Stenographisches Protokoll

624. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 10. April 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

624. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 10. April 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 10. April 1997: 9.02 – 17.44 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bericht der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den schulischen Teil der Berufsausbildung (Lehrlingsausbildung 1995)

2. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Französischen Republik über die filmwirtschaftlichen Beziehungen samt Anlage und Briefwechsel

3. Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz geändert wird

4. Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Kabel- und Satellitenrundfunk erlassen werden (Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz)

5. Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunk-Empfangsanlagen geändert wird

6. Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden

7. Bundesgesetz, mit dem ein Karenzgeldgesetz erlassen und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Karenzurlaubszuschußgesetz, das Karenzurlaubserweiterungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Betriebshilfegesetz, das Bundesgesetz über die Gewährung von Überbrückungshilfen an ehemalige Bundesbedienstete und das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz geändert werden

8. Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über soziale Sicherheit

9. Bundesgesetz über die Studien an den Universitäten (Universitäts-Studiengesetz – UniStG)

10. Bundesgesetz, mit dem das Forschungsorganisationsgesetz – FOG geändert wird


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
624. Sitzung / Seite 2

11. Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über Gleichwertigkeiten im Bereich der Reifezeugnisse und des Hochschulwesens samt Anlagen

12. Notenwechsel zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die gegenseitige Anerkennung akademischer Grade und Titel samt Anlage

13. Protokoll über die Fortführung der Aktion Österreich – Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperation

14. Bericht betreffend Expertenentwurf für ein Technologiepolitisches Konzept 1996 der Bundesregierung, vorgelegt vom Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst und vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten

15. Internationales Tropenholzübereinkommen von 1994 samt Anlagen

16. Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalpark Oberösterreichische Kalkalpen Gesellschaft m.b.H.

17. Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Oberösterreichische Kalkalpen samt Anlagen

18. Bundesgesetz, mit dem das Fernmeldegesetz 1993 geändert wird

19. Bundesgesetz, mit dem das Austro-Control-Gesetz geändert wird

20. Bundesgesetz über die Binnenschiffahrt (Schiffahrtsgesetz)

21. Wirtschaftskommission für Europa; Transeuropäische Eisenbahn (TER); Verlängerung des Kooperationsübereinkommens über den Treuhandfonds

22. Änderungen zum Übereinkommen über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderung zu verwenden sind (ATP)

23. Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte

24. Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Usbekistan andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte

25. Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Aserbaidschan andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte

26. Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Georgien andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte

27. Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere Afrika samt Anlagen und Erklärung


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
624. Sitzung / Seite 3

28. Wahl der Vertreter Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Ersten Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat 12

Schreiben des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat 12

Angelobung des Bundesräte Dr. Vincenz Liechtenstein und Helena Ramsbacher 12

Vertagungsantrag

Dr. Reinhard Eugen Bösch 29

Antrag, Tagesordnungspunkt 3 zu vertagen 29

Ablehnung 29

Personalien

Krankmeldungen 12

Entschuldigung 12

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 28

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 28

Wahlen in Institutionen

Wahl der Vertreter Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates 131

Ausschüsse

Zuweisungen 28

Fragestunde

Unterricht und kulturelle Angelegenheiten 13

Johann Payer (716/M-BR/97)

Mag. Gerhard Tusek (725/M-BR/97)

Helga Moser (722/M-BR/97)

Dr. Michael Ludwig (717/M-BR/97)

Therese Lukasser (726/M-BR/97)


Bundesrat
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624. Sitzung / Seite 4

Karl Pischl (727/M-BR/97)

Mag. John Gudenus (723/M-BR/97)

Hedda Kainz (719/M-BR/97)

Stefan Prähauser (720/M-BR/97)

Engelbert Schaufler (729/M-BR/97)

Monika Mühlwerth (724/M-BR/97)

Karl Hager (721/M-BR/97)

Mag. Harald Himmer (730/M-BR/97)

Verhandlungen

(1) Bericht der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den schulischen Teil der Berufsausbildung (Lehrlingsausbildung 1995) (III-157/BR sowie 5401/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer 30

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Helga Moser 30

Stefan Prähauser 32

Gottfried Jaud 36

Monika Mühlwerth 37

Hedda Kainz 39

Karl Pischl 41

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 44

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 45

(2) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Französischen Republik über die filmwirtschaftlichen Beziehungen samt Anlage und Briefwechsel (111 und 633/NR sowie 5402/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Pischl 45

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. John Gudenus 46

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 48

Gemeinsame Beratung über

(3) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz geändert wird (499 und 645/NR sowie 5397 und 5413/BR d. B.)


Bundesrat
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624. Sitzung / Seite 5

(4) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Kabel- und Satellitenrundfunk erlassen werden (Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz) (500 und 646/NR sowie 5398 und 5414/BR d. B.)

(5) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunk-Empfangsanlagen geändert wird (472 und 647/NR sowie 5415/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Milan Linzer 49

[Antrag, zu (3), (4) und (5) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Susanne Riess-Passer 49

Stefan Prähauser 50

Peter Rieser 55

Dr. Paul Tremmel 57

Karl Wöllert 60

Ilse Giesinger 62

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 62

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3), (4) und (5) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 64

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen betreffend Errichtung einer unabhängigen Bundesmedienanstalt 50

Ablehnung 64

Gemeinsame Beratung über

(6) Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden (408/A und 622/NR sowie 5403/BR d. B.)

(7) Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Karenzgeldgesetz erlassen und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Karenzurlaubszuschußgesetz, das Karenzurlaubserweiterungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Betriebshilfegesetz, das Bundesgesetz über die Gewährung von Überbrückungshilfen an ehemalige Bundesbedienstete und das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz geändert werden (550 und 623/NR sowie 5404/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfgang Hager 65

[Antrag, zu (6) und (7) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Engelbert Weilharter 65

Aloisia Fischer 66

Horst Freiberger 68

Bundesministerin Eleonora Hostasch 70

Dr. Reinhard Eugen Bösch 72


Bundesrat
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624. Sitzung / Seite 6

Engelbert Schaufler 74

Karl Drochter 77

DDr. Franz Werner Königshofer 80

Jürgen Weiss 82

Antrag der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen, gegen den Beschluß des Nationalrates, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden, Einspruch zu erheben 74

Ablehnung 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (6) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der Freiheitlichen 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (7) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 84

(8) Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über soziale Sicherheit (413 und 630/NR sowie 5405/BR d. B.)

Berichterstatter: Horst Freiberger 84

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 84

Gemeinsame Beratung über

(9) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Studien an den Universitäten (Universitäts-Studiengesetz – UniStG) (588 und 638/NR sowie 5396 und 5406/BR d. B.)

(10) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forschungsorganisationsgesetz – FOG geändert wird (581 und 640/NR sowie 5407/BR d. B.)

(11) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über Gleichwertigkeiten im Bereich der Reifezeugnisse und des Hochschulwesens samt Anlagen (412 und 641/NR sowie 5408/BR d. B.)

(12) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend einen Notenwechsel zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die gegenseitige Anerkennung akademischer Grade und Titel samt Anlage (427 und 642/NR sowie 5409/BR d. B.)

(13) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Protokoll über die Fortführung der Aktion Österreich – Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperation (559 und 643/NR sowie 5410/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Payer 85

[Antrag, zu (9) und (10) keinen Einspruch zu erheben]

und Gottfried Waldhäusl 86

[Antrag, zu (11), (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben]


Bundesrat
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624. Sitzung / Seite 7

Redner:

Dr. Peter Böhm 86

Mag. Karl Wilfing 91

Wolfgang Hager 93

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (9) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (10) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der Freiheitlichen 94

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (11), (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben 94

(14) Bericht betreffend Expertenentwurf für ein Technologiepolitisches Konzept 1996 der Bundesregierung, vorgelegt vom Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst und vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (III-158/BR sowie 5411/BR d. B.)

Berichterstatter: Gottfried Jaud 95

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. Peter Harring 95

Josef Rauchenberger 98

Mag. Harald Himmer 102

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 105

(15) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Internationales Tropenholzübereinkommen von 1994 samt Anlagen (554 und 614/NR sowie 5412/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. John Gudenus 105

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Gottfried Jaud 105

Irene Crepaz 106

Andreas Eisl 106

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 107

Gemeinsame Beratung über

(16) Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalpark Oberösterreichische Kalkalpen Gesellschaft m.b.H. (551 und 635/NR sowie 5416/BR d. B.)

(17) Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberöster


Bundesrat
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624. Sitzung / Seite 8

reich zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Oberösterreichische Kalkalpen samt Anlagen (568 und 636/NR sowie 5417/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Grillenberger 108

[Antrag, zu (16) und (17) keinen Einspruch zu erheben]


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
624. Sitzung / Seite 9

Redner:

Anton Hüttmayr 108

Johann Kraml 109

Dr. Paul Tremmel 110


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
624. Sitzung / Seite 10

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (16) und (17) keinen Einspruch zu erheben 111

Gemeinsame Beratung über

(18) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fernmeldegesetz 1993 geändert wird (591 und 619/NR sowie 5399 und 5418/BR d. B.)

(19) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Austro-Control-Gesetz geändert wird (594 und 620/NR sowie 5419/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Wöllert 112

[Antrag, zu (18) und (19) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

DDr. Franz Werner Königshofer 112

Dr. Kurt Kaufmann 114

Ernst Winter 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (18) und (19) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 117

Gemeinsame Beratung über

(20) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Binnenschiffahrt (Schiffahrtsgesetz) (564 und 618/NR sowie 5400 und 5420/BR d. B.)

(21) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend eine Wirtschaftskommission für Europa; Transeuropäische Eisenbahn (TER); Verlängerung des Kooperationsübereinkommens über den Treuhandfonds (344 und 616/NR sowie 5421/BR d. B.)

(22) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend Änderungen zum Übereinkommen über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderung zu verwenden sind (ATP) (437 und 617/NR sowie 5422/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Wöllert 117

[Antrag, zu (20), (21) und (22) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Helena Ramsbacher 118

Ing. Walter Grasberger 119

Erich Farthofer 120

Helga Markowitsch 122

Bundesminister Dr. Caspar Einem 122 und 124

Engelbert Schaufler 123

Erhard Meier 124

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (20) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 125

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (21) und (22) keinen Einspruch zu erheben 126

Gemeinsame Beratung über

(23) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte (604/NR sowie 5423/BR d. B.)

(24) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Usbekistan andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte (605/NR sowie 5424/BR d. B.)

(25) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Aserbaidschan andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte (606/NR sowie 5425/BR d. B.)

(26) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Georgien andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte (607/NR sowie 5426/BR d. B.)

(27) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere Afrika samt Anlagen und Erklärung (565/NR sowie 5427/BR d. B.)

Berichterstatter: Peter Rieser 127

[Antrag, zu (23), (24), (25) und (26) keinen Einspruch zu erheben und zu (27) 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Peter Böhm 127

Mag. John Gudenus 128

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (23), (24), (25) und (26) keinen Einspruch zu erheben 130

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (27) 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 131

Eingebracht wurden

Berichte

21446-22977-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG

Anfragen

der Bundesräte Dr. Kurt Kaufmann, Engelbert Schaufler und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Äußerungen des Staatsseketärs Dr. Peter Wittmann zur Landeshauptstadt St. Pölten (1276/J-BR/97)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundesminister für Finanzen betreffend Aufhebung der Mineralölsteuerbefreiung für Flugbenzin (1277/J-BR/97)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen (1148/AB-BR/97 zu 1243/J-BR/97)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen (1149/AB-BR/97 zu 1244/J-BR/97)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Erhard Meier und Genossen (1150/AB-BR/97 zu 1241/J-BR/97)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Franz Richau, Anton Hüttmayr und Kollegen (1151/AB-BR/97 zu 1246/J-BR/97)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch (1152/AB-BR/97 zu 1247/J-BR/97)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ing. Johann Penz und Ilse Giesinger (1153/AB-BR/97 zu 1263/J-BR/97)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen (1154/AB-BR/97 zu 1252/J-BR/97)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Irene Crepaz und Genossen (1155/AB-BR/97 zu 1254/J-BR/97)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen (1156/AB-BR/97 zu 1253/J-BR/97)


Bundesrat
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624. Sitzung / Seite 11

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen (1157/AB-BR/97 zu 1251/J-BR/97)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Alfred Gerstl und Kollegen (1158/AB-BR/97 zu 1249/J-BR/97)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Alfred Gerstl und Kollegen (1159/AB-BR/97 zu 1250/J-BR/97)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Genossen (1160/AB-BR/97 zu 1255/J-BR/97)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus, Monika Mühlwerth und Dr. Peter Böhm (1161/AB-BR/97 zu 1256/J-BR/97)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus, Monika Mühlwerth und Dr. Peter Böhm (1162/AB-BR/97 zu 1257/J-BR/97)


Bundesrat
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624. Sitzung / Seite 12

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Ich eröffne die 624. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 623. Sitzung des Bundesrates vom 13. März 1997 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Ing. Peter Poleruhs und Dr. Michael Rockenschaub.

Entschuldigt hat sich das Mitglied des Bundesrates Alfred Gerstl.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt ist ein Schreiben des Ersten Präsidenten des Kärntner Landtages und ein Schreiben des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat. Ich ersuche die Frau Schriftführerin höflich um die Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Sehr geehrter Herr Präsident des Bundesrates! Der Kärntner Landtag hat in seiner 46. Sitzung am 20. März 1997 folgende Wahlen in den Bundesrat gemäß Artikel 35 Abs. 1 und 2 B-VG vorgenommen.

Auf Vorschlag der FPÖ als Mitglied des Bundesrates Helena Ramsbacher, Katschberghöhle 4, 9863 Rennweg, anstelle des ausgeschiedenen Mitgliedes Dr. Helmut Prasch, und zu ihrem Ersatzmitglied Dr. Helmut Prasch, 10. Oktober Str. 103, 9210 Pörtschach anstelle der ausgeschiedenen Johanna Oberlerchner.

In der Anlage wird eine aktuelle Liste der vom Kärntner Landtag entsendeten Mitglieder des Bundesrates und ihrer Ersatzmitglieder übermittelt.

Mit freundlichen Grüßen

Unterrieder"

Ich verlese das zweite Schreiben:

"Sehr geehrter Herr Präsident! Bundesrätin Grete Pirchegger hat mit Schreiben vom 7. April 1997 mitgeteilt, daß sie ihr Bundesratsmandat mit Ablauf des 7. April 1997 zurücklegt.

Ich beehre mich, Dir dies zur Kenntnis zu bringen."

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Die neuen Mitglieder des Bundesrates sind im Haus anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Frau Schriftführerin wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Dr. Vinzenz Liechtenstein.

Bundesrat Dr. Vinzenz Liechtenstein (ÖVP): Ich gelobe.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Helena Ramsbacher.

 


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
624. Sitzung / Seite 13

Bundesrätin Helena Ramsbacher
(Freiheitliche): Ich gelobe.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Ich begrüße die Frau Bundesrätin Helene Ramsbacher und Herrn Bundesrat Dr. Vinzenz Liechtenstein in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Fragestunde

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zu Fragestunde.

Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, mache ich vor allem im Hinblick auf die seit der letzten Fragestunde im Bundesrat neu eingetretenen Mitglieder darauf aufmerksam, daß jede Zusatzfrage in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hauptfrage beziehungsweise der gegebenen Antwort stehen muß. Die Zusatzfrage darf nur eine konkrete Frage enthalten und darf nicht in mehrere Unterfragen geteilt sein.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde, sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird, im Einvernehmen mit der Frau und dem Herrn Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.07 Uhr – mit dem Aufruf.

Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen zur 1. Anfrage, 716/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland) , um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Johann Payer: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! In den letzten Wochen hat es heftige und unterschiedliche Diskussionen über Zeugnisse für Lehrer gegeben. Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

716/M-BR/97

Was halten Sie vom Vorschlag "Zeugnisse für Lehrer"?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Diskussion zum Thema "Zeugnisse für Lehrer" hat sehr hohe Wellen geschlagen. Es gibt nicht wenige, die fragen: Warum sollten Lehrer kein Zeugnis erhalten, wenn Schüler auch Zeugnisse erhalten. Ich habe daraufhin meinen ältesten Sohn angerufen und ihn gefragt: Michael, wie wäre es gewesen, wenn du in der Schule deinen Lehrern Zeugnisse hättest geben können? – Da hat er gleich gesagt: Ja, das wäre eigentlich toll gewesen. Dann war es eine Zeitlang ruhig am Telefon, und dann hat er gesagt: Weißt, Mama, aber ganz gerecht wäre das wohl kaum.

Und das ist die Schwierigkeit, die in einer derartigen Forderung liegt. Mit einer einfachen Benotung durch Eltern, durch Schüler wird wohl kaum die wirkliche Unterrichtsqualität des Lehrers erfaßt werden können. Ich meine, daß es sehr wichtig ist, die Qualität an Schulen zu sichern, das muß aber in mehreren diffizilen Schritten geschehen. Es ist dies ein breites Spektrum, das man nicht einfach mit einer Benotung von 1 bis 5 erfassen kann.

Wir arbeiten derzeit daran, die Evaluierung an den Schulen in drei Schritten umzusetzen. Der erste Schritt ist die innere Qualitätssicherung. Bei dieser inneren Qualitätssicherung gibt es verschiedene Modelle, die bereits an Schulen durchgeführt werden, wo die Schule ihr Schul

 


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profil, das sie erarbeitet hat, jährlich hinterfrägt, jährlich überprüft, die Qualität des Unterrichtes feststellt und vor allem auch den Erfolg des Unterrichtes immer wieder abfragt. Das kann natürlich durch Befragungen der Eltern, durch Befragungen der Schüler geschehen, wird aber dann an der Schule direkt erarbeitet.

Das zweite ist das Feedback der Schüler und der Schülerinnen, und ich meine, daß dieses Feedback ein sehr wichtiges Instrumentarium ist.

Und das dritte ist die äußere Evaluierung, das heißt, die Qualitätsüberprüfung durch die Schulaufsicht.

Diese drei Teile zusammen ergeben dann eine Qualitätssicherung, eine Evaluierung an der Schule. Wir sind bereits im Verwirklichungsstadium. Die innere Schulevaluierung wird in Pilotprojekten durchgeführt. Für das Feedback durch Eltern und durch Schüler sind bereits einfache Fragestellungen erarbeitet worden. Die Schulaufsicht hat die Aufgabe, eine gesamthafte Qualitätsfeststellung für Schulen zu erarbeiten. Schulaufsicht wird nicht mehr einen Tag in der Schule stattfinden, sondern eine Woche, und so wird dann gesamthaft die Qualität der Schule festgestellt werden.


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Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Johann Payer: Frau Bundesministerin! Sie haben die Qualität des Unterrichtes angesprochen. Für die Qualität im Unterricht spielt die Lehrerfortbildung eine immens wichtige Rolle. Diese Lehrerfortbildung geschieht momentan auf freiwilliger Basis. So wie in jedem Beruf gibt es natürlich auch im Lehrerberuf schwarze Schafe. Könnten Sie sich vorstellen, daß die Lehrerfortbildung in Zukunft für diese Gruppe verpflichtend installiert wird?


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Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Eine Feststellung: 80 Prozent der Eltern in Österreich sagen laut einer Umfrage, die wir gemacht haben, daß sie mit den Lehrerinnen und Lehrern sehr zufrieden oder zufrieden sind. Diese Feststellung ist mir sehr wichtig, denn dies macht deutlich, daß Probleme wirklich nur bei einer kleinen, verschwindenden Minderheit auftreten.

Erstens: Lehrerweiterbildung ist das Um und Auf. Wie bei jedem anderen Staatsbürger ist auch im Schulbereich lebensbegleitendes Lernen gefragt. Ich werde daher einen Lehrerweiterbildungspaß einführen, wo alle Weiterbildungen sichtbar festgehalten werden. Der gilt aber natürlich auch für die Schulaufsicht, das halte ich auch für wichtig. Die müssen sich auch weiterbilden.

Zweitens: Es ist derzeit schon so, daß, wenn Mängel festgestellt werden, Lehrer verpflichtet werden können, Weiterbildungsmaßnahmen zu konsumieren. Da muß der Auftrag von der Schulaufsicht aus erteilt werden – das ist derzeit schon so –, und ich habe auch allen Schulaufsichtsbeamten den Auftrag gegeben, dort, wo Mängel sichtbar werden, sofort zu verlangen, daß der Lehrer diese oder jene Weiterbildung macht.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Johann Payer: Sie haben die Qualitätssicherung, die Qualitätssteigerung, die Qualitätskontrolle angesprochen. Es gibt diesbezüglich in den verschiedenen Bundesländern verschiedene Initiativen. So gibt es in meinem Bundesland – im Bundesland Burgenland – seitens des Landesschulrates neben einem verpflichtenden Hearing für Bewerber um eine Leiterstelle auch die Initiative "Quality Circle", wo erfahrene Pädagogen und Elternvertreter gemeinsam zum Beispiel Empfehlungen für Leiterbesetzungen, Empfehlungen für Versetzungen aussprechen.

Was halten Sie von solchen Initiativen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es gibt in jedem Bundesland verschiedene Zugangsweisen zu der Frage der Bestellung von Leitern. Sie befinden sich alle auf der Basis einer qualitativen, objektiven Auswahl, und ich halte es für wichtig, daß derartige Initiativen in den einzelnen Ländern erprobt werden, daß sie weiterentwickelt werden und daß wir dann ein breites Spektrum an Möglichkeiten haben, wie man zu einer guten, objektiven, qualitativen Entscheidung kommt.

Wir haben auch im Beamten-Dienstrecht, das ja demnächst zur Beratung ansteht, derartige Qualitätskriterien für die Anstellung von Lehrern und Lehrerinnen bereits verankert.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen zur 2. Anfrage, 725/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich) höflich um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek: Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

725/M-BR/97

Wie gestaltet sich die in Angriff genommene grundlegende Reform der Lehrpläne im Zuge der inneren Schulreform?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Lehrpläne, die wir derzeit in Österreich haben, sind gute Lehrpläne – es sind sogenannte Rahmenlehrpläne. Seit ich selbst als Lehrerin gearbeitet habe, höre ich die Diskussion um die Entrümpelung der Lehrpläne. Dazu muß ich ganz klar feststellen, daß wir kein Gerümpel in den Lehrplänen haben, sondern viele wichtige Dinge drinnen stehen haben, die in einer Zeit der schnellen Wissensvermehrung natürlich dauernd zunehmen.

Deshalb ist es unser Bestreben, die Lehrpläne zu verdichten. Wir wissen aufgrund zahlreicher Entwicklungen, daß in Zukunft nicht mehr nur das Fachwissen für die Bewältigung der Herausforderungen ausschlaggebend sein wird, sondern daß zum Fachwissen dazu der junge Mensch Methodenkompetenz erlernen muß, Sozialkompetenz erwerben muß, Selbstkompetenz erwerben muß. Unter "Methodenkompetenz" verstehen wir, daß der junge Mensch Teamarbeit kann, Projektleitung kann, Konfliktlösung kann, Gesprächsführung kann. Diese Dinge kann man nur durch Tun erlernen.

Deshalb ist es unser Anliegen, die Lehrpläne zu verdichten in Kernbereiche und Erweiterungsbereiche. Die Kernbereiche werden etwa zwei Drittel des Schuljahres umfangen. Im Erweiterungsbereich besteht die Möglichkeit, all diese Kompetenzen durch Projektarbeit zu erreichen, besondere Begabtenförderung durchzuführen und auch den Schwächeren Hilfestellung zu geben, damit auch sie den Stoff erlernen.

Diese Lehrplanarbeit ist derzeit auf folgendem Stand: Die Lehrplanarbeitsgruppen für die einzelnen Fächer sind eingesetzt, sie arbeiten bereits. Bis Ende dieses Schuljahres werden die ersten Ergebnisse vorliegen. Wir werden an 24 Modellschulen in Österreich diese verdichteten Lehrpläne erproben. Wir werden sie dann noch einmal evaluieren, und ab dem Schuljahr 1999/2000 werden diese Lehrpläne aufsteigend an den Hauptschulen und an den Unterstufen der Gymnasien umgesetzt.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek: Frau Bundesministerin! In der Ausführung zu dem Lehrplan war verankert, daß es im Erweiterungsbereich auch weitere Möglichkeiten geben wird. Daher meine konkrete Frage: Wird im Erweiterungsbereich auch die Möglichkeit für fächerübergreifenden Unterricht und für exemplarisches Lernen gegeben sein?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Nicht nur im Erweiterungsbereich soll die Möglichkeit für fächerübergreifenden Unterricht bestehen. Es wird immer wichtiger, daß zwischen den Fächern Verbindungen hergestellt werden. Es wird selbstverständlich jedes Fach als einzelnes Fach mit eigenem Lehrplan erhalten bleiben, es ist aber in der heutigen Zeit notwendig, fächerübergreifend zu arbeiten.

Ich kann Ihnen auch ein Beispiel dafür nennen: Ich war gerade gestern in Klosterneuburg an einem Gymnasium, wo derartige Projektarbeiten fächerübergreifend durchgeführt werden. Da wird zum Beispiel das Thema Rassismus im Deutschunterricht, im Geschichteunterricht, im Englischunterricht behandelt. Dazu wird dann noch eine CD-ROM hergestellt, das heißt also, EDV, Informatik, fließen auch noch in den Unterricht ein, und der Schüler lernt dabei enorm viele zusätzliche Kompetenzen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek: Kann man davon ausgehen, daß es durch die neuen Lehrpläne zu einer weiteren Entlastung der Schüler kommen wird?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Intention ist, die Schüler vom enzyklopädischen Lernen zu entlasten und hin zu exemplarischem Lernen zu führen. Der Schüler muß ein gutes Fachwissen haben, aber nur Fachwissen alleine, enzyklopädisches Lernen reicht nicht aus. Da soll eine Entlastung erfolgen, und es soll praktisches Lernen durch Tun möglich werden.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen zur 3. Anfrage, 722/M. Ich ersuche Frau Bundesrätin Helga Moser (Freiheitliche, Oberösterreich) um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Helga Moser: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ihnen ist sicher bekannt, daß speziell in Lehrerkreisen ein großes Interesse an dem Schulversuch Mittelschule besteht. Meine Frage lautet daher:

722/M-BR/97

Welche konkreten Schritte werden Sie hinsichtlich der zukünftigen Gestaltung des Schulversuchs Mittelschule – insbesondere vor dem Hintergrund seines mit dem Jahr 1999 datierten Auslaufens – setzen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin! Zu der ganzen Frage der Mittelschule ist erstens einmal folgendes festzustellen: Das österreichische Schulsystem ist ein differenziertes Schulsystem, zu dem ich mich bekenne, und dieses differenzierte Schulsystem bringt äußerst gute Ergebnisse. Wir haben derzeit eine weltweite OECD-Studie, die ganz klar aussagt, daß die Art und Weise des Schulsystems keinen Einfluß auf die Qualität des Könnens der Schüler hat – das wird ganz klar in der Studie aufgezeigt –, und ich möchte noch einmal betonen, daß 50 Prozent der Maturanten und Maturantinnen über die Hauptschule zur Matura kommen. Man soll also nicht immer so tun, als ob die Hauptschule keine gute Schule wäre und nur die Mittelschule der Stein der Weisen ist.

Die Mittelschule, die in Wien im Schulversuch geführt wird, wurde vom Rechnungshof als viel zu teuer kritisiert. Würde man dieses Modell der Mittelschule auf Wien ausdehnen, würde das 1 Milliarde zusätzlich kosten, würde man es auf ganz Österreich ausdehnen – wovon manche träumen –, würde es 8 Milliarden zusätzlich an Kosten verursachen.


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Angesichts dessen ist ernsthaft die Frage zu stellen, ob die Qualität und das Ergebnis so viel besser sind, daß diese Investitionen gerechtfertigt sind. Ich werde deshalb die Evaluierung der Mittelschule, die jetzt im vierten Jahr ist, abwarten, um zu sehen, ob da wirklich derartige Ergebnisse zu erkennen sind. Ich meine, daß eine Zusammenarbeit zwischen Hauptschule und Gymnasium nur kostenneutral sein kann. Das heißt, wir werden uns nach der Evaluierung zusammensetzen und werden den Auftrag erteilen, daß Modelle zu erarbeiten sind, die kostenneutral sind.

Daß eine Zusammenarbeit im Ballungsraum geschehen kann, dagegen will ich mich nicht aussprechen. Ich möchte aber prinzipiell festhalten, daß das differenzierte Schulsystem meiner Meinung nach ein gutes und richtiges Schulsystem ist.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Helga Moser: Frau Ministerin! Die Ihnen politisch nahestehende Personalvertretung scheint aber den Schwenk zur Gesamtschule der 10- bis 14jährigen bereits vollzogen zu haben. Welche Chancen sehen Sie in diesem Zusammenhang, Ihre dem konträr entgegenstehende Meinung zu dieser Schulreform durchzusetzen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte sehr.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es ist wie immer: Man darf nicht nur die Überschriften lesen, sondern muß den gesamten Inhalt der Botschaft lesen.

Die Lehrergewerkschaft hat gefordert, zu überlegen, wie der Stellenwert der Hauptschule sichergestellt werden kann, und gemeint, daß das insbesondere im Zusammenhang mit dem Bestreben der Eltern in Ballungsräumen, ihre Kinder, wenn möglich, in eine AHS zu schicken, zu sehen ist. Das ist tatsächlich auch der Fall, weil von vielen Seiten auch in der Schulpolitik in manchen Ballungsräumen die AHS hochgelobt und die Hauptschule als Restschule ständig totgeredet wird.

Wir meinen, daß wir eine Initiative setzen müssen, mit der wir die Qualität der Hauptschule zeigen. Und wir müssen ganz sicher auch bei den Aufnahmeverfahren an weiterführenden Schulen darauf achten, daß Hauptschüler mit gleichwertigen Leistungen nicht benachteiligt werden.

Ich sehe also absolut keinen Widerspruch, sondern das Bestreben, auch der Hauptschule ihren notwendigen Stellenwert zu geben. Und in diese Richtung hat der Vorsitzende der Gewerkschaft die Diskussion verstanden.

Präsident Dr. DDr. h.c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Wir kommen zur 4. Anfrage, 717/M. Ich darf den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien), um die Verlesung der Anfrage ersuchen.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben eine Kommission für Erwachsenenbildung eingerichtet. Meine Frage lautet:

717/M-BR/97

Welche Aufgaben hat die neu gegründete Kommission der Erwachsenenbildung insbesondere im Hinblick auf die Förderungsstellen der Länder?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Herr Bundesrat! Ich habe keine Kommission für Erwachsenenbildung eingerichtet, sondern einen


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Beirat, einen Beirat für Erwachsenenbildung, und ich habe die Erwachsenenbildungsorganisationen gebeten, dorthin Vertreter zu entsenden.

Dieser Beirat hat die Aufgabe, das Ministerium bei der Vergabe der Mittel im Bereich der Erwachsenenbildung zu beraten und Kriterien für eine objektive – soweit dies möglich ist –, transparente Vergabe der Mittel zu erarbeiten.

Ich habe festgestellt, daß es sehr schwierig ist, objektive Kriterien zu erstellen, und deshalb möchte ich Fachleute einbinden, die mich bei dieser Vergabe der Mittel beraten, die aus ihrer Erfahrung in der konkreten Arbeit Weiterentwicklungen anregen können und weitere Wertigkeiten, wichtige Beiträge der Erwachsenenbildung in Zukunft über diesen Beirat an die einzelnen Institutionen heranbringen.


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Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werden Sie dann, wenn es zu Einsparungen im Personalbereich kommt, dafür eintreten, daß zuerst bei der Bürokratie, zum Beispiel bei den Förderungsstellen, eingespart wird und erst in weiterer Linie bei jenen Organisationen, die Erwachsenenbildung vor Ort betreiben?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.


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Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer:
Die Erwachsenenbildung wird im Zuge des lebensbegleitenden Lernens immer wichtiger. Ich meine, es sollten die Erwachsenenbildungsorganisationen gemeinsam mit den Förderstellen Schwerpunkte setzen und man sollte die Förderstellen, da dort Personalressourcen sind, für die praktische Arbeit nutzen.

Ich meine, daß wir uns in diesem Bereich Personaleinsparungen derzeit nicht leisten können. Wir sollten gerade im Bereich der Erwachsenenbildung die Ressourcen der Förderstellen in den Bundesländern vernünftig nutzen und vernünftig einsetzen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig: Frau Bundesministerin! Habe ich Sie richtig verstanden, nämlich daß es in den nächsten Jahren bei den Erwachsenenbildungsorganisationen eher zu einer Ausweitung als zu einer Bindung im Personalbereich kommt?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Erwachsenenbildungsorganisationen in Österreich haben das große Verlangen und betonen immer wieder, daß sie eigenständige Organisationen sind, die sich von mir personell nicht gängeln lassen. Das bedeutet, meine Aufgabe ist die finanzielle Förderung. Wie das personell gestaltet wird, ist Aufgabe der einzelnen Erwachsenenbildungsorganisationen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, 726/M. Ich bitte die Fragestellerin, Frau Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol), um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Therese Lukasser: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben in Beantwortung der ersten Frage Ihre Haltung zum Vorschlag Zeugnisse für Lehrer bereits dargelegt. Berichte in den Medien über das Abschneiden österreichischer Schüler im internationalen Vergleich veranlassen mich zu folgender Frage:

726/M-BR/97

Wie stehen Sie als Unterrichtsministerin zum Anliegen einer Evaluation der Leistungen von Lehrern und Schulen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Qualitätssicherung von Schulen ist ein ganz besonderes Anliegen, und ich meine daher, daß wir diese drei Schritte auch verankern müssen, nämlich: die innere Evaluierung des Feedbacks durch Schüler und Eltern, die äußere Evaluierung und die Erarbeitung eines Gesamtbildes der Angebote durch jede Schule. Ich halte die verschiedenen Rankings, die immer wieder gemacht werden, auch für ein wichtiges Feedback, durch das die Schulen eine Rückmeldung über ihre Arbeit erhalten.

Wir arbeiten auch in internationalen Organisationen mit und lassen auch von diesen unsere Schulen evaluieren. Dabei wurde festgestellt, daß Österreichs Schüler in Mathematik und in den Naturwissenschaften von Schülern aus 41 Staaten unter den ersten zehn liegen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Therese Lukasser: Frau Bundesministerin! Ich darf noch einmal fragen, wie Sie in diesem Zusammenhang die Vorschläge des Wiener Stadtschulrates beurteilen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Vorschläge des Wiener Stadtschulrates haben zu einer intensiven Diskussion über die Qualität an der Schule geführt – das halte ich prinzipiell für positiv. Die Vergabe von einfachen Noten als Beurteilung für junge Lehrer halte ich nicht für zielführend.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Therese Lukasser: Welche Rollen spielen dazu heute schon Stellungnahmen von Eltern- und Schülervertretern?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Stellungnahmen von Eltern- und Schülervertretern spielen heute in der Beurteilung bereits eine Rolle, weil jeder Inspektor und auch der Direktor verpflichtet ist, sich das Feedback von Eltern und Schülern dafür zu holen.

Weiters sind bei der Bestellung von Leitungsfunktionen in den Landesschulräten selbstverständlich auch die Eltern- und die Schülervertreter dabei.

Weiters halte ich es für besonders wichtig, daß Lehrer selbst jenes Maß an Sensibilität haben, das notwendig ist, um das Feedback, das sie von den Eltern und Schülern in vielen Gesprächen erhalten, aufzunehmen und dann in ihre Arbeit einzubauen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Herr Bundesrat Meier ist nicht hier, ich komme daher zum Aufruf der 7. Anfrage, 727/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol), seine Frage zu verlesen.

Bundesrat Karl Pischl: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich habe folgende Frage eingereicht:

727/M-BR/97

Welchen Beitrag leistet das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten zur Verbesserung der Situation von Lehrstellensuchenden und Lehrlingen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Gerade die Lehre ist mir ein besonderes Anliegen.

Die duale Ausbildung in Österreich hat dazu geführt, daß wir bei der Jugendarbeitslosigkeit noch nicht so hohe Zahlen haben wie in anderen Ländern. Bei jeder Konferenz der europäischen Minister wird betont, wie gut diese duale Ausbildung ist. Der französische Bildungsminister hat letztes Mal sogar erklärt, er wolle diese duale Ausbildung auch in Frankreich einführen. Es muß daher unser großes Anliegen sein, diese duale Ausbildung in ihrer Substanz zu erhalten.

Wir vom Bundesministerium für Unterricht haben in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium und dem Sozialministerium folgende Akzente gesetzt: Es sind die neuen, die High-Tech-Lehrberufe, die vierjährigen Lehrberufe, in der Liste der Lehrberufe verankert worden. Es gibt Vereinfachungen für Lehrbetriebe und Förderungen für jene, die besonders schwierige Jugendliche aufnehmen, die Mädchen in ungewöhnlichen Berufen ausbilden.

Wir haben von der Schule her dem Arbeitsmarktservice eine Zusammenarbeit angeboten, denn wir wollen uns um jeden einzelnen Jugendlichen kümmern, uns fragen: Was ist mit ihm, kann er eine Lehrstelle kriegen? Welche Angebote können wir ihm sonst geben? – Wir stellen die Ressourcen der Berufsschulen für Kurse des Arbeitsmarktservice als Vorbereitung auf die Lehre zur Verfügung.

Wir haben auch das Angebot gemacht, die Berufsschule flexibel anzubieten, uns auf die Anforderungen in den einzelnen Regionen einzustellen. Es ist zum Beispiel in Tirol die Berufschule in zweimal 4-Wochen-Blöcken konzipiert worden, nämlich die Berufsschule für Einzelhandelsangestellte aus den Saisongebieten. Ein Lehrling im Oberinntal, im Ötztal, im Pitztal hat jetzt also vier Wochen im Oktober und vier Wochen im Juni, wenn tote Saison ist, Unterricht in der Berufsschule. Und es hat sich herausgestellt, daß sich dadurch eine ganz neue Qualität in der Beziehung zwischen Lehrbetrieb und Berufsschule ergibt. Der Betriebsinhaber jammert nicht: Jetzt ist der schon wieder einen Tag in der Saison weg!, sondern der Chef, der Ausbildner sagt zum Lehrling: Jetzt gehst du vier Wochen in die Schule, ich wünsche dir alles Gute, schau einmal vorbei! – Das heißt, es gibt eine neue Qualität. Auch die Lehrer begrüßen das sehr, weil sie die Jugendlichen vier Wochen haben und so auch praktisch mehr umsetzen können.

Wir sind also bestrebt, in all diesen Bereichen gemeinsam mit der Wirtschaft das bestmögliche Angebot für die Jugendlichen zu erstellen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Karl Pischl: Frau Bundesministerin! Wird der notwendige Anteil der Fremdsprachenausbildung in der Berufsschule auch in Zukunft gesichert sein?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Wenn es nach mir geht, dann ist gesichert, daß der Jugendliche Englisch lernt – auch in seinem Fachbereich –, so, daß er sich selbst verständigen kann.

Ich muß diesbezüglich immer wieder heiße Diskussion mit Wirtschaftsbereichen führen, da gesagt wird: Ein Maurer braucht nicht Englisch zu können!, aber ich sage: Wenn er einmal nach England kommt, wird er auch froh sein, wenn er sich ein Frühstück bestellen kann!, und ich glaube, daß das zu einer gewissen Allgemeinbildung dazugehört. Deshalb werde ich auch in Zukunft dafür sorgen, daß die Fremdsprache angeboten wird.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Karl Pischl: Frau Bundesministerin! Fremdsprachen anbieten, Fremdsprachen können, erlernen – gehen tut es dann auch um die Praxis. Meine konkrete Frage lautet: Wird


Bundesrat
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auch eine Verbesserung der Sprachanwendung im Berufsschulbereich, für die Berufsschule erwogen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Wir haben bereits bei der letzten großen Reform umgesetzt, daß wir Deutsch und Kommunikation ins Fächerbündel aufgenommen haben. Gerade für die Jugendlichen, die eine Lehrausbildung machen und die dann ja viel mit Menschen zu tun haben, da sie in Gewerbe-, in Dienstleistungsbetrieben arbeiten, ist Kommunikation besonders wichtig. Es ist daher ein ganz großes Anliegen, daß Kommunikation, Sprachanwendung in der Schule auch trainiert wird.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen zur 8. Anfrage, 723/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien), um die Verlesung dieser Anfrage.

Bundesrat Mag. John Gudenus: Frau Bundesministerin! Ich wage es, die nachstehende Frage an Sie zu stellen, auch wenn Präsident Schambeck unlängst meinte, daß die Opposition durch Anfragen zur Belustigung beiträgt.

723/M-BR/97

Welche zusätzlichen finanziellen Mittel stehen aufgund der im Zuge der Koalitionsverhandlungen bekanntgewordenen Vereinbarung mit dem Land Wien für die Sanierung der Albertina zur Verfügung?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die erste Etappe der Sanierung der Albertina wird 230 Millionen Schilling kosten, diese sind in der Museumsmilliarde enthalten – das wird den Zubau, den Tiefenspeicher und diese Arbeitsplätze umfassen. Die weitere Sanierung der Albertina wird Schritt für Schritt vorgenommen werden. Es werden die zusätzlichen Mittel noch jeweils im Budget auszuverhandeln sein. Es ist aber so, daß wir, auch wenn wir sofort den gesamten Geldbetrag hätten, die Sanierung des alten Gebäudes nicht in kürzester Zeit durchführen könnten, weil die Fachbetriebe für diese Sanierungsarbeiten, die sehr schwierig durchzuführen sind, nicht in ausreichendem Ausmaß vorhanden sind.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus: Frau Bundesministerin! Ihnen ist sicher bekannt – ich bitte, diese Frage stellen zu dürfen –, wie viele Objekte von der Albertina betreut werden.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Nach meinen Informationen 2 Millionen Graphiken.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus: Frau Bundesministerin! Im Rahmen der 3. Museumsmilliarde waren vorgesehen, 500 Millionen Schilling zur Sanierung der Albertina zur Verfügung zu stellen. Innerhalb welcher Zeit werden diese zur Verfügung gestellt, um diese rund 2 Millionen Objekte entsprechend betreuen zu können?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Erste Feststellung: Die wertvollen Graphiken liegen jetzt im Tiefenspeicher der Nationalbibliothek und werden betreut.


Bundesrat
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Zweitens: Die Albertina macht im neuen Arkadenhof, den wir haben, Akademiehof, laufend Ausstellungen, damit werden die wichtigen Ausstellungsstücke der Öffentlichkeit gezeigt.

Der Startschuß für den Zubau, für den Tiefenspeicher, für den gesamten Arbeitsbereich, ist bereits gegeben worden. Die Bauarbeiten sind letzte Woche begonnen worden. Ich rechne mit etwa eineinhalb Jahren Bauzeit. Die Verwirklichung der Sanierung des gesamten Gebäudes kann ja nur nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Spezialbetriebe geschehen und wird sicher noch einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen.


Bundesrat
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624. Sitzung / Seite 23

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Wir kommen zum Aufruf der 9. Anfrage, 719/M. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich), um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Hedda Kainz: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Bei Elterndiskussionen wird immer wieder von unterforderten und von überforderten Kindern gesprochen. Ich möchte deshalb an Sie, Frau Bundesministerin, folgende Frage richten:

719/M-BR/97

Wie weit sind die Vorarbeiten in Ihrem Ressort zur Einführung einer flexibleren Gestaltung der Schuleingangsphase zur besseren Förderung von schwächeren, aber auch begabteren Kindern gediehen?


Bundesrat
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624. Sitzung / Seite 24

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesrat
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624. Sitzung / Seite 25

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer:
Gerade die Schuleingangsphase ist eine sehr wichtige Phase, weil in dieser Zeit oft die Grundlage für die Lernbereitschaft der Kinder hergestellt wird. Es gibt verschiedene Modelle: Modelle der Vorschulklassen und Modelle der integrierten Vorschüler in der Grundstufe. In den Bundesländern Wien und Steiermark wird die Integration in die Grundstufe bevorzugt. Andere Bundesländer haben eher die Vorschulklasse im Vordergrund stehend.

Ich meine, daß beide Modelle gewisse Vorteile und gewisse Nachteile haben. Wir werden daher die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, daß beide Modelle verwirklicht werden können. Unser wichtigstes Anliegen ist, daß die Kinder diese differenzierte Förderung erhalten.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz: An und für sich ist ja im Schulorganisationsgesetz vorgesehen, daß der Unterricht so gestaltet werden muß, daß er auf die unterschiedlichen Begabungen eingeht. Bedeutet die Reaktion, daß doch solche Maßnahmen zu setzen sind, daß das im Rahmen des Unterrichts nicht möglich ist?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich verstehe die Frage, ehrlich gesagt, nicht ganz.

Es ist derzeit schon so, daß auf die unterschiedlichen Fähigkeiten der Kinder eingegangen wird. Sie wissen ja, daß die erste und zweite Klasse als zusammengehörender Verband gesehen wird, daß Kinder in der ersten Klasse praktisch nicht sitzenbleiben können. Das heißt, die differenzierten Förderungsmethoden greifen bereits. Das Kind hat zwei Jahre Zeit, diese Lernziele zu erreichen – auch mit differenzierten Förderungen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz: Heißt das zusammengefaßt, daß es in der Praxis mit der Förderung sowohl von begabten als auch von weniger begabten Kindern eigentlich keine Probleme gibt? Ist das Ihre Erfahrung?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Meine Erfahrung ist, daß die Lehrer und Lehrerinnen im Schuleingangsbereich mit viel Gefühl, viel Einfühlungsvermögen den Kindern die Förderung geben, die sie brauchen. Was wir gesetzlich noch schaffen müssen, ist die Möglichkeit, daß besonders begabte Kinder in der Volksschule eine Klasse leichter überspringen können.

Für die besonders Begabten fehlt also diese Möglichkeit noch, während die Förderung für jene, die sich schwerer tun, die ein bißchen länger brauchen, gerade durch die Vorbereitungsklasse schon gegeben ist.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen zum Aufruf der 11. Anfrage, 720/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg), um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Stefan Prähauser: Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

720/M-BR/97

Wie stehen Sie zu Forderungen von Eltern und Schülern nach Änderung jener Bestimmungen im SchUG, daß die Einführung der 5-Tage-Woche an einer Schule nicht von einer Gruppe, z. B. den Lehrern, verhindert wird?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die 5-Tage-Woche ist eine Einrichtung, die in einigen Ländern bereits verwirklicht ist, womit wir auch gute Erfahrungen gemacht haben. Ich meine jedoch, daß gerade die Einführung der 5-Tage-Woche ein so weitgehender und weitreichender Beschluß ist, daß ich niemanden damit überfahren möchte. Ich glaube nicht, daß es gut wäre, große Gruppierungen zu überstimmen. Ich halte mehr davon, in Diskussionen Überzeugungsarbeit zu leisten und Konsens zu suchen, denn die Schule muß ja von allen Schulpartnern mit derselben Bereitschaft und Freude getragen werden, und da sind gerade die Lehrer eine sehr wichtige Gruppe.

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Gruppen, wenn man sich in eine vernünftige, sachliche Diskussion begibt, sehr wohl zu überzeugen sind. Es spielt natürlich auch die örtliche Gegebenheit eine besondere Rolle, und ich erfahre eigentlich eher, daß die Lehrergruppierungen für die 5-Tage-Woche sind als dagegen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Stefan Prähauser: Frau Bundesministerin! Schließen Sie Nachteile für Schüler aus, wenn sie sich in dieser Frage gegen den Willen der Lehrer entscheiden?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich glaube kaum, daß es in unserem Land Lehrer gibt, die es den Schülern übelnehmen, wenn sie sich für die 5-Tage-Woche entscheiden. Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Stefan Prähauser: Ich selbst bin in einem Schulgemeinschaftsausschuß. Ich weiß also, wovon ich hier rede.

Meine dritte Frage lautet: Wie begegnen Sie der Angst der Eltern, daß sie ihren Kindern in ihrer Schullaufbahn schaden könnten, sollten sie divergierende Meinungen zu jenen von Lehrern haben?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Man kann nur etwas verändern, wenn man tatsächlich den Fall anspricht, die Sachlage aufzeigt. Anonym kann man nichts verändern. Das heißt, Eltern müssen den Mut haben, mit Lehrern offene Gespräche zu führen. Von den Lehrern verlange ich, daß sie diese Gespräche akzeptieren und auch die notwendigen Schlüsse ziehen.

Ich meine aber auch, daß Eltern bedenken müssen, daß sie vielleicht mit ihrer Kritik in dem einen oder anderen Fall nicht ganz recht haben. Ich glaube also, daß von beiden Seiten die Bereitschaft bestehen muß, wirklich den wahren Sachverhalt, wenn es Auseinandersetzungen gibt, zu erforschen und dann miteinander einen Weg zu suchen. Das verlange ich sowohl von den Eltern als auch von den Lehrern.

Die Lehrer sind in ganz besonderem Maße dazu aufgerufen, es dann eben dem Kind nicht spüren zu lassen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen zum Aufruf der 12. Anfrage, 729/M, nämlich jener des Herrn Bundesrates Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich) an die Frau Bundesministerin. Ich ersuche um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Engelbert Schaufler: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich darf folgende Frage an Sie richten:

729/M-BR/97

Wann kann mit einer Regierungsvorlage Ihres Ressorts zur Einrichtung einer Berufsreifeprüfung gerechnet werden?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Berufsreifeprüfung ist das letzte noch ausstehende Ziel in der Durchlässigkeit unseres Schulangebotes. Diese Berufsreifeprüfung soll Absolventen der Lehre, Krankenschwestern und Fachschulabsolventen die Möglichkeit eines Einstiegs in ein universitäres oder Fachhochschulstudium geben. Diese Berufsreifeprüfung ist derzeit fertig konzipiert und ist mit den Sozialpartnern am 7. April besprochen worden. Sie wird nun im Entwurf fertiggestellt und kann demnächst der Regierung vorgelegt werden. Es müßte die Umsetzung im Parlament noch im Frühsommer möglich sein.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Engelbert Schaufler: Frau Bundesministerin! Soll zur Verstärkung der Durchlässigkeit der Lehrlingsausbildung die Berufsreifeprüfung noch heuer eingerichtet werden?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich hoffe sehr, daß von allen Beteiligten nicht zu große Einwendungen im Begutachtungsverfahren kommen. Ich meine, daß wir diese Berufsreifeprüfung noch heuer umsetzen sollten.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Engelbert Schaufler: Werden Sie sich dafür verwenden, daß in den vorgelagerten Schulstufen, Polytechnische Schule und Berufsschule, Module angeboten werden, die den Weg zur Berufsreifeprüfung erleichtern?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es gibt bereits jetzt Modelle, die genau dieses Ziel vor Augen haben: Zusammenarbeit Polytechnische Schule, Zusammenarbeit Berufsschule.

Dadurch, daß die Berufsschule in der Polytechnischen Schule im Fachbereich bereits Ausbildung anbietet, wird in der Berufsschulzeit Zeit frei für ein Angebot zur Hinführung zur Berufsreifeprüfung. Wir haben derzeit Modelle in Erprobung. Es soll auch die Aufgabe der Berufsschule dahin gehend geändert werden, daß Angebote zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung gemacht werden können.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen zur 13. Anfrage, 724/M, der Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien) . Ich ersuche die Frau Bundesrätin um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Monika Mühlwerth: Frau Bundesministerin! Meine Anfrage lautet:

724/M-BR/97

Welche konkreten Maßnahmen über das derzeitige schulische Angebot hinausgehend werden Sie zum Zweck der Förderung von überdurchschnittlich begabten Kindern mit außerordentlichen Lern- und Leistungsstärken setzen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Förderung der besonders Begabten ist eine Schwerpunktarbeit. Erstens ist es mir wichtig, daß wir die Lehrerschaft sensibilisieren, besondere Begabungen zu erkennen, zu wecken.

Der zweite Schritte ist die besondere Förderung der Begabungen. Es gibt bereits in den Ländern Vereine zur Begabungsförderung. Weiters werden in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft spezielle Angebote gemacht wie etwa Pluskurse.

Das dritte ist, daß wir mit den Universitäten zusammenarbeiten, daß besonders begabte Schüler bereits frühzeitig an Lehrveranstaltungen teilnehmen und auch Prüfungen ablegen können, die ihnen auch angerechnet werden.

Das vierte ist, daß wir eine Plattform in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, mit der Industriellenvereinigung gegründet haben, die Sommerakademien konzipiert, wo besonders Begabte eine besondere Förderung erhalten.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth: Frau Ministerin! In der letzten Sitzung des Bundesrates haben Sie einen Antrag der Freiheitlichen bezüglich konkreter Maßnahmen zur Förderung hochbegabter Schüler, der unter anderem das Teamteaching-Modell vorsieht, als entbehrlich bezeichnet. Dieser Antrag wurde von den Freiheitlichen in einer Kollegiumssitzung des Wiener Stadtschulrates eingebracht und dort einstimmig angenommen. Wie werden Sie darauf reagieren?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Anscheinend hat der Wiener Stadtschulrat bis jetzt noch keine Begabtenförderung gemacht, und daher war dieser Antrag notwendig. Wir arbeiten bereits seit eineinhalb Jahren an der Begabtenförderung. Deswegen ist so ein Antrag aus meiner Sicht entbehrlich.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
624. Sitzung / Seite 26

Wir kommen zur 14. Anfrage, 721/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Karl Hager (SPÖ, Niederösterreich) höflich um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Karl Hager: Werter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Selbst auf die Gefahr hin, Ihre Antwort schon vorwegzunehmen, denn die Frage 12 entsprach praktisch jener, die ich jetzt stellen will, möchte ich sie trotzdem als Hauptfrage zur Verlesung bringen, natürlich mit dem Hintergrund, auch Zusatzfragen stellen zu können.

Frau Bundesministerin! Meine Anfrage lautet:

721/M-BR/97

Wann kann mit einer gesetzlichen Regelung der Berufsreifeprüfung gerechnet werden?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Wenn es nach mir geht, noch heuer.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Karl Hager: Frau Bundesministerin! Wie wird man darauf aufbauend das Problem der Berufsschulen, zum Beispiel Lehrlinge ohne Lehrplatz, bewältigen können?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich halte es für völlig falsch, Lehrlinge, die keinen Lehrplatz haben, in die Berufsschule aufzunehmen.

Ich bin da auch einer Meinung mit Frau Kollegin Hostasch. Es wäre falsch, dem Jugendlichen vorzugaukeln, daß er dadurch, daß er jetzt schon in die Berufsschule geht, in diesem oder jenem Fachbereich später einen Lehrplatz bekommt. Das kann einfach niemand garantieren.

Ich halte es auch nicht für zielführend, den Jugendlichen einen Tag in der Woche in die Schule aufzunehmen, während er die restlichen vier Tage praktisch keine Betätigung hat. Ich halte es für wichtig und notwendig, daß wir Politiker und Verantwortliche uns jedes einzelnen Jugendlichen persönlich annehmen. Ich habe deswegen in Zusammenarbeit mit Frau Kollegin Hostasch in den Bundesländern ein Arbeitsforum gegründet, wo die Schulverwaltung mit dem Arbeitsmarktservice zusammenarbeitet, wo für jeden einzelnen Jugendlichen, der Schwierigkeiten hat, einen Lehrplatz zu finden, Maßnahmen besprochen und vorbereitet werden.

Es gibt die Möglichkeit, zusätzliche Fachschulklassen zu eröffnen, wenn in einem Ballungsraum mehrere Jugendliche sind. Es gibt die Möglichkeit, dem Jugendlichen beziehungsweise dem Lehrherrn eine besondere Förderung zu geben – das muß man auch noch viel mehr bekannt machen –, und zwar monatlich nicht unbeträchtliche Beträge. Es gibt die Möglichkeit, die Raumressourcen der Berufsschule zu nutzen und Kurse des Arbeitsmarktservice für diese Jugendlichen, die eine ganze Woche, ein ganzes Monat lang laufen, anzubieten.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Karl Hager: Frau Bundesministerin! Wie sehen die weiteren Schritte in Richtung durchlässiges Bildungssystem aus?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich meine, daß wir mit der Berufsreifeprüfung einen Grad an Durchlässigkeit erreicht haben, daß


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
624. Sitzung / Seite 27

man sagen kann, welchen Schulweg ein Kind mit zehn Jahren auch immer wählt, die Durchlässigkeit zu weiterer Bildung ist immer gegeben.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen zum Aufruf der 15. Anfrage, 730/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien) um die Verlesung der Anfrage an die Frau Bundesministerin.

