieser politischen Vereinbarung des Konsultationsmechanismus erstmals nicht nur die Kosten und Folgekosten eines Gesetzes für die jeweilige Ebene der Hoheitsverwaltung dargestellt werden müssen, sondern daß es eine Verpflichtung dazu gibt, daß auch die Kosten und Folgekosten eines Gesetzes für die nächsten Ebenen der Verwaltung ausgewiesen werden müssen. Das ist eine immense Qualitätsverbesserung, die, wie ich glaube, diese neue Partnerschaft, diese neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sicherstellt.

Ich bedanke mich dafür, daß es möglich war, das im Zusammenwirken der beiden Regierungsparteien auf Ebene des Bundes, der Länder und Gemeinden in diesem politischen Paktum abzusichern.

Zum dritten, sehr geehrter Herr Bundesrat Dr. Bösch, zum Thema Bundesstaatsreform: Ich habe manchmal ein bißchen ein Problem damit, wenn Sie etwas fordern, von dem vorher schon in den Zeitungen stand, daß wir das machen werden, denn dann können Sie natürlich nachher sagen, wir haben das gemacht, was Sie wollten und gefordert haben. Sie haben in den Zeitungen hoffentlich gelesen, daß sich als Ergebnis der außerordentlichen Landeshauptleutekonferenz, die wir vor wenigen Tagen hatten, auf Basis des Perchtoldsdorfer Abkommens die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 66

Gebietskörperschaften dazu verpflichtet haben, innerhalb weniger Monate noch einmal zu überprüfen, ob nicht überlappende Aufgabenbereiche, bei denen Reibungsverluste entstehen, bei denen unnötige Zusatzkosten entstehen, existieren, und das alles im Sinne der Subsidiarität, des Föderalismus und der Effizienz der Verwaltung noch einmal zu durchleuchten und in der Qualität zu verbessern.

Sie haben – ich kann mich erinnern – vorgelesen, daß Sie fordern, daß auf Basis des Perchtoldsdorfer Abkommens rasch mit diesen Arbeiten begonnen wird. – Bitte, das haben wir vor einer Woche beschlossen, Herr Kollege! (Bundesrat Dr. Bösch: Wir werden sehen! Wir werden Sie an Ihren Taten messen, nicht an Ihren Ankündigungen!) Wenn wir immer so brav sind und Ihre Forderungen erfüllen, Herr Kollege, dann ist das alles bestens und in Ordnung.

Nun zu dieser Bundesstaatsreform. Meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir ein offenes Wort: Wir können dieses Thema aus verfassungsrechtlicher Sicht, aus rechtstechnischer Sicht betrachten. Wir können dieses Thema aber auch – das halte ich für besonders wichtig – aus der Sicht der Bürger Österreichs betrachten. Worum soll es denn gehen? – Es soll darum gehen, daß wir in diesem Wandel vom Hoheitsstaat zum Leistungsstaat den Bürgern am besten dort die Leistung der öffentlichen Hand anbieten – egal, ob es Gemeinde, Land oder Bund ist –, wo sie am zweckmäßigsten und am effizientesten erbracht wird. Das ist unsere Aufgabe – natürlich geht es auch um die rechtstechnische und verfassungstechnische Sicht.

Wenn in Ihrer Aussage zum Beispiel enthalten war, es gehe grundsätzlich um die Stärkung der Länderrechte, dann muß ich Ihnen sagen: Föderalismus ist nicht nur eine Einbahnstraße nach oben. Föderalismus muß auch eine Zweiwegkommunikation sein. Vielleicht ist es bei der einen oder anderen Aufgabe sinnvoll, die Länder, die Städte und die Gemeinden zu stärken. Es kann nicht nur eine Scheuklappenzielrichtung geben.

Daher verstehe ich unter dem Stichwort Subsidiarität, unter dem Stichwort Föderalismus die beste und effizienteste Aufgabenerfüllung für den Bürger. Das haben sich die Landeshauptleute, das hat sich die Bundesregierung für diese Überarbeitung der Bundesstaatsreform vorgenommen. Das, glaube ich, ist das, was die Österreicherinnen und Österreicher auch erwarten: nicht als Selbstzweck irgend etwas zu tun, sondern als konkreten Nutzen für die Bürger.

Sehr geehrter Herr Bundesrat Dr. Bösch! Nun zu Ihren konkreten Fragen, zu den Fragen 1 bis 3, die sich im wesentlichen mit dieser Bundesstaatsreform auseinandersetzen:

Ich wiederhole noch einmal, was ich schon gesagt habe, nämlich daß die Bundesregierung zu Beginn dieser Legislaturperiode eine Regierungsvorlage zur Bundesstaatsreform im Nationalrat eingebracht hat und daß aus dieser Vorlage und auch aus der Vorgangsweise ersichtlich ist, daß die Bundesregierung nach wie vor die Realisierung der Bundesstaatsreform für notwendig erachtet.

Allerdings – ich sage das noch einmal – haben wir zusätzlich vereinbart, daß wir als Ausgangspunkt und auf Basis des Perchtoldsdorfer Übereinkommens noch einmal die Chance geben, innerhalb weniger Monate zu überprüfen, ob es nicht Kompetenzzersplitterungen und ähnliches mehr gibt, sowie Qualitätsverbesserungen zu erarbeiten – im Sinne dieser Bürgernähe, die von mir angesprochen wurde.

Sehr geehrter Herr Bundesrat! Was Ihre vierte Frage betrifft, tue ich mir ein bißchen schwer, weil ich glaube, daß sich die staatsrechtliche Stellung des Bundesrates in unserer Bundesverfassung, in ihren Prinzipien seit dem Jahr 1920 nicht verändert hat, stark und kräftig in diesem Sinne geblieben ist. Ich würde es aus der Sicht der Vollziehung nicht für angemessen erachten, am Willen des Verfassungsgesetzgebers in dieser Weise Kritik zu üben, daß ich ihm eine nicht sinnvolle Gestaltung der zweiten Kammer, wie Sie es in Ihrer Anfrage anscheinend tun, unterstelle.

Zusammengefaßt: Ich erwarte, daß der Ausschuß des Bundesrates, der diese Fragen zu beantworten hat, natürlich auch entsprechende Vorschläge vorlegen wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 67

Zu den Fragen 5 bis 8, die im wesentlichen den Konsultationsmechanismus betreffen:

Die inhaltliche Gestaltung der Rechtsvorschriften ist nicht Aufgabe des Konsultationsmechanismus, und es kann keine Gesetzgebung durch den Konsultationsmechanismus verhindert werden. Es ist nur notwendig, daß man sich vorher über die budgetäre Bedeckung – das ist im Regelfall Aufgabe der Exekutive – dieser Gesetzgebung in den einzelnen Haushalten des Bundes, der Länder und Gemeinden unterhält und daß man sich dann – völlig frei, was den Nationalrat betrifft, und völlig frei auch, was die bisherigen Rechte des Bundesrates betrifft – im klaren darüber ist, wenn es kein Einvernehmen gibt, daß die gesetzgebende Ebene auch von unmittelbar betroffenen Ländern oder Gemeinden die Kosten zu übernehmen hat. – Das ist ein, wie ich meine, sehr faires Prinzip, dem Prinzip des Föderalismus und dem Prinzip der Zusammenarbeit folgend.

Ich sehe auch keine Einschränkung der Möglichkeit, Initiativanträge einzubringen. Ich verstehe es einfach nicht. Es gibt wie bisher alle Formen des Einbringens von Gesetzgebungsvorschlägen und ähnliches mehr.

Sehr geehrter Herr Bundesrat! Zur Frage 9:

Meines Wissens sind Änderungen der Bundesverfassung sowie der Geschäftsordnung des Nationalrates und des Bundesrates, die über die bereits vorliegende Regierungsvorlage hinausgehen, nicht erforderlich, weil die bestehenden Regelungen für so flexibel angesehen werden, daß die Fristen des Konsultationsmechanismus tatsächlich auch eingehalten werden können.

Es gibt ausschließlich eine beabsichtigte Änderung der Kostentragungsregelung im § 2 des Finanz-Verfassungsgesetzes.

Zur Frage 10:

Ich kann mit dem Wort "Zwangsverbände" nicht sehr viel anfangen, wenn Sie die Vereinigung der österreichischen Städte im Städtebund und der Gemeinden im Gemeindebund ansprechen. Aber, sehr geehrter Herr Bundesrat Dr. Bösch, es ist doch klar, daß der Österreichische Städtebund und der Österreichische Gemeindebund, die auf der Grundlage von Artikel 115 Abs. 3 der Bundesverfassung existieren, das Klagerecht der Gemeinden vor dem Verfassungsgerichtshof nicht beeinträchtigen. Das wird davon nicht berührt.

Das den beiden Organisationen nun eingeräumte zusätzliche Klagerecht tritt ergänzend hinzu und kann gegebenenfalls auch eine Entlastung der Städte und der Gemeinden bewirken.

Also genau das Gegenteil ist der Fall: Es soll nicht den Gemeinden oder den Städten die Möglichkeit einer verfassungsgerichtlichen Klage genommen werden, sondern es kommt nur für den Städte- und für den Gemeindebund, die im Bundes-Verfassungsgesetz vorgesehen sind, eine zusätzliche Klagslegitimation hinzu.

Zu den Fragen 11 und 12 sowie 14 bis 16, die sich mit dem Stellenwert des Bundesrates bei Konsultationsmechanismen beschäftigen:

Sehr geehrter Herr Bundesrat, noch einmal: Ich kann Ihre Auffassung in diesem Bereich nicht teilen, denn es wird wie schon bisher auch zukünftig dem Bundesrat überlassen sein, Einsprüche gegen Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates zu erheben oder seine Zustimmung zu verweigern.

Die verfassungsgesetzliche Stellung und die Kompetenzen des Bundesrates bleiben durch den Konsultationsmechanismus unberührt – wenn nicht, dann bitte ich Sie nur um ein Beispiel, das Sie aus dem bestehenden politischen Paktum des Konsultationsmechanismus herauslesen.

Zur Frage 13, wie die Länder diese drei Vertreter nominieren werden:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich persönlich habe in diesen wenigen Jahren, in denen ich mit den Ländern zusammenarbeiten konnte, so viel an kompetenter Eigenverant


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 68

wortung bei den Vertretern der Länder festgestellt, daß ich davon ausgehen kann, daß die Länder in sich ein Einvernehmen herstellen werden, wie sie die drei Personen nominieren. Und es ist nicht Aufgabe der Partner, sich in den Nominierungsvorgang einzumischen, wie ihn sich die Länder selbst gegeben haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Also kurz zusammengefaßt: Die Rechte des Bundesrates werden durch den Konsultationsmechanismus nicht beschnitten. Ich glaube, daß es darüber hinaus ein Zeichen einer neuen Qualität der Kooperation, der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist. Und obwohl es manche Kritik von Zentralisten gibt, stehe ich dazu, daß dieser Konsultationsmechanismus im Sinne des Föderalismus tatsächlich auch umgesetzt werden kann. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

16.28

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Ich hoffe, ich finde mit den 20 Minuten das Auslagen. Wir hatten eine lange Mittagspause verordnet bekommen, weil wir erst um 16 Uhr mit Ihrer Anwesenheit rechnen durften. (Bundeskanzler Mag. Klima: So war es vereinbart!) So ist auch der Bundesrat einmal zu einer Mittagspause gekommen. (Präsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben drei Problemkreise in Ihrer Beantwortung angesprochen und haben hoch und heilig gesagt, Sie wollen sich als Exekutivorgan in die Legislative nicht einmischen. Das ist durchaus richtig. Ich hätte mir nur eine kleine Einmischung erwartet, als Sie die Regierungsvorlage, verfaßt als Bundesverfassungsgesetz, ausgearbeitet haben, nämlich insofern, als man den Bundesrat und den Nationalrat kontaktiert hätte. Ich kann mir sonst auch die Äußerung des Herrn Präsidenten Fischer nicht vorstellen: "Beschlüsse am Parlament vorbei" hat es hier geheißen. Den Zeitungen mußten wir entnehmen, daß die Regierung mit den Ländern verhandelt. – Es ist unbestritten, daß die Regierung mit den Landesregierungen vorberaten kann, aber daß daraus gleich ein Bundesgesetz, ein Verfassungsgesetz, werden sollte, das verwundert mich.

Die Beantwortung des Fragenkomplexes 1: Nichteinmischung der Exekutive im Bereich der Legislative, scheint mir nicht ganz schlüssig gewesen zu sein. (Bundeskanzler Mag. Klima: Darf ich Ihnen eine Zusatzinformation geben? – Wie es üblich ist, war es auch hier so, daß die beiden Klubobmänner der Klubs der Regierungsfraktionen dabei waren, die auch diese politische Erklärung mitunterzeichnet haben, und jetzt kommt es zur parlamentarischen Behandlung! Ihnen steht es frei, was Sie ändern wollen und was Sie nicht ändern wollen! Aber es ist nicht richtig, daß die Parlamentsklubs nicht vertreten waren!)

Ich danke für die Zwischenbemerkung, gewertet als Zwischenruf, und ich darf natürlich auch darauf eingehen. Das ist ein selbstverständliches Procedere, daß die Fraktionsführer des Bundesrates auch mit dabei sind. Aber üblicherweise ist es so – das geschieht bei der kleinsten Vorlage –, daß dem Bundesrat als Organ etwas zugemittelt wird: Du, lieber Bundesrat, bitte nimm Stellung! Hier ist ein fast fertiges Paket, wie der Konsultationsmechanismus funktionieren sollte. Was sagst du dazu?

Ich weiß nicht, ob Präsident Fischer so ganz vorbeiformuliert hat, wenn er meint, es hätten Vorbereitungen stattgefunden, die am Nationalrat, am Bundesrat, aber auch an den Landtagen vorbeigegangen sind. Ein Landeshauptmann wird ja nicht nur für sein Bundesland, sondern auch für den Landtag sprechen, aber auch in den Landtagen ist das nicht bekannt.

Da kommen wir gleich zum Problemkreis Nummer zwei. Unbestritten ist – ich bin sehr froh darüber, das gestehe ich auch gerne zu –, daß endlich eine Sprachregelung stattgefunden hat,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 69

und zwar eine Sprachregelung zwischen den Landesregierungen und der Bundesregierung. Eines verstehe ich allerdings nicht, Herr Bundeskanzler: Sie haben gesagt, das sei nur eine Vorbereitung. – Wenn man aber etwa Artikel 6 dieser Regierungsvorlage durchliest, so stellt man fest, darin sind unter anderem die Konvergenzkriterien behandelt, also eine ganz gewichtige Materie, meine Damen und Herren, zu der bereits Vorbeschlüsse gefaßt werden, Vorbeschlüsse, die wir hier letztlich vollziehen müssen. Ich nenne Ihnen als Beispiel etwa das Strukturanpassungsgesetz. Hier sind Verschuldungen eingetreten, und letztlich mußten die gesetzgebenden Körperschaften das reparieren.

Es wäre also sehr gut, dabeizusein, wenn die entsprechenden Veranlassungen getroffen werden, wenn Schulden gemacht werden. Es genügt nicht, daß wir es dann nachher so quasi als Apportiermaschine der Exekutive nur reparieren.

Bundesstaatsreform, Landeshauptmännerkonferenz – ich werde noch näher darauf eingehen. Durch Ihren Vorgänger wurde uns schon einiges gesagt. Ich möchte aber jetzt noch einige Fragen herauspicken, die Sie ein bißchen übergangen haben, zum Beispiel die Frage 2, in der davon die Rede ist, daß Ihr Klubobmann Kostelka – in den Printmedien und im Fernsehen verbreitet – sagt, bei der Bundesstaatsreform – von der Bundesratsreform hat er schon gar nicht mehr gesprochen – müsse man bezüglich der Verhandlungsergebnisse zurück an den Start. Stimmt das jetzt, was Dr. Kostelka gesagt hat, oder stimmt das nicht? Müssen wir zurück an den Start? – Sie, Herr Bundeskanzler, haben gesagt, innerhalb weniger Monate werden Ergebnisse auf dem Tisch liegen. (Bundeskanzler Mag. Klima: Das ist politisch vereinbart!)

Es soll nicht an der Verfassung gerüttelt werden, sagten Sie. Ich werde Ihnen dann ein Bundesverfassungsgesetz vorlesen, in dem genau dieser Konsultationsmechanismus – mein Vorredner Bösch hat es bereits erwähnt – verfassungsgesetzlich genormt vorhanden ist. Warum man diesen nicht adaptiert hat, verstehe ich eigentlich nicht. Vielleicht ist es Vergeßlichkeit, vielleicht wollte man tatsächlich eine gesetzgebende Körperschaft "auf die Seite stellen".

