Stenographisches Protokoll

641. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 4. Juni 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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641. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 4. Juni 199


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 2

8

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 4. Juni 1998: 9.03 – 18.28 Uhr

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Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Behörden-Überleitungsgesetz, das AIDS-Gesetz 1993, das Bundesgesetz über natürliche Heilvorkommen und Kurorte, das Rezeptpflichtgesetz und das Arzneimittelgesetz geändert werden

2. Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundesgesetz über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses, das Bundesgesetz, mit dem das ÖIAG-Anleihegesetz, das Erdölbevorratungs-Förderungsgesetz, das Bundesgesetz, mit dem die Haftungsübernahme für von der Gesellschaft "Österreichische Bundesbahnen" bei der "Eurofima" (Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial) aufzunehmende Anleihen, Darlehen und sonstige Kredite geregelt wird, das Energieanleihegesetz 1982, das Bundesgesetz vom 24. Jänner 1979 betreffend Übernahme der Bundeshaftung für die Konversion von Anleihen, Darlehen und sonstigen Krediten der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG (Verbundgesellschaft) und der Sondergesellschaften, das Garantiegesetz 1977, das Bundesgesetz vom 4. April 1986 über die Österreichische Industrieholding Aktiengesellschaft und über eine Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes sowie des ÖIAG-Anleihegesetzes, das Poststrukturgesetz, das Staatsdruckereigesetz 1996, das Umweltförderungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden, das Bundesgesetz betreffend die Übernahme von Geschäftsanteilen der Graz Köflacher Eisenbahn GmbH (GKE) und die mögliche Verwertung dieser Geschäftsanteile erlassen wird und das Bundesgesetz über die Bundesrechenzentrum GmbH (BRZ GmbH) geändert wird (Budgetbegleitgesetz 1998)

3. Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird

4. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bolivien über die Förderung und den Schutz von Investitionen

5. Bundesverfassungsgesetz über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam

6. Berufsbildungsbericht 1997 des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten

7. Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppe samt Erklärungen Österreichs

8. Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren

9. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlagen

10. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informationen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes

11. Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, 1946

12. Zusatzabkommen zu dem in Paris am 2. September 1949 unterzeichneten Allgemeinen Abkommen über die Privilegien und Immunitäten des Europarates, abgeschlossen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Europarat betreffend das Europäische Zentrum für lebende Sprachen samt Briefwechsel

13. 6. Protokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates

14. Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung der Republik Österreich

15. Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung (Protokoll II in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärungen; Protokoll vom 13. Oktober 1995 über blindmachende Laserwaffen (Protokoll IV) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärung

16. Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1998

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Nominierung eines österreichischen Vertreters in den Verwaltungsrat der Europäischen Investitionsbank 43

Schlußansprache des Präsidenten Ludwig Bieringer 140

Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das zweite Halbjahr 1998

Wahl der beiden Vizepräsidenten 138

Wahl von zwei Schriftführern 139

Wahl von drei Ordnern 139


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 3

Personalien

Entschuldigungen 11 und 59

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 43

Ausschüsse

Zuweisungen 43

Fragestunde

Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr 11

Erich Farthofer (908/M-BR/98); Monika Mühlwerth, Therese Lukasser

Mag. Michael Strugl (901/M-BR/98); Monika Mühlwerth

DDr. Franz Werner Königshofer (914/M-BR/98); Wolfram Vindl, Irene Crepaz

Dr. Michael Ludwig (909/M-BR/98); Dr. Peter Böhm, Dr. Kurt Kaufmann

Leopold Steinbichler (902/M-BR/98); Erich Farthofer, DDr. Franz Werner Königshofer

Dr. Reinhard Eugen Bösch (915/M-BR/98); Dr. Kurt Kaufmann, Dr. Michael Ludwig

Mag. Günther Leichtfried (910/M-BR/98); Thomas Ram, Alfred Schöls

Peter Rieser (903/M-BR/98); Wolfgang Hager, Mag. John Gudenus

Engelbert Weilharter (916/M-BR/98); Ing. Walter Grasberger, Erich Farthofer

Erhard Meier (911/M-BR/98); Andreas Eisl, Aloisia Fischer

Peter Rodek (904/M-BR/98); Ferdinand Gstöttner, Ulrike Haunschmid

Monika Mühlwerth (917/M-BR/98); Dr. Milan Linzer, Johann Grillenberger

Irene Crepaz (912/M-BR/98); DDr. Franz Werner Königshofer, Wolfram Vindl

Engelbert Schaufler (905/M-BR/98); Josef Pfeifer, Engelbert Weilharter

Verhandlungen

(1) Beschluß des Nationalrates vom 12. Mai 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behörden-Überleitungsgesetz, das AIDS-Gesetz 1993, das Bundesgesetz über natürliche Heilvorkommen und Kurorte, das Rezeptpflichtgesetz und das Arzneimittelgesetz geändert werden (1077 und 1147/NR sowie 5674/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfgang Hager 44

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Paul Tremmel 45

Johann Payer 46


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 4

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 48

Gemeinsame Beratung über

(2) Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundesgesetz über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses, das Bundesgesetz, mit dem das ÖIAG-Anleihegesetz, das Erdölbevorratungs-Förderungsgesetz, das Bundesgesetz, mit dem die Haftungsübernahme für von der Gesellschaft "Österreichische Bundesbahnen" bei der "Eurofima" (Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial) aufzunehmende Anleihen, Darlehen und sonstige Kredite geregelt wird, das Energieanleihegesetz 1982, das Bundesgesetz vom 24. Jänner 1979 betreffend Übernahme der Bundeshaftung für die Konversion von Anleihen, Darlehen und sonstigen Krediten der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG (Verbundgesellschaft) und der Sondergesellschaften, das Garantiegesetz 1977, das Bundesgesetz vom 4. April 1986 über die Österreichische Industrieholding Aktiengesellschaft und über eine Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes sowie des ÖIAG-Anleihegesetzes, das Poststrukturgesetz, das Staatsdruckereigesetz 1996, das Umweltförderungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden, das Bundesgesetz betreffend die Übernahme von Geschäftsanteilen der Graz Köflacher Eisenbahn GmbH (GKE) und die mögliche Verwertung dieser Geschäftsanteile erlassen wird und das Bundesgesetz über die Bundesrechenzentrum GmbH (BRZ GmbH) geändert wird (Budgetbegleitgesetz 1998) (1099, Zu 1099 und 1161/NR sowie 5688/BR d. B.)

(3) Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (1162/NR sowie 5689/BR d. B.)


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 5

Berichterstatter: Johann Kraml 49

[Antrag, zu (2) gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben und zu (3) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 49

Peter Rodek 50

Herbert Thumpser 52

Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttenstorfer 53

Dr. Peter Harring 54

Aloisia Fischer 56

Johann Grillenberger 57

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) gegen den Beschluß des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, mit dem Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 58

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3) keinen Einspruch zu erheben 58

(4) Beschluß des Nationalrates vom 12. Mai 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bolivien über die Förderung und den Schutz von Investitionen (667/NR sowie 5687/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Kraml 59

(Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen 59

(5) Beschluß des Nationalrates vom 12. Mai 1998 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam (1152 und 1168/NR sowie 5675/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfram Vindl 60

(Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen)

Redner:

Dr. Peter Böhm 60

Albrecht Konečny 63

Dr. Kurt Kaufmann 65

Dr. Susanne Riess-Passer 68

Erhard Meier 70

Mag. Michael Strugl 73

Mag. John Gudenus 75

Irene Crepaz 77

Dr. Reinhard Eugen Bösch 78

Dr. Paul Tremmel 80

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 81

Annahme des Antrages des Berichterstatters, der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 83

(6) Berufsbildungsbericht 1997 des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (III-178/BR sowie 5677/BR d. B.)

Berichterstatter: Friedrich Hensler 83

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Engelbert Weilharter 83

Horst Freiberger 85

Wolfram Vindl /I> 88

Monika Mühlwerth 90

Dr. Kurt Kaufmann 92

Ulrike Haunschmid 94

Ilse Giesinger 95

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 95

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 97


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 6

(7) Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppe samt Erklärungen Österreichs (943, Zu 943 und 1170/NR sowie 5678/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Schaufler 97

(Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen)

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 97

Dr. Michael Ludwig 98

Dr. Vincenz Liechtenstein 100

Mag. John Gudenus 102

Alfred Schöls 104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 106

(8) Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren (907 und 1171/NR sowie 5679/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Schaufler 106

(Antrag, 1. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Günther Leichtfried 106

Jürgen Weiss 107

Thomas Ram 108

Wolfgang Hager 109

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrats, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben 110

Gemeinsame Beratung über

(9) Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlagen (1042 und 1174/NR sowie 5680/BR d. B.)


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 7

(10) Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informationen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes (1087 und 1175/NR sowie 5681/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer 111

[Antrag, zu (9) und (10) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Erich Farthofer 112

Friedrich Hensler 114

Mag. John Gudenus 115

Dr. Paul Tremmel 116

Bundesminister Dr. Wolfgang Schüssel 117

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (9) und (10) keinen Einspruch zu erheben 119

Entschließungsantrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Albrecht Konečny, Dr. Susanne Riess-Passer, Ing. Walter Grasberger, Erich Farthofer und Genossen betreffend die Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Mochovce 113

Annahme (E.158) 119

(11) Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, 1946 (1084 und 1177/NR sowie 5682/BR d. B.)

Berichterstatter: Peter Rieser 119

(Antrag, 1. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Monika Mühlwerth 120

Mag. Günther Leichtfried 121

Engelbert Schaufler 122

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 123

Gemeinsame Beratung über

(12) Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Zusatzabkommen zu dem in Paris am 2. September 1949 unterzeichneten Allgemeinen Abkommen über die Privilegien und Immunitäten des Europarates, abgeschlossen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 8

Europarat betreffend das Europäische Zentrum für lebende Sprachen samt Briefwechsel (1085 und 1179/NR sowie 5683/BR d. B.)

(13) Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein 6. Protokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates (1098 und 1180/NR sowie 5684/BR d. B.)

Berichterstatter: Peter Rieser 124

[Antrag, zu (12) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, zu (13) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Susanne Riess-Passer 124

Karl Drochter 125

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (12) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 127

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (13) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 127

Gemeinsame Beratung über

(14) Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung der Republik Österreich (1088 und 1181/NR sowie 5685/BR d. B.)

(15) Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung (Protokoll II in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärungen; Protokoll vom 13. Oktober 1995 über blindmachende Laserwaffen (Protokoll IV) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärung (1107 und 1182/NR sowie 5686/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer 128

[Antrag, zu (14) und (15) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Johann Kraml 128

Dr. Vincenz Liechtenst


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 9

ein 130

Mag. John Gudenus 131

Irene Crepaz 133

Herbert Thumpser 134

Ilse Giesinger 135

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (14) keinen Einspruch zu erheben 136

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. John Gudenus, Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel und Kollegen betreffend die Vergabe der Mittel der Bundesregierung zur Unterstützung bei der Räumung von Minen durch die betroffene Bevölkerung sowie zur Ausstattung des Österreichischen Bundesheeres 132

Ablehnung 137

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (15) keinen Einspruch zu erheben 137

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Anwendungsbereich des außergerichtlichen Tatausgleichs (1387/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel, Mag. John Gudenus und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Erleichterungen für Altösterreicher deutscher Muttersprache im Zusammenhang mit der Exekutierung des Schengener Abkommens (1388/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel, Mag. John Gudenus und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Erleichterungen für Altösterreicher deutscher Muttersprache im Zusammenhang mit der Exekutierung des Schengener Abkommens (1389/J-BR/98)

der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Anwendungsbereich des außergerichtlichen Tatausgleichs (1390/J-BR/98)

der Bundesräte Alfred Schöls, Mag. Karl Wilfing und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Bewaffnung der Zivilzöllner (1391/J-BR/98)

der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Einreiseverweigerung der israelischen Behörden gegenüber einem österreichischen Staatsbürger (1392/J-BR/98)

der Bundesräte Aloisia Fischer und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Bahnprojekte im Bundesland Salzburg (1393/J-BR/98)


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 10

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Endlagerung von alten Eisenbahnschwellen (1394/J-BR/98)

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Endlagerung von alten Eisenbahnschwellen (1395/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel, Monika Mühlwerth, Dr. Reinhard Eugen Bösch an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Einschleppung von übertragbaren Krankheiten (1396/J-BR/98)

 

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend EU-Regionalförderungen für Tirol, 1995/96/97 (1397/J-BR/98)

der Bundesräte Ernest Windholz, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend überhöhte Bezüge im BMLF (1398/J-BR/98)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Peter Rieser, Jürgen Weiss und Kollegen (1259/AB-BR/98 zu 1361/J-BR/98)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Monika Mühlwerth und Mag. John Gudenus (1260/AB-BR/98 zu 1369/J-BR/98)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen (1261/AB-BR/98 zu 1373/J-BR/98)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Frage der Bundesräte Erhard Meier und Kollegen (1262/AB-BR/98 zu 1366/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Peter Rieser und Kollegen (1263/AB-BR/98 zu 1370/J-BR/98)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1264/AB-BR/98 zu 1367/J-BR/98)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Andreas Eisl und Kollegen (1265/AB-BR/98 zu 1372/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Peter Rieser und Ilse Giesinger (1266/AB-BR/98 zu 1363/J-BR/98)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus, Monika Mühlwerth und Dr. Peter Böhm (1267/AB-BR/98 zu 1368/J-BR/98)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Gottfried Waldhäusl und Kollegen (1268/AB-BR/98 zu 1374/J-BR/98)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Monika Mühlwerth und Mag. John Gudenus (1269/AB-BR/98 zu 1375/J-BR/98)

 


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Präsident Ludwig Bieringer: Ich eröffne die 641. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 640. Sitzung des Bundesrates vom 29. April 1998 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Hedda Kainz, Johanna Schicker, Mag. Harald Repar und Gottfried Jaud.

Fragestunde

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde, sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird, im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.05 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr

Präsident Ludwig Bieringer: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage, 908/M, an den Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Erich Farthofer, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

908/M-BR/98

Sind die derzeitigen Maßnahmen im Bereich des Studienförderungsgesetzes ausreichend?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Hoher Bundesrat! Die derzeitigen Maßnahmen im Bereich der Studienförderung sind bisher einigermaßen ausreichend gewesen. Wir sind allerdings der Überzeugung, daß Verbesserungen möglich und notwendig sind, und zwar insbesondere deshalb, weil wir der Auffassung sind, daß es auch darum geht, die Studie, die wir zur sozialen Lage der Studierenden haben anfertigen lassen, konkret zu evaluieren und entsprechende Schlußfolgerungen daraus zu ziehen.

Die Schlußfolgerungen sind derzeit auch legistisch in Vorbereitung. Wir haben vor, im Laufe des zweiten Halbjahres des heurigen Jahres einen entsprechenden Gesetzesvorschlag im Nationalrat einzubringen mit der Zielsetzung, zum 1. März des kommenden Jahres, also zum Sommersemester 1999, die Studenten bereits mit neuen Vorschlägen begleiten zu können.

Im wesentlichen geht es darum, daß wir einerseits im Lichte der erfolgten Familienförderungsreform auch Anpassungen der rechtlichen Grundlage für die Studienförderung schaffen, die darauf abzielen, im Falle des Höchststipendiums tatsächlich lebenshaltungskostendeckende Stipendien zu schaffen. Andererseits geht es uns darum, für eine ganze Reihe von Studierenden, deren Zahl in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, das sind insbesondere berufstätige Studierende, Studierende mit Sorgepflichten und überhaupt im Alter schon etwas fortgeschrittene Studierende, entsprechende Grundlagen für Stipendien zu schaffen, insbesondere was beispielsweise die Periode des Abschlusses des Studiums betrifft.


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Kurz gesagt: Es geht darum, auf die geänderte Zusammensetzung der Studierenden zu reagieren, um sicherzustellen, daß ein fairer und gleicher Zugang zu den Möglichkeiten eines Studiums besteht und daß mit den Stipendien darauf in entsprechender Weise reagiert wird.


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Präsident Ludwig Bieringer:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Frau Bundesrätin Mühlwerth, bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben es jetzt selbst gesagt und auch im Budgetbericht vom 30. 4. 1998 steht, daß das Wissenschaftsministerium eine umfassende Änderung des Studienförderungsgesetzes plant.

Mir ist in der letzten Zeit aufgefallen, daß eine Mininovelle dieses Gesetzes die andere jagt, daher meine Frage: Können Sie einigermaßen sicherstellen – zu 100 Prozent, das weiß ich, kann man es nie –, können Sie mit großer Sicherheit sagen, daß diese Änderung so umfassend sein wird, daß wir in einem halben Jahr nicht wieder mit der Reparatur dieses Gesetzes beginnen müssen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Bundesrätin! Ich kann es im Rahmen dessen sicherstellen, was ein Minister überhaupt sicherstellen kann. Es gibt bereits sehr ernsthafte Gespräche auch auf parlamentarischer Ebene über ein umfassendes Paket einer Studienförderungsgesetznovelle, und der Eindruck, den ich davon habe mitnehmen können, ist, daß wir zu einer großen Lösung kommen können und werden.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Lukasser zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Dieser Dokumentation zur sozialen Lage der Studierenden, die von Ihrem Ministerium – es war federführend – in Zusammenarbeit mit drei weiteren Ministerien erarbeitet wurde, entnehme ich, daß die Beihilfen für Auslandsstudien einen entscheidenden Aufschwung genommen haben.

Meine Frage: Können Sie sich die Entwicklung eines Auslandsstudienfonds nach dem Muster des "Fulbright programs" vorstellen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Bundesrätin! Ich bin nicht ganz unvorbereitet auf diese Frage, da Abgeordneter Lukesch diese Forderung auch immer wieder aufstellt.

Ich denke, der entscheidende Punkt ist nicht so sehr, ob es sich um einen Fonds handelt und ob dieser einen klangvollen Namen hat, sondern es geht darum, daß wir in hinreichendem Maße finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, um sicherzustellen, daß auch tatsächlich Studierende im gewünschten und auch zu unterstützenden Ausmaß Auslandsstudienzeiten in Anspruch nehmen.

Wir sehen sehr deutlich, daß die Anforderungen, die nach dem Studium von potentiellen Arbeitgebern gestellt werden, immer deutlicher darauf hinauslaufen, daß Studierende, die ausschließlich daheim studiert haben, weniger gern genommen werden, während Studierende, die es unternommen haben, einen Blick über die Grenzen, in fremde Kulturen und in fremde Sprachen zu machen, im allgemeinen sehr, sehr gern genommen werden. Daher wollen wir Auslandsstudien unterstützen und werden auch die entsprechenden Geldmittel dafür bereitstellen.

Ein klangvoller Name ist bis jetzt noch nicht entwickelt worden, aber wir wollen zuerst das Geld dafür aufbringen, über den Namen können wir vielleicht später noch sprechen.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 901/M, an den Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Mag. Michael Strugl, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet:

901/M-BR/98

Werden Sie im Zuge der Reform des Studien- und Organisationsrechtes der Hochschulen künstlerischer Richtung die Instrumental- und Gesangspädagogik als bewährte eigenständige Studienrichtung im Sinne der Sicherung der Ausbildungsqualität des Musiklandes Österreich und der Zusammenarbeit mit den Musikschulen und Konservatorien der Bundesländer erhalten?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen: Im Kern: ja!, ich glaube aber, daß Sie eine etwas ausführlichere Antwort verlangen, und daher möchte ich diese auch gerne geben.

Das, worum es geht, ist, daß wir aus guten Gründen, wie ich glaube, versuchen wollen und versuchen werden, das Konzertfach und das Studienfach für Instrumental- und Gesangspädagogik näher zueinander zu führen und auch die Ressourcen, die innerhalb der Musikhochschulen, künftigen Universitäten der Künste, vorhanden sind, besser zu bündeln und einzusetzen.

Wir müssen gleichzeitig auch sehen – auch das hat uns bis zu einem gewissen Grad bei den Entwürfen angeleitet –, daß heute in den Musikschulen vielfach Personen als Musikschullehrer beschäftigt sind, die Konzertfach studiert haben, und daß in der Diskussion, die in den letzten Wochen und Monaten zu diesem Thema mit großer Nachhaltigkeit geführt wurde, vieles nicht ausschließlich auf nüchternem, sachlichem Grund stattgefunden hat.

Das, was wir machen wollen – und ich kann Ihnen versichern, das bin ich nicht nur der Funktion als Wissenschaftsminister, sondern auch dem Umstand schuldig, daß mein Vater im Musikleben tätig war –, ist, daß wir eine möglichst gute Grundlage musikalischer Ausbildung von frühester Kindheit bis hinauf zu den Spitzenrängen gewährleisten. Dazu wird es weiterhin eine eigenständige Studienrichtung IGP geben, wir werden aber auch auf organisatorischer Ebene dafür sorgen, daß eine verbesserte Nutzung von Ressourcen gewährleistet ist.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Sind Sie in Anbetracht des Mitfinanzierungsangebotes des Landes Tirol mit der Stadt Innsbruck bereit, dem Wunsch nachzukommen, die derzeitige Außenstelle der Musikhochschule Mozarteum in eine eigenständige Musik- und Kunstuniversität Tirol umzuwandeln?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Das Angebot der Stadt Innsbruck und des Landes Tirol ist zwar großzügig – das stelle ich überhaupt nicht in Abrede –, weil es dabei um die Bereitstellung einer durchaus attraktiven Gebäudeinfrastruktur geht, die zentralen Kosten der Einrichtung einer neuen Universität träfen gleichwohl den Bund.