Bundesrat Mag. Harald Himmer: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Anfrage lautet:

730/M-BR/97

Welche weiteren Schritte planen Sie zur Stärkung der Eigenständigkeit und der Selbständigkeit der Schulen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Eigenständigkeit der Schulen, die Autonomie an den Schulen ist ein besonderes Anliegen meiner Arbeit seit zwei Jahren. Es sind 24 Modellschulen eingerichtet, die schon sehr beachtliche Ergebnisse gebracht haben, und diese Ergebnisse der Modellschulen werden in Schritten auf alle Schulen des Landes übertragen.

Ein Beispiel dafür: Die Autonomie im finanziellen Bereich ist durch die zweckgebundene Gebarung und in Zukunft durch die Teilrechtsfähigkeit für alle Schulen unseres Landes möglich. Wir haben das im Modellschulprojekt erprobt und werden das dann auf alle Schulen des Landes ausweiten.

Weiters haben wir die Autonomie in der Gestaltung der Stundentafel, die wir auch vorher an den Modellschulen erprobt haben, auch allen anderen Schulen ermöglicht. Eine pädagogische Autonomie ist ebenfalls in allen Schulen umgesetzt worden. Derzeit werden noch Erprobungen in der inneren Schulorganisation gemacht. Es wird dann wieder einen Bericht aus den Modellschulen geben. Dabei geht es besonders um die Bereiche der administrativen Abläufe an den Schulen, wie sie optimiert werden können. Wenn wir die Erfahrungen aus den Modellschulen haben, werden wir das wieder auf alle anderen Schulen im Land übertragen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. Harald Himmer: Welche personellen und organisatorischen Entscheidungen sollen künftig zur Verbesserung der regionalen Kompetenz in die Landesschulräte verlagert werden?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es ist von besonderer Notwendigkeit, daß im gesamten Bereich der Deregulierung, der Entbürokratisierung auch Aufgaben vom Ministerium auf die Landesschulräte, von den Landesschulräten und vom Stadtschulrat auf die Schulen übertragen werden.

Wir haben einen Modellandesschulrat, nämlich den Landesschulrat für Oberösterreich, wo die Weiterentwicklung modellhaft erprobt und dargestellt wird. Es geht vor allem darum, Entscheidungen über die Verteilung der Werteinheiten im Landesschulrat zu administrieren, weil einfach die Schulgegebenheiten in jedem Bundesland anders sind. Es geht darum, die personelle Verwaltung verstärkt an die Landesschulräte zu delegieren, und es geht auch darum, in organisatorischen Bereichen dem Landesschulrat innerhalb seiner Ressourcen eine freie Gestaltungsmöglichkeit zu geben.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
624. Sitzung / Seite 28

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. DDr. h.c. Herbert Schambeck: Eingelangt sind 15 Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt sind Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen, die den heutigen Tag betreffen.

Ich ersuche die Schriftführerin höflich um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: "Der Herr Bundespräsident hat am 24. März 1997, Zl. 300.100/36-BEV/97, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein innerhalb des Zeitraumes vom 8. bis 10. April 1997 den Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend und innerhalb des Zeitraumes vom 18. bis 20. April 1997 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Ich verlese das zweite Schreiben:

"Der Herr Bundespräsident hat am 28. März 1997, Zl. 300.100/46-BEV/97, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johann Farnleitner innerhalb des Zeitraumes vom 8. bis 10. April 1997 die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt ist ein Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1997 geändert wird (2. BFG-Novelle 1997).

Dieser genannte Beschluß unterliegt im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates.

Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind ferner Berichte (21446 bis 22977-EU) über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz. Diese Berichte habe ich dem EU-Ausschuß zugewiesen.

In Anbetracht des Umfanges habe ich gemäß § 18 Abs. 2 Geschäftsordnung des Bundesrates nach Rücksprache mit der Frau und dem Herrn Vizepräsidenten angeordnet, daß eine Vervielfältigung und Verteilung zu unterbleiben hat, alle Vorlagen jedoch in der Parlamentsdirektion zur Einsichtnahme aufliegen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über die bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingelangten und zugewiesenen Berichte der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Lehrlingsausbildung 1995 und des Bundesministers


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
624. Sitzung / Seite 29

für Wissenschaft, Verkehr und Kunst sowie des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend ein Technologiepolitisches Konzept 1996 der Bundesregierung abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Ich habe alle diese Vorlagen sowie die Wahl der Vertreter Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Bösch.

Vertagungsantrag betreffend Tagesordnungspunkt 3

9.57

Bundesrat Dr. Eugen Reinhard Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf namens der freiheitlichen Bundesräte den Antrag stellen, den Tagesordnungspunkt 3 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Es geht dabei um die Beilage 499, um das Regionalradiogesetz.

Wir nehmen Bezug auf eine Stellungnahme der Verbindungsstelle der Bundesländer vom 31. Jänner 1997, in welcher eine Verschlechterung der Position der Länder festgestellt und verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden. Diese Stellungnahme wurde durch Schreiben der oberösterreichischen und der Vorarlberger Landesregierung bekräftigt.

Bis zur Klärung dieser Unklarheiten sind wir dafür, diesen Tagesordnungspunkt zu verschieben.

9.58

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag zur Geschäftsordnung des Herrn Bundesrates Dr. Bösch gehört. Da keine Debatte darüber verlangt wird, ist der Antrag gemäß § 51 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates sofort abzustimmen .

Wer also dem Antrag zustimmt, den Tagesordnungspunkt 3 betreffend Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 über ein Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz geändert wird, zu vertagen, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Die Vertagung ist daher abgelehnt .

Hoher Bundesrat! Den eingelangten Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 1995) (III-159-BR/97 der Beilagen) habe ich dem Rechtsausschuß zugewiesen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 3 bis 5, 6 und 7, 9 bis 13, 16 und 17, 18 und 19, 20 bis 22 sowie 23 bis 27 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

1. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den schulischen Teil der Berufsausbildung (Lehrlingsausbildung 1995) (III-157/BR sowie 5401/BR der Beilagen)

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den schulischen Teil der Berufsausbildung (Lehrlingsausbildung 1995).


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
624. Sitzung / Seite 30

Die Berichterstattung hat der Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer übernommen. Ich ersuche ihn höflich darum.

Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Herr Präsident! Hohes Haus! Der gegenständliche Bericht befaßt sich mit den Änderungen in der Berufsschule bezüglich

Schülerzahlen,

Organisation der Unterrichtszeit,

schulische Vorbildung der Berufsschüler,

schulische Vorbildung männlicher und weiblicher Berufsschüler,

Lehrpläne und

Lehrer.

Weiters wird auf folgende aktuelle Problemstellungen in der Berufsschule eingegangen:

Durchlässigkeit und Höherqualifikation in der Berufsschule,

Facharbeiterbedarf und Entwicklung der Schülerzahlen,

Beteiligung von Berufsschülern an Leonardo da Vinci, einem Aktionsprogramm zur Durchführung einer gemeinschaftlichen Berufsbildungspolitik.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag , den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Helga Moser. Ich erteile es ihr.

10.00

...Bundesrätin Helga Moser (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Der heute zu diskutierende Bericht über den schulischen Teil der Berufsausbildung hat den großen Nachteil, daß er kein aktuelles Zahlenmaterial enthält und die vorliegenden Statistiken jeweils mit dem Schuljahr 1993/94 enden.

Herauslesen kann man aber die Tatsache, daß im Zeitraum von 1989 bis 1994 der Anteil der Lehrlinge beziehungsweise Berufsschüler von 47 Prozent bereits auf 43,6 Prozent gesunken ist und sich diese Tendenz seit dem Berichtszeitraum verstärkt hat. Ursachen dafür liegen laut Bericht in geänderten Bildungsentscheidungen, in Imageproblemen, im Trend zu höheren Ausbildung und in der sinkenden Bereitschaft der Betriebe, Lehrlinge auszubilden.

Das Image der Lehrberufe ist in Teilen der Bevölkerung nicht gerade gut. Viele Eltern, gerade jene in den Ballungsgebieten, streben für ihre Kinder den Besuch einer weiterführenden Schule an. Andererseits ist im dualen Schulsystem neben dem Bildungsbereich auch die Wirtschaft mit einzubeziehen. Wir bilden noch in über 200 verschiedenen Lehrberufen aus, obwohl wir wissen, daß viele Berufsbilder in Zukunft obsolet und neue Berufe entstehen werden.

Auch die Tatsache, daß sowohl das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten als auch das Wirtschaftsministerium mit der Lehrlingsausbildung befaßt sind, vereinfacht die Thematik nicht. Gerade in Zeiten angespannter Wirtschaftslage überlegen Betriebe immer mehr, ob sie sich Lehrlinge noch leisten können. Die Zahl der freien Lehrstellen ist stark zurückgegangen und hat in letzter Zeit eine dramatische Wendung genommen.

Von seiten der Regierung wurde diese Problematik lange Zeit negiert. Erst vor kurzem wurden Gegenoffensiven angekündigt, sie sind aber bisher in der Öffentlichkeit noch zuwenig konkretisiert worden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
624. Sitzung / Seite 31

Sehr geehrte Frau Minister! Sie haben zwar gemeinsam mit Frau Minister Hostasch bekanntgegeben, daß beide Ministerien finanzielle Mittel in Millionenhöhe als Sofortmaßnahme zur Verfügung stellen werden, genaueres ist aber noch nicht bekannt. Im Bundesratsausschuß für Unterricht informierte uns der zuständige Ministerialratsbeamte auf eine Frage darüber, daß eine Erhebung ergeben hat, daß im schulischen Bereich genügend Klassen zur Verfügung stehen, um zusätzliche Schüler beziehungsweise junge Leute, die keinen Lehrplatz bekommen, aufzunehmen. Er meinte aber, daß dabei folgendes klar sein muß: Der Schultyp kann dabei nicht immer frei gewählt werden. Ich finde diese Tatsache sehr bedenklich.

Gerade Sie, Frau Minister, haben in der Diskussion über das Aufsteigen mit einem Nicht genügend unter anderem darauf hingewiesen – ich zitiere wörtlich –, "daß viele Kinder und Jugendlichen im falschen Schultyp sitzen und deshalb versagen, weil sie über andere als die dort geforderten Begabungen verfügen". – Ende des Zitates.

Nun sollen Jugendliche, die teilweise gar keine weiterführende Schule besuchen wollen, aus welchen Gründen auch immer irgendeine Schule besuchen. Auch in den letzten Jahren drängten Jugendliche schon verstärkt in weiterführende Schulen und scheiterten dort.

Wie zu erfahren war, liegt die Drop-out-Quote am Ende der ersten Klasse im Durchschnitt bei 20 Prozent, in einigen Fällen aber sogar zwischen 20 und 60 Prozent. Ich finde es unmenschlich, Kinder beziehungsweise Jugendliche der Situation auszusetzen, daß sie sich am Beginn ihres Erwachsenenlebens als Versager erleben müssen, weil sie schlichtweg überfordert sind und die gewünschte Leistung wirklich nicht erbringen können.

Noch zwei weitere Probleme treten auf, wenn man alle lernbegabten Kinder in berufsbildende Schulen schickt, unabhängig davon, ob sie es anstreben oder nicht.

Erstens stellt sich die Frage, ob sie bei einem positiven Schulabschluß auch wirklich eine Anstellung bekommen oder ob die Märkte zwischenzeitlich so gesättigt sind, daß sie wieder arbeitslos sind. Zweitens hat die Tatsache, daß dann primär die Minderbegabten höherqualifizierte Berufe erlernen müssen, für die sie nicht geeignet sind und die daher zum Scheitern kommen, zur Folge, daß es verstärkt einen Lehrabbruch geben wird.

Erlauben Sie mir nun auch ein Wort zur finanziellen Auswirkung. Derzeit kostet der Schüler einer AHS oder BHS – es ist sicher nicht immer die Zahl für alle Schultypen richtig – dem Staat zirka 60 000 S, ein Lehrling jedoch nur 6 000 S.

Wenn man die Lehrplätze mit 50 000 S jährlich fördern würde, wäre dies für den Staat kostenneutral und der Jugendliche würde jenen Beruf erlernen, den er auch anstrebt, und kann seine Qualitäten, zum Beispiel im handwerklichem Bereich, optimal weiterentwickeln und wird nicht zum Versager, weil er sein Selbstwertgefühl nicht verliert. Wir alle wissen, welchen Stellenwert Motivation für die Leistungsbereitschaft hat und welche Dauerschäden durch gravierende Frustrationserlebnisse entstehen können.

In den Berufsschulen wird gute Arbeit geleistet, der politische Stellenwert dieses Schultyps ist aber in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. In Oberösterreich hat man einen Schwerpunkt auch auf den Schultyp "Berufsschule" gelegt.

Frau Bundesministerin! Im vorliegenden Bericht werden auch die unterschiedlichen Organisationsformen des Unterrichts aufgezeigt. Sie haben zuvor bei einer Fragebeantwortung als Beispiel der Änderung des Ganzjahresbetriebes den Seminarunterricht angesprochen – vier Wochen im Oktober, vier Wochen im Juni – und haben gemeint, daß dies die Beziehung zwischen Schule und Lehrbetrieb verbessert. Dies kann ich nicht ganz unwidersprochen lassen.

Mir gegenüber haben Kollegen aus dem Berufsschulbereich auch einige negative Erfahrungen mit diesem Kursbetrieb geschildert, und zwar betreffen sie teilweise die schwachen Schüler. Es fehlt die Zeit für die Wiederholung, es wird in diesen vier Wochen der Lehrstoff intensiv vermittelt, und man hat zuwenig Zeit, Kinder, die die Wiederholung, die nochmalige Erklärung


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
624. Sitzung / Seite 32

brauchen würden, wirklich in der Schule zu betreuen. Verstärkt gefordert ist natürlich bei dieser Form des Unterrichts auch das Selbststudium, aber auch das bereitet teilweise Probleme.

Auch brauchen manche 14- und 15jährigen – ich möchte sagen: Sie sind teilweise noch Kinder – gerade dann, wenn sie sich in der Berufswelt zurechtfinden müssen, auch noch die emotionale Sicherheit des Klassenverbandes. Der Klassenverband ermöglicht es ihnen, sich in einer anderen Situation, in einem anderen Bereich auch zu erleben, nicht nur im Betrieb, sondern auch in der Schule.

Sie haben, Frau Minister, zuvor auch darauf hingewiesen, daß es jetzt verschiedene Modelle oder Angebote gibt, zum Beispiel auch vom Arbeitsmarktservice, junge Leute, die keinen Lehrplatz finden, zu einem Kurs, der fünf Tage in der Woche dauert, zusammenfassen. Mir ist solch ein Beispiel aus Vöcklabruck in Oberösterreich bekannt, es wird dort aber eher darauf hingewiesen, daß die Motivation der Schüler eigentlich nicht sehr groß ist, daß die Lernbereitschaft der Schüler eher sinkt beziehungsweise gering ist, weil sie dort eigentlich nicht sein wollen. Sie nehmen es halt an, beziehungsweise die Eltern unterstützen sie dabei, damit sie beschäftigt sind, damit sie etwas tun. Aber ich bin mir nicht sicher, ob wir die eigentlich damit indirekt angestrebten Ziele erreichen können.

Bei der Diskussion über die Berufsschule kann man eigentlich auch den Polytechnischen Lehrgang nicht außer acht lassen. Das Polytechnikum ist verbessert worden, es gibt das "Poly 2000", das aber auch das Problem in sich birgt, daß Schüler lange Fahrtzeiten auf sich nehmen müssen.

Wir Freiheitlichen sind der Meinung, daß es gerade im Hinblick auf die geänderten Berufsausbildungen und auch Berufe überhaupt besser gewesen wäre, statt des Polytechnischen Lehrganges ein Berufsbildungsgrundjahr anzubieten. Die Ausbildung in verwandten Berufsgruppen, zum Beispiel Handel, Metall, Holz, Dienstleistungen und so weiter, würde dem jungen Menschen ermöglichen, innerhalb der Berufsgruppe zu wechseln. Daraus ergibt sich die logische Konsequenz, daß natürlich auch die Lehrer an den Berufsschulen fächerübergreifend unterrichten müssen.

Wir meinen auch, daß gerade im Berufsbildungsgrundjahr Allgemeinbildung, Berufsinformation und Fremdsprachen als Schwerpunkt gesetzt werden sollten, wobei die Fremdsprache Englisch als Weltsprache am wichtigsten ist. Der Lehrling soll einen fachbezogenen Englischunterricht verpflichtend angeboten bekommen.

Sehr geehrte Frau Minister! Ich bin in meinen Ausführungen weniger auf den vorliegenden Bericht eingegangen, daß es mir wichtig war, die Gegenwartssituation zu beleuchten, statt Statistiken und Zahlen zu diskutieren, die heute für uns keine Bedeutung mehr haben.

Wir Freiheitlichen meinen, daß es sinnlos ist, Anfang April 1997 eine Situation zu diskutieren, die im Schuljahr 1993/94 bestanden hat. Wir alle hier herinnen wissen, wie sehr sich die Problematik im Lehrlingsbereich verschärft hat, und aus diesem Grund werden wir Freiheitlichen den vorliegenden Bericht ablehnen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.12

...Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile es ihm.

10.12

...Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte mich zu Beginn meiner Ausführungen für die Vorlage des Berichtes über den schulischen Teil der Berufsausbildung, für dessen akribische Erstellung bedanken. Die darin enthaltenen Zahlen gewähren uns einen Einblick in die Welt der Berufsschule. Ich danke auch den vielen Beamten und auch dem Lehrkörper, die an der Erstellung dieses Berichtes mitgewirkt haben.


Bundesrat
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624. Sitzung / Seite 33

Meine Damen und Herren! Wir haben es natürlich leicht, wir können aus dem Bericht Punkte herausgreifen, die uns besonders interessieren. Ich halte das auch so, zumal ich annehme, daß die Diskutanten diesen Bericht noch genauestens analysieren werden.

Ich widme mich der schulischen Vorbildung der Berufsschüler. Ich darf anmerken, daß markante Verbesserungen gegenüber der Zeit, als zum Beispiel ich eine Berufsschule besucht habe, festzustellen sind, auch wenn ich später die Berufsberatung kritisieren werde, die natürlich Meilen über dem Niveau liegt, das 1960 Absolventen von Pflichtschulen dargeboten wurde. Damals hat es einfach geheißen: Der Test ergibt, du bist praktisch veranlagt, du wirst wahrscheinlich Mechaniker, Schlosser oder ein Arbeiter, oder: Du hast zwei linke Hände, du gehst in den Kaufmannsberuf. So wurde gesprochen 1962 bei einer Berufsberatung in der Hauptschule Walserfeld, die ich dann verlassen habe.

Die Voraussetzung für den Eintritt in eine österreichische Berufsschule ist die Absolvierung der neunjährigen Schulpflicht und der Abschluß eines Lehrvertrages. 1994 kamen zirka 40 Prozent der Berufsschüler aus dem Polytechnischen Lehrgang, zirka 22 Prozent aus der Hauptschule. Der Anteil der Berufsschüler, die aus weiterführenden Vollzeitschulen – AHS, BMS, BHS – in die Berufsschule übertraten, lag 1994 bei zirka 37 Prozent.

Der Anteil der Lehranfänger mit nicht mehr als Volksschulbildung lag im Jahre 1994 bei 0,15 Prozent. Dabei dürfte die Verbesserung der schulischen Versorgung eine bedeutende Rolle spielen. In absoluten Zahlen ausgedrückt ist der Anteil der Lehranfänger nur mit Volksschulausbildung von 5 351 im Jahr 1970 auf 63 im Jahr 1994 zurückgegangen. Dafür mag zum einen eine Bildungsoffensive, zum anderen aber auch eine zielorientierte Rahmenpolitik ausschlaggebend sein. Dabei möchte ich jedoch anmerken, daß es bei der Versorgung der Berufsschulen in Ballungszentren und Landeshauptstädten gegenüber dem Hinterland beträchtliche Mängel gibt, die es gemeinsam anzugehen gilt. Da können berufsbildende Typen wie Volkshochschule oder BFI alleine das Auslangen nicht finden. Da sind wir gefordert, entsprechend mitzuwirken.

Obwohl die Zubringerfunktion des Polytechnischen Lehrganges und der Hauptschule für die Berufsschule unumstritten ist – fast zwei Drittel der Berufsschüler kommen von dort –, so ist auch in diesem Bereich eine gewisse Dynamik feststellbar. Bis zum Jahr 1975 stieg der Anteil der Lehranfänger aus diesen beiden Schultypen beständig an und war 1975 mit zirka 79 Prozent am höchsten. Vom Jahr 1976 an ging der Anteil aus diesen beiden Schultypen – Hauptschule und Polytechnischer Lehrgang – wieder zurück, und zwar so stark, daß er zuletzt weit unter den Stand von 1970 gefallen ist.

Analog zu dieser Entwicklung vollzieht sich eine Gegenbewegung, und zwar ein stark steigender Anteil von Lehranfängern aus weiterführenden Vollzeitschulen. Kamen 1970 nur etwa 12 Prozent der Lehranfänger aus der AHS, BMS oder BHS, so lag dieser Anteil 1994 über 36 Prozent. Ein Großteil dieser Drop-outs hat das neunte Schuljahr negativ abgeschlossen und wählt die Lehre, weil der angestrebte Bildungsgang nicht bewältigt wurde. Wie Berufsschullehrer berichten, ist die Lernmotivation bei vielen dieser Umsteiger in die Berufsschule äußerst niedrig. Dabei kommen sowohl Momente von partieller Leistungsunterforderung als auch individuelles Bildungsversagen als Ursache in Frage.

Das ist auch ein Punkt, der höchste Anforderungen an den Lehrkörper, aber auch an die Schulgemeinschaft selbst stellt. Da gilt es wirklich, nachzudenken, Anreize zu schaffen, damit man jene motiviert, die meinen, schon alles von der Vorschulbildung mitbekommen zu haben und der Berufsschule keine Aufmerksamkeit mehr entgegenbringen zu müssen. Das Gegenteil wird erreicht. Auch jene Berufsschüler oder -schülerinnen, die diesen Bildungsschub noch nicht mitmachen konnten, haben natürlich Anlaß, sich anzupassen. Der gemeinsame Lernerfolg wird dann zu wünschen übrig lassen.

Da ist es wichtig, den Lehrkörper so auszustatten, daß er diesen Anforderungen auch gerecht wird und letztendlich dann ein guter gemeinsamer Ausbildungserfolg erreicht werden kann.

Die schulische Vorbildung männlicher und weiblicher Berufsschüler ist auch interessant. Insgesamt gab es in Österreich im Jahr 1994 26 746 männliche und 13 951 weibliche Lehranfänger.


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Davon hatten rund 70 Prozent der männlichen und etwas 47 Prozent der weiblichen Schüler eine Hauptschule oder einen Polytechnischen Lehrgang absolviert. Der Anteil der Mädchen aus weiterführenden Vollzeitschulen ist mit zirka 53 Prozent fast doppelt so hoch wie jener der Burschen, der rund 29 Prozent beträgt. Auch wenn man berücksichtigt, daß ein vermutlich beträchtlicher Teil jener weiblichen Lehranfänger, die aus weiterführenden Schulen kommen, eine Haushaltungsschule besuchen, gelangt man dennoch zu dem Schluß, daß die Schulbildung der Mädchen dem Niveau nach über dem der Burschen liegt.

Ich glaube, es müssen deswegen die männlichen Absolventen der Berufsschule nicht in Depression verfallen, denn es ist vom Ansatz des Berufsbildes her erklärbar, daß Berufe, die jungen Burschen als adäquat erscheinen, wie zum Beispiel Mechaniker, Autospengler oder anderes mehr, von vornherein eine andere, höhere Schulbildung nicht notwendig erscheinen lassen, daß da von vornherein ein anderer Weg gesucht wird. Daraus den Schluß zu ziehen, da werde wenig Intelligentes eingebracht, ist aus meiner Sicht falsch, wenngleich es natürlich richtig ist, daß für Absolventen einer kaufmännischen Berufsschule gewisse Wissensvorteile bestehen.

Eine wichtige Ursache dafür ist auch in der Tatsache zu suchen, daß der Mädchenanteil an der Zahl der Lehrlinge insgesamt nach wie vor relativ gering ist und daß in vielen Fällen nur Mädchen mit besserer Schulbildung Zugang zu einer Lehrausbildung finden. Eine weitere Ursache dürfte in dem Umstand zu suchen sein, daß die besondere Lehrberufsstruktur bei Mädchen mit ihrem Schwerpunkt bei kaufmännischen Berufen diese Wirkung noch weiter verstärkt. Das vorliegende Datenmaterial zeigt auch, daß in den letzten Jahren diesbezüglich keine wesentlichen Änderungen erfolgt sind, sondern sich die genannten Tendenzen eher noch verstärkt haben.

Ich finde es positiv, daß in Zukunft auf Fremdsprachen, auf berufsorientierte Fremdsprachen Wert gelegt wird, denn wer die Welt nicht versteht, der wird mit ihr nicht kommunizieren können, und diese Nachteile im Beruf sollten wir unseren jungen Absolventen der Berufsschule für die Zukunft ein für allemal ersparen.

Ich möchte nun auch ein paar Gedanken zur dualen Berufsausbildung hier äußern.

Derzeit wird in Österreich zuwenig Berufsinformation an den Schulen vermittelt – ich habe das eingangs an einem eigenen Beispiel schon dargestellt, ich darf das aber noch näher erläutern. Die im familiären Bereich häufig strikte Trennung zwischen beruflicher und privater Sphäre, die tätigkeitsbezogenen Darstellungen in Kinder- und Schulbüchern von Mann und Frau und die unterschiedliche Erziehung von männlichen und weiblichen Kindern tragen später zu mangelnder Kenntnis über die beruflichen Realitäten bei Jugendlichen bei. Das Einsetzen von Berufsinformation ab der 9. Schulstufe – das ist naturgemäß der Polytechnische Lehrgang – kommt aus meiner Sicht eindeutig zu spät. Durch ein pädagogisch kindgerechtes Auseinandersetzen mit der Arbeitswelt bereits ab Beginn der Schulpflicht und die schrittweise Heranführung an die Arbeitsrealitäten im Hauptschul- und AHS-Unterstufenbereich könnte eine konkretere Auseinandersetzung mit den Berufen erzielt und die Berufswahl erleichtert werden. Berufsinformation muß daher ab Beginn der Schulpflicht in den Lehrplänen aller Schultypen vorgesehen werden.

Mehr als die Hälfte aller Lehrlinge in Österreich, nämlich 55 Prozent, werden im Gewerbe ausgebildet, rund 17 Prozent im Handel, 15 Prozent in der Industrie und knapp 10 Prozent im Fremdenverkehr. Die Lehrstellensituation in Österreich ist derzeit ein strukturell bedingtes Problem. So ist die Zahl der Lehrstellen im Bereich des Gewerbes und des Fremdenverkehrs österreichweit in den letzten 20 Jahren prozentuell gestiegen, im Bereich der Industrie und des Handels jedoch prozentuell gesunken. Die Strukturprobleme liegen daher einerseits im Rückgang von qualitativ hochwertigen Ausbildungsplätzen, zum Beispiel in der Industrie, und im Rückgang von traditionellen Lehrstellenangeboten, zum Beispiel im Handel.

Gewerbe, Fremdenverkehr und Verkehr bieten heute prozentuell mehr Lehrstellen an als 1973. Das zeigt, daß Lehrlingsausbildung einerseits ökonomisch und konjunkturell bedingt ist und


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andererseits im wesentlichen dort stattfindet, wo die Arbeitsleistung rasch produktiv verwertbar ist.

Die derzeit eng mit der Gewerbeordnung verbundene Lehrberufsliste ist zu überdenken. Lehrberufe können auch losgelöst von der Gewerbeordnung entstehen. Notwendig ist die Schaffung moderner Berufe und Berufsfelder. Vor allem Berufe, in denen das derzeitige Arbeitskräftepotential aus Absolventen weiterführender Schulen gewonnen wird, sollten der dualen Ausbildung zugänglich sein. Auch Branchen, in denen bisher keine Lehrlingsausbildung stattgefunden hat, sollen dieser Ausbildungsform zugänglich gemacht werden, so zum Beispiel die Ausbildung in Bereichen wie Investment und Kapitalanlagen, bei Ärzten, Vermessungstechnikern, im EDV- und Multimediabereich, in der Alten- und Krankenpflege und in weiteren Bereichen des Dienstleistungssektors.

Natürlich müssen diese Dinge auch finanziert werden – auch dazu einige Anmerkungen. Die Wirtschaft klagt grundsätzlich über zu hohe Kosten bei der Lehrlingsausbildung. Richtig ist, daß qualifizierte Ausbildung mit Kosten verbunden ist. Es ist jedoch hinsichtlich der Kosten nach einzelnen Branchen und Berufen erheblich zu differenzieren. Vor allem sind bei der Kostenbewertung auch die durch die Lehrlinge erbrachten Nettoerträge zu berücksichtigen, die in den einzelnen Lehrberufen erheblich differieren. Notwendig ist daher zunächst die Außerstreitstellung der tatsächlichen Ausbildungskosten in den einzelnen Lehrberufen beziehungsweise Branchen, darüber hinaus muß der jeweilige Ertrag der Lehrlingsarbeit für den Betrieb Berücksichtigung finden. Auch Kosten, die derzeit von Bund, Ländern und Gemeinden für die Lehrlingsausbildung bezahlt werden – Kosten für Berufsschulen und Lehrer –, müssen bei der Kostenaufbringung berücksichtigt werden.

Denkbar ist hinsichtlich der Finanzierung der Lehrlingsausbildung ein Lastenausgleich zwischen ausbildenden und nichtausbildenden Betrieben. Dabei geht es darum, die Ausbildungsbetriebe unter Wahrung und Steigerung der Ausbildungsqualität finanziell zu fördern. Ich zitiere dazu ein ÖGB-Modell: Demnach erhält jeder Lehrbetrieb im ersten Lehrjahr monatlich 3 000 S. Bei derzeit mehr als 40 000 Lehranfängern jährlich werden für die Grundfinanzierung zirka 1,5 Milliarden Schilling benötigt. Nach dem ersten Lehrjahr soll der Lehrberechtigte tatsächliche Kosten, die entstanden sind, weil er deutlich über dem eigenen Berufsbild ausbildet, refundiert erhalten.

Im Rahmen dieses Lastenausgleichs soll auch der Weg zum trialen System finanziell abgesichert werden. Die Förderung von zusätzlichen Lehrstellen in Lehrwerkstätten ist ebenfalls über den Lastenausgleich abzudecken. Der Finanzierungsbedarf der zusätzlichen Ausbildung wird vorerst mit einer halben Milliarde Schilling veranschlagt.

Die Einhebung der Geldbeträge – das sind zwischen 0,2 und 0,25 Prozent der Bruttolohn- und Gehaltssumme –, um den Lastenausgleich in der Höhe von zwei Milliarden Schilling zu erreichen, sollte über die bestehenden Strukturen der Sozialversicherung vorgenommen werden.

Lehrlinge sollen am Ende der Lehrzeit oder nach Absolvierung der Lehrzeit die Möglichkeit haben, eine Berufsreifeprüfung abzulegen, und mit dieser den Zugang zu Fachhochschulen und allgemeinen Universitäten erlangen können. Auf diese Weise würden junge Menschen auch über den Bildungsweg Lehrlingsausbildung verstärkt gefördert und motiviert, ständig weiterzulernen. Gleichzeitig soll mit dieser Maßnahme das Ansehen der Lehrlingsausbildung insgesamt gehoben werden.

Mit Beginn des Schuljahres 1997/98 sollte den Berufsschulen und den berufsbildenden mittleren Schulen ein handhabbares Modell zur Berufsreife seitens des zuständigen Unterrichtsministeriums vorliegen. Es ist daher bereits jetzt für die Schulbehörden an der Zeit, Überlegungen anzustellen, wie das Modell der Berufsreifeprüfung, vor allem an Berufsschulen, umgesetzt werden kann.

Vorbereitungslehrgänge für die Berufsreifeprüfung könnten so gestaltet sein, daß durch den Erwerb von Bildungsmodulen auch der Einstieg in andere Schulen möglich ist. Das heißt, es soll bildungswilligen Lehrlingen möglich sein, in eine höhere Klasse der berufsbildenden mittleren oder höheren Schulen einzusteigen, zum Beispiel Anrechnung der Lehrzeit bei Absolvierung der


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Handelsakademie. Derzeit besteht nur die umgekehrte Möglichkeit, nämlich Einstieg ins duale System nach Abbruch der mittleren oder höheren Schule. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Das duale Ausbildungssystem muß auf Sicht gesehen so in das allgemeine Bildungssystem integriert werden, daß mit Beginn eines Lehrverhältnisses bis zum Abschluß eines Hochschulstudiums ein durchgehender Ausbildungsweg möglich ist. Wenn eine Berufsmatura existiert und die Anrechnung von der Lehrzeit auf die Schulzeit möglich ist – das ist derzeit ja nur in umgekehrter Reihenfolge der Fall: Anrechnung der Schulzeit auf die Lehre –, kann auch ein Anlernsystem für lernschwache Schüler geschaffen werden. Derartige Angebote müssen jedoch an objektive Kriterien gebunden sein, um eine zweite Low-quality-Lehre, die nur an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiert ist, zum Beispiel Regalbetreuer, zu vermeiden.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß das Anliegen der Lehrlinge und der Berufsschulen ein gemeinsames von uns sein muß. Ich bitte, gemeinsam dafür Sorge zu tragen, daß die Rahmenbedingungen für eine weitere gute Ausbildung auf dieser Ebene gewährleistet werden. Wir nehmen diesen Bericht mit Zustimmung zur Kenntnis. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jaud. Ich darf ihn bitten.

10.27

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Laut Statistik bekommen viele Schulabgänger, die einen Lehrplatz suchen, keine Lehrstelle. Mein Betrieb, eine Tischlerei, sucht seit einem halben Jahr einen Lehrling – und dies ist kein sehr unangenehmer Beruf. Wir haben diesen Bedarf auch der Arbeitsmarktverwaltung mitgeteilt, aber seit einem halben Jahr ist es uns nicht gelungen, einen Lehrling zu erhalten. – Soweit zur Theorie und Praxis am Arbeitsmarkt der Lehrlinge.

Aber auch im vorliegenden Bericht sind sich die Fachleute nicht ganz einig über die derzeitige Situation bei der Lehrlingsausbildung. Die einen sprechen davon, daß die sinkende Bereitschaft der Betriebe zur Lehrlingsausbildung zu einem Gesamtrückgang der Lehrlingszahlen führt. Das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft interpretiert das vorliegende Zahlenmaterial des Österreichischen Statistischen Zentralamtes wiederum so, daß die Hauptursache für die rückläufigen Lehrlingszahlen vorwiegend in der demographischen Entwicklung gesehen wird.

Die Zahl der Lehranfänger im Zeitraum von 1984 bis 1994 ist zwar von 54 000 auf 40 000 gesunken, aber gemessen an den entsprechenden Geburtsjahrgängen hat sich der Lehrlingsanteil sogar von 44 auf 46 Prozent verbessert. – Also mit Statistik läßt sich beliebig jonglieren.

Unbestritten ist aber, daß sich die Zahl der Ausbildungsplätze für Lehrlinge in den Betrieben enorm verringert hat. Auch die Anzahl der Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, ist sehr stark zurückgegangen. Die Ursache für den Rückgang an Lehrplätzen liegt einerseits in der ungeheuer dynamischen Veränderung innerhalb der Wirtschaft, andererseits aber auch in einer teilweise unzumutbaren Überregulierung, einer mangelnden Qualifikation der Lehrplatzsuchenden und darin, daß sich Lehrlinge für viele Betriebe einfach nicht mehr rechnen. Betriebe und Wirtschaft, das ist keine Sozialeinrichtung, sondern Betriebe und Wirtschaft können nur existieren und leben, wenn sie Gewinne erzielen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin aber davon überzeugt: Wenn unsere Wirtschaft wieder etwas mehr Schwung erhält, die Betriebe wiederum Gewinne erzielen, dann werden auch wieder genügend Lehrplätze für unsere jungen Leute zur Verfügung stehen.

Die modernsten Labors und Werkstätten der Berufsschulen sind übrigens, wie aus Ihrem Bericht, Frau Ministerin, hervorgeht, ein leuchtendes Beispiel für funktionierenden Föderalismus. Die Länder in Verbindung mit den Kammern haben gezeigt, daß sie durchaus in der Lage sind,


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diese Aufgaben föderal besser als zentral zu lösen. Österreichs Berufsschulen sind laut diesem Bericht europaweit Spitzenausbildungsplätze.

Ein besonderes Anliegen für die Jugend in der Zukunft muß es sein, daß wir den Jugendlichen nach dem Lehrabschluß nicht als fertig ausgebildet betrachten, sondern jene, die sich während der Berufsausbildung als geeignet erweisen, intensiv zur Weiterbildung anregen.

In einer sich ständig verändernden Gesellschaft und Arbeitswelt ist es notwendig, daß ein großer Teil der Berufstätigen bereit ist, ein ganzes Leben lang zu lernen und ihre berufsspezifischen Ausbildungen entsprechend den Bedürfnissen anzupassen. Dazu ist es aber vor allem notwendig, daß die jungen Menschen auch in der Berufsschule das Lernen lernen. Denn alles wird nicht zur Verfügung gestellt: Viel an Informationen wird sich der junge Mensch – in der Zukunft mehr als heute – selbst beschaffen müssen, und das muß gelehrt werden.

Wie ich dem vorliegenden Bericht über die Berufsausbildung entnehme, sollen die Möglichkeiten, die Berufsschulen in die Organisation weiterführender Bildung zu integrieren, mit besonderer Intensität vorangetrieben werden. Nach meiner Auffassung muß auch die Wirtschaft bei der Lehrlingsausbildung in der Zukunft etwas umdenken. Der Lehrling wird in der Zukunft immer weniger als Arbeitskraft gesehen werden können. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

Deshalb wird es auch notwendig sein – wie Kollegin Moser bereits erwähnte –, neue Finanzierungsmodelle für die Lehrzeit zu überlegen. Wenn für die Hälfte der Jugend, die keinen Lehrberuf ergreift, der Staat bis zum 19. oder 20. Lebensjahr die Ausbildungskosten übernimmt, dann wird in der Zukunft auch die Öffentlichkeit einen großen Teil der dualen Ausbildung finanzieren müssen.

Nach der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung soll für Absolventen der dualen Ausbildung eine Berufsmatura geschaffen werden. Damit wäre die Berufsreifeprüfung neben der AHS- und BHS-Matura eine dritte Normalform zum Übertritt in eine höhere Ausbildung. Ich glaube, daß gerade diese Berufsmatura für das Image der Lehrlinge von besonderer Bedeutung ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie ich bereits am Beginn meiner Ausführungen sagte, bin ich davon überzeugt: Wenn sich die österreichische Wirtschaft gut entwickelt, dann gibt es ausreichend Lehrstellen und Arbeitsplätze. Die wirtschaftliche Entwicklung ist aber nicht nur vom Können eines Volkes abhängig, sondern vor allem auch vom Wollen. Eine gute, positive psychologische Grundstimmung ist Voraussetzung für eine gute Wirtschaftsentwicklung. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) – Lassen wir uns, meine Damen und Herren, nicht durch Miesmacher die Arbeit vergällen und unser Land versauen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Österreich ist ein gutes Land – mit einem begnadeten Volk. Wir haben keine unlösbaren Probleme, und wir hier als Verantwortungsträger in diesem Lande haben die erste Aufgabe, die gute Botschaft hinauszutragen und dafür Sorge zu tragen, daß sich unser Land auch weiterhin gut entwickelt. Es heißt, der Glaube kann Berge versetzen. Gehen wir hinaus, meine Damen und Herren, und bringen wir den Menschen die gute Botschaft, dann wird sich unser Land in Zukunft gut entwickeln. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

10.36

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Wir diskutieren heute den Lehrlingsbericht von 1995. Der Bericht ist fast ein Jahr lang gelegen, bis er den Weg in den Unterrichtsausschuß des Nationalrates gefunden hat. Dort ist er im November 1996 behandelt worden. Fast ein weiteres halbes Jahr lang hat er den Weg in den Bundesrat suchen müssen, bis er endlich hierhergefunden hat.


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Dieser lange Zeitraum zeigt ganz deutlich, daß die Regierungsparteien sich scheuen, dieses heiße Eisen anzufassen – und das aus gutem Grund: Standen laut Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales schon 1995 7 789 Lehrstellensuchenden nur 6 500 offene Lehrstellen gegenüber, kam es 1996 zu einem dramatischen Einbruch bei den Ausbildungsplätzen. So waren es im Herbst 1996 7 929 Jugendliche, die eine Lehrstelle gesucht haben, es wurden aber nur 3 282 Ausbildungsplätze angeboten. Dieser Trend hält ungehindert an, und die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ schauen zu.

Bis Ende 1997 prognostiziert das Arbeitsmarktservice, daß 6 000 Lehrlinge keinen Ausbildungsplatz finden werden. Aber anstatt für die Wirtschaft Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Betrieben erleichtern, Lehrlinge auszubilden, legt man ein Gesetzespaket zur Begutachtung vor – so ist es zumindest den Medien zu entnehmen –, das man wahrscheinlich bestenfalls als "Gesetzespäckchen" bezeichnen kann. Bundeskanzler Viktor Klima sagt dazu in der Zeitung "Die Presse" vom 15. 2. 1997 – ich zitiere –: "Wir haben Bedingungen geschaffen, daß so kostengünstig und unbürokratisch wie nie zuvor Lehrlinge beschäftigt werden können." – Zitatende.

Der Obmann der Bundessektion Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer, Achleitner, glaubt im Gegensatz zum Bundeskanzler nicht daran, daß dadurch die Zahl der Lehrstellen steigen wird und meint dazu: Ich wäre glücklich, wenn wir die Zahl und den Stand halten könnten.

Kernstück dieses Paketes soll – so steht es in den Zeitungen – eine Entlastung der Lehrbetriebe von den Krankenversicherungsbeiträgen für Lehrlinge in den ersten beiden Lehrjahren sein. Gleichzeitig wird aber der Arbeitgeberbeitrag um 0,1 Prozentpunkte bei den Angestellten erhöht. Das heißt nichts anderes, als daß natürlich wieder die Betriebe zur Kasse gebeten werden und sie damit die Last der Lehrlingsausbildung nach wie vor selbst zu tragen haben. Von einer Entlastung, meine Damen und Herren, kann keine Rede sein, und die Regierung entzieht sich einmal mehr ihrer Aufgabe, für ein wirtschaftsfreundliches Klima zu sorgen.

Einer der Gründe, warum sich immer mehr Betriebe weigern, Lehrlinge auszubilden, ist nämlich die Kostenbelastung: die Kommunalsteuer, der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag. Daran wird aber nicht gerüttelt, da bleibt alles beim alten.

Ebensowenig wird über den rigiden Kündigungsschutz nachgedacht, der sich als kontraproduktiv herausgestellt hat. Die Wirtschaft weist seit Jahren auf diesen Umstand hin, wird aber nicht gehört. Selbst der Vorstandsvorsitzende der Firma Baumax, Karlheinz Essl, stellt dazu im "Kurier" vom 15. 2. 1997 fest – und da zitiere ich auch –: "Man kann sich ja von Lehrlingen nicht trennen, außer sie haben goldene Löffel gestohlen, nicht wahr?" – Zitatende.

Daß dies vor allem für die Klein- und Mittelbetriebe eine großes Problem darstellt – denn die bilden ja die meisten Lehrlinge aus –, hat sogar der Wiener Stadtschulratspräsident Scholz mittlerweile erkannt. – Das also, meine Damen und Herren, ist die Situation, aber geschehen ist in Wirklichkeit bis jetzt nichts.

Bei den diversen Berufsschülertagen haben die Lehrlinge immer wieder ihren Unmut über die gesellschaftlichen Benachteiligungen ihres Berufsstandes geäußert und eine dringende Aufwertung gefordert. Bei diesen Berufsschülertagen sind alle Parteien vertreten, auch die ÖVP und die SPÖ. Es kann also direkt mit den Betroffenen über die Probleme gesprochen werden. Das Drama dabei ist, daß man sich das alles anhört, aber beim Hinausgehen offensichtlich bereits wieder vergessen hat. Dabei weiß die Regierung genau, daß sie die Hauptschule kaputtreformiert hat, auch wenn die Frau Bundesministerin sagt, es sei nicht so. Der Großteil der Volksschulabsolventen geht nach wie vor in die AHS. Auch die Zahlen für das Jahr 1997 belegen es ganz deutlich: Der Trend zur AHS setzt sich ungehindert fort.

Die Hauptschule gehört attraktiver gemacht. Das passiert aber leider nicht. Die Gewerkschafter der ÖVP haben leider keine andere Idee, als die Gesamtschule zu fordern – gerade Vertreter einer Partei, die sich 20 Jahre lang gegen die Gesamtschule, gegen eine gemeinsame Schule


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der Zehn- bis Vierzehnjährigen gewehrt hat! Damit hat sich die ÖVP endgültig von der Bildungspolitik verabschiedet.

Interessant ist aber dabei, daß es Umfragen gibt, wonach sich die Mehrheit der SPÖ-Wähler, aber auch der ÖVP-Wähler ganz eindeutig gegen eine Gesamtschule ausspricht. Einmal mehr wird am Willen der Bevölkerung vorbeiregiert. Die Rechnung präsentiert Ihnen der Wähler allerdings ohnehin immer bei den Wahlen, aber Sie lernen leider nichts daraus.

Die Bundesregierung muß endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen und zukunftsorientierte Berufsbilder schaffen. Da nämlich 25 Prozent der Berufe nur wenig frequentiert werden, es bei einigen Berufssparten ein großes Gedränge gibt, andererseits aber kaum zukunftsorientierte Berufsbilder installiert werden, haben die Verantwortlichen versagt.

Die Attraktivität der Lehre muß durch ein zusätzliches Bildungsangebot erhöht werden. Die Mittel für die Lehrlingsausbildung müssen aufgestockt werden – meine Kollegin Helga Moser hat schon angesprochen, daß die öffentliche Hand für einen AHS-Schüler 60 000 S ausgibt, für einen Lehrling aber nur 6 000 S; daran kann man schon ersehen, welchen Stellenwert der Lehrling in der Gesellschaft hat –, und die Betriebe müssen, um diese Situation zu entschärfen, bei den Abgaben dringend entlastet werden. Die Schutzbestimmungen müssen den modernen Anfordernissen angepaßt und auf ihre Sinnhaftigkeit untersucht werden. Dort, wo sie sich als sinnlos oder gar als hinderlich herausstellen, gehören sie abgeschafft.

Frau Minister! Wir lehnen diesen Lehrlingsbericht ab, da die Regierung völlig unzureichend regiert und agiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kainz. – Bitte.

10.43

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die letzten Aussagen von Kollegin Mühlwerth machen es mir jetzt sehr leicht, ihre Ausführungen zu negieren, denn ich setze mich nur mit jemandem auseinander, der eine Sache auch mitträgt. Herr Kollege Jaud! Es tut mir leid, daß Sie jetzt die Zielrichtung meiner etwas differenzierten Aussagen sein werden. (Bundesrat Jaud: Das macht nichts!)

Frau Bundesministerin! An Ihre Adresse gerichtet: Ich denke, Sie werden Verständnis dafür haben, daß wir als Gewerkschafter vor allem die duale Ausbildung im Vordergrund sehen und ich deshalb ein bißchen weniger auf Ihren Part, den Bericht der schulischen Lehrlingsausbildung, eingehe. Das haben einige meiner Vorredner auch schon so gehalten.

Ich habe ursprünglich vorgehabt, doch mehr auf den Bericht einzugehen, der mir in der Ausdrucksweise ein bißchen Schwierigkeiten macht, denn ich glaube, daß man einen Sachbericht schlecht als sympathisch bezeichnen kann. Aber ich habe inzwischen auch festgestellt, warum mir dieser Bericht sehr – wenn ich das so salopp ausdrücken darf – unter die Haut gegangen ist. Es ist das deshalb der Fall, weil er eine ganze Reihe der Forderungen enthält, die viele Jahre von allen möglichen Interessenvertretungen und Institutionen, die sich mit Lehrausbildung beschäftigen, vertreten wurden, und weil darüber hinaus eine Tatsache enthalten ist, die in Berichten nicht immer üblich ist: Er gibt auch Zielsetzungen vor und interpretiert die Zahlen. Da habe ich einen sehr großen Gleichklang gefunden.

Meinen Widerspruch und meine Kritik setze ich bei der Wirtschaft an, von der Aussagen über Qualität, Kosten und so manche Schutzbestimmung gemacht werden, obwohl ich durchaus der Meinung bin, daß natürlich in der Ausbildung das eine oder andere den modernen Gegebenheiten und auch den technischen Gegebenheiten angepaßt werden muß.

Gerade in den letzten Aussagen ist sehr stark auf die Kostenbelastung der ausbildenden Betriebe hingewiesen worden, mir fehlt dabei aber auf jeden Fall der Part des Ausbildungsfonds. Auch wir Gewerkschafter fordern eine andere Kostenbeteiligung bei der Ausbildung, jedoch


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nicht in der Form, daß wir wieder die öffentliche Hand über Gebühr strapazieren wollen (Bundesrat Dr. Tremmel: Was denn?) , sondern daß sich die Wirtschaft an dem beteiligen soll, was der gesamten Wirtschaft zur Verfügung stehen soll. (Bundesrat Jaud: Das steht ja in der Koalitionsvereinbarung!) Ich habe hier nur einige Aussagen zitiert und keine Koalitionsvereinbarungen. Ich werde dann auch ein Papier zitieren, das von der oberösterreichischen Wirtschaftskammer und von der Arbeiterkammer gemeinsam erarbeitet wurde. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Jaud .) Ja, da gibt es Widersprüche, Herr Kollege Jaud. Beim Ausbildungsfonds sollen sich alle an den Kosten beteiligen, die von gut ausgebildeten Fachkräften, die die Wirtschaft ja fordert, profitieren.

Wenn hier im Bericht – ich mache das jetzt ein bißchen ungeordnet und bitte um Verständnis dafür, daß der Bezug zu meiner eigenen Persönlichkeit der Hintergrund hierfür ist – zum Punkt Facharbeiterbedarf und Entwicklung der Schülerzahlen von Kosten, Qualität und Sozialprestige der Lehrlingsausbildung die Rede ist, dann gibt es dazu schon einiges zu sagen. Natürlich ist auch durch die Tatsache, daß die Wirtschaft nicht mehr bereit ist, in dem Ausmaß wie früher, Lehrlinge auszubilden, weil sie auch die Qualität nicht bringt, ein Rückgang in der Lehrlingsausbildung festzustellen. Ich leugne auch nicht weg, daß die Verzahnung mit den anderen Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich der Schulausbildung eine Rolle spielt. Ich ziehe allerdings den Umkehrschluß: Was bleibt denn einem Lehrling übrig, der keine Lehrstelle findet? – Er wird dann in den schulischen Bereich ausweichen. Obwohl ich durchaus auch die umgekehrte Situation kenne und sie nicht wegleugne.

Was die Qualität der Lehrausbildung betrifft – ich bitte um Verständnis, Frau Bundesministerin, daß das nicht Ihr Part ist, sondern jener der betrieblichen Ausbildung –, müssen wir in Protokollen bei Lehrabschlußprüfungen immer wieder feststellen, daß die Ausbildungsqualität bemängelt wird, und zwar auch von den Vertretern der Wirtschaft. Und hier sind natürlich neben den schulischen Veränderungen, die auch notwendig sind, Ansätze zu tätigen.

Die Kosten betreffend möchte ich den Präsidenten der Oberösterreichischen Wirtschaftskammer und einen Vorstandsdirektor der EBG in Oberösterreich zitieren, die ganz dezidiert erklärt haben, daß sich die Ausbildungskosten über drei Lehrjahre neutral verhalten. Da mag es natürlich Differenzierungen in den einzelnen Lehrberufen geben, aber im ersten Lehrjahr kostet der Lehrling etwas, im zweiten ist er schon kostenneutral und im dritten Lehrjahr ist der Lehrling bereits ein verdienender Faktor im Unternehmen. In der Gesamtlehrzeit bleibt das also kostenneutral. – Diese Hinweise, Herr Kollege Kaufmann, müssen Sie mir schon erlauben.

Ich möchte jetzt von diesem Part wieder ein bißchen auf den Bericht zurückkommen und nur einige wenige Worte zur Organisation der Unterrichtszeiten sagen. Es ist sicher ein positiver Ansatz, und Sie werden vielleicht, Herr Kollege Kaufmann, zu Ihrer Verwunderung feststellen, daß ich hinsichtlich der Organisation der Unterrichtszeiten in Blockmodellen, die der Wirtschaft entgegenkommen und auch eine Forderung der Wirtschaft waren, durchaus auch die Interessen der Wirtschaft vertrete. Der immer wieder geäußerten Klage der Wirtschaft darüber, daß die Lehrlinge dann in der Schule sind, wenn sie zu Saisonzeiten benötigt würden, steht allerdings das entgegen, was auch Kollegin Moser heute schon gesagt hat: daß der junge Lehrling durchaus anders in den Schulunterricht integriert werden muß, weil er eben noch andere Anbindungsformen braucht. – Ich denke also, daß diese Überlegungen in der Diskussion zu einer befriedigenden gemeinsamen Lösung führen werden.

Herr Kollege Prähauser hat sich mit der schulischen Vorbildung der Berufsschüler beschäftigt. Ich möchte schwerpunktmäßig den Part der weiblichen Vorbildung in den Vordergrund stellen. Ich kann es mir ersparen, alle Passagen hier vorzutragen – Herr Kollege Prähauser hat das sehr ausführlich getan –, ich möchte nur eine Bemerkung hinzufügen: Es mag die Differenzierung durch die Lehrberufe natürlich auch eine Rolle spielen, aber Studien in anderen Bereichen der Schulausbildung ergeben genau dasselbe Bild: Die Mädchen sind in der schulischen Ausbildung einfach erfolgreicher. Deshalb bin ich sehr froh, daß die Frauenministerin angekündigt hat, daß sie die Aktion "Töchter können mehr" wiederbeleben will, sodaß für die Mädchen vor allem auch wieder das Vorstoßen in nichttraditionelle Ausbildungsbereiche forciert wird.


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Wir haben im Bericht des schulischen Teils der Lehrausbildung in der Frage der Lehrpläne eine gemeinsame Forderung – offensichtlich mit Ausnahme der F – aus all diesen Bereichen – ich habe da eine Menge Unterlagen von Anträgen der Gewerkschaftsjugend bis zu einem Arbeitspapier des Bundesministeriums beziehungsweise das schon angesprochene gemeinsame Papier der oberösterreichischen Wirtschaftskammer und der Arbeiterkammer –, die sehr stark auf den Fremdsprachenunterricht und auf die politische Bildung eingeht – es ist eine Tatsache, die uns in unserer politischen Arbeit immer wieder zu schaffen macht, daß wir feststellen müssen, daß junge Menschen aus diesem Bereich sehr, sehr schwer in ihr späteres gesellschaftliches Leben einzubinden sind –, ebenso auf die Frage der Flächenberufe, also auf all die Materien, die auch die Frau Bundesministerin heute in ihren Anfragebeantwortungen schon sehr intensiv angesprochen hat.

Ein Bereich ist im Bericht nur hinsichtlich der Aufschlüsselung der tatsächlichen Situation der Lehrer angesprochen, ich möchte jedoch noch hinzufügen, daß auch die Fortbildung der Lehrer ein ganz wesentlicher Punkt ist. Die Anforderungen der Wirtschaft ändern sich, die gesellschaftlichen Anforderungen an einen Arbeitnehmer ändern sich, deshalb ist auch die Anforderung an die Lehrer eine andere, eine aktuelle. Wenn wir also hören, daß die Halbwertszeit des Wissens etwa vier Jahre beträgt, dann gilt das selbstverständlich auch für Berufsschullehrer. Sie sind daher einer besseren und intensiveren Schulung zu unterziehen. Auch hinsichtlich dieses Teils hat die Frau Bundesministerin heute darauf hingewiesen, daß es hier Veränderungen geben soll.

Einen Punkt, der mir sehr am Herzen liegt, möchte ich noch erwähnen – ich kann mich nämlich noch sehr gut daran erinnern, mit welcher Häme Frau Kollegin Hostasch seinerzeit wegen ihrer Aussagen bezüglich Durchlässigkeit bedacht wurde –, nämlich den Teil der Forderung, daß die Lehrausbildung auch Grundlage für ein Universitätsstudium sein soll – eine Forderung, die wir heute auch in diesem Bericht und in den Aussagen als Allgemeingut feststellen können. – Zu meiner großen Befriedigung!