Ich muß ein bißchen in der Geschichte zurückgreifen. "Herr Bundeskanzler!", sagte ich seinerzeit zum emeritierten Bundeskanzler Dr. Vranitzky. "Ich richte ... an Sie nochmals die höfliche Frage" – das war am 10. Dezember 1993 in der 577. Sitzung des Bundesrates –: "Bis wann rechnen Sie persönlich damit – Sie haben hier eine unbestimmte Antwort gegeben –, daß diese Novellierung" – gemeint ist die Bundesstaats- und Bundesratsreform – "hier im Haus eingebracht wird?"

Ich lasse die anderen Passagen weg. Die direkte Antwort des damaligen Bundeskanzlers lautete: "Die genannten bundesverfassungsgesetzlichen Maßnahmen sollen bis längstens zur Volksabstimmung über die bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung zum EG-Beitritt als beschlußreife Regierungsvorlage textlich fixiert und spätestens in der aus Anlaß des EG-Beitritts erforderlichen Novelle zum Bundes-Verfassungsgesetz beschlossen werden."

Er fügte dann noch hinzu: "... ich bestätige und wiederhole, daß ich selbstverständlich zu der von mir unterschriebenen Passage stehe, daß ich aber nicht zu mehr stehen kann, weil ja die Antizipation einer parlamentarischen Entscheidung von Ihnen sicherlich als eine Beeinträchtigung Ihrer eigenen Rechte inhibiert würde."

Jedenfalls hat diese Vorlage das gesetzgeberische Licht der Welt und auch des Nationalrates und des Bundesrates bis nun nicht erblickt.

Ich muß aber auch auf Debattenredner hier im Haus eingehen. Herr Präsident Schambeck führte aus, der Herr Bundeskanzler werde in die "Zeitgeschichte" eingehen, einen "Platz in der Geschichte des Föderalismus" haben. Die Freiheitlichen wurden "heute von dieser Stelle aus" aufgefordert, "daß sie, genauso wie die ÖVP in der Kreisky-Ära, in der Sinowatz-Ära und auch in der Vranitzky-Ära bereit war, als Minderheitspartner und als Opposition bei einer Verfassungsreform mitzutun", mitwirken möge. – Wir wollen gerne mittun, nur ist eine Einladung in offizieller Form bis nun nicht an uns ergangen, meine Damen und Herren!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 70

Die Aushöhlung des bundesstaatlichen Prinzips wurde bereits durch meinen Vorredner erläutert. Die zentralistischen Tendenzen haben sich nach dem Beitritt zur Europäischen Union durch die Kompetenzverlagerung zu den Unionsorganen – ich erwähne nochmals das Strukturanpassungsgesetz – verstärkt. Wir glauben, daß diese Vorlage ein neuerlicher, massiver Kompetenzverlust nicht nur der Länder, sondern der gesetzgebenden Körperschaften ist.

Ich zitiere aus einem sehr bekannten Werk, "Recht, Glaube, Staat" – eine Festgabe für Herrn Professor Schambeck –, in dem er unter anderem auch die schwache Stellung der Länder vor allem in bezug auf die finanzielle Basis sieht und besonders moniert. Dieser Bereich, bei dem es wirklich ums Eingemachte geht, ist auch der Kernpunkt unserer Bemühungen. Beim Finanzausgleich, meine Damen und Herren, werden beinahe 40 Prozent unseres Budgets abgehandelt, und wir können das höchstens aus der Zeitung erlesen. Das kann doch nicht tatsächlich die Aufgabe sein, wie wir sie in unserer Bundesverfassung festgeschrieben haben und wie wir sie zu erfüllen haben!

Ich habe Präsidenten Fischer schon zitiert, der sagte, die Beschlüsse gehen am Parlament vorbei, und er hätte sich natürlich ebenso erwartet, daß eine Einladung an die gesetzgebenden Körperschaften Nationalrat und Bundesrat ergangen wäre. Er sagt, wir können ja und amen sagen. Aber immerhin haben wir alle, meine Damen und Herren, einen Eid auf die Verfassung abgelegt, und es wird von uns, aber auch von den Exekutivorganen erwartet, daß diese Verfassung, so wie sie festgeschrieben ist, eingehalten wird.

Eine Zeitung hat geschrieben, Vorhaben gibt es genug, und hat die Palette erläutert, die die Regierung Klima in Angriff nehmen sollte. Hier ist von der Bundesstaatsreform nur mehr am Rande die Rede, die Bundesratsreform wurde eigentlich weggelassen. (Bundesrat Konečny: Sie sollten sich beim Chefredakteur beschweren!)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich noch ein bißchen auf diese Regierungsvorlage eingehe. Da lese ich etwa im Artikel 1 Abs. 3: "In die in den vorstehenden Absätzen bezeichneten Vorhaben ist eine Darstellung der finanziellen Auswirkungen aufzunehmen, die den von den Vertragspartnern einvernehmlich zu erarbeitenden und vom Bundesminister für Finanzen zu erlassenden Richtlinien gemäß § 14 Abs. 5 Bundeshaushaltsgesetz entspricht."

Was heißt das, meine Damen und Herren? – Das heißt, daß ein Exekutivorgan Vorgaben für bundesgesetzliche Änderungen vorschlägt. Das heißt es! Hier ist de facto eine Umkehrung gegeben. Die Initiative sollte von den gesetzgebenden Körperschaften ausgehen und nicht von der Exekutive. (Bundeskanzler Mag. Klima: Das heißt, Sie weisen alle Regierungsvorlagen zurück!) Nein, nein. (Bundesrat Konečny: Das ist ja absurd, was Sie da sagen!)

Oder es könnte auch noch einen weiteren Hintergrund geben. Dazu darf ich in der Geschichte des Föderalismus ein bißchen zurückgreifen. Artikel 98 regelt die finanziellen Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften. Beim Bundesfinanzgesetz hat es seinerzeit eine Vorlage gegeben, das war Artikel 98a, und in diesem Artikel 98a ist die Zustimmung der Bundesregierung bei Gesetzesbeschlüssen mit finanzieller Folgewirksamkeit seitens der Länderparlamente schlicht und einfach durch die Zustimmung allein des Bundesministers für Finanzen ersetzt worden. Das war letztlich auch, Herr Bundeskanzler, der Grund, warum diese Bundesrats- und Bundesstaatsreform zum Scheitern verurteilt war: weil man da einen ganz starken zentralistischen Punkt eingebaut hat. Und dieser erscheint hier wieder in verfeinerter Form.

Ich habe bereits angedeutet, meine Damen und Herren, daß es diesen Konsultationsmechanismus bereits verfassungsgesetzlich verankert gibt. In § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 heißt es: "Wenn die Bundesregierung gegen einen Gesetzesbeschluß eines Landtages über Landes(Gemeinde)abgaben Einspruch erhebt und der Landtag seinen Beschluß bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder ... wiederholt, so entscheiden, falls die Bundesregierung ihre Einwendung nicht zurückzieht, darüber, ob der Einspruch aufrecht zu bleiben hat, der Nationalrat und der Bundesrat durch einen ständigen gemeinsamen Ausschuß." – Das ist dieser 26er-Ausschuß.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 71

Meine Damen und Herren! Wenn man diesen Konsultationsmechanismus tatsächlich ernst nähme, dann hätte man zuerst diese Verfassungsbestimmung adaptieren müssen (Beifall bei den Freiheitlichen) und hätte diesen Konsultationsmechanismus, so wie es die Normenhierarchie vorsieht, als Unterausschuß dazu einrichten können. Das wäre verfassungsmäßig der richtige Weg gewesen.

Ich befürchte, Herr Bundeskanzler, daß das ein erster Schritt ist, die gesetzgebenden Körperschaften letztlich nur mehr zu Vollzugsorganen von Regierungsvorlagen zu machen. 90 Prozent der Vorlagen sind es ja schon. Letztlich sind wir hier nur mehr die Apportiermaschine von ausgearbeiteten Vorlagen der Regierung, und wir werden dabei leider Gottes nicht mehr erfaßt. (Bundesrat Konečny: Wie Sie Ihre Rolle definieren, ist Ihre Sache!)

Diese Regierungsvorlage, meine Damen und Herren, kommt fast einem Ermächtigungsgesetz gleich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Jetzt reicht es dann bald!) Dinge am Rande können Sie noch entscheiden, aber dort, wo es wirklich um die Probleme geht ... (Bundesrat Payer: Wissen Sie, was das Ermächtigungsgesetz bedeutet hat?) Ja, ja, ich weiß es schon. Ich habe es ja zitiert, Herr Kollege, und ich sage es auch: Hier soll etwas stattfinden, daß der bundesgesetzlich vorgegebene (Bundesrat Payer: Überlegen Sie sich, was Sie sagen! Ihre Wortwahl ist unmöglich! – Bundesrat Konečny: Unerhört ist das! Nehmen Sie das zurück!) Rahmen durchbrochen werden soll. Das sehe ich darin, meine Damen und Herren! (Bundesrat Konečny: Sie haben es notwendig, von Ermächtigungsgesetz zu reden! Das ist eine Führer-Rede!)

Ich zitiere hier noch etwas. Ich habe vorhin von Artikel 6 gesprochen. Darin ist von den Konvergenzkriterien die Rede, die bei uns ein maßgeblicher Bereich sind. Artikel 6 – lesen Sie es nach – ist ebenso ein Auftrag an die Exekutivorgane, von denen das dann wieder hintenherum gesetzesmäßig repariert werden sollte. Das ist eigentlich in dieser Vorlage enthalten. Diese Vorlage geht, wie dies Präsident Fischer gesagt hat und wie das auch andere sagen, an den gesetzgebenden Körperschaften vorbei.

Meine Damen und Herren! Ein Appell an dieses Haus: Es sind viele kleine Schritte, die letztlich dazu führen könnten, daß das Vorgehen verändert wird und daß die gesetzgebenden Körperschaften nur mehr als Enderledigungsorgan vorgesehen werden. (Bundesrat Weiss: Das glauben Sie selbst nicht!) Denken Sie an viele Gesetzesmaterien, die wir hier diskutiert haben und bei denen Sie durchaus in Klubtreue und Klubdisziplin gesagt haben, daß Sie dem zustimmen müssen, innerlich haben viele aber anders darüber gedacht.

So, meine Damen und Herren, ist es auch bei dieser Vorlage. Aus diesem Grund – also nicht nur um einen Appell an den Herrn Bundeskanzler zu richten, sondern auch einen Appell an das Selbstbewußtsein dieses Hauses – haben wir diese dringliche Anfrage eingebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.46

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Jürgen Weiss. Ich erteile es ihm.

16.46

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Nach den bisherigen Ausführungen könnte man den Eindruck haben, daß sich der Bund neuerlich anschicke, den Ländern über ihre Köpfe hinweg eine nachteilige Regelung zuzufügen. Tatsache ist hingegen, daß die Länder sehr darum gerungen haben und erfreulicherweise auf das Verständnis des Bundes gestoßen sind, einen solchen Konsultationsmechanismus zu erhalten, und zwar in einer Weise, die von den Ländern als Verhandlungsergebnis durchaus anerkannt wird und sie mehrfach veranlaßt hat, zu fordern, daß dieser Konsultationsmechanismus rasch eingeführt und wirksam werden möge.

Das sind die von den Ländern selbst definierten Länderinteressen, und ich habe ein Problem damit, unser Rollenverständnis so zu sehen, daß wir über die Köpfe der Länder hinweg ihnen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 72

andere Interessenwahrnehmungen einreden wollten, als sie es selbst wünschen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn mehrfach die Wortmeldungen des Herrn Nationalratspräsidenten Fischer gelobt wurden, dann darf ich Ihnen sagen, was ein namhafter Vorarlberger Landespolitiker dazu gesagt hat, der sich am 22. November "mehr als nur empört" – so das wörtliche Zitat – über die Verhinderungstaktik des SPÖ-Granden Nationalratspräsident Heinz Fischer gezeigt hat, der – ich zitiere weiter –: "den ausgehandelten Konsultationsmechanismus blockieren wollte." – "Mehr als empört" über den Herrn Fischer hatte sich der freiheitliche Landesparteiobmann Hubert Gorbach gezeigt (Bundesrat Konečny: Das ist dann Pluralismus!) , der sich unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Verhandlungserfolges der Bundesländer wie kaum ein anderer beeilt hatte, sich ebenfalls in den Massenmedien so zu äußern, daß er "die gestrige Einigung als äußerst positiv in Richtung wirklichen Föderalismus gesehen hat." – So der freiheitliche Landesrat und Landesparteiobmann Hubert Gorbach aus Vorarlberg.

Der Herr Bundeskanzler hat schon darauf hingewiesen – ich kann nur unterstreichen, was er gesagt hat –, daß man natürlich von richtigen Voraussetzungen ausgehen muß, um zu richtigen Antworten zu kommen. Das gilt insbesondere für die Einschätzung, daß es sich bei diesem Konsultationsgremium um ein Entscheidungsgremium handle, das den Inhalt der Gesetzesvorlagen bestimme.

Was tut dieses Konsultationsgremium und mit ihm dieser ganze Konsultationsmechanismus? Es verbessert die Entscheidungsgrundlagen für den Gesetzgeber, die bisher in gesetzwidriger Weise – so möchte ich sagen – mangelhaft waren. Wir hatten nach dem Begutachtungsverfahren, das bisher schon stattzufinden hatte und jetzt ausdrücklich verankert wird, schon bisher die Pflicht des Bundes nach § 14 des Bundeshaushaltsgesetzes, die Folgekosten nicht nur für den Bund selbst, sondern etwa auch für die anderen betroffenen Gebietskörperschaften auszuweisen. Wir haben hier mehrfach beklagt, daß diese Vorschrift aus verschiedenen Gründen vielfach gröblich und bewußt mißachtet wurde.

Die Einhaltung dieser Vorschrift wird nun perfektioniert und sichergestellt, weil sie mit Sanktionen "bewehrt" wird, nämlich der Sanktion, daß bei unterlassener Folgekostendarstellung das finanzielle Risiko jeder zu tragen hat, der in bewußter Unkenntnis trotzdem eine Entscheidung trifft. – Das ist die eine Verbesserung eines bereits bestehenden Instruments.

Eine zweite Verbesserung betrifft die seit eh und je gegebene Verhandlungspflicht nach § 5 des Finanzausgleichsgesetzes, wonach der Bund verpflichtet wäre, mit den anderen Gebietskörperschaften Verhandlungen zu führen, wenn dort durch einen Akt des Bundesgesetzgebers Einnahmenausfälle oder Mehrbelastungen anfallen.

Auch diese Verhandlungspflicht wurde in der Vergangenheit mehrfach mißachtet oder jedenfalls sehr leger gehandhabt. Sie wird nunmehr mit Verbindlichkeit und mit Konsequenzen versehen. Das heißt, der Konsultationsmechanismus tut in diesem Punkt nichts anderes, als die bisher bereits vorhandenen Instrumente zu verbessern und deren Einhaltung dadurch sicherzustellen, daß die Mißachtung der gesetzlichen Vorgaben mit Sanktionen für jenen verbunden ist, der nicht wissen will, was etwas kostet, oder der sich keine Gedanken über einen anderen macht, den es betrifft und der das zahlen soll. Das ist der der Gesetzgebung vorgeschaltete Zustand.

Unbeeinflußt bleibt der Bundesgesetzgeber Nationalrat und Bundesrat, aber auch der Landtag in seiner Funktion als Gesetzgeber, wenn er in Wahrnehmung seiner finanziellen Verantwortung etwas anderes beschließen will. Das kann er weiterhin tun. Daran ist er durch den Konsultationsmechanismus nicht gehindert.

Dieser Hinweis auf die Landtage zeigt auch schon, daß das nicht nur ein Instrument der Länder gegen den Bund ist, sondern auch ein Instrument des Bundes und vor allem der Gemeinden gegenüber dem Landesgesetzgeber. Denn alle jene von Ihnen – das ist wahrscheinlich der überwiegende Teil –, die in der Kommunalpolitik tätig sind, kennen auch die Klagen der Gemeindemandatare, daß ihnen unter anderem auch vom Landesgesetzgeber in ungebührlicher und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 73

unfairer Weise Lasten auferlegt würden, ohne daß sie sich dagegen wehren könnten. Der Konsultationsmechanismus stärkt also auch die Einflußmöglichkeiten der Gemeinden.

Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden, daß § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes ein tauglicher Ansatzpunkt wäre. So am Rande kam dann beim Zitieren heraus, daß dieser Artikel derzeit nur in eine Richtung wirkt, nämlich dann, wenn der Bund Landesgesetze beeinsprucht, und daß er keinesfalls dann anwendbar ist, wenn der Bundesrat einen Einspruch erheben würde.

Man kann jetzt lange darüber diskutieren – das geschieht auch außerhalb in einer nicht gerade vorteilhaften Weise für uns in der wissenschaftlichen Literatur, in den Landtagen und in den Medien sowieso –, daß wir dieser Aufgabe, im Interesse der Länder oder unter Umständen auch der Gemeinden gegen einen Gesetzesbeschluß Einspruch zu erheben, nicht gerecht würden. Daher waren die Länder unisono der Meinung, daß das dem Gesetzgebungsbeschluß im Nationalrat nachgelagerte Einspruchsverfahren nach den bisherigen Erfahrungen nicht den gewünschten Effekt bringe, sondern daß man sich darauf konzentrieren müsse, die Einhaltung der vorgelagerten Instrumente wirksamer zu machen.

Wir werden über den Inhalt des Vereinbarungstextes, wenn der Nationalrat den entsprechenden Beschluß gefaßt haben wird, noch ausführlich diskutieren können. Man kann über die eine oder andere Formulierung sicherlich streiten – auch auf seiten der Länder und Gemeinden sind Wünsche offengeblieben, das ist gar keine Frage –, die vorgeschlagene Lösung hat aber einen ganz großen Vorteil: Es besteht Einvernehmen darüber. Alle anderen alternativen Vorschläge, die es auch gibt und die auch ihre Vorzüge hätten – das will ich gar nicht in Abrede stellen –, haben das Problem, daß es darüber kein Einvernehmen gibt. Es gibt teilweise nicht einmal in diesem Hause ein Einvernehmen darüber, ob etwa der Bundesrat ein Einspruchsrecht oder ein Zustimmungsrecht hinsichtlich des Finanzausgleichsgesetzes oder von Bundesgesetzen mit Kostenfolgen für andere Gebietskörperschaften haben sollte. Das gibt es nicht einmal hier. Vom Nationalrat, in dem es eine Zweidrittelmehrheit bräuchte, will ich gar nicht reden.

Nun ist natürlich auch mehrfach die Sorge durchgeklungen, wozu man den Bundesrat dann eigentlich noch braucht, wenn er in dieser wichtigen Frage der Geltendmachung von Länderinteressen nicht in der von ihm gewünschten Weise eingebunden sei, wobei noch offengeblieben ist, ob der Bundesrat mehrheitsfähig wäre, einen solchen Wunsch auch tatsächlich ausdrücken zu können.

Wenn wir wollen, bleibt uns mit und neben dem Konsultationsmechanismus ein reiches Betätigungsfeld, und ich denke, daß die Länder sehr glücklich wären, wenn wir uns in einer wirkungsvollen Weise damit auseinandersetzten.

Zum einen müssen wir sehen, daß der Konsultationsmechanismus weder im Bundes-Verfassungsgesetz noch im Finanz-Verfassungsgesetz verankert wird. Er ist auch jederzeit kündbar, teilweise sogar mit einer etwas merkwürdigen Kündigungsautomatik. Eine dauerhafte Einflußnahme der Länder auf die Bundesgesetzgebung ist damit also noch nicht verbunden.

Zusätzlich muß man sehen, daß die Wirkungen des Konsultationsmechanismus vom Bund durch seine starke Stellung beim Finanzausgleich – es handelt sich immerhin nur um ein einfaches Bundesgesetz – nachträglich beeinflußt werden könnten, weil bei jedem neuen Finanzausgleich die bisher angefallenen Kostenersätze eingerechnet werden und die Länder natürlich keine Gewähr haben, daß das vollständig geschieht.

Weiters kommt zum Tragen, daß eine ganze Reihe von Fällen vom Konsultationsmechanismus ausgeschlossen ist. Das sind etwa Gesetze mit im Einzelfall geringer Kostenbelastung, die sich im Laufe der Zeit allerdings summieren könnten und durchaus eine Herausforderung für den Bundesrat sein könnten, zu sagen, in der Summe ist jetzt die Leistungskraft der Länder und Gemeinden doch überschritten, obwohl es in jedem Einzelfall nicht geltend zu machen war.

Es sind auch alle die Länder ebenfalls sehr maßgeblich berührenden Steuergesetze nicht erfaßt, die einen großen Teil der Bundesgesetzgebung ausmachen, und es sind Kostenbelastungen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 74

nicht erfaßt, von denen Länder und Gemeinden – wie jeder andere Rechtsträger auch – betroffen sind.

Der Konsultationsmechanismus beschränkt sich also auf ein ganz enges Segment von besonders sensiblen Gesetzen für die Länder und Gemeinden, läßt aber einen großen Teil der Bundesgesetzgebung nach wie vor unberührt. Ich will jetzt gar nicht auf die Probleme eingehen, die sich in der Praxis bei der Anwendung ergeben können. Dieses neue Instrument muß sich sicherlich erst bewähren, und die Länder müssen dort, wo es vorher nicht funktioniert hat, auf den Bundesrat zurückgreifen können.

Von Bedeutung ist das Einspruchsrecht des Bundesrates schließlich auch weiterhin in jenen Fällen, die für die Länder zwar keine unmittelbaren Kostenfolgen für die Vollziehung haben, dort aber doch nachteilige Wirkungen haben. Ich erinnere nur an das hier heftig diskutierte Paßgesetz, das ohne jeden Zweifel – angenommen, es wäre zu dieser Zentralisierung der Paßausstellung gekommen – keine nachteiligen Auswirkungen auf die Kostensituation der Länder gehabt hätte. Man kann sogar sagen, es wäre eine Entlastung gewesen. Trotzdem war es ein Gesetz, das die Interessen der Länder, der Gemeinden und ihrer Bürger ganz maßgeblich betroffen hat. Wir haben hier im Bundesrat durch die Diskussion und die in Aussicht stehende Möglichkeit eines Einspruches doch erreicht, daß es bei dem bisherigen, durchaus bewährten Verfahren geblieben ist. – Das ist ein Musterbeispiel eines Gesetzes, das vom Konsultationsmechanismus in keiner Weise zu beeinflussen gewesen wäre.

Schließlich gilt das Einspruchsrecht des Bundesrates als maßgebliches Instrument der Länder auch in jenen Fällen, in denen der Nationalrat unter Inkaufnahme der Kostentragungspflicht für den Bund eine für die Länder auch sonst nachteilige Regelung beschließen will. Auch hier kann es im Interesse der Länder sinnvoll sein, noch etwas dazu zu sagen.

Ich will jetzt auch nicht weiter darauf eingehen, daß die Länder zu vielen Bundesgesetzen nicht aus Gründen der Kostenbelastung, sondern aus ganz anderen Interessen Bedenken äußern. Ich nenne nur etwa die Besorgnisse, die es da und dort gibt, wenn beispielsweise die Eigenständigkeit der Gebietskrankenkassen weiter beschnitten werden soll und vieles andere mehr. Auch solche Gesetze unterliegen nicht dem Konsultationsmechanismus und können im wesentlichen nur hier für die Länder in einer günstigen Weise beeinflußt werden.

Als letztes bleibt noch völlig offen und ist bei allen Hinweisen auf notwendige Alternativen oder die Überflüssigkeit des Bundesrates gänzlich unbeantwortet: Was geschieht mit jenen Bundesgesetzen und Bundesverfassungsgesetzen, mit denen die Gesetzgebungszuständigkeit der Landtage beschnitten wird?

Sie unterliegen nicht dem Konsultationsmechanismus, und in all diesen Fällen haben die Länder keinen anderen Schutz. Man kann auch hier über Alternativen diskutieren, aber es gibt sie nicht im Rechtsbestand. Im Rechtsbestand gibt es nur den Schutz durch das Zustimmungsrecht des Bundesrates.

Ich lasse nun ohne weiteres den Eindruck gelten, daß wir bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben, die uns weiterhin zukommen werden, sehr gefordert sein werden, auch gemessen an dem, was der Bundesrat bisher geboten hat und was auch mit dazu geführt hat, daß die Länder im Zweifel lieber auf die eigene Stärke und die Einflußnahme im Konsultationsmechanismus vertrauen als auf das Einspruchsrecht des Bundesrates. Jedenfalls würde ich es für wichtig halten, daß wir uns, bevor wir am Bund, wenn er Länderforderungen erfüllt, Kritik üben, selbst auch damit befassen und das für die Zukunft stärker im Auge haben, wie wir dort, wo wir die exklusiven Möglichkeiten der Vertretung von Länderinteressen haben, diese auch stärker wahrnehmen. Wenn wir das gemeinsam betreiben, werden wir den Interessen der Länder einen besseren Dienst erweisen, als wenn wir die anerkennenswerterweise erfolgten Bemühungen des Bundes und des Bundeskanzlers in dieser Hinsicht in Frage stellen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.02


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 75

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Albrecht Konečny. Ich erteile es ihm.

17.02

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir sind mit einer jener dringlichen Anfragen konfrontiert, die unabhängig vom Anlaßfall versuchen, sich ihre eigene Wirklichkeit zurechtzureimen. Kollege Tremmel hat vom Parlament als Apportiermaschine gesprochen, was an sich eine keine sehr freundliche Bezeichnung ist. Ich kann ihm das gerne zurückgeben. Die einzige Apportiermaschine, die da funktioniert, ist die FPÖ. Sie hat nämlich immer dann einen Beißreflex, wenn die Regierung handelt. (Beifall bei der SPÖ.)

Denn was in der Fragestellung – der Herr Bundeskanzler hat selbstverständlich in seiner Antwort darauf hingewiesen – völlig untergeht, ist, daß wir vor einer völlig neuen Aufgabenstellung stehen, bei der drei Ebenen staatlichen Handelns als eine Einheit zu sehen sind, bei der nicht mehr – und das jetzt gegenüber der Europäischen Union – die Regierung eine Staatsschuld, eine Landesregierung eine Landesverschuldung oder ein Budgetdefizit und Gemeinden ihren eigenen Schulden- oder Nichtschuldenberg zu vertreten haben, sondern in deren Rahmen die in dieser Form bei uns verfassungsrechtlich gar nicht vorhandene ökonomische Einheit Österreich in einer bestimmten Art und Weise in die Pflicht genommen wird. Da soll natürlich der Versuchung ein Riegel vorgeschoben werden, sich bei einem gegebenen knappen Rahmen den "Schwarzen Peter" gegenseitig zuzuschieben – die Versuchung wird es wohl im politischen Prozeß geben –, denn es sind ja auch – und davon haben Sie gar nicht gesprochen – solidarisch die Folgen zu tragen, wenn tatsächlich etwas schiefgeht. Es ist ja kein Zufall, daß in dieser Vereinbarung ausdrücklich auch die Absicht beinhaltet ist, eine weitere Vereinbarung zu schließen, die klarstellt, wie allfällige negative Folgen, etwa Strafzahlungen, in jenem Fall zu begleichen sind, wenn die Wirtschaftsgesamtheit Österreichs die gesetzten Stabilitätsziele verpaßt.

Ich glaube, daß wir es hier mit einem tauglichen Versuch zu tun haben, das zu erreichen. Ich verhehle dabei überhaupt nicht – und das gehört zur demokratischen Spannweite in einer Diskussion –, daß der Vorschlag, mit dem meine eigene Partei in diese Debatte hineingegangen ist, sehr wohl die parlamentarische Ebene in den Mittelpunkt stellen wollte. Aber ich sage auch durchaus selbstkritisch: Föderalismus zu definieren ist nicht irgend jemandes Recht, der es sich arrogiert, da dürfen die Länder ein bisserl mitreden. Ich würde es nicht für die Aufgabe eines Bundesrates oder des Bundesrates halten, den demokratisch legitimierten Vertretern der Bundesländer zu erzählen, was Föderalismus ist. Wenn die Landeshauptleute sich hier geistig in einer anderen Richtung bewegt haben, dann war das zwar im Widerspruch zu den Vorschlägen, die die Sozialdemokratie vertreten hat, aber es ist als eine legitime Stimme in einem derartigen Interessenausgleich zur Kenntnis zu nehmen.

Wir haben also eine Lösung gefunden, die selbstverständlich vom Parlament, das heißt, von beiden Kammern dieses Parlaments, sehr kritisch und durchaus gegen das Licht gehalten überprüft werden muß. Aber auch bei der gründlichsten Prüfung wird nicht herauskommen, daß das drinsteht, was Kollege Tremmel unterstellt hat. Es ist ja nicht so, daß die parlamentarische Initiative, auch jene, die kostenträchtig ist, nun unmöglich gemacht wird. Was klargestellt wird, ist, daß im Rahmen der eigenen Kostentragung der Landtag, der Nationalrat und der Bundesrat beschließen können, was ihnen vernünftig erscheint. Sie können nur nicht zu Lasten der anderen Ebenen der staatlichen Gemeinschaft handeln.

Es ist zugegebenermaßen eine Reihe von Jahren her, daß ich noch auf einer der Wiener Wiesen, die es damals noch häufiger gab, Fußball gespielt habe. Dabei gab es eine eherne Regel unter uns Buben "Schütze läuft". Wenn jemand einen besonders riskanten Versuch unternommen hat, das Tor mit der entsprechenden Kraft seines Fußes zu treffen, hat er das unter dem Risiko getan, dann relativ weit den Hang hinunterlaufen zu müssen und den Ball wieder zurückzutragen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 76

Also dieses Recht des "Schütze läuft" ist dem Parlament vollinhaltlich gegeben. Wir haben unseren Wählern auf Landtags- und Bundesebene zu erklären, daß wir eine Umschichtung von Budgetmitteln vielleicht aus sehr guten Gründen vornehmen. Aber daß der Nicht-Schütze laufen muß, daß also wir die Länder oder die Länder die Bundesebene durch Gesetzesbeschlüsse belasten, das kann sicherlich nicht im Sinne eines solchen, unter strengen Kostengesichtspunkten stehenden Zusammenarbeitens ermöglicht werden oder als sinnvoll erscheinen.

Ich sehe darin nun wahrlich keine Einschränkung irgendeines der demokratischen Rechte, auch wenn es sicherlich richtig ist, daß wir die Praxis, die da dazugehört, allesamt erst erlernen müssen. Ich behaupte nicht, daß in dieser Vereinbarung nichts enthalten sein kann, was sich nicht irgendwo auch einmal als Hemmschuh herausstellt.

Das macht diese relativ begrenzte Regelung sinnvoll. Sie soll auch weiterentwickelt werden können, so wie wir in vielen anderen Fällen unsere Verfassungsrealität, unseren Verfassungstext, aber auch die politische Wirklichkeit in unserem Land genauso weiterentwickelt haben.

Kollege Tremmel – ich habe mich darüber sehr aufgeregt, ich gebe das zu – hat von einem Ermächtigungsgesetz gesprochen. Wissen Sie, es gibt bestimmte Vokabel, die einen ganz konkreten historischen Bedeutungsinhalt haben. (Bundesrat DDr. Königshofer: Das ist Ihnen unbenommen! – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Herr Kollege, was mir unbenommen ist, ist meine Entscheidung, ich brauche Ihre Erlaubnis nicht. Sie halten zum Thema Ermächtigungsgesetz am besten den Mund, sonst fällt mir noch etwas ein. Sie glauben ja alles, was dogmatisch vorgeschrieben ist, ich weiß schon. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht dogmatisch vorgeschrieben, sondern die historische Wahrheit ist, daß es sich dabei um jenes Gesetz handelt, mit dem die nationalsozialistische deutsche Parlamentsfraktion mit einigen Anhängseln den Reichstag nach Hause geschickt hat. Dieser Vergleich, Herr Kollege Tremmel, ist eine Frechheit, eine Anmaßung und eine Beleidigung jedes Demokraten in diesem Haus! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Tremmel: Es war das Kriegswirtschaftsermächtigungsgesetz 1914 gedacht! Unterstellen Sie mir nicht etwas!)

Herr Kollege! Wenn Sie ausnahmsweise einmal zugehört hätten, dann hätten Sie bemerkt, daß ich von Deutschland gesprochen habe. (Bundesrat Dr. Bösch: Aber wir nicht!) Das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz war ein österreichisches Gesetz. Kein Mensch verwechselt das außer Ihnen. (Bundesrat Dr. Bösch: Sie verirren sich, Herr Kollege!) Ich verirre mich überhaupt nicht.