Ich habe daher in allen bisherigen Gesprächen mit Vertretern des Bundeslandes Tirol und auch mit Tiroler Nationalratsabgeordneten darauf hingewiesen, daß mir das Anliegen des Bundeslandes Tirol und der Stadt Innsbruck auf Einrichtung einer eigenständigen Musikhochschule – oder künftig: Universität der Künste – durchaus Sympathie und Respekt abnötigt, daß ich aber


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nur dann in der Lage sein werde, eine entsprechende Entscheidung zugunsten der Einrichtung von mehr als nur einer Außenstelle des Mozarteums zu treffen, wenn dafür auch bundesseitig die erforderlichen Budgetmittel zur Verfügung stehen, und das ist nicht kurzfristig zu erwarten.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Gerade gegen die Zusammenlegung der Studienrichtungen Instrumental und Gesang hat es scharfe Proteste von der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien gegeben. Ich denke, es entscheidet sich jemand ja ganz bewußt für Instrumental oder Gesang, eher nicht für beides – wobei ich den pädagogischen Aspekt nicht in Abrede stellen will. Ich glaube auch, daß das durchaus sinnvoll ist. Welche Gründe sprechen aus Ihrer Sicht dafür, gerade diese beiden Richtungen zusammenzulegen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Bundesrätin! Richtig ist, daß es aus bestimmten Kreisen – unter anderem von Teilen der Wiener Musikhochschule – Proteste gegeben hat, aber nicht gerade gegen das, was Sie soeben angesprochen haben.

Das Studium der IGP, der Instrumental- und Gesangspädagogik, ist jenes, um dessen Erhalt insbesondere die Vertreter dieses Faches kämpfen. Der Name sagt nicht, daß die, die jetzt studieren, beides studieren, sondern sagt nur, daß sie entweder Instrumental oder Gesang, aber auf jeden Fall Pädagogik studieren.

Die Proteste, die es aus Teilen der Wiener und der Salzburger, also des Mozarteums, Musikhochschule gibt, stammen fast ausschließlich aus der Abteilung IGP, die gegen eine organisatorische Veränderung ihres eigenen Bereiches protestiert. Andererseits gibt es sehr massive Forderungen etwa der Rektoren – wenn ich das richtig im Kopf habe, sind es alle Rektoren, jedenfalls des Wiener und des Grazer Rektors –, endlich die vorgeschlagenen Änderungen, die auch im Begutachtungsverfahren waren, legistisch umzusetzen. Wir befinden uns auch in Verhandlungen mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, da wir auch die Interessen der Bediensteten in angemessener Weise berücksichtigen wollen.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 914/M, an den Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

914/M-BR/98

Wie werden Sie im Hinblick auf die nun doch zu erwartende Klage der EU-Kommission gegen die Brennermaut sicherstellen, daß es weder zu einer Verbilligung des Transits noch zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung der Tiroler Wirtschaft kommt?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Vermutlich werde ich selbst es gar nicht sicherstellen, da die zentrale Zuständigkeit in dieser Frage dem Herrn Wirtschaftsminister zukommt. Er ist es, der auf nationaler Ebene dafür zu sorgen hat, daß eine entsprechende Regelung gefunden und umgesetzt wird.

Das, worum es geht, ist, sicherzustellen, daß wir das EU-Recht – wir sind immerhin der EU beigetreten – in seiner gültigen Form, auch für uns gültigen Form, umsetzen. Die Kommission, die in diesem Zusammenhang auch die Funktion hat, die Einhaltung des EU-Rechts durch die


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Mitglieder zu überwachen und gegebenenfalls dafür zu sorgen, daß das EU-Recht eingehalten wird, ist der Auffassung, daß die Brennermaut, so wie sie heute eingehoben wird, gegen EU-Recht verstößt, und zwar in zweifacher Hinsicht: erstens deshalb, weil sie in einer diskriminierenden Weise – ich zitiere jetzt die Auffassung der Kommission – eingehoben werde, und zweitens deshalb, weil sie zu hoch sei. Diskrimierend sei die Einhebung, weil sie nur auf der Strecke Innsbruck–Brenner erfolgt und auf dieser Strecke so gut wie gar keine Inländer verkehren, wenn man von jenen absieht, die im bilateralen Verkehr oder auch im Transitverkehr mit Italien verkehren, wodurch nur sehr wenig Inländer betroffen sind und 80 Prozent von Ausländern bezahlt werden.

Wenn es darum geht, wie von der österreichischen Verkehrspolitik, aber auch von den Tiroler Verkehrspolitikern beziehungsweise von allen Tiroler Politikern gesagt und verlangt wird, die berechtigten Anrainerinteressen, die darin bestehen, möglichst wenig Lärm durch LKW-Verkehr in der Nacht zu haben und möglichst wenig Schädigung der Umwelt durch Abgase gewärtigen zu müssen, zu berücksichtigen, dann ist es wohl auch notwendig, nicht nur von Ausländern Maut zu verlangen, sondern von LKW-Fahrern entsprechend ihrer Nutzung der Autobahn. Das ist auch die Forderung der EU-Kommission.

Die EU-Kommission ist daher nach den internationalen beziehungsweise auf europäischer Ebene von mir zu führenden Verhandlungen durchaus bereit, eine Maut zu akzeptieren, sofern sie nicht in diskriminierender Weise eingehoben wird, das heißt, sofern sie auf der Strecke Kufstein–Brenner zur Anrechnung kommt, wenn auch mit einer Differenzierung, die sicherstellt, daß sie kostenorientiert ist – das ist der zweite Punkt.

Die Höhe der Maut für den Brenner wird als gesetzwidrig oder wegekostenrichtlinienwidrig betrachtet, weil man meint, daß mehr als die mit der Herstellung, der Erhaltung und dem laufenden Betrieb der dortigen Autobahn verbundenen Kosten eingehoben würden. Erstreckte man dieselbe Maut auf die Gesamtstrecke Kufstein–Brenner, würde sie von der Kommission als rechtskonform angesehen werden. Es müßte allerdings nur ein entsprechend kleiner Teil im Unteren Inntal verrechnet werden und ein entsprechend größerer für die teurere Bergstrecke.

Der Vorschlag, der zuletzt kompromißfähig schien, und zwar sowohl von seiten des Bundeslandes Tirol als auch der Kommission – dort hatte es schon einen ziemlich deutlichen Anschein in diese Richtung –, war, daß wir auf die Straßenbenützungsabgabe auf dem Abschnitt Kufstein–Innsbruck verzichten und dafür die Maut auf diesen Abschnitt ausdehnen, sodaß sich für diese Strecke insgesamt eine Erhöhung der Kosten von etwa 70 S ergeben hätte.

Das ist eine Belastung, die die Tiroler Wirtschaft treffen würde, aber das wäre eine Belastung, die überblickbar ist und sich somit in Grenzen hält. Wir haben im übrigen Gesprächsbereitschaft bei der Lösung allfälliger Probleme zugesagt. Man wird sehen, wie eine konkrete Lösung dafür aussehen kann. Vorarbeiten dazu sind unter Federführung des Wirtschaftsministeriums im Gange.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Bundesminister! Wie hoch schätzen Sie das finanzielle Prozeßrisiko dieses Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof für die Republik Österreich ein?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Grundsätzlich sind drei Ausgänge möglich.

Ausgang eins, der für uns der allerschönste wäre, der aber im Lichte der bekannten Judikatur und der bestehenden Normen der EU nicht hochgradig wahrscheinlich ist, ist, daß die Klage der Kommission nicht durchdringt. Dann wäre das Prozeßkostenrisiko null.


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Die anderen beiden Varianten bestehen darin, daß der Europäische Gerichtshof entweder mit Wirkung ex nunc feststellt, daß die eingehobene Maut als solche zu hoch ist und daß künftig eine niedrigere, und zwar auf nicht diskriminierende Weise, einzuheben ist, oder daß er feststellt, daß sie immer schon zu hoch war. Das würde mit einem Schadenersatzanspruch der betroffenen Frächter einhergehen. Unter diesen Bedingungen müßte das Prozeßkostenrisiko in der Größenordnung von jenseits einer Milliarde Schilling angesetzt werden. Grobe Überschlagsrechnungen weisen eher auf eine Größenordnung von 3 Milliarden hin.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Wolfram Vindl zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Herr Bundesminister! Nach Berechnungen der Wirtschaftskammer Tirol würden sich die Einnahmen infolge der Ausdehnung der Brennermaut bis Kufstein auf einen dreistelligen Millionenbetrag erhöhen. Gibt es Überlegungen innerhalb der Bundesregierung dahin gehend, diese zusätzlichen Mehrbelastungen der Tiroler Wirtschaft abzugelten?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Ich habe versucht, schon in der Grundantwort deutlich zu machen, daß unsere Bereitschaft, mit den Tiroler Wirtschaftstreibenden über das Ausmaß ihrer Kostenbetroffenheit zu reden und gegebenenfalls Linderung zu suchen, gegeben ist.

Die Bereitschaft zu derartigen konkreten Gesprächen seitens des Bundeslandes oder der Tiroler Wirtschaft war bis jetzt gering, weil derzeit eher der Versuch unternommen wird, dieses "Unheil" – unter Anführungszeichen – generell abzuwenden. Die Frage ist, ob das ein aussichtsreicher und im Interesse aller Österreicherinnen und Österreicher oder aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wirklich sinnvoller Weg sein kann.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Crepaz zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Bundesminister! Ich bleibe natürlich beim Thema. Die Tiroler und Tirolerinnen sind relativ aufgebracht. Meine Zusatzfrage lautet jetzt: Hätte man das Einbringen dieser Klage nicht am Verhandlungstisch verhindern können? Gibt es nicht bessere Strategien, als in der Regierung den Ball zwischen Farnleitner und Ihnen hin- und herzuschupfen, sodaß Österreich wieder uneinig dasteht?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Ja, Frau Bundesrätin, es gibt bessere Strategien, und wir waren auch auf gutem Wege. Die Bundesregierung hat eine Grundlage für ihre Verhandlungsposition vor dem letzten Verkehrsministerrat auf europäischer Ebene, nämlich vor dem 17. März, beschlossen, und auf dieser Grundlage habe ich die Gespräche in Brüssel geführt.

Diese Gespräche haben sehr deutlich erkennen lassen, daß in einer Ausdehnung der heute bestehenden Brennermaut auf die Gesamtstrecke vom Brenner bis Kufstein, auch in ihrer Tag/Nacht-Differenzierung und in ihrer absoluten Höhe eine rechtskonforme Lösung gesehen würde, die ein Stoppen der Durchsetzung einer Änderung auf dem Rechtswege ermöglicht hätte.

Voraussetzung dafür ist allerdings – und das hat sich bis jetzt nicht geändert –, daß Österreich konkrete Schritte dahin gehend unternimmt, vor der Einführung eines allgemeinen Road-Pricing für LKW im Jahr 2001 bereits eine Zwischenlösung herbeizuführen. Das ist die Frage, um die es jetzt geht. Herr Bundesminister Farnleitner hat versucht, bei der Kommission Verständnis dafür zu gewinnen, daß vor 2001 eine Lösung nicht möglich ist. Dafür hat wiederum die Kommission kein Verständnis gehabt. Jetzt sind wir dabei, eine Lösung zu suchen und, wie ich annehme,


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wohl auch zu finden, die letztlich zu einem Ende des gerichtlichen Streits führen wird, weil es insbesondere auch in der Periode der österreichischen EU-Präsidentschaft nicht gerade eine Freude ist, bei Gericht mit der Kommission zu streiten.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 909/M, an den Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Michael Ludwig, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

909/M-BR/98

Wie ist der Stand der Durchführung der Organisationsreform der Universitäten?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! In diesem Falle muß ich mich auf die schriftliche Unterlage stützen, um Ihnen eine entsprechend detaillierte Antwort geben zu können.

Im Studienjahr 1994/95 wurde mit der Umsetzung des UOG 1993 begonnen. Die ersten, die in diese Umsetzung eingestiegen sind und diesen Umsetzungsprozeß bereits vollendet haben, sind folgende Universitäten:

Die Montanuniversität Leoben hat am 1.10.1994 damit begonnen und war am 1.12.1995 damit fertig. Der Rektor nach neuem Recht ist Professor Paschen.

Die Universität für Bodenkultur hat auch am 1.10.1994 begonnen und bis 1. März 1996 mit der Umsetzung gebraucht. Der bereits neugewählte Rektor heißt März.

Die Universität Klagenfurt hat zugleich mit den Erstgenannten begonnen und war am 19. Juni 1996 fertig. Der neue Rektor nach dem UOG 1993 ist Professor Dörfler.

Die Universität Linz, ebenfalls 1.10.1994 bis 19.10.1996. Der neugewählte Rektor heißt Strehl.

Die Technische Universität Graz hat zugleich mit den schon Genannten begonnen und am 25. Oktober 1996 abgeschlossen. Der Rektor nach dem UOG 1993 ist Dipl.-Ing. Dr. Killmann. Das ist der einzige, der nicht aus dem Universitätsbereich kam, er hatte eine langjährige Management-Karriere im forschungsnahen Bereich der Industrie hinter sich.

Im Studienjahr 1995/96 hat die Veterinärmedizinische Universität Wien mit der Implementierung des UOG 1993 begonnen. Sie hat den Prozeß am 14. Mai 1997 abgeschlossen. Zum neuen Rektor wurde der bereits im Amt befindliche Rektor Leibetseder gewählt.

Die Wirtschaftsuniversität Wien hat auch am 1. Oktober 1995 begonnen und war am 25. Juni des Vorjahres mit der Implementierung fertig. Der neugewählte Rektor heißt Hansen.

Begonnen hat die Technische Universität Wien ebenfalls am 1. Oktober 1995. Dort ist zwar schon die Wahl des Rektors nach neuem Recht erfolgt, aber die Implementierung noch nicht abgeschlossen. Wir erwarten allerdings, daß der Prozeß noch vor dem Sommer des heurigen Jahres zum Abschluß kommt; wesentliche Teile der Satzung wurden bereits genehmigt.

Universität Salzburg: Auch dort Beginn 1.10.1995. Die Satzung ist vom Wissenschaftsministerium bereits genehmigt, die Kollegien werden noch im Juni konstituiert, die Rektorswahl soll noch vor dem Sommer stattfinden. Wir erwarten, daß der Implementierungsprozeß im Dezember oder Anfang Jänner des nächsten Jahres abgeschlossen sein wird.

Ausständig ist in dieser Aufzählung daher jetzt noch die Universität Wien. Sie hat mit diesem Prozeß am 1. Oktober 1996 begonnen. Wir haben mit der Universität Wien als teilrechtsfähiger


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juristischer Person einen Vertrag zur Durchführung der Implementation des UOG 1993 abgeschlossen. Der Vertragsbeginn war 1. Juli des Vorjahres. Wir rechnen damit, daß die Universität Wien Ende 1999 mit der Umsetzung fertig sein wird. Es ist dies die bei weitem größte Universität mit der auch größten Komplexität in der Umsetzung.

Ebenfalls am 1.10.1996 hat die Universität Innsbruck begonnen. Um es zusammenfassend zu sagen: Die drei Universitäten – die medizinischen Fakultäten – waren sozusagen die letzten in der Umsetzung des neuen Organisationsrechts. In Innsbruck ist der Rektor nach neuem Recht bereits gewählt. Auch dort haben wir einen Vertrag mit der teilrechtsfähigen Universität geschlossen, um die Implementierung auf diese Weise zu unterstützen. Wir erwarten, daß der Implementierungsprozeß im Sommersemester 1999 abgeschlossen sein wird.

Schließlich die Universität Graz: Auch dort wurde am 1. Oktober 1996 begonnen, auch dort haben wir einen entsprechenden Vertrag geschlossen. Die Fakultätskollegien werden sich im Laufe des Sommersemesters jetzt konstituieren. Die Rektorswahl wird voraussichtlich im Oktober oder im November sein. Der Abschluß des Implementierungsprozesses ist ähnlich wie bei der Universität Wien im Wintersemester 1999 geplant.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Können Ihrer Einschätzung nach Verzögerungen der Organisationsreform, die durch die Maßnahmenpakete eingesetzt haben, aufgeholt werden?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Ich habe in meiner Antwort bereits auf der Basis des heutigen Kenntnisstandes und Umsetzungsprozesses geantwortet. Dort heißt es, es sind gewisse, allerdings nicht allzu dramatische Verzögerungen eingetreten, nach unserer Einschätzung nicht primär aufgrund des Maßnahmenpakets, sondern wegen der doch einigermaßen komplexen Aufgabenstellung. Aber alle Universitäten werden gegen Ende des Jahres 1999 und damit durchaus im vorgesehenen und geplanten Zeitraum den Umsetzungsprozeß geschafft haben.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Prof. Dr. Peter Böhm.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welche ergänzenden steuernden Maßnahmen werden Sie setzen, um im Zeichen der erweiterten Autonomie ein gesamtwirtschaftlich effizientes Universitätsmanagement zu erreichen, dies auch im Sinne der Gerechtigkeit der Verteilung knapper Ressourcen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Herr Professor! Wir werden, wie Sie wissen, versuchen, ein weiterführendes Autonomiekonzept zu realisieren, wobei wir damit begonnen haben, mit Universitäten, die bereits relativ lange im neuen Organisationsrecht sind, Grundlagen für eine weiterführende Reform zu erarbeiten. Ich rechne damit, daß wir heuer im Sommer diese Vorarbeiten, die wir mit der Universität für Bodenkultur und mit der Wirtschaftsuniversität machen, inhaltlich abgeschlossen haben werden und daß das dann die Grundlage für die Ausarbeitung einer entsprechenden rahmenrechtlichen, rahmengesetzlichen Konzeption sein wird. Es wird überdies Grundlage für Verhandlungen mit dem Finanzministerium und mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst sein. Ich nenne dabei nur die beiden Hauptbetroffenen.

Ziel der Verhandlungen mit dem Finanzministerium wird es sein, den Spielraum in der finanziellen Gestion innerhalb der Universitäten doch deutlich auszuweiten, weil wir der Überzeugung sind, daß bei dezentraler Autonomie die Wahrscheinlichkeit einer möglichst effizienten und zweckmäßigen Mittelverwendung höher ist. Ich gebe allerdings zu, daß bei allen Prozessen


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dieser Art die Zentralisten – das gilt für Firmen, für Großunternehmen ebenso, wie es für den Staat gilt – in der Regel Sorge haben, ob die Dezentralen auch wirklich verantwortlich mit Geld umgehen können.

Mein Engagement geht jedenfalls ganz eindeutig in die Richtung, den Universitäten mehr Autonomie in finanzieller Hinsicht einzuräumen, weil wir der Überzeugung sind, daß nur eine Einräumung von größerer, auch finanzieller Autonomie ein höheres Maß an Verantwortlichkeit und Engagement nach sich ziehen kann. Daher werden wir diesen Weg beschreiten.


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Präsident Ludwig Bieringer:
Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Sie haben gerade die Planungsarbeiten an der Universität für Bodenkultur und an der Wirtschaftsuniversität erwähnt. Wann kann man mit diesen Pilotversuchen rechnen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Es ist mit einer praktischen Umsetzung der jetzt in Diskussion befindlichen weiteren Organisationsschritte erst nach Beschlußfassung eines entsprechenden Rahmengesetzes zu rechnen. Unser Zeitplan sieht vor, daß wir diese rahmengesetzliche Grundlage noch im Laufe des heurigen Jahres erstellen können und, wie ich hoffe, noch im Laufe dieser Legislaturperiode verabschieden können. Wie es bei größeren Reformvorhaben so ist, ist dieser Prozeß nicht mit allerletzter Gewißheit in zeitlichen Details, insbesondere vor Wahlen, prognostizierbar. Aber ich hoffe, daß es gelingt, diesen Prozeß zum Abschluß zu bringen. Dann wäre im günstigsten Fall eine Umsetzung eines weiteren Schrittes der Autonomie frühestens im Wintersemester 1999 möglich.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage, 902/M, an den Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Leopold Steinbichler, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Anfrage lautet:

902/M-BR/98

Herr Bundesminister, haben Sie schon Überlegungen angestellt, durch welche Maßnahmen, wie zum Beispiel Überholverbot, die Verkehrssicherheit auf Österreichs Autobahnen trotz immer stärker werdenden LKW-Aufkommens gewährleistet werden kann?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Ja, wir denken immer wieder nach. Wir nehmen jährlich Überprüfungen der Hauptkrisen- und Schwierigkeitsgebiete auf Autobahnen vor. Wir ziehen dazu entsprechende Sachverständige heran und ergreifen dann jene Maßnahmen, die sich nach Lage der Dinge jeweils als die am erfolgversprechendsten zeigen. Das kann von einem Überholverbot für Lkws bis zu anderen Maßnahmen der besseren Absicherung von Kurven oder ähnlichem, auch der Verhängung von Geschwindigkeitsbeschränkungen, reichen. Wir nehmen derartige Überprüfungen nach Vorschlägen auch des Kuratoriums für Verkehrssicherheit jährlich vor und sind laufend in der Verbesserung der Verkehrssicherheitsmaßnahmen auf Autobahnen tätig.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Gibt es Hinweise darauf, daß es durch langwierige Überholmanöver von Lkws, die vor allem bei zweispurigen Teilstücken der Autobahnen die Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigen und dadurch Aggressionen auslösen, in vermehrtem Maße zu Unfällen kommt?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Es gibt an manchen Stellen und insbesondere auch bei bestimmten Wetterbedingungen derartige Problemkonstellationen. Es hängt nicht ausschließlich davon ab, daß die Autobahn eng ist und daß Lkw überholen, es hängt auch ein bißchen davon ab, ob die Aggressionsneigung an diesem Tag höher oder weniger hoch ist. Tatsächlich ist es so, daß da und dort auch schon Überholverbote für Lkw verhängt worden sind. Das andere ist, daß es allerdings auch darum geht, ein insgesamt weniger dem freien Lauf der Emotionen verbundenes Fahrverhalten von Autofahrern zu erreichen, dafür bei allen Beteiligten zu werben und Grundlagen zu schaffen.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Erich Farthofer gemeldet.