Lehrausbildung soll keine Sackgasse sein, sondern soll alle Möglichkeiten – also auch die Notwendigkeiten und die Bedürfnisse der Wirtschaft – einbinden. Die Aussagen zur Durchlässigkeit der Ausbildung habe ich daher wirklich positiv vermerkt, aber natürlich mit dem doch etwas boshaften Hinweis darauf, daß es tatsächlich so ist, daß Wissen eine nur sehr kurze Halbwertszeit hat, denn es ist noch nicht so lange her, daß Kollegin Hostasch diese Aussagen getroffen hat.

Aus mehreren Aussagen ging schon hervor, wie derzeit die praktische Situation im Bereich der Lehrstellen ausschaut. Ich möchte mir deshalb diesen Part ersparen und nur die Überschrift, die in dem gemeinsamen Papier aus Oberösterreich dafür benutzt wurde, bringen: Die Ausgangsposition ist betrüblich und erfordert ein rasches Handeln einerseits der Wirtschaft, andererseits im schulischen Bereich.

Dazu habe ich hier schon festgestellt, daß die Ansätze, die wir fordern, aus Ihren Aussagen und aus dem Bericht sehr positiv hervorgehen, und ich möchte mich in wirklich ehrlicher Weise weniger für die Arbeit, sondern für dieses gemeinsame Gedankengut, das in diesem Bericht zum Ausdruck gekommen ist, bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)

10.56

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pischl. – Bitte.

10.56

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heute zur Diskussion stehende Bericht über den schulischen Teil der Berufsausbildung, der Lehrlingsausbildung 1995 zeigt mir, zeigt uns eigentlich sehr deutlich, in welch rasantem Strukturwandel wir uns befinden. Gerade weil wir heute eine Chance haben, uns mit diesem Problem und mit diesem Wandel auseinanderzusetzen, finde ich diese Diskussion auch nicht sinnlos, sondern – hoffentlich – äußerst fruchtbar für die Zukunft.


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Es ist richtig, wir schreiben heute April 1997, und es ist seit Vorlage des Berichtes etwas mehr als ein Jahr vergangen, aber in diesem Zeitraum, in diesem relativ kurzen Zeitraum hat sich Grundlegendes verändert. Wir haben heute die Verpflichtung – es haben dies auch fast alle meine Vorredner getan –, auf diese geänderte Situation einzugehen, denn ich würde ja fast befürchten, daß, hätten wir heute nicht diese Möglichkeit zu dieser grundsätzlichen Diskussion, von seiten der Freiheitlichen Partei sicherlich bald eine dringliche Anfrage zu diesem Thema ins Haus stehen würde.

Hat es noch im Jahr 1995 eine mehr oder weniger ausgeglichene Entwicklung zwischen Angebot, sprich offenen Lehrstellen, und Nachfrage, sprich Lehrstellensuchenden, gegeben, so ist dies heute eigentlich nur mehr ein Wunschdenken. Aus diesem Grunde bin ich persönlich überzeugt davon, daß wir uns, auch wenn wir heute nur den schulischen Teil der Berufsausbildung auf der Tagesordnung haben, nur in einer Gesamtschau – also auch mit dem Inhalt des Berufsausbildungsberichtes 1995, wie er uns vom Wirtschaftsministerium ebenfalls vorgelegt wurde – mit der Frage "Lehrlingssituation" und "duales Ausbildungssystem" auseinandersetzen können. Da gibt es keine Einseitigkeit, sondern da müssen wir diese gemeinsamen Entwicklungen sehen.

Wir müssen uns aber auch klar darüber sein, daß dieser – ich möchte fast sagen – unbarmherzige Strukturwandel nicht nur die Lehrlinge, sondern auch die Absolventen fast aller Schultypen, aber auch ältere Arbeitnehmer und in einem sehr starken Ausmaß auch die Frauen, insbesondere die Wiedereinsteigerinnen, trifft. Wir müssen aber auch erkennen, daß dieser Wandel sehr viele Unternehmungen und Betriebe in Schwierigkeiten brachte, und diese aus diesem Grunde schließen mußten. Dazu kommt noch – ich möchte daran erinnern –, daß gerade die öffentlichen Stellen sehr restriktive Maßnahmen beschlossen haben, was die Aufnahme neuer Mitarbeiter betrifft.

Hohes Haus! Wenn wir den zur Debatte stehenden Bericht lesen und die heutige Fragestunde mit der Frau Bundesministerin verfolgt haben, dann können wir erkennen, daß von schulischer Seite weitestgehend die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, daß möglichst schnell auf Veränderungen sowie Anforderungen, die die neuen Wirtschaftsstrukturen stellen, reagiert werden kann. Die Lehrlingssituation hat sich meines Erachtens deshalb so verschärft, weil wir zu lange damit gewartet haben, für die Betriebe neue und zeitgemäße Rahmenbedingungen zu schaffen. Deshalb bin ich sehr froh darüber, daß wir in den letzten Monaten Reformmaßnahmen beschlossen beziehungsweise eingeleitet haben, die Chancen und Voraussetzungen bieten, um die Ausbildungsbereitschaft in den Betrieben wieder zu erhöhen. Meine Damen und Herren! Es ist ein Erfolg der Sozialpartner, daß man sich darauf geeinigt hat. Es war spät, aber ich hoffe, nicht zu spät.

Dieses Reformpaket mit der Garantie der betrieblichen Ausbildungszeit, mit der Entlastung von Krankenversicherungsbeiträgen, mit der Gleichstellung von Lehrlingen, was das Schutzalter von 18 Jahren anlangt, mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit und vielem anderen mehr sollte nun neue attraktive Rahmenbedingungen für die Betriebe bringen, die bewirken, daß vermehrt Lehrlinge aufgenommen werden können, damit auch für die Zukunft das bewährte duale Ausbildungssystem gesichert bleibt. Ich bekenne mich zu diesem dualen Ausbildungssystem und hoffe, daß wir mit dem Reformpaket einen Weg beschreiten, der bewirkt, daß dieses System in Zukunft wieder verstärkt angenommen wird und dadurch die Chancen für die jungen Menschen erhöht werden.

Durch diese Erleichterungen für unsere Betriebe bei der Lehrlingsausbildung haben wir die Chance, einerseits der aufkommenden Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken und andererseits das notwendige Potential an Facharbeitern für unsere Wirtschaft zu erhalten. Ich bin auch davon überzeugt, daß es durch diese Reformmaßnahmen zu einer neuen Ausbildungsqualität kommen wird, denn es ist gelungen, viel Hemmendes über Bord zu werfen und damit einen Weg der verbesserten Chancen einzuschlagen.

Hohes Haus! Rund 50 000 junge Menschen im Alter von bis zu 25 Jahren sind zurzeit ohne Arbeit. Da meine Vorrednerin, Frau Bundesrätin Kainz, davon gesprochen hat, daß sie hofft, daß


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die Aktion "Töchter können mehr" wieder ins Leben gerufen wird, möchte ich ihr sagen, daß die ganze Aktion wahrscheinlich nichts nützen wird oder nutzlos sein wird, wenn nicht von der Wirtschaft gleichzeitig die entsprechenden Lehrplätze angeboten werden. Denn wo nichts ist, wo keine Lehrplätze vorhanden sind, kann man auch mit einer solchen Aktion keine schaffen!

Hohes Haus! Die Arbeitslosigkeit Jugendlicher stellt ein gesellschaftliches Problem dar und muß eine gesellschaftspolitische Herausforderung erster Ordnung sein, denn die Jugendarbeitslosigkeit von heute ist die Sockelarbeitslosigkeit von morgen. Das Problem Jugendarbeitslosigkeit muß lösbar sein! Der Rückzug der österreichischen Betriebe aus der Lehrlingsausbildung muß gestoppt werden!

Ich habe bereits von den neuen Rahmenbedingungen gesprochen. Was wir aber weiters dringend brauchen, ist ein neues Image, ein neuer gesellschaftlicher Stellenwert für Lehrlinge, für Facharbeiter, für Ausbildner in Betrieb und Schule, aber vor allem auch eine Anerkennung der bedeutenden Ausbildungsleistungen unserer Betriebe für unsere Jugend.

Der gesellschaftliche Stellenwert ist für mich deshalb so wichtig, weil die Zahl der neuen Lehrberufe in den letzten Jahren äußerst niedrig war. Wir sind einerseits mit einem qualitativen Rückgang bei den traditionellen Lehrberufen konfrontiert, andererseits kommen keine oder fast keine neuen Lehrberufe nach. Die Lehre wurde und wird auf die traditionellen Wirtschaftsbereiche zurückgedrängt. Eine Anpassung an die neue Arbeitswelt hat kaum oder gar nicht stattgefunden.

Heute haben wir in der Fragestunde von der Frau Bundesministerin erfahren, daß gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium ein Schwerpunkt gesetzt wird, um die neue technologische Arbeitswelt vermehrt in die Lehrlingsausbildung einzubeziehen. Ich hoffe, daß diese Chance von den Eltern und Jugendlichen angenommen wird, gleichzeitig hoffe ich aber auch, daß Bereitschaft auf seiten der Unternehmen besteht, entsprechende Lehrplätze anzubieten.

Meine Damen und Herren! Wir leben in einer Zeit der Hektik, des Umbruchs und des Wandels, die viele Probleme, aber auch neue Chancen bringt. Gerade in dieser Zeit ist es wichtig, zu erkennen, daß politische Lösungen viel sensibler angegangen werden müssen. Unsere Gesellschaft braucht nicht für alles und jedes ein Gesetz, das alles genau normiert und vorschreibt und damit jeden Handlungs- und Entscheidungsspielraum einschränkt. (Beifall bei der ÖVP.) Wir brauchen vielmehr neue Rahmenbedingungen, die Entscheidungen und Entwicklungen zulassen und von der Verantwortung, vor allem von der sozialen Verantwortung des einzelnen gegenüber dem anderen, getragen sind. Auch diesen Bewußtseinsbildungsprozeß haben wir in einer Zeit des Wandels zu verstärken.

Hohes Haus! Abschließend möchte ich noch auf die Beteiligung von Berufsschülern am Programm "Leonardo da Vinci" zurückkommen. Im Ausschuß haben wir erfahren, daß alle vier Teilbereiche der vorgesehenen Gemeinschaftsmaßnahmen im Rahmen dieses LEONARDO-Programms von den österreichischen Berufsschülern voll angenommen wurden und daß im letzten Jahr sogar Mittel umgeschichtet werden mußten, um den Wünschen der Teilnehmer nachkommen zu können. Dieses Interesse zeigt, daß unsere Jugend die Notwendigkeit erkannt hat, über die nationalen Grenzen hinaus europäische Angebote und Möglichkeiten der Berufsausbildung anzunehmen.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Das gesamte Programm "Leonardo da Vinci" läuft mit 31. Dezember 1999 aus. Ich hoffe sehr, daß dieses Programm weitergeführt werden kann, und wünsche mir im Interesse unserer jungen Menschen, daß in Zukunft noch mehr – das füge ich vorsichtig hinzu – solcher Möglichkeiten geschaffen werden, und zwar verstärkt für alle Bereiche: für Lehrlinge, Schüler, Studenten und alle anderen, die Interesse und Bedarf daran haben.

Frau Bundesministerin! Vielleicht könnte die entscheidende Weichenstellung dafür bereits im kommenden Jahr erfolgen, wenn Österreich die Präsidentschaft in der EU übernommen hat und Sie als zuständige Ressortministerin in diesem Bereich den Vorsitz führen. Die internationalen Erfahrungswerte können für den jungen Menschen neben den beruflichen Entwicklungs- und


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Weiterbildungsmöglichkeiten auch sehr prägend für die zwischenmenschlichen Beziehungsebenen und – davon bin ich felsenfest überzeugt – für die charakterliche Entwicklung zu Toleranz und Verantwortung gegenüber Menschen und Kulturen anderer Länder sein.

Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Österreichischen Volkspartei wird diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte.

11.10

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich danke Ihnen für diese Diskussion über den Bereich der dualen Ausbildung. Es ist besonders wichtig, daß wir den Stellenwert der dualen Ausbildung durch eigenes Engagement, durch ernsthafte Beschäftigung damit immer wieder unterstreichen.

Ich möchte noch einige Klarstellungen treffen.

Erstens: Die Volkspartei steht nach wie vor zum Angebot der differenzierten Schule im Bereich der 10- bis 14jährigen. Uns ist es wichtig, die Qualität der Hauptschule immer wieder aufzuzeigen, und ich bitte, auch zur Kenntnis zu nehmen, daß die Hauptschulen gerade durch die Möglichkeit der autonomen Stundentafelgestaltung sehr an Qualität gewonnen haben. Über 60 Prozent der Hauptschulen machen von dieser Autonomie Gebrauch, das wird von den Eltern auch sehr gut angenommen.

Zweitens möchte ich ganz klar festhalten, daß von der Regierung bereits zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation im Lehrstellenbereich in Angriff genommen wurden, umgesetzt wurden oder in Begutachtung sind. So wurden zum Beispiel die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert. Es gibt eine Novellierung der Gewerbeordnung, die derzeit in Begutachtung ist. Es gibt eine Novellierung des Anlagenrechtes, eine Novellierung des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes und eine Novellierung des Berufsausbildungsgesetzes.

Es gibt darüber hinaus eine Umverteilung innerhalb der Betriebe. Jenen Betrieben, die Lehrlinge ausbilden, wird eine Entlastung bei den Kosten, und zwar bei den Dienstgeberbeiträgen für die Sozialversicherung, angeboten. Das wird durch eine moderate Erhöhung der anteiligen Dienstgeberbeiträge für Angestellte hereingebracht. Das ist sehr wohl eine Umschichtung innerhalb der Wirtschaft, und zwar zwischen Betrieben, die Lehrlinge ausbilden, und Betrieben, die keine Lehrlinge ausbilden. Ich halte das für einen sehr guten Vorschlag. Die entsprechende Novelle zum ASVG wird derzeit begutachtet. Die Begutachtungsfrist endet am 21. April, das heißt, daß die parlamentarischen Beratungen darüber unmittelbar danach beginnen werden.

Ich meine, daß durch all die genannten Maßnahmen die Rahmenbedingungen ganz entscheidend verbessert werden.

Ferner werden die neuen vierjährigen Lehrberufe, die sogenannten High-tech-Lehrberufe, in das Berufsausbildungsgesetz aufgenommen. Sie sind damit im Regelausbildungswesen.

Es werden von uns auch neue Berufsbilder in das Berufsausbildungsgesetz eingebracht. So gibt es etwa Vorschläge für die Lehrberufe Telekommunikationsfachmann, Recyclingtechniker, Entsorgungstechniker – lauter neue Bereiche, für die neue Lehrberufe kreiert werden müssen. Dies gilt etwa auch für den Bereich der sozialen Dienstleistungen; auch über neue Berufsbilder in diesem Bereich werden wir noch diskutieren und entsprechende neue Lehrberufe dann in das Berufsausbildungsgesetz aufnehmen.

Ich meine, daß die Entwicklungen in diesem Bereich zügig voranschreiten und daß wir auf dem besten Weg sind, neue Rahmenbedingungen zu schaffen.

Ich möchte eine Bemerkung, die von einem der Vorredner gemacht wurde, etwas korrigieren. Ich habe sicherlich nicht gesagt, daß Schüler immer wieder im falschen Schultyp säßen. Ich


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meine vielmehr, Schüler sitzen oft in den falschen Schulen! Das bezieht sich besonders auf die gesamte Frage der Hauptschule und der AHS-Unterstufe.

Was mir im Schulbereich, im Bildungsbereich, ein großes Anliegen ist, ist, den Jugendlichen in der beruflichen Ausbildung Angebote zu machen. Wir "schicken" die Kinder ab 15 Jahren nicht mehr in die Schule, sondern wir machen ihnen Angebote. Wir machen zum Beispiel das Angebot, daß Fachschulklassen eingerichtet werden können, wenn das entsprechende Interesse, die entsprechende Notwendigkeit in der Region vorhanden ist.

Wir "schicken" die Kinder auch nicht in Ausbildungen, die aufgrund ihrer Anlagen für sie zu schwer sind. Dazu ist ein Zusammenwirken in der Gesellschaft erforderlich: Die Wahl der Ausbildung ist eine Entscheidung des Jugendlichen, eine Entscheidung des Elternhauses.

Ich halte es auch für notwendig, Beratungen und Hilfestellungen anzubieten. Deshalb liegt auch ein Vorschlag vor, die Berufsorientierung bereits in der Hauptschule, in der AHS-Unterstufe, als verbindliche Übung anzubieten. Ich halte es für notwendig, daß bereits in der Hauptschule, in der AHS-Unterstufe, die Berufsorientierung angeboten wird. Dies erfolgt derzeit auf freiwilliger Basis, ist derzeit ein Unterrichtsprinzip. Wir werden es als verbindliche Übung verankern.

Meine Damen und Herren! Ich meine, die duale Ausbildung ist eine, auf die Österreich stolz sein kann. Ich danke Ihnen, daß dies von allen Fraktionen in diesem Haus so gesehen wird. Ich baue auf Ihre Unterstützung, besonders auch, um das Image des Lehrberufes in der Öffentlichkeit zu verbessern! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit .

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Französischen Republik über die filmwirtschaftlichen Beziehungen samt Anlage und Briefwechsel (111 und 633/NR sowie 5402/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Französischen Republik über die filmwirtschaftlichen Beziehungen samt Anlage und Briefwechsel.

Die Berichterstattung über den Punkt 2 hat Herr Bundesrat Karl Pischl übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Karl Pischl: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Unterrichtsausschusses.

Neben dem nationalen Filmförderungsgesetz als einer Grundlage für eine Verbesserung der Struktur bedarf die österreichische Filmwirtschaft tauglicher Instrumente zur Absicherung der


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internationalen Zusammenarbeit. Der wirtschaftlichen Bedeutung von Koproduktionen Rechnung tragend hat Österreich mit der Französischen Republik eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen, die allerdings bereits auf das Jahr 1963 zurückgeht und daher durch die Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen überholt ist.

Da Frankreich sowie auch die österreichische Filmwirtschaft Interesse am Abschluß eines neuen Abkommens gezeigt haben, wurden Verhandlungen mit der Französischen Republik aufgenommen und ein entsprechender Abkommenstext vereinbart.

Durch das Abkommen soll sichergestellt werden, daß auch Gemeinschaftsproduktionen Zugang zu den Förderungsinstrumenten der Vertragsparteien haben. Das Abkommen sieht allerdings keine eigenen Zuteilungsmechanismen vor, sodaß das jeweilige nationale Förderungsrecht unberührt bleibt.

Zum besseren Funktionieren des Abkommens soll eine Gemischte Kommission beitragen, der neben Vertretern der Regierungen der Vertragsparteien auch Vertreter aus den betroffenen Fachkreisen angehören.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Frau Präsidentin! Für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, bitte ich, die Debatte fortzusetzen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte, Herr Bundesrat.

11.19

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß dieses Abkommen mit Frankreich geschlossen wird – eigentlich wird es ja nur erneuert. Es ist besonders erfreulich, daß der Vertreter des Filminstituts, Herr Direktor Schedl, hier unter den Zuhörern weilt, weil dieses Thema, wie ich meine, Bedeutung für die Kultur nicht nur Österreichs, sondern Europas insgesamt hat.

Bislang gibt es ähnliche Abkommen mit Italien, Spanien, Deutschland und der Schweiz. Mit Jugoslawien gab es ein solches Abkommen, aber das ist angesichts der politischen Entwicklung in der Vergangenheit hinfällig.

Kanada strebt ein solches Abkommen mit Österreich an. Besonders gut bewährt hat sich ein solches Abkommen mit Deutschland und der Schweiz.

Warum ist dieses Abkommen wichtig für Österreich, für Frankreich, für das kulturelle Europa? – 70 Prozent der Spielfilme und Serien, welche 1995 von rund 100 EU-europäischen Sendern ausgestrahlt wurden, stammen aus den Vereinigten Staaten. Nur 23 Prozent der gesendeten


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Fernsehfilme wurden in Europa produziert. Der Marktanteil der amerikanischen Filme in Kinos betrug 1985 56 Prozent, 1995 76 Prozent.

Eine im Europäischen Parlament 1989 vorgesehene Quotenregelung, daß 50 Prozent der Filme, wenn möglich, aus EU-Erzeugung stammen sollten – "falls möglich" heißt, es ist nicht einklagbar –, hat eigentlich wenig zur Besserung beigetragen. Es stammten trotz dieser Regelung weiterhin nur rund 30 Prozent der Filme im Fernsehen aus europäischer Produktion.

Besonders die Christdemokraten und die europäischen Liberalen waren gegen eine Quotenregelung. Die Konsumenten und die europäischen Einkäufer waren natürlich entzückt über die Preise bei Einkäufen in Amerika, in den Vereinigten Staaten, denn diese waren besonders niedrig. Damit konnten die europäischen Produktionen – somit auch österreichische Produktionen – nicht Schritt halten.

Aber womit wurde das erkauft? – Mit dem Verlust der österreichischen, der deutschen, der französischen, einer insgesamt europäischen Identität.

Es herrscht schon seit Jahren ein transatlantischer Kulturkrieg, zum Glück eben nur ein Kulturkrieg. Mit Abschottung allein ist dem nicht beizukommen, das ist schon klar. Aber im GATT und in WTO-Verträgen wurden doch protektionistische Eingriffe vorgenommen, was Frankreich vor zweieinhalb Jahren ermöglichte.

In der Folge hat das Europäische Parlament stärkere Richtlinien gegen das Fernsehen ohne Grenzen erarbeitet und die Verpflichtung für die Fernsehstationen herausgegeben, mehr als 50 Prozent der Sendungen aus europäischer Produktion zu beziehen. Die EU-Kulturminister waren dagegen, unter anderem auch unser ehemaliger Minister Scholten. Die Begründung hat etwas für sich, muß ich sagen: EU-europäische Filme seien nicht stets Kulturfilme; auch in Europa, in Westeuropa werde das hergestellt, was man als "Seifenopern" bezeichnet – in Österreich, in Deutschland, in Frankreich genauso wie in den Vereinigten Staaten. Minister Scholten forderte damals eine Zeit-Qualitätsquote statt einer Quote, die nur die Menge im Auge hat. Aber wir wissen ja, wie schwierig es ist, Qualität im kulturellen Bereich zu messen.

Besonders hervorgetan für eine Regelung, wie sie jetzt in Europa greifen soll, hat sich der sozialdemokratische Kultursprecher Josef Cap – dieser hielt im Winter 1996 ein flammendes Plädoyer für eine Quotenregelung –, aber auch der ÖVP-Abgeordnete und Kultursprecher Mock machte sich für die europäische und österreichische Identität im ORF stark. Das Europäische Parlament überstimmte dann die Kulturminister und trat trotzdem für die genannte Verschärfung ein. Die Sozialdemokraten stimmten geschlossen für diese Neuregelung, für diese Verschärfung.

Durch die Quotenregelung hofft man, bis ins Jahr 2000 rund 1 Million neue Arbeitsplätze zu schaffen, und ich kann nur hoffen, daß sich ein Teil dieser 1 Million Arbeitsplätze im Fernseh- und Filmbereich auch in Österreich befinden wird.

Derzeit ist das jährliche Handelsdefizit der EU-Staaten gegenüber den USA auf audiovisuellem Gebiet mit 4 Milliarden Dollar zu beziffern. 1993 und 1994 ist die Produktion von Kinofilmen in den EU-Staaten um 14 Prozent gesunken. Per anno werden etwa 550 Spielfilme in EU-Staaten gedreht, diese kosten in der Produktion etwa 18 Milliarden Schilling. In den Vereinigten Staaten wurden in demselben Zeitraum rund 450 Spielfilme für rund 52 Milliarden Schilling gedreht.

Der Export von US-Filmen und -Fernsehsendungen nach Europa kostete 1984 3,3 Milliarden Schilling, 1994 schon 43 Milliarden Schilling. In den vergangenen fünf Jahren erhöhte sich trotz Fernsehen und Videos der Kinobesuch um 18 Prozent. Profitiert haben von dieser Steigerung in erster Linie US-Filme. Von 1985 bis 1994 stieg die Zahl der Zuschauer von US-Filmen um 50 Prozent.

Meine Damen und Herren! Wir erkennen aus diesen paar nüchternen Zahlen, die ich Ihnen hier verlesen habe, wie wichtig es ist, daß die österreichische Kulturlandschaft durch die Kooperation mit einem großen Kulturstaat verstärkt wird, damit wir die österreichischen Filmemacher besser


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motivieren können, um auf dem Markt zu reüssieren. Wir glauben, daß dieser Vertrag für Österreich und für Europa kulturell bedeutsam sein kann, soferne die Chancen genützt werden.

Mein Schlußsatz lautet: Es lebe die österreichisch-französische Zusammenarbeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke. Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist angenommen.

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz geändert wird (499 und 645/NR sowie 5397 und 5413/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Kabel- und Satellitenrundfunk erlassen werden (Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz) (500 und 646/NR sowie 5398 und 5414/BR der Beilagen)

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunk-Empfangsanlagen geändert wird (472 und 647/NR sowie 5415/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 bis 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies

ein Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Kabel- und Satellitenrundfunk erlassen werden, und

ein Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunk-Empfangsanlagen geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 3 bis 5 hat Herr Bundesrat Dr. Linzer übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.


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Berichterstatter Dr. Milan Linzer:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bringe die Berichte des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über die drei soeben genannten Gesetze, und zwar über eine Änderung des Regionalradiogesetzes, über das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz sowie das Bundesgesetz über eine Verordnung über die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunk-Empfangsanlagen.

Meine Damen und Herren! Die Originalberichtstexte liegen dem Hohen Hause vor.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus hat diese Themen am 8. April 1997 eingehend diskutiert und beraten und mit Stimmenmehrheit beschlossen, den Antrag zu stellen, gegen diese drei Gesetzesbeschlüsse keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke dem Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Riess-Passer. – Bitte.

11.30

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Vor zirka fünf Jahren hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in einem Erkenntnis festgestellt, daß das ORF-Monopol in Österreich menschenrechtswidrig ist, daß es dem Artikel 10 der Menschenrechtskonvention widerspricht und das Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung verletzt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die österreichische Bundesregierung damals aufgefordert, binnen einer Frist von zwei Jahren diesen menschenrechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Das ist bis heute nicht geschehen. Bis heute besteht das ORF-Monopol in Österreich weiter. Bis heute ist privates Fernsehen in Österreich von Gesetz her untersagt, und bis heute ist Österreich das einzige Land in Europa, in dem noch derart mittelalterliche Zustände herrschen.

Auch die Vorlagen, die wir heute hier behandeln, werden an diesen Zuständen im Grunde überhaupt nichts ändern. Die Regelung, die die Koalition zusammengestoppelt hat, ist eine Regelung für das ORF-Monopol und gegen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Es ist eine Regelung für den parteipolitischen Proporz und gegen die privaten Unternehmer, und es ist eine Regelung für Werbemillionen für den ORF und gegen private Investitionen auf dem Mediensektor.

Diese Regelung zeigt darüber hinaus, daß die Koalition aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, der das Husch-Pfusch-Gesetz, das vor drei Jahren beschlossen worden ist, hierher zurückverwiesen hat, absolut nichts gelernt hat. Sie hat auch nichts gelernt aus der Stellungnahme des Rechnungshofes im Begutachtungsverfahren, der klar ausgeführt hat, daß man auch mit diesen Gesetzen nach wie vor in eklatantem Widerspruch zu den EU-Regelungen und der Menschenrechtskonvention steht. Es wird also zu weiteren Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof kommen, und Sie werden um die Blamage einer neuerlichen Verurteilung nicht herumkommen.

Das könnten Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, sich und den Österreichern ersparen, indem Sie die Bereitschaft zeigen, in dieser Form nicht zuzustimmen und für eine ordentliche Regelung zu sorgen – eine Regelung, die auch den massiven Bedenken der Bundesländer Rechnung trägt. Völlig zutreffend hat zum Beispiel der niederösterreichische Landeshauptmann Pröll festgestellt, daß die Konstellation der Vergabebehörde kritikwürdig ist und diese seiner Ansicht nach nicht geeignet ist, eine kontinuierliche Entwicklung des Privatrundfunks wie in allen anderen europäischen Ländern zu fördern. Die niederösterreichische Landesregierung hat überdies am vorliegenden Entwurf kritisiert, daß das Verbot von privatem


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Fernsehen – ich zitiere wörtlich – eklatant dem Grundrecht auf Rundfunkfreiheit und dem Artikel 10 der Menschenrechtskonvention widerspricht.

Ich möchte daher an Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, appellieren, diese massiven Bedenken, die auch in der gemeinsamen Stellungnahme der Bundesländer niedergelegt sind, zu berücksichtigen.

Ich möchte Sie weiters auffordern, der Einrichtung einer tatsächlich unabhängigen Bundesmedienanstalt zuzustimmen und eine solche Einrichtung sicherzustellen. Die Funktionsträger dieser Bundesmedienanstalt sollen vom Nationalrat und vom Bundesrat nach einem offenen Hearing in einem neu zu bildenden Medienausschuß gewählt werden. Für eine Funktionstätigkeit in der Bundesmedienanstalt sollen Unvereinbarkeitsbestimmungen gelten. Diese unabhängige Bundesmedienanstalt hat folgende Aufgaben zu erfüllen: erstens die Vergabe der Lizenzen im Bereich Radio und Fernsehen, zweitens die Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durch die Medienunternehmer und drittens die Erstellung und Vorlage des Medienberichtes.

Ich möchte daher namens der freiheitlichen Bundesräte folgenden Entschließungsantrag stellen:

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, innerhalb von drei Monaten einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Errichtung einer unabhängigen Bundesmedienanstalt vorsieht, die als Kontroll- und Zulassungsbehörde für die österreichischen Medien fungiert.

*****

Ich glaube, es stünde diesem Haus gut an, diesem Antrag zuzustimmen und damit den Bedenken und den Vorstellungen der Bundesländer, denen dieser Antrag entspricht, Rechnung zu tragen. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

11.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Errichtung einer unabhängigen Bundesmedienanstalt ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Prähauser. – Bitte.

11.35

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Ich möchte gleich eingangs feststellen, daß die Sozialdemokraten dem Entschließungsantrag der Freiheitlichen die Zustimmung nicht geben werden (Bundesrat Dr. Tremmel: Das tut uns aber leid!) – das freut mich natürlich, wenn Sie das so anerkennen –, weil ich meine, daß dies zu einer weiteren Verzögerung eines Gesetzes für Privatrundfunk führen würde.

Ich meine aber auch, daß es den freiheitlichen Nationalräten leicht möglich gewesen wäre, diese Vorstellungen miteinzubringen – das haben sie jedoch nicht getan. Es waren bei jeder Verhandlung Dr. Martin Graf, Dr. Michael Krüger, Ing. Walter Meischberger anwesend. Da diese Herren die Forderungen, die Sie heute einbrachten, nicht artikuliert haben, gehe ich davon aus, daß das Gesetz erst im nachhinein von den Freiheitlichen studiert wurde, und stelle fest, daß im Bundesrat die tüchtigeren freiheitlichen Mandatare zu sitzen scheinen. (Beifall des Bundesrates Eisl. )

Meine Damen und Herren! Die gegenständliche Regierungsvorlage zielt primär auf die Schaffung einer ausreichend determinierten gesetzlichen Grundlage für die Zuordnung terrestrischer Übertragungskapazitäten im Bereich des Hörfunks ab. Die Neuregelung der Frequenz


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zuordnung soll die Grundlage eines dualen Systems bilden, durch welches ein Nebeneinander des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und privater Hörfunkveranstalter möglich wird. So steht es im Bericht des Verfassungsausschusses. Ich zitiere noch drei Absätze und komme dann zu meinen Anmerkungen.

Ist mit den für Regionalradio reservierten Frequenzen eine Versorgung pro Bundesland – denn beim Regionalradio Wien sind es zwei – im Ausmaß der für Regionalradios gesetzlich vorgeschriebenen Versorgung von mindestens 70 Prozent nicht möglich, dann sind auch für Lokalradio vorgesehene Frequenzen zur Sicherstellung des gesetzlichen Versorgungsgrades für Regionalradios heranzuziehen.

Meine Damen und Herren! Das heißt nicht, daß wir Sozialdemokraten mit allen Punkten, die dieses Gesetz beinhaltet, vorbehaltlos einverstanden sind. Ich habe besonders in diesem Bereich meine ernsten Bedenken. Wenn man weiß, daß es bereits zwei Privatradios – in der Steiermark und in Salzburg – gegeben hat, so kann man davon ausgehen, daß sie getragen waren von dem Gedanken, eine möglichst große Reichweite zu erzielen, das heißt, daß sie möglichst viele Frequenzen nutzten, um die Versorgung, die über 70 Prozent hinausgeht, erreichen zu können – nicht zuletzt deshalb, damit auch entsprechend Werbeeinnahmen lukriert werden können. Aber jetzt hineinzunehmen, daß, sollten sie später noch Frequenzen benötigen, um eine größere Versorgung erreichen zu können, dies zu Lasten der Lokalen gehen würde, dem kann ich nicht folgen. Das möchte ich hier ganz deutlich unterstreichen. Ich meine, wenn bisher jemand gut Regionalradio betrieben hat, hat er das nicht allein der Versorgung wegen getan, sondern auch deswegen, es wirtschaftlich mit einer großen Reichweite vertreten zu können. Es ist aus meiner Sicht also nicht nötig, dieses in der Form ins Gesetz aufzunehmen.

Der Grundversorgungsplan, wie ihn die Regierungsvorlage vorsah, ging von der Vergabe einer begrenzten Anzahl von Lokalradios auf Basis von Vorarbeiten zum Frequenznutzungsplan für Lokalradios aus sowie von ausgewählten Standorten für Regionalradios, die eine rasche Grundversorgung sicherstellen sollten. Die Weiterentwicklung zur Grundversorgung soll das Prinzip der Raschheit mit der Möglichkeit verknüpfen, schon in der ersten Phase der Zulassung eine möglichst große Vielfalt an Lokalradios zu erreichen. Das Gesetz räumt allerdings auch Zeiten ein, die zum Beispiel auch den Lokalen gewaltige Nachteile gegenüber den Regionalen einbringen würden.

Mein Ansatz ist aber, daß nicht die Großen zu stützen sind – der ORF hat nichts zu verlieren. Es gibt schon Regionalradios, die einen Wettbewerbsvorteil gegenüber jedem anderen haben, andere aber letztendlich benachteiligt sind, weil sie eine viel kleinere Hörerreichweite zugestanden bekommen. Das heißt, es wird ein zweites, ein privates Monopol geschaffen – zuungunsten jener, die die Vielfalt garantieren sollten. Auch diesem Ansatz kann ich aus meiner Sicht nicht Folge leisten. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. )

Bei der Vergabe von Lokalradios ist darüber hinaus zu beachten, daß für das Verbreitungsgebiet eine Zielgröße angegeben wird. Demnach sollen Lizenzen für Lokalradios mit dem Ziel vergeben werden, daß diese entweder eine Gemeinde oder ein zusammenhängendes Gebiet mit 150 000 Einwohnern versorgen können.

Meine Damen und Herren! Es hat auch Anträge gegeben, Lokalradios mit 100 000 Hörern zu beschränken. Das ist aus meiner Sicht blauäugig, denn wenn zum Beispiel an der Grenze private Sender – Salzburg meinetwegen, ich denke jetzt an Radio Untersberg – locker 180 000 bis 200 000 zusätzliche österreichische – nämlich Salzburger – Hörer "bestreuen" können, dann ist es für mich eigentlich der falsche Ansatz, die heimischen Radiosender dermaßen zu beschränken, daß sie in diesem Wettbewerb nicht bestehen werden können. Ich glaube, hier haben wir in der nächsten Zeit noch einiges zu tun, um das klar herausarbeiten zu können.

Aber jetzt zurück zu den eigentlichen Anmerkungen.

Ich darf zu Beginn – das Privatradio ist eine alte Geschichte – in Auszügen einen Brief vom 6. Juli 1983 zitieren – der Adressat ist der Privatradiobetreiber schlechthin, Viktor Lindner, der dann auch mit "Radio Melody" kurzfristig eine Frequenz zugeordnet bekam, einer der zwei Paten


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624. Sitzung / Seite 52

in Salzburg –: Sehr geehrter Herr Lindner! Vielen Dank für Ihr Schreiben vom 7. 6. 1983, das ich mit Interesse gelesen habe. Nach der derzeit geltenden Rechtslage ist allein der ORF berechtigt, Rundfunk zu machen. Soweit mir bekannt ist, offeriert der ORF in seinen Programmen ein breites musikalisches Angebot und nimmt dabei auch auf den Geschmack spezialisierter Publikumsschichten Rücksicht. Es erscheint mir daher aus diesem Grund nicht zweckmäßig, die Rechtslage durch Zulassung privater Sender zu ändern und damit eine völlige Umstrukturierung des zurzeit bestehenden Mediengesetzes auszulösen.

Das österreichische Mediensystem ist gegenwärtig so gestaltet, daß es einerseits im Rundfunkbereich den öffentlich-rechtlichen ORF mit einem Auftrag zur Objektivität gibt und andererseits im Pressewesen eine Vielfalt von Zeitungen und Zeitschriften, die von unterschiedlicher politischer Ausrichtung sind. Dieses sogenannte duale Mediensystem hat sich in der Vergangenheit durchaus bewährt, weil sich der öffentlich-rechtliche ORF und die privatwirtschaftliche Presse gegenseitig ergänzen. Wie Sie sicher wissen, sind die Angebote von den Verlegern zwar überprüft, aber nicht aufgegriffen worden.

Das heißt, es wurden die Verleger vor 17 Jahren aufgefordert, auch Privat-TV zu machen. Seither hat sich in Österreich, nachdem die Angebote nicht aufgegriffen wurden, niemand mehr gemeldet, der bereit gewesen wäre, das Risiko und die hohen Finanzmittel für die Errichtung eines Fernsehsystems zu tragen. Gleiches gilt übrigens auch für den Hörfunkbereich, wenn auch hier die Kosten niedriger liegen.

Durch die Entwicklung der sogenannten neuen Medien wie Satelliten- und Kabelrundfunk kommen natürlich auch im Bereich der Medienpolitik neue Aufgaben auf uns zu. Als ORF-Generalintendant Gerd Bacher darauf verwiesen hat, daß sich einige Nachbarländer mit der Einführung eines Satellitenrundfunksystems konkret auseinandersetzen, hat die österreichischen Bundesregierung unverzüglich eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die überprüft, ob auch Österreich in diesem Bereich mitwirken kann. In gleicher Weise wird die Bundesregierung unverzüglich die erforderlichen Schritte setzen, wenn der Verkabelungsgrad in den Ballungsgebieten ein so großes Ausmaß erreicht hat, daß eine eigenständige Programmschöpfung unter entsprechenden Qualitätsstandards wirtschaftlich durchführbar erscheint. – Fred Sinowatz, Bundeskanzler.

Meine Damen und Herren! Sie ersehen daraus, wie schnell die Zeit vergeht, wie schnell Ansätze einer Bundesregierung eigentlich überholt sind. Wir sollten heute diesen Weg weitergehen und tatsächlich das umsetzen, was letztendlich nur durch den Gang vor die Europäische Menschenrechtskommission in Straßburg möglich gemacht wurde. Zum Urteil dieser Kommission darf ich später noch kommen.

Ich darf einige Punkte, die mir persönlich diskussionswürdig erscheinen, herausgreifen. Es sind beileibe nicht alle, aber ich glaube, jene, die fundamental zu sehen sind und möglicherweise in Zukunft so nicht stehengelassen werden können.

In § 2 Abs. 1 heißt es: "Der Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst hat durch Verordnung die drahtlosen terrestrischen Übertragungskapazitäten für Hörfunk nach Frequenz und Standort dem Österreichischen Rundfunk und den Sendelizenzen für regionalen und lokalen Hörfunk zuzuordnen. Diese Zuordnung hat nach Maßgabe der §§ 2a und 2b sicherzustellen, daß Doppel- und Mehrfachversorgungen nach Möglichkeit vermieden werden."

Ich darf dazu anmerken: Man trachtet zwar einerseits danach, privaten Hörfunk in Österreich zu installieren, nimmt aber andererseits bewußt in Kauf, das ORF-Monopol jetzt auch durch gesetzliche Festlegungen auszubauen. Da "Blue Danube"-Radio seine Frequenz nur mehr mit der ORF-Jugendleiste "FM 4" und dem durchgeschalteten Ö 3-Nachtprogramm zehn Stunden täglich teilt, ist erstens die in Abs. 1 erwähnte vorwiegende Fremdsprachigkeit zu relativieren und zweitens einer Quasi-Privatisierung von Ö 3 in programmtechnischer Hinsicht stattgegeben worden, was den Markteintritt für Regional- und Lokalradios erschwert. Diese Behinderung für private Anbieter bekommt zusätzliches Gewicht durch den Umstand, daß seit einigen Monaten auf "FM 4" Werbung geschaltet wird, und das nach jahrelangem, wie ich meine, illegalen Sendebetrieb von "Blue Danube"-Radio auf 104,6.


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Meine Damen und Herren! Gemäß § 2 Abs. 4 werden Doppel- und Mehrfachversorgungen nach Möglichkeit zu vermeiden sein. Ich darf anmerken: Der Passus 4 dient offensichtlich dem Schutz der bestehenden ORF- und regionalen Privatsender. Es kann nicht das Bestreben des Gesetzgebers sein, die Lokalradios in sendefreie Gettos zu drängen, um den freien Radiomarkt zu verhindern. Doppel- und Mehrfachversorgungen sind in keinerlei Widerspruch zur angestrebten Programmvielfalt im Land, sie führen vielmehr meiner Ansicht nach erst dazu. Die Beschränkung auf nur ein Regionalradio pro Bundesland wirkt der angestrebten Vielfalt und Rundfunkfreiheit entgegen, gerade im Hinblick auf die ökonomischen Unsicherheiten vieler kleiner Lokalradios. Ich darf das Urteil von Straßburg zitieren: Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht sollte die Freiheit einschließen, Meinungen zu äußern und Informationen zu bekommen und zu verbreiten ohne Einmischung durch öffentliche Autoritäten und ungeachtet von Grenzen. Dieser Artikel soll Staaten nicht davon abhalten, die Vergabe von Hörfunk- und Fernsehlizenzen oder Kinobewilligungen zu beanspruchen.

Meine Damen und Herren! Wie wollen wir in einem gemeinsamen Europa bestehen, wenn wir unseren privaten Radiobetreibern dermaßen enge Grenzen setzen, geschweige denn Genehmigungen erteilen? Was steht dem entgegen, zum Beispiel von Salzburg aus Richtung Bayern zu senden oder von Kärnten Richtung Italien, mit der gleichen Grundvoraussetzung, wie andere das in unserem Land tun? – Ich meine, hier hat man das Gesetz zu eng ausgelegt, und das könnte in Zukunft zur Überlebensfrage kommunaler kleiner Sender werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. )

Ich meine, unsere Aufgabe soll es sein, die privaten, auch die kommunalen Sender ernst zu nehmen, sie zu unterstützen und sie nicht gleichzeitig dadurch einzuengen, daß wir ihnen schon von vornherein vorschreiben, welche gemeinsamen Aufgaben mit anderen kommunalen Sendern, die angrenzend sind, zu lösen sind. Wenn wir erstens den ORF haben, der Beiträge einheben darf, zweitens Regionalradios haben, die flächendeckend ein ganzes Bundesland bewerben können, und schließlich noch die kleinen Sender mit 150 000 begrenzen, dann frage ich Sie, meine Damen und Herren: Wovon sollen diese leben? Wollen wir eine Presseförderung für Privatradios einführen? – Das kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen. Umgekehrt, so meine ich aber, sollte jeder Gelegenheit haben, Radio zu betreiben, wenn er dazu in der Lage ist. Das Risiko ist wahrlich groß genug. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Zum § 2 ist folgendes anzumerken – ich darf wieder das Gesetz selbst zitieren –: "Die Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde hat unter Berücksichtigung der Bevölkerungsdichte, der Wirtschaftlichkeit der Hörfunkveranstaltung, der in § 2a genannten Kriterien sowie der Ergebnisse des Verfahrens nach Abs. 1 einen Vorschlag für die Planung von lokalen Verbreitungsgebieten zu erstellen." – Hier fordert man genau das, was man letztendlich damit eigentlich nicht erreicht. Und daher frage ich mich auch, wie das in Zukunft sein wird.

Ich glaube auch, daß eines wichtig ist: Positiv ist natürlich die rasche Zuordnung der Übertragungskapazitäten nach Frequenz und Standort für regionalen und lokalen Hörfunk. Im Hinblick auf die §§ 18 und 18a sei jedoch darauf verwiesen, daß es unabdingbar ist, das Ausschreibungsverfahren der Sendelizenzen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Das vorliegende Gesetz sieht vor, in zwei gesonderten Schritten mit jeweils ein- bis zweimonatigen Fristen die Zulassung zur Hörfunkveranstaltung sowie die Sendelizenzen zu erteilen. Das heißt, daß die Rundfunkbehörde im schlimmsten Fall nach Durchlaufen aller Instanzen, frühestens nach fünf Monaten zur Vergabe der Sendelizenzen schreiten kann.

Meine Damen und Herren! Auch hier mache ich auf einen Wettbewerbsnachteil aufmerksam. Es gibt die "Antenne Steiermark", es gibt "Radio Melody" in Salzburg, es wird dann noch andere regionale Sender geben und ein paar Monate später auch die lokalen. Das ist ein dritter Nachteil, dem wir eigentlich begegnen sollten. Wenn, dann sollten sie gemeinsam die Möglichkeit haben, auf Sendung zu gehen, mit der gemeinsamen Voraussetzung, um nämlich eines zu erreichen: durch ein besseres Programm auf dem Markt besser bestehen zu können und nicht zuerst sie breit sitzen zu lassen, und die anderen sollen dann schauen, wie sie mit einer geringeren Hörermöglichkeit wirtschaftlich bestehen können. Das sind Ansätze, die nicht richtig gesehen wurden und die von uns in der nächsten Zeit zu korrigieren sein werden.


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Ich meine, man sollte in jenen Gremien, die das auch zu verantworten haben, dafür Sorge tragen, daß es eine Gleichheit geben wird, daß die Frequenzvergabe so erfolgen wird, daß kommunale und regionale Sender zur selben Zeit auf Sendung gehen können. Diesen Nachteil dürfen wir den Kleinen nicht anhängen. Das wäre für sie aus meiner Sicht sehr verderblich.

Sollte die Rundfunkbehörde bei ihren Ermittlungen zu dem Ergebnis kommen, daß es in einem Bundesland aufgrund technischer oder bevölkerungsspezifischer Gegebenheiten keinen Sinn ergibt, mehrere Lokalradios zu lizenzieren, weil sie wirtschaftlich nicht lebensfähig wären, so erscheint es mir zweckmäßig und sogar notwendig, die Beschränkung auf ein Regionalradio pro Bundesland neu zu überdenken. Wollen wir eine wirtschaftlich überlebensfähige Medienvielfalt, dürfen wir keine zeitlich und lokal beschränkte Scheinvielfalt erzeugen, die in kürzester Zeit zu Grabe getragen werden würde.

Meine Damen und Herren! Salzburg ist ein kleines Bundesland. Ich gehe einmal nach Oberösterreich oder in die Steiermark. Warum kann es dort nur eine regionale Frequenz geben? – Es gibt aus meiner Sicht keinen erklärlichen Grund dafür, warum in Niederösterreich zum Beispiel nur eine private Frequenz, eine Regionalradiofrequenz, vergeben werden sollte. Das würde meiner Meinung nach dazu führen, daß man einen privaten Monopolisten zum "staatlichen" – unter Anführungszeichen – noch dazu schafft. Ich stehe dazu zwar etwas anders, ich sehe das nicht sosehr als Monopol. (Bundesrat Eisl: Das kann ich mir nicht vorstellen!) – Herr Kollege Eisl, wenn Sie recht gut zuhören, werden wir es vielleicht gemeinsam zustande bringen, daß es in diesem Medienbereich Gerechtigkeit gibt. (Bundesrat Eisl: Zu zweit geht es immer besser!)

Ich meine, auch diesbezüglich sollten wir noch einmal nachzudenken beginnen. (Bundesrat Eisl: Wer die Demokratie lernen will, muß nach Niederösterreich gehen!) Ich glaube auch, daß es abgelehnte Betreiber geben wird, die wieder zur Menschenrechtskommission gehen werden, und dann wird man mit Interesse sehen, wie dort entschieden werden wird. Ich glaube, daß nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, daß es so bleibt, wie es da steht.

Es wird auch vorgeschrieben, die Frequenz- beziehungsweise Linzenznehmer gesetzlich zu kontrollieren. Das ist nur zu unterstreichen und zu unterstützen. Ich frage mich, warum zum Beispiel bei bestehenden regionalen Lizenznehmern bis heute niemand an eine Kontrolle gedacht hat. In Salzburg gibt es einen Sender, der zwar ein Redaktionsstatut hat, aber nicht danach lebt. Es gibt einen Sender in Salzburg, der mit der AKM im Krieg liegt, der sich vor Gericht befindet bezüglich der Tantiemen, die zu leisten sind, und die verantwortliche öffentliche Hand schaut zu. Ich meine, daß es höchst an der Zeit ist, hier Kontrollinstanzen nicht nur zu ermöglichen, sondern diese auch vollziehen zu lassen. Dann werden wir auch in dieser Frage sicher ernstgenommen werden.

Positiv sehe ich die Möglichkeit der Übernahme von Mantelprogrammen in der Dichte. Das ist auch notwendig, um die wirtschaftlichen Voraussetzungen im Minimalbereich zu erhalten, um kommunale Radios am Leben zu erhalten.

Ich möchte auf den § 13 aufmerksam machen: Die Mitglieder der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde sollten insoweit an eine Verantwortlichkeit gebunden werden, als ihre Amtperiode von fünf auf sieben Jahre verlängert wird und sie so die von ihnen vorgeschlagenen Radiobetreiber über den im § 17 festgelegten Zeitraum von nunmehr sieben Jahren auch begleiten. Nach der alten Regelung würde nach gut zwei Dritteln der ersten Sendephase eine neue Behörde installiert, deren Mitglieder sich erst langwierig in die Materie einarbeiten müßten. Siehe oben: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Wir Sozialdemokraten werden dieses Gesetz – ich persönlich sehr zähneknirschend – unterstützen, aber mit Argusaugen beobachten, ob die Wettbewerbsgleichheit nicht gefährdet wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Ing. Penz. )


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624. Sitzung / Seite 55

11.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rieser. – Bitte.

11.55

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Medien sind ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie, und nicht zu Unrecht werden sie oft auch als die vierte Gewalt bezeichnet. Wenn wir heute hier diese Gesetze behandeln, so ist dies ein großer Fortschritt, wobei ich mir aber trotzdem erlaube, mich kritisch mit der österreichischen Medienpolitik auseinanderzusetzen. Ich bin aber auch Herrn Kollegen Prähauser sehr verpflichtet und verbunden aufgrund seiner Aussagen, weil sie in manchem Bereich identisch sind und weil ich der Auffassung bin, daß wir sicherlich gemeinsam auch dieses Problem anpacken werden.

Liebe Kollegen! Es kann um die Medienfreiheit in diesem Land nicht gut bestellt sein, wenn, um hier nur ein Beispiel zu nennen, Regierungsumbildungen und ihre Präsentation nach dem Willen und Geschmack einiger weniger Medien- und Magazinmacher ausgerichtet werden, um ja nicht in den Wind zu blasen. Es kann um die Freiheit der Medien in diesem Land nicht gut bestellt sein, wenn sich Banken in Übereinstimmung mit politischen Parteien Zeitungen halten, die nicht nach bestem Wissen und Gewissen kommentieren dürfen, weil ihnen sonst fette Inserate gesperrt werden. So geschehen in diesen Monaten des Jahres 1997!

Ich stelle fest, daß sich der Österreichische Rundfunk seit dem Rundfunk-Volksbegehren nach einer Phase international vorbildlichen, öffentlich-rechtlichen Aufschwungs leider seit Jahren in dieser Hinsicht wieder negativ entwickelt hat und offenbar reformunfähig ist, weil er als Machtinstrument herhalten muß.

Der Österreichische Rundfunk ist eine durch Gesetz eingerichtete Anstalt des öffentlichen Rechts mit öffentlichem Vermögen. Die Grenzen seiner Tätigkeit ergeben sich aus dem Österreichischen Rundfunkgesetz. Folgendes ist für mich bedrückend: Im Parlament und in den Landtagen gibt es seit Jahrzehnten drei, vier, seit kurzem fünf Parteien, die sich nach vier oder fünf Jahren den Wählern zu stellen haben. Aber in Österreich gibt es ein Fernsehen und damit einen Monopolbetrieb, wie ihn längst kein vergleichbares Land in Europa mehr kennt.

Ich bin aber auch mit dem Salzburger Landeshauptmann Dr. Franz Schausberger einer Meinung, daß die ORF-AG nicht zustande kommen wird, schon allein deshalb nicht, weil die Zentralisten, die den Föderalismus nur auf den Lippen führen, eine 50:50-Beteiligung Bund – Länder nicht zulassen werden. Alles andere wäre für uns unakzeptabel, weil die Landesstudios in ihren Rechten eher geschwächt als gestärkt werden.

Wenn wir nun in Hinkunft ein Regional- und Lokalradio haben, so muß von vornherein klar sein, daß es einen Wettbewerb geben wird, wobei aber der Österreichische Rundfunk seinem öffentlichen Auftrag gerecht werden muß. Öffentlicher Auftrag bedeutet für mich Basisversorgung. Öffentlicher Auftrag ist die unverwechselbare Stimme der österreichischen Identität im internationalen Wettbewerb. Öffentlicher Auftrag ist Qualitätsprogramm und Qualitätsjournalismus. Öffentlicher Auftrag ist Stärkung, Ausbau und Absicherung des föderalistischen Elements der Landesstudios.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk heißt, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Verpflichtung. Öffentlich-rechtlicher Auftrag und Gebührenfinanzierung sind eng miteinander verknüpft, und ich komme nicht darum herum, die derzeit geltende Rundfunkgebühr in Frage zu stellen. Gebührenpflicht ist ein Privileg und eine Verpflichtung. Kann, ja darf sich eine öffentlich-rechtliche Anstalt schleichend in einen kommerziellen Betrieb umwandeln? – Jüngstes Beispiel für diesen Versuch ist der angekündigte Tourismus- und Wetterkanal TWE 1 als Sonderkanal des ORF. Darf eine Institution, die Sonderrechte genießt, ihre Mittel für Aktivitäten einsetzen, um in Wettbewerb mit Privaten zu treten, die allerdings das Privileg der Gebührenfinanzierung nicht haben?

Es gibt für mich in diesem Zusammenhang nur zwei Möglichkeiten: strenge Einhaltung des öffentlich-rechtlichen Auftrages oder Abschaffung der Gebühren! (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)


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Eine Gebührenfinanzierung ist nach EG-Recht – in diesem Zusammenhang habe ich mir Unterlagen vom Institut für Medienrecht besorgt – nur dann gerechtfertigt, wenn diese Gebühreneinnahmen tatsächlich für spezifisch öffentliche Aufgaben eingesetzt werden. Andernfalls wären diese Gebühreneinnahmen nach Artikel 92 des EU-Vertrages wettbewerbswidrige Beihilfen. Dies ergibt sich daraus, daß der Österreichische Rundfunk in Wettbewerb mit privaten Veranstaltern steht, die sich nur aus Werbung finanzieren, und diese Art der Finanzierung aus Gebüh-ren würde zu einer Wettbewerbsverzerrung führen.

In diesem Zusammenhang muß man die Frage stellen: Worin liegt die spezifisch öffentliche Aufgabe? – Nach dem Gesetz darf der ORF derzeit Fernsehwerbung nur bundesweit verbreiten. Würde der Gesetzgeber dem Wunsch des Österreichischen Rundfunks nach Öffnung für lokale Fernsehwerbung nachkommen, so bedeutete das nicht nur eine existentielle wirtschaftliche Bedrohung der regionalen Presse, sondern würde auch die Entfaltung privater elektronischer Medien von vornherein unmöglich zu machen. Diese müssen eine faire Chance erhalten, sich auf dem regionalen Markt entwickeln zu können. Das setzt voraus, daß dieser Bereich nicht frühzeitig vom ORF besetzt wird, da der ORF aufgrund seiner überlegenen Position und seiner Größe einen Vorsprung hat. Der Österreichische Rundfunk darf deshalb eine Ausweitung dieses Rechts nicht zugestanden bekommen. Der Österreichische Rundfunk nimmt mit zwei Fernsehkanälen und vier Radioketten in Verbindung mit der Gebührenfinanzierung eine derart dominante Position ein, daß die Entwicklung der neuen, zukünftigen Unternehmer in diesem Bereich gefährdet ist.