Herr Kollege! Sie haben sich eine Geschmacklosigkeit geleistet, die kaum zu überbieten ist. Wer dieser Vorlage, wenn sie dann in dieses Haus kommt, zustimmt, stimmt keinem Gesetz oder keiner Regelung zu, mit der die Demokratie in diesem Land angetastet wird. Wer einer solchen Regelung nach gründlicher Beratung und vielleicht auch mit der einen oder anderen Änderung zu guter Letzt zustimmt, versucht, einen Beitrag dazu zu leisten, daß wir einheitlich als wirtschaftliche Einheit Österreich, als fiskalische Einheit Österreich Disziplin halten, daß wir ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander entwickeln, aber sicherlich nicht dazu, irgend etwas, was die Demokratie in unserem Land ausmacht, einzuschränken.

Wir haben – darüber ist sicherlich zu sprechen – die Frage zu stellen, welche Funktionen wir dann haben, wenn wie in diesem Fall der Bundesrat nicht letztlich von den Ländern aufgefordert oder eingeladen wurde, ihre Interessenvertretung zu übernehmen. Ich habe – darüber hat es viele Debatten gegeben – die föderalistische Rolle des Bundesrates nie so eng gesehen, daß wir ausschließlich eine Interessenvertretung und vielleicht sogar ein Auftragsnehmer hinsichtlich politischer Vorstellungen in je einem oder auch in mehreren Bundesländern sind.

Föderalismus hat schon viele verschiedene Ebenen, und – wie auch Kollege Weiss in einer Reihe von Beispielen angeführt hat – von diesen vielen Ebenen sind auch noch viele frei für uns, denn es geht ja nicht darum, zu sagen: Wir sind die einzigen, die legitime Interessen außer halt der bundes- oder zentralstaatlichen Ebene in diesem Land vertreten. – Ich habe auch immer ein Problem damit, wenn Sie davon sprechen, daß dieses Parlament nur etwas unterschreibt. Ein politischer Prozeß ist doch so etwas wie eine Konsensfindung. Ich stehe vorbehaltlos dazu, in


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 77

Gesetzen komplizierte Materien, die etwa zwischen Sozialpartnern ausverhandelt sind, zu denen ein breiter gesellschaftlicher Konsens erzielt wurde, mit einer Zustimmung in einer parlamentarischen Körperschaft zu ratifizieren. Das ist ein gutes Stück unserer demokratischen Wirklichkeit, daß wir hier nicht rechthaberisch als Parlamentarier darauf bestehen, klüger zu sein als die Betroffenen, die untereinander einen Kompromiß finden müssen. Das nehme ich auch für diesen Fall der föderalistischen Interessenvertretung in Anspruch.

Aber lassen Sie mich noch etwas sagen, und ich muß mir jetzt dann noch kurz Ihre Anfrage zur Hand nehmen, weil Sie da auch so eines dieser starken Vokabel, die bei Ihnen so in Mode sind, verwendet haben. Ich würde mich das nie zu sagen trauen.

Sie schreiben, daß die Regierung ganz offensichtlich mit Hilfe dieser Vorlage eine Entmündigung – Entmündigung! – der Opposition beziehungsweise des Parlaments beabsichtigt, und begründen das damit, daß laut dieser Vereinbarung aufgrund einer Formel oder eines Berechnungsmodus, der nun tatsächlich vom Bundesministerium für Finanzen ausgehen soll, festgelegt werden soll, wie Mehrkosten einer entsprechenden Initiative zu berechnen sind.

Also anders ausgedrückt: Es soll einen einheitlichen Raster geben, mit Hilfe dessen man festlegt, was nun wirklich eine Initiative finanziell bewirkt. Ich nehme an, daß es dabei nicht um die verfassungsrechtliche Festlegung der Grundrechnungsarten geht, sondern um die Anwendung jenes Erfahrungsschatzes, der in vielen Jahren der Durchführung von Gesetzesbeschlüssen, von Verordnungen und ähnlichem in der Exekutive – und das bitte wirklich in der Exekutive – angesammelt wurde.

Wenn ich mir anschaue, wie selbst bei Regierungsvorlagen locker mit den Kostenschätzungen, die da am Vorblatt stehen, umgegangen wird, dann scheint mir das notwendig und unverzichtbar zu sein, weil ansonsten diese Debatte über Mehrkosten und deren Tragung überhaupt nicht geführt werden kann.

Jetzt zu einem abwesenden Redner, aber man wird ihm das wohl ausrichten. Der liebe Kollege Tremmel – aber es wurde auch in der Begründung der Anfrage darauf eingegangen – hat sich in den Oppositionsrechten eingeschränkt gesehen.

Sehen Sie, Herr Kollege, ich hätte nie gewagt, von Entmündigung zu sprechen. Aber wenn ich mir überlege, daß von den Freiheitlichen der Vorschlag gekommen ist, eine auf Dauer wirksame, jedes Jahr wirksame Steuersenkung durch die Auflösung einer Rücklage, die man einmal auflösen kann, zu bedecken, dann, so muß ich sagen, wäre ich eigentlich dafür, daß wir die Grundrechnungsarten verfassungsmäßig verankern und sie auch Initiativanträgen aufpelzen. So, wie Sie pausenlos rechnen, läßt sich mathematisch nicht rechnen, sondern nur politisch. Ich kann Ihnen Dutzende von Beispielen für diese eigenartige Mathematik vorlegen, die nach dem Motto funktionieren: Was wir Freiheitlichen einführen wollen, kostet grundsätzlich nichts. Was wir Freiheitlichen einsparen wollen, sind grundsätzlich ein paar Dutzend Milliarden.

Keine dieser Zahlen hält irgendeiner Überprüfung stand. Ich verstehe schon, daß Sie dagegen sind, daß es einen Rechnungsraster geben soll, der solche Vorschläge, wenn sie etwa in Initiativanträgen enthalten sind, nach allgemeinen Grundsätzen der Mathematik und der Rechnungsführung überprüfbar macht. Da rennen Sie ja um Ihr eigenes politisches Leiberl! Das wird Ihnen hier sozusagen weggenommen! Da verlieren Sie den Argumentationsboden unter den Füßen! Ich verstehe Ihre Erregung. (Bundesrat Dr. Tremmel: Schauen Sie, daß Sie Ihr Leiberl behalten!) Herr Kollege! Ich rede von Ihrem Argumentationsleiberl. Es mag sein, daß Sie das schon innerlich ausgezogen haben, das ist ja bei Ihnen nicht ganz deutlich zu sehen. Aber entscheidend ist, daß ab dem Moment, in dem wir eine ehrliche Waage haben, Vorschläge von allen, auch von Ihnen, mit den gleichen Gewichten gewogen werden. Ich gebe zu, davor könnte man von Ihrer Seite durchaus Angst haben.

Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Es gibt eine Initiative, über die gründlich zu reden sein wird. Wir haben diese Vorlage jetzt im Nationalrat. Der Präsident des Nationalrates hat heute mitgeteilt, daß im April eine Generaldebatte im Verfassungsausschuß des Nationalrates stattfinden soll und daß dann ein Unterausschuß eingesetzt werden wird. Der Bundesrat oder Mitglie


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 78

der des Bundesrates sollten zweifellos die Möglichkeit nützen, an dieser Generaldebatte teilzunehmen.

Es kann uns niemand daran hindern, uns, wenn auch außerhalb unserer Geschäftsordnung – es liegt von uns ein Vorschlag vor, daß das auch innerhalb der Geschäftsordnung möglich sein sollte –, jetzt schon mit diesem Thema zu beschäftigen. Das wird auch bei uns seine Zeit brauchen. Und da gebe ich Ihnen sogar recht, ich möchte das nicht unbedingt 14 Tage nach dem Nationalratsbeschluß beschließen müssen, wenn wir nicht jetzt darüber außerhalb der Geschäftsordnung nachzudenken und zu debattieren beginnen. Es wird Zeit sein, diese Initiative grundsätzlich zu überprüfen, nachzudenken, vielleicht auch das eine oder andere zu verbessern. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Nur: All das, was Sie an Gefahren und negativen Möglichkeiten in Ihrer dringlichen Anfrage und deren Begründung formuliert haben, ist darin nicht zu finden. Sie werden sehen, daß es ein guter Schritt in Richtung finanzielle Disziplin in einer stabilen Zukunft ist und sonst nichts. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zum Wort gemeldet ist Herr Dr. Böhm. – Bitte.

17.20

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich versuche, jetzt wieder den Boden der Sachlichkeit zu betreten.

Unsere dringliche Anfrage betreffend den Konsultationsmechanismus und den Bundesrat versteht sich im größeren Zusammenhang der sogenannten "Bundesstaatsreform". Ich spreche bewußt von "sogenannter Reform", ist doch schon höchst fraglich, ob die von der Bundesregierung im Juni 1994 vorgeschlagene Neuordnung der Kompetenzverteilung überhaupt als eine echte Bundesstaatsreform einzustufen ist. Nimmt man Begriffe nämlich ernst, kann als "Reform" doch zweifellos nur eine Veränderung zum sachlich Besseren hin verstanden werden. Wäre aber die vorgesehene Regierungsvorlage einer Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle in diesem Sinne überhaupt ernsthaft als qualitativer Fortschritt zu bewerten? Wäre sie wirklich ein Ausbau unseres föderalistischen Systems, das anerkanntermaßen und unbestrittenermaßen im internationalen Vergleich mit echten Bundesstaaten an sich schon äußerst unterentwickelt ist? (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Eine Bundesstaatsreform, die ihren Namen verdient, müßte ja das grundlegendste Reformvorhaben seit der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle von 1929 und seit dem Beitritt Österreichs zur EU darstellen. Daß übrigens der Beitritt zur EU, der den Status der österreichischen Bundesländer nochmals um eine Ebene reduziert hat, an sich bereits die umfassendste Änderung unserer Bundesverfassung bedeutete, wurde ja ungeachtet der gerade deshalb und nur deshalb obligatorischen Volksabstimmung – der einzigen, die wir bisher diesbezüglich hatten – in einer demokratietheoretisch wie -politisch höchst bedenklichen Vorgangsweise vor dem Volk völlig verschleiert! Eben dieser Funktions- und Kompetenzverlust verstärkte ja den Ruf nach Kompensationen zugunsten der Länder.

Aber zurück zur Regierungsvorlage: Die nachteiligen Auswirkungen der bisher vorgesehenen Kompetenzverschiebungen auf die Aufgaben der gesetzgebenden Körperschaften und die parlamentarischen Kontrollrechte sind so evident wie exorbitant. Das gilt schon für die politische Kontrolle des Nationalrates, die unbestrittenermaßen nur gegenüber der Vollziehung des Bundes besteht. Sie entfällt in weiten Teilen endgültig aber bereits dann, wenn die mittelbare Bundesverwaltung durch die autonome Landesverwaltung ersetzt werden sollte. So sehr das an und für sich gerade vom föderalistischen Standpunkt aus zu begrüßen wäre – diese Verschiebung von der mittelbaren Bundesverwaltung auf die Landesverwaltung – und so wenig uns daher auf den ersten Blick die verbleibende Funktion des Nationalrats in unserer Eigenschaft als Länderkammer zu interessieren braucht, wird doch zugleich auch daran deutlich, daß sich die Gewaltenteilung unverkennbar von der Legislative zur Exekutive verschiebt! Kontrollrechte, die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 79

nicht einmal mehr dem Nationalrat zustehen, kommen dann in der gegenwärtigen Konstellation umso weniger dem Bundesrat zu. Mit anderen Worten: Es würde in Zukunft die Vollziehung des Landes, selbst wenn sie auf Bundesgesetzen beruht, nur noch vom Landtag kontrolliert.

Zum Ausgleich dafür spricht Artikel 102 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung der Regierungsvorlage der Bundesregierung und den jeweils befaßten Bundesministern die Befugnis zu, durch Bundesorgane in die Akten der Landesbehörden Einsicht zu nehmen, die Übermittlung von Berichten über die Praxis der Vollziehung zu verlangen, bei der Vorbereitung der Erlassung von Gesetzen und Verordnungen alle Auskünfte zu verlangen und in bestimmten Fällen Auskünfte und die Vorlage von Akten zu verlangen, soweit dies zur Ausübung anderer Befugnisse notwendig ist. Diese genannten Informationsrechte gegenüber den Behörden der Landesverwaltungen sollen die legislative Verantwortung des Bundes mit aufrechterhalten. Vornehm wird dabei allerdings übersehen, daß nicht die Bundesregierung, sondern der Nationalrat und der Bundesrat die Gesetzgebungsorgane des Bundes sind!

Der anerkannte Staatsrechtler Professor Öhlinger – er wird der Fraktion der SPÖ nicht ganz unbekannt sein – moniert daher zu Recht (Bundesrat Dr. Schambeck: Obwohl er einst mein Mitarbeiter war!) – ich schätze ihn sehr (Bundesrat Dr. Schambeck: Ich auch!) –, und ich zitiere wörtlich –: "(Es) sollte doch auch der eigentliche ,Gesetzgeber‘ über die Möglichkeit verfügen, sich über die Vollziehung ,seiner‘ Gesetze zu informieren." – Zitatende.

Der Nationalrat – und indirekt und danach der Bundesrat – ist damit auf jenen Informationsstand angewiesen, den sich zuvor die Bundesregierung verschafft hat. Zudem bleibt bis heute offen, ob das parlamentarische Interpellationsrecht die Amtsverschwiegenheit der Bundesregierung zu überwinden und die Akteneinsicht zu erzwingen vermag. Die Sache ist umstritten. Insofern würden die Kontrollrechte des Parlaments auf den Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung eingeschränkt. Der Vollzug von Bundesgesetzen durch das Land wäre also ausschließlich von der Bundesregierung und nicht mehr vom Bundesgesetzgeber kontrolliert.

Im Gegensatz dazu müßten die angesprochenen Informations- und Kontrollrechte der Legislative zugewiesen werden. Freilich müßten meines Erachtens auch die mit der Ausarbeitung von Regierungsvorlagen zu Materien im Bereich des Artikels 11 B-VG – die also von der Landesregierung zu vollziehen sind – betrauten legislativen Fachabteilungen von den Bundesministerien auf das Parlament übertragen werden.

Nach dem gegenwärtigen Stand verletzt also die nur mit Etikettenschwindel als "Bundesstaatsreform" verkaufte Regierungsvorlage eindeutig das verfassungsgesetzliche Grundprinzip der Gewaltenteilung und baut demgemäß den Föderalismus, soweit überhaupt, allein durch die Stärkung des Verwaltungsapparats auf Landesebene aus!

Was uns aber schon aus Gründen unserer Selbstachtung als Gesetzgebungsorgan in der Funktion einer Länderkammer primär interessieren müßte, ist die sogenannte Bundesratsreform. Aus unser aller Mitte sind denn auch seriöse und sachgerechte Vorschläge zu einer solchen erstattet worden, die jedoch in der entsprechenden Regierungsvorlage nicht den geringsten Niederschlag gefunden haben. (Bundesrat Dr. Tremmel: Ganz richtig!)

Dazu gehörten folgende Vorschläge – ich bin dabei nicht taxativ –: Dem Bundesrat sollte in Zukunft noch vor der Beschlußfassung im Nationalrat Gelegenheit zur Stellungnahme zu Gesetzesvorhaben geboten sein, egal, ob diese nun als Regierungsvorlagen oder als Initiativanträge des Nationalrates eingebracht worden sind. An Beratungen in Nationalratsausschüssen über eigene Anträge des Bundesrates oder über Einsprüche des Bundesrates gegen Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates sollte ein Mitglied des Bundesrates mit beratender Stimme beteiligt sein. Die Vorberatung eines Gesetzesantrags des Bundesrates sollte innerhalb von sechs Monaten nach Zuweisung an den zuständigen Ausschuß beginnen müssen. – Ich könnte eine Reihe weiterer Vorschläge bringen.

Meine Fraktion ging aber in ihrem bundesstaatlichen Konzept noch erheblich weiter: Dem Bundesrat sollte nicht länger ein bloß suspensives Vetorecht zukommen, das durch einen Beharrungsbeschluß des Nationalrates ohne weiteres außer Kraft gesetzt werden kann; vielmehr


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 80

sollte in Zukunft ein Einspruch des Bundesrates einen legislativen Kooperationsmechanismus auslösen: Ein Vermittlungsausschuß, der von beiden Kammern paritätisch beschickt ist, hätte sich um einen die Interessen von Bund und Ländern ausgleichenden politischen Konsens zu bemühen.