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Bundesminister! Ich bleibe bei der Verkehrssicherheit. Es wurde vor nicht allzu langer Zeit hier im Hohen Haus eine gesetzliche Maßnahme beschlossen, die in der Öffentlichkeit zu regen Diskussionen geführt hat, nämlich die Herabsetzung der Promillegrenze von 0,8 auf 0,5. Gibt es hinsichtlich dieser gesetzlichen Maßnahme schon erkennbare Erfolge in der Unfallstatistik?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Es gibt sehr erfreuliche Entwicklungen, was die Verkehrsunfallstatistik betrifft. Im Zusammenwirken der neuen gesetzlichen Regelung mit einer doch sehr konsequenten Überprüfungstätigkeit durch die Exekutive, wofür auch ihr der entsprechende Dank auszusprechen ist, ist es gelungen, die Zahl der Verkehrstoten, die im Zusammenhang mit Alkohol im Straßenverkehr in den Vorjahren zu beklagen waren, doch deutlich zu reduzieren. Andererseits gibt es Erfahrungen im europäischen Ausland, die darauf hindeuten, daß im allgemeinen im ersten Jahr der Implementierung einer derartigen Maßnahme ein deutlicher Rückgang bei der Zahl von Toten und Verletzten im Straßenverkehr festgestellt werden kann, daß dann aber das Bewußtsein und die Bereitschaft, sich an die entsprechenden Regeln zu halten, etwas nachlassen.

Wir haben daher vor, im zweiten Halbjahr des heurigen Jahres mit einer breitangelegten Kampagne in der Öffentlichkeit das Bewußtsein dafür noch einmal nachzuschärfen, um die sehr erfreulichen Wirkungen, die im ersten Halbjahr beobachtbar sind, aufrechtzuerhalten.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer gemeldet. – Bitte.

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Bundesminister! Haben Sie oder Ihr Ministerium auch einmal die Möglichkeit einer Blockabfertigung von Lkws auf besonders befahrenen Transitstrecken oder Teilabschnitten in Erwägung gezogen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Die von uns bevorzugte Form der Blockabfertigung ist jene auf der Eisenbahn. Diese haben wir natürlich in Erwägung gezogen und auch mit entsprechenden öffentlichen Mitteln unterstützt, weil wir der Überzeugung sind, daß der Güterverkehr vorzugsweise, insbesondere auf längeren Strecken, auf der Bahn stattfinden sollte.

Wir haben sonst die Blockabfertigung im Bereich des LKW-Güterverkehrs im allgemeinen nicht in Erwägung gezogen, weil wir uns davon keine besonders positiven Auswirkungen erwartet haben.

Das, worum es verkehrspolitisch geht, ist, ein entsprechend attraktives Angebot, primär für den unbegleiteten kombinierten Verkehr zu machen. Dort, wo dies aufgrund der spezifischen


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Struktur etwa auch der Unternehmen im jeweiligen Herkunftsland wenig attraktiv erscheint, weil es eine kleinbetriebliche Struktur gibt und weil der Unternehmer in der Regel selbst fährt, ist die rollende Landstraße das wohl geeignetste Instrument der Blockabfertigung, nämlich die Blockabfertigung auf der Schiene.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, 915/M, an den Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

915/M-BR/98

Welche konkrete Haltung nehmen Sie gegenüber der Akkreditierung privater Universitäten in Österreich vor dem Hintergrund der massiven Kritik der OECD am österreichischen Universitätswesen ein?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Wir nehmen in Entsprechung des Koalitionspaktes, den wir mit der ÖVP zu Beginn dieser Legislaturperiode geschlossen haben, die Haltung ein, daß wir noch im Laufe dieses Jahres dem Parlament den Entwurf eines Gesetzes vorlegen wollen, mit dem Ziel, eine entsprechende gesetzliche Grundlage für die Akkreditierung ausländischer privater Universitäten in Österreich zu schaffen. Wir werden dafür entsprechende Voraussetzungen vorschlagen und, wie ich hoffe, dann auch gemeinsam schaffen.

Was die Kritik der OECD betrifft, die Sie zitieren, muß man allerdings sagen, daß seit dieser Kritik – sie ist schon einige Jahre alt – doch sehr grundlegende Veränderungen und Reformen im Universitätswesen Österreichs Platz gegriffen haben, insbesondere ein komplett neues Organisationsrecht und jetzt auch ein komplett neues Studienrecht.

Ich denke, daß wir mit den Maßnahmen, die wir ergriffen haben und die, was die Autonomie anbetrifft, zum Teil deutlich über vergleichbare Beispiele im Ausland hinausgehen, zu einer Reform kommen werden, die sich sehen lassen kann und die Kritik in der gleichen Art und Richtung, wie sie aus der von Ihnen zitierten OECD-Studie noch ersichtlich war, nicht mehr rechtfertigen würde.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Gibt es in Ihrem Ressort Bemühungen, die sicherstellen wollen, daß sich die Forschung an den Universitäten hinkünftig mehr an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiert?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Ja, Herr Bundesrat. Es gibt nicht nur Bemühungen in diese Richtung, sondern wir haben auch entsprechende Grundlagen geschaffen.

Das eine ist, daß wir mit der Teilrechtsfähigkeit der Universitäten doch wesentlich bessere Voraussetzungen geschaffen haben, um zu vertraglichen Vereinbarungen zwischen an Forschung interessierten Unternehmen und den entsprechenden Instituten zu kommen. Das zweite ist, daß ich davon ausgehe, daß etwa auch mit der Absicht, die vollrechtsfähige Universität zu schaffen, die Voraussetzungen für derartige Kooperationen noch weiter verbessert werden. Es zeigt sich, daß Einrichtungen, die einander vergleichbar organisiert sind, wohl auch etwas besser miteinander partnerschaftsfähig sind. Oder um es andersherum zu sagen: Das Hauptproblem, das heute


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641. Sitzung / Seite 22

von Unternehmen in der Kooperation mit Einrichtungen der Universitäten beklagt wird, ist, daß der jeweils der eigenen Arbeit zugrunde gelegte Zeithorizont oder auch Geschwindigkeitshorizont ein gänzlich unterschiedlicher ist.

Es geht darum, daß Unternehmen vielfach sehr kurzfristig und sehr pünktlich bestimmte Antworten brauchen, und ich denke, da geht es vorläufig noch darum, den Reformprozeß so weit weiterzutreiben, daß diese beiden Einheiten besser aufeinander abgestimmt sind beziehungsweise daß die Universitäten auch in diesen Fragen schneller werden.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sie haben zuerst erwähnt, daß im Koalitionsübereinkommen eine gesetzliche Regelung der Anerkennung ausländischer Universitäten in Österreich geplant ist. Meine Frage an Sie, Herr Bundesminister: Warum dauert es so lange, bis eine entsprechende Vorlage erarbeitet wird, zumal bekannt ist, daß es bereits zu großen Schwierigkeiten für Studenten gekommen ist hinsichtlich der Aufenthaltsbewilligung? Warum dauert es so lange, bis diese Gesetzesvorlage eingebracht wird?

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Es dauert unter anderem deshalb so lange, weil wir an einer schlanken und effizienten Verwaltung interessiert sind. Wie Sie selbst ebenso gut wissen wie ich, haben wir im Laufe dieser Legislaturperiode bereits sehr umfangreiche und sehr tiefgreifende Reformmaßnahmen gesetzlicher Art im Bereich des Universitätswesens beschlossen und sind dabei, einen weiteren sehr großen Schritt in dieser Hinsicht zu unternehmen. Wir haben das Universitätsstudiengesetz verabschiedet, wir sind bei der Erarbeitung einer umfassenden Erneuerung der Studienförderung, wie vorhin schon angedeutet, und wir sind mitten im Prozeß der Umsetzung der kunsthochschulorganisationsrechtlichen und der kunsthochschulstudienrechtlichen Materien.

Weil diese Dinge uns zentral und wichtig erschienen sind und weil es zunächst einmal darum gegangen ist, für die große Masse der Studierenden in Österreich und für die große Zahl der bereits existierenden Universitäten neue, moderne, zeitgemäße Grundlagen zu schaffen, haben wir diese Frage nicht als erste behandelt, sondern sie uns für die zweite Jahreshälfte vorgenommen. Sie wird dann zur Erledigung kommen.

Was die aufenthaltsrechtlichen Schwierigkeiten betrifft, ist es in der Tat so, daß dieser Teil nicht in meinen Verantwortungsbereich fällt und eine Interpretationsfrage ist, zu der man unterschiedliche Auffassungen vertreten kann.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welchen Stellenwert werden in diesem Zusammenhang die Fachhochschulen als Ergänzung zu den Universitäten und Hochschulen im Rahmen des österreichischen Bildungssystems haben?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Die Fachhochschulen erweisen sich als, wenn ich so sagen darf, der Renner der letzten Jahre. Es ist mit der Entwicklung des Fachhochschulkonzeptes nach österreichischer Konzeption gelungen, ein außerordentlich attraktives zusätzliches postsekundäres Bildungsangebot zu schaffen, und wir sind entschlossen, diesen Weg konsequent weiter voranzugehen. Das heißt, daß wir nicht nur die für die erste Phase der Entwicklung der Fachhochschulen geplanten Studentenzahlen von etwa 10 000 im fünften Jahr erreichen werden, sondern daß wir auch vorhaben, am


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Ende dieser Periode etwa 3 000 Studierende sozusagen im Studienjahr neu aufnehmen zu können.

Wir haben vor, in einer zweiten Entwicklungsperiode den Weg in dieser Form weiterzugehen und am Ende dieser zweiten Entwicklungsperiode ein Studienplatzangebot für Neuanfänger von etwa 5 000 bereitzuhalten. Das ist dann ein Angebot von etwa 25 Prozent des Gesamtvolumens. Wir haben die Vorstellung, daß etwa ein Viertel aller Studierenden wohl auf Dauer in Fachhochschulen studieren wird und daß sich zum Teil die Aufgaben zwischen den Universitäten und den Fachhochschulen entsprechend neu verteilen werden. Mittlerweile habe ich den Eindruck, daß beide Seiten das durchaus auch als eine beträchtliche Chance zu ihrer autonomen Weiterentwicklung sehen.


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Präsident Ludwig Bieringer:
Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 910/M, an den Herrn Bundesminister.

Ich bitte den Antragsteller, Herrn Bundesrat Mag. Günther Leichtfried, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Sie haben gerade die Bedeutung der Fachhochschulen genannt und in Ihrer Beantwortung meine Frage zum Teil schon vorweggenommen. Ich darf Sie aber trotzdem fragen:

910/M-BR/98

Wie sieht der Finanzierungsplan im Bereich der Fachhochschulen in den kommenden drei Jahren aus?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Die Finanzierungskonzeption für die nächsten drei Jahre sieht entsprechend den schon genannten Daten der Studierendenzahlentwicklung vor, daß wir im Jahr 1999 750 Millionen Schilling für die Fachhochschulen aufwenden werden, im Jahr 2000 schon 900 Millionen Schilling und im Jahr 2001 schließlich etwa 1 Milliarde Schilling. Das sollte bei den gegebenen Grundlagen und der gegebenen partnerschaftlichen Konzeption der Finanzierung der Fachhochschulen eine Weiterentwicklung entsprechend der gegebenen Rahmenplanung erlauben.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Können Sie konkrete Zahlen nennen, was das im Bereich der Fachhochschulen zum Beispiel für das Jahr 1999 bedeutet? Wie viele neue Fachhochschulen wären zum Beispiel zu eröffnen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Wir werden im Jahr 1999 nicht primär neue Fachhochschulen anstreben, sondern eine Konsolidierung der vorhandenen Standorte. Das, worum es uns geht, ist, auch ein Mindestmaß an betriebswirtschaftlicher Effizienz in den einzelnen Fachhochschulstandorten zu erreichen. Das schließt aber nicht aus, daß wir gegebenenfalls nach entsprechender Abstimmung auch mit den Bundesländern respektive mit den Kommunen, um die es im einzelnen dann gehen könnte, zum einen oder anderen neuen Standort kommen.

Entsprechende Entscheidungen stehen jedoch noch aus. Wir rechnen mit einer durchaus plangemäßen Ausweitung der Studienplätze. Es kann sein, daß wir da oder dort Studienplätze auch an neuen Standorten ansiedeln. Im wesentlichen ist unsere Absicht allerdings Konsolidierung und Schaffung entsprechender Betriebsmindestgrößen.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Thomas Ram gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die neuen Werkvertragsregelungen ändern auch die Stellung der Lektoren der Fachhochschulen. Wie wird sich diese Änderung auf die Personalkosten der Fachhochschulen auswirken?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Im allgemeinen wird dadurch eine Steigerung der Personalkosten erwartet sowie eine Verminderung der Einkommen der Betroffenen, allerdings eine bessere sozialrechtliche Absicherung. Mittelfristig streben wir aber eine Lösung an, die an den Fachhochschulstandorten auch die vermehrte Verwendung von hauptberuflichen Fachhochschullehrern vorsieht.

Wir müssen schon sehen, daß zwar für die Startphase die werkvertragliche Bindung von qualifizierten Fachhochschullehrern – vielfach aus dem universitären Bereich, vielfach auch aus anderen Bereichen rekrutiert – die ideale Startform ist, daß wir aber mit zunehmender Entwicklung der einzelnen Standorte, nicht zuletzt auch im Interesse der Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen für Absolventen von Hochschulen und von Fachhochschulen, vermehrt zu Daueranstellungen kommen werden müssen. Das wird sich mit größer werdenden Standorten und einem breiteren Studienangebot dann auch kostenmäßig wieder besser darstellen lassen.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich bitte Herrn Bundesrat Alfred Schöls um seine Zusatzfrage.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es läßt sich abschätzen, daß mit Ende des heurigen Schuljahres zirka 600 Absolventen aus den Fachhochschulen austreten werden. Es ist sicherlich auch für den öffentlichen Dienst interessant, die Abgänger unterzubringen. Daher meine Frage an Sie: Wie weit sind die Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Vertragsbedienstetengesetz gediehen, damit auch die Anerkennung eines Fachhochschulabschlusses als besondere Qualifikation in das Dienstrecht des öffentlichen Dienstes kommt?

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Das ist eine Frage, die auch ich mit Interesse verfolge, aber deren Beantwortung mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf dem jeweils neuesten Stand nicht möglich ist. Sie wissen, daß auch ich der Meinung bin – ich habe mich schon mehrfach beim Finanzminister dafür verwendet –, daß eine Öffnung der Zugänglichkeit von Dienstposten der Kategorie A für Fachhochschulabsolventen jedenfalls sinnvoll und notwendig wäre. Dadurch würde keine Vermehrung irgendwelcher Kosten eintreten, weil dadurch ja nicht mehr Planstellen vorhanden wären, sondern gegebenenfalls nur ein größerer Wettbewerb, nämlich zwischen Absolventen von Fachhochschulen und solchen der Universitäten.

Glücklicherweise ist es so, daß die bisherigen Absolventen der Fachhochschulstudiengänge primär von der Privatwirtschaft gesucht und aufgenommen werden. Das liegt nicht zuletzt auch an der Konzeption, daß wir bisher wirtschaftsnahe und technische Ausbildungen am meisten forciert haben und daher die öffentliche Hand nur ausnahmsweise der Anstellungsgeber für Absolventen von Fachhochschulen wird. Ich setze mich allerdings auch in der Bundesregierung dafür ein, daß wir zu einer Vertragsbedienstetenregelung kommen beziehungsweise zu einem neuen Bundesvertragsrecht, wenn Sie so wollen, für Bundesangestellte, wonach nicht primär nach Formalqualifikation, sondern nach Verwendung eingestuft und entlohnt werden soll. Und damit müßte das heute bestehende Problem der Einstufung von Fachhochschulabsolventen überwunden sein.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 903/M.


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Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Peter Rieser, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

903/M-BR/98

Wie sieht der Bauzeitplan für die Neue Südbahn zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag aus?

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Danke, Herr Bundesrat, für diese Frage, die mich in die Lage versetzt, auch zu diesem wesentlichen Projekt meines Hauses Stellung nehmen zu dürfen. Sie wissen, Herr Bundesrat, daß ich aufgrund einer Empfehlung der Expertenkommission, deren Aufgabe es war, die eingelangten drei Projekte für eine gemischt privat und öffentlich finanzierte Bauführung und Einrichtung des Semmering-Basistunnels zu bewerten und die mir vorgeschlagen hat, das bestehende Auschreibungsverfahren zu widerrufen, das Verfahren widerrufen habe.

Der wesentliche Grund, den die Expertenkommission für diese Empfehlung angegeben hat, war das neugeschaffene beziehungsweise novellierte niederösterreichische Naturschutzgesetz und die Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen, die eine gänzliche Untersagung einer Bauführung für einen derartigen Semmering-Basistunnel entschieden hatte. Unter diesen Bedingungen war weder ein privater noch ein öffentlicher Bauträger und Financier in der Lage, das Risiko der Bauführung einigermaßen realistisch abzuschätzen.

Das, worum es jetzt geht, ist, die Rechtsentscheidung in der Sachfrage selbst voranzutreiben und eine Entscheidung der zuständigen Höchstgerichte und schließlich des Verfassungsgerichtshofes herbeizuführen. Ab dem Moment, zu dem eine eindeutige und klare allenfalls positive Entscheidung zugunsten der Auffassung der HL-AG, die davon ausgeht, daß nur Eisenbahnrecht anzuwenden ist, also ab dem Moment, zu dem allenfalls eine positive Entscheidung zugunsten der HL-AG getroffen ist, wird eine neuerliche Ausschreibung vorzunehmen sein. Die Bauzeit für den Semmering-Basistunnel selbst liegt in der Größenordnung von jedenfalls sechs Jahren.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Wolfgang Hager gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Gesetzt den Fall, daß aufgrund der laufenden Diskussionen der Semmering-Basistunnel nicht gebaut werden sollte: Wie schätzen Sie in diesem Fall die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Bundesländer Steiermark und Kärnten und insbesondere für die Region Obersteiermark ein?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Lassen Sie mich ein bißchen weiter ausholen. Das Problem des Semmering-Basistunnels oder des Ausbaus der Südbahn als leistungsfähige Verbindung zwischen dem östlichen Teil Österreichs und insbesondere der norditalienischen Industrieregion ist eine Frage, die nicht nur von regionalpolitischer, sondern von ganz zentraler bundespolitischer Bedeutung ist.

Wir müssen sehen, daß es auch heute noch so ist, daß die Standortgunst eines Staates sehr wesentlich von der Frage der Anbindung an leistungsfähige und nachhaltige Infrastruktur bestimmt ist. Und dazu zählt unter anderem auch eine entsprechend leistungsfähige Eisenbahnverbindung.

Wir laufen bei nicht zeitgerechter und nicht entsprechender Ausbauleistung auf der Südbahnstrecke Gefahr, daß hinkünftig eine Umfahrung Österreichs durch Ungarn und Slowenien erfolgt – die Bauarbeiten für eine entsprechende Eisenbahnstrecke in Slowenien sind im vollen Gange –, und daß damit nicht nur Wien, sondern auch die Obersteiermark, die Steiermark insgesamt und Kärnten von der wirtschaftlichen Dynamik abgeschnitten werden könnten. – Das


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641. Sitzung / Seite 26

ist der Grund, warum wir sehr nachhaltig daran interessiert sein müssen, eine entsprechend leistungsfähige Südbahn einzurichten und auszubauen.

Wir haben natürlich vor allem in Anbetracht der politischen Schwierigkeiten, die sich aus der Realisierung des Konzeptes, das wir verfolgen, ergeben, nämlich den Ausbau der Südbahn zwischen der Strecke Gloggnitz–Mürzzuschlag, entsprechend seriöse Untersuchungen von Alternativen vorgenommen, um sicherzustellen, daß wir nicht irgendwann, mit der Entscheidung konfrontiert, daß wir gar nicht bauen können, keine Lösung haben. Die verkehrspolitische Herausforderung heißt, eine leistungsfähige Verbindung zu schaffen.

Die bei weitem billigste und effizienteste davon ist der Semmeringtunnel – auch im Vergleich mit Alternativen. Wenn man sich gelegentlich die Zeit nimmt, selbst Alternativstrecken abzufahren, dann kann man sehr rasch sehen, warum beispielsweise die Aspangbahn, die gerne als Alternative ins Treffen geführt wird, nicht geeignet ist. Sie kann nämlich alles, was die Semmeringbahn kann, auch – nur schlechter. Sie ist nämlich nur einspurig ausgebaut, gleich kurvenreich, gleich steigungsreich und überdies in Tälern geführt, die eine Erweiterung um ein zweites Gleis in der Regel nicht zulassen – ganz abgesehen von den Kosten, die damit verbunden wären.

Kurz: Alle Untersuchungen, die wir seriös dazu angestellt haben und bei denen ich durchaus auch glücklich gewesen wäre, eine Alternative zu finden, die uns dieses politische Patt am Semmering ersparen hilft, haben gezeigt, daß der Semmering-Basistunnel die bei weitem intelligenteste und billigste Lösung ist. Und daher verfolgen wir sie weiter.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Sie schließen entschieden Alternativen, wie zum Beispiel die Südostspange, Aspangbahn, aus. Ist Ihnen der Kostenumfang des totalen Umbaus oder Ausbaus der Semmeringstrecke, der auch den vierspurigen Ausbau der Strecke Bruck–Graz beinhalten muß, geläufig? Welchen Zeit- und Kostenrahmen geben Sie dafür an?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Ich schließe überhaupt nichts aus. Ich sage nur, daß wir mit den Mitteln des Steuerzahlers einigermaßen sparsam und wirtschaftlich umzugehen haben. Im Vergleich von drei Alternativrouten, nämlich einer, die von Wiener Neustadt über Mattersburg nach Sopron und dann über die ungarische Tiefebene und über die steirische Ostbahn wieder hereinführt, und der sogenannten großen Südostspange, jener Route, die über Eisenstadt und dann weiter über das Burgenland, über Hartberg Richtung Graz zielt, und der Aspangbahn mit der Semmeringroute, und zwar sowohl mit der Variante Ausbau der Scheitelstrecke, also auch mit der Variante Basistunnel in unterschiedlichen Spielarten, ergibt sich, daß erstens die Bauzeiten, die für die Alternativrouten zu veranschlagen sind, deutlich länger sind als die, die für den Semmering zu gewärtigen wären, und daß zweitens die dabei aufzuwendenden Geldmittel in gar keiner Relation stehen zu dem, was für den Ausbau der Route Gloggnitz–Mürzzuschlag und weiter, wie Sie richtig sagen, auch der Strecke Bruck/Mur–Graz aufzuwenden wäre.