Im Rahmen einer dualen Rundfunkordnung muß Klarheit über Inhalt und Umfang des Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geschaffen werden. Diesbezüglich fehlen im Rundfunkgesetz jegliche Vorgaben. Im Rahmen einer künftigen Novelle müßte diese Frage vorrangig behandelt werden. Es besteht angesichts der Programmentwicklung des ORF die Befürchtung, daß der öffentlich-rechtliche Auftrag hinsichtlich Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung noch weiter in den Hintergrund gedrängt wird. Eine zunehmende Kommerzialisierung der Radio- und Fernsehprogramme des ORF würde mittelfristig die Frage nach der Berechtigung der öffentlich-rechtlichen Gebührenfinanzierung hervorrufen.

Der Europäische Gerichtshof in Straßburg wird sich in Hinkunft mit der Gebührenpflicht beziehungsweise Wettbewerbsverzerrung auseinanderzusetzen haben. Dort werden gegenwärtig Anträge aus Holland diskutiert. Ein Beispiel des ungleichen Wettbewerbes liefert uns die Steiermark. In allen österreichischen Tunnels kann man Ö 3 hören. Dafür bezahlt der Österreichische Rundfunk keinen Schilling. Im Plabutschtunnel in der Nähe von Graz kann man zusätzlich – wie in sonst keinem Tunnel in Österreich – auch "Antenne Steiermark" empfangen. Dafür muß "Antenne Steiermark" der Straßenverwaltung jährlich 136 000 S bezahlen.

Daher muß ich hier die Frage stellen: Ist das Gleichbehandlung? – In diesem Zusammenhang hätte ich auch gerne gewußt, welche Einkommensverluste die Republik Österreich dadurch hinnehmen muß, daß der Österreichische Rundfunk für alle Tunnels nichts bezahlt. Dabei ist zu bedenken, daß es in wenigen Monaten einige private Radiosender mehr geben soll – sei es in Salzburg, Kärnten, Tirol oder Vorarlberg. Werden alle diese Sender, die es in größerer Zahl geben wird, weil wir in einem gebirgigen Land leben, von vornherein solche Gebühren zu bezahlen haben, so wird es zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen.

Im Ausschuß konnte uns diese Frage nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Deshalb haben wir uns veranlaßt gesehen, in diesem Zusammenhang auch eine parlamentarische Anfrage einzureichen. Die "Antenne Steiermark" ist trotz Mängeln in der Medienpolitik mit großem Erfolg der erste österreichische Privatsender geworden. Dafür mußten starke Widerstände überwunden werden. So gesehen gibt es heute für die Medienvielfalt eine Sternstunde. Das steirische Beispiel zeigt, daß Konkurrenz zu Reformen zwingt. Alle Anbieter strengen sich mehr an; die Gewinner sind die Konsumenten als Hörer und – hoffentlich bald – auch als Seher. Medienvielfalt und Medienfreiheit auf dem elektronischen Medienmarkt sind in Österreich durch klare gesetzliche Grundlagen sicherzustellen. Diesem Ziel kommt man mit dem neuen Regionalradio- und Regionalfernsehgesetz durch eine Vielfalt von Anbietern und Programmen einen Schritt näher.


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Es muß jedoch eine Reform des Österreichischen Rundfunks geben! Unabdingbar ist auch eine klare Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags. In mehr Wettbewerb und Vielfalt wird mit Recht eine Chance erblickt, der Monopolisierung und dem Mißbrauch von Informationen entgegenzuwirken. Im Interesse einer funktionierenden und lebendigen Demokratie ist eine vielgestaltige Medienlandschaft mit starken, unabhängigen Medien unabdingbar. Deshalb wird die Fraktion der Österreichischen Volkspartei diesem Gesetz die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

12.08

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

12.08

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mit Entzücken, geschätzter Herr Vorredner, habe ich Ihren Ausführungen gelauscht. Bei den letzten Sätzen bin ich allerdings nicht ganz mitgekommen. Zunächst hatte ich Grund zu der Annahme, Sie würden mit Ihren Ausführungen eine Begründung für unseren Entschließungsantrag liefern. Am Schluß aber habe ich mit Staunen gehört, daß Sie im Gegensatz dazu der Vorlage die Zustimmung geben werden.

Herr Staatssekretär! Die geballte Kritik, die Kollege Rieser und Kollege Prähauser hier "vom Stapel gelassen" haben, läßt mich fragen, wie diese Vorlage die einzelnen Klubs hat passieren können. Habt ihr das nicht berücksichtigt? Ist "Regierungsvorlage" jetzt schon wörtlich zu verstehen: daß nur mehr die Regierung etwas vorlegt und die Klubs nicht mehr befaßt werden? – Ich wundere mich sehr, daß diese Vorlage überhaupt zur Behandlung gekommen ist.

Allerdings stimme ich mit den Wortmeldungen meiner Vorredner nicht ganz überein, zum Beispiel dann, wenn Kollege Prähauser sagt, daß unser Entschließungsantrag im Nationalrat nicht eingebracht worden wäre. Da muß ich der Wahrheit die Ehre geben: Wir haben diesen Antrag auch im Nationalrat eingebracht. Aber wir haben ihn verfeinert, verbessert und entsprechend der Wertigkeit des Bundesrates adaptiert, bevor wir ihn hier eingebracht haben.

Im vorgesehenen Regionalradio- und Kabelbeirat sollen die Länderinteressen vertreten werden. Wer aber vertritt die Länderinteressen? Wer ist demokratisch legitimiert, sie zu vertreten? – Es ist der Bundesrat! In dieser Vorlage aber, meine Damen und Herren, hat man wieder einmal den Bundesrat übersehen. Dieses Gesetz ist meiner Meinung nach nicht nur "verfassungsverquer", sondern auch äußerst föderalismusfeindlich. Wieder einmal hat man dieses Organ, hat man diese Körperschaft übersehen, welches allein demokratisch legitimiert ist, die Bundesländerinteressen zu vertreten.

Ich darf auf einige weitere Feinheiten eingehen. Kollege Rieser hat von der "Antenne Steiermark" und der Gebühr für den Plabutschtunnel gesprochen. Selbstverständlich bieten wir Steirer ein entsprechendes Service, und Sie können versichert sein, Herr Kollege, wir haben das jedes Jahr immer wieder auch vom ORF verlangt. Nur haben wir es leider Gottes bis heute nicht bekommen. Ich gebe Ihnen einen guten Tip und werde das auch an die "Antenne Steiermark" herantragen: Sie sollten in dieser Angelegenheit gemäß Artikel 7 Bundes-Verfassungsgesetz vorgehen, den Gleichbehandlungsgrundsatz ins Treffen führen und diesbezüglich eine weitere Verfassungsklage einbringen. Das wäre durchaus berechtigt. Es ist eine Ungeheuerlichkeit, was da passiert, ich muß das wirklich sagen! Hier wird de facto zwar oberflächlich demokratisiert, aber gehandelt wird in diesem Gesetz nach wie vor monopolkonservierend in Zielrichtung ORF.

In den Erläuterungen heißt es – aber nur ganz klein, und der Grund dafür wird nicht näher ausgeführt –, daß diese Vorlagen unter anderem auch eine Folge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs im Hinblick auf Artikel 18 der Bundesverfassung sind. Wenn man sich Artikel 18 und die Erläuterungen dazu näher ansieht, meine Damen und Herren, dann liest man über das Legalitätsprinzip: Das verfassungsmäßige Legalitätsprinzip gilt nicht nur für die Hoheits-, sondern auch für die Privatwirtschaftsverwaltung. Aus dem verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip folgt der Grundsatz der inhaltlichen Bestimmtheit der Gesetze – diese geht dem vorliegenden Gesetzentwurf ab, wie hier alle kritisiert haben. Das heißt, das Verhalten der


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Staatsorgane und der staatlich delegierten Organe muß in Ansehen der Organisation und Zuständigkeit des Verfahrens sowie des Inhaltes hinreichend bestimmt sein, sodaß die zur Kontrolle berufenen Einrichtungen wie Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, unabhängige Verwaltungssenate, Oberster Gerichtshof, Rechnungshof und so weiter ihre Kontrollaufgaben erfüllen können. Die gegenständliche Vorlage hat es hervorragend verstanden, diese Kontrollaufgaben zu verdecken, zu verhindern und zu vermindern. Ich halte das als zentralen Kritikpunkt fest!

Meine Damen und Herren! Wie wir gehört haben, ist das neue Regionalradiogesetz eine Konsequenz aus diesem Erkenntnis. Wie sehen jetzt die Konsequenzen aus? – Nehmen wir § 1 her: Meine Vorredner haben schon zutreffend ausgeführt, daß man lediglich regionales und lokales Radio, aber kein bundesweites Privatradio erlaubt. Warum nicht? – Das ist eine Tatsache, die mangelnde marktwirtschaftliche Gesinnung erkennen läßt und auch andere Fehler in sich trägt. Warum hat man dieses Reparaturgesetz – ein solches ist es ja – nicht überhaupt dazu verwendet, eine bundesweite Lösung für den österreichischen Radiomarkt anzustreben, in der zum Beispiel auch die Möglichkeit bundesweiter Ausstrahlungen vorgesehen wird?

Das Zugeständnis – auch Kollege Prähauser hat § 2 bereits behandelt – von vier Programmen an den ORF, wobei diese bundesweit gesendet werden können, und von nur jeweils einer Radiolizenz in jedem Bundesland an einen privaten Anbieter bedeutet eine Ungleichbehandlung. Weiters bedeutet die Existenz von zwei Lizenzen für Wien – die Steiermark lasse ich da beiseite, weil wir schon eine haben – gegenüber jeweils nur einer Lizenz für die anderen Bundesländer eine Ungleichbehandlung. Das ist nicht einzusehen, und es besteht dabei wieder die Möglichkeit, gemäß Artikel 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes dieses Gesetz wegen Ungleichbehandlung zu korrigieren.

Die Bedarfsermittlung in § 2c ist nicht ausreichend determiniert. Es sind die Berücksichtigungs- und Ablehnungsgründe nirgendwo ersichtlich. Darüber hinaus besteht eine Kann-Bestimmung hinsichtlich der Ernennung von Sachverständigen und des Hörfunkbeirates. Meine Damen und Herren! Mit dieser Kann-Bestimmung ist belegt, daß entweder der Hörfunkbeirat nicht notwendig und nur aus parteipolitischen Gründen geschaffen worden ist oder daß man ihn nicht ernst nimmt. Sie können sich die Argumentation aussuchen. Nach welchen Kriterien werden Sachverständige oder Hörfunkbeiräte ausgesucht? Was passiert, wenn ein Sachverständiger oder ein Hörfunkbeirat einer anderen Auffassung ist als die Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde? – Das ist nirgendwo festgelegt. Das läßt man im gesetzesleeren Raum schweben.

In § 4 sind "gesellschaftlich relevante Gruppen" genannt. Welche Gruppen sind mit "gesellschaftlich relevant" gemeint? – Das wird überhaupt nicht ausgeführt. Im Rundfunkgesetz bedeutet dies hinsichtlich der Zusammensetzung der Hörer- und Sehervertretung, daß zwar gleich mehrere Vertreter von Sozialpartnerorganisationen dazugehören – nichts gegen diese, sie sollen selbstverständlich vertreten sein –, aber kein einziger Vertreter aus dem Bereich des Umweltschutzes und des Tierschutzes – obwohl sich eine Partei diesen in letzter Zeit groß auf ihre Fahnen geheftet hat –, und kein Vertreter von Behindertenorganisationen. Kein solcher, meine Damen und Herren, ist dort vorhanden.

Ich komme zu einem Kernpunkt, zu § 13, und in diese Richtung zielt auch unser Entschließungsantrag. Als Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde wird beim Bundeskanzleramt ein Kollegialorgan mit zwölf Mitgliedern eingerichtet, das sich aus den gemäß Abs. 4 bestellten Mitgliedern sowie dem richterlichen Mitglied zusammensetzt. Weiter unten wird das Procedere dargestellt, das zu dieser Zusammensetzung führt. Das führt zum Modus der Bestellung der Mitglieder. Nach dem Nationalratswahlergebnis ist in diesem Gremium eine Zweidrittelmehrheit gegeben, die eindeutig parteipolitisch ausgerichtet ist. Damit dort die Koalition gut funktioniert, haben kleinere Gruppierungen darin zumindest einen Vertreter.

Daneben ist ein weiterer Punkt interessant: Wir haben hier sehr viel über den Föderalismus gesprochen und ihn immer wieder eingemahnt. Auch haben wir über den Konsultationsmechanismus gesprochen, in dem unter anderem die Landhauptleutekonferenz genannt ist; dabei haben alle gefragt, warum dieses Exekutivorgan verfassungsmäßig verankert werden soll. Wir


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624. Sitzung / Seite 59

haben doch ein verfassungsmäßiges Organ, nämlich den Bundesrat! In diesem Gesetz aber hat man nun das Schlupfloch gefunden, mit dessen Hilfe auf einmal die Landeshauptleutekonferenz gesetzlich verankert wird. Sehen Sie, meine Damen und Herren, so werden Sie von Exekutivorganen behandelt!

Das ist der eine Punkt des § 13. Der andere betrifft Sie höchstpersönlich, meine Damen und Herren! Höchstpersönlich deswegen, weil dort neuerlich von Länderinteressen gesprochen wird, jedoch Sie als Vertreter der Länderinteressen, als demokratisch legitimiertes Organ, als Körperschaft, die den Föderalismus zu wahren hat, nicht genannt sind. Wir bringen das in unserem Entschließungsantrag zur Sprache, meine Damen und Herren!

Nehmen wir nun § 14a her. Dieser ergänzt die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene alte Textierung. Der Hörfunkbeirat ist wiederum ein reines Sozialpartner- und Regierungsgremium, welches keine nachhaltige Funktion hat. Ich verweise darauf, was ich vorhin ausgeführt habe, und frage: Welche Funktion hat dieses Gremium? Warum legt man es nicht mit einer Kabel- und Regionalradiobehörde zusammen? Warum legitimiert man es nicht demokratisch und fachlich? Warum macht man keine öffentliche Ausschreibung und kein öffentliches Hearing zur Besetzung dieses Gremiums mit Fachleuten?

Meine Damen und Herren! Ebenso ein Schlüsselparagraph ist § 16. Obwohl man den Bundesrat als Vertreter der Länderinteressen – ich habe das vorhin schon ausgeführt – bei der Bestellung der Organe in diesem Bundesgesetz gänzlich außer acht gelassen hat, gibt man der Exekutive der Länder einen unverhältnismäßig großen Einfluß auf die Lizenzerteilung, welche demokratisch durch die Legislativorgane nicht entsprechend legitimiert ist.

Ist diese Tatsache nicht dazu angetan, bei einer Beschwerde eine mögliche Aufhebung zu riskieren? – Aber das wäre noch das wenigste. Meine Damen und Herren! Dabei geht es auch um Ihre Selbstachtung, bei diesem Gesetz geht es um die Selbstachtung des Bundesrates! Man kann nicht sagen, das sei ein Übersehen, sondern dabei ist bewußt die Körperschaft Bundesrat, das Organ Bundesrat wieder einmal diskriminiert worden! Wenn wir das neuerlich übersehen, meine Damen und Herren, dann müssen Sie sich zu Recht vom Herrn Bundeskanzler – wie letztes Mal – sagen lassen: Der Bundesrat ist eigentlich nicht tätig geworden.

Das ist ein wichtiges Gesetz, meine Damen und Herren, aber nicht so wichtig, daß, wenn der Bundesrat heute dagegen Einspruch erhöbe, das Staatsgebäude zusammenkrachen würde oder Ihre Koalition – "große Koalition" kann man, glaube ich, nicht mehr sagen – gefährdet wäre. Sie könnten Ihre berechtigten Interessen, die Sie zutreffend formuliert haben, meine Damen und Herren, hier durchsetzen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich habe in fast jeder meiner Ausführungen das Thema Föderalismus angesprochen. Ich halte es für nötig, das immer wieder zu sagen, und appelliere an Sie, weil das ein wichtiger Bereich ist. Durch die Globalisierung der Medienlandschaft sind weltweit Rahmenbedingungen zu erwarten, die nicht enger gesteckt sein können werden als die sich derzeit europaweit und weltweit schon abzeichnenden Strukturen. Deshalb sind die in diesem Gesetzentwurf enger gefaßten österreichischen Rahmenbedingungen, sofern heute eine Mehrheit dafür zustande kommt, bereits vor deren Beschlußfassung anachronistisch, meine Damen und Herren!

Über den Bestellungsmodus des Regionalradio- und Rundfunkbeirates habe ich Ihnen bereits einiges gesagt. Die Zusammensetzung entnehmen Sie bitte dem Gesetz. Unsere Erstrednerin, Frau Dr. Riess, hat ausgeführt, warum wir unseren Entschließungsantrag eingebracht haben. Das ist ein Antrag, dessen Annahme zur Selbstachtung des Bundesrates beitragen würde, das ist auch ein Antrag, der dazu dient, die hier wieder einmal zum Ausdruck gekommene parteipolitische Verbandelung hintanzustellen. Wenn man Vergleiche anstellt, muß man Vergleichsobjekte irgendwo suchen, sonst findet man sie nicht.

Daran mag auch der Umstand nichts ändern, daß von den Mitgliedern Sachkundigkeit verlangt wird, wobei sie eine mindestens fünfjährige Erfahrung im Medien- und Verwaltungsbereich haben sollen. Das, meine Damen und Herren, ist verfehlt, und Sie tun sich nichts Gutes, eine


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Zulassungsbehörde einzurichten, die nur als Vollzugsorgan politischer Einflußnahmen betrachtet werden kann. Nicht einmal Sie können – siehe Begutachtung – Einfluß nehmen! Wir sind deswegen für eine Bundesmedienanstalt, die direkt dem Nationalrat und – insoweit Länderinteressen betroffen sind; das ist die Einfügung, auf die wir großen Wert legen – dem Bundesrat untersteht, wobei die Bestimmungen der Bundesverfassung für diese Bundesmedienanstalt analog zum Rechnungshof gelten sollten.

Was die Bestellung der Mitglieder betrifft, haben Sie Ihre Erfahrungen gemacht und hat jede Fraktion ihre eigenen Erfahrungen gemacht, und grundsätzlich hat das unserer Selbstachtung geholfen, wie Sie feststellen können, wenn Sie sich an die Bestellung der Verfassungsrichter erinnern: Bestellt werden sollten die Mitglieder in Form eines Hearings, wie das bereits einmal hier – wie ich glaube, nicht zum Nachteil des Höchstgerichts und auch nicht zum Nachteil des Bundesrates – geschehen ist.

Meine Damen und Herren! Wir müssen diese Vorlagen ablehnen, weil sie erstens nicht verfassungskonform und zweitens monopolkonservierend sind. Drittens mißachten sie – wie auch Kollege Prähauser und andere ausgeführt haben – das Straßburger Erkenntnis, viertens verfestigen sie die Exekutivlastigkeit in unserem Bereich weiter und schalten fünftens die politisch zuständigen und vorgesehenen Gremien, Mandatare und Körperschaften aus. Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, können wir der vorliegenden Materie die Zustimmung nicht geben, und ich bitte Sie sehr: Überlegen Sie sich Ihr Abstimmungsverhalten gut! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.26

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Wöllert. Ich erteile es ihm.

12.27

Bundesrat Karl Wöllert (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Umgang der Gesellschaft mit ihren Medien, aber auch der Umgang der Medien mit ihrer Gesellschaft ist eine sensible und – ich sage es bewußt – staatstragende, eine äußerst verantwortungsvolle Aufgabe für beide Partner. Die Freiheit der Medienarbeit ist ein unabdingbares Axiom einer demokratischen Gesellschaftsordnung, und die Absicherung von Medienvielfalt muß eine vornehme Aufgabe aller demokratisch gesinnten Kräfte eines Staates sein.

Es muß – in diesem Zusammenhang muß das gesagt werden – auch erlaubt sein, daß beispielsweise ein kritischer Redakteur eines TV-Magazins – ich denke dabei an den TV-Moderator Broukal – einem Politiker kritische Fragen stellen und einen Politiker darüber hinaus daran erinnern darf, daß politische TV-Magazine nicht dazu da sind, elend lange und fade Politiker-Selbstbeweihräucherungen zu produzieren. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wenn es der Gegner macht, dann ist es schlecht; wenn es der Broukal macht, dann macht es nichts!) Ich habe eigentlich nicht verstanden, daß Broukal vom Herrn Generalintendanten zurückgezogen worden ist, denn ich meine: Kritische Fragen zu stellen und Politiker an ihre eigentliche Aufgabe zu erinnern, auch das gehört zur Pressefreiheit, zu der wir uns bekennen sollten. Dies bedeutet und bedingt jedoch andererseits eine moralische Verpflichtung der Medien gegenüber ihrer Gesellschaft. (Bundesrat DDr. Königshofer: Volksdemokratisches Bekenntnis!) Herr Kollege, Ihr Lächeln zeigt, daß Sie diese demokratischen Worte offensichtlich nicht verstanden haben. Aber das ist Ihr Problem und nicht meines, das darf ich hinzufügen.

Pressefreiheit bedingt, daß es auch eine moralische Verpflichtung der Medien gegenüber der Gesellschaft gibt. Allzuleicht würde im gegenteiligen Falle Mißbrauch und Manipulation Tür und Tor geöffnet werden und dadurch eine vierte Macht im Staat entstehen. Kritische Betrachtung und Analysen der Politik sind notwendig und erwünscht. Sie sind eine Form der demokratischen Kontrolle. Wir, die wir in der Politik und im öffentlichen Leben tätig sind, brauchen diese Kritik, auch die Gesellschaft braucht sie. Kritische Beobachtung und Berichterstattung, kritische Analyse ist die Aufgabe der Medien; die Gestaltung und Organisation der Gesellschaft aber ist Auf


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gabe der demokratisch gewählten politischen Vertreter und nicht der Medien, auch nicht jener, die für sich den Stil des Boulevards gewählt haben.

Genau deshalb sind alle Gesetze, die sich mit Medien und Medienvielfalt beschäftigen, besonders sensibel und mit besonderer Verantwortung zu diskutieren und zu beschließen. Dazu gehören selbstverständlich auch alle legislativen Maßnahmen, die sich mit den elektronischen Medien befassen. Der erste Versuch des Parlaments, ein liberales Regionalradiogesetz zu entwickeln, wurde bekanntlicherweise ... (Bundesrat DDr. Königshofer: Sie mißbrauchen den Begriff "liberal"!) Herr Kollege! Ich kann nichts dafür, wenn Sie nicht verstehen, was man Ihnen sagt. Hören Sie ein wenig zu, wir haben Ihnen auch zugehört, wenn wir auch nicht einverstanden waren mit dem, was Sie gesagt haben. Aber es gehört zur Demokratie, zuhören zu können, versuchen Sie es wenigstens, Herr Kollege! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Der erste Versuch des Parlaments, ein liberales Regionalradiogesetz zu entwickeln, wurde bekanntlicherweise beim Verfassungsgerichtshof beeinsprucht; sein Urteil liegt vor. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 1995 über die Aufhebung der bekannten Paragraphen des Regionalradiogesetzes ist selbstverständlich zu respektieren. Auch das gehört zur Demokratie – so wie das Zuhören, Herr Kollege, wenn ich Ihnen das noch einmal sagen darf. (Bundesrat Dr. Harring: Das fällt mir oft schwer bei Ihnen, aber es wird schon gehen!) Ich habe nicht vor, es Ihnen leicht zu machen, Herr Kollege! Das ist nicht meine Aufgabe, wie ich dazusagen muß, aber ich versuche, es so zu sagen, daß auch Sie es verstehen. (Bundesrat Prähauser: Du darfst deine Rede nicht so intelligent anlegen! – Bundesrat Eisl: Haben Sie ein Seminar in Dialektik besucht?)

Es ist zu bedauern, daß es im Zuge dieser rechtlichen Prozedur zu Verlusten von potentiellen Radiobetreibern durch relativ kostenintensive Vorbereitungsarbeiten gekommen ist. Aber ebenso kann man kritisieren, das es überhaupt zu dieser Entscheidung gekommen ist, da auch die erste beschlossene Vorlage und Version dieses Gesetzes zweifellos eine brauchbare und sehr sinnvolle war. Dieses Gesetz war nämlich ein vernünftiger Weg, ein respektables duales System zu ermöglichen, nämlich das Miteinander eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks und eines gut funktionierenden privaten Rundfunks – ein Weg, von dem man sagen kann, daß er vernünftig in ein demokratisches Gefüge hineinpaßt.

Man muß in diesem Zusammenhang auch feststellen, daß es dem Staat gewährt sein muß und Aufgabe des Staates und seiner Organe ist, dem staatlichen Unternehmen ORF im Sinne unseres Kulturverständnisses und unter Wahrung unserer Kulturidentität die Konkurrenzfähigkeit zu ermöglichen und zu erhalten, da der ORF in einem internationalen Konkurrenzkampf steht. Dies kann sicherlich keine wertfreie Konkurrenzfähigkeit sein, ist aber sicherlich absolute Notwendigkeit. Apropos Wertfreiheit: In diesem Zusammenhang kann mir niemand erzählen, daß Privatradio eine völlig wertfreie Angelegenheit sei, in der es überhaupt nichts zu regulieren gebe. Die Interessen von Bertelsmann, Leo Kirch und Co. oder – auf österreichische Verhältnisse übertragen – von Hans Dichand, Kurt Falk und Partnern liegen ebenso offen auf der Hand.

Daher halte ich es für besonders wichtig, daß infolge der nunmehr gegebenen privaten Möglichkeiten der ORF – das gegenwärtige Management des Unternehmens macht dies möglich – im Programmbereich und im Bereich neuer Geschäftsfelder so reformiert wird, daß er international konkurrenzfähig wird und auf dieser Grundlage nicht nur profitablen Interessen folgen, sondern auch österreichische, kulturspezifische Aufgaben erfüllen kann. Das bedeutet, daß wir mit diesem Gesetz zum einen die Verantwortung tragen, privaten Rundfunk zu ermöglichen, aber andererseits auch dem ORF die Möglichkeit geben müssen, internationale Konkurrenzfähigkeit zu entwickeln, und das nicht nur in einer Momentaufnahme, sondern langfristig ausgerichtet.

Von einer Privatisierung des ORF halte ich nichts, weil ich von der ohnedies nicht vorhandenen Wertfreiheit privater Betreiber nichts halte. Zwar sollen diese die Möglichkeit erhalten, auf eigene Kosten Medienarbeit zu machen, aber öffentlich-rechtliche Anstalten müssen als ausgleichendes Element erhalten bleiben.


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Auf das nunmehr vorliegende Gesetz können wir durchaus stolz sein. Es ist ein gutes und liberales Gesetz. Was geschehen wird, hängt davon ab, was jene, die es betrifft, daraus machen werden. Ein Gesetz, das entsprechende Medienvielfalt ... (Bundesrat Dr. Tremmel: Herr Kollege! Bedenken Sie, was Vorredner von Ihrer Fraktion vorher gesagt haben!) Herr Kollege, Sie werden verzeihen, wenn ich sage: Es muß erlaubt sein, nicht unbedingterweise in allen Dingen Ihrer Meinung sein zu müssen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das müssen Sie nicht, aber in dem Fall wäre es ganz gut! – Bundesrat Eisl: Das wäre nicht möglich!) – Das gestatten Sie mir hier auch! Ich habe Sie angehört; seien Sie so freundlich, mir auch zuzuhören.

Es ist ein gutes und liberales Gesetz, ein Gesetz, das entsprechende Medienvielfalt bei Erhaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ermöglicht. Genau das ist der Grund dafür, daß meine Fraktion diesem Gesetz zustimmt. (Beifall bei der SPÖ.)

12.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile es ihr.

12.38

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Die drei heute zur Debatte stehenden Gesetze – Regionalradiogesetz, Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz, Verordnung über die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunk-Empfangsanlagen – bringen zwar eine Sanierung verfassungsrechtlicher Mängel, haben aber leider keine zukunftsweisenden Aspekte.

Zwei wesentliche Mängel, die teilweise schon im alten Gesetz vorhanden waren, sind die folgenden: Punkt a: Die Länder können selbst keine Entscheidungen über Regional- und Lokalradio beziehungsweise Kabel-TV treffen, obwohl sie dazu selbstverständlich in der Lage wären. Punkt b: Die Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde besteht aus zwölf Mitgliedern; davon sind sechs Mitglieder Angehörige der im Hauptausschuß des Nationalrates vertretenen politischen Parteien, entsprechend den Stärkeverhältnissen im Nationalrat, drei Mitglieder werden auf Vorschlag der Landeshauptleutekonferenz bestellt, und je ein Mitglied wird vom Österreichischen Städte- und Gemeindebund entsandt.

Das heißt im Klartext, daß in der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde nur ein Viertel der Mitglieder Ländervertreter ist. Wenn die Mitglieder des Städte- und Gemeindebundes dazugerechnet werden, sind es immer noch weniger als 50 Prozent, also nicht einmal die Hälfte. Die Länder sind in diesem Gesetz sogar schlechter gestellt als in dem Regionalradiogesetz, das wir im Jahre 1993 beschlossen haben. Ich habe damals das Regionalradiogesetz neben anderen auch aus diesem Grund abgelehnt und lehne es auch heute aus den von mir genannten Gründen ab.

Erwähnen möchte ich, daß die Ankündigung von Minister Einem, derzufolge für Telekommunikation, Rundfunk und TV eine unabhängige Behörde eingerichtet werden soll, zu begrüßen ist.

Zum Entschließungsantrag der Freiheitlichen möchte ich anmerken, daß ich diesen ablehne, weil erstens völlig unklar ist, welchen Einfluß die Länder diesem Antrag zufolge hätten, weil zweitens solche Dinge bereits im Gesetz geregelt werden sollen und weil es drittens meiner Meinung nach grundsätzlich richtig wäre, die Entscheidungen über Regionalradio, Lokalradio sowie Kabel-TV den Ländern zu übertragen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Wittmann. Ich erteile es ihm.

12.41

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Bezüglich der Regierungsvorlagen zu einem Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz


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und einer Novelle zum Regionalradiogesetz kann man sicherlich davon ausgehen, daß es sich um eine Novellierung handelt, die der Liberalisierung das Wort spricht. In extremstem Ausmaß stand im Vordergrund der gesamten Beratungen hinsichtlich der Vorlagen das Bestreben, möglichst vielen Privaten den Zugang zu ermöglichen.

Trotz aller Bemerkungen, die hier durchaus ernstgenommen werden müssen und darauf abzielen, keine Konkurrenzverzerrung zuzulassen, sondern sozusagen Waffengleichheit herzustellen, ist es gelungen, ein Verfahren zu entwickeln und ein Gesetz zu entwerfen, das bei der Zuteilung der Sendelizenzen einen möglichst breiten und detaillierten Zugang entsprechend dem Bedürfnis des Lizenzbetreibers oder Radiobetreibers zuläßt. Das heißt, man richtet sich nach den Wünschen des jeweiligen Antragstellers und beachtet, welche Frequenz und Stärke er für den Sender braucht, um seinen möglichst weitgehenden wirtschaftlichen Erfolg abzusichern. Ich glaube, man kommt den Radiobetreibern damit sehr weit entgegen. Auch im Zugang kommt man den Betreibern entgegen, da nicht eine festgesetzte, limitierte Anzahl vergeben wird, sondern eine laufende Überprüfung der zu vergebenden Lizenzen stattfindet.

Hohes Haus! Hinsichtlich der vorgesehenen Behörden möchte ich einen wesentlichen Punkt dieser Gesetzesvorlage erwähnen. Die Beratung über die Erteilung von Sendelizenzen obliegt einer Behörde, die mit sachkundigen Mitgliedern zu beschicken ist. Hinsichtlich der angemerkten Kritik und des Entschließungsantrages darf ich folgendes festhalten: Bei der Einrichtung dieser Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde wurde von einem altbewährten System der österreichischen Verfassung ausgegangen, nämlich von der sogenannten Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag. Wir finden diesen Behördentypus in vielen anderen Gesetzen ebenfalls vor und sind mit den Erfahrungen hinsichtlich dieser Art von Behörde bisher nicht schlecht gefahren. Insbesondere steht damit in der Bundesverfassung festgeschrieben, daß die Behörde weisungsfrei und unabhängig agiert. Das ist ein Schutz, der gewährleistet, daß eine Einflußnahme nicht möglich ist. Ich glaube, daß damit im wesentlichen auf ein altbewährtes Instrument unserer Verfassung zurückgegriffen worden ist und daher die Bedenken nicht zum Tragen kommen.

Hinsichtlich des Kabelrundfunks ist anzumerken, daß es sich um eines der liberalsten Gesetze in ganz Europa handelt. Auch die Zukunft des Satellitenfernsehens ist mit diesem Gesetz im wesentlichen gesichert und die Liberalisierung einen Schritt weitergekommen.

Fast alle Wortmeldungen in diesem Zusammenhang haben sich mit der Reform des ORF befaßt. Dazu möchte ich sagen, daß man versuchen wird, dafür eine Lösung zu finden, die den Bedenken, die geäußert wurden, möglichst weitgehend Rechnung trägt.

Abschließend möchte ich festhalten, daß es sich bei diesem Gesetz um einen Meilenstein der Liberalisierung unserer Medienlandschaft handelt. Es ist sinnvoll, jetzt die Interessenten, die eigene Radiosender betreiben wollen, arbeiten zu lassen. Es sollte nicht über schon angedrohte Verfassungsklagen wieder dazu kommen, daß keine Möglichkeit besteht, derartige Sender zu betreiben. Die Liberalisierung sollte auch vollzogen werden, es sollte ein möglichst breites und vielfältiges Angebot an Sendern in Österreich Platz finden.

In diesem Sinne glaube ich, daß dieses Gesetz durchaus positiv zu bewerten ist, weil wir damit den ersten Schritt in eine Liberalisierung unserer Medienlandschaft gesetzt haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Dr. Tremmel: Einen Schritt nach vorne oder einen Schritt rückwärts?)

12.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.


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Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Errichtung einer unabhängigen Bundesmedienanstalt vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung ist daher abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Kabel- und Satellitenrundfunk erlassen werden, Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunk-Empfangsanlagen geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden (408/A und 622/NR sowie 5403/BR der Beilagen)

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Karenzgeldgesetz erlassen und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Karenzurlaubszuschußgesetz, das Karenzurlaubserweiterungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Betriebshilfegesetz, das Bundesgesetz über die Gewährung von Überbrückungshilfen an ehemalige Bundesbedienstete und das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz geändert werden (550 und 623/NR sowie 5404/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.


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Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden, und

ein Bundesgesetz, mit dem ein Karenzgeldgesetz erlassen und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Karenzurlaubszuschußgesetz, das Karenzurlaubserweiterungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Betriebshilfegesetz, das Bundesgesetz über die Gewährung von Überbrückungshilfen an ehemalige Bundesbedienstete und das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 6 und 7 hat Herr Bundesrat Wolfgang Hager übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Wolfgang Hager: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden, liegt schriftlich vor. Ich verzichte daher auf die Verlesung.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters liegt der Bericht des Sozialausschusses schriftlich vor über den Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Karenzgeldgesetz erlassen und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Karenzurlaubszuschußgesetz, das Karenzurlaubserweiterungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Betriebshilfegesetz, das Bundesgesetz über die Gewährung von Überbrückungshilfen an ehemalige Bundesbedienstete und das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz geändert werden.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage ebenfalls mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

12.51

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! In Goethes "Faust" heißt es: "Ein politisch’ Lied, ein garstig’ Lied." Treffender, glaube ich, kann man nicht formulieren, wenn man das Ziel der Regierungsparteien im Hinblick auf die beiden vorliegenden Gesetzesnovellen kennt. Vollzieht man die Vorgangsweise nach, wie diese Novellen eingebracht worden sind, dann ist dieses Zitat aus Goethes "Faust" noch ein Schmeichelzitat.

Meine Damen und Herren! Im vorliegenden Entwurf ist die Rede von Durchrechnungsmodellen, die ein Ansparen von Arbeitszeitguthaben ermöglichen, wobei dies nicht im Widerspruch zum Kollektivvertrag stehen darf. Der Kollektivvertrag soll Spielräume für Betriebsvereinbarungen zulassen. Gerade diese Intention des Gesetzes, meine Damen und Herren, versetzt die Arbeitnehmer in eine sehr gefährliche und vor allem unsichere Position.

Erstens müssen Betriebsvereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern erst einmal zustande kommen. Wir wissen alle, meine Damen und Herren, daß sich die Wirtschaft ständig über die aufwendige Bürokratie beklagt, und sie tut das, wie ich meine, zu Recht. Gehen wir


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aber davon aus, daß eine Betriebsvereinbarung zustande gekommen ist. Dann muß zweitens im Falle einer Firmenfusion der neue Eigentümer eine Betriebsvereinbarung erst einmal akzeptieren. Aber gerade in einer Zeit, meine Damen und Herren, in der Firmenfusionen an der Tagesordnung stehen, stellt dieses Ziel der Novelle eine Verhöhnung der Arbeitnehmer dar. Drittens sind Betriebsvereinbarungen in der Praxis immer zeitlich begrenzt. Das heißt in der Tat, daß die Arbeitnehmer immer unter Druck stehen und erpreßbar sind. Allein das Bewußtsein, daß eine Betriebsvereinbarung zeitlich verlängert werden muß und immer von der Gunst des Arbeitgebers abhängig ist, stellt für die Arbeitnehmer einen unerträglichen Zustand dar. Daher ist diese Novelle kein Ruhmesblatt für die österreichische Arbeitnehmerpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Außerdem fehlen bei beiden Novellen die begleitenden beziehungsweise flankierenden Maßnahmen. Dazu gehört die Sicherung der Fahrtmöglichkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Novelle wird bewirken, daß Pendler in Hinkunft gezwungen sein werden, wieder mit den Privatfahrzeugen zur Arbeit zu fahren.

Weiters fehlen Rahmenbedingungen im Hinblick auf angepaßte Kinderbetreuungseinrichtungen. Das Problem der Alleinerzieher interessiert die Architekten dieser Novellen überhaupt nicht, denn sie könnten sonst nicht in dieser Form vorliegen. Überdies ist im vorliegenden Entwurf kein Ansatz vorhanden, die Öffnungszeiten von Ämtern, Schulen und ähnlichen Einrichtungen zu berücksichtigen. Behördenwege, Erledigungen und vieles mehr wird für viele Arbeitnehmer in Zukunft nicht mehr möglich sein.

Meine Damen und Herren! Nicht zu vergessen ist, daß jene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bereit sind, mehr zu arbeiten und mehr zu leisten, aufgrund dieser Vorlage in Hinkunft um ihre Überstundenzuschläge umfallen werden. Als unrühmliche Krönung dieser Novellen stellt sich heraus, daß künftig den Schlichtungsverfahren im Kollektivvertragsbereich die Rechtsgrundlage entzogen sein wird. Meine Damen und Herren! Das bedeutet in der Praxis, daß Arbeitnehmer in Hinkunft ihr Recht nicht mehr beim Arbeitsgericht einfordern können, sondern allenfalls beim Salzamt oder sonstwo.

Wenn die vorliegende Novelle Ihren Zielen als Regierungsparteien entspricht, meine Damen und Herren, dann sollten Sie die Courage haben, Ihren Arbeitnehmern im gleichen Atemzug auszurichten, daß Sie mit Ihrer Gewerkschaft in Zukunft nicht mehr für Arbeitnehmer zuständig sein werden. Haben Sie auch diesen Mut!

Meine Damen und Herren! Das Begutachtungsverfahren wurde ausgeschaltet. Die Regierungsparteien haben sich vor den Einsprüchen der Betroffenen gefürchtet und deshalb die Novellen in Form eines Initiativantrages eingebracht. Das Begutachtungsverfahren wurde bewußt umgangen. Man kann nur sagen: Gratulation, Herr Verzetnitsch von der SPÖ! Gratulation, Herr Maderthaner von der ÖVP! Wir wissen jetzt, was Ihnen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich wert sind! Wir wissen jetzt auch, was Ihnen, meine Damen und Herren von der ÖVP, Kirchen und Religionen wert sind! (Bundesrat Bieringer: Wir haben darauf gewartet, daß die FPÖ mit der Kirche Politik macht!) Herr Kollege Bieringer! Die Bedeutung, die die fleißigen Arbeitnehmer für Sie haben, dokumentieren Sie mit diesem Schritt!

Meine Damen und Herren! Die freiheitliche Fraktion wird sich nicht für diesen Schritt hergeben. Ich komme auf das Anfangszitat zurück. Wenn man den Verlauf dieser Gesetzwerdung kennt und den Inhalt dieser Novellen liest, dann kann man nur mit Goethe schließen: "Ein politisch’ Lied, ein garstig’ Lied" dieser Regierung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Aloisia Fischer. Ich erteile es ihr.

12.58

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Eine Befragung hat ergeben, daß für unsere Menschen in Österreich das Wohlergehen der Familie an erster Stelle steht. Aber schon


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an zweiter Stelle steht die Sicherheit der Arbeitsplätze. Die psychologische Arbeitslosenforschung hat herausgefunden, daß Arbeitslosigkeit die Betroffenen in ihrer gesamten Lebenssituation stark beeinträchtigt. Das Gefühl der eigenen Wichtigkeit wird ihnen verwehrt. Die zeitliche Struktur, die durch die Berufstätigkeit vorhanden ist, fehlt ihnen. Insbesonders für junge Erwachsene sind wichtige Lebensziele in Frage gestellt und die Zukunft ist nicht planbar.

Das Arbeitszeitgesetz enthält schon jetzt zahlreiche Möglichkeiten, die Arbeitszeit flexibel zu gestalten. Heute soll ein Ausbau einer dieser Gestaltungsmöglichkeiten beschlossen werden, einer Möglichkeit, die nicht alle Probleme des Arbeitsmarktes lösen kann, aber für manche Bereiche eine Entspannung bringt: Der Sonntag soll nach wie vor überwiegend der Familie zur Verfügung stehen, zur Erholung und Entspannung dienen oder die Gelegenheit bieten, an Vereins- und örtlichen Festen teilzunehmen. Ich glaube auch, daß trotz der neuen Regelung jeder, der will, die Möglichkeit des Meßbesuches hat. Um einen Klubkollegen zu zitieren: Wenn tatsächlich alle, die sich jetzt um den Sonntagsgottesdienst Sorgen machen, die Kirche besuchen würden, müßten neue Kirchenbauten errichtet oder die bestehenden vergrößert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Viele Menschen arbeiten bereits am Sonntag, und es fällt uns nicht weiter auf. Von allen Sozialberufen und der Gastronomie abgesehen denke ich besonders an unsere Hausfrauen und Mütter, für die wir uns noch nie darüber aufgeregt haben, daß der Sonntag nicht von der Hausarbeit oder vom Kochen freigestellt ist. Ich denke auch an die Beschäftigten in der Landwirtschaft, die in den tierhaltenden Betrieben 365 oder 366 Tage in den Stall gehen und die Tiere versorgen müssen. Weiters denke ich an viele Familienbetriebe des gewerblichen Bereichs, in denen die Betriebsführer sehr wohl auch am Sonntag Arbeiten zu erledigen haben. Die Sonntagsarbeit wird auch in Zukunft grundsätzlich verboten sein. Bei Notwendigkeit soll aber die Möglichkeit bestehen, die Arbeitszeit neu zu gestalten.

Es geht um den Menschen. Es geht um die Familien und ihre Situation, und die Inanspruchnahme dieser neuen Gestaltungsmöglichkeit muß eine Ausnahme bleiben. Neben allen Notwendigkeiten für die Wirtschaft muß der Mensch im Mittelpunkt stehen. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. ) Es wäre aber sehr positiv, wenn wir aufgrund all dieser Diskussionen, all dieser Zweifel, die vorherrschen, die Möglichkeit hätten, daß wir nach einem Zeitraum von einem Jahr einen Bericht bekommen könnten, in dem die Inanspruchnahme dieser neuen Regelung ausgeführt werden könnte.

Zum zweiten Punkt, der in dieser Debatte beraten wird, darf ich feststellen: Die Umbenennung von Karenzurlaubsgeld in Karenzgeld ist positiv, denn diese Zeit ist bestimmt kein Urlaub, sondern mit einer verantwortungsvollen Tätigkeit für das Kind und für unsere Familien ausgefüllt.

Aus der Sicht meiner Berufsgruppe darf ich auf einige Punkte hinweisen. Ich verweise darauf, daß eine Frau vom Karenzgeldanspruch ausgeschlossen ist, wenn der Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes 54 000 S übersteigt. Diese Bestimmung ist mißverständlich, da sie völlig offenläßt, ob der Betrieb auch tatsächlich von der betroffenen Frau bewirtschaftet wird.

Ich möchte auch darauf hinweisen, daß bei einem Betrieb mit einem Einheitswert von 54 000 S kein der Geringfügigkeitsgrenze vergleichbares Einkommen erzielt werden kann. Es ist daher eine Anhebung der Grenze dringend notwendig.

Zur Bestimmung, welche die jährliche Vervielfachung des Karenzgeldes mit dem Anpassungsfaktor vorsieht, darf ich feststellen, daß ich auch als Bundesbäuerin höchst betroffen davon bin, daß weder eine Erhöhung noch eine Dynamisierung für das Wochengeld nach dem Betriebshilfegesetz – trotz vieler Bemühungen unserer Bäuerinnenorganisation, trotz vieler Bemühungen unserer Interessenvertretung – bis jetzt möglich war. Seit 1982 ist dieses Wochengeld unverändert. Das ist nicht mehr zu erklären! Für die Betroffenen sind die Gründe nicht nachvollziehbar. Deshalb verlange ich mit Nachdruck, Gerechtigkeit einkehren zu lassen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)


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Weiters besteht für Karenzgeldbezieherinnen die Möglichkeit, den Anspruchszeitraum von 18 auf 24 Monate zu verlängern, wenn der zweite Ehepartner mindestens drei Monate lang das Karenzgeld in Anspruch nimmt. Diese Regelung, welche durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 eingeführt wurde, betrifft auch den Bezugszeitraum von Teilzeitbeihilfe im Betriebshilfegesetz. Dieser wird auf 18 Monate verkürzt.

Allerdings wurde in diesem Bereich keine Verlängerungsmöglichkeit vorgesehen. Das ist ungerecht. Ich weiß, daß dieser Punkt beim Verfassungsgerichtshof anhängig ist, und bin zuversichtlich, daß diesbezüglich Gerechtigkeit gesprochen wird.

Unser Sozialsystem braucht den internationalen Vergleich nicht zu scheuen. Soziale Gesetze sind Gesetze, die den Menschen in den verschiedenen Lebenslagen und Situationen helfen und unterstützen sollen. Diese gehören daher ständig angepaßt, um auf die notwendigen Veränderungen reagieren zu können. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

13.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster ist Herr Bundesrat Horst Freiberger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

13.05

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Mit den heute zu beschließenden Gesetzesänderungen wird es in Österreich flexiblere Arbeitszeiten als bisher geben – aber nur dann, wenn vorher die Gewerkschaft und die Unternehmer per Kollektivvertrag Spielregeln festlegen.

Aufgrund der jüngsten Einigung der Sozialpartner über die künftige Arbeitszeitgestaltung ist die Flexibilisierung der Arbeitszeit an den Abschluß von Kollektivverträgen und damit an die Zustimmung der Gewerkschaft gebunden. Die von der Wirtschaft geforderte Verlagerung der Arbeitszeitflexibilisierung auf die Betriebsebene, also ohne Kollektivvertragsregelung, wurde damit abgewendet. Mit den neuen Regelungen ist es den Gewerkschaften gemeinsam mit den Betriebsräten also möglich, bei Kollektivvertragsverhandlungen die Interessen der Arbeitnehmer zu wahren und beispielsweise Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitszeitverkürzung oder attraktive Freizeitausgleichsregelungen im Gegenzug zur erweiterten Arbeitszeitflexibilisierung einzufordern. Somit sind flexible Arbeitszeiten keine Einbahnstraße zu Lasten der Arbeitnehmer, da auch die Lohnpolitik und die Festlegung von Überstundenzuschlägen und Mehrarbeitszuschlägen ausschließlich Sache der Kollektivvertragspartner bleiben.

Hohes Haus! Mit dieser Einigung haben die Sozialpartner abermals eine starke Problemlösungskompetenz unter Beweis gestellt und ein hohes Maß an Verantwortung gegenüber Arbeitnehmern und der Wirtschaft an den Tag gelegt. Unverständlich erscheint mir die sehr populistisch angelegte Aufregung bei der FPÖ und auch bei dir, lieber Herr Kollege Weilharter. (Bundesrat Eisl: Er gehört auch zur FPÖ, daß das kein Mißverständnis ist!) Ja, deshalb habe ich es jetzt auch gesagt. (Bundesrat Weilharter: Zitieren Sie Kollegin Reitsamer von gestern bei Ihrem Parteitag!)

Meine Damen und Herren! Ich zitiere jetzt aus dem dritten Kapitel des Leitantrages vom 10. November 1996 – das ist noch gar nicht so lange her –, gestellt am Bundesparteitag der FPÖ in Feldkirch. Ich gehe einmal davon aus, daß dieser so beschlossen wurde. Unter "Punkt 3: Flexibilisierung der Arbeitszeit" ist zu lesen:

"Die derzeitigen arbeitsrechtlichen Regelungen behindern vielfach die Gestaltung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeziehung, die im beiderseitigen Interesse liegt. Manche Regelungen, die seinerzeit als Schutzbestimmung gedacht waren, führen in einer sich ständig ändernden Arbeitswelt zu Diskriminierung und Behinderung, zum Beispiel starre Arbeitszeitregelung, und beeinträchtigen auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit.

Es sind daher Maßnahmen zu setzen, die eine weitgehende Flexibilität der Arbeitszeitregelungen ermöglichen. Insbesondere sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen vom Gesetzge


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ber abzuklären, entsprechende Teilregelung auf kollektivvertraglicher beziehungsweise auf betrieblicher Ebene zu treffen." – Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Wenn Sie sich nun als Schutzengel der Arbeitnehmer aufspielen (Bundesrat Waldhäusl: Wir sind es! – Bundesrat Weilharter: Wir sind es!), dann werden Sie durch ihre eigenen Beschlüsse schnell hinter das Licht geführt. Ihre Regelung würde die Arbeitnehmer wesentlich weniger schützen, da Sie weitgehende Flexibilität der Arbeitszeit und eine Vereinbarung auf betrieblicher Ebene verlangen. Bei den heute zu beschließenden Vorlagen ist jedoch der Schutz der Arbeitnehmer durch die zwingende Mitwirkung der Gewerkschaft gewährleistet. Ähnlich verhält es sich bei der Sonntagsarbeit.

Die Neuregelung stellt weder ein Abgehen vom Grundsatz des arbeitsfreien Sonn- und Feiertages dar, noch werden die Arbeitnehmerpositionen bei der ausnahmsweisen Zulassung geschwächt. Durch die Einbindung des Kollektivvertrages ist eine bessere, an der Praxis und den Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten orientierte Prüfung solcher Ausnahmen möglich. Richtig ist allerdings, daß die Erhaltung oder Schaffung von Arbeitsplätzen sowie die wirtschaftliche Situation ebenfalls Kriterien für die Zulassung sein können, allerdings nur wiederum über den Weg des Kollektivvertrages.

Meine Damen und Herren! Die Situation auf dem Arbeitsmarkt sollte jedoch Anlaß genug sein, auch umstrittenere Themen wieder verstärkt in die öffentliche Diskussion einzubringen. Beispielsweise ist es höchst an der Zeit, über intelligente Modelle zu einer weiteren Arbeitszeitverkürzung nachzudenken. Wenn keine stärkere Beschäftigung zu erwarten ist – eher das Gegenteil wird der Fall sein –, dann kann die Antwort nur lauten: Die vorhandene Arbeit muß gerechter verteilt werden. – Und das geht nur über eine Arbeitszeitverkürzung.

Nur so kann verhindert werden, daß ein immer größerer Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung die radikalste Form der Arbeitszeitverkürzung erleidet, nämlich die Arbeitszeit null.

Genauso wenig wird es möglich sein, über Lohndumping mit Billigländern konkurrieren zu wollen. Das kann nur danebengehen, denn sinkende Einkommen sind auch volkswirtschaftlich unsinnig. Der private Konsum ist nämlich noch immer die verläßlichste Stütze der Konjunktur.

Meine Damen und Herren! Neben der notwendigen Verteilung der vorhandenen Arbeit müssen jedoch auch zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, um Beschäftigung zu schaffen. Ein Ansatzpunkt wäre die sogenannte nicht marktfähige Arbeit.

Es gibt eine Reihe von durchaus qualifizierten Tätigkeiten, die sich nach den Gesetzen der Marktwirtschaft nicht rechnen, zum Beispiel im sozialen, im kulturellen oder im ökologischen Bereich. Hier gäbe es noch zahlreiche Betätigungsfelder, die sich eine reiche Gesellschaft durchaus leisten sollte.

Ebenso unverzichtbar sind Investitionen vor allem in die Infrastruktur, die sich beschäftigungspolitisch gleich in zweifacher Hinsicht bezahlt machen. Erstens schafft die Umsetzung von Infrastrukturprojekten direkt Arbeitsplätze, zweitens erhöhen sie die Standortqualität, und auch das hat wichtige Auswirkungen auf die Beschäftigungssicherung.

In diesem Zusammenhang noch ein Wort zum Semmering-Basistunnel. Das Projekt muß endlich in Angriff genommen werden – ungeachtet der Querschüsse aus der niederösterreichischen ÖVP und anderen, und unabhängig davon, ob eine private Finanzierung zustande kommt oder nicht! (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Die SPÖ ist dafür, ganz eindeutig!

Meine Damen und Herren! Beschäftigungspolitik kann natürlich nicht nur auf nationaler, sondern muß auch auf europäischer Ebene betrieben werden. Hier habe ich den Eindruck, daß sich absolut nichts bewegt. Obwohl in Deutschland Rekordarbeitslosigkeit herrscht, obwohl fast 19 Millionen Arbeitslose in der Europäischen Union eigentlich die Alarmglocken "schrillen" lassen müßten, hat es bisher bestenfalls Lippenbekenntnisse gegeben.


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Die europäische Gewerkschaftsbewegung hat von Anfang an eingemahnt, die Kriterien für die Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion nicht ausschließlich an monetären Bedingungen festzumachen. Wir verlangen, daß vor allem auch die Arbeitslosenrate als Kriterium herangezogen wird.

Es ist auch nicht einzusehen, daß nach den derzeitigen Plänen für den Stabilitätspakt nach dem Beginn der Währungsunion zwar Sanktionen gegen Staaten vorgesehen sind, die ein übermäßiges Defizit produzieren, die Beschäftigung aber überhaupt keine Rolle spielen soll. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wären gut beraten, endlich umzudenken. Die Beschäftigungspolitik muß endlich in den Mittelpunkt aller Überlegungen gestellt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesrat Eisl: Herr Kollege! Wer ist da säumig? Wer ist da säumig, wenn Sie das kritisieren?) – Sicher nicht die österreichische Bundesregierung, denn diese fordert das in Europa dauernd ein. Die europäischen Regierungen werden umdenken müssen. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. )

Für die Gewerkschaft ist das natürlich kein Thema. Wir fordern das ständig ein, in den europäischen Staaten entscheiden andere. (Bundesrat Dr. Königshofer: Fordern! Unterstützen Sie einmal die Arbeiter! – Bundesrat Drochter: Das sind "richtige Arbeitervertreter"! Ein Prototyp!) – Ja, das habe ich mir jetzt schon beinahe gedacht.

Die vorliegenden Gesetzesnovellen werden die Arbeitslosigkeit nicht wirksam bekämpfen können, sie sind jedoch ein Beitrag unter vielen notwendigen Maßnahmen. Meine Fraktion wird diesen Gesetzesänderungen daher gerne ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.15

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Eleonora Hostasch. Ich erteile es ihr.

13.15

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir einige grundsätzliche Bemerkungen zu den gegenständlichen Gesetzesinitiativen, zum ersten zum Arbeitszeitgesetz und zum Arbeitsruhegesetz, die zur Debatte stehen.

Diese Gesetzesvorlage verfolgt den Grundsatz, daß flexible Arbeitszeitmodelle nur dann zugelassen werden, wenn sie mit den Prinzipien des Arbeitnehmerschutzes in Einklang gebracht sind und auch den berechtigten Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und damit auch dem Rechnung tragen, was sehr oft von Arbeitnehmerseite eingefordert wird, nämlich mehr Zeitautonomie bei der eigentlichen Festlegung der Freizeit und Arbeitszeit zu haben, mehr Zeitsouveränität zu haben, auch die Chance zu haben, Zeitguthaben anzusparen, um sie für private, für Freizeit- und auch Bildungskarenzen in Anspruch zu nehmen.