Was sieht demgegenüber die aktuelle Regierungsvorlage vor? – Jedenfalls keine Reform des Bundesrates und schon gar keine Aufwertung seiner derzeit bundesstaatlich völlig unzulänglichen Bedeutung! Vielmehr verankert sie in Artikel 105 Abs. 2 explizit eben jene Landeshauptleutekonferenz, die bereits heute außerhalb der geschriebenen Verfassung existiert und schon bisher als eklatanter Verstoß gegen das gewaltenteilende Prinzip zu werten ist!

Daß eine dann erstmals verfassungsgesetzlich gedeckte Landeshauptleutekonferenz als ausschließliche Interessenvertretung der Bundesländer das realpolitische Gewicht des Bundesrates als Länderkammer noch weiter verringern würde, versteht sich doch geradezu von selbst. Der föderalistische Ausgleich politischer Interessen spielte sich dann ja nur noch zwischen Bundesregierung und Landeshauptleutekonferenz ab! Nur noch am Rande und demokratiepolitisch gewiß legitim sei darauf hingewiesen, daß es ein solcher Mechanismus auch ermöglicht, die parlamentarische Opposition völlig auszuschalten. Offenbar ist eben das erwünscht und gewollt.

Fast schon naiv mutet so besehen die an sich treffende Bemerkung eines nicht unserer Fraktion zugehörenden oppositionellen Kritikers an, der folgendes hervorhebt – ich zitiere –: "Wie schon bei der Frage der Schaffung einer Landesverwaltungsgerichtsbarkeit überrascht die Zurückhaltung der Verhandlungsführer der Länder bei der Diskussion um eine Stärkung der Stellung des Bundesrates, stellt doch die Beteiligung einer Länderkammer an der Gesetzgebung des Bundes ein konstitutives Merkmal eines Bundesstaates dar.

Die Verhandler der Länder ließen sich offenbar weniger von prinzipiellen föderalismuspolitischen Vorstellungen als von pragmatischen Überlegungen zum Ausbau ihrer eigenen Machtstellung leiten." – Zitatende.

Mit Recht wird auch hervorgehoben, daß, wenn schon nicht eine Direktwahl der Abgeordneten zum Bundesrat vorgesehen ist, das Abgehen von der Aufgliederung nach Fraktionen statt nach Ländern, die umgehende Ausweitung der echten Zustimmungsrechte des Bundesrates und seine intensivere Einbindung in Fragen der Europäischen Integration für einen ernstgenommenen Föderalismus unverzichtbar ist!

Die hier besprochene Regierungsvorlage trägt nach alldem weder zu einer Bundesstaatsreform noch zu einer Bundesratsreform oder gar zu einer Verbesserung des Rechtsschutzes des einzelnen Bürgers bei. Der Nationalrat und mit ihm der Bundesrat würden jedenfalls von der politischen Kontrolle eines wesentlichen Teils des vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst geschaffenen Rechtsbestandes ausgeschlossen werden.

Wenn es in bezug auf die Verschiebung staatlicher Kompetenzen und damit verbundenes politisches Gewicht einen "Gewinner" gibt, so trifft das zwar für die Landeshauptleute zu; ein unserem Verfassungskonzept verpflichteter gewaltenteilender Rechtsstaat und ein entsprechend organisierter Bundesstaat und Bundesrat aber wären zweifellos die "Verlierer"!

Ich verweise auf eine jüngst veröffentlichte sehr nachdenkliche und kritische Schrift meines renommierten Kollegen Theodor Tomandl mit dem Titel: "Rechtsstaat Österreich – Illusion oder Realität". (Der Redner hält ein Buch in die Höhe.) Sie wurde jüngst im Parlament unter der Schirmherrschaft von Präsidenten Neisser präsentiert. Im Kapitel, das er wörtlich mit "Problemkind Bundesstaat" umschreibt, kommt er auf unser Haus zu sprechen.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Professor Tomandl, der Ihnen gewiß nahesteht, führt wörtlich folgendes aus: "Ein besonders trauriges Kapitel des Bundesstaates Österreich ist der als Ländervertretung im Parlament konzipierte Bundesrat. Er konnte trotz unzähliger Belebungsversuche weder in der Ersten noch in der Zweiten Republik jemals eine nennenswerte Bedeutung erlangen." (Bundesrat Dr. Schambeck: Wer hat das gesagt?) Professor Tomandl. (Bundesrat Dr. Schambeck: Er ist Professor für Arbeitsrecht und sicherlich ...!) Nun, soviel wie


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 81

hier die wenigen Juristen darf er als Rechtstheoretiker ja wohl auch ausführen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schambeck. – Bundesrat Dr. Tremmel: Aber immerhin hat sein Buch Präsident Neisser vorgestellt!) Ich mache gerne kostenlose Werbung dafür.

Ich zitiere weiter: "Der Hauptgrund dürfte darin liegen, daß er von denselben politischen Parteien wie der Nationalrat gesteuert wird. Und die Erfahrung zeigt, daß in Österreich zumindest im Gesetzgebungsverfahren die parteipolitischen Interessen gegenüber regionalen Interessen klar dominieren. Die praktische Funktion des Bundesrates besteht hauptsächlich darin, das Gesetzgebungsverfahren zu verlängern. ... Die wirklichen Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern finden nicht im Bundesrat statt, sondern innerhalb der großen politischen Parteien und zwischen Bundesregierung und Landesregierungen beziehungsweise Landeshauptleuten, vor allem bei den Finanzausgleichsverhandlungen." – Zitatende.

Als symptomatisch bezeichnet es der Autor auch zu Recht, daß die Forderungsprogramme, mit denen die Bundesländer vom Bund mehr Kompetenzen verlangten, nicht vom Bundesrat, sondern von der in Wien angesiedelten Verbindungsstelle der österreichischen Bundesländer entworfen wurden, also erneut von einer in der Verfassung gar nicht vorgesehenen Organisation unter der Ägide der Verwaltung und nicht der föderal strukturierten Gesetzgebung.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nehmen wir daher endlich die uns zugewiesene Aufgabe im Dienste des Bundesstaates und damit auch uns selbst ernst und dringen wir endlich darauf, daß auch der Bund und nicht zuletzt die Bundesregierung und die sie tragende politische Mehrheit das Baugesetz des bundesstaatlichen Prinzips ehrlich verwirklichen, das heißt: den Bundesrat als echte und funktionsfähige Länderkammer ausgestalten.

Ich darf noch abschließend an Sie, sehr geehrter Herr Staatssekretär, in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers, der leider nicht mehr anwesend ist, die Frage richten: Halten Sie es für möglich, den Konsultationsmechanismus im Rahmen des Bundesrates einzurichten, und sehen Sie Möglichkeiten, durch eine Reform des Bundesrates und durch eine Aktivierung des Ständigen Finanzausschusses zwischen Nationalrat und Bundesrat denselben Effekt zu erreichen, wie ihn der Konsultationsmechanismus erzielen soll? – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile es ihm.

17.36

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Ich habe schon in allen Gremien meiner Partei zum Konsultationsmechanismus sehr kritisch Stellung genommen und möchte mich deshalb auch hier, wenn darüber diskutiert wird, nicht verschweigen. Meiner Auffassung nach sollte die Vorlage dieses Bundesverfassungsgesetzes vor Abstimmung im Nationalrat einer gründlichen Kontrolle und Untersuchung durch die Verfassungsjuristen des Bundeskanzleramtes unterzogen werden.

Unsere Bundesverfassung wurde in Zeiten großer Not und in Zeiten einer lebhaften Erinnerung an Unruhen und Kriege in unserem Lande gemacht. Österreich ist mit dieser Verfassung zu einem Land mit hohem Wohlstand, großer Sicherheit und Ordnung herangereift. Ich möchte deshalb als Mitglied des österreichischen Parlamentes davor warnen, die Grundsätze dieser Verfassungsordnung zu ändern, wohl wissend, daß ich mir damit bei meinen Landesregierungsmitgliedern keine besonderen Freunde mache. Der Konsultationsmechanismus rüttelt in der vorliegenden Form der Regierungsvorlage an den grundlegenden Prinzipien unserer Verfassung, nämlich, wie bereits oft gesagt wurde, an der Trennung von Exekutive und Legislative. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Regierung beschließt praktisch mit Verfassungsabsicherung finanzielle Angelegenheiten, die das Parlament dann zu beschließen hat. Das bedeutet eine Einschränkung der parlamentarischen Entscheidungsfreiheit. Die Nationalräte werden praktisch gezwungen, so abzustimmen, wie es die Bundesregierung mit den Landesregierungen vereinbart hat. Gegen einen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 82

Konsultationsmechanismus, zu dem sich die jeweiligen Exekutivorgane – Gemeinden, Städte, Länder, mit dem Bund – freiwillig bekennen, ist nichts einzuwenden.

Welche Probleme der Konsultationsmechanismus bereits, bevor er beschlossen ist, aufwirft, zeigt eine Aussage eines Landesregierungsmitglieds von vor zwei Wochen, die folgendermaßen lautete: Wir haben große Probleme, den Konsultationsmechanismus, der von den Gemeinden angestrebt wird, in Sachen Krankenhausfinanzierung abzuwenden.

Meiner Auffassung nach besteht derzeit für die Landesregierungen ausreichende Möglichkeit, die Finanzverhandlungen nach ihren Wünschen zu gestalten: Neben der Landeshauptmännerkonferenz gibt es die Landesamtsdirektorenkonferenz, die Landesfinanzdirektorenkonferenz und viele andere Verhandlungsgremien, die, wenn sie entsprechend genützt werden, schon jetzt ausreichend Möglichkeiten bieten, die Interessen der Länder und der Gemeinden gegenüber dem Bund durchzusetzen.

Gerade das Beispiel der Krankenhausfinanzierung bei mir in Tirol nährt meine Befürchtung, daß bei exzessiver Ausnützung dieses Bundesverfassungsgesetzes betreffend den Konsultationsmechanismus die große Gefahr besteht, daß unser Land fast unregierbar wird.

Erlauben Sie mir auch einen Satz zur Bundesstaatsreform: Sollte Italien seine Vorhaben zur Föderalisierung durchführen, dann könnten wir in Österreich nur beschämt eine Anregung in Sachen Föderalismus vom Zentralstaat Italien einholen. In Italien will man nun sehr rigoros einen Föderalismus einführen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

17.41

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach. Ich erteile es ihr.

17.41

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Entwurf einer Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und dem Gemeinde- und dem Städtebund betreffend die Einrichtung eines Konsultationsmechanismus, welcher der heutigen dringlichen Anfrage der Freiheitlichen zugrunde liegt, ist sicher eines der bedeutendsten politischen Vorhaben der Gegenwart und sicherlich auch eines der sensibelsten.

Wie es unser Fraktionsvorsitzender ja schon deutlich ausgeführt hat, ist der gegenständliche Entwurf nicht jener, den die sozialdemokratischen Bundesräte zunächst mitentwickelt und befürwortet haben. Im ursprünglichen sozialdemokratischen Konzept hätte nämlich der Bundesrat eine zentrale Rolle im Konsultationsmechanismus innegehabt. Der Bundesrat wäre jenes Organ gewesen, das gegen einen Gesetzesbeschluß des Nationalrats einen Einspruch aus finanziellen Gründen hätte erheben sollen, wenn durch diese Maßnahmen Kosten für die Länder entstanden wären, die von diesen – auch in Würdigung des politischen Zieles – nicht seriöserweise hätten getragen werden können.

Aber naturgemäß ist der Bundesrat gerade in dieser Rolle als unmittelbarer Anwalt der Rechte der Länder nur so stark, wie jene, die er vertreten soll, es auch tatsächlich wollen. Gerade in dieser Frage hat die sozialdemokratische Bundesratsfraktion in letzter Zeit kein Glück gehabt.

Unser Vorschlag war zunächst, daß die Wahrnehmung der Länderrechte bei der Erzeugung von EU-Recht durch den Bundesrat erfolgen sollte. Dies wurde von der Landeshauptmännerkonferenz abgelehnt und in der Folge ein neues Gremium dafür geschaffen, nämlich die Integrationskonferenz der Länder. Dieses Organ setzt sich aus den Landeshauptmännern und den Landtagspräsidenten zusammen, wobei eines bezeichnend ist: Über ein Stimmrecht verfügen nur die Landeshauptmänner. Während auf Bundesebene das Mitwirkungsverfahren von Nationalrat und Bundesrat in die Richtung konzipiert wurde, daß das Gleichgewicht zwischen Exekutive und Legislative, welches durch den EU-Beitritt zugunsten der Exekutive verschoben wurde, durch die Möglichkeit von Nationalrat und Bundesrat, das jeweilige Mitglied der Bundes


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 83

regierung durch Stellungnahmen bei Beratung und Abstimmung im EU-Rat zu binden, gewahrt bleibt, haben sich die Länder gegen eine solche Korrektur ausgesprochen und im Rahmen des Stellungnahmenverfahrens wieder der Exekutive Rechte gegeben und den Landtagen Rechte verwehrt.

Es ist also bezeichnend, daß der Länderwille jeweils durch den Landeshauptmann ausgedrückt wird und diese ihren Willen, also den angeblichen Länderwillen, in die Richtung formulieren, daß jeweils sie selbst im Zentrum des Interesses stehen.

Ich halte diese grundsätzliche Einstellung für falsch. Jetzt könnte es aber sein, daß durch die Effektivität dieser Entscheidungen das demokratische Manko saniert wird. Betrachtet man allerdings die bisherige Praxis des Mitwirkungsverfahrens der Länder durch die Integrationskonferenz, so stellt man fest, daß meine grundsätzliche Überlegung noch richtiger wird. Die Entscheidung der Landeshauptmänner ist nicht nur demokratiepolitisch bedenklich, sondern geht auch in Richtung der Schaffung völlig unrealistischer Strukturen, die die ihnen übertragenen Aufgaben gar nicht oder nur unzureichend erfüllen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Am Dienstag und heute in der Früh – Sie werden es ja alle durch ihren Fraktionsvorsitzenden erfahren haben – ist ein Geschäftsordnungskomitee des Bundesrates zusammengetreten und hat sich mit der Schaffung von Strukturen für die Umsetzung eines Stellungnahmerechts des Bundesrates, in diesem Fall in EU-Angelegenheiten, endgültig nach langen Vorberatungen auseinandergesetzt. Dabei wurde diskutiert, wie groß der EU-Ausschuß in Zukunft sein soll, um seine Aufgaben rasch und effizient wahrnehmen zu können. Es wurde dabei vereinbart, einen Kompromiß zwischen einem möglichst kleinen Ausschuß, auch wenn darin einzelne Länder nicht vertreten sind, und einer dennoch gewissen Repräsentation zu finden. Schon da wird es schwierig genug sein, außerhalb des normalen Sitzungsrhythmus im Bedarfsfall Sitzungen anzusetzen, an welchen möglichst alle Mitglieder teilnehmen können. Jedoch verglichen mit der IKL wird der EU-Ausschuß des Bundesrates ein modernes, flexibles und effizientes Gremium sein. Obwohl – nun komme ich wieder zum heutigen Thema zurück – die Landeshauptmännerkonferenz diese Erfahrung ja bereits gemacht haben soll und daraus hätte lernen können, haben die Landeshauptmänner jetzt den nächsten Anlauf genommen und wieder sich selbst in den Konsultationsmechanismus als die einzigen und wahren Vertreter der Länder hineinreklamiert.

Es bleibt den Ländern natürlich unbenommen, bei Verhandlungen mit dem Bund und dem Städte- und dem Gemeindebund einzubringen, wer gerade in finanziellen Angelegenheiten die Länderinteressen wahrnimmt. Es ist allerdings bedauerlich, daß die Landeshauptmännerkonferenz wieder einmal dem Bundesrat keine Chance gegeben hat.

Im Gegensatz zu der Vorgangsweise beim Mitwirkungsverfahren bei EU-Angelegenheiten sehe ich diesmal keine demokratiepolitischen Probleme in vergleichbarem Ausmaß – dies allerdings schon aus der Sicht einer sehr restriktiven Interpretation des Inhaltes dieser Vereinbarung. Der Konsultationsmechanismus kann gegenseitig ausgelöst werden, kann sich aber meiner Ansicht nach nur auf Kostenfragen eines legistischen Vorhabens und nicht auf darüber hinausgehende politische Inhalte beziehen.