Im Vergleich, den wir im Laufe des heurigen Jahres noch einmal haben anstellen lassen, befinden sich alle drei von mir jetzt genannten Alternativen zum Semmering in einem Kostenrahmen von über 30 Milliarden Schilling. Das liegt zum Teil an den sehr schwierigen geologischen Gegebenheiten bei der sogenannten großen Südostspange. Das liegt an der Notwendigkeit, zahlreiche Brücken und Tunnels zu bauen, im Falle der Aspangbahn, und es liegt daran, daß die Strecke über Ungarn in Wahrheit komplett neu gebaut werden müßte, obwohl sie dem Anschein nach vorhanden ist. Sie ist aber seit vielen Jahrzehnten nicht genutzt worden. Auch dort liegt nur ein Gleispaar.

Kurz: Das Problem besteht darin, daß wir den Nutzen und die Kosten zu berücksichtigen haben. Die Kosten sind bei den drei Alternativen sehr hoch. Der Nutzen ist bei den drei Alternativen von


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unterschiedlicher Höhe. Der höchste Nutzen ist noch auf der Aspangbahn zu sehen, einfach deshalb, weil dort schon eine gewisse Erschließung von Regionen vorhanden ist, während die große Südostspange das Problem aufweist, im wesentlichen durch industriell kaum oder gar nicht genütztes Gebiet zu verlaufen, und daher nur eine geringe Güterverkehrsauslastung erwarten kann.

Der langen Rede kurzer Sinn: Die Konzeption Semmering-Basistunnel und die von uns geplanten und von der ÖBB gewünschten Ausbaumaßnahmen auf dem Abschnitt Bruck/Mur–Graz lassen Kosten in der Größenordnung von etwa 11 Milliarden Schilling erwarten. Alle anderen liegen über 30 Milliarden.


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641. Sitzung / Seite 28

Präsident Ludwig Bieringer:
Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage, 916/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Engelbert Weilharter, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

916/M-BR/98

Nach welchen Kriterien werden beim Bahnausbau in Österreich die Prioritäten der einzelnen Projekte festgelegt?


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641. Sitzung / Seite 29

Präsident Ludwig Bieringer:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Zunächst, Herr Bundesrat, werden die Kriterien für die Gesamtentwicklung der hochrangigen Verkehrswege in Österreich nach volkswirtschaftlichen und gesamtverkehrswirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgelegt. Um dafür die entsprechenden sachlichen Grundlagen zu schaffen, hat das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr nicht nur immer wieder größere Studien bei einschlägigen Unternehmungen in Auftrag gegeben, sondern zuletzt auch den Masterplan, also eine Vorstufe zum sogenannten Bundesverkehrswegeplan, ausgearbeitet, der anhand einer Unzahl von erhobenen Daten und Prognosen über die zu erwartenden Verkehrsentwicklungen unter bestimmten Randbedingungen, die dabei auch in Varianten ausdiskutiert sind, erstellt wird. Der Masterplan erlaubt eine sachliche Grundentscheidung für Grundvarianten.

Dann geht es bei spezifischen Maßnahmen darum, sich sowohl mit regionalen Stellen als auch mit den Verkehrsträgern ins Einvernehmen zu setzen und betriebswirtschaftliche Grundlagen für weitere Detailplanungen zu gewinnen. Das ist der Weg, wie wir Verkehrswegeplanung betreiben, soweit sie in meinem Haus betrieben wird.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Inwieweit stimmen Ihre Prioritätenpläne mit den Verkehrswegeplänen der Länder überein?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Wir haben bei der Entwicklung des sogenannten Masterplanes, den ich gerade zitiert habe und der jetzt unmittelbar vor Fertigstellung steht, sehr ausführliche Gespräche mit Vertretern aller Bundesländer geführt, weil das Ziel natürlich darin bestehen muß, bei der Entwicklung von Verkehrswegen von einigermaßen gleichen Daten und Prognosen auszugehen. Das ist auch gelungen. Die Abstimmung mit den Bundesländern ist abgeschlossen. Wir sind jetzt noch in einer Schlußabstimmung mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, sodaß die sachlichen Grundlagen für die Verkehrswegeplanung ziemlich gut abgesichert sind.

Wenn Sie darauf anspielen, daß es gelegentlich auch vorkommt, daß Bundesländer ihre Absichten ändern, so kann ich dem nicht wirklich widersprechen. Es muß dies aber nicht immer ausschließlich mit Fragen sachlicher Verkehrswegeplanung zu tun haben, wiewohl ich auch das nicht grundsätzlich in Frage stellen würde.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Niederösterreich hat das mit Abstand am stärksten verzweigte und längste Bahnnetz innerhalb der Republik. Es sind teilweise sehr hohe Investitionsmittel für Modernisierung und Ausbau verschiedener Strecken erforderlich. Ich nenne nur die Westbahn, die neue oder verbesserte Bahnverbindung zwischen Krems, St. Pölten und Lilienfeld. Kleiner Ausflug Richtung Traisental: Hier wäre auch die Verbindung St. Aegyd–Kernhof als bereits stillgelegte Strecke zu überdenken.

Was sind aus Ihrer Sicht die Prioritäten im Bundesland Niederösterreich?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Grundsätzlich haben Sie einige der Prioritäten im Bundesland Niederösterreich schon angesprochen. Wie Sie wissen – und andere Bundesländer sehen das durchaus auch mit scheelem Auge –, investieren der Bund und die Bundesbahnen bei weitem die höchsten Geldmittel in Niederösterreich, weil es dort um ein doch sehr verzweigtes Bahnnetz und auch um wesentliche Anteile des Hochleistungsnetzes Österreichs geht.

Die zentralen Anliegen, die wir in Niederösterreich verfolgen, sind einerseits der viergleisige Ausbau der Westbahn. Hinzukommen wird in näherer Zukunft auch noch der Abschnitt Wien –St. Pölten. Die Abschnitte von St. Pölten Richtung Oberösterreich befinden sich in vollem Ausbau, wie jeder, der mit der Bahn, teilweise auch jeder, der mit dem Auto auf der Autobahn fährt, heute schon sehen kann.

Auch was die Entwicklung von weniger dem großen Durchzugs- oder auch dem Pendlerverkehr dienenden Strecken betrifft, ist folgendes anzumerken – Sie haben eine davon angesprochen –: Dort geht es im wesentlichen darum, jeweils auch mit dem Bundesland eine entsprechende Abstimmung zu suchen und zu finden. Die Aufrechterhaltung oder der Bau einer Eisenbahninfrastruktur – der Bau kommt nach der gegebenen Rechtslage bekanntlich dem Bund zu – hat nur dann Sinn, wenn gleichzeitig mit dem Land, etwa als Besteller von Verkehrsdienstleistungen, Übereinstimmung darüber erzielt werden kann, daß auf der Strecke dann auch ein Zug fahren soll.

Wenn die Einschätzungen, was das Güterverkehrsaufkommen betrifft, seitens der Bahn eher schlecht sind und wenn darüber hinaus das Bundesland im Verkehrsdienstevertrag Dienstleistungen auf der Schiene auf bestimmten Strecken, etwa stillgelegten Strecken, die Sie jetzt genannt haben, nicht vorgesehen hat, dann sind die Aussichten für die Wiederinbetriebnahme schlecht. Wenn wir uns allerdings mit dem Bundesland darüber verständigt haben, daß dort ein entsprechender Pendlerverkehr beispielsweise eingerichtet werden soll, und das Bundesland bereit ist, mit den ÖBB oder mit einem anderen Schienenverkehrsunternehmen einen entsprechenden Verkehrsdienstevertrag zu schließen, dann steht der Bund auch nicht an, die entsprechenden Leistungen zur Erneuerung oder zur Errichtung der Schieneninfrastruktur zu erbringen.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Erich Farthofer gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Bundesminister! Wir alle kennen die dramatische Entwicklung beim Güterverkehr auf der Straße. Es darf in diesem Zusammenhang erwähnt werden, daß Österreich Spitzenreiter ist, was die Güterbeförderung auf der Schiene anbelangt. Ist seitens Ihres Ressorts daran gedacht, Maßnahmen in diese Richtung zu verstärken? Ich denke vor allem an die Errichtung von Güterterminals an den österreichischen Außengrenzen, um diese derzeitige positive Position in Europa halten zu können.

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Ja, Herr Bundesrat, genau das halten auch wir für eine sinnvolle Maßnahme, wie das schon bestehende gemeinschaftliche Projekt des Güterverkehrsterminals in Sopron zeigt. Sopron ist sozusagen das Beispiel für eine außerordentlich erfolgreiche Kooperation österreichischer und in diesem Fall ungarischer Stellen und eines entsprechenden Eisenbahnverkehrsunternehmens, um Güterverkehr möglichst schon vor Erreichen der österreichischen Grenze auf die Schiene zu bringen.

Wir haben heute etwa 100 000 Lkw-Äquivalente von Sopron aus auf der Schiene statt auf der Straße, und das ist eine durchaus beträchtliche Leistung. Ein weiterer Ausbau ist daher in Kooperation mit der Raaber Bahn beabsichtigt.

Wir haben den gleichen Weg in Kooperation mit der Slowakei eingeschlagen, und ich freue mich, auch hier bekanntgeben zu können, daß ich am 10. Juni, also in wenigen Tagen, gemeinsam mit dem slowakischen Verkehrsminister ein entsprechendes Terminal in Bratislava eröffnen kann. Auch dort geht es darum, schon an der Quelle – wobei Bratislava nicht die Quelle ist, aber für Österreich immer noch ein relativ günstiger Ort – den Güterverkehr auf die Schiene zu bringen.

Wir haben mit den Kollegen in der Slowakei auch darüber gesprochen, ob nicht weiter im Osten der Slowakei, etwa dort, wo ohnehin ein Umladen von der ukrainischen Breitspur auf die europäische Normalspur der Eisenbahn notwendig ist, auch ein Terminal errichtet werden kann, der es erlaubt, auch von dort weg noch Lkw-Verkehr, der vom Osten kommt, auf die Schiene zu bringen, sodaß auch die Slowakei die Vorteile des kombinierten Verkehrs nutzen kann.

Diesen Weg wollen und werden wir weiter beschreiten. Wir halten das für einen Weg, Integrationspolitik praktisch zum Nutzen der Menschen in Österreich zu machen. Da geht es nicht primär um die Frage, wann diese Länder Mitglieder der EU werden, sondern da geht es primär um die Frage, wie man eine Kooperation so gestaltet, daß die Menschen hier und die Menschen dort etwas davon haben.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zu 10. Anfrage, 911/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Erhard Meier, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage schließt an die Fragen 8 und 9 ergänzend an:

911/M-BR/98

Nach welchem Zeit- und Investitionsplan ist der weitere Ausbau zu einer leistungsfähigeren Bahn von Selzthal nach Linz und nach Bischofshofen vorgesehen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Der durchgehend zweigleisige Ausbau des Abschnittes Linz–Nettingsdorf der Pyhrn-Bahn Linz–Selzthal erfolgte bereits vor längerer Zeit im Zusammenhang mit dem Nahverkehrsausbau im oberösterreichischen Zentralraum.

Mit der 3. ÖBB-Übertragungsverordnung aus dem Jahr 1997 wurden den Österreichischen Bundesbahnen Linienverbesserungen und Bahnhofsausbauten für den selektiv zweigleisigen Ausbau im restlichen Bereich der Pyhrn-Bahn zur Planung beziehungsweise auch bereits zum Bau übertragen.

Für den Ausbau der Ennstal-Strecke Selzthal–Bischofshofen wurden Zielsetzungsplanungen für den selektiv zweigleisigen Ausbau durchgeführt. Mit der 4. Übertragungsverordnung aus 1997 und mit der 5. Übertragungsverordnung aus 1998 wurden den Österreichischen Bundesbahnen


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641. Sitzung / Seite 30

ebenfalls Linienverbesserungen und Bahnhofsausbauten für den selektiv zweigleisigen Ausbau dieser Strecke zur Planung beziehungsweise zum Bau übertragen.

Die weiteren Ausbaumaßnahmen im Bereich der Pyhrn-Bahn Linz–Selzthal und der Ennstal-Strecke Selzthal–Bischofshofen werden unter Bedachtnahme auf mittel- und langfristige Kapazitätserfordernisse und auf mögliche Rationalisierungseffekte festgelegt werden. Sicher ist, daß wir relativ kurzfristig zu einer Verbesserung durch den selektiv zweigleisigen Ausbau kommen wollen und müssen, nicht so gewiß, wie dies den regionalen Bedürfnissen entspricht, ist die tatsächliche Notwendigkeit, rasch zu einem vollständigen zweigleisigen Ausbau der gesamten Strecke etwa durch das Ennstal zu kommen.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Unterstützen Sie als Verkehrsminister nicht auch grundsätzlich die Ansicht, daß die nach Osten, Norden, Westen und Süden noch unzulänglich erschlossene Steiermark eine verbesserte Verkehrsinfrastruktur, einschließlich des Semmering-Basistunnels, dringend benötigt?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Grundsätzlich, Herr Bundesrat, unterstütze ich die Auffassung, daß auch die Steiermark noch beträchtliche Infrastrukturinvestitionen, insbesondere auch im Schienenverkehrsbereich, braucht und bekommen muß. Die entsprechenden Entscheidungen des Bundes zeigen allerdings, daß ich diese Auffassung nicht nur unterstütze, sondern auch in die Tat umzusetzen bereit bin. Sie wissen, daß wir uns mitten im Planungsprozeß für eine sehr leistungsfähige Verbindung zwischen Graz und Klagenfurt befinden, obwohl die Österreichischen Bundesbahnen heute der Meinung sind, daß dies eine nicht notwendige Maßnahme ist.

Wir haben sehr wesentliche Ausbaumaßnahmen auf der Strecke St. Michael–Selzthal durchgeführt. Wir sind im Begriff, eine weitere Verbesserung auf dem Streckenabschnitt Selzthal–Bischofshofen oder Selzthal–Linz vorzunehmen. Der Masterplan, den ich vorhin schon zitiert habe, zeigt für die Steiermark ganz beträchtliche Bedürfnisse nach Verbesserungs- und Ausbaumaßnahmen, und wir werden uns diesen Aufgaben entsprechend stellen.

Es geht dabei im wesentlichen darum, nicht nur den Industriestandort Österreich zu sichern, sondern auch den Menschen, die in diesen Regionen leben, eine angemessene Anbindung zum Teil an die Zentralräume zu bieten, und hier steht uns noch die Umsetzung wesentlicher Maßnahmen, die möglich und notwendig sind, bevor.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage ist Herr Bundesrat Andreas Eisl gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Herr Bundesminister! Diese Strecke – wie Sie wissen, handelt es sich um eine West-Ost- oder West-Süd-Verbindung – ist die einzige nach Graz von Salzburg weg, und sie weist eine der längsten Fahrzeiten auf, länger als nach Wien, obwohl sie um 50 Kilometer kürzer ist. Bereits im Staatsvertrag von St. Germain 1919 wurde der Ausbau dieser Strecke verboten. Hat das heute noch Wirkung, und ist deswegen in den vergangenen Jahren hier nichts passiert?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Mir ist die Problematik dieser Strecke außerordentlich bewußt. Jetzt kann man sagen, mit ein Grund, warum es so lange dauert, von Salzburg oder auch bloß von Bischofshofen nach Graz zu kommen, ist die Tatsache, daß der Bezirk Liezen bei weitem der größte Bezirk Österreichs ist, größer als kleinere Bundesländer. Nein, das ist keine vollständige Antwort.

Ich denke, natürlich ist nicht der Vertrag von St. Germain dafür ausschlaggebend, sondern im wesentlichen ist es die Einschätzung der ÖBB, die, was das Verkehrsaufkommen betrifft, nicht


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genügend Nachfrage nach Leistungen auf der Schiene sehen, die einen vollständigen zweigleisigen Ausbau rechtfertigen würde.

Ich habe mich, als ich noch jung im Amt war – ich bin zwar auch jetzt immer noch relativ jung im Amt des Verkehrsministers –, voriges Jahr der Frage gewidmet, warum das Ennstal nicht unter den primären Ausbaumaßnahmen rangiert. Der wesentliche Grund dafür ist, daß wir dort weder im Personen- noch im Güterverkehr ein entsprechendes Aufkommen erwarten können. Ich denke, daß nur dann, wenn wir entsprechende Maßnahmen setzen, die einen eindeutigen Akzent in Richtung Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene enthielten, etwa auch im Zusammenhang mit den jahrzehntelangen Schwierigkeiten des Ausbaus der sogenannten ennsnahen Trasse für den Autoverkehr, vielleicht zu erwarten wäre, daß auf dieser ehemaligen Gastarbeitermusterroute mehr Verkehr auf die Schiene gebracht werden kann, und das würde einen Ausbau besser rechtfertigen.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Aloisia Fischer gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Herr Bundesminister! Im Ennstal gibt es massive Proteste gegen den Ausbau der Straße. Wahrscheinlich wird es auch Proteste gegen den Ausbau der Bahn geben. Wie wollen Sie angesichts solcher Proteste diesen Ausbau verwirklichen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Bundesrätin! Mir ist bewußt, daß es im Ennstal beträchtliche Proteste gegen den Ausbau der Straße gibt. Es gibt aber auch eine beträchtliche Befürwortung des Ausbaus der Straße in ennsnaher Lage, wie man seit Jahren auch an entsprechenden Transparenten an Bauernhöfen entlang der Ennstal-Straße sehen kann.

Tatsächlich habe ich, muß ich zugeben, den Eindruck, daß die Ausbaumaßnahmen auf der Schiene im allgemeinen auf größere Schwierigkeiten stoßen als jene auf der Straße. Das zeigen auch die Erfahrungen der letzten Monate.

Im allgemeinen sind Anrainer in bestimmten Tal- oder Beckenregionen erst dann bereit, den Schienenausbau wirklich voranzutreiben, wenn sie am Straßenverkehr nachhaltig zu leiden begonnen haben. Sonst ist der Jubel über den Neubau von Autobahnen im allgemeinen höher als jener über den Neubau von Schienenstrecken.

Das kann man übrigens sehr leicht an den Erfahrungen im unteren Inntal sehen, wo seinerzeit die Begeisterung über die Errichtung der Autobahn sehr hoch war und sich jetzt jedoch in Grenzen hält. Auch im Bundesland Salzburg war die Bereitschaft zur Errichtung einer Nord-Süd-Autobahn durch Salzburg relativ hoch, aber wenn man bedenkt, welche schönen Talabschnitte etwa im Flachautal durch den Autobahnbau verlorengegangen sind, dann könnte einem das Herz weinen. Andererseits beginnt jetzt der Widerstand gegen den Autoverkehr auf diesen Autobahnen bereits zuzunehmen. Ich bedauere, daß es diesen Verlauf nehmen muß.

Ich würde es bevorzugen, gleich ein umweltfreundlicheres und sehr leistungsfähiges Verkehrsmittel leichter bauen zu können. Wir unternehmen alles, um auch in entsprechender Abstimmung mit der örtlichen Bevölkerung, gegebenenfalls auch mit Bürgerinitiativen, natürlich auch mit den Kommunen, zu einer günstigen Voraussetzung zu kommen. Das ist auch notwendig. Dazu bekennen wir uns vom Verkehrsministerium vollinhaltlich, aber es ist deswegen nicht leichter möglich. Vom Gefühl her sind diejenigen, die ein Auto haben, immer noch freundlicher gesonnen, wenn man ihnen eine Straße hinstellt, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem es ihnen dann zuviel ist.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 11. Anfrage, 904/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn


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Bundesrat Peter Rodek, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben richtigerweise gesagt, daß die wirtschaftliche Stärke einer Region von deren Infrastruktur abhängig ist, und für die Region Braunau ist nun einmal der Ausbau der Bahnverbindung von Linz über Braunau nach München von besonderer Bedeutung, und ich frage Sie daher ob und, wenn ja, bis wann mit der Inangriffnahme dieses Projektes zu rechnen ist. Meine Frage lautet konkret:

904/M-BR/98

Herr Bundesminister, wann kann damit gerechnet werden, daß das für Oberösterreich wichtige Projekt einer leistungsfähigen Anbindung an München durch den Ausbau und die vollständige Elektrifizierung der Innkreisbahn über Braunau und Simbach realisiert wird?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Gegenwärtig befindet sich dieser Abschnitt der Strecke von Linz via Braunau Richtung München in einer gemeinsam von uns und vom deutschen Bundesverkehrsministerium vorzunehmenden Untersuchung. Im wesentlichen geht es darum, das zu erwartende Verkehrsaufkommen einzuschätzen und dabei auch schon konkretere Überlegungen über Ausbaumaßnahmen anzustellen.