Ich glaube daher, daß mit diesem Gesetz erreicht wird, daß wichtige wirtschaftliche Vorteile, auch Anpassungen an notwendige Wettbewerbskriterien, mit Vorteilen für Arbeitnehmer verbunden werden.

Ich betrachte es als unverzichtbar, daß wir zu dieser Initiative gekommen sind, die mit sich bringt, daß diese Flexibilität in erster Linie durch die Zulassung durch Kollektivverträge wahrgenommen wird. Sie werden sich erinnern, daß es eine sehr lange Debatte im Vorfeld dieses Initiativantrages darüber gegeben hat, inwieweit diese Zulassung insgesamt möglich gemacht werden soll, und ich bin sehr froh, daß der Gesetzesvortrag in dieser Form im Nationalrat die Zustimmung bekommen hat.

Geschätzter Herr Bundesrat Weilharter! Ich möchte darauf Bezug nehmen, was Sie zur Frage Betriebsvereinbarung gesagt haben. Nur dann, wenn kein Kollektivvertrag abgeschlossen werden kann, das heißt dann, wenn auf der Arbeitgeberseite kein Partner ist, der für den Abschluß eines Kollektivvertrages zur Verfügung steht, oder – das ist die zweite Möglichkeit –


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wenn der Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung die Legitimation für eine Flexibilisierung auf der betrieblichen Ebene zuerkennt, ist die Zulassung der Betriebsvereinbarung möglich.

Ich glaube, diese Drei-Stufen-Rechtsfolge ist ganz wichtig. Zum einen wäre es nicht vertretbar gewesen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Betriebe, in denen es keinen Kollektivvertragspartner auf der Arbeitgeberseite gibt, von der Möglichkeit einer flexibleren Gestaltung der Arbeitszeit auszunehmen, und auf der anderen Seite war es für Branchen wichtig, durch den Branchenkollektivvertrag generelle Normen zu finden, wie Flexibilisierung ausgestaltet werden kann, aber auch den autonomen Kollektivvertragspartnern die Möglichkeit zu geben, individuelle Lösungen durch Betriebsvereinbarung unter begleitender Kontrolle zuzulassen.

Ich glaube, das entspricht einer modernen Wirtschaft, die versucht, beide Interessenlagen in das Gemeinsame einzubringen. Ich glaube, daß es auch ganz wichtig ist, daß in diesem Gesetzestext verankert ist, daß, wenn eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird, weil eben in Anbetracht des Fehlens eines Partners keine Kollektivvertragsmöglichkeit gegeben ist, diese Betriebsvereinbarung der Gewerkschaft, der freiwilligen Interessenvertretung der Arbeitnehmerseite übermittelt werden muß.

Damit haben die Gewerkschaften die Chance, am Puls zu bleiben, genau zu beobachten, in welcher Form sich auf der Betriebsvereinbarungsebene Flexibilisierungsmodelle entwickeln und falls sie die Notwendigkeit erkennen, aktiv zu werden, tatsächlich gesetzliche Initiativen oder Kollektivvertragsinitiativen zu sehen oder unmittelbare Verhandlungen mit dem jeweiligen Unternehmen aufzunehmen und, sollten diesbezüglich unerwünschte Tendenzen feststellbar sein, dementsprechend einzuschreiten.

Ich glaube, daß wir auch in unserem Rechtssystem jene Flexibilität brauchen, daß sie Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen entsprechen kann – auch unter Wahrung einer Ordnung und einer Orientierung, die für alle Beteiligten notwendig ist.

Herr Bundesrat! Ich möchte auch etwas zur Frage des Schlichtungsverfahren sagen. Dieses Schlichtungsverfahren ist nicht Gegenstand einer gesetzlichen Festlegung, sondern die Kollektivvertragspartner haben für sich selbst die Regeln definiert. Wir wissen, daß, wenn Partner versuchen, miteinander zu einem Ergebnis zu kommen, das das einzig Richtige ist, wenn Sie mir diese Beurteilung erlauben. In einer autonomen Verhandlungsführung, die die Kollektivvertragspartnerschaft mit sich bringt, ist es auch logisch, daß diese für sich die Regeln für eine Schlichtung definiert, und daß nicht der Gesetzgeber vorschreibt, welches Ergebnis zustande kommen soll. Wenn der Gesetzgeber dies wünscht, dann muß das Gesetz von sich aus so formuliert sein, aber ein Hineinregieren in eine Verhandlung zwischen Partnern würde ich als nicht richtig empfinden. Ich glaube, daß es daher einerseits wichtig ist, daß sich die Kollektivvertragspartner zu diesem gegenseitig verbindlichen Schlichtungsverfahren bekennen, ohne daß aber der Gesetzgeber Formulierungen, sei es in Ausschußbemerkungen oder sei es auch direkt im Gesetzestext, vornimmt.

Erlauben Sie mir, sehr geschätzte Damen und Herren, noch zu sagen, daß ich glaube, daß es in der Frage der Sonntagsarbeit angebracht ist, etwas klarzustellen: Wenn das Arbeitsruhegesetz angesprochen wird, das eben die Ausnahmen vom Sonntagsarbeitsverbot in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen regelt, dann glaube ich, daß in keiner Weise daraus interpretiert werden kann, daß der Sonntag nicht nach wie vor ein besonderer Tag in der Woche ist und daß Sonntag nicht nach wie vor ein Tag ist, der spezifisch für Freizeitbedürfnisse, für die Zusammengehörigkeit in der Familie, für das Treffen mit Freunden, für gesellschaftliche, für kulturelle und auch für konfessionelle Aktivitäten hier im besonderen zur Verfügung steht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube aber, daß Ehrlichkeit auch gefordert ist und daß man hier erkennen muß, daß eine Gesellschaft auch mit Ausnahmen zu leben hat und diese Ausnahmen notwendig sind, damit das gesamte Wirtschafts- und Gesellschaftsgefüge überhaupt funktioniert. Ich betrachte es daher auch als sinnvoll, daß eine ergänzende Bestimmung aufgenommen wurde, mit der unter ganz bestimmten Rahmenbedingungen eben dann, wenn wirtschaftliche und auch Beschäfti


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gungsinteressen aufeinandertreffen, für ganz bestimmte Arbeitssituationen, für ganz bestimmte Gruppen von Betroffenen auch die Kollektivvertragspartner eine Ausnahme machen können.

Der Vorteil, den ich für die Arbeitnehmerseite sehe, ist der – bisher ist die Verordnungsermächtigung ausschließlich beim Landeshauptmann oder bei dem Bundesministerium gelegen, es hat keine Möglichkeit der Ausgestaltung sozialrechtlicher, sozialpolitischer Maßnahmen gegeben, weil es vom Gesetz her im Einzelfall nicht vorgeschrieben werden kann –, daß die Kollektivvertragspartner, auch angesprochen die Arbeitnehmerseite, die Möglichkeit haben, zu sagen, unter welchen Voraussetzungen für die Arbeitnehmer eine Ausnahme vom Sonntagsarbeitsverbot gegeben ist.

Ich denke daher, sehr geschätzte Damen und Herren, daß wir mit dieser Regelung in unseren Arbeitszeitgesetzen Vorteile für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und insgesamt somit auch für den Standort Österreich, also für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Österreich liefern können. Ich hoffe, daß die Partner, die in der Wirtschaft gefordert sind, zu jenen Lösungen kommen werden, die uns weiterbringen, die auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jene Vorteile mit sich bringen werden, die wir davon erwarten. Ich bin trotz allem, da natürlich Verhandlungen immer ein Sich-Zusammenraufen bedeuten, doch zuversichtlich, daß auch in bezug auf die derzeit abgebrochenen Verhandlungen in einer großen Branche es letztlich zu einem vernünftigen Ergebnis für beide Teile kommen wird.

Erlauben Sie mir, sehr geschätzte Frau Bundesrätin Fischer, nur noch eine Erklärung auch zum § 2 Abs. 2 des Karenzgeldgesetzes – ich freue mich, daß Sie die gleiche Meinung haben, daß wir gut beraten gewesen sind, vom Karenzgeldgesetz zu reden und das Karenzurlaubsgeld praktisch aus unserem Sprachschatz zu verbannen –: Es ist also im § 2 Abs. 2 vorgesehen, daß bei selbständiger Erwerbstätigkeit der Ausschluß des Bezuges gegeben ist, wenn der Einheitswert 54 000 S übersteigt. Bei jedem Gesetz, das wir beschließen, ist es doch wichtig, eine Gleichwertigkeit unter den Betroffenen zu erzielen, das heißt also, daß die Auswirkungen für unselbständig Erwerbstätige und auch für Selbständige gleichwertig verteilt sind. Wenn man diesen Einheitswert von 54 000 S auf die Situation von unselbständig Erwerbstätigen umlegt, so ergibt dies 4 500 S pro Monat. Wenn man diese 4 500 S in Relation zu den 3 741 S der unselbständig Erwerbstätigen setzt, die kein Karenzgeld bekommen, wenn dieser Wert überstiegen wird, dann stellt man fest, die Situation bei den Selbständigen ist etwas günstiger als jene bei den unselbständig Erwerbstätigen.

Ich wollte das noch zur Erklärung im Zusammenhang mit dem Karenzgeldgesetz sagen und ich hoffe, daß der geschätzte Bundesrat auch den Vorstellungen des Nationalrates folgen und diesen Gesetzesvorlagen seine Zustimmung geben wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.26

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile es ihm.

13.26

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Die Frage der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Es geht dabei – Frau Ministerin, das ist unbestritten, auch von unserer Seite – primär um die Erhaltung von Arbeitsplätzen, um die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Aber es muß auch um eine faire, gesellschaftspolitisch anerkennbare Lösung dieses Themas gehen. Man fragt sich nämlich, warum, wenn schon heute etwa die Hälfte der österreichischen Arbeitnehmer durch zahlreiche Ausnahmeregelungen außerhalb der geltenden Arbeitszeit tätig ist, wir das Arbeitszeit und Arbeitsruhegesetz überhaupt ändern müssen. Mit der neuen Regelung besteht nämlich generell die Möglichkeit, nun in einem achtwöchigen Durchrechnungszeitraum 50 Wochenstunden, bei einem längeren Durchrechnungszeitraum 48 Stunden zu arbeiten. Mein Kollege Engelbert Weilharter ist schon im Detail darauf eingegangen.


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Die Flexibilisierung der Arbeitszeit, meine Damen und Herren, ist ein unbestrittenes Ziel, und deshalb, Herr Kollege Freiberger, haben wir Freiheitlichen das in Feldkirch auch beschlossen. Nur kann die Flexibilisierung der Arbeitszeit nicht ausschließlich zu Lasten der Arbeitnehmer gehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn Sie werden nicht bestreiten können, daß es dabei zu einem Rückgang der bezahlten Überstunden und damit auch zu Einkommensverlusten kommen wird. Wir Freiheitlichen sagen deshalb: Lohnkürzungen schaffen keine Arbeitsplätze. Wenn es zur Flexibilisierung der Arbeitszeit kommt, was wir nicht grundsätzlich ablehnen, wollen wir, daß die Arbeitnehmer durch eine Lohnsteuersenkung entlastet werden. Ein Erhalten der Kaufkraft und ein Sichern des bescheidenen Wohlstandes in den weitesten Kreisen unserer Bevölkerung – das muß das politische Ziel sein und nicht das undifferenzierte Abarbeiten sozialistischer Schuldenberge. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Bundesrätin Schicker. )

Meine Damen und Herren im besonderen von der SPÖ! Diese Bundesregierung (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel ) – wissen Sie, wir sind schon gebrannte Kinder – ist im Erfinden von Belastungen und Unsinnigkeiten anscheinend nicht zu bremsen. Ich erinnere Sie nur an das Belastungspaket, das vom damaligen Finanzminister und heutigen Bundeskanzler Klima geschnürt worden ist und das in weiten Teilen zu Lasten der ärmeren Teile unserer Bevölkerung gegangen ist. Ich erinnere Sie an das Werkvertragschaos, ich erinnere Sie an die Autobahnpickerlmisere und an die Dummheit, diese 50 S Krankenscheingebühr einzuführen. Frau Ministerin! Sie haben in diesem Bereich noch viel zu tun. – Und all das, um das ehrgeizige Ziel, die Einführung des Euro im Jahre 1999, koste es, was es wolle, durchdrücken zu können.

Wir Freiheitlichen, meine Damen und Herren, sind nicht gegen die europäische Einheitswährung. Wir sagen nur, sie kann nicht am Beginn einer Wirtschafts- und Währungsunion stehen, sondern muß deren Erfüllung sein. Erst wenn sich die Volkswirtschaften harmonisiert haben, macht eine Einheitswährung überhaupt Sinn und ist auch praxisnahe umzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Wollen Sie bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten?) – Nein.

Sie aber, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, wollen diesen Termin rücksichtslos einhalten, und Sie schlagen die freiheitlichen Argumente in den Wind, wie Sie es auch schon vor der Volksabstimmung des 12. Juni 1994 über den Beitritt zur Europäischen Union getan haben.

Die Hausaufgaben, die wir damals von Ihnen eingefordert hatten, mußten Sie dann in einem für die ganze Bevölkerung schmerzhaften Prozeß nachholen. Ihr ehemaliger Innenminister und Genosse Franz Löschnak sieht das schon richtig, als er in einer Wochenzeitung gesagt hatte, daß es der größte Fehler der Regierung Vranitzky war, bei wichtigen Dingen nicht auch auf die Freiheitlichen gehört zu haben. Auch zu diesen, heute zu beschließenden Gesetzen sagen wir Ihnen: Wir sind bereit, für flexible Arbeitszeiten einzutreten, wenn Sie bereit sind, gleichzeitig eine spürbare Lohnsteueranpassung für die unteren und mittleren Einkommen nach unten zu machen.

Parallel zum geplanten Einkommensverlust wollten Sie auch noch die Sonntagsruhe so klammheimlich beseitigen. Als die Arbeitnehmer in diesem Lande das erkannt und begonnen haben, dagegen zu protestieren – von seiten des ÖAAB, von seiten der Kirchen, auch aus Teilen der Gewerkschaft –, da haben es Ihre Freunde im Nationalrat mit der Angst zu tun bekommen, und sie haben sich veranlaßt gesehen, zu einer brillanten parlamentarischen Lösung zu greifen – die Frau Ministerin hat es schon erwähnt –: Ihre Genossen haben einen Initiativantrag zum Arbeitsruhegesetz mit dem Inhalt eingebracht, dieses Gesetzes gar nicht anwenden zu wollen. – Das ist also wirklich ein Höhepunkt der legislativen Kunst, meine Damen und Herren der Regierungsparteien! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen halten zusammenfassend fest, daß es prinzipiell darum gehen muß, die Sonntagsruhe als kulturellen, familiären und menschlichen Wert unserer Kultur zu erhalten und eine Arbeitszeitflexibilisierung für uns nur in Frage kommt, wenn sie nicht ausschließlich zu Lasten der Arbeitnehmer erfolgt. Wir fordern deshalb eine Lohnsteuersenkung.


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Meine Damen und Herren! Ich darf deshalb im Namen der Freiheitlichen Fraktion folgenden Antrag auf Einspruch des Bundesrates stellen:

Antrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden, wird gemäß Artikel 42 B-VG Einspruch erhoben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.32

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der soeben von Herrn Bundesrat Dr. Bösch eingebrachte Antrag ist ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile ihm das Wort.

13.32

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Hohes Haus! Es seien mir zwei Vorbemerkungen gestattet, die eine hin zu Herrn Bundesrat Freiberger, der meint, die niederösterreichische ÖVP schieße in der Frage des Semmeringtunnels quer. Wir schießen nicht quer. Das tut diese Niederösterreichische ÖVP nicht, sie weiß nur besser, was die Menschen im Land brauchen. (Bundesrat Meier: In der Steiermark!) Das weiß anscheinend auch der Wiener Bürgermeister Häupl etwas besser als Herr Bundesrat Freiberger. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Bei der Schneeschmelze gibt es meist ein bißchen Hochwasser.

Zu Herrn Bundesrat Bösch möchte ich auch eine Bemerkung machen. Ich meine, so flexibel, wie sich die Freiheitliche Partei immer zeigt, wenn es speziell um Fragen, die ganz Österreich bewegen, geht, so wollen und werden die österreichischen Arbeitnehmer nie sein. Denn wenn ich an den EU-Beitritt denke, so kann ich sagen, bei einem absoluten Ja, bei einem eingeforderten Ja haben Sie von einem Versäumnis der Regierungsparteien bis zur strikten Ablehnung gesprochen. – Diese Flexibilität wollen wir eigentlich gar nicht, jedenfalls nicht als Arbeitnehmer. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Eisl: Der Applaus hat diese Wortmeldung "bestätigt"!)

Nun zum heute anstehenden Gesetz: Man wäre fast versucht, aus der österreichischen Bundeshymne zu zitieren, wenn man an die Vorgänge rund um das Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz denkt. Ich meine die Stelle "heißumfehdet, wildumstritten", denn so liegt der Entwurf und das im Nationalrat beschlossene Gesetz nunmehr bei uns im Bundesrat.

Im Jahr 1996 waren sich die Regierungsparteien eigentlich sehr nahe, und es hatte vor einem halben Jahr den Anschein, als könnte man das Arbeitszeitgesetz noch mit 1. Jänner 1997 in Kraft setzen. Doch es ist alles ganz anders gekommen. Das gemeinsame Ziel wurde etwas aus den Augen verloren, denn es geht immerhin darum, falls die einschlägigen Zeitungsberichte halbwegs entsprechen, daß 50 Prozent der österreichischen Arbeitnehmer Regelungen außerhalb der bisher geltenden Arbeitszeitregelungen hatten, und das gilt es doch zu legalisieren.

Immer wieder dann – ich sage das mit einer gewissen Genugtuung –, wenn die politischen Parteien am Ende ihres Lateins sind, ruft man nach den Sozialpartnern, und ich sage es vorweg, diese waren erfolgreich. Ich möchte dazu feststellen, die Sozialpartner in Österreich und die Sozialpartnerschaft werden recht häufig kritisiert. Doch wenn es darauf ankommt, tatsächlich für sozialen Frieden in Österreich zu sorgen, dann wissen die Sozialpartner noch immer, wie man miteinander umgeht. Ich glaube, daß die Interessenvertretungen auf beiden Seiten, einerseits in der Wirtschaft, andererseits im Bereich der Arbeitnehmer, wissen, daß Verhandlungen am grünen Tisch noch allemal besser sind als Aufmärsche und ähnliches auf Straßen. (Bundesrat Weilharter: Aber sie wissen auch, wie man ein Begutachtungsverfahren umdreht!)


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Herr Kollege! Wir alle wissen, der Wettbewerb ist härter geworden, sodaß es schlußendlich auch darum geht, daß der Standort Österreich abgesichert wird, daß Arbeitsplätze gehalten werden, daß neue geschaffen werden und daß Überlegungen angestellt werden mußten, um auch das Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz den geänderten Verhältnissen anzupassen.

Die Novelle, die nun vorliegt, mußte natürlich im Bereich der Arbeitnehmer wie auch in der Wirtschaft diskutiert werden. Es entsteht aber jetzt für alle Beteiligten wieder wesentlich mehr Rechtssicherheit. Ich sage es noch einmal: Betriebsstandorte werden gesichert und die Konkurrenzfähigkeit erhöht. Sie wollen es nicht gerne hören, aber es ist tatsächlich so. Mit dem Gesetz wird der Rahmen des Höchstmöglichen an Flexibilität bestimmt, in der Praxis wird es die Aufgabe der gesetzlichen, der freiwilligen Interessenvertretungen, wenn Sie so wollen, der KV-Partner sein, eben über die Kollektivverträge konkrete Regelungen auszuverhandeln.

Als Arbeitnehmer weiß ich, daß die Arbeitnehmer in Fragen der Arbeitszeitgestaltung, der Arbeitszeiteinteilung, ja selbst auch der Urlaubseinteilung und ähnlichen mehr auf dem etwas schwächeren Ast sitzen. So darf die Flexibilisierung, die jetzt zustande kommt, zu keiner Verschlechterung der Gesamtsituation führen. Flexibilisierung darf keine Einbahnstraße sein, sie muß bringen und bringt dem Beschäftigten auch Vorteile. Ich nenne ein kleines Beispiel dazwischen, weil einer Ihrer Vorredner, ich glaube es war Ihr Kollege Bösch, gemeint hat, es habe nur Nachteile. Das stimmt doch nicht! Wir bringen jetzt eine Regelung zustande, die es erlaubt, die Normalarbeitszeit einer Woche auf vier Tage zu verteilen, und man hat einen zusätzlichen freien Tag. Denken Sie doch an einen Pendler, der dann nur vier Tage arbeitet und drei Tage bei seiner Familie sein kann, oder an einen Tagespendler, der nur mehr viermal auf der Straße im Stau oder sonstwo steckenbleibt und nicht mehr fünf- oder vielleicht gar sechsmal. Das sind doch Vorteile, die es zu sehen gilt!

Ich glaube, daß bei diesen Verhandlungen über die Gestaltung von Kollektivverträgen die jeweiligen Branchenvertreter sicherlich am besten beurteilen können, was für sie notwendig und auch für die Arbeitnehmer zu verantworten ist.

Dieses Arbeitszeitgesetz bringt für die Zukunft eine praxisgerechtere Arbeitszeitregelung und ist auch ein Schritt vorwärts und ein Modernisierungsschub. Ich sage das noch einmal. Und das braucht der Wirtschaftsstandort Österreich, damit Arbeitsplätze gesichert werden und sicherer werden.

Sicherlich gibt es den Vorwurf – das gebe ich unumstritten zu –, es würde in manchen Bereichen zu einer Verringerung des Einkommens dadurch kommen, daß vielleicht Überstundenzuschläge durch die neuen Regelungen eingespart werden. Das kann man nicht zur Gänze entkräften, das möchte ich auch gar nicht. Wenn aber, rein rechnerisch, bei einer Zahl von rund 300 000 Arbeitslosen, die wir gehabt haben, durch die generelle Abgeltung von Überstunden, durch Zeitausgleich, zirka 30 000 Arbeitsplätze geschaffen werden – das ist eine Verringerung der Anzahl der Arbeitslosen um 10 Prozent, die möglich wäre –, dann ist über diese Dinge jedenfalls nicht nur nachzudenken. Ich glaube, daß mit dem neuen Gesetz ein vernünftiger Ansatz gelungen ist.

Die Medien haben das Ihre getan, um die Situation anzuheizen. Es wurde das neue Gesetz so dargestellt, als würde jetzt generell in jedem Betrieb, in jedem Unternehmen Österreichs ab morgen ein 10-Stunden-Tag und eine 50-Stunden-Woche die Regel sein. Davon, verehrte Damen, geschätzte Herren, kann keine Rede sein. Es wird nicht so sein!

Nochmals: Dieses Gesetz schafft die Rahmenbedingungen, der Regelungsmechanismus bleibt aber nach wie vor der Kollektivvertrag. Erst wenn der blockweise Zeitausgleich durch ganze freie Tage beziehungsweise Wochen im Kollektivvertrag verankert ist, kann von der angesprochenen 10-Stunden-Arbeit pro Tag Gebrauch gemacht werden.

Es gibt auch die Möglichkeit einer täglichen Normalarbeitszeit von zehn Stunden bei einer 4-Tage-Woche, wie ich es schon gesagt habe, bei blockweisem Zeitausgleich. Das bringt auch für Arbeitnehmer Vorteile. Wir haben auch schon bisher diverse Regelungen im Kollektivvertrag im Zuge von Arbeitszeitverkürzungen zur Flexibilisierung festgelegt. Wer sich tatsächlich damit


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beschäftigt, kann feststellen, daß nur Teile von Unternehmen von diesen bisherigen flexibleren Möglichkeiten Gebrauch gemacht haben. Ich meine, es wird in vielen Bereichen auch in Zukunft durch das neue Arbeitszeitgesetz so sein. Man braucht es gar nicht überall.

Ich finde es auch vernünftig, daß bei noch längeren Durchrechnungszeiträumen als acht Wochen die wöchentliche Arbeitszeit mit 48 Stunden und nicht mit 50 begrenzt ist. Selbstverständlich wird es am Anfang auch zu Schwierigkeiten bei den Verhandlungen zwischen den KV-Partnern kommen, das weiß man. Daher ist es auch vernünftig, und es war klug und vorausschauend, daß für die Sozialpartner Richtlinien für das von der Frau Bundesministerin schon angesprochene Vermittlungsverfahren eingerichtet wurden. Damit hat man ein Regelungsinstrument, falls sich die Kollektivvertragspartner nicht einigen können.

Nun zum zweiten Teil, zum Arbeitsruhegesetz, zur Sonn- und Feiertagsruhe: Dazu gab es 1996 einen gleichlautenden Textvorschlag, und ich stelle ganz klar und deutlich fest, der auch durch die Begutachtung gegangen ist, und das war eigentlich überhaupt nicht spektakulär. Da wurde erst eine "Riesensache" daraus, als die unbedachten Äußerungen des SPÖ-Generalsekretärs Rudas über die Medien gekommen sind. Da haben sich dann alle zum Retter des Sonntags aufgespielt, obwohl der Bedarf gar nicht gegeben war.

Es sei allen in das Stammbuch geschrieben: Der Sonntag wird durch diese neue Novelle nicht zu einem normalen Werktag. Man muß aber andererseits auch bedenken – das wurde selten irgendwo diskutiert –, daß rund 10 Prozent österreichische Arbeitnehmer Sonntagsdienst kennen und machen müssen – zum Wohle aller in unserer Gesellschaft.

Beim Dienst für alle denke ich an Sicherheitsorgane, ich denke an den Fremdenverkehr, an die Gastronomie, ich denke an Spitäler und vieles andere mehr. Wenn in einem Betrieb besondere Umstände eintreten und eventuell das ganze Unternehmen gefährdet wird, damit auch die Arbeitsplätze gefährdet werden, wenn also, wie es der Gesetzestext sagt, zur Verhinderung eines wirtschaftlichen Nachteiles sowie zur Sicherung der Beschäftigung die Notwendigkeit besteht, dann ist das eine weitere Ausnahme von der Sonntags- und Feiertagsruhe, aber eben nicht mehr.

Die Frau Bundesministerin hat in ihrer Zwischenantwort darauf hingewiesen, daß es so zu sehen ist, daß damit vielleicht sogar eine Verschärfung der Situation und eine bessere Absicherung der Sonntagsruhe erreicht werden konnte. Die bisherige Regelung des Arbeitsruhegesetzes sah ja vor, daß auf Verordnungsweg Ausnahmeregelungen erfolgen konnten. Im neuen Gesetz – ich habe es schon gesagt – wurden die Bedingungen verschärft, indem nun auch die Zustimmung der KV-Partner eingeholt werden muß. Es ist doch so, daß die Verordnung nur eine große Branche umfaßt, und jetzt geht es auch um einzelne Betriebe, da kann man die Ausnahmen dort, wo etwas gebraucht wird, viel enger "zuschneiden".

Ich selbst gehöre einer Organisation an, die seit Jahren sämtliche Angriffe auf die Sonntagsruhe abgewehrt hat. Jetzt ist es eben gelungen, notwendige Ausnahmen im Gesetz zu regeln und andererseits eine gewisse Verschärfung zu erreichen. Die Ausnahmeregelungen zum Arbeitsruhegesetz stehen eigentlich grundsätzlich nicht zur Diskussion. Die zusätzliche KV-Partner-Zustimmung bedeutet eindeutig eine Verbesserung für die Arbeitnehmer in der Mitsprache.

Das neue Recht bietet also folgende Vorteile: Möglichkeit der Begrenzung einer Ausnahmeregelung auf bestimmte Unternehmen und nicht auf eine ganze Branche; ausgleichende Maßnahmen zugunsten der Arbeitnehmer können nunmehr festgelegt werden und eine noch engere Auslegung als bisher rund um die technologiebedingten Gründe; durch die vorgeschriebene Einbindung der KV-Partner ist eine bessere, an der Praxis und an den Arbeits- und Lebensbedingungen orientierte Prüfung aller Ausnahmen möglich.

Ich bin stolz auf den Entschließungsantrag, der im Nationalrat eingebracht wurde, für dessen Zustandekommen ich Herrn Bundesminister Dr. Fasslabend sehr dankbar bin. Er hat sich tatsächlich die ganze Nacht dafür eingesetzt, daß eine gemeinsame Vorgangsweise bei den Regierungsparteien möglich war. Dieser Entschließungsantrag stellt doch ganz klar, daß der


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arbeitsfreie Sonntag auch künftig ein Grundprinzip der Arbeitszeitgestaltung sein wird. An eine generelle Aufhebung, wie es gerne dargestellt wird, des Verbotes der Sonntagsarbeit ist nicht gedacht. Sonn- und Feiertagsarbeit bleibt wie bisher grundsätzlich verboten, denn sie wird nur dann möglich, wenn sie ausdrücklich zugelassen wird. Der Entschließungsantrag spricht davon, daß die vorgesehenen Ausnahmemöglichkeiten absolut restriktiv gehandhabt werden. Ich identifiziere mich mit der Aussage der Regierungsparteien im Entschließungsantrag des Nationalrates. Wir alle betrachten doch den arbeitsfreien Sonntag als zur Kultur des gesellschaftlichen und familiären Zusammenlebens gehörig. Und so, verehrte Damen, geschätzte Herren, wird es auch bleiben.

Frau Bundesministerin! Ich habe eine Sorge, und die ist, daß Unternehmen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Österreich Aufträge nach erfolgter Ausschreibung, wie es eben Verpflichtung ist, annehmen und sich dann nicht an das Arbeitsruhegesetz halten. Wir wissen bereits, daß Kontrollen und Beanstandungen durch die Arbeitsinspektion im wesentlichen sanktionslos bleiben. Nur mit Deutschland besteht bisher ein Rechtshilfeabkommen, und da müssen wir Maßnahmen setzen. Da sind wir als österreichische Sozialpartner aufgerufen, etwas zu unternehmen, daß es nicht in Österreich zur Arbeitsplatzvernichtung durch unlautere Konkurrenz aus der Europäischen Union kommt, mit denen noch kein Abkommen wie mit Deutschland besteht. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich jedenfalls möchte, daß auch die Christen aus anderen europäischen Mitgliedstaaten Anspruch auf Sonntagsruhe haben. Das ist mir ein besonderes Anliegen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Drochter. – Bitte.

13.49

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen, liebe Kollegen! Kollege Freiberger, Kollege Schaufler und Frau Bundesministerin Hostasch haben sehr ausführlich über das Arbeitsruhegesetz beziehungsweise über das Arbeitszeitgesetz gesprochen. Trotz der umfassenden Aufklärung möchte ich Kollegen Weilharter, der den Platz gewechselt hat, aber auch Kollegen Bösch das Angebot machen, Ihnen kostenlos einen Platz bei einem Kurs einer Gewerkschaft oder des ÖGB oder der von Ihnen so geschätzten Arbeiterkammer anzubieten, in dem über Arbeitszeitfragen, Arbeitszeitgestaltung und Betriebsvereinbarungen referiert und auch gelehrt wird, weil ich annehme, daß die Ausführungen der Frau Bundesministerin sehr umfassend gewesen sind, aber vielleicht doch zu schnell vorgetragen worden sind. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. )

Zu Kollegen Bösch möchte ich nur sagen, daß er hier nichts anderes getan hat, als das Sprücherl seines Parteivorsitzenden Haider im Nationalrat schlecht und außerdem noch unvollständig wiederzugeben. Aber das zeigt, wie ernsthaft sich die freiheitlichen Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat mit Arbeitnehmeranliegen auseinandersetzen. Kollege Weilharter! Sie sind ja die Spitze bei Ihrer Wortmeldung gewesen! Sie zitieren aus Goethes Faust: Ein politisch Lied – ein grausig Lied. – Ich kann Ihnen nur sagen, daß das genau auf Ihren Parteivorsitzenden Haider paßt, wenn er seine Stimme erhebt. (Bundesrätin Riess-Passer: Man muß seine eigenen Witze machen, wenn man lustig sein will!)

Aber ich darf Ihnen noch eines sagen: August 1996 war der Beginn der umfassenden Begutachtung des Arbeitszeitgesetzes, Kollege Weilharter! (Bundesrat Dr. Tremmel: Was ist dabei herausgekommen?) Sie sind in neun Monaten nicht draufgekommen, daß in Österreich ein Arbeitszeitgesetz diskutiert wird. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie sind nicht draufgekommen, daß Bundesminister Hums im Parlament eine Novellierung zum Arbeitszeitgesetz eingebracht hat. All das ist an Ihnen vorbeigegangen. Man merkt, daß Sie nur hier stehen und nur rhetorisch für Arbeitnehmerrechte eintreten, aber in der Praxis überhaupt nicht bereit sind, sich mit dieser Frage ernsthaft auseinanderzusetzen. Das läßt einige Schlüsse zu.


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Wie ernsthaft sich Ihr Parteivorsitzender mit dem Arbeitszeitgesetz und überhaupt mit Arbeitnehmergesetzen auseinandersetzt, darf ich an einem Beispiel erläutern: Ihr Parteivorsitzender Haider hat der SPÖ angeboten, ernsthaft angeboten, das Arbeitszeitgesetz mit der SPÖ zu beschließen, wenn die SPÖ bereit wäre, das Arbeitnehmerschutzgesetz zu vergessen. Das heißt also, die Freiheitliche Partei und auch Ihr Parteivorsitzender sind bereit, die Gesundheit von Hunderttausenden Kolleginnen und Kollegen, von österreichischen ArbeitnehmerInnen aufs Spiel zu setzen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Und hier spielen Sie sich als die richtigen und die einzigen Arbeitnehmervertreter auf!

Ich kann nur sagen: Wir müssen alles dazu beitragen, daß Ihre Wunschgedanken nicht in die Tat umgesetzt werden. Daher glaube ich auch, daß die Kollektivvertragsregelung des Arbeitszeitgesetzes, die nun möglich ist, für die Arbeitnehmer eine größere Sicherheit und mehr Sicherheit bedeutet, als wenn es eine Arbeitszeitregelung ohne Hinweis auf den Kollektivvertrag geben würde.

Eines darf ich Ihnen auch noch sagen, aber dann höre ich mit meinen Informationen schon auf, Kollege Weilharter: Eine Einzelvereinbarung, eine Betriebsvereinbarung kann nie schlechter sein als ein Kollektivvertrag und kann auch nicht schlechter sein als ein Gesetz. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. ) Ich lasse es nicht zu, daß Sie die vielen zigtausenden Personalvertreter und Betriebsräte ins schiefe Licht bringen, denen Sie nicht zutrauen, ihre Belegschaften auf der Betriebsebene ordnungsgemäß zu vertreten. Das machen über 20 000 österreichische Personalvertreter, und das machen über 40 000 gewählte Betriebsräte (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Riess-Passer ), von denen sich eine kleine Zahl zu Ihrer Partei bekennt.

Ich wollte Ihnen nur sagen, daß wir sehr gerne bereit gewesen sind, als Interessenvertretung – als Arbeitgeber und als Arbeitnehmer – eine große Verantwortung bei dem Arbeitszeitgesetz und auch bei dem Arbeitsruhegesetz zu übernehmen (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel ) , weil diese die Möglichkeit bieten, die Arbeitszeit zu flexibilisieren und auch insgesamt den Betriebsstandort Österreich lukrativer und interessanter zu machen. Wir brauchen überwiegend Betriebe und Betriebsstätten mit hohen Technologien, in denen hochqualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Beschäftigung finden. Im Vordergrund – das hat die Frau Bundesministerin sehr deutlich gesagt – stehen die Arbeitsplatzsicherheit, die Arbeitszeitverkürzung und eine attraktive Freizeitregelung.

Wissen Sie, warum? – Weil wir wollen, daß die Kolleginnen und Kollegen auch die Möglichkeit haben, sich in einem aktiven Berufsleben besser zu qualifizieren, und nicht ausschließlich ihren wohlverdienten Gebührenurlaub verwenden müssen. Sie sollen eben durch diese Arbeitszeitregelungen, die jetzt durch das Arbeitszeitgesetz mit dem Hinweis auf Kollektivvertrag möglich sind, auch Freizeitblöcke ansparen können, damit sie sich besser qualifizieren können, damit sie nicht so leicht der Arbeitslosigkeit anheimfallen. Das ist auch ein tieferer Sinn. Aber darauf kann man nicht kommen, wenn man sich nur oberflächlich und nicht einmal genau mit den Überschriften auseinandersetzt, Kollege Bösch und Kollege Weilharter!

Es ist uns auch gelungen, durch diese Flexibilisierung der Arbeitszeit zu verhindern, daß es ausschließlich Vorteile für die Arbeitgeber gibt, sondern daß es auch durch die Durchrechnungsmodelle, die schon sehr umfassend erläutert worden sind, zu Vorteilen für die Arbeitnehmer kommt.

Ich darf jetzt meiner Enttäuschung darüber Ausdruck verleihen, daß die Kollektivvertragsverhandlungen mit der Metallwarenindustrie gescheitert sind. Das zeigt uns, daß dieser eine Fachverband von seiten der Arbeitgeber kein besonderes Interesse an Arbeitszeitflexibilisierung hat. Ich muß sagen, die anderen sechs Fachverbände wären sehr gerne bereit gewesen, einen solchen Kollektivvertrag abzuschließen, aber es ist natürlich nicht möglich, solche Abschlüsse mit einzelnen Verbänden zu tätigen.

Da liegt natürlich schon die Vermutung nahe, daß es eine Reihe – vor allem in der Metallwarenindustrie – von Arbeitszeitmodellen gibt, sogenannte illegale Arbeitszeitmodelle, die mit den


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jetzigen gesetzlichen Regelungen oder kollektivvertraglichen Vereinbarungen nicht in Einklang zu bringen sind. Anscheinend besteht nun die Angst auf der Arbeitgeberseite, daß ungesetzliche Praktiken ans Licht kommen. Aber sie übersehen dabei, daß sie damit die Flexibilisierung der Arbeitszeit in den anderen Verbänden und von insgesamt 250 000 Angestellten und Arbeitern verhindern.

Ich kann nur versichern, daß wir uns die einzelnen Arbeitszeitvereinbarungen sehr genau ansehen werden. Es gibt positive Beispiele und Betriebsvereinbarungen – Kollegen Bösch und Weilharter –, die schon abgeschlossen worden sind, bei denen all das, was Sie vermuten oder in den Raum stellen, nicht eingetreten ist. Ich darf sehr selbstbewußt für die Gewerkschaften und für die Belegschaftsvertreter auf den Kollektivvertrag und auf die Betriebsvereinbarung bei der Firma SCA-Hygieni-Austria, mit dem Standort Ortmann, hinweisen. Da ist es zu einer Arbeitszeitverkürzung gekommen, zu einer De-facto-Arbeitszeitverkürzung, zu einer Einführung der 36-Stunden-Woche und zu einer realen Lohnerhöhung von 3,75 Prozent. Es gibt auch positive Beispiele, auch seitens der Wirtschaft. Und diese beweisen, daß es doch sehr sinnhafte Kooperationen gibt – beiderseitiges Verständnis der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer –, die sicherlich nicht in das politische Konzept von den Freiheitlichen hineinpassen. Das kann ich mir schon sehr gut vorstellen.

Ich möchte aber auch ein Beispiel anführen, das das Arbeitsruhegesetz betrifft. Wir alle waren tief betroffen, daß vor allem die Vertreter der Handelsketten in Kärnten – wo sind die Kärntner FPÖ-Kolleginnen und -Kollegen des Bundesrates? – nicht das Wort erhoben haben, als die Angestellten dagegen protestiert haben, daß sie am Karsamstag arbeiten müssen.

Die Gewerkschaft und die Vertreter der Arbeiterkammern sind gemeinsam mit den Belegschaftsvertretern und den betroffenen Kollegen auf den Plätzen und Straßen gestanden. Jedoch kein Abgeordneter, kein Herr Haider und keine Frau Haider und auch kein Landeshauptmann-Stellvertreter hat in Kärnten das Wort ergriffen. Die einzigen, die das in ihren österlichen Ansprachen erwähnt und die Arbeitnehmer und Belegschaftsvertreter unterstützt haben, waren die Priester und der Bischof in Kärnten. Diese Allianz ist sehr sinnvoll. Ich glaube, wir sollten das Kärntner Beispiel positiv hervorheben und betonen, daß es sehr wohl Ebenen gibt ... (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Riess-Passer. ) Liebe Frau Kollegin! Das gab es schon, bevor Ihr Geschäftsführer und Ihr Bastler an einem neuen Parteiprogramm auf diesen Gedanken gekommen ist. Ich würde Ihnen zum Thema "Sonntagsarbeit" empfehlen: Lesen Sie "Glaube und Politik", herausgegeben von Herrn Bundesrat Schambeck! Wer es noch nicht hat, dem kann ich es gerne zur Verfügung stellen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Gehen Sie am Sonntag auch in die Kirche?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte abschließend sagen: Dieses Arbeitszeitgesetz mit seinen kollektivvertraglichen Regelungen und den Bestimmungen hinsichtlich der Sonn- und Feiertagsruhe ist uns ein sehr ernstes Anliegen. Es ist wichtig, daß die Entscheidung betreffend Sonntagsarbeit von der Betriebs- auf die Branchenebene verlagert wird. Es wird keine ministerielle Verordnung mehr notwendig sein. Die Möglichkeiten dazu werden im Interesse der Arbeitnehmer und im Hinblick auf die Situation der einzelnen Branchen und Regionen im Kollektivvertrag geregelt. Denn es ist sehr wohl entscheidend, ob ein Großbetrieb oder ein hochtechnologischer Betrieb einen Standort auswählt oder in einen Standort weiter investiert, daß gewisse Produktionsvoraussetzungen vorhanden sind.

Wir als Gewerkschafter betrachten die Sonntags- und Feiertagsarbeit weiterhin als grundsätzlich verboten, so wie es im Gesetz steht, und wir werden diese nur ausdrücklich und unter bestimmten Voraussetzungen zulassen, und wir werden die Ausnahmen sehr genau überprüfen. Ich kann hier die Versicherung abgeben, daß wir das sehr restriktiv handhaben werden, denn für den ÖGB und seine Gewerkschaften hat der arbeitsfreie Sonntag schon immer zur Kultur des gesellschaftlichen und des familiären Zusammenlebens gehört. Gerade in Zeiten wie diesen, in welchen es spürbare Trends zur Auflösung der Gesellschaft und zur Ellbogenmentalität gibt, messen wir dem arbeitsfreien Sonntag besondere Bedeutung für unser familiäres, gesellschaftliches und kulturelles Zusammenleben bei.


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Wir werden es nicht zulassen, daß Videotheken oder andere Einrichtungen ... (Ruf bei der ÖVP: Vinotheken?) Vinotheken schon! Wir werden es aber nicht zulassen, daß sonntags in Videotheken unselbständige Kolleginnen und Kollegen beschäftigt werden. Wir sind jedoch gerne bereit, über Fragen etwa im Zusammenhang mit Philips oder dem Call-Center, um Beispiele zu nennen, zu diskutieren.

Abschließend nochmals der Hinweis: Dem Kollektivvertrag kommt somit eine unverzichtbare Schutzfunktion zu, durch die wir auch weiterhin die Möglichkeit haben werden, die Feiertage und den Sonntag überwiegend arbeitsfrei zu gestalten und dieses Recht zu verteidigen. Daher werden die Sozialdemokraten diesen Novellen sehr gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Königshofer. – Bitte.

14.05

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Im Rahmen dieser Debatte möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, einmal auf die Grundproblematik im Bereich Arbeit und Beschäftigung hinzuweisen. Sie reden jetzt von einem Arbeitsgesetz in Österreich, laut welchem es erlaubt ist, teilweise am Sonntag geöffnet zu halten. Ich sage Ihnen: Das ist nur eine Etappe auf einem gewissen Weg.

Ich glaube, Sie müssen sich einmal die Grundproblematik anschauen. Blicken wir zurück auf den Zeitraum vor der EU-Abstimmung, vor den 12. Juni 1994, und erinnern wir uns, was Sie von den Regierungsparteien damals den österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern versprochen haben. Sie haben gesagt: Die österreichischen und auch mitteleuropäischen Sozialstandards werden nicht angetastet werden. Es sei jedem einzelnen Mitgliedsstaat unbenommen, auch höhere und bessere Sozialstandards zu haben. – Wir haben damals schon darauf hingewiesen, daß es sich dabei um eine Illusion im Soge der EU-Entwicklung handeln könnte. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Ihnen damals geglaubt. Sie haben daran geglaubt, daß die EU eine Schutzgemeinschaft für die europäischen Sozialstandards bilden wird. In dieser Überzeugung haben die Arbeitnehmer zum Großteil ja zur EU gesagt, und damit haben Sie das Ergebnis von 66 Prozent erreicht.

Jetzt, über zwei Jahre nach dem Beitritt zur EU, schauen die Dinge ganz anders aus! Nun ist keine Rede mehr davon, daß die EU eine Schutzgemeinschaft für unsere Sozialstandards ist. Ganz im Gegenteil: Jetzt werden die Grenzen aufgemacht, jetzt wird blanker Kapitalismus sichtbar, auf dessen Grundlage in ganz Europa und in der ganzen Welt gefuhrwerkt werden kann, wie man will. Und Sie, meine Damen und Herren, auch von den Sozialdemokraten, lassen sich zum Steigbügelhalter dieses Kapitalismus machen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die österreichischen Arbeitnehmer sind daher zu Recht enttäuscht, sie fühlen sich von Ihnen belogen und betrogen. In der Realität werden nämlich heute immer mehr Arbeitsplätze abgebaut oder in Billiglohnländer verlagert, wo die Lohnstückkosten wesentlich geringer sind als in Österreich. Die Arbeitsplätze werden nach Ungarn, in die Slowakei oder nach Tschechien verlagert. Denken Sie an Semperit, dort wurden die Maschinen abgebaut und in das Barum-Werk transferiert! Was haben Sie dagegen getan, außer daß Sie einige Forderungen aufgestellt haben? Die Arbeitsplätze werden auch noch weiter östlich verlagert: nach Polen, nach Weißrußland, bis nach Thailand, Indien, Pakistan. In diesen Dritte-Welt-Ländern müssen Menschen, vor allem auch Kinder, unter unmenschlichen Bedingungen Arbeiten erbringen, und die auf diese Weise billig erzeugten Artikel kommen dann zu uns und konkurrenzieren unsere Produkte, unsere Betriebe und unsere Arbeitsplätze. Das ist die Realität, und Ihre Aufgabe wäre es, das hintanzuhalten!

Aber es werden nicht nur vom entfernten Ausland billige Produkte gebracht. Das spielt sich jetzt schon mitten in Europa ab, bei uns und in Deutschland, indem nämlich innerhalb des EU-Raumes Billigarbeitskräfte transferiert werden. Wie wäre es denn sonst möglich, daß auf der


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größten Baustelle Europas, in Berlin, portugiesische Arbeiter tätig sind, während deutsche Bauarbeiter arbeitslos sind? Es ist eine Unmenschlichkeit des kapitalistischen Systems, daß man einerseits portugiesische Arbeitnehmer ... (Bundesrat Meier: Das vertreten wir doch nicht! Glauben Sie, daß wir das kapitalistische System vertreten? Schauen Sie in Ihre Betriebe! Dort wird das gehandhabt!) – Ich komme gleich zu Ihnen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Schauen Sie sich die Nachrichten im Fernsehen an! (Bundesrat Meier: Wo sind Portugiesen in Österreich?) Ich skizziere nur die Dinge, wie sie sich darstellen. In Berlin arbeiten portugiesische Bauarbeiter um einen Hungerlohn, und deutsche Bauarbeiter sind arbeitslos, und deshalb gehen die Arbeiter auf der Straße. In Berlin demonstrieren Bauarbeiter, im Ruhrgebiet demonstrieren Stahl- und Bergarbeiter, in Brüssel und in Paris demonstrieren die Automobilarbeiter, und bald werden auch bei uns die Arbeiter auf die Straße gehen, weil sie erkennen werden, daß Sie ihnen keinen Schutz mehr geben können. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Aber Sie wahrscheinlich! – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. ) Das sage ich Ihnen dann schon!

Schauen Sie sich die Wahlergebnisse an! Wir treten nicht nur hier dafür ein, sondern wenn wir die entsprechende Regierungsverantwortung hätten, würden wir entsprechende Maßnahmen fordern! (Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Natürlich geht der Schutz der Arbeitsplätze nicht ohne einen gewissen Protektionismus. Das ist mir schon klar. Wenn man nur der reinen Globalisierung das Wort redet, dann, so sage ich Ihnen, schmelzen unsere Arbeitsplätze weg wie die Butter in der Sonne. (Bundesrat Ing. Penz: Aber die Globalisierung ist doch Realität!) Ja, sie ist eine Realität! Aber es steht nichts dagegen, daß sich ein großer Wirtschaftsblock wie die EU mit 400 Millionen Menschen im Binnenmarkt gegen Dumpingpreise aus Niedriglohnländern wehrt! Das ist natürlich möglich. Ich werde Ihnen das auch gerne privat sagen. (Bundesrat Ing. Penz: Von einem GATT-Abkommen haben Sie noch nichts gehört?) Ich habe schon von einem GATT-Abkommen gehört. Ein solches Abkommen existiert. Aber wer hält sich daran? Wer opponiert dagegen? Wem dienen diese Abkommen? – Das sollten Sie einmal hinterfragen!

Ich sage Ihnen: Dieses Gesetz dient nur dazu, unseren Sozialstaat von einem 100prozentigen auf einen 90prozentigen oder 80prozentigen Sozialstaat abzuschwächen. Damit werden Sie jedoch keinen Erfolg haben! Sie stehen heute in Konkurrenz mit Ländern, die nur 10, 20 oder 30 Prozent unserer Sozialstandards erreichen! Da werden Sie auch mit einem 80prozentigen Sozialstaat keinen Erfolg haben!

Ich vermisse vor allem die europäische Solidarität der Gewerkschaften. Wo sind denn die deutschen, die französischen, die belgischen und die österreichischen Gewerkschaften? Tun sie sich zusammen und fahren einmal nach Brüssel zu den Kommissaren und reden mit ihnen und warnen vor einem Abbau der Sozialstandards? – Weit und breit sieht man nichts davon! (Heftige Zwischenrufe.) Früher haben Sie gesagt: Alle Räder stehen still, wenn unser starker Arm es will. Heute rühren Sie keinen Arm mehr zur Sicherung der Arbeitsplätze und der Sozialstandards. (Bundesrat Meier: Sie sagen immer, daß die Sozialstandards zu hoch sind! Jetzt verteidigen Sie sie auf einmal!) Ab und zu wäre es aber nicht schlecht, auch mit dieser Maßnahme zu drohen. Ich fordere nicht dazu auf. Aber ich stelle fest: Wenn sich die Arbeiter wehren, werden sie in erster Linie von den Gewerkschaften in Stich gelassen, wie die spanischen LKW-Fahrer und die Berliner Bauarbeiter. (Bundesrat Meier: Sie überholen jetzt ganz links!)

Frau Fischer hat hier gesagt, daß der Mensch im Mittelpunkt stehen muß. Sie hat völlig recht! Sie hat aber übersehen, daß der Mensch schon längst nicht mehr im Mittelpunkt steht. Heute steht das Kapital im Mittelpunkt der Interessen. Das Kapital diktiert auch Ihre Handlungsweise hier im Parlament, aber das wollen Sie nicht erkennen! Die einzige Möglichkeit, sich gegen diesen Sozialabbau zu wehren, besteht darin, ein Gegengewicht zu bilden. Die Staaten und deren Gewerkschaften müssen ein Gegengewicht bilden und nicht dem Sozialabbau Tür und Tor öffnen! Das werfe ich Ihnen vor!


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Wenn Sie in Österreich die Flexibilisierung auf eine derartige Art und Weise durchziehen, dann seien Sie doch wenigstens so fair und lassen Sie die Menschen, die mehr arbeiten müssen, auch das gleiche oder mehr verdienen, wie Kollege Bösch gesagt hat! Seien Sie doch so fair und senken Sie die Lohnsteuer etwas, denn durch die Progression hat der Finanzminister jetzt um viele Milliarden höhere Einnahmen als noch vor einigen Jahren! Aber diese nimmt er vom kleinen Mann! Beim Bezügegesetz waren Sie nicht so heikel: Herrn Bundeskanzler Klima gestehen Sie 800 000 S Gehalt mehr im Jahr zu. (Bundesrat Meier: Kommen Sie doch nicht mit diesem Beispiel! Das ist lächerlich! Erstens nimmt er es gar nicht, zweitens wollte er nicht mehr, und drittens ist es ein schlechtes Beispiel!)

Aber das sieht die Bevölkerung, Herr Bundesrat! Und das werden wir den Menschen auch bei den nächsten Wahlen wieder sagen! (Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Die Menschen werden immer mehr enttäuscht sein, gerade von den Sozialdemokraten. Sie haben vor der Situation kapituliert. Sie sind heute Steigbügelhalter des Kapitalismus, und das erkennen die Arbeiter immer mehr! Schauen Sie sich das an! Sie sind als Arbeitnehmerpartei abgetreten, und wir übernehmen gerne Ihr Erbe. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Das kann ich nur lächelnd zurückweisen! Es freut mich, daß Sie mich als Steigbügelhalter des Kapitalismus ansehen! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

14.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weiss. – Bitte.

14.15

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Es trifft im allgemeinen sicherlich nicht zu, aber bei der vorangegangenen Wortmeldung war es vorteilhaft, zumindest akustisch nicht alles verstanden zu haben.

Ich möchte ganz kurz begründen, warum ich gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen dafür bin, daß § 12 a des Arbeitsruhegesetzes vom Nationalrat noch einmal überdacht werden sollte, und ich füge hinzu: Diese Bedenken beziehen sich ausschließlich auf diese Bestimmung, nicht auf die anderen Teile des vorliegenden Gesetzesbeschlusses.

Ich möchte außer Streit stellen, daß hinsichtlich der Regelung betreffend die Sonntagsarbeit Verbesserungen der bisherigen Rechtslage notwendig sind, gar keine Frage. Es liegt mir auch völlig fern, mit fromm niedergeschlagenem Blick die Augen vor der Realität zu verschließen. In vielen Fällen ist eben die Güterabwägung nötig, was wichtiger ist: die ganze Woche nicht arbeiten zu können oder zumindest auch fallweise am Sonntag zu arbeiten.

Ich halte es außerdem für wichtig, daß in einem befriedigenderen Maße als bisher notwendige Regelungen nicht zu Lasten der Betroffenen gehen und nicht über die Köpfe der Sozialpartner hinweg getroffen werden.

Ich anerkenne auch das Bemühen aller, die an diesen Beschlüssen mitgewirkt haben, die Sonntagsarbeit dem Grunde nach nicht zu befürworten und in deutlicher Abkehr von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Auffassung des Europäischen Parlaments zu teilen, daß der Sonntag kein Ruhetag wie jeder andere ist, sondern eine hervorgehobene Bedeutung hat.

Ich respektiere diesen guten Willen aller Beteiligten. Ich glaube lediglich, daß die Form, in der er vom Nationalrat zum Ausdruck gebracht wurde, nicht ganz befriedigend ist und wir Gefahr laufen, von einem Extrem ins andere zu fallen. Mit einem vom Gesetzgeber sehr weit gesteckten Rahmen werden künftige Entscheidungen an die Sozialpartner übertragen. Es wurde zwar richtigerweise gesagt, daß mit diesem Gesetz der Sonntag natürlich nicht zum Werktag wird, sondern Sonntag bleibt, aber er könnte es ohne weiteres Dazutun des Gesetzgebers und politisch verantwortlicher Instanzen werden. Und das ist der Punkt, an dem ich mit meiner Kritik ansetze. Ich denke, daß sich der Gesetzgeber der Verantwortung für wichtige gesellschaftspolitische Weichenstellungen und für die Schaffung von Rahmenbedingungen nicht entziehen sollte, da er diese nicht delegieren kann.


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Um ein Beispiel zu nennen: Es würde niemand auf die Idee kommen, innerhalb des Rahmens, daß niemand benachteiligt werden kann und die Rechte der Mieter geschützt werden, zu sagen: Mietrecht ist das, worauf sich der Zentralverband der Hausbesitzer mit der Konsumentenberatung der Arbeiterkammer und der Mietervereinigung einigen. Oder: Ordnung im Straßenverkehr ist das, worauf sich unter Berücksichtigung des Grundsatzes, daß niemand gefährdet werden darf, der Straßenerhalter mit den Autofahrerorganisationen einigt. – Auch in diesen Bereichen zieht sich der Gesetzgeber von seiner politischen Verantwortung nicht zurück!