Es ist für mich daher undenkbar, daß beispielsweise ein Gesetzesbeschluß des Nationalrates, der auf einem Initiativantrag von Abgeordneten beruht, von diesem Konsultationsgremium, bestehend aus Mitgliedern der Exekutive, inhaltlich abgeändert wird. Vielmehr verstehe ich diese Beratungen in Richtung einer Art von Finanzausgleichsverhandlungen im Einzelfall.

Die Zukunft wird zeigen, ob diese meine Einschätzung nur eine von mir erwünschte ist oder, wovon ich durchaus überzeugt bin, Realität werden wird.

Um dies auch zu unterstreichen, möchte ich kurz aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit welchem die Ermächtigung zum Abschluß einer solchen Vereinbarung erteilt werden sollte, zitieren: Ausgangspunkt der Überlegungen war, daß die Autonomie der Gesetzgebung aufrecht bleiben muß und daß der Vollziehung in den vorgesehenen Konsultationsgremien nur Empfehlungsbefugnisse eingeräumt werden können.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 84

Durch den Konsultationsmechanismus soll daher keine Möglichkeit zur Verhinderung eines Gesetzesvorhabens geschaffen werden, es wird vielmehr die derzeitige finanzverfassungsgesetzliche Kostentragungsregel geändert.

Ich meine, verehrte Damen und Herren, daß diese Vereinbarung nicht einen solchen Eingriff in das Verfassungsgefüge auslösen soll, wie es die Opposition befürchtet. Es wird die gemeinsame Aufgabe aller Parlamentarier sein, die Arbeit dieses Konsultationsgremiums genau und im Detail zu beobachten und dafür Sorge zu tragen, daß die Aktivitäten auch tatsächlich in diesem sachlich verständlichen Rahmen bewegt werden und diesen nicht überschreiten.

Abschließend muß ich jedoch noch einmal erwähnen, daß, wie am Beginn bereits im Detail ausgeführt, diese Vereinbarung nicht dem Idealmodell der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion entspricht. Dennoch möchte ich von meiner Fraktion sehr wohl ein klares Bekenntnis zu Kostenbewußtsein und einer sparsamen Verwaltung abgeben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

17.51

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile es ihm.

17.51

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir haben heute wieder einmal die sehr seltene Gelegenheit in diesem Hohen Haus, über ein zentrales Thema unserer Tätigkeit, nämlich über den Föderalismus, zu sprechen. Der Artikel 2 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes lautet: "Österreich ist ein Bundesstaat." Er setzt sich aus jenen neun Ländern zusammen, deren Wappen Sie hier im Hintergrund sehen können.

Meine Damen und Herren! Dieses Bekenntnis, niedergelegt in der österreichischen Bundesverfassung, ist jedoch mehr theoretischer Natur. Österreich war nie ein echter Bundesstaat, sondern Österreich war immer ein Zentralstaat mit föderativen Elementen. Das sage nicht nur ich, das sagen auch bedeutende Verfassungsrechtler in diesem Lande.

Meine Damen und Herren! Worum geht es eigentlich bei der Forderung nach mehr Föderalismus in unserer – wenn ich es so sagen darf – "Pseudobundesrepublik"?

Es geht a) um Kompetenzen, es geht b) um Geld, sprich um die Finanz- und Steuerhoheit, und es geht c) um die Vertretungsbefugnis.

Zu Punkt a), zu den Kompetenzen: Ich frage mich immer wieder, warum sich der Bund prinzipiell so schwer tut, Gesetzesmaterien, bei denen es aus der Sache heraus Sinn macht, zum Beispiel beim Mietrecht, an die Länder abzugeben. Die Verhältnisse in dieser Republik sind eben in Wien andere als in Innsbruck, in Bregenz, in Neusiedl oder in Laa an der Thaya. Wenn es bei der Wohnbauförderung möglich war, die Kompetenz abzugeben, warum kann man das nicht zum Beispiel auch beim Mietrecht tun? – Dann könnten die Wiener für ihren großen Bereich der Wiener Gemeindebauten ein Mietrecht gestalten, und die Tiroler und die Vorarlberger werden es nach ihren Bedürfnissen tun; die Frau Kollegin Giesinger hat schon das letzte Mal davon gesprochen. Das ist nur ein Beispiel, es gäbe sehr viele zu erwähnen.

Zu Punkt b), zur Finanz- und Steuerhoheit: Da muß man sich auch fragen, warum der Bund eigentlich die Finanz- und Steuerhoheit der Länder über die Maßen einengt. Ich erinnere da nur an die sogenannte Mastensteuer des Landes Niederösterreich, ein Gesetz aus dem Jahre 1994, das vom Bund beeinsprucht wurde, worauf der Bund dann ein eigenes Energiegesetz für die Länder gebastelt hat, so muß man schon sagen, in welchem die Steuermöglichkeiten der Länder taxativ aufgezählt wurden und welches dann von diesem Hause beeinsprucht und nicht in die Rechtswirklichkeit umgesetzt wurde. Ich muß sagen: Das war damals, wenige Monate oder wenige Wochen vor der damaligen Nationalratswahl, ein recht interessanter und mutiger Schritt des Bundesrates.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 85

Wäre es nicht sinnvoller, den Ländern mehr Steuer- und Finanzhoheit zuzugestehen, welche dann von den Ländern je nach Wirtschaftsstruktur entsprechend genützt werden kann? – Auch diesbezüglich herrschen in Österreich unterschiedliche Verhältnisse: Es gibt Länder mit mehr und mit weniger Industrie, Landwirtschaft, Gewerbe, Fremdenverkehr oder Dienstleistung. Ich bin überzeugt davon, daß eine erweiterte Finanz- und Steuerkompetenz für die Länder sowohl die abgabenrechtliche Treffsicherheit erhöhen als auch die Effizienz des Einsatzes von Steuermitteln steigern würde, so nach dem alten Grundsatz: Wer mit eigenen Mitteln wirtschaftet, der wirtschaftet besser.

Nun zu Punkt c), zur Vertretungsbefugnis: Warum wird das Vertretungsgremium der Länder auf Bundesebene, nämlich der Bundesrat, seit seiner Existenz auf Sparflamme geführt und gehalten? – Ich meine – ich habe das schon sehr oft andiskutiert –, daß eine entsprechende Aufwertung höchst notwendig wäre. In diesem Zusammenhang haben wir schon des öfteren über das Vetorecht des Bundesrates diskutiert, bei dem ein entsprechender Konsultationsmechanismus zwischen Nationalrat und Bundesrat für jene Fälle notwendig wäre, in denen die beiden Gremien unterschiedliche Beschlüsse fassen. Aber ich habe da so meine Zweifel, weil es auch jetzt schon nur schwer möglich ist, in diesem Haus eine Mehrheit gegen unsinnige Gesetzesvorlagen zu finden.

Ich möchte es heute noch einmal sagen: Die Debatte über das Bezügegesetz im Sommer des letzten Jahres war wirklich mehr als beschämend. Der ÖVP-Fraktion möchte ich sagen: Es ist von ihr offenbar erkannt worden, daß dieses Bezügegesetz kein sehr sinnvolles Gesetz ist. Ich erinnere an die diesbezüglichen Zeitungsmeldungen und Äußerungen von Kollegen. Bundesrat Himmer hat gesagt, er wird bei der Abstimmung den Saal verlassen, weil er bei diesem Gesetz nicht mitstimmen kann. Kollege Tusek ist gleich auf Urlaub gefahren, damit er nicht mitstimmen mußte. Kollege Hummer hat gesagt, er knirscht mit den Zähnen, wenn er diesem Gesetz zustimmen muß. Letztendlich durften zwei Vorarlberger Mitglieder des Bundesrates dagegen stimmen. Ich sage Ihnen: Ihr damaliges Stimmverhalten war eine derartige Blamage für den Bundesrat, daß man sich bei der Lektüre der Zeitungen in den nächsten Tagen direkt schämen mußte. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Bieringer: Wenn wir beeinsprucht hätten, was wäre dann gewesen? – Dann wäre in den Zeitungen gestanden: Die Privilegienritter sind das!) Das kommt ja noch. (Bundesrat Bieringer: Wegen einer Zeitungsmeldung werden wir unser Stimmverhalten nie ändern! Merken Sie sich das!) Das war nicht nur eine Meldung. Es war traurig, was man da über den Bundesrat lesen konnte, und es wäre schön, wenn Sie hier des öfteren ein anderes Stimmverhalten an den Tag legen würden (Bundesrat Bieringer: Hahaha!) – auch im Interesse Ihrer Länder!

In der Frage der Aufwertung des Bundesrates – jetzt möchte ich da endlich fortsetzen – haben wir auch gemeint, daß die Landeshauptleute zusammen mit Länderfraktionen ihre Länder hier herinnen vertreten sollten. Es gibt ein Beispiel dafür: Der Vorarlberger Landeshauptmann Purtscher hat hier im Interesse seines Bundeslandes Ende 1994 gesprochen und argumentiert. Damals ist es genau um das Thema der Bundesstaatsreform gegangen. Purtscher hat damals gesagt: Wir werden so lange einem EU-Beschluß nicht zustimmen, solange die Bundesregierung ihre Versprechungen nicht einlöst.

Eine Aufwertung könnte der Bundesrat auch dadurch erfahren, daß er den Tagungsort des Bundesrates vom Tagungsort des Nationalrates abkoppelt. Es wäre doch möglich, die Tagungen des Bundesrates in jenem Bundesland durchzuführen, das gerade den Präsidenten stellt. Man könnte zum Beispiel im Haus des Oberösterreichischen Landtages Sitzungen abhalten, oder in Salzburg oder in Vorarlberg. Es gibt überall Möglichkeiten, denn dann hätten wir folgenden Effekt: daß der Bundesrat, das Gremium der Länder, in die Länder und zu den Bürgern hinausgeht. Wie viele Bürger sind denn heute da? – Bitte, schauen Sie sich die Zuschauerbänke an! Sehr wenige Zuschauer oder Zuhörer. Das ist in den meisten Fällen so. Würden wir in den Ländern tagen, so würde das entsprechend kundgemacht werden und es würde doch eine ansehnliche Zahl von Bürgern die Möglichkeit nützen, ihr Interesse an diesem Ländergremium durch Präsenz kundzutun. Diese Fragen sollten, meine Damen und Herren, unserer Meinung nach Vertreter der Legislative auf Bundes- und auf Landesebene angehen, anstatt Konsultationsmechanismen zu präferieren, die das bestehende Vertretungsgremium der Länder, nämlich


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 86

den Bundesrat, auszuschließen versuchen. Da, meine Damen und Herren, strapazieren Sie – das ist schon von meinem Vorredner gesagt worden – wirklich die österreichische Bundesverfassung.

Abschließend möchte ich an den Herrn Staatssekretär, weil der Herr Bundeskanzler nicht mehr anwesend ist, noch eine Frage richten: Herr Staatssekretär! Halten Sie es für möglich, den Konsultationsmechanismus auch im Rahmen des Bundesrates einzurichten, beziehungsweise sehen Sie Möglichkeiten durch eine Reform des Bundesrates und durch eine Aktivierung des Ständigen Finanzausschusses, zwischen Nationalrat und Bundesrat denselben Effekt zu erzielen, wie Sie ihn mit dem Konsultationsmechanismus erreichen wollen? – Ich ersuche Sie diesbezüglich um eine Stellungnahme. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Präsident Dr. Herbert Schambeck. Ich erteile es ihm.

18.01

Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Wir sollten eigentlich in einer Zeit, in der man ja zur Bundesstaatsreform sagt, in der die Bedeutung des Zusammenrückens in Österreich gegeben ist im Hinblick auf das Sparpaket und auf eine langfristige Budgetpolitik, im Hinblick auf die Entwicklung der Europäischen Integration von Turin bis Amsterdam in diesem Jahr, nämlich von Maastricht I zu Maastricht II, im Hinblick auf das Bemühen, den Maastricht-Kriterien zu entsprechen und einen Schritt des Miteinanders in Europa zu setzen, sowie im Hinblick auf die Vorbereitung auf die Währungsunion, nicht gegeneinander sein und über den Föderalismus streiten, sondern ihn miteinander zeitgemäß verbessern. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich freue mich darüber, daß in der heutigen Debatte kein einziger Redner des Bundesrates gegen den Föderalismus gesprochen hat, sondern sich alle in einem Wettstreit befinden, wie wir es besser machen könnten. Der heutige Tag hat für einige von uns um 8 Uhr mit einer Sitzung des GO-Ausschusses begonnen, in dem wir uns um Verbesserungen der Geschäftsordnung des Bundesrates bemühen. Heute geschah dies im besonderen auch unter Mitarbeit des Vorsitzenden des EU-Ausschusses, Ing. Penz, mit dem Ziel einer Verbesserung der Tätigkeit des EU-Ausschusses. Darüber hinaus werden wir bei den nächsten Sitzungen – auch in den Osterferien – versuchen, die Tätigkeit des Bundesrates innerhalb des Bundesstaatssystems effizienter zu gestalten.

Meine Damen und Herren! In den 28 Jahren meiner Zugehörigkeit zu diesem Haus und dieser Kammer habe ich erlebt, daß ich als Sprecher der ÖVP bei dem Bemühen um eine Bundesstaatsreform mit meiner Fraktion alleine dagestanden bin. Unsere Initiativen in dieser Richtung wurden abgeschmettert. Das gilt nicht für die heutige freiheitliche Fraktion, aber Sie brauchen sich nur anzusehen, wie Ihre Vorgänger – ich nenne etwa den glänzenden Juristen und Humanisten Dr. Broesigke und dessen Zeitgenossen – mit den Einsprüchen des Bundesrates umgegangen sind. Sie sollten sich einmal ansehen, wie man in einer Zeit, in der die Freiheitliche Partei Regierungspartner der Sozialistischen Partei gewesen ist – das war bis 1986 der Fall –, und in einer Zeit, in der die Freiheitliche Partei unter Führung des Herrn Peter – er ist Ihnen ja geläufig als bedeutender Repräsentant in Ihrer Geschichte, die Teil der Geschichte der Politik der Zweiten Republik ist – stand, mit Einsprüchen des Bundesrates umgegangen ist. Meine Fraktion ist hier für die Bundesländer angetreten, und wir haben mit absoluten Mehrheiten des Bundesrates Einsprüche zustande gebracht. Dabei sind wir aber alleine gewesen! Daher brauchen wir von der ÖVP jetzt keine Belehrungen, wie der Föderalismus aussehen müßte. Das möchte ich ganz deutlich als Fraktionsobmann der ÖVP sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich freue mich aber sehr, daß ein Miteinander, ja geradezu ein Wettbewerb besteht. Warum? – Weil in allen politischen Parteien ein Generationenwechsel stattfindet. Und das ist wirklich erfreulich. Sie können in den Protokollen des Bundesrates nachlesen, daß es mich sehr freut, daß ich das als "Auslaufmodell" noch erleben kann. Ich habe am vergangenen Montag in einem Gespräch, das ich mit Herrn Bundeskanzler Mag. Klima im Bundeskanzleramt führen konnte,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 87

meiner Freude darüber Ausdruck gegeben, daß Herr Bundeskanzler Mag. Klima, nachdem sein Vorgänger im Jahr 1992 – es sind also schon fünf Jahre vergangen – seine Unterschrift zum Perchtoldsdorfer Abkommen geleistet hat, genauso zu diesem Abkommen steht und bereit ist, es mit den Vertretern der Länder und der Gemeinden zur Durchführung zu bringen.

Natürlich sind damit verschiedene Aspekte verbunden. Denken Sie daran – meine Vorredner haben das glänzend dargelegt –, daß der Landeshauptmann der Träger der mittelbaren Bundesverwaltung im Lande ist, eine bevorzugte Stellung seit der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1925 hat und dann, wenn das in die Landesverwaltung übergeht, eine ganz andere Stellung, eine geschwächte Stellung hat. Und Sie nehmen das in Kauf.