Wir sind uns mit dem Bundesland Oberösterreich darüber einig, daß es aus unserer Perspektive sehr guten Sinn macht, insbesondere für den Güterverkehr, da eine Ausbaumaßnahme zu setzen, und wir sind uns darüber hinaus mit dem Bundesland Salzburg außerordentlich einig – ich sage das der Sicherheit halber gerade im Bundesrat gerne dazu –, daß wir natürlich nicht vorhaben, den Personenverkehr grundsätzlich von Salzburg abzulenken. Natürlich bleibt auch die Strecke nach Salzburg und von Salzburg nach Norden und Süden weiterhin eine der zentralen Ausbaustrecken aus österreichischer Sicht. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Es ist damit zu rechnen, daß wir die gemeinsame Studie mit dem Bundesverkehrsministerium in Bonn in einigen Wochen zu einem Abschluß bringen, und das Untersuchungsergebnis soll dann – gegebenenfalls noch vor dem Sommer – als wesentliche Entscheidungs- und weitere Planungsgrundlage dienen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine zweite Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Welche sonstigen Maßnahmen sind für den Ausbau der Schieneninfrastruktur mit den für das Jahr 1999 im Budget vorgesehenen 11 Milliarden Schilling geplant?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Die Schwierigkeit, die Sie mir jetzt hier stellen, ist, daß sich sozusagen eine Auflistung, wofür wir im Detail die 11 Milliarden Schilling ausgeben werden, aus meinem Fundus im Kopf nicht darstellen läßt. Ich kann Ihnen anbieten, diese Frage schriftlich zu beantworten.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Gstöttner gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Ich darf nochmals auf den Ausbau der Strecke München–Wels zu sprechen kommen. Die Situation, die sich für uns im Innviertel darstellt, ist, daß diese Strecke natürlich auch für Ried und für Braunau von großer Bedeutung ist. Es besteht allerdings der Eindruck, daß da die Bayern nur ungern


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mitziehen wollen. Ich habe gehört, daß da ein gewisses Umdenken erfolgt ist. Ich darf daher die Frage wiederholen: Sehen Sie eine Chance, daß da in nächster Zeit eine Ausbaumaßnahme stattfinden wird?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Ich darf es noch einmal präzise sagen: Wir befinden uns derzeit mit dem Bundesverkehrsministerium in Bonn in einer gemeinsamen Untersuchung, und das entspricht auch der Zuständigkeitssituation in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist allerdings auch in Deutschland so, daß gelegentlich Bundesländer eine andere Vorstellung von überregionaler Verkehrswegeplanung haben, als dies auf der bundesstaatlichen Ebene der Fall ist. Wir haben in den letzten Jahren die Erfahrung machen müssen, daß, was die Ausbaupläne der Donau bezüglich Schiffbarkeit betrifft, Bonn zwar an sich dafür, aber Bayern dagegen ist, und daß sich da jene, die dagegen sind, im allgemeinen besser durchsetzen. Ich hoffe, daß uns ähnliches bei den Plänen zu einem leistungsfähigen Güterverkehrsweg Linz–Braunau–München nicht begegnet, aber wir haben in beiden Fällen ja Wahlen vor uns, und vielleicht – man wird es sehen – sind die Gesprächspartner nachher etwas frischer miteinander unterwegs und können zu gemeinschaftlichen Lösungen finden. Ich hoffe es sehr.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Haunschmid gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrat.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Ausführung des Planes betreffend den Ausbau beziehungsweise die Elektrifizierung der Bahnstrecke Wels–Passau–Regensburg und Wels–Passau–Simbach und des Rieder Kreuzes ist ja nicht nur ein lang gehegter Wunsch des Landes Oberösterreich und auch der Tourismusverbände, sondern dem liegt auch die Zusage all Ihrer Vorgänger zugrunde. Die Planungen sind bereits abgeschlossen.

Da Ihr Vorgänger Mag. Kukacka am 6. 8.1994 den Ausbau der Innviertler Strecke nicht nur als dringend notwendig erachtet hat, sondern auch Baukosten von 5 Milliarden Schilling angegeben hat, und da sein Kollege, Landesrat Leitl, dann nur ein Jahr später, also 1995, die Baukosten bereits mit 7 Milliarden Schilling beziffert hat, erlaube ich mir, an Sie die Frage zu stellen, ob vielleicht diese rasch steigenden Baukosten ein Verhinderungsgrund für die Durchführung des Ausbaues sein könnten, und wie hoch Sie den momentanen Baukostenstand beziffern und ob es doch möglich sein wird, auch wenn die Kosten noch so schnell steigen, daß der Ausbau durchgeführt wird.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesrätin! Bevor ich dem Herrn Bundesminister das Wort erteile, darf ich darauf hinweisen, daß unsere Geschäftsordnung vorsieht, daß Zusatzfragen kurz zu stellen sind. – Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Liebe Frau Bundesrätin! Zunächst muß ich Ihnen sagen: Ich bin mir nicht bewußt, in welcher Funktion der Abgeordnete Kukacka je mein Vorgänger gewesen wäre, aber ich suche weiter nach möglichen Anhaltspunkten. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Das andere Phänomen, das Sie beschreiben, ist beim Ausbau von Straßen- oder auch Schieneninfrastruktur nicht gänzlich unbekannt. Es zeigt sich nämlich folgendes: Von dem Moment an, in welchem die Entscheidung getroffen wurde, bestimmte Ausbaumaßnahmen vorzunehmen, entsteht auch eine nicht unbeträchtliche Begehrlichkeit aller Anrainer, entweder die entsprechenden Verkehrsprojekte in Tunnellage oder zumindest in Tieflage zu führen oder bestimmte besondere Ausbaumaßnahmen zu erreichen. Das kann in relativ kurzer Planungsperiode zu ganz beträchtlichen Baupreissteigerungen und -schätzungen führen und hat auch gelegentlich schon dazu beigetragen, daß Projekte nicht errichtet worden sind. Ein Beispiel, daß eine gewisse Redundanz aufweist, war die Arlbergbahn im Bereich von St. Anton, Ausbau zweigleisig, die auch nicht errichtet worden ist. Dafür hat es schon unter Verkehrsminister Streicher


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sehr konkrete Pläne gegeben, die dann im Zuge der Diskussion vor Ort um so viel teurer geworden sind, daß sie nicht mehr finanzierbar waren, und daher ist dieser Ausbau seinerzeit auch nicht durchgeführt worden.

Jetzt sind wir hoffnungsvoller, daß es gelingt, bis zur WM 2001 diese Strecke auszubauen. Natürlich kann eine gewisse Begehrlichkeit dann auch noch im Zuge der Baumaßnahmen auftreten, wenn Zeitdruck zeigt, daß der Auftraggeber in einer Drucksituation ist.

Ich kann Ihnen die konkreten Kostenschätzungen vom heutigen Tag jetzt aus dem Kopf nicht nennen. Eines ist gewiß: daß wir bei all diesen Infrastrukturmaßnahmen sehr darauf sehen müssen, daß wir einen Kompromiß zwischen den vielfach durchaus legitimen Wünschen der anrainenden Bevölkerung – ob das Wirtschaftsinteressen oder Interessen an nächtlicher Ruhe oder an Verkehrsanbindung sind – und den Möglichkeiten, dies aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren, erzielen. Doch das führt da und dort dazu, daß Projekte in einer bestimmten Form nicht realisiert werden. Dort, wo sie aber verkehrspolitisch notwendig sind, wachen sie wieder auf und werden dann in einer größeren Kompromißbereitschaft in der Regel auch realisiert.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 12. Anfrage, 917/M. Ich bitte Frau Bundesrätin Mühlwerth um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

917/M-BR/98

Welche konkrete Maßnahmen werden Sie auf dem Gebiet von Forschung und Lehre setzen, damit die österreichischen Universitäten nicht mehr – wie ein europaweites Uni-Ranking gezeigt hat – unter den europäischen Schlußlichtern rangieren?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Bundesrätin! Ich nehme an, daß Sie sich in Ihrer Wortmeldung auf einen Bericht der deutschen Wochenzeitschrift "Der Spiegel" beziehen. Ich halte das nicht wirklich für ein Uni-Ranking, sondern im Rahmen dieser Untersuchung sind deutsche Universitätsprofessoren befragt worden, wo sie ihre Kinder zum Studieren hinschicken würden.

Es liegt in der Natur der Sache, daß Universitätsprofessoren andere Universitäten nicht primär von der Qualität ihres Lehrangebotes her kennen, sondern, wenn überhaupt, über die Forschungszusammenarbeit, die sie betreiben.

Es sind von den befragten deutschen Universitätsprofessoren nur drei österreichische Universitäten genannt worden, und dort hat es dann eine Befragung von Studierenden gegeben. Tatsächlich ist die Bewertung, die diese drei Universitäten im "Spiegel" bekommen haben, nicht besonders schmeichelhaft, man sollte das aber nicht zum absoluten Maßstab nehmen.

Was tun wir in Forschung und Lehre? – Im Bereich der Organisation der Universitäten – das habe ich vorhin schon ausführen dürfen – sind wir mitten in einem doch sehr großen Reformprozeß, der dazu beitragen soll, die Universitäten im Inneren beweglicher und das Studienangebot insgesamt besser und letztlich auch praxisorientierter zu machen. Wie Sie wissen, sind wir im Rahmen der Umsetzung des Universitätsstudiengesetzes jetzt dabei, in allen Universitäten für alle Studienrichtungen neue Studienordnungen zu entwickeln. Das, was bis jetzt –teilweise informell, teilweise formell – an das Wissenschaftsministerium von den Universitäten herangetragen worden ist, zeigt, daß die Universitäten die Herausforderungen der Zeit im vollen Umfang erkannt haben.

Ich denke, daß wir auf dem Wege zu einer wirklich deutlich verbesserten Situation, was das Studienangebot betrifft, sind und daß es dabei auch möglich sein wird, eines der


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Zentralprobleme der Studien im deutschsprachigen Raum – das gilt für die Schweiz und für Deutschland ebenso wie für Österreich – zu lösen, nämlich die viel zu lange Studiendauer im Durchschnittsfalle.

Was die Forschung betrifft, ist es so, daß wir in Österreich eine ganz besondere Situation haben, die darin besteht, daß bei weitem der größte Anteil der nicht in Unternehmen stattfindenden Forschung an Universitäten und nicht an außeruniversitären Einrichtungen stattfindet. Das ist durchaus auch eine besondere Eigenschaft österreichischer Universitäten. Das, was wir wollen und worauf wir hinauslaufen, ist, daß wir die Kooperationsfähigkeit zwischen den forschenden Einrichtungen in den Universitäten und den daran Interessierten verbessern.

Der wesentliche Akzent, den wir im Laufe des heurigen Jahres in die Wirklichkeit umsetzen, ist die Schaffung sogenannter Kompetenzzentren, die Kooperationsnetzwerke zwischen Forschenden – im wesentlichen Universitätseinrichtungen, aber auch außeruniversitären Forschungseinrichtungen – und Unternehmen, die bereit sind, an der Forschung nicht nur zu partizipieren, sondern auch mit zu zahlen, sind.

Das Kompetenzzentrumskonzept ist nicht ein allgemeines Förderungskonzept zur Verbesserung der Forschung der österreichischen Universitäten, sondern es ist ein Spitzenforschungskonzept, wo wir nur jene Ansätze fördern werden, die tatsächlich die Chance haben, sowohl auf entsprechende industrielle Nachfrage zu stoßen als auch im europäischen Spitzenfeld der Forschung und Entwicklung zu liegen.

Darüber hinaus gehen wir den gleichen Weg – wir haben die Absicht, ihn auch forciert zu gehen –, den auch andere europäische Staaten, insbesondere Holland, gehen. Dieser Weg führt in die Richtung, verstärkt Forschung im Wege der Projektförderung und vermindert im Rahmen der Grundfinanzierung der Universitäten zu finanzieren, weil projektorientierte Forschungsfinanzierung eher leistungsorientiert erfolgt, während die Grundfinanzierung zwar ihr Dasein sichert, aber nicht notwendigerweise höchste Leistungen in der Forschung, was die Ergebnisse betrifft, zur Folge hat.

Lassen Sie mich noch ein letztes sagen, weil zwar gerne dieser Bericht im "Spiegel" zitiert wird, aber nicht so gerne andere Äußerungen. Es ist vor kurzem eine Studie des Deutschen Wissenschaftsrates publiziert worden, die sich im wesentlichen mit den Chancen von Frauen im universitären Forschungsbereich beschäftigt hat. Es ist dabei unter anderem auch sehr deutlich herausgekommen, daß eine der zentral Schwächen der deutschen Forschungslandschaft darin besteht – und darin gleichen sich die deutsche und die österreichische vollständig –, daß ein zu stark hierarchisches System innerhalb der Universitäten eine starke Tendenz der Behinderung insbesondere der jüngeren Forscher und Forscherinnen zum Gegenstand hat, was zur Konsequenz hat, daß die Forschungsleistung in diesen Strukturen im allgemeinen schlechter ist, als dies bei egalitären Mustern der Kooperation zwischen Dissertanten, Assistenten und Professoren der Fall ist, wie dies insbesondere im angloamerikanischen System die Regel ist.

Wir wollen daher einen Weg gehen, der zu flacheren Hierarchien an den Universitäten führt, weil dies im Interesse der Forschung gelegen ist. Davon sind allerdings nicht alle, die heute an der obersten Spitze dieser Funktion stehen, begeistert.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Herr Minister! Es gab ja nicht nur die Umfrage im "Spiegel", sondern parallel dazu auch eine ÖH-Umfrage. Laut ÖH-Umfrage haben sich 40 Prozent aller Hochschüler unzufrieden mit der Universität geäußert. Ich anerkenne, daß Sie große Reformpläne haben, und hoffe, daß dann in einer neuerlichen Umfrage dieser Wert von 40 Prozent deutlich sinken wird. Trotzdem ist einer der Kritikpunkte der mangelnde Wettbewerb, von dem wir hoffen, daß er sich bessern wird. In diesem Zusammenhang wird aber immer wieder die Pragmatisierung zitiert. Daher frage ich Sie – hinausgehend über das, was Sie


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uns heute schon zur Reform der Universitäten gesagt haben –, welche konkrete Pläne in bezug auf die Pragmatisierung Sie haben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Bundesrätin! Wie Sie vielleicht wissen, sind die grundsätzlichen Fragen der Dienstrechtsentwicklung nicht Sache des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr. Ich habe mehrmals gesagt, daß ich der Überzeugung bin, daß die Pragmatisierung weder das zentrale Hindernis noch die zentrale Voraussetzung für entsprechende Leistung ist. Die Pragmatisierung wird sehr gerne als Vorwand genutzt, daß nichts mehr geht. Wahr ist, daß dann, wenn die entsprechenden Vorgesetzten, die über den Verbleib ihrer Mitarbeiter im System und letztlich deren Pragmatisierung entscheiden, ihre Führungsverantwortung wahrnehmen, die Pragmatisierung kein Hindernis ist.

Erstaunlich ist lediglich, daß diejenigen, die nicht müde werden, die Pragmatisierung als das zentrale Hemmnis einer vernünftigen Forschungsentwicklung in Österreich zu benennen, in der Regel Hochschulprofessoren sind, die durch die Bank pragmatisiert sind. Das kann es also nicht ganz sein.

Ich weiß von Universitäten, in denen die Aufgabe als Vorgesetzter von den Professoren wirklich ernst genommen wird, daß es dort keine 50jährigen Assistenten, also Assistenten, die 25 oder 30 Jahre lang Assistent sind, gibt, sondern man hilft denjenigen, von denen man der Überzeugung ist, daß sie weniger für die wissenschaftliche, aber durchaus für eine praktische Karriere geeignet sind, entsprechende Plätze zu finden und einen anderen Weg zu nehmen.

Ich denke, das ist es, worum es geht: die Wahrnehmung von Verantwortung durch Führungsfunktionäre auch im öffentlich-rechtlichen System.

Der Weg zur vollrechtsfähigen Universität führt allerdings auch zu privatrechtlichen Dienstverhältnissen. Dazu sei gesagt: Was ich auch nicht für den richtigen Weg halten würde, ist nicht einmal das System der amerikanischen Tenure, eines erhöhten Kündigungsschutzes nach einer bestimmten Zeit.

Wir werden im universitären System derartige Lösungen brauchen, aber sie behindern bei ernsthafter Wahrnehmung der Führungsfunktion die Entwicklung des Forschungsbereiches und auch der Lehre in Wahrheit nicht. Das ist eine Ausrede!

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wird vom Herrn Dr. Linzer gewünscht. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sind Sie – auch im Zusammenhang mit dem vorhin zitierten "Spiegel"-Ranking – damit einverstanden, gemeinsam mit dem Parlament eine parlamentarische Enquete zum Thema "Qualitätssicherung, Qualitätsverbesserung an den Universitäten" zu veranstalten?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Natürlich, Herr Bundesrat, bin ich dazu bereit, weil jede Gelegenheit, die es uns erlaubt, im verantwortlichen politischen Raum mit jenen, die die Rahmenbedingungen für die Universitätsentwicklung letztlich zu beschließen haben, eine offene und die Entwicklung befördernde Diskussion zu führen, zu nützen ist, denn das ermöglicht uns weiter, von gemeinsam erarbeiteten Grundlagen in weitere Reformprozesse zu gehen. Es wird daher aller Voraussicht nach im Herbst eine entsprechende Enquete geben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Grillenberger gewünscht. – Bitte.


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Bundesrat Johann Grillenberger
(SPÖ, Burgenland): Werte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Das Forschungszentrum Seibersdorf wird umstrukturiert. Wird dadurch die Forschung beeinträchtigt oder ausgelagert?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Wir sind mit Seibersdorf in einem tiefgreifenden Veränderungsprozeß. Dieser Veränderungsprozeß zielt darauf ab, Seibersdorf wieder eine eindeutige forschungspolitische Identität zu geben, ein klares und gutes forschungspolitisches Profil, das im wesentlichen um den Schwerpunkt der Informationstechnologien in den Fachbereichen, in denen Seibersdorf heute schon gut ist, angesiedelt sein wird.

Es gibt keinen Gedanken daran, die Forschung aus Seibersdorf auszulagern, denn dann wäre Seibersdorf ja gewissermaßen nackt, es gibt allerdings das Konzept, das schon vom jetzt ausgeschiedenen früheren Geschäftsführer entwickelt worden ist, Seibersdorf ein bißchen stärker zu dezentralisieren, teilweise mit Forschungsaktivitäten näher etwa auch an Industriebetriebe heranzugehen, die im einschlägigen Bereich tätig sind. Also denken Sie etwa an die Kooperation im Raume Ranshofen im Zusammenhang mit der Aluminium-Entwicklung.

Das ist der Weg, den wir gehen wollen. Seibersdorf hat mit diesem Konzept durchaus auch Zukunft, und es soll daher nicht nur als Standort, sondern auch als eine der größten außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Österreich weiterentwickelt werden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Die nächste Anfrage, 912/M, kommt von Frau Bundesrätin Crepaz. – Bitte.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

912/M-BR/98

Sind Sie der Meinung, daß die vom 12. bis 14. Juni stattfindende Kundgebung und Blockade in Tirol die Lösung der Transitfrage im Alpenbereich beschleunigen könnten?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Bundesrätin! Zunächst: Ich halte die Ungeduld, die zum Teil in Tirol bei den Bürgerinnen und Bürgern festzustellen ist, die schon zu lange auf eine Lösung der Verkehrsfrage im Inntal und im Wipptal warten, für durchaus nachvollziehbar und verständlich. Wenn auf dieser Basis nunmehr eine Demonstration angemeldet worden ist und wohl auch am 12. und 13. Juni durchgeführt werden wird, so ist das zumindest ein deutliches Signal, das auch als Signal der Ungeduld der betroffenen Bevölkerung in Brüssel verstanden worden ist.

Ich hatte letzte Woche anläßlich der europäischen Verkehrsministerkonferenz in Kopenhagen Gelegenheit, auch mit Verkehrskommissar Kinnock darüber zu sprechen, und ihm ist klar, daß nach einer doch relativ langen Periode der politischen Bemühungen um die Lösung des Alpentransits generell – darin enthalten die Schweiz-Geschichte, die Wegekostenregelung und die Brenner-Frage – einfach ein Stau in den Gefühlen entstanden ist, der jetzt auch Grundlage für einen Stau auf der Autobahn sein wird.

Gleichwohl ist es so, daß zur Lösung der Frage, um die es hier geht, das Einvernehmen im Kreise der 15 Verkehrsminister gefunden werden muß. Es zeigt sich, daß dort eher Strategien als Gefühle Aussicht auf Erfolg haben, aber ein klares Signal, das jetzt von Tirol kommt, zeigt zumindest, daß man diese Frage nicht mehr weiter auf sich beruhen lassen kann.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.


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641. Sitzung / Seite 38

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Ich muß dazusagen, daß es in Tirol 80 Prozent Fachleute in Sachen Transit gibt, und alle sind schon gereizt wie die Taranteln. Im Lichte dessen möchte ich jetzt doch noch fragen: Wie beurteilen Sie die Möglichkeit eines rascheren Zustandekommens, um auch mit der Schweiz einen EU-Vertrag abzuschließen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Bei den Transitexperten ist es so ähnlich wie demnächst bei den Fußballexperten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ja, beim Fußball auch.

Zum Schweiz-Vertrag. Es geht darum, daß zuletzt, wie Sie wissen, der Schweiz-Vertrag an einem relativ harten Veto Deutschlands gescheitert ist, sodaß eine weitere Behandlung nicht möglich war.

Ich habe bei der schon zitierten europäischen Verkehrsministerkonferenz in Kopenhagen vorige Woche Gelegenheit gehabt, mit insgesamt acht Staatssekretären oder Ministern von EU-Partnerländern zu sprechen und dabei nicht nur vorbereitend für die österreichische Präsidentschaft über die kommenden Absichten Österreichs in diesem Kontext zu sprechen, sondern auch deren Auffassung zur Frage, wie man mit der Schweiz weiter verhandeln könnte, auszuloten.