Ich meine, es hätte durchaus einige Alternativen gegeben, etwa indem die bestehende und auch bestehenbleibende Verordnungsermächtigung des Sozialministers verbessert wird. Man hätte auch sagen können: Wenn ich tatsächlich an einen Außenstehenden delegiere, befriste ich diese Regelung und ziehe nach einigen Jahren Bilanz, was damit gemacht wurde und welche Erfahrungen damit gesammelt wurden.

Ich hätte es auch begrüßt, wenn es Einvernehmen darüber gegeben hätte, daß man in Zukunft hier in diesem Haus einen Bericht erbittet, was etwa nach einem Jahr von den Sozialpartnern mit dieser Vollmacht gemacht wurde.

Man hätte auch den jetzt gesteckten Rahmen besser präzisieren können. Das ist ein Ansatz, den der Nationalrat selbst durchaus als richtig erkannt hat, denn er hat in einer Entschließung diese rechtlich gesehen weitgehende Blankovollmacht materiell relativiert, allerdings in einer unverbindlichen Form. Die Entschließung an sich, selbst wenn sie an die Bundesregierung gerichtet wäre, ist rechtlich nicht verbindlich, und erst recht dann nicht, wenn sie an Außenstehende gerichtet ist. Ich meine, daß das, was der Nationalrat in seiner Entschließung richtig festgehalten hat, seinem Wesen nach in das Gesetz gehört, und ich denke, wir sollten dem Nationalrat Gelegenheit geben, das entsprechend einzubauen. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine Anmerkung aus Ländersicht: Ich würde mir wünschen, daß bei anderen Gelegenheiten dem in viel höherem Maße politisch verantwortlichen Landtag in demselben Maße Regelungsautonomien zugestanden werden, wie wir sie heute den Sozialpartnern zugestehen würden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden.

Es liegt zunächst ein Antrag der Bundesräte Dr. Bösch und Genossen vor, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es sind 48 Bundesrätinnen und Bundesräte anwesend, daher ist die Zahl von 19 Zustimmungen die Minderheit.

Der Antrag, Einspruch zu erheben ist, somit abgelehnt.

Wir kommen nun zum Antrag des Berichterstatters. Wer dafür ist, dem Antrag zuzustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, möge bitte ein Handzeichen geben. – Das ist mit 29 Stimmen die Mehrheit.


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Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Karenzgeldgesetz erlassen und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Karenzurlaubszuschußgesetz, das Karenzurlaubserweiterungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Betriebshilfegesetz, das Bundesgesetz über die Gewährung von Überbrückungshilfen an ehemalige Bundesbedienstete und das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist mit Stimmenmehrheit so geschehen.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über soziale Sicherheit (413 und 630/NR sowie 5405/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über soziale Sicherheit.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Freiberger übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Horst Freiberger: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Sozialausschusses betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über soziale Sicherheit liegt Ihnen schriftlich vor. Ich erspare Ihnen und mir daher die Verlesung dieses Textes.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht über den Antrag, der empfohlen wurde.

Ich sehe, daß keine Wortmeldungen vorliegen. 

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Studien an den Universitäten (Universitäts-Studiengesetz – UniStG) (588 und 638/NR sowie 5396 und 5406/BR der Beilagen)


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10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forschungsorganisationsgesetz – FOG geändert wird (581 und 640/NR sowie 5407/BR der Beilagen)

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über Gleichwertigkeiten im Bereich der Reifezeugnisse und des Hochschulwesens samt Anlagen (412 und 641/NR sowie 5408/BR der Beilagen)

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend einen Notenwechsel zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die gegenseitige Anerkennung akademischer Grade und Titel samt Anlage (427 und 642/NR sowie 5409/BR der Beilagen)

13. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Protokoll über die Fortführung der Aktion Österreich – Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperation (559 und 643/NR sowie 5410/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 bis 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

Bundesgesetz über die Studien an den Universitäten,

Bundesgesetz, mit dem das Forschungsorganisationsgesetz – FOG geändert wird,

Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über Gleichwertigkeiten im Bereich der Reifezeugnisse und des Hochschulwesens samt Anlagen,

Notenwechsel zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die gegenseitigen Anerkennung akademischer Grade und Titel samt Anlage und

Protokoll über die Fortführung der Aktion Österreich – Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperation.

Die Berichterstattung über die Punkte 9 und 10 hat Herr Bundesrat Payer übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.

Berichterstatter Johann Payer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Studien an den Universitäten (Universitäts-Studiengesetz) wurde im Ausschuß eingehend beraten, liegt auch schriftlich vor, und ich verzichte auf die Verlesung.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


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Auch der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forschungsorganisationsgesetz geändert wird, liegt schriftlich vor.

Er wurde am 8. April im Ausschuß beraten.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Forschung stellt daher nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für diese Berichte.

Ich bitte nun Herrn Bundesrat Waldhäusl um die Berichterstattung über die Punkte 11 bis 13.

Berichterstatter Gottfried Waldhäusl: Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über Gleichwertigkeiten im Bereich der Reifezeugnisse und des Hochschulwesens samt Anlagen.

Der Bericht ist jedem Bundesrat zugekommen, ich verzichte daher auf die genaue Verlesung.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich berichte weiters über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend einen Notenwechsel zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die gegenseitige Anerkennung akademischer Grade und Titel samt Anlage.

Auch dieser Bericht ist jedem Bundesrat zugegangen. Ich verzichte daher auf die genaue Verlesung.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Des weiteren berichte ich über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Protokoll über die Fortführung der Aktion Österreich – Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperation.

Auch dieser Bericht ist jedem Mitglied des Bundesrates zugegangen. Ich verzichte daher auf die Verlesung.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

14.32

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Dem vorliegenden Gesetzesvorhaben muß meine Fraktion wegen vielfältiger Kritikpunkte die Zustimmung versagen.

Dies bedauere ich umso mehr, als außer jedem Zweifel steht, daß es seit längerer Zeit einer echten und tiefgreifenden Erneuerung des Hochschulstudiums bedürfte. Aber im klaren Gegensatz zum Allgemeinen Hochschul-Studiengesetz von 1966, das ein recht geglücktes Geset


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zeswerk im Zuge der damaligen Studienreform war, kann dies vom jüngst im Nationalrat beschlossenen Universitäts-Studiengesetz 1997 keineswegs gesagt werden. Schon gar nicht ist es als ein "Jahrhundertgesetz" einzustufen, wie es Herr Abgeordneter Dr. Lukesch euphorisch bezeichnet hat. Der Herr Bundesminister hat sich vergleichsweise viel vorsichtiger ausgedrückt, er hat es ja schließlich auch bloß geerbt!

Über 600 Stellungnahmen, die angeblich berücksichtigt wurden, lassen mich eher an den Satz denken: Zu viele Köche verderben den Brei.

Gewiß: Gute Absichten und durchaus akzeptable Lösungsansätze will ich gerade diesem Gesetz nicht absprechen. Problematisch ist freilich bereits die Lagebeurteilung, die den Ausgangspunkt für das neue Studienrecht bildet. Hiebei wird – mit latentem Vorwurf an die Universitäten – kritisch vermerkt, daß – so wörtlich – "der Praxisbezug der Studien und die Vermittlung von Berufsbildern weiterhin fehle". Ferner wird bemängelt, daß die Aufgaben der Fort- und Weiterbildung nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen worden seien. Und schließlich wird Kritik daran geübt, daß das Problem der zu langen Studienzeiten noch nicht befriedigend gelöst werden konnte.

All das ist auf den ersten Blick ein bestechender Realbefund. Wer wollte es leugnen? Aber wie sieht es bei näherer Betrachtung wirklich damit aus?

Zum ersten Punkt – Praxisferne der Studien: Ich bin ohnehin schon sehr dankbar dafür, daß entgegen rein technokratischen Bestrebungen im ursprünglichen Entwurf als Bildungsziel unverändert und zu Recht die "wissenschaftliche Berufsvorbildung", und nicht etwa die "wissenschaftliche Berufsausbildung", erhalten geblieben ist. Denn letzteres wäre eine in sich widersprüchliche Zielbestimmung, ein Verkennen und Verfehlen der Aufgaben einer Universität – die ja nicht Fachschule ist – und der durch sie zu vermittelnden Bildung gewesen.

Erlauben Sie mir, mein eigenes Fach – in diesem kennt man sich eben am besten aus – als anschauliches Beispiel für das Gemeinte heranzuziehen. Gewiß sind wir heute auf dem Gebiet des Zivilprozeßrechts sehr bemüht, interessierten Hörern auch spezielle Lehrveranstaltungen, sogenannte Praktika, in Form von Prozeßspielen aufgrund von Originalakten, mit Gerichtsbesuchen und dergleichen mehr anzubieten und ihnen dadurch das spröde Fach möglichst praxisnahe darzustellen. Dennoch muß ich sagen: Wenn noch am Beginn des vorigen Jahrhunderts die Prozeßrechtslehre als die Kunst, Akten richtig anzufertigen und zu bearbeiten, bezeichnet wurde, dann meine ich, daß die Vermittlung der Kunst, Akten zu binden – oder gar erfolgreicher advokatorischer Strategien –, nicht die vorrangige Aufgabe einer Universität sein kann. Das können wir nicht lehren. Was soll dann die so modische wie wohlfeile Kritik am angeblich ach so mangelnden Praxisbezug?

Im übrigen möchte ich einige Bemerkungen zu den im Universitäts-Studiengesetz angebotenen Abhilfen machen: Die Studienkommissionen sollen in Studienrichtungen, in denen ihnen dies sinnvoll erscheint, den Hörern im Studienplan die Absolvierung einer facheinschlägigen Praxis auftragen können. – Gerade in der Jurisprudenz läge derartiges tatsächlich sehr nahe. Eben deshalb muß ich an den Fehlschlag jenes Studienmodells in der Bundesrepublik Deutschland erinnern, nach welchem man bestrebt war, Praxisstationen in das Hochschulstudium zu integrieren. Es handelte sich dabei um das bekannte einphasige Studienmodell, wie es insbesondere in Bremen und Bielefeld erprobt wurde. Als langjähriger Studienversuch hätte es in das Regelstudium Eingang finden sollen. Das Gegenteil ist eingetreten: Die Studiendauer geriet zu lang, und die Koordination von Theorie und Praxis erwies sich für Studierende wie auch für Lehrende als offenbar zu komplex und kaum administrierbar. Der Studienversuch ist ausgelaufen und trotz allem darin investierten Engagement folgenlos geblieben.

Ich selbst erinnere mich noch gut daran, als hochschulpolitisch motivierter Vertreter des Mittelbaues – als junger Wissenschafter war ich zumindest damals noch kreativ und innovativ – mit meinen Kollegen für den Einbau eines solchen Praktikums in das Studium eingetreten zu sein. Im Zuge der damaligen Reform des Studiums der Rechtswissenschaften durften wir im Unterausschuß des Nationalrates den Abgeordneten unsere Vorstellungen präsentieren. Frau


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Bundesministerin Dr. Hertha Firnberg war für den Vorschlag höchst aufgeschlossen. Sie verwies ihn verständlicherweise bezüglich seiner praktischen Umsetzung an die beim Hearing damals anwesenden Repräsentanten der Anwaltschaft und der Richterschaft weiter. Aber – siehe da! – die angesprochenen Interessenvertreter der dafür vornehmlich in Betracht kommenden Berufsgruppen lehnten dankend ab. Für die Anwälte war es offenbar wenig attraktiv, Studierende praktisch auszubilden, ohne dabei unmittelbar verwertbare Arbeitserfolge zu erzielen. Immerhin ist eine Anwaltskanzlei letztlich doch betriebswirtschaftlich ein am Gewinn orientiertes Unternehmen, bei dem ein solches Praktikum einen Kostenfaktor bilden würde. Die Richter machten ihre Überlastung geltend, die es ihnen nicht erlaube, sich der Ausbildung angehender Juristen zu widmen. – Frau Bundesministerin Firnberg mußte diese mangelnde Kooperationsbereitschaft mit Bedauern zur Kenntnis nehmen.

Ich erwähne all das nur, weil es heute in der Realität nicht anders aussieht und man sich daher von noch so wohlmeinenden Illusionen freihalten muß, was natürlich nicht heißt, daß ich – wie ein ehemaliger Bundeskanzler – nach einem Arzt rufe, wenn jemand Visionen hat.

Nun zum zweiten Punkt, den bislang von den Universitäten nicht oder nur unzureichend wahrgenommenen Aufgaben in der Fort- und Weiterbildung ihrer Absolventen und auch sonstiger Bildungswilliger, ich denke etwa an das Seniorenstudium. Aber welche Kapazitäten und Ressourcen, personell wie materiell, will – oder besser kann – denn eine Universität beziehungsweise Fakultät heute noch aufbieten, um eine postgraduale Ausbildung auf höchstem Niveau zu gewährleisten, wenn sie selbst schon bei der Erfüllung ihrer primären Aufgaben im Regelstudium angesichts des international unüblichen Mißverhältnisses zwischen der Zahl der Studierenden und jener der Vortragenden bereits völlig überbeansprucht ist? Diesbezüglich lassen die Öffentlichkeit, die Bildungspolitik und die staatliche Finanzierung die Universitäten im Stich, anstatt ihnen geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.

Aber nun zum ganz wesentlichen dritten Punkt, der überlangen Studiendauer: Um es vorweg sehr deutlich zu sagen: Wir schieben dieses Übel gewiß nicht auf eine etwa mangelnde Eignung der Mehrheit der Studierenden und auch nicht auf die von der Rektorenkonferenz schon vielfach beklagte unzureichende Studierfähigkeit der AHS-Absolventen. So einfach darf man es sich zweifellos nicht machen! Dies ist ebensowenig zulässig wie die einseitige globale Schuldzuweisung an die Lehrenden, daß sie nicht ausreichend motiviert, zuwenig präsent, hochschuldidaktisch unzulänglich ausgebildet oder gar böswillige Prüfer seien. – All das greift zu kurz.

Vielmehr gilt auch hier: Die Rahmenbedingungen an der heutigen Massenuniversität stimmen einfach nicht. Zudem, und nicht zuletzt, müßte entweder die gesetzliche Mindeststudiendauer – soll ihr die realistisch erreichbare Regelstudiendauer nahekommen – den zunehmend gesteigerten Anforderungen der Studieninhalte angepaßt werden, oder es müßten, umgekehrt, diese entsprechend reduziert, entschlackt und schlanker gemacht werden, im Sinne eines Mutes zur Lücke und zum fächerübergreifenden, problemorientierten, exemplarischen Lehren und Lernen – und das natürlich ohne Verzicht auf und Verlust an Qualität. Jeder andere Vorschlag, der sich dieser klaren Alternative entzieht, wäre unehrlich.

Schon gar nichts kann ich mit folgender, fast schon ärgerlichen Leerformel – Leer mit zwei "e" – anfangen – ich zitiere –: "Angesichts der steigenden Bildungsnachfrage einerseits und eines enger werdenden finanziellen Spielraumes andererseits gewinnen Argumente, die auf die hohen Kosten traditioneller universitärer Ausbildung verweisen, an Gewicht." – Nona! Soll das – polemisch ein wenig verkürzt – im Klartext etwa heißen: Wir halten zwar am freien Hochschulzugang von immer mehr daran Interessierten fest – damit bin ich einverstanden –, und wir halten ebenso am Nulltarif fest – zu letzterem sage ich nur noch unter Vorbehalt ja –, aber es muß unter dem Strich weniger kosten, weil wir es uns ja gar nicht mehr leisten können? – Das wäre doch die Quadratur des Kreises, jedenfalls aber kein vertretbarer Lösungsansatz! Spätestens in diesem Punkt werden Ihnen die Universitäten – und zwar Lernende wie Lehrende – in seltener Einmütigkeit die Gefolgschaft aufsagen, mehr noch, sie werden vehementen Widerstand leisten, und das sogar mit Recht!


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Bedenken Sie den Ernst der Situation: Aufgrund der prekären Finanzlage an den Universitäten ist es in vielen Studienrichtungen fast unmöglich geworden, die Studienmindestdauer plus einem Toleranzsemester pro Abschnitt einzuhalten, und zwar deshalb, weil es an den benötigten Seminar-, Praktika- und Laborplätzen in großer Zahl fehlt. Dadurch verlieren selbst fleißige, zügig studierende Teilnehmer ihr Anrecht auf Bezug der Familienbeihilfe. An diesen schweren Strukturmängeln vermag natürlich eine Studienreform allein überhaupt nichts zu ändern.

Auch die lange propagierte und als Allheilmittel beschworene Deregulierung des Studienrechts klingt gut, und sie ist es im Prinzip auch. Welcher akademische Lehrer und – weit darüber hinaus – wer überhaupt, der für freiheitliche Selbstbestimmung eintritt, wäre nicht für Autonomie und deren Stärkung und Ausbau in vertretbarem Maße? – Dennoch stößt diese Deregulierung auf zwei Ebenen an Grenzen.

Zum einen bleibt die Neuregelung der Studienabläufe und der Studiengestaltung in Teilbereichen so unbestimmt, daß sie das verfassungsgesetzlich vorgegebene Legalitätsprinzip verletzt. Oder – um es demokratiepolitisch zu formulieren –: All das geht am parlamentarischen Gesetzgeber vorbei. Solcherart werden sowohl der Bundesminister – wobei ich gerne einräume: dieser noch weit weniger – als vor allem auch die Organe der universitären Selbstverwaltung weithin völlig undeterminiert zu Verordnungen von größter Tragweite ermächtigt.

Wenn mir im Ausschuß vom zuständigen Referenten des Bundesministeriums entgegengehalten worden ist, daß der Verfassungsgerichtshof vergleichbare Delegierungen bei der Planung im Bereich der Raumordnung und der Bodenbewirtschaftung für zulässig erachtet hat, so überzeugt das nicht. Denn in allen anderen Sachbereichen trifft das keineswegs zu; dort hält der Verfassungsgerichtshof vielmehr an einem im internationalen Vergleich sogar durchaus problematischen, höchst formalen Verständnis des Legalitätsprinzips fest. Der inhaltliche Vergleich zwischen Raumordnung und Studienrecht hinkt doch wohl stark, auch wenn man die notorische Raumnot der Hochschulen dabei im Auge haben sollte.

Zum anderen sehe ich die Grenzen jeder Deregulierung des Studienrechts, sofern sie darauf abzielt, Freiräume für Innovationen zu eröffnen, in folgendem – und das ist mir persönlich sogar viel wichtiger als das formale verfassungsrechtliche Bedenken –: Eine Deregulierung zu den im Universitäts-Studiengesetz postulierten Zielen, also in der löblichen Absicht, durch unterschiedliche regionale und fachliche Schwerpunktbildungen der einzelnen Fakultäten einen echten Qualitätswettbewerb zu initiieren und zu stimulieren, setzt – sozialpsychologisch betrachtet – ein sehr leistungsorientiertes, kompetitives Verhalten voraus, welches durchaus jener Mentalität entspricht, die an US-amerikanischen und an japanischen Universitäten herrscht, das aber nicht so ohne weiteres auf Österreich übertragbar ist. Da muß auch das Wissenschafts- und Studienklima, also das gesamte Umfeld, stimmen. – Somit sind wir erneut auf die von mir bereits mehrfach angesprochenen Rahmenbedingungen des heutigen Universitätsbetriebs und -alltags zurückverwiesen. Von denjenigen an US-amerikanischen Universitäten können wir nur träumen. Um freilich nicht mißverstanden zu werden: Ich meine jetzt allerdings nicht die finanziellen Zugangsschranken, die dort herrschen!

Die für all diese hehren Ziele erforderliche Stärkung der Selbststeuerungskompetenz der Universitäten ist eben – das will ich betonen – nicht allein durch generelle Dezentralisierung und Deregulierung im Bereich der Studienvorschriften erreichbar. Im übrigen ist freilich schon durch das Universitäts-Organisationsgesetz 1993 mit der Aufwertung der Studiendekane zu geradezu autoritären monokratischen Aufsichtsorganen ein höchst problematischer Ausgleich für die vermehrte universitäre Selbstverwaltung geschaffen worden. Zudem lassen mich auch die echt drittelparitätisch besetzten Studienkommissionen – die Österreichische Hochschülerschaft fordert für die Zukunft sogar die Semiparität von Lehrenden und Lernenden – nicht unbedingt an eine Steigerung oder auch nur Beibehaltung der gegenwärtigen Qualitätsanforderungen des Hochschulstudiums glauben.

Über diese grundsätzlichen Einwände hinaus ist es meine aus langjähriger hochschulpolitischer und berufspraktischer Erfahrung begründete Überzeugung, daß das vorliegende Universitäts-Studiengesetz von seinen erklärten Zielen zumindest jenes einer adäquaten Zuordnung von


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Entscheidungs- und Verantwortungskompetenz nicht erreicht, in weiten Teilen aber auch nicht die versprochenen administrativen Erleichterungen.

Zum Stichwort "administrative Erleichterungen" verweise ich, um nur ein signifikantes Beispiel zu nennen, auf die unglaublich bürokratische Regelung des künftigen Verlaufs mündlicher Prüfungen. Ist man denn dabei vom grünen Tisch aus an den praktischen Erfordernissen und begrenzten Möglichkeiten einer Massenuniversität völlig vorbeigegangen?

Gewiß gibt es auch eindeutiges Fehlverhalten von Prüfern. Ich will das weder leugnen noch bagatellisieren. Geeignete Korrektive für solche Mißstände und entsprechender Rechtsschutz dagegen gehen durchaus in Ordnung, nicht jedoch bürokratische Schikanen. Ich fürchte, daß man die schwarzen Schafe auch mit den neuen Kautelen nicht wirklich treffen, wohl aber den übrigen Prüfern das Leben schwer machen wird. Daher werde ich selbst, als der Kategorie der sogenannten beliebten Prüfer zugehörig, meinen Hörern sagen müssen: In derselben Zeit wie bisher werde ich in Hinblick auf die vermehrten administrativen Belastungen nur noch einen Teil der derzeit gerade noch akzeptablen Anzahl von Kandidaten prüfen können.

Erlauben Sie mir als langjährigem Praktiker, wenn wir schon bei der leidigen und für die Studiendauer ganz wesentlichen Frage der Prüfungen sind, zwei heute fast schon ketzerische Einwände: Nach meiner Ansicht werden immer noch zu viele Wiederholungsmöglichkeiten zugelassen. Man darf in diesem Zusammenhang den Mißtrauensvorschuß oder die Darstellung von Horrorszenarien mit angeblich sadistischen oder nach Prüfungsentgelten gierigen Prüfern nicht allzu weit treiben.

Ferner bedauere ich, daß offensichtlich selbst an ein vorsichtiges Abrücken vom ebenfalls im Hinblick auf die Studiendauer fragwürdigen und in der Praxis nicht bewährten Modell der völlig voneinander isolierten Teilprüfungen nicht einmal gedacht worden sein dürfte.

Schließlich ist die Regelung der lang diskutierten Studieneingangsphase – auch ein durchaus positiver Ansatz, ja geradezu ein Zentralstück der Reform – blaß und unkonturiert ausgefallen. Auch auf diesem Gebiet herrscht weitgehend Scheinautonomie. Diese Regelung wird daher im Grunde folgenlos bleiben, jedenfalls aber bei aktuellen Strukturproblemen nichts zum Besseren wenden.

Über weitere bittere Wermutstropfen wie die qualitative Abwertung geisteswissenschaftlicher Studienrichtungen, die nicht geglückte Aufwertung der Lehramtsstudien und die nicht erreichte Gleichstellung der Abschlüsse des veterinärmedizinischen Studiums mit jenem der allgemeinen Medizin und der Zahnmedizin haben sich fachlich Berufenere bereits kritisch geäußert.

Lassen Sie mich jedoch nach all diesen vielen von mir geäußerten Kritikpunkten zuletzt einen bestimmten Abschnitt des neuen Gesetzes sehr positiv beurteilen, bei dem Sie es vielleicht gerade von seiten eines akademischen Lehrers an einer klassischen Universität gar nicht erwarten würden: Es handelt sich dabei um die angemessene Berücksichtigung, die erstmals die Lehrgänge mit universitärem Charakter in der Neuregelung gefunden haben. Ich sehe diese institutionelle Verankerung – und leugne nicht, daß ich diesbezüglich ursprünglich Skeptiker war – deshalb so positiv, weil sie eine sachlich begründete Würdigung des von einigen dieser Lehrgänge inzwischen nachweisbar gewonnenen Niveaus und deren international anerkannter fachlichen Standards bedeutet.

Insbesondere hebe ich in diesem Zusammenhang das 1991 ins Leben gerufene MBA-Programm der Donau-Universität in Krems hervor. Es ist den Organisatoren gelungen, ein Curriculum zu entwickeln und auf dem Markt zu etablieren, das zugleich auch den Unternehmern der Teilnehmer unmittelbar zugute kommt. Der Führungsnachwuchs mit einer soliden technischen, juristischen oder kaufmännischen Ausbildung im Alter von Mitte 30 hat normalerweise weder beruflich noch privat die Gelegenheit, für ein oder zwei Jahre zum Studium in die USA, nach Frankreich oder Großbritannien zu gehen. Das berufsbegleitende, auf die Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnittene offene und flexible MBA-Programm ist dafür eine zeitgemäße Lösung. Die hohe fachliche Anerkennung derartiger Lehrgänge rechtfertigt auch die Vergabe entsprechender akademischer Grade.


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Ich begrüße die Klärung dieser lange umstrittenen Titelfrage auch deshalb, weil dies die Chance eröffnet, in Krems eine Business School von internationalem Rang zu etablieren und dort inländische wie ausländische Führungskräfte auszubilden. – Dies umso mehr, als das MBA-Programm auf die Probleme des mitteleuropäischen Raumes und auf die klein- und mittelbetriebliche Struktur der österreichischen Wirtschaft ausgerichtet ist. (Präsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich nun abschließend meinen Gesamteindruck vom vorliegenden Gesetzeswerk kurz zusammenfassen: Ungeachtet der voll anzuerkennenden, guten Absichten und zum Teil durchaus weiterführenden Lösungsansätze muß ich leider das Resümee ziehen, daß mit dem Universitäts-Studiengesetz 1997, das weit davon entfernt ist, ein Jahrhundertgesetz zu sein, in der endlosen Geschichte der österreichischen Hochschul- und Studienreform die Chance zu einer grundlegenden und zukunftsweisenden Erneuerung leider vergeben wurde. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.54

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing. Ich erteile es ihm.

14.54

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren! Als Rudolf der Vierte 1365 seine Alma Mater gründete, war dies wohl für die heutige Zeit und in ihrer Kontinuität die wichtigste Schöpfung des Mittelalters, die bis heute währt, nämlich die Gründung der europäischen Universität.

Acht Jahrhunderte später bevölkert ein Millionenheer von Studenten die entsprechenden staatlichen Einrichtungen. Aber heute, im Zeitalter der Kommunikation und der Informationsrevolution, ist Wissen weltweit auf Knopfdruck verfügbar. Deshalb war es notwendig, daß wir mit dem Universitäts-Studiengesetz den Studenten flexibler und praxisnäher die entsprechenden Voraussetzungen für ein Studium anbieten.

Die vom damaligen ÖVP-Wissenschaftsminister Erhard Busek eingeleitete Universitätsreform findet nun mit diesem Universitäts-Studiengesetz ihren Abschluß und nach meiner Ansicht – im Gegensatz zur Meinung meines Vorredners – auch ihren Höhepunkt, und zwar deshalb, weil viele offene Fragen der letzten Jahre, die von den Professoren, vom Mittelbau und von den Studenten diskutiert worden sind, nun endlich zu einem Abschluß und, wie ich meine, zu einem guten Abschluß kommen. Es gibt endlich mehr Autonomie für die Universitäten und damit endlich eine echte Eigenverantwortung für die Studienpläne.

In der Vergangenheit wurde zu Recht sowohl von den Professoren wie von den Studierenden beklagt, daß zu geringe Möglichkeiten für die Studienkommissionen zur Gestaltung des Studienplanes und der Prüfungsordnung gegeben sind. Mit diesem Universitäts-Studiengesetz wird der Satz aus dem Staatsgrundgesetz "Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei", welcher auch im Neuen Institutsgebäude, wo ich studiert habe, vermerkt ist, Wahrheit.

Die Studienkommissionen, die mit Professoren, Mittelbau und Studierenden drittelparitätisch zusammengesetzt sind, haben nun endlich Mitbestimmungsmöglichkeiten, haben endlich demokratischen Einfluß darauf, wie ihr Studium gestaltet wird und welche Inhalte ihr Studium haben soll.

Darüber hinaus wird es nun Möglichkeiten geben, Schwerpunktbildungen nach Standorten vorzunehmen. Es wird auf diese Weise die Möglichkeit geschaffen, rasch und flexibel auf neue Herausforderungen reagieren zu können, und es wird mit Sicherheit auch zu einem Wettbewerb um das bessere Studienprofil und um den besseren Studienplan zwischen den verschiedenen Hochschulstandorten kommen. Ich wünsche mir diesen Wettbewerb, und ich wünsche mir einen gewissen Grad an Individualisierung, weil so die verschiedenen Chancen entsprechend ausgenützt werden können.


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Weiters kommt es mit diesem Universitäts-Studiengesetz zu einer Vereinfachung und zu einer Deregulierung. Wenn wir uns vor Augen halten, daß mit diesem einen Gesetz, das knapp 50 Seiten hat, zwölf Gesetze, 118 Studienordnungen, 349 Studienpläne und damit mehr als 5 000 Seiten Bundesgesetzblätter aufgehoben werden, dann sagt das alles über die Vereinfachung der Administration und der Neuordnung der Entscheidungs- und Verwaltungsabläufe aus.

Drittens – das ist ebenfalls gerade für die Wissenschaft und auch für andere Verwaltungsbereiche eine Vorbildwirkung – ist bewußt darauf geachtet worden, daß der Text dieses neuen Gesetzes verständlich und lesbar gestaltet wird. Man kann nur hoffen, daß dieser Grundsatz auch in Zukunft für andere Gesetze Gültigkeit haben wird.

Als vorletzten Punkt, den ich sehr begrüße, möchte ich erwähnen, daß in Hinkunft Stellungnahmen außeruniversitärer Bildungseinrichtungen des Bundes, der Länder, der gesetzlichen Interessenvertretungen, der Gewerkschaft und der Industrie zu den jeweiligen Studienrichtungen einzuholen sind und es daher endlich zu einem Dialog zwischen den gesellschaftlich relevanten Institutionen außerhalb der Uni und der Uni kommen wird. Das heißt, daß sich die Universitäten aus dem Elfenbeinturm – in dieser Position hat man sie oft gesehen – herauslösen, daß sie ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft im Sinne des Zuhörens wahrnehmen, indem sie gute Ratschläge seitens der Wirtschaft und der Gesellschaft erhalten und im Dialog gemeinsam versuchen, Lösungen zu finden.

Fünftens bringt das Gesetz endlich eine Orientierungsphase und eine Studieneingangsphase. Darauf hat die ÖVP bei den Vorverhandlungen bestanden, weil wir wollen, daß die Studierenden zu Beginn ihres Studiums über die charakteristischen Inhalte und die besonderen Fähigkeiten, die man für ein bestimmtes Studium braucht, frühzeitig informiert werden und sich daher auch hinsichtlich des weiteren Studiums ganz klar orientieren können. Das hat nichts mit Knockout-Prüfungen zu tun, sondern mit Selbstüberprüfung der eigenen Interessen durch die Studierenden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der heutigen Zeit stellen Wissenschaft und Bildung, Aus- und Weiterbildung eine wesentliche Voraussetzung dar, und wer in den entstehenden Wissensmärkten bestehen will, braucht dazu nicht nur die besten Studienbedingungen, sondern auch die Zeichen und Symbole einer zukunftsweisenden Kompetenz. Ein Master's Degree in Recht, Politik, Wirtschaft oder Kultur bestätigt jene Internationalität, welche talentierte Österreicher benötigen, um in multinationalen Unternehmungen Karrieren zu machen, um im Export erfolgreich zu sein und Gesprächspartner in der gesamten Welt zu finden. Der MBA-Titel, der jährlich weltweit über 150 000mal vergeben wird, ist ein solches weltweit anerkanntes Gütesiegel, ein Türöffner zu den Chefetagen. Mit diesem Universitäts-Studiengesetz wird die Verleihung dieses MBA-Titels endlich auch für Österreich realisiert und werden die Voraussetzungen dafür geschaffen. Es erhalten damit auch Pionierleistungen, die gerade im Zusammenhang mit der Donau-Universität in Krems seitens des Bundeslandes Niederösterreich erbracht wurden, den entsprechenden Stellenwert.

Wir haben gerade bei der Donau-Universität in Krems nicht nur ein visionäres Curriculum für die Aus- und Weiterbildung unseres Führungskräftenachwuchses, sondern haben auch eine hohe internationale Wertschätzung und schon erreicht, daß mehr als die Hälfte der bisher 84 Absolventen in den ersten fünf Lehrgängen den Sprung in weltweite Unternehmungen geschafft hat und dort tätig ist. Ich glaube, daß es sehr wichtig war, daß dieser akademische Grad eines masters of business-administration ermöglicht wird und daß auch erreicht werden konnte, daß dieser neugeschaffene akademische Grad an frühere Absolventen verliehen werden kann, denn somit ist Gerechtigkeit gegeben.

Aus all den genannten Gründen wird die ÖVP diesem Gesetz ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.01


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Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfgang Hager. Ich erteile es ihm.

15.01

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die generelle Deregulierung des Studienrechtes war der Leitgedanke, der zum vorliegenden Universitäts-Studiengesetz geführt hat.

Nach der bisherigen Rechtslage hatte der Gesetzgeber bis ins Detail festzulegen, wie einzelne Studienrichtungen zu gestalten sind. Diese Tatsache hat zu einem wahren Wildwuchs an Gesetzen und Verordnungen geführt, wie mein Vorredner eben erwähnt hat. Es ist mit dem neuen Universitäts-Studiengesetz eindeutig gelungen, eine Bresche in diesen wuchernden Gesetzesdschungel zu schlagen. Vor allem wurde den Universitäten die so oft geforderte Freiheit gegeben. Diese Freiheit bedeutet aber auch Selbstverantwortung. Auf der Ebene der Studienkommissionen gibt es nun volle Autonomie für die Gestaltung der Lehre. Das ist eine sehr demokratische Lösung, da nun nicht mehr die Zentralstellen entscheiden, sondern die drittelparitätisch besetzten Universitätsgremien.

Trotz des Bekenntnisses zur Leistung und auch zur geistigen Elitebildung haben die Universitäten die Spielregeln der demokratischen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung zu beachten, und diese Möglichkeit wird ihnen durch das neue Universitäts-Studiengesetz in einer Form eingeräumt, wie sie bisher noch nicht gegeben war. Die Mitbestimmung, die in den siebziger Jahren als sozialdemokratische Konzeption die universitäre Landschaft verändert hat, ist mit diesem neuen Gesetz noch bedeutend erweitert worden. Freiheit bedeutet aber auch Verantwortung, habe ich gesagt, und damit meine ich nicht nur die Verantwortung für die Lehre, sondern auch ein gerüttelt Maß an Verantwortung für den, lassen Sie mich es so sagen, kaufmännischen Bereich. Das leistungsorientierte und qualitätsbewußte System der österreichischen Universitäten benötigt ohne Zweifel eine entsprechende Förderung der öffentlichen Hand. Die Universitäten sind aber auch aufgefordert, kreativ über zusätzliche Finanzierungsformen nachzudenken, und sie sind auch aufgefordert, die vorhandenen Mittel in ihrem Rahmen jetzt erweiterten Autonomie sinnvoll und bestmöglich einzusetzen.

Ich möchte nun noch auf die sogenannte Studieneingangs- und Orientierungsphase zu sprechen kommen. Wie mein Kollege Wilfing gesagt hat, ist dieser § 38 ein besonderer Stolz der ÖVP. Sie hat ja, wie schon Kollege Lukesch im Nationalrat gesagt hat, auf diesen bestanden, und Sie, Herr Kollege, haben das jetzt wiederholt. Die Studienanfänger sollen also gleich am Beginn über die charakteristischen Inhalte eines Studiums informiert werden und sich ein Bild machen können, ob die gewählte Studienrichtung ihren Interessen entspricht.

Auf den ersten Blick betrachtet ist das eine sehr vernünftige Sache. Sie hat nur, meiner Ansicht nach, einen kleinen Haken. Die Eingangsphase als Ganzes wird nicht mit einer Prüfung abgeschlossen, sehr wohl besteht aber die Möglichkeit, daß die Anmeldung zu weiterführenden Lehrveranstaltungen von einer positiven Prüfung einzelner Lehrveranstaltungen in der Eingangsphase abhängig gemacht wird, und die Entscheidung darüber fällt den Studienkommissionen zu. Ich sehe damit aber die Gefahr verbunden, daß die an und für sich sehr positiv einzuschätzende Studieneingangsphase klammheimlich doch als Selektionsinstrument verwendet wird, und wenn ich den Kollegen Böhm nicht ganz falsch verstanden habe, würde er das durchaus begrüßen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. )

Mit dem Vorwand, Hilfestellung zu leisten und Information für die Studienanfänger zu bieten, soll dafür gesorgt werden, daß die Zahl der Studierenden, ich sage es einmal so, kontrollierbar wird. Würde dies aufgrund dieses Gesetzes so praktiziert werden, wäre das eine sehr unehrliche Lösung und ein Versuch, sich vor einer klaren politischen Entscheidung zu drücken, möchte ich sagen.

Eine Bestimmung des Gesetzes möchte ich noch kurz hervorheben, meine Damen und Herren, weil ich denke, daß sie von großer Bedeutung ist, obwohl sie unscheinbar in der Masse der gewichtigen Paragraphen unterzugehen droht, und ich meine § 7 Abs. 2. Ich zitiere: Bei der


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Gestaltung des Lehrangebotes ist die besondere Situation der berufstätigen Studierenden zu berücksichtigen. Lebenslanges Lernen wird heute weltweit als Devise ausgegeben, und lebenslanges Lernen ist für die unbedingten Nachqualifizierungen und Höherqualifizierungen im Berufsleben notwendig. Lebenslanges Lernen deckt aber auch Bedürfnisse durch Bildung ab, die außer- oder nachberuflich vorhanden sind. Die Universitäten noch weiter für berufstätige Studenten oder Seniorenstudenten zu öffnen, ist fruchtbringend für beide Seiten. Das Ineinanderfließen von Lehre und Praxiserfahrung kann nur von Vorteil sein, und Praxisnähe in der Lehre wird ja oft und gerne von den verschiedensten Seiten gefordert, und Praxisnähe fordert auch § 9 des Gesetzes – Kollege Böhm hat ja davon gesprochen –, mit dem den Studienkommissionen die Berechtigung erteilt wird, den Studierenden die Absolvierung einer facheinschlägigen Praxis vorzuschreiben. Daher möchte ich zusammenfassend und abschließend festhalten, daß ich diesem autonomie- und demokratiefördernden Gesetz sehr gerne meine Zustimmung geben werde. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.07

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht gegeben.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Studien an den Universitäten, Universitäts-Studiengesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um eine Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forschungsorganisationsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über Gleichwertigkeiten im Bereich der Reifezeugnisse und des Hochschulwesens samt Anlagen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend einen Notenwechsel zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die gegenseitige Anerkennung akademischer Grade und Titel samt Anlage.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Protokoll über die Fortführung der Aktion Österreich – Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperation.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14. Punkt

Bericht betreffend Expertenentwurf für ein Technologiepolitisches Konzept 1996 der Bundesregierung, vorgelegt vom Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst und vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (III-158/BR sowie 5411/BR der Beilagen)

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung: Bericht betreffend Expertenentwurf für ein Technologiepolitisches Konzept 1996 der Bundesregierung, vorgelegt vom Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst sowie vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.

Die Berichterstattung hat der Herr Bundesrat Gottfried Jaud übernommen. Ich ersuche ihn höflich um den Bericht.

Berichterstatter Gottfried Jaud: Sehr geehrter Herr Präsident! Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Bericht betreffend den Expertenentwurf für ein Technologiepolitisches Konzept 1996 liegt Ihnen vor.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Danke.

Hoher Bundesrat! Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile es ihm.

15.11

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es freut mich, daß der Herr Bundesminister wenigstens Ausdauer beweist und bei uns bleibt und bei uns geblieben ist. Leider ist das bei den Abgeordneten, meine Damen und Herren, nicht der Fall, aber wahrscheinlich erweckt dieses Technologiepolitische Konzept das Interesse der Damen und Herren nicht sehr, was ich natürlich bedaure. (Bundesrat Meier: Bei Ihnen sind auch nicht alle da!) Das bedaure ich ebenfalls, Herr Kollege, Sie haben völlig recht. Es sollte uns alle überraschen, daß dieser ansehnliche Expertenentwurf hier im Bundesrat zur Debatte steht, und zwar deshalb, weil auch der Nationalrat noch keinen Beschluß gefaßt hat und im zuständigen Unterausschuß die Arbeiten noch nicht abgeschlossen werden konnten, trotzdem es hiefür einen Termin – das wird der Herr Bundesminister bestimmt bestätigen –, nämlich bis zum 31. Dezember 1996 gegeben hat.


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Man konnte diese Arbeit nicht abschließen, hat man uns im Ausschuß erzählt, weil im vergangenen Jahr, im Jahr 1996, nur eine einzige Sitzung dieses Unterausschusses stattgefunden hat. Die Herren hatten offensichtlich Wichtigeres oder Dringenderes zu tun.

Es hat uns aber überrascht, daß sowohl die Damen und Herren der Sozialdemokratischen Partei als auch der Volkspartei im Wirtschaftsausschuß diesen Bericht sofort zur Kenntnis genommen haben und wahrscheinlich auch heute zur Kenntnis nehmen werden.

Jeder, der sich ehrlich mit Technologiepolitik, die sehr wichtig ist, beschäftigt, wird feststellen, daß die Art und Weise, wie mit dieser umgegangen wird, eigentlich ein Trauerspiel ist, denn es wird so getan, als ob es in Österreich keine Betriebe gäbe, als ob es in Österreich keine innovativen Unternehmer gäbe, keine Universitäten gäbe, die auf Ergebnisse warten.

Als vor wenigen Monaten im Rahmen der sogenannte CA-Privatisierung von einer Technologiemilliarde die Rede war, von der ersten von 3 Milliarden, hatten wir eigentlich geglaubt, daß nun endlich Dynamik, daß Schwung, daß Begeisterung in diese Beschäftigung mit diesem Thema kommt, aber es hat auch heuer nur eine einzige Sitzung dieses Unterausschusses gegeben, und die nächste ist angeblich Ende April, im Mai oder vielleicht im Juni vorgesehen. Sonst ist eigentlich nichts passiert, mit der Ausnahme, daß wir heute den Bericht zur Kenntnis nehmen sollen.

Wahrscheinlich wird es diese zweite CA-Milliarde geben, wird diese zur Verfügung stehen, bevor man in den beiden Ministerien konkret weiß, was man eigentlich mit dem Geld machen soll. Die Schwerpunktmaßnahmen im Rahmen dieser Technologie-Milliarde, die vor allem vom Minister Farnleitner vorgelegt wurden, sind uns selbstverständlich bekannt. Es hat uns nicht gewundert, daß Forschung und Technologie für die Beschäftigungsfrage, für die Beschäftigungspolitik außerordentlich bedeutend sind – das steht da drinnen –, daß die Ausgaben in Österreich für Forschung und Entwicklung unter dem EU-Durchschnitt liegen und daß die Regierung beabsichtigt, die Forschungsausgaben anzuheben. Auch die Schwerpunkte sind für uns verständlich, nämlich Förderung von Risikokapital, Förderung von Patentverwertungen. Es gibt in Österreich ja viele, viele Patente, die nicht verwertet werden. Förderung des Zugangs zum Unternehmertum – alles richtige Ansätze.

Faktum ist aber, meine Damen und Herren, daß bereits 1989 von der Bundesregierung ein Technologiepolitisches Konzept erstellt worden ist. 1989! 1992 wurde dann im Zuge der Evaluierung dieses Konzeptes festgestellt, daß dieses Konzept insbesondere einen mangelhaften Zusammenhang zwischen den Grundsätzen, den Zielen und den Maßnahmen aufweist. Es hat sich aber bis heute nichts geändert.

Man war Ende der achtziger Jahre offensichtlich schon weiter. Man könnte sagen, in der Technologiepolitik ging es seit damals bergab. 1988 wurden nämlich 8 Milliarden des Erlöses aus der Teilprivatisierung, aus dem teilweisen Verkauf der Energieunternehmen EVN und des Verbundes, zweckgebunden für Technologieprojekte gewidmet und in den neugegründeten ITF, in den Innovations- und Technologiefonds, eingebracht. Diese 8 Milliarden Schilling sind aber in den Folgejahren, zum Teil zumindest, in irgendwelchen Budgetlöchern verschwunden. Den ITF gibt es noch, aber es gibt jetzt nicht nur diesen ITF, wie Sie alle wissen, meine Damen und Herren, es gibt jetzt auch den FWF, den Fonds zur Förderung von Wissenschaftlicher Forschung. Es gibt den FFF, den Forschungsförderungsfond der gewerblichen Wirtschaft. Natürlich gibt es auch den ERP-Fonds, und natürlich gibt es auch die BÜRGES, die jetzt BÜRGES-Förderbank heißt.

Es ist kein Wunder, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß sich Jungunternehmer auf dem Gebiet der Technologieförderung, der Forschung einfach nicht auskennen. Aber es sind wahrscheinlich nicht nur Jungunternehmer, die sich hier nicht auskennen, denn der Kompetenzdschungel dürfte wohl auch diesem Unterausschuß zu schaffen gemacht haben.

Den bereits erwähnten ITF gibt es nach wie vor. Dieser erhält aus dem Budget jetzt nur mehr die fiktiven Zinsen für die seinerzeitigen 8 Milliarden Schilling, diese fiktiven Zinsen werden aber immer geringer, weil die Zinsen an den Lombardsatz gebunden sind, und bekanntlich ist der


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Lombardsatz stark auf der Bewegung nach unten, daher steht immer weniger Geld zur Verfügung.

Ich sage noch etwas, weil das alle belastet, denen wirtschaftliche Fragen am Herzen liegen. Es passiert rund um uns viel, sodaß die Versäumnisse in Österreich noch gravierender sind, zum Beispiel unternimmt Bayern gewaltige Anstrengungen. Man hat dort innerhalb von zwei Jahren 35 Milliarden Schilling aus Privatisierungen flüssig gemacht und das Geld in eine gigantische Technologie- und Innovationsoffensive gesteckt, und wir nehmen heute – Sie werden verstehen, daß das ohne uns sein wird – diesen Bericht zur Kenntnis, der unserer Meinung nach völlig unverbindlich ist, den Status quo beschreibt, die Strukturschwäche in Österreich beschreibt, das System beschreibt, uns erläutert, was eigentlich zielgerichtete Technologiepolitik sein könnte, aber die unbedingt notwendigen detaillierten Umsetzungsschwerpunkte, Umsetzungsschritte erfolgen erst in der Phase zwei. Wir fragen, wann das sein wird.

Man könnte an den Herrn Bundesminister – Sie werden wahrscheinlich Ihren Kollegen heute vertreten, nehme ich an – folgende konkreten Fragen stellen, und ich gehe gar nicht davon aus, daß diese alle beantwortet werden, ich stelle sie aber trotzdem, und zwar unter Bezugnahme auf Seite 8 des hier vorliegenden Berichtes, wo von der Mobilisierung privater Investitionen die Rede ist. Daraus ergibt sich die Frage, ob man Einstiegsbarrieren zur Erleichterung von Neugründungen, zur Erleichterung von Investitionen innovativer junger Unternehmer beseitigen wird. Auf Seite 36 des Berichtes ist von der Konzipierung technologiepolitischer Maßnahmen die Rede, und hier fehlen die unserer Meinung nach ganz wichtigen, expliziten Darstellungen der Auswirkungen auf die Beschäftigungspolitik. Warum ist in Österreich – ich verweise auf Seite 43 – die Evaluierung von Programmen und Institutionen noch immer keine regelmäßige Praxis?! In Kanada, Amerika, aber auch in den Skandinavischen Ländern ist das nahezu eine Selbstverständlichkeit. Welche Maßnahmen – das wäre eine weitere Frage, die sich aus diesem Bericht ergibt – wird die Bundesregierung überhaupt setzen, um Finanzierungsprobleme innovativer klein- und mittelständischer Unternehmen zu erleichtern. Es gibt einen kleinen Hinweis auf Seite 46, aber im Prinzip keine konkrete Anleitung. Welche Initiativen wird man sich einfallen lassen, um privates Finanzkapital zu mobilisieren, und ganz generell: Gibt es überhaupt irgendwelche Vorschläge zur Vereinheitlichung dieses Förderungsdschungels auf diesem Gebiet?

Meine Damen und Herren! Ich fasse zusammen. Die wirtschaftliche Entwicklung, die Beschäftigungslage, wäre an sich und ist, kann man sagen, dazu angetan, daß Eile geboten ist. Eine Sitzung per anno des zuständigen Unterausschusses ist sicherlich zu wenig, vor allem so lange zu wenig, so lange es keine Lösungen gibt. Der von mir dargestellte Kompetenzdschungel gehört aufgelöst. Es ist ja überhaupt die Frage, ob die Einsetzung der neuen Projektgruppe beim Herrn Bundeskanzler Klima zum Thema Technologiepolitik nicht ohnedies schon ein Beweis dafür ist, daß es doch in der Bundesregierung Personen gibt, die auch der Meinung sind, daß auf diesem Gebiet zu wenig passiert, ob allerdings damit der Kompetenzdschungel, da jetzt drei Ministerien quasi zuständig sind, verbessert wird, das ist eine Frage, die ich eher mit Nein beantworten würde.

Wir von den Freiheitlichen hoffen, daß es stimmt, daß sich die Koalition kollektives Nachdenken über effizientere Strukturen auf diesem Gebiet verordnet hat. Wir werden die Ergebnisse sehr kritisch ansehen.

Die heutige Zeit, meine Damen und Herren, ist viel zu schnellebig, daß die Experten Zeit haben, sich drei Jahre über ein technologiepolitisches Konzept zu unterhalten und Entwürfe auszuarbeiten. Die heutige Zeit ist viel zu schnellebig, daß von der Absegnung im Ministerrat, vom Beschluß im Ministerrat Monate vergehen können, bis konkrete Maßnahmen eingeleitet werden. Ich rede gar nicht von Greifen, aber eingeleitet werden. Das vorliegende Konzept beziehungsweise der Expertenentwurf, wie er heißt, ist für uns ein erster zaghafter Schritt – zugegebenermaßen in die richtige Richtung –, aber keinesfalls der Aufbruch zu einer neuen konzeptiven Technologiepolitik. Sie werden verstehen, daß wir diesem Entwurf nicht die Zustimmung geben können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.22


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Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. Ich erteile es ihm.

15.22

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Der vorliegende Expertenentwurf für ein Technologiepolitisches Konzept der Bundesregierung gibt uns die Gelegenheit, dieses Thema ausführlich zu behandeln und daraus konkrete Schlüsse zu ziehen und, so hoffe ich, auch Zielsetzungen und Maßnahmen für die Zukunft zu erörtern. Vielleicht ist es auch notwendig, einleitend einige Vorfragen zu klären, nämlich die Frage, wer Auftraggeber und Auftragnehmer dieses Expertenentwurfes war, und weiters, welche Zielsetzung damit eigentlich verbunden wurde.

Es gab nämlich schon vor mehr als zehn Jahren, konkret 1986/87 – also noch früher, als Sie es ausgeführt haben, Herr Kollege Harring (Bundesrat Dr. Harring: Es wird immer schlimmer!) –, ein Technologiekonzept des Bundes, wobei die Rahmenbedingungen unseres Landes erhoben und internationale Vergleiche angestellt wurden. Dieses seinerzeitige Konzept wurde schließlich im Jahre 1989 evaluiert, schloß aber damals die Ostöffnung und Österreichs Beitritt zur EU noch nicht mit ein. Im Frühjahr 1994 erteilten der damalige Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten einerseits und der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner andererseits den Auftrag, ein Technologiepolitisches Konzept vorzulegen. Den Auftrag erhielten das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung, das österreichische Forschungszentrum Seibersdorf, Abteilung Technologieforschung, und die renommierte Forschungsgesellschaft Johanneum-Research.

Konkret sollten dabei die österreichische technologische Situation in allen Politikbereichen untersucht, der Stellenwert in Europa analysiert und allgemeine Strategien festgestellt werden, ohne bereits konkrete Maßnahmen vorzuschlagen. Bereits wenige Monate später, im Oktober 1994, lag seitens der genannten Institute ein erster Bericht vor. Der Entwurf schien allerdings den Auftraggebern nicht umfassend genug gewesen zu sein – dies schließe ich aus der Tatsache, daß ein erweiterter Auftrag zur Überarbeitung, vor allem aber auch zur Einbeziehung Dritter, erfolgte.

Im Juli des Vorjahres, unmittelbar nach Vorlage des überarbeiteten Konzeptes, wurde der gegenständliche Entwurf dem Parlament zugeleitet, und im September 1996 seitens der Bundesregierung auch zur Kenntnis genommen.

Vom zuständigen Ausschuß des Nationalrates, dem Industrieausschuß, wurde dazu ein Unterausschuß eingerichtet, wobei dieser einmal im Herbst des Vorjahres und einmal im Februar des heurigen Jahres Beratungen durchführte, aber noch zu keinem Ergebnis kam, weshalb seitens des Nationalratsplenums bisher auch noch keine Kenntnisnahme des Entwurfes erfolgte. Dessen ungeachtet war die Frage der technologischen Entwicklung unseres Landes im Rahmen einer aktuellen Stunde am 19. März des Jahres Schwerpunkt der parlamentarischen Debatte, als das Thema Technologieförderung zur Schaffung von Arbeitsplätzung und Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich erörtert wurde.

Lassen Sie mich nach dieser eher administrativ-technischen Einleitung zur eigentlichen Frage, die sich bei näherer Betrachtung stellt, und damit zum Kern des Themas vordringen. Die Frage lautet: Welche Schlußfolgerungen sind aus der gegenständlichen Vorlage für Politik und Wirtschaft unseres Landes zu ziehen. Für mich persönlich habe ich bereits eine Antwort gefunden. Es geht um Einflußsphären und verbindet damit auch eine Forderung, die da lautet: Zusammenführung von Technologie und Forschung sowie rasche Umsetzung struktureller und organisatorischer Reformen, insbesondere in allen Zuständigkeits- und Entscheidungsebenen. Das Ziel muß eine Flurbereinigung mit eindeutig klaren Kompetenzen sein, künftig muß eine politische Zuständigkeit und Entscheidungsebene die technologische Entwicklung unseres Landes zügig vorantreiben. Die Zeit gegenseitiger Blockaden aufgrund unterschiedlicher Interessenslagen und Befindlichkeiten muß endlich ein Ende haben.

Die technologische Entwicklung unseres Landes ist von strategischer Bedeutung für die nächsten Jahrzehnte. Jetzt geht es um Arbeitsplätze und damit um Menschen, die


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Beschäftigung, Hoffnung und auch Zukunft brauchen. Wissenschaft und Technik haben seit dem Beginn der industriellen Revolution, aber insbesondere in den vergangenen Jahrzehnten Wirtschaft und Gesellschaft, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in einem in der bisherigen Menschheitsgeschichte auch nicht annähernd gekannten Umfang und Tempo verändert. Diese Entwicklung wird sich zunehmend in absehbarer Zukunft fortsetzen. Die Entwicklung in der Informations- und Kommunikationstechnologie, in der Bio- und Gentechnologie, der Medizintechnik, Sensortechnik, Automatisation und Robotertechnik, um nur einige Bereiche der neuen Technologien zu nennen, werden die Gesellschafts- und Arbeitswelt weiter grundsätzlich verändern. Mit der Entwicklung und dem Einsatz neuer Erkenntnisse und Technologien sind Chancen und Risken verbunden. Es ist die wichtigste allgemeine Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, daß die mit den neuen technischen Entwicklungen verbundenen Möglichkeiten zur Steigerung der Lebensqualität, des Lebensstandards und zur Bewältigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Probleme genützt werden. Gleichzeitig muß getrachtet werden, Risken und Bedrohungen durch neue Technologien rechtzeitig zu erkennen und zu minimieren.