Wenn wir uns fragen, warum der Bundesstaat heute in Österreich so ist, dann sage ich Ihnen: Genauso wie jedes Miteinander von Menschen in Freundschaft, in Ehe und Familie, auch in Parteien seine eigene Geschichte hat, hat jeder Bundesstaat sein eigenes Profil. Man kann nicht sagen, es gibt ein absolutes Profil der Bundesstaatlichkeit. Nehmen Sie die Schweiz her, nehmen Sie Deutschland her und vergleichen Sie mit Österreich oder nehmen Sie den belgischen Föderalismus her! Der belgische Föderalismus ist rein ethnisch bestimmt von den verschiedenen Nationalitäten her. Deutschland war ein Staatenbund und ist vom Staatenbund zum Bundesstaat geworden. Österreich ist von einem dezentralisierten Einheitsstaat vor 1918 zu einem Bundesstaat geworden, wobei Hans Kelsen die Kompetenzverteilung der Ministerien des dezentralisierten Einheitsstaates des österreichischen Teils der Doppelmonarchie zur Kompetenzverteilung des Bundes gemacht hat. Damit haben wir heute, drei Jahre vor dem Jahr 2000, noch den Kompetenzeffekt des dezentralisierten Einheitsstaates der Monarchie, und die Bürokratie verteidigt das mit allen Klauen. Und Politiker, die sich nicht auskennen, übernehmen das von ihren Beamten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe das nie so übernommen. Ich brauche auch keine Beamte, die mir die Ezzes geben. Ich darf Ihnen ehrlich sagen: Minister, Staatssekretär und auch Kanzler sind eine politische Durchlaufpost; auch wir, gar keine Frage, ich fühle mich auch so, ohne daß mir schwindlig wird, weil ich daneben noch einen Beruf habe, auf den ich mich schon sehr freue, wie auch auf die freie Feder.

Wenn Sie Kelsen und auch meinen Lehrer Adolf Merkl nachlesen – ich war sein letzter Assistent; ich glaube, man wird mir nicht absprechen können, daß ich mich im Schrifttum meines Lehrers halbwegs auskenne, denn sein ganzer Nachlaß ist mein Eigentum geworden –, erkennen Sie: Diese waren keine Föderalisten. Kelsen und Merkl haben nach 1918 geschrieben, daß die Existenz Österreichs gefährdet sei, wenn man von den Ländern her mit Verstärkung komme.

Meine sehr Verehrten! Ich bin auch kein Marxist, aber Karl Marx hat mit der Theorie recht, daß die Leute mit ihren materiellen Bedingungen – so hat er geschrieben – ihr Bewußtsein ändern. Und ich füge hinzu: auch mit ihrer Funktion. Glauben Sie ja nicht, daß Sie einmal anders werden. Ich habe hier eine Reihe von Leuten gesehen, die mit mir angetreten sind, die Welt zu verändern, den Föderalismus zu bringen. In dem Augenblick, in dem sie im Nationalrat gewesen sind, also in besseren Höhen (Heiterkeit bei der ÖVP) , haben sie vergessen, wo sie hergekommen sind. Frau Dr. Heide Schmidt ist etwa hier gesessen als Bundesrätin, was allerdings spurlos vorbeigegangen ist. Sie brauchen nur die Protokolle nachzulesen, da kann man alles nachlesen, auch meine Reden. Ich geniere mich gar nicht. Da haben sie vergessen, wo sie hergekommen sind. Und Sie sehen auch, wer sich jetzt noch für den Bundesrat einsetzt. Ich werde das tun, solange ich lebe! Das kann ich Ihnen ehrlich sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Prähauser. )

Ich glaube, wir haben jetzt eine Sternstunde. Wir haben einen Bundeskanzler und eine Bundesregierung, die eine Bundesstaatsreform durchführen wollen, weil sie wissen, wir brauchen die Bürgernähe. Es entstehen immer mehr Randgruppen, wir haben immer mehr Alternativszenaristen. Schauen Sie sich das nur draußen an: Der Staat normiert, aber er motiviert nicht. Wir haben die Frage der Kostenersparnis. Wir können das Sparpaket nur durchführen, wenn wir von einer Solidargesinnung von Bund, Ländern und Gemeinden getragen sind. Ich habe gestern


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 88

meine ersten Vorlesungen im Sommersemester gehalten und habe die drei Ebenen imperial, sozial und individual dargelegt, aber auch die Länder und die Gemeinden. Die Länder haben eine wichtige staatsrechtliche Funktion. Die Bundesländer teilen mit dem Bund, Staat zu sein, und sie teilen mit den Gemeinden, territorialer Selbstverwaltungskörper zu sein. Das ist nämlich nicht der Bund. Das heißt, die Länder sind ein Herzstück. Wer die Länder stärkt, stärkt den Bundesstaat, denn er ist mit dem Gesamtstaat und mit den Gemeinden verbunden. Mit Ausnahme der Gemeinde Wien, die Staatscharakter hat, haben die anderen keinen Staatscharakter; das sind territoriale Selbstverwaltungskörper. Daher: Je mehr Demokratisierung desto mehr Bürgernähe, desto mehr bindet man die Menschen ein, und es entstehen keine Alternativsituationen.

Daher ist jedes Ja zum Föderalismus ein Ja zur Subsidiarität. Das dürfen wir nicht allein in Maastricht lesen, das müssen wir durchführen. Es ist ein Ja zur Kostenersparnis und ein Ja zum Mitdenken und Miturteilen. Denn die Menschen sind bereit, Opfer auf sich zu nehmen, wenn sie wissen, warum. Die ganze heutige Situation entsteht dadurch, daß wir nicht wissen, warum, und die Journalisten erklären es. Sie erklären teilweise auch unsere Überflüssigkeit! Aber man könnte auch von manchen Massenmedien sagen, sie seien überflüssig. Aber sie sind nicht überflüssig, denn ohne die Massenmedien haben wir keinen Dialog in der freien Demokratie.

Meine Damen und Herren! Was heute nicht notwendig ist, ist, daß wir miteinander streiten und uns gegenseitig alles aufrechnen. Papst Johannes Paul II., den einige von uns in wenigen Tagen in Rom erleben werden, hat in der päpstlichen Weltfriedensbotschaft zum 1. Jänner dieses Jahres geschrieben: Frieden heißt vergeben, heißt versöhnen, heißt aufeinander zukommen, heißt – so schreibt der Papst – einander nicht die Geschichte aufrechnen.

Daher sage ich Ihnen: Wir haben jetzt, drei Jahre vor dem Jahr 2000, eine große Chance. Erstens: Wir sollten uns bemühen, eine zeitgemäße Kompetenzverteilung zu erreichen, und zwar eine EU-gerechte Kompetenzverteilung, bei der Bund, Länder und Gemeinden nach ihrem Leistungsvermögen das an Kompetenzen bekommen sollen, was sie tun können. Sie wissen aber, meine Damen und Herren, daß die Subsidiarität eine positive und eine negative Seite hat. Das heißt, zu unterlassen, was ein anderer tun kann, aber das zu tun, was man nur selbst tun kann. Wir haben genügend Erfahrung. Es gibt kein Thema, das so ausdiskutiert ist wie die Bundesstaats- und Bundesratsreform. Es soll daher niemand sagen, wir müssen wieder bei Adam und Eva anfangen. Das ist längst ausdiskutiert.

Ich war kürzlich in London bei einem offiziellen Besuch im englischen Unterhaus, bei der glänzenden Madam Speaker. Ich sage nicht "glänzend", weil sie conservative ist, sie ist Labour, das ist das Pech der anderen – eine feine Dame. Ich habe von London gleich telefonisch die Presseerklärung durchgegeben, daß Herr Kollege Kostelka als Staatssekretär mit Jürgen Weiss als Föderalismusminister, mit Purtscher und Stix in glänzender Weise das für die Bundesstaatsreform schon vorbereitet haben, was man jetzt nur mehr mit zu verabschieden braucht.

Ich finde es sehr vernünftig, wenn Bundeskanzler Mag. Klima sagt: Es gibt noch einige andere Dinge, die wir besprechen wollen. Das ist doch ein Zeichen des Mitdenkens, meine sehr Verehrten! Ich war auch beim Herrn Landeshauptmann und Bürgermeister von Wien, Dr. Häupl, und ich habe ihn eingeladen, er solle auch ins Parlament kommen, denn er ist ja ganz in unserer Nähe. Am Vormittag war ich bei Dr. Häupl, er hat mich sehr nett empfangen. Er wird kommen, darf ich Ihnen sagen! Er wird demnächst hier stehen und zu uns sprechen. Ich habe dem Herrn Landeshauptmann genauso wie dem Herrn Bundeskanzler gesagt, es wäre sehr wertvoll, wenn an dem Konsultationsmechanismus auch Vertreter des Nationalrates und des Bundesrates teilnehmen könnten. Nehmen Sie zum Beispiel die Integrationskonferenz der Länder her. Dort sitzen die Landeshauptleute, die Landtagspräsidenten und die drei Präsidenten des Bundesrates. Ich gebe zu, daß sie nicht einberufen wird, weil die Landeshauptleute lieber alleine entscheiden. Da haben Sie völlig recht. Das ist die Exekutivorientiertheit. Groß ist jeder gern alleine, das ist ja keine Frage; auch wir, meine sehr Verehrten!

Daher glaube ich, daß es notwendig ist, daß wir hier zusammenstehen. Es ist heute schon glänzend von Jürgen Weiss und auch von manchen Vorrednern – Jaud und Weiss sind beide nicht Gastjuristen, sondern engagierte Menschen, auch Frau Präsidentin Haselbach – abgegrenzt


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 89

worden, was in dem Konsultationsmechanismus drinnen ist und was nicht. Ich sage Ihnen ehrlich: Wofür immer der Konsultationsmechanismus zuständig wird, ratifizieren müssen ihn der Nationalrat und der Bundesrat. Und das Hohe Haus wird immer mehr zu einem Ratifikationsorgan des außerparlamentarisch Vereinbarten. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Das schrieb ich schon in vielen meiner über 400 Publikationen; ich bin ja überprüfbar und zitierbar, ich geniere mich gar nicht. Das können Sie bei mir schon seit mehr als 20 Jahren nachlesen: Wir haben ein Demokratiedefizit, und wir haben eine Exekutivlastigkeit. Das dürfen wir nicht allein der EU vorwerfen, sondern das erleben wir selbst in der politischen Praxis. Und jetzt seien Sie nicht erstaunt: Ohne dieses Demokratiedefizit und diese Exekutivlastigkeit wäre die EU in der Integration noch gar nicht so weit. Denn man kann die pluralistische Demokratie nicht auf alle Ebenen übertragen und erwarten, daß etwas weitergeht. Aber: Wenn man so klein ist wie Österreich mit neun Bundesländern und 7,5 Millionen Einwohnern – vergleichen Sie das mit anderen Staaten! –, wird man sich bemühen müssen, neue Wege zu gehen. Und da glaube ich, daß es sehr gut wäre, wenn man Repräsentanten des Nationalrates und des Bundesrates an der Vorbereitung unserer Gesetzgebung zur Verabschiedung dessen, wofür sich der Konsultationsmechanismus für kompetent erachtet, mitwirken läßt. Durchs Reden kommen die Leute zusammen!

Herr Professor Böhm hat schon treffend auf die Verbindungsstelle der Bundesländer hingewiesen. Ich sage Ihnen ehrlich, manchmal habe ich, nicht, daß Sie jetzt glauben, ich bin ein Sittenstrolch oder ein verworfener Mensch, der so etwas sagt, den Eindruck, wenn über die Landeshauptmännerkonferenz geredet wird – die Landeshauptmännerkonferenz steht übrigens nicht im Verfassungsrecht und wird auch noch lange nicht drinnenstehen; ich glaube nicht, daß Kollege Fischer dafür mehr übrig hätte als ich, sie in die Verfassung aufzunehmen. Da haben wir, glaube ich, eine andere Meinung als Kollege Weiss.

Oder wenn Sie die Verbindungsstelle der Bundesländer hernehmen, die im Hintergrund versucht, eine Hötzendorff-Rolle zu gewinnen – hoffentlich mit mehr Erfolg für den Föderalismus, als der Erste Weltkrieg für Herrn von Hötzendorff ausgegangen ist. Ich darf Ihnen ehrlich sagen: Davon habe ich bisweilen den Eindruck, als würde die Freundin eines Mannes zu dessen Ehefrau gehen und sich furchtbar darüber aufregen, daß er eine zweite Freundin hat (Heiterkeit) – es gibt ja solche tragischen Fälle, und dann schluchzen beide. Tragisch wird es erst dann beim Begräbnis, wenn sie sich sehen, oder bei der Testamentseröffnung, denn da kann vielleicht eine vierte zum Zug kommen. (Heiterkeit.) – Das ist jetzt aber nicht aus meiner Lebenserfahrung geschöpft, sondern das ist die Situation, in der sich derzeit – das soll jetzt keine Anregung für die vorösterliche oder österliche Beichte und Gewissenserforschung sein – der Föderalismus befindet, es ist eine Szene der existentiellen und der konstitutionellen Form des österreichischen Föderalismus.

Ich habe darüber vor einem Jahr in der Festschrift – Ihnen bekannt, Kollege Böhm – des Kölner Rektors, Professor Klaus Stern – sie ist gerade jetzt bei Beck in München erschienen, über 40 Seiten sind von mir –, geschrieben unter dem Titel "Verfassungsrecht und Verfassungspraxis in Österreich". Ich lasse es kopieren, Sie bekommen es in Ihre Fächer. Schon vor einem Jahr habe ich darüber geschrieben! Dazu brauche ich nicht Kollegen Tomandl, sosehr ich ihn schätze; er war einmal mein Kollege, ich war schon habilitiert, er war auf dem Weg zur Habilitation. Er ist eine Koryphäe auf dem Gebiet des Arbeitsrechts.

Ich sage Ihnen: Beim Sparpaket haben die Beamten 37 Verfassungsbestimmungen drinnen gehabt. Diese hat man dann teilweise wieder herausnehmen müssen, weil es eine Unart ist, daß das Parlament Dinge beschließt, die es vom Verfassungsgerichtshof nicht überprüft haben will. Das ist doch ein Schwächezeichen! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Es ist überhaupt eine bedauerliche Angelegenheit, wie man den österreichischen Verfassungsgerichtshof behandelt. Jetzt wird er sogar der Neidgesellschaft vorgeworfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Verfassungsdienst hat schon mehrere Gutachten darüber in allen Bundesländern eingeholt. Ich nenne Kollegen Novak, Kollegen Schäffer, Kolle


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 90

gen Walter; ich habe sie schon x-mal hier zitiert; und die Vertreter der Landeshauptmännerkonferenz. Auch ich bedaure, daß eine so große Persönlichkeit wie Martin Purtscher, dem die Republik viel zu danken hat, aus persönlichen Gründen einen Lebenswechsel vornimmt. Ich bin aber überzeugt davon, daß Statthalter Dr. Sausgruber ein glänzender Nachfolger sein wird.

Was die Vertreter des Gemeinde- und Städtebundes betrifft, so habe ich mich dafür eingesetzt – das ist in der Gemeindezeitung zu lesen –, daß sie in die Verfassung gekommen sind. Sie würden sich wundern, wer dagegen war, daß der Gemeinde- und Städtebund ins Verfassungsrecht kommt, und wie sich die anderen Kammern dazu geäußert haben – das ist alles nachlesbar –, daß man sie auch hineinnimmt und daß man dem Bundesrat und dem Nationalrat Gelegenheit gibt, dabei mitzuwirken, und zwar im vorparlamentarischen Bereich. Denn den ganzen Gegensatz zwischen Vorparlamentarischem und Parlamentarischem erspart man sich, wenn man sich zusammensetzt, meine Damen und Herren! Dazu braucht man keine Verfassungsnovelle.

Daher glaube ich, daß diese dringliche Anfrage, obwohl sie uns heute Zeit kostet, denn jeder hat ja etwas vor, außer er ist völlig bedeutungslos (Heiterkeit) , von größter Wichtigkeit gewesen ist. Ich bedanke mich dafür, aber nicht als Fraktionsobmann der ÖVP, sondern schlicht als Herbert Schambeck, denn das freie Mandat kenne ich auch beiläufig. Ich möchte Ihnen sagen: Benutzen wir den Konsultationsmechanismus, die Debatte zur Durchführung der Bundesstaatsreform bis zum Herbst. Ich werde dann darüber nicht mehr reden, aber natürlich darüber schreiben. Nutzen wir bei der Vorbereitung des Konsultationsmechanismus eine neue Verbundenheit zwischen den parlamentarischen und nichtparlamentarischen Kräften im österreichischen Bundesstaatsgefüge. Wir tragen damit zur Glaubwürdigkeit der demokratischen Republik Österreich und deren bundesstaatlichem Aufbau bei.