Es hat sich gezeigt, daß selbst bei jenen, die für eine sehr liberale und im Preis möglichst niedriggehaltene Straßenverkehrspolitik sind, die Auffassung vorzuherrschen beginnt, daß der Schweiz-Vertrag jetzt endlich abgeschlossen werden sollte. Dafür besteht auch eine gewisse, wenn auch nicht allzu große Chance, noch während der britischen Präsidentschaft, nämlich dann, wenn es dem britischen Außenminister gelingt, im Kreise der Außenminister genügend Bereitschaft zu gewinnen, diese Frage im allgemeinen Rat zu behandeln.

Unter diesen Bedingungen könnte die britische Präsidentschaft den Schweiz-Vertrag als Gesamtpaket aus den einzelnen Fachräten abziehen und im allgemeinen Rat zur Beschlußfassung bringen. Die Voraussetzungen dafür sind nicht so schlecht, weil die Schweiz inzwischen beschlossen hat, den Acquis bezüglich der Personenverkehrsfreizügigkeit, der bis jetzt ein Haupthindernis für die Zustimmung der südlicheren Staaten gewesen ist, zu akzeptieren, und zwar unter der Bedingung, daß die europäischen Mitgliedsländer im Gegenzug das Landverkehrsabkommen, so wie es in Kloten am 23. Jänner des heurigen Jahres abgeschlossen wurde, akzeptieren.

Kurz: Wenn dies kommt, dann hätten wir zwar einen Schweiz-Vertrag und damit einen großen Vorteil, nämlich den Vorteil, daß damit die Schweiz schrittweise für 40-Tonner im Transit aufgeht, aber wir hätten auch einen Nachteil. Der Nachteil wäre, daß wir nicht gleichzeitig eine Safeguard clause in der Wegekostenrichtlinie bekommen können, denn diese kann nur im Verkehrsministerrat beschlossen werden.

Wir sind auch hier wieder in einer etwas delikaten Situation. Wenn die Außenminister den Schweiz-Vertrag beschließen sollten, hätte es zunächst bis 2001 durchaus vor allem Vorteile. In dieser Zeit müßte es uns aber gelingen, eine entsprechende Sicherungsmaßnahme zu verankern, die gewährleistet, daß nachher, wenn nämlich die Schweizer Transitgebühren höher sind als es der Vergleichbarkeit mit Österreich entspricht, nicht wieder Umwegverkehr nach Österreich zurückflutet.

Das ist die gegenwärtige Situation und Einschätzung.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Dr. Königshofer – Bitte.


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641. Sitzung / Seite 39

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer
(Freiheitliche, Tirol): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Ich halte den Vergleich von Transitexperten mit Fußballexperten nicht ganz für zulässig bis geschmacklos an sich, weil die sogenannten Transitexperten ja doch sehr stark von den Auswirkungen des Transitverkehrs jeweils betroffen sind, was bei Fußballexperten nicht der Fall ist (Bundesrat Farthofer: Doch, die Hobbysportler!), weil Fußball vielleicht die wichtigste Nebensache der Welt ist.

Herr Bundesminister! Aus Pressemeldungen ist hervorgegangen, daß Sie beim letzten Besuch in Tirol Andeutungen gemacht haben, bei dieser Antitransitdemonstration auf der Brenner Autobahn eventuell anwesend zu sein, daran teilzunehmen. Deshalb meine Frage: Werden Sie an dieser Demonstration am 12. und 13. Juni teilnehmen? Wenn nicht, warum sind Sie als österreichischer Verkehrsminister nicht bereit, die legitimen Interessen der Anrainer auf diese Weise zu unterstützen?


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641. Sitzung / Seite 40

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Bitte, Herr Bundesminister.


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641. Sitzung / Seite 41

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem:
Herr Bundesrat! Lassen Sie mich vielleicht auch noch eine Anmerkung zur Frage Experten machen. Die Betroffenheit führt zwar gelegentlich dazu – und das ist sehr gut nachzuempfinden –, daß sich Menschen engagieren. Ihre Lösungskompetenz steigt dadurch nicht notwendigerweise, und insoweit ist das Fußballbeispiel sehr treffend. Wir alle mögen zwar wissen, welche Tore geschossen werden sollten, vermögen aber dennoch in der Regel nicht, es zu bewirken. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Das gleiche gilt vielfach auch im Verkehrsbereich. Sosehr ich jede Emotion der Menschen im Inntal oder im Wipptal – in diesem Fall eben in Tirol, aber auch anderswo – verstehe, die ständig von einem sehr massiven und über die Jahre zunehmenden Verkehr betroffen sind, sosehr ich verstehe, daß sie dagegen etwas tun wollen, muß man gleichwohl sagen, daß die Zahl der Experten, die im Rahmen der gegebenen Rechtsverhältnisse, in denen dieses Problem gelöst werden muß, aktiv werden könnten, relativ gering ist. Es korreliert nicht positiv mit der Zahl der Betroffenen. Leider! Es wäre sonst etwas einfacher.

Zur Frage, ob ich in Tirol erklärt oder angedeutet hätte, an der Demonstration teilzunehmen: Ich habe das nicht angedeutet. Ich sehe meine Funktion als Verkehrsminister nicht primär darin, Demonstrationen zu unterstützen, sondern darin, die legitimen Interessen der Betroffenen zu unterstützen, und das tut man als Verkehrsminister nicht primär, indem man demonstriert, sondern indem man versucht, eine politische Lösung herbeizuführen. Die finde ich aber nicht am Brenner selbst, sondern in dieser Frage teils mit Vertretern des Bundeslandes Tirol und teils mit Vertretern der anderen europäischen Staaten respektive der Europäischen Kommission.

Kurz: Ich habe volles Verständnis für diejenigen, die ihrem Unmut über die lange Dauer der Lösung Luft machen, ich glaube gleichwohl, daß mein Beitrag für die Lösung dieser Frage anderswo ein besserer und zweckmäßigerer ist als bei der Demonstration am Brenner. – Ich verstehe, daß andere Politiker, die damit rechnen, früh im nächsten Jahr Wahlen zu haben, das anders sehen. (Heiterkeit bei der SPÖ.)


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641. Sitzung / Seite 42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Danke, Herr Bundesminister.

Als nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Vindl. – Bitte.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wie Sie bereits ausgeführt haben, dauern die Verhandlungen mit der Schweiz über diesen Transitvertrag doch schon einige Zeit, und ich teile Ihren Optimismus nicht, daß es in dieser Ratsperiode noch möglich sein wird, diesen abzuschließen.

Teilen Sie hier die Meinung des Landeshauptmannes von Tirol, daß die Einführung eines generellen LKW-Nachtfahrverbotes diesen Abschluß des Transitvertrages mit der Schweiz beschleunigen würde?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Nein, Herr Bundesrat, ich teile diese Auffassung des Herrn Landeshauptmannes von Tirol nicht, und ich teile auch die Auffassung des Herrn Landeshauptmannes von Tirol nicht, daß es möglich wäre, in Deckung mit den entsprechenden Rechtsvorschriften der Europäischen Union, deren Mitglied wir sind, ein Nachtfahrverbot auf der Brenner-Strecke – sprich auf dem Abschnitt Innsbruck–Brennersee – verhängen zu können.

Aber ich gehe durchaus davon aus, daß sich – ohne jeden Optimismus – alle Beteiligten in Europa darüber im klaren sind, daß die Schweiz wegen der Erforderlichkeit einer Volksabstimmung nach Beschlußfassung über den Vertrag nicht mehr weiter heruntergehen wird können bei den Transitgebühren und daß daher nur ein Abschluß des Paketes, so wie es ist, möglich ist oder ein Verzicht darauf.

Das ist allen klar, und es ist mittlerweile auch allen klar – selbst den Skeptikern –, daß eine noch längere "Herumnudlerei" – ich nenne es ganz bewußt so – in dieser Frage niemandem mehr hilft. Das ist das einzige, was einen Restoptimismus – es ist kein großer Optimismus – in der Frage einer allfälligen Lösung während der britischen Präsidentschaft erlaubt.

Also verstehen Sie mich nicht falsch: Ich sage nicht, daß das jetzt kommen wird, sondern ich sage, es gibt gewisse Anzeichen dafür, daß es vielleicht kommen könnte. Und das "vielleicht" hängt davon ab, ob es der britischen Präsidentschaft gelingt, genügend Signale der Zustimmung zu solch einem etwas unorthodoxen Vorgehen zu bekommen, oder ob, während schon viele dafür sind, das endlich zu machen, inzwischen auf der anderen Seite der Kolonne ein paar ausbrechen und sagen, jetzt wollen sie gar nicht mehr. Denn auch das ist eine Problematik, die im Zusammenhang mit all diesen Problemen steht.

Ich glaube, daß es machbar wäre – und ich werde gegebenenfalls auch meine diesbezügliche Zusage einhalten –, für den Fall, daß uns gar keine andere Möglichkeit offensteht, auf der Strecke Brenner–Kufstein ein Nachtfahrverbot zu verordnen, und zwar auf Basis der gegebenen gesetzlichen Grundlagen der Straßenverkehrsordnung.

Der Tiroler Landtag hat mich, wenn ich es recht sehe, einstimmig aufgefordert, Derartiges zu tun, falls wir den Prozeß verlieren. Ich denke, das ist zu spät. Wir sollten erstens versuchen, den Prozeß nicht zu verlieren, wir sollten andererseits auch den Interessen der anrainenden Bevölkerung Rechnung tragen. Aber ich muß darauf hinweisen, daß auch ein Nachtfahrverbot nur dann mit dem EU-Recht in Übereinstimmung ist, wenn es nicht in diskriminierender Weise erfolgt. Diesbezüglich haben wir das gleiche Problem wie bei der Maut-Ausdehnung. Um diese Tatsache gibt es kein Herumkommen. Dies bitte ich auch als Nachricht nach Tirol mitnehmen zu wollen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur nächsten Anfrage, 905/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Schaufler um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

905/M-BR/98

Welche Maßnahmen haben Sie unternommen, um die vom Bundesrat in seiner Sitzung vom 18. Dezember 1997 einstimmig verabschiedeten Entschließungsanträge über die Anerkennung von EU-Führerscheinen in Nicht-EU-Staaten und die Pflicht der Behörden, Besitzer der Lenkerberechtigung der Klasse C von der notwendigen ärztlichen Untersuchung zu informieren, umzusetzen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Mit dem EU-Beitritt hat sich Österreich verpflichtet, die Richtlinie des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein 91/439/EWG umzusetzen, deren Ziel unter anderem die Schaffung eines einheitlichen EU-Führerscheines war.

Die neuen österreichischen Führerscheine entsprechen, wie von der Europäischen Kommission ausdrücklich bestätigt, dieser Richtlinie und werden auch in Drittstaaten – so wie die Führerscheine anderer EU-Mitgliedstaaten – anerkannt.

Nach Bekanntwerden angeblicher Probleme im Ausland mit österreichischen EU-Führerscheinen habe ich veranlaßt, daß im Wege der Vertretungsbehörden Klarheit über die geänderte Rechtslage geschaffen wird und angebliche Problemfälle konkretisiert werden. Ich muß dazu sagen: Mir ist auch nach dieser Aufforderung kein einziger konkreter Fall bekanntgeworden, in dem ein österreichischer EU-Führerschein nicht anerkannt worden wäre.

Ihr besonderes Interesse galt jetzt allerdings der Frage des C-Führerscheines. – Dabei ist es darum gegangen, ebenfalls die entsprechende Norm umzusetzen, und andererseits jene, die Inhaber von C-Führerscheinen sind, auf die Überprüfung und die Untersuchungsnotwendigkeit aufmerksam zu machen. Jene Besitzer der Lenkerberechtigung der Klasse C, deren Daten bereits EDV-mäßig erfaßt sind, werden daher seither von der Behörde auf diese neue Rechtslage aufmerksam gemacht, alle übrigen werden im Wege öffentlicher Aussagen oder ihrer Arbeitgeber darauf aufmerksam gemacht.

Wir haben nunmehr vor, im Rahmen einer Novelle zum Führerscheingesetz die Übergangsfrist auf 24 Monate zu verlängern, um auch hier zu einer gewissen Entspannung zu kommen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Warum ist im Führerscheingesetz vorgesehen, daß sich alle Besitzer der Lenkerberechtigung der Klasse C, die das 45. Lebensjahr überschritten haben, innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Führerscheingesetzes – also bis Ende Oktober 1998; das wird nach Ihrer Aussage ja jetzt verlängert – einer ärztlichen Untersuchung unterziehen müssen, wenn im Gegensatz dazu in Deutschland diese Regelung erst für Lenker ab dem 50. Lebensjahr gilt?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Grundsätzlich ist der Hintergrund für diese Regelung die Tatsache, daß ab einem bestimmten Alter – in Österreich die Vollendung des 45. Lebensjahres – die Wahrscheinlichkeit oder das Risiko einer Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit zunimmt. Das ist der Hintergrund, im Interesse einer größeren Verkehrssicherheit, insbesondere ausgehend von den Fahrzeugen, die die meiste Wucht mit auf die Straße bringen, eine größere Verkehrssicherheit anzustreben und sicherzustellen.

Die Art der Regelung, die wir vorgenommen haben, entspricht nach meinem Kenntnisstand den europäischen Notwendigkeiten und wurde daher in dieser Form umgesetzt.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Pfeifer. – Bitte.

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Herr Minister! Wann ist beabsichtigt, die nun im Ministerrat auf europäischer Ebene beschlossenen Staatsverträge über den Entzug von Lenkerberechtigungen auf nationaler Ebene umzusetzen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Die Frage des Führerscheinentzugs hat, wie Sie wissen, jetzt zuletzt den Justiz- und Innenministerrat passiert und hat dort endlich auch eine entsprechende Zustimmung gefunden, wenn ich recht informiert bin. – Die Vertretung dieser Angelegenheit im JAI erfolgt allerdings durch Kollegen Michalek.

In der Sache selbst geht es dabei nur darum, daß europaweit einheitlich festgelegt wird, daß jeweils jene Normen zur Anwendung gelangen, die im Herkunftsstaat des jeweiligen Staatsbürgers, der gegen Verkehrsregeln gegebenenfalls in einem anderen europäischen Mitgliedsland verstößt, angewandt werden. Es ist dies eine Regelungsform, wie sie etwa im Rahmen der Justizpolitik seit Jahrzehnten üblich ist und die im übrigen daher auch für uns keinerlei Schwierigkeiten in der Umsetzung mit sich bringt.

Die Sorge, um die es ging, betraf weniger die Frage der Umsetzung dieser Regel in Österreich, sondern vielmehr die Frage, ob andere Mitgliedstaaten – insbesondere Deutschland – bereit sein würden, die Maßnahmen, die Österreich bei bestimmten Verstößen gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung oder des Führerscheingesetzes verhängt, überhaupt zu exekutieren. Denn im Gegensatz etwa zu Deutschland haben wir die Reaktion auf Alkoholisierung im Straßenverkehr nicht als Strafe, sondern als Sicherungsmaßnahme entwickelt, und überdies hat bei uns die Sicherungsmaßnahme eine relativ kurze Zeitdauer. Vergleichbare Delikte werden in Deutschland bestraft und mit einer wesentlich längeren Entziehung des Führerscheins als bei uns geahndet. Deutschland hat sich die längste Zeit geweigert, österreichische Bagatellstrafen – wie sich die deutsche Seite ausgedrückt hat – überhaupt zu vollziehen.

Nunmehr ist es gelungen, die Anerkennung des Prinzips zu erreichen, daß jeweils das Recht jenes Staates, der zu vollziehen hat, zur Anwendung kommt, sodaß höhere Strafen, die in Deutschland ausgesprochen werden, bei uns nicht vollzogen werden, sondern im Rahmen des in Österreich Üblichen reagiert wird, und umgekehrt Deutsche in Deutschland im Rahmen des deutschen Rechts abgestraft werden. Wir halten das für einen Kompromiß, mit dem es sich leben läßt und der rasch umsetzbar ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Es liegt noch eine Wortmeldung für eine weitere Zusatzfrage vor. Ich möchte Ihnen aber gleich mitteilen, daß die vorgesehenen 120 Minuten vorbei sind und wir daher diese Anfrage mit der folgenden Zusatzfrage des Herrn Bundesrates Weilharter abschließen werden. Die weiteren Anfragen kommen nicht mehr zum Aufruf. – Bitte, Herr Bundesrat Weilharter.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Wird es zu der in der Hauptfrage angesprochenen ärztlichen Untersuchung im Hinblick auf den zeitlichen Rahmen Ausnahmen oder Nachfristen geben?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Bundesrat! Die eine Antwort habe ich vorhin schon gegeben: Wir haben vor, die Übergangsfrist zu verlängern. Insoweit gibt es gegenüber dem heute geltenden Rechtszustand eine zeitliche Veränderung.

Zum zweiten haben wir vor – wie Sie wissen –, auch im Bereich der Feuerwehrfahrzeugslenker eine Ausnahme zu schaffen. Die Ausnahme soll zwar nicht vorsehen, daß Lenker von Feuerwehrfahrzeugen gar keiner Untersuchung bedürfen, aber wir nehmen gerne zur Kenntnis – und insoweit auch zur Grundlage –, daß bei Schaffung eines neuen Führerscheines speziell für Feuerwehrfahrer die Gesundheitsuntersuchungen, die für alle Freiwilligen Feuerwehren in Österreich die Regel sind, ein wenig adaptiert und zugleich als entsprechende Untersuchung für


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den Fortbesitz des Führerscheins der Klasse Feuerwehr anerkannt werden. Es wird kein C 1 und auch kein C sein, sondern es wird eine Sonderform des Führerscheins der Klasse C für Lenker von Feuerwehrfahrzeugen bei Freiwilligen Feuerwehren werden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Die Fragestunde ist hiemit beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt sind elf Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch den übrigen Mitgliedern des Bundesrates zugeteilt.

Eingelangt ist ferner ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Nominierung eines österreichischen Vertreters in den Verwaltungsrat der Europäischen Investitionsbank. Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung des Schreibens.

...Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: "Betrifft: Österreich – EU: Verwaltungsrat der Europäischen Investitionsbank; Nominierung des österreichischen Vertreters; Unterrichtung des Bundesrates.

Gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG wird mitgeteilt, daß die Bundesregierung, die Herstellung des Einvernehmens mit dem Hauptausschuß des Nationalrates vorausgesetzt, am 12. 5. 1998 beschlossen hat, für die Neubestellung des ordentlichen Mitglieds des Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank das derzeitige ordentliche Mitglied, Herrn Mag. Thomas Wieser, stellvertretender Leiter der Sektion III des Bundesministeriums für Finanzen, zu nominieren."

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Verlesung.

Eingelangt sind weiters zwei Beschlüsse des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird, und ein Bundesgesetz, mit dem Überschreitungen von Ausgabenansätzen der Anlage I des Bundesfinanzgesetzes 1998 bewilligt werden. Diese genannten Beschlüsse unterliegen im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates. Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung der vorliegenden Beschlüsse durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind ferner jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind, sowie der Beschluß des Nationalrates vom 12. Mai 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Agrarverfahrensgesetz, das Auskunftspflichtgesetz, das Auskunftspflicht-Grundsatzgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Sicherheitspolizeigesetz, das Fremdengesetz 1997, das Handelsgesetzbuch, das Volksanwaltschaftsgesetz 1982, das Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996, das Verlautbarungsgesetz 1985 und das Bundestraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert werden.

Der Herr Präsident hat alle eingelangten Beschlüsse sowie den Berufsbildungsbericht 1997 des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Soweit die Ausschüsse ihre Vorberatungen abgeschlossen haben, wurden schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Der Herr Präsident hat all diese Vorlagen – mit Ausnahme des zuvor verlesenen Beschlusses – sowie die Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1998 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.


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Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Aufgrund eines dem Herrn Präsidenten zugekommenen Vorschlages ist beabsichtigt, die Debatte über die Punkte 2 und 3, 9 und 10, 12 und 13 sowie 14 und 15 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher in dem Sinn vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Bevor wir aber in die Tagesordnung eingehen, möchte ich Sie von einer Vereinbarung der Fraktionen in der letzten Sitzung der Präsidialkonferenz in Kenntnis setzen.

Die Fraktionen haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten für alle Debatten, für welche die Geschäftsordnung keine bestimmten Redezeiten vorsieht, vereinbart. In Hinkunft wird daher das rote Lichtsignal zirka 2 Minuten vor Ablauf der vereinbarten Redezeit zu blinken beginnen und nach Ablauf der 10 Minuten dauernd leuchten. Wenn aber mehrere Redner von einer Fraktion zu Wort gemeldet sind, sollen dem Erstredner der jeweiligen Fraktion bis zu 15 Minuten zur Verfügung stehen.

Da es sich um eine freiwillige Redezeitbeschränkung handelt, wird der vorsitzführende Präsident daher weder ein Glockenzeichen geben, noch den Redner nach Ablauf der vereinbarten Redezeit darauf hinweisen. Sollte im Hinblick auf das zu behandelnde Thema die Vereinbarung von vornherein nicht eingehalten werden können, ersuche ich Sie, vor Beginn Ihrer Rede darauf hinzuweisen. Wir haben auch in Aussicht genommen, diese Vereinbarung nach einer Probezeit allenfalls zu adaptieren, falls sich dies als notwendig erweisen sollte.