Aufgabe der Politik ist es, nicht nur dafür zu sorgen, daß der Nutzen der neuen Technologien für breiteste Bevölkerungskreise spürbar und erkennbar wird, sondern auch möglichst viele Menschen in die Lage zu versetzen, die neuen Technologien sinnvoll zu nutzen. Die Schaffung eines öffentlichen Meinungsklimas, in dem Wissenschaft, Technik und Innovation mehr als Chance und weniger als Bedrohung gesehen werden, ist eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche und rechtzeitige Implementierung neuer Technologien in den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft und Wirtschaft.

Forschung und Entwicklung, die Produktion und Anwendung neuer Erkenntnisse, vor allem aber die Nutzung des vorhandenen zugänglichen Wissens, die häufig mit den Begriffen "Technologietransfer" und "Technologiediffusion" beschrieben wird, wurde zum wichtigsten Faktor der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und der Volkswirtschaften.

Im Rahmen der Wirtschafts- und Standortpolitik ist diesem Bereich daher in allen Industrieländern in der Vergangenheit zunehmende Beachtung geschenkt worden. Der Einsatz von Ressourcen für Forschung und Entwicklung durch die EU, die Nationalstaaten, die Regionen und die Unternehmungen wurde in den vergangenen Jahrzehnten erhöht. Österreich hat in den Bereichen Forschung und Entwicklung und Hochtechnologie im Vergleich zu den führenden Industrieländern quantitative und qualitative Defizite, die in den nächsten Jahren reduziert werden müssen.

Die Forschungsquote, also Forschungs- und Entwicklungsausgaben des Staates und der Unternehmungen in Prozent des Bruttoinlandprodukts in Österreich, hat sich in den vergangenen zehn Jahren von 1,3 Prozent im Jahr 1986 auf 1,5 Prozent 1995 erhöht. Trotzdem liegt Österreich bezüglich dieses Wertes deutlich hinter den führenden Nationen und Regionen. Im Schnitt der EU lag dieser Wert bei 2 Prozent, und im gesamten OECD-Bereich bei 2,2 Prozent. Schweden lag in den frühen neunziger Jahren bei 3,3 Prozent, Finnland bei 2,2, Schweiz bei 2,7, Japan bei 3,0 und die USA bei 2,9 Prozent. Für Deutschland beträgt dieser Wert rund 2,7 Prozent.

Beim Vergleich mit der EU und der OECD ist auch zu berücksichtigen, daß in diesen Werten erhebliche Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen für die Rüstungswirtschaft und die Raumfahrt enthalten sind. In der zivilen Forschung wiederum ist der Mitteleinsatz in Österreich in einem sehr hohen Maß auf die Universitäten konzentriert – 64 Prozent gegenüber 35 Prozent in der EU der 15. Die Erhöhung der Forschungsquote von 1,5 auf 2 Prozent würde jährlich einen zusätzlichen Mitteleinsatz von Staat und Unternehmungen in der Höhe von rund 10 Milliarden Schilling erfordern.

Der Rückstand Österreichs im Forschungs- und Entwicklungssektor zeigt sich auch bezüglich des Anteils von Forschern an den Gesamtbeschäftigten. In Österreich entfielen auf 1000 Beschäftigte 25 Forscher, in Nordamerika betrug dieser Wert 71, in der EU der 15 waren es 42, in der OECD 56, in Deutschland 59, in Schweden 57 und in der Schweiz 46. Auch hinsichtlich des Anteils von Universitätsabsolventen und insbesondere von Technikern an der Zahl der Gesamtbeschäftigten, also Akademikerquote und Technikerquote, ist dieser Rückstand festzustellen.


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Aussagekräftiger über den tatsächlichen technologischen Standard der Wirtschaft der verschiedenen Länder sind die Daten des Außenhandels. Sie zeigen den realisierten Erfolg bei der Umsetzung des technologischen Wissens auf den internationalen Märkten. Österreich hat ein hohes und chronisches Handelsbilanzdefizit – 1996 waren es rund 115 Milliarden Schilling.

In den vergangenen drei Jahren hat sich auch die gesamte Leistungsbilanz Österreichs durch die starke Verringerung des Überschusses aus dem Reiseverkehr deutlich passiviert. Das Leistungsbilanzdefizit 1996 betrug rund 48 Milliarden Schilling. Dies ist auch ein Ergebnis der Schwäche des Hochtechnologiebereiches in der österreichischen Wirtschaft, die sich in der Struktur des österreichischen Außenhandels widerspiegelt.

Das WIFO stellte zu diesem Thema im Monatsbericht 2/1997 fest: "Der Grad der Spezialisierung auf technologisch anspruchsvolle Güter ist im österreichischen Export- und Industrieland außerordentlich gering."

Und weiters: "Österreich ist mit einem Anteil humankapitalintensiver Güter am gesamten Industriewarenexport von 52,3 Prozent und einem Hochtechnologieanteil von 8,2 Prozent deutlicher weniger auf technologisch hochwertige Produkte spezialisiert als vergleichbare kleine Volkswirtschaften wie die Schweiz und Schweden. Der technologische Spezialisierungsgrad bleibt in Österreich weit hinter dem der OECD-Länder zurück, nämlich bei 63,7 beziehungsweise 17,5 Prozent. Forschung und Entwicklung, der Ausbau der Technologie- und Bildungsinfrastruktur müssen als wichtige Bestandteile der gesamten Standort- und Industriepolitik gesehen werden. Es müssen insgesamt die Bedingungen für den Ausbau bestehender und den Aufbau neuer Industriezweige für die Erhöhung der Wertschöpfung und die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen verbessert werden. Dazu gehören eine leistungsfähige Infrastruktur, attraktive Standortangebote, investitionsfreundliche rechtliche Rahmenbedingungen, die effiziente und rasche Abwicklung von Genehmigungsverfahren und dergleichen mehr."

Die Länder der industrialisierten Welt befinden sich also in einem radikalen Umbruch, und die Stichworte dazu sind einer zunehmend verunsicherten Öffentlichkeit bekannt: Globalisierung und Liberalisierung des Welthandels, Auftauchen neuer, mit Kostenvorteilen ausgestatteter Konkurrenten am Weltmarkt, Erhöhung der Unsicherheit für Arbeitnehmer und Unternehmer bei Zunahme von Flexibilisierung, Arbeitsteilung und radikale Verkürzung von Produktlebenszyklen sowie der Einsetzbarkeit erworbenen Wissens – all dies unterlegt und beeinflußt von einem beschleunigten Einsatz neuer Technologie.

Österreich wurde in den letzten Jahren von dieser Entwicklung mehr und mehr erfaßt. Gerade der immer umfangreicher definierte gemeinsame Markt Europa ist zusammen mit der Aufhebung der Zweiteilung des Kontinents Anlaß und Katalysator für Strukturveränderung, der dem stabil konzipierten Gesellschaftsmodell der Aufbaugeneration über weite Strecken den Boden entzieht. Technologiepolitik ist ein Eckpfeiler des nötigen Modernisierungsschubes. Wo Phasen des Umbruchs im Sinn der vielzitierten kreativen Zerstörung erlebbar werden, können wir uns nicht mit Versuchen begnügen, die Zerstörung zu verhindern, sondern wir müssen die Kreation, das Neue, unterstützen.

Letztendlich ist das auch bewußte Strategie praktisch aller Industriestaaten. Große Investitionen laufen in Forschungs- und Technologieprogramme sowie in Technologieinfrastrukturen. Hier zeigen sich klare Aufgaben für die öffentliche Hand: Risikoausgleich, Internationalisierung externer Effekte, Zurverfügungstellung von Infrastrukturen und ähnliches. Um dabei möglichst effektiv vorgehen zu können, planen die meisten Staaten ebenso wie die Europäische Union und viele Regionen ihre Vorgehen systematisch. Mittels technologiepolitischer Konzeptionen werden abgestimmte Strategien und Maßnahmenpakete festgelegt.

Für Österreich liegt mit dem vorliegenden technologiepolitischen Konzept eine umfassende und analytisch genaue Strategiesetzung vor. Damit werden den für Technologiepolitik und Strukturwandel zuständigen Ressorts klare Aufgabenlinien zugewiesen, nämlich die Bündelung von Ressourcen für wirtschaftlich und gesellschaftlich wichtige Aufgabenschwerpunkte, die breite Streuung bestehenden Wissens, Förderung von Kooperationen auf allen Ebenen, die Konzen


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tration auf die Stärkung der materiellen und der Wissensinfrastrukturen, und schließlich die Stärkung der Forschungsbasis mit den Schwerpunkten Industrieforschung und Internationalisierung.

Mit der Kenntnisnahme des Expertenentwurfes durch die Bundesregierung im September des Vorjahres durch die Bundesregierung wurden die Minister Scholten und Farnleitner gleichzeitig beauftragt, bis Ende 1996 politische Strategien sowie konkrete Aktionslinien zu erarbeiten.

Ich führte bereits aus, daß die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Österreich gegenwärtig unter dem EU-Durchschnitt liegen. Die Bundesregierung beabsichtigt deshalb im Rahmen dieses umfassenden Konzeptes, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in den nächsten Jahren deutlich auszubauen. Dabei werden unter anderem Maßnahmen gesetzt, die eine entsprechende Anhebung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Industrie bewirken sollen. Derartige Maßnahmen sind eine Erhöhung der Mittel für die Förderung der Unternehmensforschung, die Förderung der Niederlassung von forschungsintensiven Betrieben und die direkte Förderung für den Ausbau von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in Unternehmen.

Als erster Schritt zur Erhöhung der öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben wird die aus Privatisierungserlösen zu speisende Technologiemilliarde des Jahres 1997 verwendet, 500 Millionen Schilling zu gleichen Teilen für Forschungsförderungsfonds, Innovations- und Technologiefonds und den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. 500 Millionen Schilling sollen schwerpunktmäßig für Sonderprogramme wie den Ausbau industrienaher Forschungseinrichtungen und Internationalisierungsmaßnahmen aufgewendet werden, für die Aktivierung von Risikokapital von High-Tech-Firmen, für die Entwicklung von innovativen Modellen der Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, für Programme zur Förderung des Einsatzes von Wissenschaftlern in der Wirtschaft und so weiter verwendet werden. In der Folge wird 1998/99 zur Fortsetzung dieser Programme eine weitere Technologiemilliarde zur Verfügung gestellt werden.

Zur Verbesserung des Technologietransfers sind folgende umfassende Maßnahmen beabsichtigt: Schwerpunkte im ERP-Fonds. Als erster Schritt in diese Richtung wird im Rahmen eines neuen ERP-Sonderprogrammes eine Finanzierung für innovative Produkte im Umfang von 3 Milliarden Schilling zur Verfügung gestellt, die an eine spätere Kapitalaufbringung über die Börse gebunden sein sollen. Damit soll der Aufbau neuer Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in der Industrie gefördert werden. Zum Ausbau außeruniversitärer Forschungsinstitute wird die gezielte Förderung industrienaher anwendungsorientierter Forschung bezweckt und werden branchen- und standortbezogen neue Forschungsinstitute mit spezifischer Thematik, zum Beispiel den Werkstoffwissenschaften oder der Telekommunikation, eingerichtet. Außerdem sollen durch den Ausbau und die Regionalisierung der bestehenden Einrichtungen, also konkret des Österreichischen Forschungszentrums Seibersdorf, des Johanneum Research, des Forsch- und Prüfzentrums Arsenal, der Christian Doppler-Labors und kooperativer Forschungsinstitute eine bessere Einbindung in regionale Wirtschaftsstrukturen erreicht werden.

Hinsichtlich der Förderung regionaler Technologiecluster und der Verbesserung des Wissenstransfers durch den Ausbau von Technologiezentren und Zukunftsparks soll deren Anbindung an bestehende Forschungs- und Transfereinrichtungen sowie an regionale Industriestrukturen ermöglicht werden. Die Vernetzung bestehender Strukturen soll schließlich zur Beschleunigung und qualitativen Verbesserung weiterentwickelt werden. Wesentliches Element ist die regionale Einbindung in die mittelständische Wirtschaft und internationale Einbindung in passende Aktionen des fünften EU-Rahmenprogramms und schließlich die Förderung der Mobilität zwischen Wirtschaft und Wissenschaft durch Einrichtung entsprechender Stipendien, durch Ausweitung der Programme "Wissenschafter für die Wirtschaft" und "Wissenschafter gründen Firmen" sowie Ausweitung des Kernfinanzierungsprogramms und Adaptierung des bestehenden Dienst- und Besoldungsrechtes und kritische Überprüfung der Pragmatisierungspraxis.

Auch an die Einrichtung privatwirtschaftlicher Verwertungsgesellschaften wird gedacht. Österreichische Erfinder und Wissenschafter müssen bei der ökonomischen Umsetzung ihrer Er


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findungen und Forschungsergebnisse besser unterstützt werden. Dazu ist unter anderem die Einrichtung privatwirtschaftlicher Patentverwertungsagenturen für die Universitäten geplant. Wirtschaftsrelevante Institute sollen dadurch stärkere ökonomische Anreize erhalten, um Forschungsergebnisse und Erfindungen umzusetzen und die Ausrichtung der Institutsaktivitäten mit der Nachfrage der Unternehmungen abzustimmen.

Bei den Förderkoordinationen wird eine entsprechende Koordination der neuen und vorhandenen Forschungs- und Entwicklungsfördermittel zu gewährleisten sein und dafür eine ARGE Wissenschaft und Technologie eingerichtet. Diese ARGE setzt sich aus je einem Repräsentanten des Forschungsförderungsfonds, des Fonds der wissenschaftlichen Forschung, des ERP-Fonds und der beiden Ministerien, also des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten und des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr, zusammen.

Die Projekte der beiden Großforschungseinrichtungen Austron und Eurocryst werden zur zusammenfassenden Beurteilung vorgesehen.

Auf der Grundlage dieser Beurteilung wird die Bundesregierung noch im heurigen Jahr eine Grundsatzentscheidung über die etwaige Einrichtung beziehungsweise Ausrichtung einer Großforschungseinrichtung in Österreich zu treffen haben. Unter Anerkennung der zunehmenden Rolle neuer Technologien zeigt diese umfassende Darstellung bereits eingeleiteter Maßnahmen seitens der österreichischen Bundesregierung ganz besonders deutlich, daß Wissen als Produktionsfaktor eine überragende Bedeutung erlangt, welche sich in den nächsten Jahrzehnten noch steigern wird. Die Forcierung von Wissensproduktion und -verbreitung sowie die Unterstützung innovativer Unternehmen stellt ein wichtiges Instrument im Kampf um Strukturverbesserung und damit um bestehende und zukünftige Arbeitsplätze dar.

Für Österreich steht dieser Strukturwandel an der Spitze des politischen Aufgabenkatalogs. Nur durch konkrete Maßnahmen, wie ich sie in meinem Beitrag skizzieren konnte, werden wir ein weiteres Ansteigen der Arbeitslosigkeit und einen für alle spürbaren Verlust von internationaler Wettbewerbsfähigkeit vermeiden können. Dabei geht es nicht oder nicht nur um Gefahren- und Katastrophenszenarios. Offenheit nach außen, Modernisierung und ein Bekenntnis zu einem gemeinsamen Europa sind positive Politikziele, denen wir uns verpflichtet fühlen.

Und in diesem Sinn nimmt meine Fraktion den vorliegenden Entwurf des technologiepolitischen Konzeptes der Bundesregierung zur Kenntnis und hofft auf rasche Umsetzung der dargestellten Erkenntnisse und Maßnahmen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.42

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile es ihm.

15.42

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich begrüße es durchaus, daß die technologiepolitische Zukunft Österreichs zum Gegenstand parlamentarischer Beratungen gemacht wurde. Die technologiepolitische Entwicklung Österreichs ist mit Sicherheit eine wesentliche Determinante dafür, daß Produktivität, Beschäftigung und Wohlstand mittel- und langfristig positiv beeinflußt werden. Eine moderne Technologiepolitik kann aber nie für sich alleine stehen, sondern muß eng mit relevanten Politikfeldern wie mit Industrie-, Forschungs- und Bildungspolitik verknüpft sein. Nur so können wir den Wirtschafts- und Industriestandort Österreich erfolgreich gestalten und im globalisierten internationalisierten Wettbewerb konkurrenzfähig bleiben. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß in Österreich nur etwa 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Wissenschaft und Forschung ausgegeben werden. Die vergleichbare Quote in Deutschland, der Schweiz, den USA und in Japan liegt zwischen 2,5 und 3 Prozent. Es wäre auch notwendig, diese vergleichsweise unterdotierte Quote in Österreich kräftig auszubauen und Forschung und Wissenschaft mehr auf wirtschaftsorientierte Bereiche mit Bedarfsorientierung zu fokussieren. Hierzu ist der Einsatz von direkten und indirekten


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Förderungsmaßnahmen mit voller EU-Konformität angebracht. Laut Untersuchungen, die das Wirtschaftsministerium durchgeführt hat, löst ein Schilling in der Forschung zwischen 8 und 15 S Umsatz aus. Im Forschungsbereich selbst können hochwertige Arbeitsplätze geschaffen werden.

Meine Damen und Herren! Zweifelsohne ist es wichtig, einen Befund über den technologiepolitischen Zustand zu haben, aber natürlich ist es noch viel wichtiger, die richtigen Maßnahmen zu setzen. Wir können hier in diesem Hohen Bundesrat und im Hohen Haus insgesamt noch unendlich viele Verteilungsdebatten aus unterschiedlichen Sichtwinkeln heraus führen – bei der Technologiepolitik haben wir die Chance, mit einer intelligenten Politik einen Beitrag dafür zu leisten, daß wir auch etwas zu verteilen haben. Das heißt aber nicht, daß nicht gerade jetzt finanzielle Impulse in der Technologiepolitik nottun. Daher ist es zu begrüßen, daß die Bundesregierung beschlossen hat, in den Jahren 1997 bis 1999 jeweils zusätzlich eine Milliarde für Forschungs- und Technologieförderung zur Verfügung zu stellen. Die Technologiemilliarde ist eng verknüpft mit Arbeiten zu technologiepolitischen Konzepten und stellt quasi die erste Umsetzungsmaßnahme dar. Die Technologiemilliarde soll ja einerseits zur Stärkung des bestehenden Förderungsinstrumentariums eingesetzt werden und andererseits zur schwerpunktmäßigen Förderung von Technologiesonderprogrammen.

Meine Damen und Herren! Es gilt festzuhalten, daß die österreichische Technologiepolitik einer Erhöhung öffentlicher wie auch privater Aufwendungen für Innovation, Forschung, Technologie und Entwicklung braucht. Der hierfür notwendige Impuls muß in der ersten Welle von der öffentlichen Hand kommen. Längerfristig ist insbesondere der Anteil privater Mittel zu erhöhen, wofür entsprechende Anreize zu schaffen sind. Das wird ohne entsprechende Maßnahmen im Bereich der indirekten Förderungen nicht möglich sein. Es ist bereits angesprochen worden – ich glaube diesbezüglich gibt es keine Uneinigkeit –, daß eine Straffung des Förderungssystems nottut. Ich habe nirgendwo vernommen, daß Gegenteiliges behauptet wird. Der Einsatz von direkten Forschungs- und Technologieentwicklungsförderungsmitteln ist vor allem gezielt zur Verbesserung von Strukturschwächen im österreichischen Innovationssystem zu verwenden, wobei Programmen, die eine besondere Schubkraft oder einen besonderen Multiplikatoreffekt haben, der Vorrang zu geben ist. Es ist ja zuvor bereits vom Kollegen gesagt worden, daß hier eine ARGE für Wissenschaft und Technologie ins Leben gerufen worden ist oder wird, welche aus den Repräsentanten der beteiligten Ministerien besteht.

Es sollte uns jedenfalls zu denken geben, daß Österreich im EU-Vergleich eine unterdurchschnittliche Gründungsrate aufweist. Neben der Einleitung von Entbürokratisierungsprozessen muß die öffentliche Hand vor allem im Bereich von Kapital- und Know-how-Beschaffung substantielle Hilfestellungen anbieten. Diese sollten sich überwiegend auf den Bereich von Beratung und Vermittlung von Informationsleistungen konzentrieren.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich glaube, alle, die wir hier sitzen, sind in einer Zeit aufgewachsen – ob wir jetzt älter oder jünger sind –, in der sich die Technik ständig weiterentwickelt hat. Das Neue in der Gegenwart ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Technologie weiterentwickelt. Durch die Globalisierung der Wirtschaft, die bereits angesprochen worden ist, durch die Ostöffnung, den EU-Beitritt, haben wir neue Herausforderungen in einer sich formierenden Informationsgesellschaft. Gerade für die klein- und mittelständische Struktur unserer Volkswirtschaft wird der wirtschaftliche Erfolg in Zukunft von der Fähigkeit der Unternehmen abhängen, erstens ihre Anstrengungen im Forschungs- und Entwicklungsbereich zu erhöhen und zweitens ihren jeweiligen Innovationszyklus zu verkürzen. Das heißt, permanente organisatorische Veränderungen bilden den Kern technologischer Neuerungen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist uns allen klar: Das Innovationsmanagement findet nicht hier im Hohen Haus, sondern in den Betrieben statt. Technologiediffusion wird von der Fähigkeit zur Adaption der Unternehmen abhängen, und besonders für Klein- und Mittelbetriebe ist es wichtig, daß die Umsetzung neuer Technologien rasch erfolgt, um schnell auf die sich ändernden Märkte reagieren zu können. Deshalb gilt es, betriebliche Strukturen und Organisationsformen ständig zu erneuern, und die Unternehmen müssen ein Management des Wan


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dels und eine Kultur des permanenten Lernens entwickeln, wobei die Lerngeschwindigkeit in letzter Konsequenz wettbewerbsentscheidend ist.

Die Politik kann hier helfen, etwa durch den Ausbau und die Höherdotierung von Programmen, welcher auf solch weiche Faktoren ansetzen, wie die Verbindung Innovationsstrategie, Unternehmensorganisation und -qualifikation. Die Politik kann durch Ausbau von Beratung, Betreuung und Entwicklung bestimmter Dienstleistungspakete helfen, auch im Bereich Auf- und Ausbau von Programmen zur Schulung von Führungskräften auf dem Gebiet des Innovationsmanagements. Wichtig wäre auch eine Verankerung dieses Gegenstandes in den Unterrichtsplänen der Ausbildungseinrichtungen. Und die Politik kann bei der Unterstützung des Investments helfen, gerade was die Höherqualifizierung von Mitarbeitern betrifft. Der Herr Bundesminister ist ja auch für die Universitäten zuständig, und ich meine, es wäre sinnvoll, Forschungsergebnisse von Universitäten und von anderen Einrichtungen verstärkt für vermarktbare Produkte einzusetzen.

Meine Damen und Herren! Die Politik kann ebenfalls helfen, Innovationsnetzwerke zu schaffen, denn die Unternehmen – wie es auch bereits ausgeführt worden ist – befinden sich in einem globalen Innovationswettbewerb. Wir haben eine klein- und mittelbetriebliche Struktur in Österreich, und besonders diese kleinen und mittleren Unternehmen verfügen meist nicht über die notwendigen Ressourcen, um überregional oder auf internationaler Ebene gegenüber größeren Konkurrenten bestehen zu können.

Erst eine verstärkte Arbeitsteilung der österreichischen Unternehmen im Rahmen von Kooperationen mit unterschiedlichen privaten, öffentlichen und halböffentlichen Know-how-Lieferanten und Dienstleistungsanbietern ermöglicht eine Sicherung ihrer strategischen Konkurrenzfähigkeit.

Meine Damen und Herren! Auch in der Telematik kann die Politik Impulse setzen. Die Geschwindigkeit der Weiterentwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien ist durch zwei Parameter determiniert: erstens durch die Qualität der Dienste und zweitens durch die technisch-ökonomischen Nebenbedingungen. Die öffentliche Verwaltung kann in vielfacher Hinsicht die Diffusion dieser Schlüsseltechnologien vorantreiben. Zunächst muß sie den Regulierungsbedarf wahrnehmen, zweitens kann sie als Anbieter von Informationen fungieren, drittens als Nutzer des Netzes auftreten und viertens durch spezifische Transferprogramme die Qualität und die Durchdringungsrate bestimmter Technologien erhöhen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich sagen, daß es auch sehr wichtig ist, daß wir in absehbarer Zeit in diesem Hohen Haus ein modernes Telekommunikationsgesetz verabschieden.

Meine Damen und Herren! Eine intelligente Technologiepolitik orientiert sich primär an wirtschaftlichen Zielsetzungen, trägt jedoch genauso zu wichtigen gesellschaftlichen Zielerreichungen bei. Dieser neue Typ technologiepolitischer Programme sollte folgende Merkmale aufweisen: die Koppelung ökonomischer, gesellschaftlicher und technologischer Ziele; die bewußte Auswahl von Themen nach dem erwarteten gesellschaftlichen Nutzen und im institutionalisierten Dialog mit anderen Politikbereichen; und die Sicherstellung einer breiten Diffusion dieser Resultate.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich abschließend noch etwas zum Themenbereich Technologiepolitik im Zusammenhang mit der Beschäftigungssicherung sagen. Trotz eines kontinuierlichen wirtschaftlichen Wachstums in Österreich steigt die Arbeitslosigkeit permanent. Strategien zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit werden sowohl in der Europäischen Union als auch in Österreich dringend benötigt. Vor diesem Hintergrund soll die Suche nach strukturellen Maßnahmen zur Erhöhung der Beschäftigungsraten und die Wechselwirkung zwischen dem rasant steigenden Einsatz neuer Technologien und der wachsenden strukturellen Arbeitslosigkeit und optimalen Wachstumsraten untersucht werden. Die Behandlung dieses Themas ist sowohl für die österreichische Wirtschafts- und Technologiepolitik als auch für die Beiträge, die Österreich in einschlägigen internationalen Diskussionen einbringt, vorrangig. Ich begrüße daher, daß es Bestrebungen gibt, im Laufe des nächsten Jahres ein Maßnahmenpaket


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zu verabschieden, welches Technologiepolitik mit Beschäftigungspolitik verknüpft und somit nachhaltig Arbeitsplätze sichern kann. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.54

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

15. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Internationales Tropenholzübereinkommen von 1994 samt Anlagen (554 und 614 NR sowie 5412/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung: Internationales Tropenholzübereinkommen von 1994 samt Anlagen.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. John Gudenus übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Mag. John Gudenus: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Internationales Tropenholzübereinkommen von 1994 samt Anlagen.

Der Bericht liegt uns vor.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile es ihm.

15.56

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Österreich ist mit seiner Forstwirtschaft und mit den Forstgesetzen beispielgebend auf der Welt für nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes. Und genau diese in Österreich seit Generationen selbstverständliche nachhaltige Waldbewirtschaftung soll mit dem vorliegenden Internationalen Tropenholzübereinkommen auch für andere Teile dieser Welt erreicht werden. Ab dem Jahr 2000 soll innerhalb der Europäischen Gemeinschaft nur mehr Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Waldbeständen verwendet werden. Das heißt, langfristig soll nur so viel Holz geschlägert werden, wie langfristig nachwächst.

Da der Wald nicht so wächst wie der Mais, sondern erntereife Baumstämme ein Alter von 50, 100 und mehr Jahren benötigen, wird eine nachhaltige Waldbewirtschaftung nicht von heute auf morgen zu erreichen sein.

Ich bin aber zuversichtlich, daß im Unterschied zum seinerzeit hier im Parlament beschlossenen Tropenholzgesetz dieses Gesetz die nachhaltige Bewirtschaftung der Tropenwälder vorantreiben wird.


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624. Sitzung / Seite 106

Mein Fraktion gibt deshalb diesem Internationalen Tropenholzübereinkommen von 1994 gerne ihre Zustimmung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP)

15.58

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Helene Crepaz. Ich erteile es ihr.

15.58

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Vor rund vier Jahren hat im Nationalrat die Aufhebung der Kennzeichnungspflicht für Tropenholz für einen Riesenwirbel gesorgt. Der Grund für die Aufhebung der Kennzeichnung war ein quasi Handelsembargo der südostasiatischen Staaten, die durch die einseitige Kennzeichnung der Tropenhölzer wirtschaftliche Nachteile befürchteten. Die österreichische Wirtschaft wiederum befürchtete die Stornierung von Milliardenaufträgen.

Rückblickend wurden uns damals unsere Grenzen in der einzelstaatlichen Umweltpolitik aufgezeigt. Ein einzelnes europäisches Land kann ohne internationale Solidarität und ohne Miteinbeziehung der betroffenen Länder die Abholzung der tropischen Regenwälder in Asien, Afrika und Südamerika nicht stoppen. Deshalb ist der Beitritt Österreichs zum Tropenholzabkommen 1994, zu dem sich Österreich in Folge des EU-Beitrittes verpflichtet hat, wichtig und richtig. Denn ein Ziel des Abkommens ist die internationale Zusammenarbeit auf dem Tropenholzmarkt. Ein weiteres Ziel ist die Förderung der nachhaltigen Nutzung der Tropenwälder. Bis zum Jahr 2000 soll laut Abkommen eine Frist gesetzt werden, ab der nur noch Tropenholzprodukte aus nachhaltig bewirtschafteten Beständen ausgeführt werden dürfen.

Ich möchte an dieser Stelle noch kurz auf das Schlagwort "nachhaltige Nutzung der Tropenwälder" eingehen. Laut Aussagen eines FAO-Experten werden 85 Prozent der Entwaldung in den tropischen Gebieten durch nichtnachhaltige Formen der Landwirtschaft verursacht. Unter "nichtnachhaltig" versteht man Brandrodung, Brennholzernte, Schaffung von Infrastruktur oder Verstädterung. Nicht etwa der Wert des Waldes ist dabei die Ursache für seine Zerstörung, sondern seine vermeintliche Wertlosigkeit. Ich glaube, für die Erhaltung der Regenwälder genügt es deshalb nicht, diesen als eine Art Museumsstück unter strikten Schutz zu stellen. Der Schlüssel liegt in der Steigerung des sozioökonomischen Nutzens der Regenwälder. Mit der klugen Nutzung der natürlichen und aufgeforsteten Wälder kann der Lebensstandard der armen Bevölkerung verbessert werden, denn nur so bleibt der Wald als Einkommensquelle auf Dauer attraktiv. Dann wird er nicht kahlgeschlagen oder abgebrannt.

In einem Artikel der "Neuen Zürcher Zeitung" wird beschrieben, daß in Brasilien bereits Projekte laufen, die die nachhaltige Bewirtschaftung der tropischen Regenwälder betreiben. Diese Projekte verlaufen äußerst vielversprechend.

Gerade weil die nachhaltige Nutzung der tropischen Regenwälder möglich ist und es ohne nachhaltige Nutzung in 30 Jahren keine Regenwälder mehr geben wird, bin ich froh, daß Österreich dem Tropenholzabkommen beitritt, hat doch dieses Abkommen nicht das Verbot der Nutzung der oft einzigen wirtschaftlichen Ressourcen vieler in den Tropen gelegenen Länder zum Ziel. Mit der Unterzeichnung des Abkommens setzt sich Österreich international unter Einbeziehung der Erzeuger- und Importländer für eine sinnvolle und nachhaltige Tropenholzwirtschaft ein, und daher wird meine Fraktion diesem Übereinkommen die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Eisl. Ich erteile es ihm.

16.01

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Herr Präsident! Die jährlichen Importe in der Höhe von 6 000 bis 8 000 Festmetern Tropenholz sind in Österreich ein wirtschaftlicher Faktor, dessen die Wirtschaft auch dringend bedarf; auch diese sind für die Wirtschaft unseres Landes von großer Bedeutung.


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Der Beitritt zu dem gemischten Abkommen ist aufgrund des Beitritts zur Europäischen Union für Österreich verpflichtend, aber aus Umweltinteressen auch höchst brisant und interessant für uns, gerade betreffend die Regenwälder. Die im Übereinkommen festgeschriebene nachhaltige Nutzung bis zum Jahre 2000 ist für Europa insgesamt von enormer Bedeutung.

Inwieweit sich die betroffenen Länder an dieses nachhaltige Bewirtschaftungssystem halten, können wir nicht beeinflussen, weil es keine Sanktionen geben kann. Würde es uns gelingen, die Aufklärung in diesen Ländern soweit voranzutreiben, daß dort eine ähnliche Bewirtschaftung betrieben wird, wie sie in Österreich eigentlich Normalität ist, dann wären auch die aufgewendeten Budgetmittel zu rechtfertigen. Eine Verpflichtung zu dieser Bewirtschaftung gibt es jedoch, wie gesagt, nicht.

Die Vorhaben der damaligen Bundesministerin Flemming, die 1983 glaubte, in dieser Tropenholzproblematik dem Rest der Welt erklären zu können, was Tropenholz und nachhaltige Bewirtschaftung bedeute, waren, wie wir wissen, ein Flop. Ich hoffe, daß das jetzige Übereinkommen nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch Umsetzungen in die Wirklichkeit erfolgen werden. In diesem Sinne wird auch die freiheitliche Fraktion diesem Übereinkommen die Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.03

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

16. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalpark Oberösterreichische Kalkalpen Gesellschaft m.b.H. (551 und 635/NR sowie 5416/BR der Beilagen)

17. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Oberösterreichische Kalkalpen samt Anlagen (568 und 636/NR sowie 5417/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 16 und 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalpark Oberösterreichische Kalkalpen Gesellschaft m.b.H. und

eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Oberösterreichische Kalkalpen samt Anlagen.


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Die Berichterstattung über die Punkte 16 und 17 hat Herr Bundesrat Johann Grillenberger übernommen. Ich bitte ihn um die Berichterstattung.

Berichterstatter Johann Grillenberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses zum 16. Tagesordnungspunkt liegt in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuß für Familie und Umwelt stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters liegt der Bericht zum 17. Tagesordnungspunkt vor.

Der Ausschuß für Familie und Umwelt stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Anton Hüttmayr. Ich erteile es ihm.

16.06

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! "Nationalpark Oberösterreichische Kalkalpen" ist ein Thema, das – wie ich sehe – von allen einmütig mitgetragen wird, ist es doch ein gutes Beispiel dafür, wie man Umweltschutz und nachhaltige Wirtschaft verbinden kann.

Ganz kurz die Zahlen im Telegrammstil: Ein Gebiet von 118 500 Hektar wurde zusammengefaßt, und da sind natürlich die landschaftlichen Berührungen miteingebunden. Die Flußlandschaften, die Kleingewässer, viele Kleintiere und vieles andere mehr sollen erhalten werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie wissen, daß es natürlich enormer Anstrengungen bedarf, wenn eine dermaßen große Fläche und ein dermaßen großes Gebiet unter einer gesetzlichen Regelung zusammenfassen will. Faktum ist, daß der Nationalpark als unberührte Naturlandschaft seit Jahrhunderten eigentlich immer bäuerlich bewirtschaftet wurde. Es wurden sehr viele Vorleistungen erbracht, und es ist somit ein sehr großes Wasserschutzgebiet vorhanden. Sprichwörtlich sagt man bei uns in Oberösterreich gelegentlich: Der Nationalpark Kalkalpen ist das Wasserschloß unserer Nation. – Das ist, glaube ich, durchaus nicht von der Hand zu weisen und eigentlich eine sehr gute Sache.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die neue Vereinbarung wird, wie gesagt, einhellig zur Kenntnis genommen. Unser Landeshauptmann Dr. Pühringer hat bei der Vertragsunterzeichnung vor wenigen Wochen von einem Meilenstein in der Geschichte unseres Landes in Verbindung mit dem Bund gesprochen. Und natürlich braucht man, wenn man Geschichte schreibt, auch eine Vorgeschichte. Wenn etwas gut gemacht wurde – in diesem Fall wurde auf die Natur schon immer besonders Rücksicht genommen –, kann man dann darauf aufbauen.

Bei einer Regelung wie der vorliegenden braucht man natürlich – darüber haben viele schon gesprochen – das Einverständnis der Besitzer. Dieses Einverständnis – und darauf, daß es zu diesem kam, dürfen wir alle stolz sein, sollten das aber nicht als selbstverständlich erachten – kommt allerdings nicht von selbst, sondern muß erarbeitet werden. Diese Gebietseinteilung oder Gebietsfassung wurde aber letztendlich zustande gebracht, ohne daß es größere Eingriffe oder überhaupt Eingriffe in Richtung Enteignung oder ähnlichem gegeben hätte. Gelungen ist das, weil sich viele Bürgerinnen und Bürger und viele Projektgruppen insbesondere in den Gemeinden, die davon betroffen sind – und das ist eine ganze Reihe, wenn man die Landkarte anschaut, erkennt man, wie groß das Gebiet tatsächlich ist –, tatsächlich engagiert haben. Und nun liegt also das Ergebnis vor.


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Wenn unser Landeshauptmann von einem Meilenstein gesprochen hat, dann füge ich hinzu: Wenn wir die Zukunft gestalten wollen – und als Politiker sind wir dazu aufgerufen –, dann sollten wir uns an die Vergangenheit erinnern und Überliefertes an und für sich bedenken, und dazu wird, wie ich glaube, auch mit diesem Nationalpark entsprechend beigetragen. Die Jugend wird uns das einmal danken, davon bin ich überzeugt!

Als Oberösterreicher begrüße ich auch, daß Projekte wie jenes, das hier geschaffen wird oder wurde, auch in den anderen Bundesländern in Betracht gezogen werden, und ich denke, das ist eine gute Entwicklung.

Gestatten Sie mir, ein wenig eigennützig zu sein und zu sagen: Es schadet nicht, wenn man Naturschutz, Umweltschutz auch ein wenig mit Wirtschaft verbinden kann. Unter diesem Gesichtspunkt bin ich davon überzeugt, daß uns diese Regelung auch auf dem Gebiet des Tourismus einen Schritt weiterhelfen wird. Auf diese Weise können verschiedene Themen bearbeitet und kann Verschiedenes vorgeführt werden. Wenn ein geordneter Tourismus – und ich bin überzeugt davon, daß es diesen geben wird – Platz greift, dann werden auch die Wirtschaft und letztendlich wir alle Vorteile haben. Als Oberösterreicher lade ich Sie, geschätzte Damen und Herren, ein, zu uns zu kommen und sich diesen Nationalpark mit ihren Familien oder mit Delegationen anzusehen. Parkplätze für Busse sind vorhanden, und wir werden geeignete Reiseleiter sein.

Geschätzte Damen und Herren! Abschließend möchte ich sagen: Ich glaube, diese Regelung kann in Zukunft als beispielgebend für Lösungen gesehen werden, von denen viele Leute betroffen sind. Diese Regelung zu finden, war nicht immer ganz einfach, es wurde von Wirtschaftseinschränkung und ähnlichem gesprochen, ich will das jetzt gar nicht weiter ausdehnen. Diese Regelung konnte aber letztendlich einhellig gefaßt werden, und ich glaube, das ist eine richtiger Grundlage, und davon bin ich auch berührt, und das erfüllt mich mit Optimismus. Wir von der ÖVP werden diesem Gesetz logischerweise gerne zustimmen. Ich bedanke mich, daß auch die anderen Parteien das tun. – Danke schön! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.11

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johann Kraml. Ich erteile es ihm.

16.11

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser jetzt entstehende Nationalpark hat eine lange Geschichte, sicherlich währt sie länger als der Zeitraum, in welchem dieses Projekt hier im Hohen Haus abgehandelt wird.

Begonnen hat die Diskussion bereits 1970, also vor 27 Jahren, als in der Mollner Breitenau eine 140 Meter hohe Staumauer für ein Pumpspeicherwerk geplant war. Auf zirka acht Kilometern hätte der gesamte Talboden der Krummen Steyrling überschwemmt werden sollen. Damals titelten die Regionalzeitungen mit "stürmischen Tagen im Hintergebirge". – Mit diesem Bauprojekt begann eine viele Jahre anhaltende Diskussionsphase über die sinnvolle Nutzung dieses Gebietes. Breiter Widerstand der Naturschützer verhinderte all die Jahre hindurch die von den Kraftwerksbetreibern immer wieder eingereichten Monsterprojekte. Auch das Bundesheer durfte da nicht fehlen: Ein Kanonenschießplatz im Reichraminger Hintergebirge war geplant. Den Höhepunkt der Proteste bildete im Juni 1984 eine Baustellenbesetzung durch 300 Naturschützer, nachdem die EKW einen vom damaligen Oberösterreichischen Landeshauptmann Dr. Ratzenböck erlassenen Baustopp ignorierten.

Erst 1989 faßte dann der Oberösterreichische Landtag den einstimmigen Beschluß, die Agrar- und Forstrechtsabteilung des Landes mit der Planung des Nationalparks zu beauftragen. Im Mai 1990 wurde der Verein Nationalpark Kalkalpen gegründet, dem die weiteren Arbeiten oblagen. Die Naturschutzorganisationen haben mit ihrem Einsatz bei diesem Projekt gezeigt und dazu beigetragen, daß die Nationalparkidee umgesetzt werden konnte. Es hat sich also bewiesen, daß der richtige Widerstand am richtigen Ort auch zu etwas führt. – Dies einmal in aller Kürze zur Vorgeschichte und Entstehungsgeschichte dieses Nationalparks.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Realisierung des Nationalparks Kalkalpen ist sicherlich ein ganz entscheidender Schritt zu einem wirkungsvollen Naturschutz in Oberösterreich. Der geplante Nationalpark garantiert den Schutz der Natur auf einer großen, zusammenhängenden Fläche, und auf der Basis des abgeschlossenen Vertrages ist auch eine Erweiterung möglich. Vier Fünftel der Fläche ist mit Wald bedeckt. Im Sengsengebirge und im Reichraminger Hintergebirge findet man über 30 Waldgesellschaften. Rund 10 Millionen Bäume bilden den Lebensraum für die verschiedenen Säugetierarten, Brutvögelarten und Insektenarten. Es handelt sich also um einen einmaligen Naturraum von nationaler und auch internationaler Bedeutung.

Diese Naturflächen umfassen drei wesentliche Bestandteile: erstens das am höchsten gelegene Hochmoor Mitteleuropas, zweitens den größten österreichischen Karstkomplex, das Tote Gebirge, und drittens eine europaweit einzigartige Fauna und Flora.

Naturschutz ist eine Bewußtseinsfrage, und Naturschutz ist im Grunde auch immer wieder der zähe Kampf darum, die Sünden wider die Natur rückgängig zu machen. Der Nationalpark soll kein Naturmuseum werden, sondern er soll quasi ein Vorzeigeprojekt darstellen. Durch das Naturerleben im Nationalpark können die vielen Facetten des Naturschutzes begreifbar gemacht werden. Meine Damen und Herren! Es wird in diesem Zusammenhang wichtig sein, bei möglichst vielen Menschen das Verständnis für den Naturschutz zu verbessern. Der Naturschutz bringt aber auch in gewisser Weise – das ist auch schon angeführt worden – Nutzungseinschränkungen mit sich, die zumindest finanziell abgegolten werden müssen. Letztendlich ist es bei diesem Projekt allerdings gelungen, die verschiedensten Interessen unter einen Hut zu bringen.

Meine Damen und Herren! Die Kostenseite ist ebenfalls geregelt. Die Aufteilung zwischen Bund und Land im Verhältnis 50 : 50 ist eigentlich eine gerechte Sache. Die Grundlage für diesen Nationalpark ist geschaffen, und es wird jetzt auf die Umsetzung ankommen. Meine Fraktion wird daher die Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.16

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

16.16

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Es soll kundgetan werden, daß der Naturschutz eine allumfassende Angelegenheit ist. Als steirischer Anrainer an Oberösterreich kann ich sagen, daß auch wir gerne unsere Zustimmung geben, vor allem auch deshalb, weil in der Phase zwei dieses Projekts auch die Haller Mauern, die schon näher an die Steiermark heranrücken, und das Tote Gebirge mitinkludiert sind.

Ich persönlich darf gratulieren, daß es zu dieser Vorlage und zu diesem Naturschutzprojekt Nationalpark Oberösterreichische Kalkalpen gekommen ist. Er wird vorerst ein Ausmaß von 16 400 Hektar haben, in der zweiten Phase soll der Nationalpark auf 21 500 Hektar ausgedehnt werden.

Aber es wären nicht die Freiheitlichen, wenn wir nicht zumindest einige Anmerkungen dazu hätten.

Zutreffend ist von meinem Vorredner ausgeführt worden, daß es hiebei zu Nutzungseinschränkungen kommt. In Zukunft werden diese Nutzungseinschränkungen für uns alle von Vorteil sein, denn wir werden aus einem Bereich Nutzen ziehen können, der ökologisch wieder in einen Naturzustand versetzt wurde. Ich sage: "wieder versetzt wurde", denn den wirklichen Urzustand haben wir ja leider Gottes oder vielleicht auch Gott sei Dank nicht mehr.

Ich möchte einige Anregungen dazu bringen. Erstens: Über diesen Bereich fliegen pro Tag 1 600 Flugzeuge. Hier auf der Erde funktioniert der Naturschutz, oben funktioniert er jedoch leider nicht ganz. Wir sollten uns daher in Zukunft bei der Vorlage solcher Gesetze überlegen, ob wir nicht die internationalen Flugrouten so planen sollten, daß dieser Bereich einigermaßen –


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ganz wird es nie möglich sein – ausgeklammert ist. Das ist eine Anregung, die ich hier deponieren möchte.

Meine zweite Anregung bezieht sich auf die erste Anregung: Wir sollten diesen Vorschlag im Bereich Europa auch den anderen Ländern unterbreiten, denn Naturschutz muß allumfassend sein: Er muß die Erde, die Luft und das Wasser umfassen; und er soll auch mehrere Staaten und vor allem die Europäische Gemeinschaft mitumfassen. – Diese beiden Anregungen wollte ich machen.

Ich glaube, wir haben auch das moralische Recht zu solchen Anmerkungen, denn unsere Umweltstandards sind durchaus anerkannt und wahrscheinlich die höchsten oder fast die höchsten in ganz Europa. Ein amerikanischer Kollege war sehr verwundert und konnte gar nicht glauben, daß alle österreichischen Seen Trinkwasserqualität haben. – Gott sei Dank verhält es sich aber tatsächlich so! Wir alle haben das gemeinsam geschafft! Bei unseren Gerinnen ist es noch nicht ganz so weit. Vielleicht gelingt es aber, auch auf diesem Gebiet zur Bonitätsstufe zwei oder eins zu kommen. Das wünsche ich mir bei zukünftigen ähnlichen Gesetzesvorlagen.

Meine Damen und Herren! Ich wünsche mir namens meiner Fraktion auch, daß es zur Phase zwei, zur Erweiterung auf 21 500 Hektar und zur Einbeziehung der Haller Mauern und des Toten Gebirges, ehebaldigst im Interesse unseres ganzen Landes kommt.

Meine Fraktion wird, wie anfangs ausgeführt, dieser Vorlage ebenfalls die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der SPÖ und der ÖVP.)

16.20

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalpark Oberösterreichische Kalkalpen Gesellschaft m.b.H.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 19. März 1997 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Oberösterreichische Kalkalpen samt Anlagen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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624. Sitzung / Seite 112

18. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fernmeldegesetz 1993 geändert wird (591 und 619/NR sowie 5399 und 5418/BR der Beilagen)

19. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Austro-Control-Gesetz geändert wird (594 und 620/NR sowie 5419/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 18 und 19 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Fernmeldegesetz 1993 geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Austro-Control-Gesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 18 und 19 hat Herr Bundesrat Karl Wöllert übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Karl Wöllert: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die gegenständlichen Berichte sind schriftlich zugegangen. Sie liegen auf.

Ich darf mir daher erlauben, den Vorschlag zu unterbreiten, auf eine Verlesung der Berichte zu verzichten und gleichzeitig jeweils den Antrag zu stellen, daß gegen beide hier vorliegenden Berichte kein Einspruch erhoben wird.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile es ihm.

16.23

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich auf Tagesordnungspunkt 18, auf das hier als Beschluß vorliegende Fernmeldegesetz eingehen.

Der vorliegende Beschuß einer Novellierung des Fernmeldegesetzes – konkret geht es um § 20a – stellt wiederum ein typisch österreichisches Provisorium dar, das notwendig wird, um überhaupt eine neue, dritte Mobilfunkkonzession vergeben zu können. Neben A1, dem Postnetz, und Max-Mobil soll nun die DCS-1800-Handylizenz erteilt werden. An sich sollte die gesetzliche Basis hiefür ein neues Telekommunikationsgesetz darstellen, das jedoch wegen der höchst kontroversiellen Begutachtungsverfahren noch in weiter Ferne liegt. Erst am Montag sagte der dafür zuständige EU-Kommissar Martin Bangemann auf einer Veranstaltung des Instituts for International Research, daß Österreich in diesem Bereich wegen des noch ausstehenden Telekom-Gesetzes nicht gerade zu den Schnellsten gehöre. Für den Fall, daß dieses Telekomgesetz bis 1. Jänner 1998 – das ist der Zeitpunkt des Beginns der Telekom-Liberalisierung – nicht bestehen sollte, stellte Bangemann der österreichischen Regierung eine Rute ins Fenster, nämlich die Entscheidung in Einzelfällen anhand von EU-Richtlinien. Damit ließe sich Österreich in diesem Zukunftsbereich Telekommunikation die selbständige nationale Entscheidungsbefugnis aus der Hand nehmen.


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624. Sitzung / Seite 113

Es ist daher die dringende Aufgabe der Bundesregierung, diese wichtige Materie einer gesetzlich einwandfreien Regelung zuzuführen. Solange dies nicht der Fall ist, werden wir Freiheitlichen unsere Zustimmung für derartige Provisorien verweigern.

Nun zum Tagesordnungspunkt 19, zum Austro-Control-Gesetz: Dabei handelt es sich im wesentlichen um eine Formalbestimmung, welche es der Gesellschaft ermöglicht, Rückstellungen für Personal- beziehungsweise Pensionsaufwendungen, verteilt über einen Zeitraum von 20 Jahren, abzuschreiben. Inwieweit hier die Kriterien der Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit verletzt werden, mögen die Steuerfachleute beurteilen. Fest steht, daß für Betriebe in der Privatwirtschaft derartige Extrawürste nicht gebraten werden, für sie gilt der Grundsatz: Friß oder stirb! – Entweder kann ein Unternehmen mit den herrschenden steuerlichen Rahmenbedingungen leben, oder es geht unter. Aus diesem Grunde werden Sie unsere Zustimmung für diese steuerliche Extratour für die Austro-Control heute nicht erhalten.

Außerdem sei hier angemerkt, daß sich seit der Ausgliederung der Austro-Control der dortige Privilegienstadel weiterentwickelt hat. Es gibt viermal so viele Vorstandsmitglieder wie vorher, natürlich proporzmäßig besetzt, bei gleichzeitig horrenden Gebührenerhöhungen für Flugsicherungs- und Serviceleistungen. Wenn jetzt schon so viele Leute dort beschäftigt sind und wenn schon so hohe Gebühren verlangt werden, dann erlaube ich mir, wenigstens einen für die Wirtschaft sinnvollen Vorschlag einzubringen: Es geht hiebei um die Finanzierung von Fluggeräten, wobei es vom größten Jet bis zum kleinsten Helikopter in Österreich immer wieder Probleme mit der kreditmäßigen Sicherstellung gibt. Entweder muß das vorbehaltene Eigentumsrecht vom Hersteller oder vom Käufer an die finanzierende Bank abgetreten werden, wodurch diese selbst zum Eigentümer wird, oder, wo dies nicht mehr der Fall ist, muß auf das deutsche Rechtsinstitut der Sicherungsübereignung zurückgegriffen werden, was im Verwertungsfalle jedoch höchst umstritten ist.

All dies wird nur deshalb notwendig, weil für mobile Güter grundsätzlich das sogenannte Faustpfandprinzip gilt. Ohne Faust kein Pfand, das heißt, es erfolgt die Übergabe der verpfändeten Sache an den Darlehensgeber, was aber im Falle der wirtschaftlichen Nutzung unsinnig oder unmöglich ist, denn das Flugzeug wird von der Fluggesellschaft gebraucht und nicht von der finanzierenden Bank.

Da die Austro-Control auch das österreichische Luftfahrtregister führt, in das die Eigentümer der Fluggeräte eingetragen sind, erlaube ich mir, in diesem Zusammenhang die Anregung zu machen, in diesem Register, ähnlich wie im Grundbuch, eine neue Rubrik für Pfandrechte und Pfandgläubiger aufzumachen. Da es sich bei Fluggeräten um genau spezifizierte Mobilien handelt, müßte eine derartige Lösung wohl möglich sein. Damit wäre sowohl der Luftfahrtwirtschaft als auch der finanzierenden Bankenwirtschaft geholfen, da unsichere Rechtskonstruktionen hinkünftig nicht mehr nötig wären. Der Aufwand könnte wie beim Grundbuch durch Gebühren, zum Beispiel ein Promille der Eintragungssumme, abgedeckt werden. Bei einer Sicherstellungssumme von 120 Millionen Schilling bei einem Fluggerät wären das rund 120 000 S im Einzelfall.

Entsprechende Änderungen des ABGB und des Austro-Control-Gesetzes wären sicherlich mit nicht allzu großem Aufwand verbunden, würden jedoch sinnvolle Möglichkeiten bei der Finanzierung und Sicherstellung von Fluggeräten eröffnen. Wenn Sie wollen, können Sie diese Überlegung auch auf alle anderen spezifizierbaren und registrierungsfähigen Mobilien, zum Beispiel auch auf den Automobilbereich, vor allem auf LKW, ausdehnen, wobei hier natürlich die Schaffung eines eigenen Mobilienregisters notwendig wäre. – Ich habe mit Ihnen, Herr Minister, darüber schon ein Gespräch geführt, und Sie sind einer derartigen Ansicht oder einer derartigen Regelung durchaus positiv gegenübergestanden.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß sich die österreichische Legislative gerade in solchen Bereichen an den Interessen der Wirtschaft orientieren sollte. Moderne, der Zeit entsprechende Rahmenbedingungen führen auch zur Entlastung der Exekutive und damit zu einer Zurückdrängung der immer stärker wuchernden Bürokratie. Damit erhalten Sie die Attraktivität des


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624. Sitzung / Seite 114

Wirtschaftsstandortes Österreich, nicht mit Werkvertrags-, Vignetten- oder Krankenscheinbürokratien. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.30

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile es ihm.

16.30

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Bei den vorliegenden Novellen zum Fernmeldegesetz und zum Austro-Control-Gesetz geht es darum, weitere Liberalisierungsschritte zu setzen beziehungsweise bereits getätigte Privatisierungsschritte entsprechend auszubauen.

Meine Damen und Herren! Die vorliegende Novelle zum Fernmeldegesetz ist der zweite Schritt zur Liberalisierung des Mobilfunknetzes. Der erste Schritt wurde 1995 gesetzt, und die nunmehrige Novelle basiert auf diesen Erfahrungen. Es geht um die Ausschreibung einer dritten Mobilfunkfrequenz. Ein dritter Anbieter, der in einem neuen Frequenzbereich tätig werden wird, soll auf den Markt kommen. Die beiden bisherigen Betreiber, Mobilkom und Max-Mobil, sind im Bereich von 900 Megahertz tätig, der neue Betreiber soll im 1 800-Meter-Band arbeiten.

Meine Damen und Herren! Die Zahl der Handy-Besitzer wird Ende 1997 in Österreich erstmals die Millionengrenze überschreiten. Fachleute rechnen bis zum Jahr 2000 mit 2,4 Millionen Handies in Österreich. Weltweit sind derzeit 137 Millionen Handies angemeldet, die Prognosen bis zum Jahr 2000 liegen bei rund 500 Millionen. Die Liberalisierung des Telekommunikationsbereichs ist eine weitere Öffnung für den Wettbewerb. Damit wird das Ziel verfolgt, Privatkapital anzuziehen und damit neue Möglichkeiten für die Wirtschaft zu schaffen. Ein zweites Ziel ist es, die Innovationen zu erhöhen. Es werden mehr Teilnehmer auf dem Markt bemüht sein, neue Produktideen zu entwickeln, und ich hoffe, daß es dadurch auch zu einer weiteren Kostensenkung im Telefonbereich kommt.

Ich weiß, daß diese Novelle heute nur einen Zwischenschritt zum notwendigen Telekommunikationsgesetz darstellt, ich bin in diesem Punkt mit meinem Vorredner ausnahmsweise einer Meinung. Wir hinken mit dem Telekommunikationsgesetz stark nach, und zwar insofern, als Anfang 1998 das Telefonnetz privatisiert werden soll und es notwendig ist, die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Es gibt bereits zwei Entwürfe, die aber sehr stark von der Wirtschaft kritisiert werden.