Ich schließe – nicht deshalb, weil rot mich so fasziniert, und zwar im passepoilierten Zustand am meisten, aber nicht hier –, möchte Ihnen aber versichern, daß wir bald Gelegenheit haben werden, das Unsere zur Fortsetzung beizutragen. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner lebhafter Beifall.)

18.20

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Peter Wittmann. Ich erteile es ihm.

18.20

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich hatte das Glück, noch bevor ich in meine derzeitige Funktion berufen wurde, als Städtebundvertreter den Konsultationsmechanismus zu verhandeln, und kann Ihnen daher versichern, daß der uns nunmehr vorliegende Konsultationsmechanismus sicherlich in jener Form zustande gekommen ist, wie ihn sich die Städtevertreter und auch die Ländervertreter gewünscht haben. Ich meine daher, daß die bei der Anfragebeantwortung vom Bundeskanzler angeführten Argumente voll und ganz zu unterstützen sind und daß die gestellten Fragen damit schon beantwortet wurden.

Zu der an mich gestellten Frage der Rolle des Bundesrates in einem Konsultationsmechanismus möchte ich feststellen, daß die Überlegungen dazu im Zuge der Diskussion zwar eingebracht wurden, aber keinen politischen Konsens gefunden haben. Die nunmehrige Lösung weist sicherlich auch dahin gehend einen Vorteil auf, als sie möglichst frühzeitig zum Tragen kommt und nicht erst nach einer Beschlußfassung durch den Nationalrat. Und das ist ein Anliegen, das alle Beteiligten in den Vordergrund gestellt haben. Ich halte daher die Lösung, die derzeit vorliegt, für effizient und politisch realistisch.

Hinsichtlich des § 9 Finanz-Verfassungsgesetz ist anzuführen, daß dieser nur bei Einsprüchen der Bundesregierung gegen Landesgesetze zum Tragen kommt. Die Erfahrung hat gezeigt, daß äußerst selten davon Gebrauch gemacht wurde. Im Sinne des Föderalismus sollte daher die Verteilung der Lasten klargelegt werden, um auch die Möglichkeit zu geben, Bedenken anzu


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 91

melden. Ich stehe der beabsichtigten Lösung nach wie vor äußerst positiv gegenüber. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Bieringer. )

18.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile es ihm.

18.23

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzter Bundesrat! Gestatten Sie mir, Sie zu Beginn meiner Ausführungen mit einem Aufsatz, einem Gastkommentar in der "Kleinen Zeitung" zu konfrontieren (Bundesrat Dr. Schambeck: Von Steiner!) – ja, von Steiner – und Ihnen diesen zur Kenntnis zu bringen. Ich darf wie folgt zitieren:

"Der Bundesstaat hat die staatspolitische Aufgabe, für gleichwertige Lebensbedingungen in all seinen Teilen zu sorgen. Dieser Grundsatz hält aber der Realität nicht stand. Überblickt man die Entwicklung der österreichischen Bundesverfassung seit 1920, so ist festzustellen, daß dieses Prinzip in seiner Bedeutung immer mehr abgeschwächt wurde." Und weiter heißt es: "Wenn der Bundesrat besteht, so ist er aufzuwerten. Die Aufgaben des Bundesrates sind nach Ansicht der Verfassung die Wahrung der Interessen der Länder in der Gesetzgebung und in der Verwaltung des Bundes. In beiden Bereichen stehen dem Bundesrat nur beschränkte Rechte zu, die gegenüber den analogen Kompetenzen des Nationalrates weit zurückstehen."

Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Mit einer gewissen Regelmäßigkeit bringen die Freiheitlichen dringliche Anfragen zum Themenbereich Föderalismus ein, was ihnen als Oppositionspartei sicherlich zusteht. Ich finde diese Gelegenheit immer günstig, damit aus Sicht der sozialdemokratischen Fraktion ebenfalls dazu Stellung genommen werden kann.

Die heutige dringliche Anfrage beschäftigt sich mit der zwischen Bund und Ländern, Gemeinde- und Städtebund abgeschlossenen Vereinbarung betreffend Einführung eines Konsultationsmechanismus. Wir haben von den diversen Vorrednern bereits genaue Erläuterungen, worum es dabei geht, erhalten. Ich gestatte mir daher, nur noch einzelne Anmerkungen anzufügen.

In der Einleitung stellen die Anfragesteller fest, daß das bundesstaatliche Prinzip durch zentralistische Tendenzen ausgehöhlt wird. Insbesondere wird als Beispiel für eine zentralistische Tendenz der Beitritt zur Europäischen Union genannt. – Auf diese Aussage bräuchte eigentlich nicht näher eingegangen zu werden, da sie sich, wie ich meine, aufgrund ihrer Undifferenziertheit selbst richtet. Dennoch: Der bundesstaatliche Aufbau eines Staates ist der staatsrechtliche Ausdruck eines umfassenderen Prinzips, nämlich des Subsidiaritätsprinzips. Obwohl in der wissenschaftlichen Literatur dem Subsidiaritätsprinzip kein fest umrissener Inhalt zugeteilt werden kann, ist der Kern des Subsidiaritätsprinzips freilich unbestritten. Einer höheren Organisationseinheit sollen nur jene Aufgaben übertragen werden, für deren Wahrnehmungen die höhere Einheit besser geeignet ist.

Die von den Freiheitlichen oft kritisierte Weiterentwicklung der Europäischen Union durch den Vertrag von Maastricht hat dazu geführt, daß das Subsidiaritätsprinzip Eingang in den Unionsvertrag gefunden hat. Darin heißt es, die Vertragsparteien seien entschlossen, den Prozeß der Schaffung einer immer engeren Union der Völker Europas, in der die Entscheidungen entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip möglichst bürgernah getroffen werden, weiterzuführen.

Gerade der Vertrag von Maastricht ist es also, der die Gemeinschaft zur Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips sogar verpflichtet. Die Weiterentwicklung der Union ist daher aus föderalistischer Sicht sicherlich zu begrüßen, wobei jedoch eine ständige kritische Beobachtung hinsichtlich der tatsächlichen Einhaltung dieses Grundsatzes geboten zu sein scheint.

Dem Bundesrat wurde mit der Novelle zum Bundes-Verfassungsgesetz 1994 die Möglichkeit eingeräumt, Stellungnahmen gegenüber den jeweils zuständigen Mitgliedern der Bundesregierung zu beschließen, wodurch der Bundesrat das Verhandlungsverhalten und das Abstimmungsverhalten im EU-Rat mitbeeinflussen kann. Gerade der EU-Ausschuß des Bundesrates


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 92

hätte daher die hervorragende Aufgabe, die EU-Vorhaben auf Wahrung des Subsidiaritätsprinzips zu überprüfen und gegebenenfalls einen Verstoß zu rügen.

Lassen Sie mich aber nunmehr zum zentralen Thema der dringlichen Anfrage kommen, nämlich zum Konsultationsmechanismus. Eine kritische Beleuchtung der Gesetzgebungsaktivitäten von Bund und Ländern zeigt deutlich auf, daß bei der Beschlußfassung von Gesetzen auf die daraus entstehenden Kosten zu wenig Augenmerk gelegt wird. Ein erster Schritt in diesem Bereich wäre – ich werde später noch erklären, warum ich im Konjunktiv spreche –, daß alle Gesetzentwürfe im Vorblatt beziehungsweise in den Erläuterungen darzustellen hätten, welche Kosten dadurch für den Bund, die Länder, aber auch für die Gemeinden entstehen.

Sieht man sich einige Regierungsvorlagen, Initiativanträge, Anträge und Gesetzentwürfe an, so fällt auf, daß bei zirka einem Drittel überhaupt keine Kostenschätzung vorgenommen wurde, beim nächsten Drittel eine Kostenschätzung, die auf einen Blick als falsch oder schlampig zu erkennen ist, und nur beim letzten Drittel eine Kostenschätzung beigegeben wurde, die zumindest auf den ersten Blick realistisch erscheint, was aber noch lange nicht bedeutet, daß sie auch einer genaueren Beleuchtung durch Sachverständige und Experten standhalten würde.

Nun zum Konjunktiv. Warum ich diesen gewählt habe, ist ganz einfach: All das ist nämlich schon geltendes Recht! Man müßte sich also die Frage stellen, warum dieser wichtige Ansatz bisher nicht realisiert wurde.

Die sozialdemokratische Bundesratsfraktion hat schon vor zwei Jahren auf die Einhaltung dieser Bestimmungen gedrängt und mit einem Entschließungsantrag die Bundesregierung aufgefordert, bei Regierungsvorlagen insbesondere die Kosten für die Länder und die Gemeinden umfassend darzustellen. Erst aufgrund dieser Kostenschätzungen kann ein vernünftiger Konsultationsmechanismus zwischen Bund und Ländern organisiert werden, der bei Unstimmigkeiten ausgelöst werden soll.

Am 9. Februar 1996 hat eine Landeshauptleutekonferenz stattgefunden, die sich mit diesem Thema befaßt hat. Der Beschluß der Landeshauptleutekonferenz selbst stimmt mich zwar nicht glücklich, ist aber meiner Meinung nach aus der Sicht des Bundesrates gerade noch zu akzeptieren. Was jedoch bedenklich erscheint, ist eine Aussage von Landeshauptmann Zernatto zu diesem Thema. Er meinte, daß der Bundesrat zu geringen Einfluß habe und deshalb die Vetofunktion von einem eigenen Konsultativgremium wahrgenommen werden solle. – Dies ist in der Folge auch geschehen.

Der gegenständliche Entwurf berücksichtigt die Vorstellungen, die von den Landeshauptleuten in die Verhandlungen eingebracht wurden. Meine Kritik an der Integrationskonferenz der Länder und deren Arbeit habe ich an dieser Stelle schon öfters zum Ausdruck gebracht.

Gestatten Sie, meine Damen und Herren, daß ich Ihnen noch einige Ausführungen des Herrn Abgeordneten Steiner zur Kenntnis bringe – ich zitiere –:

Die Verfassung bestimmt im Artikel 24: Die Gesetzgebung üben der Nationalrat und der Bundesrat aus. – Dieser Artikel hat mehr Glanz und Schein als Wirklichkeit. Dem Bundesrat kommt im wesentlichen nur eine mahnende, bremsende, verzögernde Funktion zu, begrenzt auf die Zeitdauer von acht Wochen. Trotzdem kann die Frage nach Sinn und Wert dieser Einrichtung mit einem vorläufigen Ja beantwortet werden, aber nur auf Zeit, bis zu einer umfassenden Verfassungsreform. – Der solcherart Zitierte – es war übrigens nicht Steiner, sondern ein Abgeordneter des Bundesrates – äußerte sich außerdem in einem Gespräch darüber, daß für ihn der Aufenthalt im Bundesrat zeitraubend und unergiebig war.

Warum sage ich Ihnen das, meine Damen und Herren? – Ich sage Ihnen das deshalb, weil der hier Zitierte kein Geringerer als der damalige Vorsitzende des Bundesrates, Landeshauptmann Krainer, "Krainer 1" aus der Steiermark, war.

Sie werden es nicht glauben, wann dieser Satz gefallen ist, nämlich noch lange bevor "das bundesrätliche Urgestein" Professor Schambeck diese Halle betreten hat: Es war am 3. Februar


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 93

1967. Diese Aussage ist Realität, und sie ist aktueller denn je. Wir werden gemeinsam und sehr intensiv arbeiten müssen, um endlich das umzusetzen, was vor nahezu 30 Jahren schon Wunsch des Bundesrates gewesen ist.

Daß es für den Landeshauptmann damals zeitraubend war, im Bundesrat zu wirken, ist keine Frage. Landeshauptmann zu sein ist ja keine Kleinigkeit. Ich meine auch, damit kann man andeuten, daß wir Bundesräte sehr wohl in der Lage sind, die Interessen des Landes so zu vertreten, daß die Länder gegenüber dem Bund nicht schlechter abschneiden. Wir sind hier selbständig genug. Ich würde mich auch nicht davor scheuen, Bundesräte analog der Landtagswahl direkt wählen zu lassen. Sollte dies der Fall sein, müßte man allerdings darauf verzichten, diesen Bundesräten dann weiterhin ein gebundenes Mandat umzuhängen.

Man kann nicht auf der einen Seite freie Wahlen verlangen, sie aber dadurch zu entwerten versuchen, indem man den Bundesräten weiterhin gebundene Mandate umhängt. Wir haben hier nichts zu befürchten. Aus meiner Sicht müßten wir jederzeit bereit sein, uns direkten Wahlen zu stellen.

Die gegenwärtige Situation ähnelt aber nur auf den ersten Blick der damaligen. Es geht, wie schon Frau Vizepräsidentin Haselbach ausgedrückt hat, nunmehr um eine vernünftige Interpretation und Handhabung des Konsultationsmechanismus, so er die Genehmigung von Nationalrat und Bundesrat erhält. Ein Exekutivgremium – ein solches ist das Konsultationsgremium – kann in Gesetzgebungsverfahren selbst keine inhaltlichen Änderungen einer Vorlage vornehmen. Es kann jedoch sicherlich über die finanziellen Auswirkungen und die Kostentragung beraten. Um es noch einmal zu betonen: Es handelt sich dabei um Finanzausgleichsverhandlungen bezogen auf einen konkreten Anlaßfall. Können wir uns auf diese Inhalte des Konsultationsmechanismus verständigen, können auch rechtmäßig keine demokratiepolitischen Bedenken angemeldet werden.

Da von den Fragestellern in der dringlichen Anfrage auch Detailfragen hinsichtlich der Durchführung des Verfahrens releviert werden, möchte ich kurz dazu Stellung nehmen. Es erscheinen mir zugegebenermaßen insbesondere die verschiedenen Fristen, innerhalb welcher Vorhaben gegenseitig zu ermitteln sind, und die Fragen der Vollziehung dieser Bestimmungen noch ziemlich unklar. Dies verwundert jedoch nicht, da hier völliges Neuland betreten wurde und bisher keine vergleichbaren Verfahren vorliegen, die eine umfassende aber gleichzeitig rasche gegenseitige Übermittlung von Anträgen, Abänderungsanträgen und sonstigen Vorlagen vorsehen.

Betrachtet man jedoch das Ziel, das dahinter steht, nämlich eine maßvolle Gesetzgebung, die finanzielle Auswirkungen legistischer Maßnahmen besonders berücksichtigt, so ist es wohl den Versuch wert, sich auf dieses Verfahren einzulassen. Langfristig könnte durch eine wirksame Budgetsanierung bei Aufrechterhaltung eines sozialen Netzes wieder vermehrt Budgetspielraum gefunden werden, um politische Akzente gerade für die sozial Schwachen rasch umsetzen zu können. Das soziale Engagement ist mehr denn je in diesem Staat gefordert. Wir werden sicher keine Probleme haben, soferne die Mittel dazu vorhanden sind, entsprechend regulierend dafür zu sorgen, daß gerade die sozial Schwächeren in diesem Land nicht benachteiligt werden.

Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Gestatten Sie mir noch ein paar kurze persönliche Anmerkungen. Wir haben vor einigen Tagen gehört, es wird überlegt, den Bundesrat in einen anderen Saal zu verlegen, um mehr Möglichkeiten zu haben. Man hat aber gleichzeitig auch darüber diskutiert, ob der neue Raum eine Art Mehrzwecksaal sein sollte, der nach Bedarf auch allen anderen Gremien zur Benutzung zur Verfügung stehen könnte.

Meine Damen und Herren! Ich meine, man sollte sich grundsätzlich überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, den Bundesrat auch im Bewußtsein der Bevölkerung wieder aufzuwerten, ihn in Erinnerung zu rufen. Ich gebe daher zu überlegen – wir sollten darüber nachdenken –, ob der Bundesrat vielleicht entsprechend der Rotation der Vorsitzenden in die jeweiligen Landtage der jeweils Vorsitzenden übersiedeln sollte. Dies würde den einzelnen Ländern die Möglichkeit geben, sich über die tatsächliche Arbeit des Bundesrates zu informieren, sich einen besseren


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
623. Sitzung / Seite 94

Einblick zu verschaffen und dadurch möglicherweise von geringschätzigen, teilweise sogar abfälligen Bemerkungen in Zukunft Abstand nehmen zu können.

Ich glaube, das sind wir uns gegenseitig schuldig: im gemeinsamen Bemühen den Bundesrat aufzuwerten! – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.35

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 21 Anfragen, und zwar 1255/J bis 1275/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 10. April 1997, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen. Diese Sitzung beginnt mit einer Fragestunde. Es werden Anfragen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten zum Aufruf gelangen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 8. April 1997, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 18.36 Uhr