Meine Damen und Herren! Dieser Privatisierungsschritt ist wichtig. Gerade wenn man in den letzten Tagen die Zeitungen gelesen hat, konnte man feststellen, wie schwierig es für einen bisher verstaatlichten Monopolbetrieb ist, sich auf die Privatwirtschaft einzustellen, vor allem aufgrund der hohen Personalkosten, die dieser Betrieb mitnehmen muß. Auf der anderen Seite sieht man aber auch bei Max-Mobil, wie schwierig es für einen privaten Betreiber ist, in den Markt hineinzukommen und gerade im Telefonbereich gegen ein durchaus gut geführtes Monopol anzutreten.

Meine Damen und Herren! Die OECD kritisiert die hohen Telefonkosten in Österreich, vor allem auch die hohen Internetkosten. – Wir reden immer über die Providerkosten, aber niemand sieht die hohen Telefonkosten, vor allem im ländlichen Bereich. Ich glaube daher, daß es ein notwendiger Schritt ist, endlich eine Tarifreform durchzuführen, damit der ländliche Bereich nicht von dieser neuen Entwicklung abgeschnitten ist. Gerade im Internetbereich sehe ich besondere Chancen für den ländlichen Raum. Auf diesem Gebiet sind wir in Österreich Entwicklungsland gegenüber der übrigen westlichen Welt.

Meine Damen und Herren! Wir reden im Telefonbereich immer nur von der Technik, man kümmert sich jedoch, ehrlich gesagt, wenig um den Kundendienst. Ich hoffe, daß durch mehr Wettbewerb, durch das dritte Netz, endlich der Kunde König wird und der Kunde mehr Chancen hat. Ich hoffe, daß es durch dieses dritte Netz aufgrund einer höheren Zahl von Anbietern auch zu neuen Arbeitsplätzen kommt. Ein dritter Betreiber bedeutet zweifellos einen Schub für die Wirtschaft, zumal der Telekommunikationsmarkt einer der am raschesten wachsenden Märkte


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der Welt ist. Das zeigt das Beispiel Japan, wo in den letzten Jahren Zuwächse von rund 25 Prozent zu verzeichnen waren.

Frequenzbänder sind ein knappes Gut. Durch die nunmehrige Möglichkeit, diese Frequenzbänder zu versteigern, besteht, glaube ich, eine Chance, nicht nur den besten zum Zuge kommen zu lassen, sondern auch entsprechende Einnahmen für den Staat zu lukrieren.

Die zweite Novelle, die heute hier zur Diskussion steht, ist die Novellierung des Austro-Control-Gesetzes. Sie soll die Bildung von Rückstellungen für Personalkosten, welche die Austro-Control infolge der Änderung des Kollektivvertrages zu bilden hat, ermöglichen, und zwar über einen Zeitraum von 20 Geschäftsjahren. Im Zuge der Ausgliederung von Austro-Control 1994 und der nunmehrigen Novelle betreffend den Kollektivvertrag für die Bediensteten wurde zugesagt, daß in einer Übergangsregelung Flugverkehrsleiter ab dem 55. Lebensjahr in Pension gehen können. Im internationalen Vergleich ist das ein Gleichziehen. Was dafür notwendig ist, sind entsprechende Rückstellungen, die bisher aufgrund der Systematik des Bundeshaushaltes nicht möglich waren.

Umgekehrt sieht man dadurch aber auch, welche Kosten für die Rückstellung in der Höhe von 600 Millionen Schilling entstehen. Ich bin daher froh, daß es durch die Privatisierung zu einer Kostentransparenz in der zivilen Flugsicherung kommt.

Meine Damen und Herren! Natürlich hat das zu großen Diskussionen in der Flugwirtschaft geführt, vor allem weil es bisher üblich war, daß für ankommende Maschinen keine Flugsicherungsgebühr zu bezahlen war. Das war bisher nicht notwendig, weil dies von der öffentlichen Hand übernommen wurde. Dabei muß man beachten, daß Österreich im europäischen Vergleich zu den Spitzenreitern bei der Flugsicherungsgebühr zählt. Daher gab es in den letzten Monaten im Beirat die große Diskussion, ob die Rückstellung zu weiteren Erhöhungen führen wird. Es gibt nun Zusagen, und es wurde auch vereinbart, daß es aufgrund der nunmehr bestehenden Möglichkeit der Rückstellung nicht zu weiteren Erhöhungen der Flugsicherungsgebühren kommen soll, vor allem auch aus dem Grund, daß der Wettbewerb zwischen den Flughäfen nicht weiter verzerrt wird.

Es ist richtig, daß die österreichischen Fluglotsen – es sind rund 400 – höchst qualifizierte Personen sind und erstklassige Leistungen erbringen. Wir sind dankbar, daß es in Österreich keine Streiks bei den Fluglotsen, wie sie sonst in Europa üblich sind, gibt. Umgekehrt muß natürlich auf die Wettbewerbsfähigkeit der Flughäfen, aber auch auf unsere Fluglinien Rücksicht genommen werden. Uns war klar, daß es mit der Privatisierung der Austro-Control zu Übergangsschwierigkeiten kommen wird. Ich glaube, daß diese Probleme nunmehr durch die vorliegende Novelle gelöst sind.

Man muß außerdem ehrlich sagen: Als Austro-Control privatisiert wurde, hätte es auch noch eine zweite Möglichkeit gegeben: Der Gesetzgeber hätte diese Gesellschaft mit entsprechendem Eigenkapital ausstatten können. Das ist aber leider nicht erfolgt, daher ist die heutige Novelle notwendig.

Meine Damen und Herren! Auf sichere Beförderung im Luftraum kann niemand verzichten. Es ist daher immens wichtig, daß der Luftraum, speziell im Nahbereich von Flughäfen, aber auch in Gesamtösterreich, intensiv und gewissenhaft überwacht wird. Diese Sicherheit muß allen etwas wert sein, Sicherheit ist aber nur dann gewährleistet, wenn die Flugsicherer mit voller Leistung und optimaler körperlicher Fitneß arbeiten.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird beiden Novellen die notwendige Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


Bundesrat
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16.39

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernst Winter. Ich erteile es ihm.

16.39

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Liberalisierung des Telefonmarktes ist für die weitere Entwicklung des Industriestandorts Österreichs natürlich unerläßlich. Jene Staaten wie Finnland, die bereits relativ früh Liberalisierungsschritte gesetzt haben, können heute bereits die Früchte in Form der höchsten Zuwachsraten des Bruttoinlandsproduktes im EU-Europa ernten. Gleichzeitig stellt Finnland mit NORICA heute aber auch den europäischen Marktführer unter den Handy-Anbietern.

Ich glaube, Österreich ist daher sehr gut beraten, wenn so rasch wie möglich die notwendigen Schritte auf dem Telefonmarkt gesetzt werden. Liberalisierung bedeutet Marktöffnung und damit Zulassung weiterer Teilnehmer auf dem Telefonmarkt bei gleichzeitiger Wettbewerbsstärkung der Post. Beides liegt im Interesse der Kunden. In diesem Sinne ist die Vergabe einer zusätzlichen Lizenz ein dringend nötiger Schritt, den Bundesminister Dr. Caspar Einem sehr rasch umsetzen wird.

Der Mobiltelefonmarkt ist einer der dynamischsten Märkte der Welt. Die Zahl der Mobiltelefone – ich nenne die europaweite – ist in den letzten zehn Jahren von 400 000 auf 18 Millionen angewachsen, und heute sind EU-weit 7 Prozent aller Anschlüsse Mobiltelefonen zuzurechnen, wobei manche Staaten wie die skandinavischen mit über 20 Prozent weit voran liegen, während Österreich ins Hintertreffen zu geraten droht.

Zeit ist in diesem Investitionsspiel ein wichtiges Kriterium geworden, denn Österreich muß insbesondere seine Schlüsselrolle in der Wirtschaftskoordination gegenüber den osteuropäischen Staaten erfolgreich wahrnehmen. Modernste Informationstechnologie wird dafür in jedem Fall erforderlich sein. Die Öffnung des bisherigen Monopolbereichs wird auch eine qualitative Verbesserung für die Telekomkunden insgesamt nach sich ziehen. Mehr Anbieter werden sich um eine wirklich flächendeckende Versorgung der Kunden kümmern. Das heißt, auch in der U-Bahn oder im Straßentunnel sollte in Zukunft die Verwendung eines Mobiltelefons möglich sein. Der Markt wird entscheiden. Im Rahmen des Mobiltelefonmarktes wird der Komfort des Kunden auch in Zukunft eines der wesentlichsten Wettbewerbskriterien darstellen.

Gleichzeitig, so glaube ich, ist es nötig, in Österreich die im internationalen Vergleich noch immer hohen Handygebühren zu senken, wenn die moderne Informationsgesellschaft tatsächlich Wirklichkeit werden soll. Im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens wird der wahre Marktpreis von Bundesminister Einem für das Bundesbudget tatsächlich erzielt werden können. Der Staat hat nichts zu verschenken, wie wir alle wissen, sondern sollte sich bemühen, durch Vergabe knapper Güter wie Mobilkomlizenzen zusätzliche Einnahmen zu lukrieren. Alles andere als die Vergabe an den Bestbieter würde im übrigen weder nationalen Vergabekriterien noch den von der Europäischen Union geforderten Standards entsprechen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die Telefonzukunft Österreichs bei Bundesminister Einem in guten Händen ist und daß Österreich mit einem der modernsten Telekomgesetze Europas in eine erfolgreiche Zukunft blicken darf. Die Gestaltung des zukünftigen Telefonnetzes anläßlich der Liberalisierung der Sprachtelefonie in der Europäischen Union ab 1998 wird zwar noch vom Parlament zu beraten sein, mit der Fernmeldegesetznovelle 1997 wird aber jedenfalls ein wesentlicher Baustein für einen kundenfreundlichen, hochqualitativen und wettbewerbsorientierten Telefonmarkt gelegt.

Meine Fraktion wird natürlich die Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.45

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.


Bundesrat
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Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fernmeldegesetz 1993 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Austro-Control-Gesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben ist somit angenommen.

20. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Binnenschiffahrt (Schiffahrtsgesetz) (564 und 618/NR sowie 5400 und 5420/BR der Beilagen)

21. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend eine Wirtschaftskommission für Europa; Transeuropäische Eisenbahn (TER); Verlängerung des Kooperationsübereinkommens über den Treuhandfonds (344 und 616/NR sowie 5421/BR der Beilagen)

22. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend Änderungen zum Übereinkommen über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderung zu verwenden sind (ATP) (437 und 617/NR sowie 5422/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 20 bis 22 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Binnenschiffahrt, Schiffahrtsgesetz,

eine Wirtschaftskommission für Europa; Transeuropäische Eisenbahn (TER); Verlängerung des Kooperationsübereinkommens über den Treuhandfonds und

Änderungen zum Übereinkommen über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderung zu verwenden sind (ATP).

Die Berichterstattung über die Punkte 20 bis 22 hat Herr Bundesrat Karl Wöllert übernommen. Ich bitte ihn um diese Berichte.

Berichterstatter Karl Wöllert: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch diese Berichte liegen schriftlich vor. Ich darf mir daher die Verlesung in Ihrem Ein


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verständnis ersparen und gleichzeitig die Anträge stellen, gegen diese Berichte und Anträge keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke sehr.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher. Ich erteile es ihr.

16.47

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Binnenschiffahrt, welches Schiffahrtsgesetz genannt wird, in welchem auch das Rafting, zu "Deutsch" das Wildwasserschlauchbootfahren, geregelt werden, kann aus folgenden Gründen meine beziehungsweise die Zustimmung der freiheitlichen Fraktion nicht finden.

Der Praxisbezug dieses Gesetzes ist hinsichtlich Wildwasserfahren einfach nicht gegeben. Ein Patent B, das mit einfachen Mitteln erworben werden kann, gilt für sämtliche Gewässer im Lande. Das heißt, der Praxisbezug zum tatsächlich zu befahrenden Gewässer wird nicht hergestellt. Somit ist der Schiffsführer auf die Gefahren, die in solchen Gewässern vor Ort lauern, nicht vorbereitet.

Zweitens hat nach § 123 Abs. 1 und 2 derjenige, der das Kapitänspatent besitzt, sei es nur für ein Adria-Schiff oder für ein Adria-Segelboot, die Möglichkeit, etwa auf der Hochwasser führenden Mur, die ja nicht ganz ungefährlich ist, ein kommerzielles Riverrafting stromabwärts zu führen. In Anbetracht dessen wäre es angebracht, zumindest zwischen privat und kommerziell eine Unterscheidung zu treffen.

In diesem Gesetz war quasi überfallsartig das Riverrafting untergebracht worden. Das Riverrafting ist ein neues Erlebnis- und Natursportfreizeitvergnügen, und es kam in einer Anlaßgesetzgebung zur Zuordnung des Raftings zum Binnenschiffahrtsgesetz, ohne daß dieses Gesetz den geeigneten Rahmen oder die Möglichkeiten dafür bieten kann. Es gibt also nur zwei Möglichkeiten, entweder dieses Gesetz dem Rafting anzupassen oder umgekehrt.

Bei der Neuauflage des Gesetzes wurde zwar eine Konzessionspflicht aufgenommen, weil angeblich alle Unfälle im sogenannten konzessionsfreien Raum passiert seien. Dem ist aber nicht so, denn bedauerlicherweise ereigneten sich alle zwölf Unfälle mit tödlichem Ausgang seit 1992 sehr wohl bei konzessionierten Firmen oder bei konzessioniert geführten Riverraftingfahrten. Der einzige Ausweg aus dieser ungenügenden Regelung betreffend die Vorbereitung der Raftingbootführer ist die Schaffung einer Schiffsführerschule, die gesetzlich zu verankern ist.

Uns liegt dafür ein Forderungsprotokoll, das von allen Verantwortlichen der Bundesländer und vor allem auch von den Raftingverbänden unterschrieben wurde, vor, die eine Gefahrenbegrenzung wünschen.

Wir von der freiheitlichen Fraktion werden diesem Gesetz nicht zustimmen, da es nicht verständlich, ja geradezu unverantwortlich ist, daß man für Boote aller Art eine vom Gesetz vorgesehene Schiffsführerprüfung mit genau vorgegebenen Richtlinien absolvieren muß, während das Leben von etwa 180 000 ahnungslosen Touristen, die Sommer für Sommer über Österreichs Wildwassergewässer transportiert werden, in die Hände von Laien beziehungsweise von Aushilfen gelegt wird. Ich selbst kann Ihnen das bestätigen: Bei uns in der Nähe wird auf der Mur sehr viel Riverrafting betrieben, und gerade in der Hochsaison ist mehr als nur eine Aushilfskraft bei diversen Schulen mittätig! – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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16.51

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ing. Walter Grasberger. Ich erteile es ihm.

16.51

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine Ausführungen werden sich im Gegensatz zu denen von Frau Kollegin Ramsbacher nicht auf einen Teil des Schiffahrtsgesetzes beziehen, sondern vielmehr auf das Kooperationsübereinkommen bezüglich des TER-Projektes, welches bald zehn Jahre alt ist und welches dazu beitragen wird, die Verbesserung der Eisenbahninfrastruktur in Europa zu sichern. Das bedeutet ganz konkret, daß finanzielle Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden müssen, in erster Linie für die Hauptstrecken.

Der gegenständliche TER-Treuhandfonds bildet eine wesentliche Grundlage für diese gemeinsame Finanzierung, eine Hilfe zur Umsetzung eines doch großen europäischen Zieles. Die europäischen Ziele können sich allerdings bestimmt nicht darauf beschränken, daß wir eine Fahrkarte bald nicht mehr mit Schilling, sondern mit Euro bezahlen werden. Viel entscheidender wird vielmehr die Frage für uns werden, mit welchem Zug und vor allem mit welcher Geschwindigkeit wir unsere Ziele innerhalb Europas erreichen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir können schon jetzt in der Gesetzgebung sehr positiv vermerken, daß das Schlagwort "Verbesserung der Eisenbahninfrastruktur" nicht nur für die europäischen Hauptstrecken gilt. Uns als Ländervertretern muß ja viel mehr daran liegen, daß wir für Bahnstrecken, die sich direkt vor der Haustüre unserer Bürger befinden, also für die Nebenbahnen, entsprechende Möglichkeiten finden.

Als Niederösterreicher darf ich für das Bundesland das Wort ergreifen, welches die höchste Nebenbahnendichte von allen Bundesländern hat. Bei uns liegen wirklich viele Bahnstrecken vor den Haustüren der Bürger, und – das sei festgehalten – sie waren und sind zum Teil noch große Sorgenkinder. Eine durch Jahrzehnte verschleppte Modernisierung dieser Nebenbahnstrecken hat zu einem Attraktivitätsverlust geführt, den jetzt die Bundesbahnen gemeinsam mit dem Land äußerst mühsam wiedergutmachen werden. (Zwischenruf des Bundesrates Farthofer. )

Das ist sicherlich mühsam, das wissen wir aus der Erfahrung der letzten Jahre. Auch das Land Wien geht jetzt diesen Weg. Das Schlagwort ist heute schon gefallen: Sicherung des Nahverkehrs, Hilfe für die Pendler. Unterstützung finden wir dabei durch die von diesem Haus von uns mitbeschlossenen Umlenkungsmaßnahmen aus dem Mineralölsteueraufkommen. Ich bin sicher, daß sich beinahe alle noch daran erinnern werden, daß ein gut Teil der Gelder aus der beschlossenen Mineralölsteuererhöhung zweckgebunden in Nebenbahnen zu investieren ist. Das ist ein kluger und sicherlich zukunftsweisender Schritt, der in Niederösterreich schon erste Früchte trägt.

Die Nebenbahnfrage darf kein Nebenthema sein, das irgendwann einmal erledigt wird, weil – auch das war heute ein zentrales Thema in der Debatte – eine zunehmende Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt es notwendig macht, für öffentliche Verkehrsmittel zu sorgen, die die Menschen rasch – sicher sind sie sowieso – von der Wohnung zum Arbeitsplatz und zurück bringen. Ich darf wiederholen, daß auf diesem Gebiet in Niederösterreich vieles gelungen ist. Nebenbahnstrecken, die schon dem Tod geweiht waren, können weitergeführt werden. Mit den frei gewordenen Mineralölsteuermitteln und mit beträchtlichen Landesmitteln werden moderne Doppelstockwaggons für niederösterreichische Bahnstrecken angeschafft, und – was uns besonders freut – im niederösterreichischen Zentralraum, einem sehr pulsierenden Wirtschaftsraum, ist es in den letzten Jahren gelungen, das zusätzliche Verkehrsaufkommen durch öffentliche Verkehrsmittel aufzufangen. Das ist allerdings nur im Personenverkehr gelungen. Es gelingt nach wie vor nicht in allen Bereichen des Güterverkehrs, weil der Lastkraftwagen nach wie vor deutlich konkurrenzfähiger ist.

Völlig neu – und davon bin ich sehr eingenommen – ist die sogenannte Stadtregionalbahn als Möglichkeit einer Attraktivierung. Der Kernpunkt der Überlegung betreffend diese sehr moderne Form eines öffentlichen Verkehrsmittels ist, daß diese auf dem Land, vereinfacht dargestellt, wie eine moderne Eisenbahn, in der Stadt aber wie eine Stadtbahn funktioniert. Damit wird eine fließende Verbindung ohne Umsteigen zwischen Stadt und Land ermöglicht. Zum Beispiel könnte diese Stadtregionalbahn im niederösterreichischen Zentralraum die Menschen von und


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zu den Städten Krems, St. Pölten und Lilienfeld bringen, ohne daß die Passagiere umsteigen müssen. Mit der Stadtregionalbahn könnte auch dazu beigetragen werden, unsere Landeshauptstadt innerstädtisch zu erschließen. Das bringt genau jene Mobilität, die im urbanen Raum im besonderen PKW-Fahrer zum Umsteigen aufs öffentliche Verkehrsmittel veranlassen wird. Ich verstehe daher nicht, warum vor allem sozialdemokratische Verantwortungsträger unserer Landeshauptstadt dieser Stadtregionalbahn sehr skeptisch bis zum Teil ablehnend gegenüberstehen.

Zurück zum vorliegenden Verlängerungsvertrag über den Treuhandfonds: Moderne, leistungsfähige Hauptstrecken können nur Stückwerk bleiben, wenn die Nebenstrecken weiterhin vernachlässigt werden. Bürger, die an Nebenstrecken wohnen, haben das gleiche Recht auf Lebenschancen wie Bürger, die an Hauptstrecken wohnen. Bürger, die zufällig in dünn besiedelten Regionen leben, haben das gleiche Recht wie Bürger, die in den Zentralräumen leben. Nebenbahnen sind daher kein Nebenthema, und Hauptbahnen und Hauptstrecken sind kein Hauptthema! Ich denke, das muß mit Augenmaß hier gesehen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.) Danke! (Zwischenruf des Bundesrates Farthofer. )

Vor einem Jahr habe ich in einer ähnlich gelagerten Debatte hier im Hohen Haus dem damaligen Verkehrsminister Dr. Rudolf Scholten eine Unterschriftenliste aus meiner Heimatregion übergeben, mit welcher Nebenbahnbenützer eine Abänderung des Sommerfahrplanes gefordert haben. Eine Verbesserung ist erfolgt, und das ist hier auch dankenswert anzumerken.

Auch heute möchte ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen, sehr geehrter Herr Verkehrsminister, einen Wunsch, diesmal aus dem Mariazeller Land, zur Kenntnis zu bringen: Konkret ist von den Österreichischen Bundesbahnen vorgesehen, den traditionsreichen Bahnhof Mariazell aufzulassen. Ich bitte Sie daher, sehr geehrter Herr Verkehrsminister, das Ihnen Mögliche zu tun, daß dieser Bahnhof in unserem international bekannten Gnadenort erhalten bleiben kann. Ich übergebe Ihnen hiermit ein diesbezügliches Schreiben und halte abschließend fest, daß die ÖVP-Fraktion den drei vom Nationalrat vorgesehenen Gesetzesteilen die Zustimmung erteilen wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.00

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Erich Farthofer. Ich erteile es ihm.

17.00

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Grasberger! Vorerst möchte ich Ihnen einmal ein großes Kompliment machen: Es hat sich herausgestellt, daß Sie auf niederösterreichischer Seite ein absoluter Fachmann im Eisenbahnwesen sind. Ich würde Sie daher innigst bitten, den Herrn Landeshauptmann zu briefen. Wie sich nämlich immer wieder herauskristallisiert hat, hat er bei weitem nicht soviel Ahnung von den Österreichischen Bundesbahnen und von der Verkehrspolitik an sich wie Sie. Ich darf Sie wirklich bitten: Nehmen Sie den Herrn Landeshauptmann an die Brust und erklären Sie ihm das, was Sie heute da erklärt haben! Dazu kann ich wirklich nur sagen: Kompliment! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Ing. Grasberger. )

Meine Damen und Herren! Ich muß feststellen, daß Sie auch meine ganze Rededisposition geschmissen haben, denn ich muß jetzt auf einiges eingehen, was haargenau auf den Punkt gebracht wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses europäische Eisenbahnübereinkommen liegt, wie Sie ausgeführt haben, klar auf dem Tisch. Sinn und Zweck dieses Übereinkommens ist die Verbesserung der internationalen Verbindungen. Eine dieser internationalen Verbindungen, die Nord-Süd-Verbindung, führt selbstverständlich von Berlin über Prag, Gmünd, durch das Waldviertel nach Wien und dann über Gloggnitz und Graz in die südeuropäischen Länder. Wir wissen, daß in diese internationale Strecke in gewissen Bereichen sehr viel investiert wird.


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Ich erwähne in diesem Zusammenhang positiv, daß die Franz-Josefs-Bahn durch Niederösterreich seit einigen Jahren elektrisch fährt. Es wird noch ein Lückenschluß in Tschechien von Gmünd, !eské Velenice, bis Veselí in nächster Zeit erfolgen; dieser ist geplant und bauverhandelt.

Dann haben wir aber ein großes Problem: Wir fahren von Wien flott bis zum Beginn des Semmerings, bis nach Gloggnitz. Dann ist aber eine Barriere, liebe Freunde! An der Schwelle des dritten Jahrtausends ist die Barriere in Form eines über 1 000 Meter hohen Berges vorhanden, über welchen die Strecke 25 Kilometer lang ist, weil man nämlich nach wie vor über diesen Berg fährt. – Ich erlaube mir zu behaupten, Herr Kollege Grasberger, daß es im dritten Jahrtausend nicht nur technischer Humbug, sondern auch politischer Schwachsinn ist, diesen Berg nicht zu durchfahren. Sie kennen die verschiedenen Gründe. Ich meine, daß in der Öffentlichkeit ... (Bundesrat Schaufler: Sie wissen aber auch, was das kostet!) Selbstverständlich weiß ich das, ich werde zum Bereich der Finanzen auch einiges sagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß das, was hier von einigen Politikern betrieben wird, nicht staatsmännisch ist. Und ich schaue selbstverständlich, der Ehrlichkeit halber, auch auf die linke Seite: Denn ich verstehe auch die Argumentation des Herrn Landeshauptmannes von Wien nicht, da man Äpfel mit Birnen und Nahverkehr mit internationalen Routen verwechselt. Die Wiener Parteifreunde kennen meinen Standpunkt in dieser Frage: Herr Landeshauptmann Häupl würde sich wundern, würden die Niederösterreicher das nächste Mal auf die Barrikaden steigen und den U-Bahn-Bau in Wien nicht gutheißen! (Bundesrat Ing. Penz: Da haben Sie nicht einmal die Hälfte verstanden!)

Herr Kollege Penz! Es geht um den Nahverkehr, und da wurde finanziert, und es geht um eine international gute Verbindung! Es geht um den Wirtschaftsstandort Niederösterreich, um den Wirtschaftsstandort Wien, um den Wirtschaftsstandort Burgenland, um den Wirtschaftsstandort Steiermark und um eine wirklich gute internationale Verbindung vom hohen Norden in den Süden. Ich lade alle drei Fraktionen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein: Machen wir eine Informationsfahrt über den Semmering! Sie werden sehen, daß diese Strecke, die mehr als hundert Jahre alt ist, den technischen Erfordernissen überhaupt nicht mehr entspricht! (Beifall bei Bundesräten der SPÖ und der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein Faktum, daß es 1997 auf einer zweigleisigen Strecke zehn Monate lang nur eingleisigen Betrieb aufgrund der enormen Abnützungen gibt, die dadurch entstehen, daß so viele Güter über den Semmering transportiert werden. Außerdem hätten steirische Kollegen, die Pendler aus der Mur-Mürz-Furche, eine Zeitersparnis von zirka 30 Minuten. Das ist täglich eine Stunde. Der Herr Landeshauptmann kommt immer wieder auf die Pendler zu sprechen: Für die Pendler in der Steiermark würde das eine Fahrtzeitverkürzung von einer Stunde täglich bedeuten, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich habe dem Herrn Landeshauptmann bei Gelegenheit einmal eine Frage gestellt: Was würde er sagen, wenn in der neuen Landeshauptstadt im schönen zehnstöckigen Gebäude – im ersten Stock ist das Bürgerservice, und im zehnten Stock hat Herr Landeshauptmann Pröll sein Sprechzimmer und sein Büro – in den ersten drei Stöcken Lift und Rolltreppe wären, im vierten und fünften Stock aber nur eine Strickleiter oder eine Hühnerleiter, dann jedoch wieder Lift und Rolltreppe? – So schaut es nämlich mit dieser internationalen Strecke vom hohen Norden in den Süden aus! Eine solche Barriere stellt zurzeit die Strecke am Semmering dar.

Meine Damen und Herren! Ich komme abschließend zum Bereich der Finanzen. Das ist meine persönliche Meinung, ich weiß nicht, ob sie der Herr Minister teilt: Für mich ist es keine Frage der Private-Public-Partnership. Ich behaupte ganz einfach, daß der Bund in der Lage sein muß, ein Infrastrukturvorhaben in dieser Größenordnung selbst und allein zu finanzieren, da dazu für viele Generationen eine unabdingbare Notwendigkeit besteht. – Das zu den Finanzen.

Ich bin der Meinung, meine Damen und Herren, daß wir diese wirklich wichtige, aber bedauerlicherweise sehr emotionell geführte Diskussion als gewählte Mandatare aus Wien, der


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Steiermark, Kärnten und Niederösterreich sehr sachlich führen sollten. Die einen oder anderen versuchen nämlich, tagespolitische Pyrrhussiege zu erreichen. Das behaupte ich zumindest. Wenn wir diese Diskussion jedoch sachlich führen, könnten alle zu der Erkenntnis kommen, daß dieser Semmering-Basistunnel tatsächlich eine Notwendigkeit ist. Jeder – das behaupte ich mit allem Nachdruck –, der gegen den Semmeringbahntunnel ist, ist für mehr Verkehr auf der Straße!

Ich bitte Sie auch für die Zukunft um Unterstützung! – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

17.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Helga Markowitsch. Ich erteile es ihr.

17.07

Bundesrätin Helga Markowitsch (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Die hier zu behandelnde, sehr umfangreiche Novelle des Schiffahrtsgesetzes 1990 wurde zum Anlaß genommen, die gesamte Rechtsvorschrift aus Gründen der Lesbarkeit und Übersichtlichkeit neu herauszugeben.

Vorrangig war, die Umsetzung internationaler Vorschriften zu berücksichtigen: etwa betreffend den Entfall der Erstüberprüfung bei der Zulassung CE-gekennzeichneter Sportboote, die komplette Neufassung des Teiles Schifführung, die Schaffung einer umfassenden Verordnungsermächtigung und die Aufnahme zahlreicher spezifischer Bestimmungen.

Die seit Inkrafttreten des Schiffahrtsgesetzes 1990 gewonnenen Erfahrungen wurden eingearbeitet: Erstens erfolgte die Aufnahme raftingspezifischer Bestimmungen. Zweitens wurde eine 0,8-Promille-Grenze für Schiffsführer in Verbindung mit der Schaffung der Möglichkeit der vorläufigen Abnahme des Befähigungsausweises – für gewerbsmäßige Schiffahrt gilt ja die 0,1-Promille-Grenze – eingeführt. Drittens wurden Verfahrenserleichterungen und Verwaltungsentlastungen vorgenommen. Zum Beispiel entfallen die Notwendigkeit einer Benützungsbewilligung für Sportanlagen, der behördlichen Überprüfung von Schiffahrtsanlagen bei Vorlage eines Gutachtens, eines Ingenieurkonsulenten oder einer Klassifikationsgesellschaft vor Ablauf der Überprüfungsfrist.

Die wiederkehrende Überprüfung von Fähranlagen ist nicht mehr jährlich, sondern nur mehr in Drei-Jahres-Abständen notwendig. Die behördliche Eichung entfällt, es gibt keine Eichpflicht mehr für Fahrzeuge auf Nichtwasserstraßen und für Fahrgastschiffe.

Es erfolgt die Ex-lege-Anerkennung von EWR-Zulassungsurkunden und Befähigungsausweisen.

Die wiederkehrende Überprüfung der körperlichen und geistigen Eignung der Inhaber von Kapitänspatenten und 20-Meter-Schiffsführpatenten wird nicht mehr alle sieben Jahre ab Ausstellung, sondern erst ab dem 65. Lebensjahr vorgeschrieben.

Letzter Punkt: Die behördliche Genehmigung von Schiffsführerschulen wurde erheblich erleichtert.

Meine Fraktion gibt der vorliegenden Schiffahrtsgesetz-Novelle gerne ihre Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.10

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nunmehr hat sich Herr Bundesminister Dr. Einem zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

17.10

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte nur zu einem Punkt, der heute eigentlich nicht wirklich Gegenstand der Verhandlungen gewesen ist, kurz eine Anmerkung machen.


Bundesrat
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Zunächst möchte ich mich für die außerordentlich sachliche Debatte, die insbesondere die Verkehrsthemen in der jetzt zurückliegenden Periode gefunden haben, bedanken. Ich denke, daß der eine Punkt, der allenthalben für mehr Emotionen gut ist, diese Emotionen allerdings nicht wirklich wert ist. Ich meine, daß wir sehr gut beraten sind, wenn wir verkehrspolitische Auseinandersetzungen, soweit es irgend möglich ist, auf rationaler Basis führen.

Es ist heute und hier einerseits angemerkt worden, daß nicht nur in den Ballungsräumen eine vielfach qualitative, vielfach auch quantitative Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittelangebote im Nahverkehr für Personen notwendig und wünschenswert ist. – Wir investieren sehr viel Geld und sehr viele Anstrengungen genau in diesen Punkt, weil uns bewußt ist, daß die Menschen, die ihre Wege zur Arbeit und von der Arbeit nach Hause zurücklegen, einen Anspruch auf eine ordentliche Ausstattung und auf einen ordentlichen Fahrplan haben.

Es ist aber andererseits heute auch – und nicht von meiner Fraktion – angemerkt worden, daß es bedauerlicherweise noch nicht gelungen ist, die Zuwächse im Güterverkehr im gleichen Umfang auf die Schiene zu bringen, wie dies im Personenverkehr im wesentlichen gelungen ist. Um Zuwächse im Güterverkehr auf die Schiene zu bringen, bedarf es eines modernen und der Güterverkehrsentwicklung entsprechenden Programms zur Entwicklung der Schieneninfrastruktur. Und das betreiben wir.

Ein Element daraus hat momentan die zweifelhafte Segnung, einen Religionskrieg zu verursachen, den es nicht verdient. Ich denke, wenn wir für Systemlösungen betreffend eine umweltfreundliche Befriedigung von Transportbedürfnissen eintreten, dann müssen wir danach trachten, dieses System auch zur Gänze darzustellen. Sonst werden zwar schöne Worte gespendet, aber es wird die Problematik nicht gelöst, um die es geht.

Kurz: Ich werbe dafür, daß man nicht Einzelelemente aus einem Gesamtsystem hochspielt, als ob sie eine besondere Rolle hätten. Diese sind nicht mehr als Einzelelemente aus einem Gesamtsystem, und führten wir die gleiche Debatte anhand von Straßenverkehrsprojekten, dann würde diese anders verlaufen. Ich werbe also ausschließlich für einen rationalen Diskurs in der Verkehrspolitik. Die Probleme sind auch so schwer genug zu lösen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte sehr, Herr Bundesrat Schaufler. Ich erteile Ihnen das Wort.

17.13

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! An und für sich bin ich nicht auf der Rednerliste. Ich werde mich daher auch sehr kurz fassen.

Ich meine, daß wir doch überlegen sollten, welche Prioritäten wir in diesem Staat und in diesem schönen Land setzen. Ich meine, daß man mit dem Steuer verschlingenden Projekt Semmeringtunnel noch etwas zuwarten sollte.

Ich komme aus dem Wiener Umland, aus Schwechat. Wie bekannt ist, ringen wir schon seit langem um eine Lösung der Problematik S 7, Preßburger Bahn. Es wurden schon oft Spaten gestochen, und es wurden schon viele Versprechungen gemacht. Seit 1993 hätten vier Unterführungen allein in der schönen Braustadt Schwechat gebaut werden sollen. Es ist aber erst eine fertig, obwohl eigentlich vier fertig sein sollten. In Anbetracht dessen müssen wir Prioritäten setzen und diese Dinge lösen! (Bundesrat Meier: Das kann man nicht vergleichen!)

Wir haben über 10 000 Arbeitnehmer, die im wesentlichen täglich zum Flughafen pendeln. Dieses Problem ist zu lösen! Wo bleibt die Zweigleisigkeit der S 7, wenn wir keine Unterführungen haben? (Bundesrat Meier: Das soll gebaut werden!) Die Bundesbahnen haben einiges im Baulichen getan und sind auch im Moment dabei. Das gestehe ich schon zu. Wenn jedoch weiterhin mit einer solchen Intensität der Bauvorhaben agiert wird – nach vier Jahren eine Unterführung! –, dann kann ich mir ausrechnen, wie alt ich zum Zeitpunkt der Fertigstellung


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624. Sitzung / Seite 124

sein werde. Wenn ich hundert Jahre alt werde, kann ich die Eröffnung vielleicht noch mit Stock gehend miterleben!

Der Viertelstundentakt wird ständig angesprochen. Wir brauchen also die Zweigleisigkeit der Flughafenbahn. Wir haben über 8 Millionen Flugpassagiere im Jahr. Für die Wiener ist es beispielsweise gar nicht attraktiv, mit der Bahn zum Flughafen zu fahren. (Bundesrat Meier: Das haben wir nicht bestritten!) Daher ist dieses Problem vorerst zu lösen, dann erst das andere. Darum möchte ich den Herrn Bundesminister bitten.

Ich habe das gleiche auch dem Herrn Landeshauptmann von Niederösterreich gesagt. In Niederösterreich und Wien herrscht in dieser Frage eine Einigkeit sondergleichen zwischen dem Landeshauptmann von Niederösterreich und dem Bürgermeister und gleichzeitig auch Landeshauptmann von Wien Häupl. Da gibt es kein Problem mehr. Das sollten wir lösen! Und wir sollten auch das, was ich jetzt anspreche, lösen, das ist mir wichtig. (Zwischenruf der Bundesrätin Schicker. ) Wenn Sie dann einen Zwischenruf machen wollen, gerne, aber jetzt kommt etwas Wichtiges:

Wir sollten dafür sorgen, daß so schnell wie möglich auch die Zone 100 im speziellen Bereich bis zum Flughafen ausgedehnt wird. Ich weiß, daß es im Bereich rund um Wien mehr Wünsche gibt. Aber der Bund und die beiden Länder Niederösterreich und Wien sind die Betreiber der Flughafen-Betriebsgesellschaft, und da müßte es doch möglich sein, die Zone 100 auszudehnen! Denn ein öffentliches Verkehrsmittel muß, wenn die Menschen auf dieses umsteigen sollen, attraktiv, schnell und kostengünstig sein. Mehr sage ich nicht. Ich sage nur: Das Wichtige zuerst, zuerst die Zone 100, dann die Zweigleisigkeit, aber bitte noch in diesem Jahrtausend! Ich möchte es so gerne erleben! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.16

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Erhard Meier. Ich erteile es ihm.

17.16

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bestreite nicht, daß das, was Kollege Schaufler betreffend Flughafenbahn gesagt hat, richtig und notwendig ist. Aber daraus kann man doch nicht schlußfolgern, daß der Anschluß der gesamten Obersteiermark und diese Verbindung des Donauraums in ihrer Größe nicht ebenso wichtig oder gar wichtiger ist! Ich rede jetzt nicht von Prioritäten. Wenn wir könnten, würden wir beides gleichzeitig machen. Ich will nicht gegen die Erweiterung der Flughafenbahn sprechen. Ich verstehe das Ganze eher im gewerkschaftlichen Sinne: Wenn ein Projekt gefordert wird, soll das andere nicht verhindert, sondern ebenfalls unterstützt werden! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Die Frage wird sein, wie das zu finanzieren ist. Das ist mir klar! (Bundesrat Mag. Gudenus: Wie? – Rufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen: Wie?) – Das schafft Arbeitsplätze, das schafft Industriestandplätze. Sie reden auch immer davon: Steuern kommen wiederum herein, wenn eine ganze Region wie das Mürztal bis Donawitz, das Murtal, Judenburg, Knittelfeld in der Verbindung zu Kärnten hängt. Es gibt dann zweifellos noch ein anderes großes Projekt, nämlich den Koralmtunnel mit dem Anschluß über das Burgenland. Auch dieses wäre für die Regionen wichtig. Aber in der Obersteiermark bestehen die Anschlüsse und sind die Industrien teilweise vorhanden und müssen verbessert und erhalten werden. Und deswegen richte ich an alle Niederösterreicher und auch an alle anderen den Appell, nicht gegen dieses Projekt als solches zu sein, sondern zu helfen, daß wir alle notwendigen Maßnahmen überall in Österreich durchbringen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Herrn Bundesminister Dr. Caspar Einem das Wort.

17.18

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Die Worte von Herrn Bundesrat Schaufler haben mich veranlaßt, mich doch noch einmal zu Wort zu melden.


Bundesrat
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Ich habe für eine rational orientierte Verkehrspolitik geworben, und ich muß sagen: Ich habe zu meiner Enttäuschung eine nicht nur in dieser Richtung orientierte Antwort bekommen.

Herr Bundesrat Schaufler! Ich bin mit Ihnen einer Meinung, daß der Ausbau der S 7, prioritär zunächst einmal zwischen Wien und dem Flughafen und dann auch weiter nach Bratislava, zu den allerdringendsten Anliegen zählt. Darüber kann kein Zweifel bestehen. Das ist auch der Grund, warum wir die erforderlichen Veranlassungen getroffen und jetzt in der sogenannten dritten Übertragungsverordnung diesen Bahnabschnitt zur prioritären Behandlung freigegeben und übertragen haben, und die dafür notwendigen Mittel sind vorgesehen.

Der Grund, weshalb ich für eine rational orientierte Verkehrspolitik geworben habe, ist, daß wir nicht so tun sollten, als ob es sozusagen auf der einen Seite Menschen und auf der anderen Seite Geld verschlingende Molochs gibt. Ich möchte nur zur Unterstreichung dieser meiner Auffassung die Frage aufwerfen: Wie kommen nach Meinung der Wiener und Niederösterreicher die meisten Produkte des alltäglichen Bedarfs in diese Region, und wie hätten sie es gerne, daß sie hierherkommen? – Eine weitere Frage, die wir beantworten sollten, ist, wie die Produkte, die in Wien und Niederösterreich erzeugt und nicht an Ort und Stelle verbraucht werden, zu ihren Kunden in anderen Bundesländern oder im Ausland gelangen sollen. Und wenn die Antwort darauf lautet: Wir wünschen, daß das im LKW-Verkehr geschieht!, dann sollten wir sie geben. Wenn wir aber der Meinung sind, daß der Bahn-Güterverkehr wichtig ist – den nicht jeder einzelne Bahnfahrer jeden Tag sieht, zugegeben, daher besteht politisch vordergründig keine gleich attraktive Argumentationsgrundlage –, dann sollten wir nicht so tun, als ob die Güter, die hier erzeugt werden, im Handtäschchen der Pendler mitexportiert werden könnten und die Güter, die hier täglich gebraucht werden, etwa das Mehl, um Brot backen zu können, im Handtäschchen der Pendler mithereinkommen würden.

Das, worum es geht, ist deutlich zu machen, daß wir nämlich zwei verschiedene Aufgaben zugleich zu lösen haben: Erstens müssen wir den Pendlern rechtzeitig und rasch attraktive Verkehrsverbindungen schaffen. Dafür stehe ich, da stimme ich Ihnen völlig zu. Zweitens haben wir auch dafür zu sorgen, daß einerseits die Produkte dieser Region dorthin, wo Nachfrage danach besteht, gebracht werden können und daß andererseits die Güter, die wir brauchen, um hier leben zu können, hereingebracht werden können. Dieser Transport soll so umweltfreundlich wie möglich vor sich gehen. Und dafür eignet sich nach heutiger Einschätzung die Schiene am besten. Dafür haben wir ebenfalls vorzusorgen, weil wir sonst die Hälfte unserer Aufgabe vergessen hätten.

Diese Aspekte kann und soll man in der Prioritätenabwicklung nicht gegeneinander stellen. Wir müssen beides lösen, sonst haben wir unsere politische Aufgabe nicht erfüllt! (Beifall bei der SPÖ.)

17.22

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht gegeben.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Binnenschiffahrt (Schiffahrtsgesetz).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


Bundesrat
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624. Sitzung / Seite 126

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend eine Wirtschaftskommission für Europa; Transeuropäische Eisenbahn (TER); Verlängerung des Kooperationsübereinkommens über den Treuhandfonds.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend Änderungen zum Übereinkommen über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderung zu verwenden sind (ATP).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

23. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte (604/NR sowie 5423/BR der Beilagen)

24. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Usbekistan andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte (605/NR sowie 5424/BR der Beilagen)

25. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Aserbaidschan andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte (606/NR sowie 5425/BR der Beilagen)

26. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Georgien andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte (607/NR sowie 5426/BR der Beilagen)

27. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere Afrika samt Anlagen und Erklärung (565/NR sowie 5427/BR der Beilagen)


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624. Sitzung / Seite 127

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Wir gelangen nun zu den Punkten 23 bis 27 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte,

ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Usbekistan andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte,

ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Aserbaidschan andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte,

ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Georgien andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte und

ein Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere Afrika samt Anlagen und Erklärung.

Die Berichterstattung über die Punkte 23 bis 27 hat Herr Bundesrat Peter Rieser übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Peter Rieser: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Berichte des Außenpolitischen Ausschusses sind Ihnen schriftlich zugegangen.

Zu den Tagesordnungspunkten 23, 24, 25 und 26 stellt der Außenpolitische Ausschuß nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Auch der Bericht zum Tagesordnungspunkt 27 über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere Afrika samt Anlagen und Erklärung ist Ihnen schriftlich zugegangen.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.

17.30

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich beziehe mich auf einen einzigen Punkt, nämlich den Punkt 27, den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere in Afrika samt Anlagen und Erklärung.


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Meine Fraktion wird dieser Vorlage nicht zustimmen, und zwar nicht wegen ihres sachlichen Inhalts, gegen den naturgemäß kein Einwand besteht, sondern vielmehr aus einem verfassungs- und demokratiepolitischen Grund, der uns wichtig ist.

Gemäß Artikel 31 dieses Übereinkommens werden weitere Anlagen des Übereinkommens und Änderungen von Anlagen nach dem normalen Verfahren zur Änderung des Übereinkommens beschlossen. Ein solcher Beschluß tritt nach der Regelung, der sich Österreich angeschlossen hat, binnen sechs Monaten nach Verständigung durch den Depositär, den Verwahrer, in Kraft.

Offenbar war nun dem Gesetzgeber bewußt, daß das parlamentarische Verfahren zur Ratifizierung in diesem Zeitraum nicht durchwegs durchführbar ist. Das wäre aber gar nicht notwendig gewesen. Nach Artikel 34 Abs. 4 des Übereinkommens hätte Österreich die Möglichkeit gehabt, wie jede andere Vertragspartei, in seiner Ratifikationsurkunde zu erklären, daß für uns weitere regionale Durchführungsanlagen oder Änderungen solcher Anlagen erst mit Hinterlegung unserer diesbezüglichen Ratifikationsurkunde in Kraft treten. Die Begründung dafür, daß sich Österreich, angeblich im Einklang mit den anderen Mitgliedstaaten der EU, zur sogenannten Opting-Out-Regelung bekennt, ist sachlich nicht überzeugend.

Statt die internen verfassungsrechtlichen Vorgaben beim Abschluß des Übereinkommens zu wahren, fand leider eine qualifizierte Mehrheit nichts daran, das Parlament daher von jeder Mitwirkung an künftigen Vertragsänderungen ein für allemal auszuschließen. Um das zu ermöglichen, wurde einfach Artikel 31 des Übereinkommens formell in den Verfassungsrang erhoben, und damit wurden wieder einmal Kompetenzen vom Gesetzgeber auf die Exekutive, auf die Bundesregierung, verlagert.

Hierzu bedurfte es also erneut einer eigenen Verfassungsbestimmung. Aber was stört schon eine mehr, ist ihre Zahl doch ohnehin bereits Legion! – Wir werden aber einer solchen Selbstausschaltung nicht zustimmen, weil wir diesen leichtfertigen Umgang mit der Verfassung und der Gewaltenteilung entschieden ablehnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.35

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

17.35

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Generalsekretär des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten! Meine Damen und Herren! Von meinem Vorredner haben Sie die Probleme gehört, aufgrund welcher eine an und für sich gute Idee für uns nicht nachvollziehbar ist.

Wie entstehen Wüsten, meine Damen und Herren? – Durch Übernutzung, durch Überschlägerung, durch Wind- und Wassererosion. Ähnlich wird meines Erachtens auch mit unserer Bundes-Verfassungsgesetzgebung praktiziert. Wie entsteht eine gesetzgeberische oder verfassungsmäßige Wüste? – Indem man ständig an der Verfassung nagt, an ihr eine Wind-, Wasser- und Gesetzgebungserosion vornehmen läßt, durch welche der Kern der Verfassung zu einem Punkt reduziert wird, weshalb sie relativ bald – wenn auch noch nicht, das ist ein Glück! – nicht mehr als solche wahrnehmbar ist.

Ich bin kein Verfassungsrechtler, aber ich erkenne die Vorgangsweise, in der man hier in Österreich immer wieder Gesetze, bei denen man der Opposition nicht zumutet, diese nachvollziehen zu können, die man aber internationalen Organisationen in vorauseilendem Gehorsam schön andienen zu müssen meint, mit einem Verfassungsgesetz regelt. Das ist untragbar, meine Damen und Herren! Das ist der Würde des Parlaments und der Parlamentarier in beiden Häusern nicht zumutbar! Ich verstehe nicht, warum Sie sich nicht dagegen aussprechen!

Es könnte auch eine andere Technik angewandt werden, der Erfolg könnte sich auch anders einstellen, meine Damen und Herren! Ich meine nämlich, daß dieses Gesetz im Prinzip gut ist. Wir wollen ja etwas Gutes: Die Wüste soll leben! – "Die Wüste lebt" war ein hervorragender Film


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624. Sitzung / Seite 129

von Walt Disney, der vor 30 oder 40 Jahren lief und immer wieder einmal gegeben wird. Es ist dies einer der wirklich guten Naturfilme: "Die Wüste lebt"!

Diese sollte noch viel besser leben, wenn wir alle mit frohem Herzen diesem Gesetz zustimmen könnten. Wir Freiheitlichen verweigern jedoch im Interesse des Schutzes der österreichischen Gesetzgebung und unserer Selbstachtung diesem Gesetz die Folge.

Den anderen Gesetzen folgen wir hingegen mit großem Vergnügen, denn es ist eine große Aufgabe für ein kleines Land wie die Republik Österreich, mitzuhelfen, wenn neu entstandene Staaten im Bereich der ehemaligen Sowjetunion heute um ihre Souveränität ringen. Sie ringen um ihre Souveränität. Sie sind durch die Republik Österreich anerkannt. Wir haben einen – ich glaube, so nennt man ihn – fliegenden Botschafter, welcher in diesen Hauptstädten als unser Sprachrohr unterwegs ist. Vielleicht ist es sogar eine Botschafterin. Wir helfen diesen Staaten auch beim Einrichten ihrer Botschaften in Österreich durch Anteilzahlungen an Monatsmieten, durch einen jährlichen technischen Hilfsbeitrag.

Österreich ist also wirklich gut dran. Wir könnten aber natürlich noch mehr tun.

Das Problem ist, daß es, wenn wir das Ganze jetzt auch über die EU machen lassen, natürlich wiederum über eine "Elefantenrunde" hinausgeht. Ich bin überzeugt, daß man auch in der EU bemüht sein wird, die jeweiligen Aufgaben zu erfüllen. Man braucht nicht in jedem Elefanten einen schlechten Elefanten zu sehen. Elefanten sind liebenswert, arbeitseifrig und brauchen viel Futter. Das Futter zahlen wir Österreicher ihnen mit.

Auch diese "Elefantenrunden" der EU werden dort Gutes vollbringen. Wir müssen wissen, daß diese vier Staaten wiederum in die GUS, in die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten – man nennt sie auch "Gemeinschaft des Mißtrauens" – eingetreten sind oder "eingetreten wurden". Mißtrauen haben Gemeinschaften so an sich, es ist auch in der EU nicht alles eitel Wonne, und man hat durchaus das Recht, manchen Überlegungen in der EU mit starkem Mißtrauen zu begegnen, ohne daß ich jetzt die GUS mit der EU verglichen haben will.

Etwas, was mich an diesem Vertrag mit den vier Staaten Armenien, Usbekistan, Aserbaidschan und Georgien einnimmt, ist, daß wir es hiebei mit vier Staaten zu tun haben, die älteste Kulturländer sind. So hatte man zum Beispiel in Armenien bereits 406 nach Christus ein eigenes Alphabet – da konnten wir noch lange nicht davon sprechen! –, und im siebten Jahrhundert nach Christus haben armenische Wissenschafter schon erkannt, daß die Erde eine Kugel ist. Ich möchte sagen: Das war doch eine Glanzleistung der wissenschaftlichen Vorhersicht! Die Georgier sind im vierten Jahrhundert gemeinsam mit Armenien zum Christentum übergetreten und haben es als Staatsreligion übernommen.

Aserbaidschan hat das ungelöste Problem der Region Nordkarabach, in der rund 140 000 Armenier leben. Dieses Problem ist tatsächlich ein Problem, welches sich auch wirtschaftlich auf die ganze transkaukasische Region auswirkt. Gehalten wird die transkaukasische Region besonders von den Überlegungen einer großen Erdölförderung. Die großen Erdölleitungen sollen und werden sicherlich bei vernünftiger Anleitung auch durch uns Österreicher und durch die EU zum wirtschaftlichen Aufschwung beitragen. Wir dürfen uns jedoch nicht erwarten, daß dort, wenn Österreich und die EU in diesen Ländern diplomatisch vertreten sind und Hilfe leisten, sofort demokratische und wirtschaftliche Zustände wie in der Schweiz eintreten werden. Wir haben das unlängst mit Albanien erlebt, wo die Demokratie und Marktwirtschaft – man müßte letztere dort wahrscheinlich eher als "Haifisch-Kapitalismus" bezeichnen – einen großen Niederbruch erlitten. Wir sollten diesen vier Ländern die Möglichkeit geben, sich langsam an unsere Ideale der Wirtschaft und der Demokratie anzunähern.

Georgien ist auf diesem Gebiet sehr weit fortgeschritten, und in Armenien wurden 87 Prozent der Landwirtschaft schon privatisiert.

Usbekistan hat einen klugen Präsidenten, Karimow, der keine Schocktherapie auf wirtschaftspolitischem Gebiet will und eine vorsichtige Liberalisierung betreibt. Usbekistan zeichnet sich


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auch dadurch aus, daß es – unter Anführungszeichen – ein "demokratischer Staat ohne Opposition" ist. So wird es bezeichnet.

Aserbaidschan hat das Problem, sehr stark muselmanisch geprägt und turksprachig zu sein. Es grenzt nur an das Kaspische Meer und hat das angesprochene Problem mit den armenischen Minderheiten, welche es nicht ermöglichen, daß seine Erdölprodukte über georgisches Gebiet ans Schwarze Meer an den Hafen geliefert werden.

Georgien hat derzeit den Präsidenten Schewardnadse. Schewardnadse kommt der Vorzug zugute, als Außenminister der Sowjetunion tätig gewesen zu sein und zur Auflösung der Sowjetunion beigetragen zu haben. Zu seiner sowjetischen Zeit war er ursprünglich auch Polizeichef und politischer Chef in Georgien. Er ist ein machtbewußter Mensch, lehnt Alkohol, aber nicht Frauen ab. Ich glaube, er wird Erfolg haben, denn seine stabile Währung ist für alle anderen Staaten in diesem Bereich beispielgebend.

Wenn wir zusammenfassend diese Region ansehen, können wir feststellen, daß sie zugleich eine Zukunftsregion und eine Sorgenregion ist. Sie ist Zukunftsregion, weil sie aufgrund ihrer Erdölschätze für uns alle zum Nutzen sein kann, und für sich eine Sorgenregion, weil in ihrer Entwicklung auf demokratischem und marktwirtschaftlichem Gebiet der Standard, den man in diesen Ländern gerne hätte, noch nicht erreicht ist und Anlaß zur Sorge besteht, ob nicht Rückfälle in ehemals vergangene Zeiten zu gewärtigen sind. Es wird vieler Anstrengungen bedürfen, um auf bilateraler und multilateraler Ebene diesen Staaten das zu geben, was sie brauchen: eine Zukunftsvision. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.38

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Usbekistan andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen


Bundesrat
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Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Aserbaidschan andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Georgien andererseits samt Anhängen, Protokoll und Schlußakte.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1997 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere Afrika samt Anlagen und Erklärung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

28. Punkt

Wahl der Vertreter Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 28. Punkt der Tagesordnung: Wahl der Vertreter Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates.

Vom Bundesrat sind drei Ersatzmitglieder in die Parlamentarische Versammlung des Europarates zu wählen.

Es liegt mir jeweils ein Wahlvorschlag vor.

Als Ersatzmitglieder wurden die Bundesräte Ing. Johann Penz, Johanna Schicker und Dr. Susanne Riess-Passer für die Parlamentarische Versammlung des Europarates vorgeschlagen.

Wird die Durchführung der Wahl mittels Stimmzettel gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Falls sich dagegen kein Einwand erhebt, werde ich gemäß § 56 der Geschäftsordnung die Wahl unter einem und durch Handzeichen vornehmen lassen. – Einwand wird nicht erhoben.


Bundesrat
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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem von mir bekanntgegebenen Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich wünsche den gewählten Vertretern im Europarat viel Erfolg. (Allgemeiner Beifall.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen, 1276/J bis 1277/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Dienstag, der 6. Mai 1997, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Montag, den 5. Mai 1997, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 17.44 Uhr