Der Herr Präsident, der Herr Vizepräsident und ich freuen uns, daß es zu dieser freiwilligen Vereinbarung gekommen ist, denn wir glauben, daß sie durchaus einen Beitrag zu einer Verlebendigung der Debatten leisten kann. Sie sind ganz herzlich eingeladen, sich daran zu beteiligen.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Mai 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behörden-Überleitungsgesetz, das AIDS-Gesetz 1993, das Bundesgesetz über natürliche Heilvorkommen und Kurorte, das Rezeptpflichtgesetz und das Arzneimittelgesetz geändert werden (1077 und 1147/NR sowie 5674/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Behörden-Überleitungsgesetz, das AIDS-Gesetz 1993, das Bundesgesetz über natürliche Heilvorkommen und Kurorte, das Rezeptpflichtgesetz und das Arzneimittelgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Hager übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Wolfgang Hager: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über die genannten Vorlagen liegt Ihnen schriftlich vor. Ich verzichte daher auf die Verlesung.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht und die Antragstellung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.


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11.10

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Bevor ich in die Debatte eingehe, bitte ich um Verständnis dafür, daß ich die Courtoisie des Hauses nicht ganz beachte und ohne Sakko rede. Ich tue dies nicht, weil ich die Gleichberechtigung mit den Damen herbeiführen möchte, die luftiger gekleidet sind, sondern weil ich erstens die Erlaubnis des Präsidiums habe und zweitens unter einer Sonnenallergie leide und daher das Sakko nicht vertrage. Ich bitte um Verständnis.

Frau Präsidentin! Ihrem Vortrag entsprechend werde ich mich bemühen, die Redezeit von 10 Minuten einzuhalten.

Das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales bedient sich derzeit dreier bundesstaatlicher Untersuchungsanstalten, die zusammengelegt werden sollten. Im Rahmen dieser Umstrukturierung zu einer Arzneimittelanstalt soll auch die Rechtslage hinsichtlich des nicht mehr bestehenden Serotherapeutischen Instituts und der nicht mehr bestehenden staatlichen Schutzimpfungsanstalt gegen Wut bereinigt werden.

Mit den derzeitigen Organisationsstrukturen kann laut Bericht nicht mehr das Auslangen gefunden werden, um die Anforderungen für ein gemeinschaftliches Arzneimittelzulassungsverfahren innerhalb der Europäischen Union beziehungsweise für die weiterhin durchzuführenden rein nationalen Zulassungsverfahren zu erfüllen. Bemerkt werden darf dazu weiters, daß es auch einen Hinweis des Rechnungshofes gibt, in diesem Bereich zu einer geänderten Organisationsstruktur zu kommen.

Man erwartet sich – so heißt es in dem Bericht – von der Zusammenlegung der drei genannten Anstalten Synergieeffekte, die optimale Nutzung von Ressourcen im Sinne von Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit sowie eine Steigerung der Produktivität bei gleichzeitiger Personaleinsparung. Letzteres hat die zuständige Frau Bundesministerin im Nationalrat allerdings bestritten.

Im Kern begrüßen wir diese Zusammenlegung, allerdings würden wir uns wünschen, daß es im Zuge dessen auch zu einer örtlichen Zusammenlegung kommt. Warum es zur örtlichen Zusammenlegung der drei Untersuchungsanstalten nicht gekommen ist, ist meiner Fraktion und mir nicht ganz klar. Denn es heißt, man werde erst einmal Erfahrungen abwarten, um Doppelgleisigkeiten abbauen und Einsparungen vornehmen zu können. Der Rechnungshof hat sich dafür ausgesprochen, daß eine gesetzliche Grundlage insbesondere dahin gehend geschaffen wird, daß dadurch der Bestand und die Aufgabe, die Organisation und die Leistungsabgabe geregelt werden, wie es etwa im Lebensmittelbereich und auch im veterinärmedizinischen Bereich der Fall ist. Dies ist hier ebenso nicht ersichtlich.

Daß davon andere Gesetze mitbetroffen sind, ist verständlich, denn es handelt sich um redaktionelle Änderungen. Aber wenn es schon zu einer Gesetzesänderung kommt, deren Kern letztlich die Zusammenlegung – wir meinen damit auch die örtliche Zusammenlegung – ist, dann hätte man auch das im Sinne der Zweckmäßigkeit, der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit durchführen sollen. Doch werden erst innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die Konzepte für die Ausgliederung vorgelegt werden. Warum macht man das nicht bereits jetzt?

Die Ärztekammer etwa kritisiert in ihrer Stellungnahme, daß die Ausbildung von Ärzten in diesen Untersuchungsanstalten nicht besonders gut beziehungsweise unzureichend war. Die Wirtschaftskammer äußert Bedenken nicht nur hinsichtlich der zu erwartenden finanziellen Einsparung, sondern sie befürchtet auch Verzögerungen im Zulassungsverfahren, was im Hinblick auf gesundheitspolitische Fragen, in bezug auf die Gesundheit unserer Bevölkerung auch nicht gerade zweckmäßig ist.

Auch um weitere wesentliche Dinge geht es dabei. Ein Hauptgrund dafür, daß es zur Zusammenführung kommt, ist die gutachterliche Tätigkeit, die in diesen Instituten durchgeführt wird. Die Institute haben die Hauptaufgabe, die Qualität der Arzneimittel sicherzustellen und die Unbedenklichkeit der Arzneimittel – dies ist im Sinne der Gesundheit der Bevölkerung von beson


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derer Wichtigkeit – zu garantieren. Diese Gutachter sind, da sie öffentlich Bedienstete sind, unabhängig von den großen Pharmafirmen oder sollten zumindest unabhängig sein. Jedenfalls haben sie dies durch ihren Beamtenstatus garantiert und bisher sehr gute Arbeit geleistet.

Allerdings – dies nimmt uns wunder und ist einer der Hauptkritikpunkte – ist diese Gutachtertätigkeit in den letzten Monaten und Jahren systematisch – nicht nur in Form von Personaleinsparungen, sondern es wird dafür auch andere Gründe geben – so weit reduziert worden, daß Arzneimittelprüfungen sehr lange Zeit in Anspruch nehmen und dafür lange Wartelisten aufliegen.

Außerdem hat es in bestimmten Instituten Querelen gegeben. Dem Leiter eines der Institute wurden sexuelle Verfehlungen vorgeworfen, sie konnten aber letztlich nicht bewiesen werden. Diesem Leiter hat man dann – quasi als Angebot zur Schadensbegrenzung – eine Stelle in einem anderen Ministerium angeboten. Er hat diese Stelle verständlicherweise nicht angenommen, sondern hat sich gesagt: Würde ich das tun, dann würde ich die Richtigkeit der vorgebrachten Anschuldigungen zugeben, und dies käme einem Schuldeingeständnis gleich.

Ich habe schon vorhin ausgeführt, daß es nicht zu einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Gutachtern einerseits und den großen Brötchengebern – den Pharmafirmen – andererseits kommen sollte. Daher muß die Auslagerung der Gutachtertätigkeit besonders streng geprüft werden. Es geht dabei nicht nur um die Objektivität der Gutachten, sondern – wie schon gesagt – vor allem um die Gesundheit unserer Bevölkerung. Man muß hinzufügen, daß der Konsument nicht mit Arzneimitteln überfüttert werden soll, wenn ein besonderes Geschäft zu erwarten ist. Ich nenne dazu nur ein Schlagwort: die – glaublich – neue Wunderpille Viagra.

Das Licht auf dem Rednerpult fängt zu leuchten an. Ich werde mich daher kürzer fassen.

Es muß uns allerdings wert sein, daß der Arzneimittelgebrauch besonders strengen und objektiven Prüfungskriterien unterzogen wird. Dies ist derzeit leider Gottes nicht der Fall.

Einen Punkt möchte ich noch erwähnen, weil ich ihn für besonders wichtig halte. Er betrifft das Serumprüfungsinstitut. Vor einigen Monaten gab es einen Fall, daß 1 500 Liter Blut aus Afrika importiert wurden. Eine Firma mit Sitz im Mühlviertel und weiteren Firmensitzen in Litauen und in der Schweiz hat mehr als 1 000 Liter dieses Blutes im Zollfreilager Wien deponiert und falsch etikettiert. Es handelte sich um möglicherweise infektiöses Blut, möglicherweise mit HIV oder auch mit Hepatitisviren verseuchtes Blut. Das sollte nicht geschehen können. Deswegen wäre es dringend notwendig, daß die Institution, die ich vorhin angeführt habe, bestehen bliebe, unter anderem auch deshalb, weil sich die Gesundheitsminister der EU mit dieser Frage besonders beschäftigt haben. Es geht um die Flüchtlingsströme, um das Schengener Abkommen – wir kennen es, meine Damen und Herren –, demgemäß Kontrollen von Risikogruppen vorzunehmen sind, weil Infektionen und insbesondere die Verbreitung "neuer" alter Krankheiten wie Tuberkulose oder Malaria et cetera hintangehalten werden sollen.

All das ist in diesem Gesetz leider Gottes nicht genügend geregelt. Es ist nicht einmal die örtliche Zusammenlegung vollzogen worden, weswegen wir Freiheitlichen dieser Materie unsere Zustimmung nicht erteilen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Payer. – Bitte.

11.21

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es hätte mich wirklich gewundert, wenn es zu diesem Thema Zustimmung seitens der FPÖ gegeben hätte. Sie sagt wieder einmal nein zu einem, so glaube ich, sinnvollen Gesetzesvorschlag. Herr Kollege Tremmel hat versucht, verschiedene Dinge hineinzubringen, die mit dieser Gesetzesmaterie eigentlich nichts zu tun haben. Ich werde mir erlauben, auf diese Vermischung, die er hineinzubringen versucht hat, hinzuweisen.


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Herr Kollege Tremmel! Sie verstärken heute mit Ihrem Neinsagen wiederum Ihr Image als Neinsagerpartei. Vielleicht sollten Sie innerparteilich öfter nein sagen zu Personen, die sich ins Ausland absetzen und Millionenschaden hinterlassen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Sie spannen einen sehr weiten Bogen zu anderen Dingen!) Ich sage Ihnen nur, wo Sie überall nein sagen könnten, zum Beispiel zu Geldspekulationen mit Steuergeldern. Sie könnten auch nein sagen zu überschuldeten Wohnbaugenossenschaften und so weiter, aber Sie sollten, Herr Kollege Tremmel, sinnvolle Gesetze bejahen und nicht Opposition um der Opposition willen machen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Tremmel: Ich möchte einmal hören, was sinnvoll daran ist!)

Herr Kollege Tremmel! Wenn man von der Theorie her zu begründen versucht, wann ein Gesetz gut und notwendig ist, dann kommt man zu dem Ergebnis, daß Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit wichtige Kriterien dafür sind. Dieses vorliegende Bundesgesetz erfüllt, so glaube ich, diese Bedingungen. Es ist zweckmäßig, es ist wirtschaftlich, und es orientiert sich am Spargedanken. Es ist ein weiterer Baustein zur Verbesserung unseres Gesundheitssystems. Es ist ein Schritt zu mehr Qualität, ein Schritt zu mehr Effizienz.

Konkret – das haben Sie auch ausgeführt – geht es um die Zusammenführung dreier Institute, nämlich der Bundesanstalt für chemische und pharmazeutische Untersuchungen, der Bundesstaatlichen Anstalt für experimentelle Pharmakologie und balneologische Untersuchungen und des Bundesstaatlichen Serumprüfungsinstituts und der Bundesstaatlichen Impfstoffgewinnungsanstalt. Diese drei Institute sollen zu einem Bundesinstitut für Arzneimittel zusammengeführt werden. Diese Zusammenführung bringt Synergieeffekte. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wann?)  – Ich komme noch darauf zu sprechen, Herr Kollege Tremmel! Seien Sie nicht so ungeduldig, sonst könnte ich Ihnen auch etwas ganz anderes zitieren! – Diese Zusammenführung bringt insbesondere Synergieeffekte im Verwaltungsbereich. Es wird zu einer Senkung der Mietkosten kommen, und durch diese Vereinheitlichung wird auch das Tempo beim notwendigen Zulassungsverfahren von Arzneimitteln steigen. Größtmögliche Objektivität ist das Gebot der Stunde.

Im Zusammenhang mit dieser Gesetzesvorlage habe ich mir noch einmal die Studie "Gesundheitswesen in Österreich", die erstmals im Jahre 1983 erschienen ist und seit damals immer wieder auf den jüngsten Stand gebracht wird, näher angeschaut. In der gegenwärtigen medizinischen Versorgung nimmt die Arzneimitteltherapie eine immer größer werdende, dominierende Stellung ein. Die "Rezeptur" ist heute der wesentlichste Bestandteil der medizinischen Behandlung. Die wachsende Bedeutung der Arzneimittel in der medizinischen Versorgung zeigt sich unter anderem in ihrem immer breiter werdenden Anwendungsbereich, in der Expansion der pharmazeutischen Produkte und in den steigenden Kosten, die sich in den letzten 15 Jahren nahezu verdreifacht haben.

Diese Heilmittelstatistik ist eindrucksvoll. Wenn man nämlich die Ausgaben des Jahres 1975 mit 100 Prozent annimmt, dann kommt man im Jahre 1996 auf eine Ausgabenhöhe von 449,7 Prozent; und diese Zahlen beweisen meiner Meinung nach aber auch, daß die pharmazeutischen Untersuchungen – die genauen Zahlen liegen mir dazu nicht vor – wahrscheinlich im gleichen Ausmaß gestiegen sein werden. Darum ist es notwendig, daß diese Gutachtertätigkeit, von der Herr Kollege Tremmel gesprochen hat, natürlich auch extern vergeben wird. Daß es nicht immer die entsprechenden Fachleute für diese Vielfalt von medizinischen Produkten gibt, ist klar, aber dieses Auslagern in das sogenannte – unter Anführungszeichen – "Private" ist im Arzneimittelgesetz eindeutig vorgesehen, weil ganz einfach der gesamte Arbeitsbereich durch die drei bestehenden Institute nicht abgedeckt werden kann.

Es ist selbstverständlich, daß es keinen direkten Kontakt zwischen der Firma, die den Auftrag erteilt, und den Gutachtern geben darf. Ich finde es aber richtig, daß die Firmen diese Gutachtertätigkeit bezahlen und die Kosten dafür übernehmen; sie machen auch anschließend das Geschäft damit. (Bundesrat Dr. Tremmel: Suchen sie sich den Gutachter auch aus?) Sie stellen hier wieder eine Behauptung auf, wer sich den Gutachter aussucht. (Bundesrat Dr. Tremmel: Ich frage Sie nur!) Ich sage von dieser Stelle aus, daß es im Gesetz vorgesehen ist, daß totale Objektivität und Qualität sichergestellt sind. Aber vor schwarzen Schafen – Sie


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brauchen sich nur in Ihrer Partei umzuschauen – kann man sich natürlich oft nur sehr schwer schützen.

Meine Damen und Herren! Zurück zu diesem Gesetz: Meine Fraktion hält diese geplante Umstrukturierung der Arzneimittelanstalten für sinnvoll und notwendig. Damit werden Doppelgleisigkeiten vermieden, Einsparungen sind in Zukunft zu erwarten. Darum wird meine Fraktion gegen diesen Gesetzesvorschlag keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ.)

11.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaushaltsgesetz, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundesgesetz über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses, das Bundesgesetz, mit dem das ÖIAG-Anleihegesetz, das Erdölbevorratungs-Förderungsgesetz, das Bundesgesetz, mit dem die Haftungsübernahme für von der Gesellschaft "Österreichische Bundesbahnen" bei der "Eurofima" (Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial) aufzunehmende Anleihen, Darlehen und sonstige Kredite geregelt wird, das Energieanleihegesetz 1982, das Bundesgesetz vom 24. Jänner 1979 betreffend Übernahme der Bundeshaftung für die Konversion von Anleihen, Darlehen und sonstigen Krediten der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG (Verbundgesellschaft) und der Sondergesellschaften, das Garantiegesetz 1977, das Bundesgesetz vom 4. April 1986 über die Österreichische Industrieholding Aktiengesellschaft und über eine Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes sowie des ÖIAG-Anleihegesetzes, das Poststrukturgesetz, das Staatsdruckereigesetz 1996, das Umweltförderungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden, das Bundesgesetz betreffend die Übernahme von Geschäftsanteilen der Graz Köflacher Eisenbahn GmbH (GKE) und die mögliche Verwertung dieser Geschäftsanteile erlassen wird und das Bundesgesetz über die Bundesrechenzentrum GmbH (BRZ GmbH) geändert wird (Budgetbegleitgesetz 1998) (1099, Zu 1099 und 1161/NR sowie 5688/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (1162/NR sowie 5689/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies: das Budgetbegleitgesetz 1998 und ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird.


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Die Berichterstattung über die Punkte 2 und 3 hat Herr Bundesrat Johann Kraml übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.

Berichterstatter Johann Kraml: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Finanzausschusses über das Budgetbegleitgesetz liegt schriftlich vor.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Der zweite Bericht über das Studienförderungsgesetz liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich erspare mir daher seine Verlesung.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung und die Antragstellung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

11.31

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute hier im Bundesrat die Budgetbegleitgesetze und damit auch indirekt das Budget 1999 schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt, damit die Vorsitzführung unserer Bundesregierung in der Europäischen Union durch diese unangenehme Thematik nicht belastet wird. Daß dieses Thema für Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, unangenehm wäre, liegt auf der Hand.

Die einmaligen Zahlungen, mit denen Sie das Budget 1997 Maastricht-konform gemacht haben – das hat Ihnen auch die OECD in einer Studie gesagt –, wurden nur unzureichend durch dauerhafte Maßnahmen ersetzt. Die österreichischen Staatsfinanzen – das haben Ihnen auch schon heimische Wirtschaftsforscher vorgehalten – sind leider allzu anfällig für jede Konjunkturschwäche. Das strukturelle Defizit – im wesentlichen die Gesamtstaatsverschuldung, die aus den Sünden der Vergangenheit resultiert – ist leider nach wie vor zu hoch. Ihre Regierung, meine Damen und Herren, hat keinerlei fiskalische Manövriermasse für Notfälle, geschweige denn könnte sie mit Investitionsmaßnahmen eine ins Stocken geratene Konjunktur wieder auf Trab bringen. Ihre bisherigen Maßnahmen waren alle nur kurzfristige Budgetkosmetik. Langfristig werden Sie aber den Bürgern unseres Landes noch erhebliche Belastungen abnötigen müssen.

Trotz der zu erwartenden konjunkturellen Aufwärtsbewegung soll das Defizit für das Jahr 1999 nicht sinken, sondern von 67 auf 70 Milliarden Schilling steigen. Sie gehen dabei von einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 2,8 Prozent aus. Das Wifo vermutet sogar 3 Prozent. Dennoch soll das Defizit nach Ihrem Voranschlag bis 1999 nur auf 2,6 Prozent sinken. Die OECD hat in diesem Bereich angeregt, daß mindestens 2 Prozent erreicht werden sollten, um auch nur von einer ansatzweisen Verbesserung reden zu können.

Sie verabsäumen es, Defizitabbau und Strukturreform als sich gegenseitig verstärkende Prozesse zu erkennen. Der bestehende Konsolidierungsdruck könnte nicht nur eine günstige Basis für die von Ihnen immer wieder verschobene Steuerreform sein, sondern auch für die Pensionsreform und die Reform des öffentlichen Dienstes. Ihre Finanzpolitik, Herr Staatssekretär, und die Ihres Herrn Bundesministers ist rein auf Einnahmenmaximierung für den Staat ausgerichtet. Die Abgabenquote erreicht einen historischen Höchststand von 44,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Steuereinnahmen im Jahre 1997 stiegen um 47,6 Milliarden auf 743,7 Milliarden


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Schilling beziehungsweise 29,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Sozialbeiträge stiegen im selben Jahr um 10,3 Milliarden auf 384,8 Milliarden Schilling. Dennoch haben Sie keine Strukturbereinigung im Bereich der Steuereinnahmen in die Wege geleitet. Der grundlegende Umbau unseres Steuersystems muß mit einem grundsätzlichen Ansatz im Hinblick auf die Durchforstung der steuerlichen Ausnahmebestimmungen beginnen.

Der Abbau von steuerlichen Verzerrungswirkungen ist einzuleiten. Eine marktorientierte und faire Form der Einkommens- und Gewinnbesteuerung muß das Endziel unserer Bemühungen sein. Eine lineare Besteuerung muß in diesen Bereichen angestrebt werden. Die Entlastung des Produktionsfaktors Arbeit von lohnabhängigen Abgaben muß ein weiterer zentraler Punkt in diesen Überlegungen sein.

Meine Damen und Herren! Österreich liegt, was die Lohnnebenkosten anlangt, im Spitzenfeld Europas. In Zeiten zunehmender wirtschaftlicher Globalisierung kann Österreichs Wirtschaft mit dem eminenten Wettbewerbsnachteil zu hoher Lohnnebenkosten allerdings nicht bestehen. Die Vereinfachung der Steuerverwaltung und eine grundsätzliche Reform der Pauschalierungsbestimmungen müssen ebenfalls ein zentraler Punkt der Steuerreform sein. Aufgrund der geringen Leistungsfähigkeit der Familie bei der Anwendung von Individualbesteuerung muß ein steuerpolitisch neuer Weg eingeschlagen werden. Der Einkommensteuertarif muß das soziale Existenzminimum nicht nur für den Einkommensbezieher, sondern auch für jene von ihm zu versorgenden Familienmitglieder, die kein Einkommen beziehen, gewährleisten.

An einem Einbau von zielgerichteten wettbewerbsfähigen Umweltabgaben in unser Steuersystem wird kein Weg vorbeiführen. Die Reduktion der Steuerarten ist für ein umfassendes Steuerreformkonzept eine logische Bedingung. Wir liegen in Österreich mit insgesamt 38 Steuerarten im Spitzenfeld. Der international übliche Schnitt an Steuerarten liegt bei 20 bis 25, Herr Staatssekretär!

Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie legen mit dem Budget 1999, dessen Begleitgesetze wir heute debattieren, ein Budget vor, das ein neuerliches Defizit von 70 Milliarden Schilling aufweist. An einen Abbau der Bundesschuld ist bei dieser Situation bei weitem nicht zu denken. Sie verabsäumen Strukturreformen im steuerpolitischen Sinn, und Sie verschieben die Lösung Ihrer Probleme auf morgen. Wir Freiheitlichen werden deshalb diesem Gesetzesvorschlag nicht zustimmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rodek. – Bitte.

11.37

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem uns zur Beschlußfassung vorliegenden Budgetbegleitgesetz werden 19 Artikel beschlossen, die inhaltlich sehr unterschiedliche Ziele verfolgen. Ich sehe diese jedoch positiver als mein Vorredner.

So werden zum Beispiel laut Artikel 13 des Umweltförderungsgesetzes weitere Mittel aus dem Reinvermögen des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds in Höhe von 1 Milliarde Schilling zur Verfügung gestellt. Damit wird ein weiterer Beitrag zum Schutz des ober- und unterirdischen Wassers vor Verunreinigungen geleistet und die Versorgung der Bevölkerung mit hygienisch einwandfreiem Trinkwasser gewährleistet werden können. Durch diese Maßnahme, die besonders die Gemeinden entlastet, können gerade im ländlichen Raum zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, weil dort die Siedlungswasserwirtschaft den bedeutendsten Förderbereich darstellt; das vor allem aber auch deswegen, weil damit im kommenden Jahr insgesamt 4,9 Milliarden Schilling zur Verfügung stehen werden und so erfreulicherweise ein geschätztes Investitionsvolumen in Höhe von 14 Milliarden Schilling aus Landes- und Gemeindebudgets zur Verfügung stehen wird. Das ist eine Investition in einen der wichtigsten Rohstoffe unseres Landes, nämlich in Wasser und damit eine Investition in die Zukunft nachkommender Generationen und deren Lebensraum.


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Ein weiterer bedeutender Punkt scheint mir die Novelle zum Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz zu sein, in der festgehalten wird, daß der Abgeltungsbetrag, den der Hauptverband der Sozialversicherungsträger für die Ausübung der Sozialgerichtsbarkeit an das Bundesministerium für Justiz zu überweisen hat, der Aufwandsentwicklung angepaßt werden soll. Auf den ersten Blick ist das eine unscheinbare Bestimmung, auf den zweiten Blick ist das aber ein sehr wichtiger Punkt, gewährleistet er doch den weiteren kostenlosen Rechtszugang zu den Sozialgerichten.

Da ich selbst als qualifizierter Vertreter dort tätig bin, bin ich mir sehr wohl dessen bewußt, daß gerade sozial schwächere Menschen auf diese kostenlose Abhandlung ihrer Rechtsangelegenheiten angewiesen sind. Die wenigsten von ihnen würden es sich nämlich leisten können, ihre durchaus auch berechtigten Ansprüche vor Gericht durchzusetzen.

Die wichtigsten Punkte im Budgetbegleitgesetz 1998 sind aber sicherlich Artikel 14 des Einkommensteuergesetzes und Artikel 16 des Familienlastenausgleichsgesetzes. Diese Novellen tragen dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Rechnung, mit dem die Familienbesteuerung als gleichheitswidrig aufgehoben und dem Bund zur Reparatur eine Frist bis Ende 1998 gesetzt wurde.

So schmerzlich dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes für manche war, so erfreulich war es für meine Fraktion, daß unsere langjährige Forderung nach mehr Steuergerechtigkeit für die Familien eindrucksvoll bestätigt und dadurch der Weg zu einer steuerlichen Besserstellung geebnet wurde.

Wir wollten schon immer – mit dieser Familiensteuerreform ist es nun auch gelungen – den Mehrkinderfamilien, den Alleinerzieherfamilien, vor allem aber den einkommensschwachen Familien helfen. Natürlich kann man nicht alle Probleme der Familie mittels finanzieller Hilfe lösen, es darf aber nicht so weit kommen, daß Familien von Haus aus nicht gegründet werden, weil sich die Eltern die Kinder nicht mehr leisten können. Da gilt das alte Sprichwort: Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts.

Tatsache ist aber, daß jedes weitere Kind in einer Familie einen zusätzlichen Schritt in Richtung Armut bedeutet. Bei einer Familie mit mehreren Kindern und nur einer erwerbstätigen Person ist das Risiko, unter die Armutsgrenze zu rutschen, hoch. So liegen von Alleinverdienerfamilien mit zwei Kindern 28 Prozent und von jenen mit drei Kindern bereits 46 Prozent an oder unter der Armutsgrenze. Daher ist es auch nicht verwunderlich, daß aus einer Statistik des Armuts- und Sozialberichtes des Jahres 1996 eindeutig hervorgeht, daß 8 Prozent der Kinder, aber nur 2 Prozent der Pensionisten in Österreich unter der Armutsgrenze leben.

Ich weiß schon, daß es sehr schwierig ist, eine genaue Definition der Armutsgrenze zu finden, weil sie vom Wohlstand der jeweiligen Gesellschaft abhängig ist, und Armut in Österreich ist sicherlich nicht mit der Armut in den Ländern der Dritten Welt gleichzusetzen. Trotzdem ist es ein deutlicher Hinweis darauf, daß man vor allem bei Mehrkinderfamilien etwas tun muß, und gerade deswegen haben wir darauf bestanden – das ist unbestritten ein Erfolg meiner Fraktion –, daß die Mehrkinderstaffel aufrecht geblieben ist und damit ein deutliches Signal auch in Richtung Mehrkinderfamilie gesetzt wurde.

Als Vertreter des ländlichen Raumes freue ich mich besonders über dieses Verhandlungsergebnis, da die ländlichen Familien, vor allem im bäuerlichen Bereich noch immer zu den kinderreichsten Familien zählen und durch die Beibehaltung der Mehrkinderstaffel auf indirektem Weg ein finanzieller Ausgleich zwischen Stadt und Land erfolgt. Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang auch noch die Negativsteuer, aufgrund welcher der Alleinverdienerabsetzbetrag von 2 000 S auf 5 000 S angehoben werden konnte. Dies wird vor allem auch unseren bäuerlichen Vollerwerbsbetrieben zugute kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle kennen die Einzelheiten dieser Familiensteuerreform und deren Umsetzung, ich brauche sie daher nicht näher zu erläutern. Mag sein, daß sie für manche zu niedrig ausgefallen ist, mag sein, daß Nichtbetroffene die Kosten in Höhe von rund 14 Milliarden Schilling kritisieren, wobei sie dabei allerdings nicht bedenken, daß diese


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Gelder zur Förderung und Erhaltung unserer Familien, der viel zitierten Keimzelle unseres Staates, bestens angelegt sind und über die Umwegrentabilität mehr als gut verzinst wieder zurückfließen.

Tatsache ist auch, daß dieser wichtige Teil des Budgetbegleitgesetzes eine bewußte Entscheidung in Richtung Zukunft unserer Kinder und unseres Staates darstellt. Ich bedanke mich im Namen der Familien für das Zustandekommen dieses Konsenses bei unserem Familienminister Bartenstein, aber auch beim Finanzministerium. Selbstverständlich wird meine Fraktion dem Budgetbegleitgesetz 1998 die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thumpser. – Bitte.

11.45

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden dem Budgetbegleitgesetz 1998 zustimmen, weil in diesem ein Familienpaket inkludiert ist, das nach der Steuerreform 1992 das größte Paket ist, das für Österreichs Familien geschnürt wurde. Kollege Rodek und ich wissen, wie es zu diesem Paket gekommen ist. Dieses Paket ist ein Kompromiß, denn ein sozialdemokratisches Familienpaket würde, so glaube ich, anders aussehen als ein christdemokratisches Familienpaket – vorausgesetzt jede Fraktion wäre in Alleinregierung. Deshalb glaube ich, daß dieses Familienpaket als Kompromiß anzusehen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Vergleich mit den EU-Staaten liegt Österreich bezüglich der Familienförderung an zweiter Stelle. Mit den Maßnahmen, die ab dem Jahr 2000 voll greifen werden, ist es sehr wahrscheinlich, daß Österreich an erster Stelle liegen wird. Ich gehe auch davon aus, daß sich Österreich diese Förderung leisten kann und leisten muß.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns Sozialdemokraten stehen das Wohl und die Interessen der Kinder und auch die finanzielle Absicherung der Familien im Mittelpunkt unserer Politik. Es ist uns gelungen, die Leistungen für die Familien deutlich auszuweiten, ohne dabei den Weg der Budgetkonsolidierung zu verlassen.

Österreichs Familien werden mit dieser Reform im Jahr 2000  pro Monat und Kind 500 S mehr erhalten, und für einkommensschwache Familien wird es zusätzliche Förderungen geben. Wie bereits erwähnt wird der Alleinverdiener- und AlleinerzieherInnen-Absetzbetrag in der Höhe von 5 000 S zur Gänze in die Negativsteuer miteinbezogen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesen Maßnahmen glauben wir, daß die Familienförderung sozial ausgewogen ist und daß damit vor allem jenen Familien geholfen wird, die diese Hilfe ganz besonders brauchen. Ziel dieses Familienpakets muß es sein, mittels sozialer Treffsicherheit Familienförderung zu gestalten, und zwar so zu gestalten, daß jene, die es brauchen, diese auch erhalten. Eine Form der sozialen Treffsicherheit ist es, daß jedes Kind gleich viel wert ist und gleich viel bekommen muß. Soziale Treffsicherheit bedeutet aber auch, daß Kinder, die besondere Förderungen brauchen, zusätzliche Mittel erhalten. Auch dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist damit gegeben.

Familienpolitik heißt jedoch auch, wirtschaftliche Rahmenbedingungen herzustellen, und diese Rahmenbedingungen – gestatten Sie mir, das als Niederösterreicher zu sagen – sind vor allem auch im Bereich des Handels zu setzen, im Bereich der Liberalisierung der Öffnungszeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich nur an die sogenannte Multiplex-Regelung in Niederösterreich denke, dann glaube ich, daß die Rahmenbedingungen für unsere Familien da nicht gegeben sind. Wir wissen, daß diese Multiplex-Regelung in Niederösterreich nur ein erster Schritt zu einer Regelung war, die Liberalisierung der Öffnungszeiten im Bereich des Handels voranzutreiben.


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Deshalb denke ich mir, daß die materiellen Zuwendungen sehr wichtig sind, daß es dabei um die sozialen Gesichtspunkte geht und daß es aber auch notwendig sein wird, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Mittelpunkt zu rücken. Ein Teil dieser Rahmenbedingungen wurde durch die zusätzlichen 1,2 Milliarden – die Länder haben die 600 Millionen des Bundes verdoppelt – für Kinderbetreuungseinrichtungen realisiert. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, sowohl bestehende Einrichtungen auszubauen, vor allem hinsichtlich der Öffnungszeit und der Betreuung verschiedener Altersgruppen von Kindern, als auch neue Betreuungsmodelle zu initiieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch dabei muß die Bedarfsbezogenheit im Mittelpunkt stehen, und zwar insofern, daß man sich bei den Öffnungszeiten nach den Bedürfnissen der Eltern richtet und nicht umgekehrt.

Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – viele junge Menschen wollen neben der Familie auch einem qualifizierten Beruf nachgehen – muß noch viel geschehen. Einerseits sollte der Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes garantiert werden, andererseits sollte auch die Verlängerung der Behaltefrist nach der Karenzzeit von vier auf 26 Wochen erhöht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten stimmen zum einen diesem Budgetbegleitgesetz zu, zum anderen werden wir aber auch weiterhin massiv dafür eintreten, daß sich auch die Rahmenbedingungen für unsere Familien, für unsere Partnerschaften und für unsere Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher ändern, sodaß eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie gegeben ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.51

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Ruttenstorfer. – Bitte.

11.51

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Sie diskutieren heute eine Reihe von Budgetbegleitgesetzen für das Budget 1999. Ich möchte dazu einige Bemerkungen machen: Ich bin der Ansicht, zu Recht sagen zu können, daß für das Jahr 1999 ein gutes Budget vorgelegt wird beziehungsweise eben durch diese weiteren Gesetze begleitet wird, denn dieses Budget sieht gegenüber dem Defizit, das 1995 verzeichnet wurde, immerhin eine Halbierung vor. Ich kann mich noch an 1994/95 erinnern, als dies als ein äußerst ambitioniertes Ziel angesehen wurde. Wir müssen uns schon vor Augen halten, daß dies mit dem Budget 1998, aber insbesondere mit dem nun in Diskussion stehenden Budget für das Jahr 1999 eben erst erreicht wurde. Das bestätigt uns auch der Internationale Währungsfonds, das bestätigt uns auch die OECD.

Ich konzediere sehr gerne, daß damit der Weg der Konsolidierung, der Sparsamkeit selbstverständlich noch nicht bis zum Ende gegangen wurde. Wir leben auch in Zukunft nicht in einem Schlaraffenland. Wir müssen weiterhin sehr sparsame Budgets vorlegen und diese auch vollziehen. Aber ich glaube, wir können doch auch mit einigem Stolz auf das bisher Erreichte zurückblicken. Ich bin auch deswegen mit dieser Vorlage für das Jahr 1999 zufrieden, weil damit nicht nur ein vernünftiges Defizit gesichert wird, sondern gleichzeitig auch weitere Schwerpunkte gesetzt werden, wie etwa die bereits angeführte Familienreform, die ein ganz wesentlicher Schritt ist.

Aber nicht nur für die Familien wurden Maßnahmen erarbeitet – diese wurden bereits im einzelnen besprochen –, sondern auch für die Beschäftigung werden Impulse gesetzt. So wird zum Beispiel der Freibetrag für die zusätzliche Einstellung von Lehrlingen ab dem heurigen Jahr in den Begleitgesetzen, die Ihnen heute vorliegen, festgeschrieben. Auch das ist ein wesentlicher beschäftigungspolitischer Punkt. Wie bereits angesprochen, werden auch im Bereich der Verwaltungsreform weitere Schritte gesetzt, so zum Beispiel die Eingliederung des Rechenzentrums des Unterrichtsministeriums in die Bundesrechenzentrum Gesellschaft, um weitere Synergien in der Verwaltung, bei der Modernisierung der Verwaltung zu erzielen.


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Ich meine aber, daß es nicht nur ein Budget mit Augenmaß und ein gutes Budget ist, zu dem hier die Begleitgesetze diskutiert werden, sondern daß es – dies wurde bereits positiv vermerkt – auch zeitig vorgelegt wird. Denn ich bin der Ansicht, daß wirtschaftspolitische Themen in verstärkterem Ausmaß auch auf der Ebene der Europäischen Union angesprochen werden müssen.

Wir haben Schwerpunkte für die Zeit unserer EU-Präsidentschaft gesetzt, die für unsere Wirtschaftspolitik von ganz entscheidender Bedeutung sind. Ich möchte an dieser Stelle nur drei erwähnen: die Wirtschafts- und Währungsunion, die während unserer Präsidentschaft umzusetzen ist, die Steuerreform – dies betrifft die Frage der Harmonisierung der Steuern auf europäischer Ebene – und das Thema Beschäftigungspolitik.

Zur Frage der Wirtschafts- und Währungsunion: Fast 50 Prozent der Arbeitsplätze in Österreich sind direkt oder indirekt vom Export abhängig. Daher ist es für uns ganz wesentlich, daß diese Währungsunion ruhig und ohne Instabilitäten eingeführt wird. Wir haben dafür zu sorgen. Wir haben aber auch dafür zu sorgen, daß auf europäischer Ebene verstärkt Wirtschaftspolitik betrieben wird. Dazu wird heute abend unter österreichischem Vorsitz erstmals der Euro-X-Rat zusammentreten. Dieser soll auch Themen wie die Steuerharmonisierung auf europäischer Ebene ansprechen und vorantreiben. Wenn nämlich unser Ziel einer Entlastung des Faktors Arbeit in bedeutendem Ausmaß erreicht werden soll, dann müssen wir dafür Sorge tragen, daß zum Beispiel auf dem Gebiet der Kapitalbesteuerung nicht nur in Österreich Fortschritte gemacht werden, sondern auch auf europäischer Ebene. Das Kapital ist sehr mobil und kann sich relativ leicht von einem Land ins andere bewegen.

Gleiches gilt für den Faktor Arbeit: Wenn wir wollen, daß der Faktor Arbeit entlastet wird, weil Ressourcen stärker besteuert werden sollen, dann kann dies nur auf eine solche Art und Weise geschehen, daß die Wettbewerbsfähigkeit des Beschäftigungsstandortes Österreich nicht darunter leidet. Daher muß auch dieses Thema verstärkt auf europäischer Ebene angesprochen werden.

Letztendlich muß auch das Thema Beschäftigungspolitik verstärkt auf europäischer Ebene angesprochen werden. Daher halte ich es für richtig und gut, daß dieses Budget, aber auch die Begleitgesetze zeitig diskutiert werden, damit wir während unserer Präsidentschaft unsere Vorstellungen zu einer europäischen Wirtschaftspolitik in Richtung Steuerharmonisierung und zum Thema Beschäftigung mit entsprechender Kraft einbringen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Harring. – Bitte.

11.58

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf der Tagesordnung – das haben zwei Kollegen heute schon festgestellt – stehen eine ganze Reihe von Budgetbegleitgesetzen, die zum Teil sehr verschieden, in jedem Fall aber voneinander unabhängig sind – eigentlich sind sie bunt durcheinandergewürfelt. Wenn Herr Kollege Rodek 19 Materien gezählt hat, so erkennen Sie schon daran, wie sehr wir die Übersicht verloren haben, es dürften nämlich 22 Materien sein. Ich halte es fast für eine Zumutung, daß die Übernahme von Bundeshaftungen für die Verbundgesellschaft mit dem Umweltförderungsgesetz, mit der Übernahme der Geschäftsanteile der Graz Köflacher Eisenbahn und vielem anderen mehr bunt miteinander vermischt wird.

Im Finanzministerium, meine Damen und Herren, stört das nur deshalb niemanden, weil wir uns das immer wieder gefallen lassen. Auch der Nationalrat hat sich das gefallen lassen. Wir sind hier quasi Erfüllungsgehilfen und werden auch heute wieder mehrheitlich zustimmen, auch wenn wir – das habe ich schon der ersten Wortmeldung entnehmen können – dabei zum Teil die Übersicht verloren haben.


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Wir verlangen von den leitenden Herren des Finanzministeriums nach wie vor eine strukturierte Aufbereitung der Materie, weil es vor allem auch für uns als Opposition wichtig ist, die näheren Details zu erfahren, denn offensichtlich haben wir nicht so viele Informationsquellen wie die Damen und Herren der Regierungsfraktionen.

Allein die Tatsache, daß das Familienpaket überhaupt zu beschließen ist und eine Befassung des Parlaments erst aufgrund eines höchstgerichtlichen Erkenntnisses notwendig ist, ist doch eigentlich der Beweis dafür, daß die Bundesregierung bei der familiengerechten Steuerpolitik nicht gerade weitblickend und erfolgreich ist, meine Damen und Herren!

Wenn Kollege Rodek heute gesagt hat, daß zirka 8 Prozent der Kinder am Rande der Armutsgrenze leben – das wären umgerechnet etwa 100 000 Familien, in denen davon betroffene Kinder leben –, so ist dies doch kein Beweis dafür, daß man die Familien steuerrechtlich besonders erfolgreich behandelt hätte.

Wir Freiheitlichen sind nach wie vor davon überzeugt, daß unser Modell des Familiensplittings erfolgreicher wäre, weil es ohne Verwaltungsaufwand administrierbar ist, sehr im Interesse der Frauen gelegen ist und auf dem Prinzip der Freiwilligkeit basiert. Aber niemand ist bereit, über entsprechende Modelle – wenn sie von den Freiheitlichen kommen – auch nur zu diskutieren.

So beschließen wir heute – das sollte auch gesagt sein – zumindest für 1999 neuerlich eine verfassungsmäßig bedenkliche Lösung, obwohl dies immer wieder in Abrede gestellt wird. Ich meine, daß auch für das Jahr 2000 die Frage der Verfassungsmäßigkeit geprüft werden müßte, weil die Regelbedarfsätze, die für 1997 festgesetzt worden sind, im Jahr 2000 schon wieder überholt sein werden. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ein besonderer Grund zur Freude besteht also wirklich nicht! Ich glaube, es ist richtig so, daß die Familien das zurückerhalten, was ihnen in der Vergangenheit vorenthalten wurde. Wenn Kollege Rodek gesagt hat, daß dies mehr Steuergerechtigkeit für die Familien brächte, so frage ich Sie als Mitglied einer Partei, die in der Regierung tätig ist, ob man tatsächlich auf das Höchstgericht warten mußte, wenn es einen Familienminister gibt, und ob man nicht rechtzeitig handeln hätte können.

Eine kurze Anmerkung zur Novelle zum Einkommensteuergesetz sei noch gemacht, weil Herr Staatssekretär Ruttenstorfer gerade vorhin von der Vereinfachung der Verwaltung gesprochen hat. Ich meine § 89. Daß jetzt alle Ergebnisse der Prüfungen der Gebietskrankenkassenprüfer und der Prüfungen der Lohnsteuerprüfer ausgetauscht werden, ist im Prinzip vernünftig, weil man doch niemanden schützen sollte. Bisher ist das nur in Einzelfällen passiert. Wir haben sicher auch nichts dagegen. Aber ich frage Sie, Herr Staatssekretär: Warum legt man die Prüfungen nicht überhaupt zusammen? – Ich denke an einen klein- und mittelständischen Unternehmer, bei dem der Lohnsteuerprüfer nach mehreren Tagen endlich die Firma verlassen hat. Der Unternehmer konnte sich nun wieder seiner vordringlichen Aufgabe, Geschäfte zu machen, zuwenden – dann steht der Prüfer der Gebietskrankenkasse vor der Türe. Vom Dienstgeberbeitrag, Kommunalsteuer und dergleichen mehr rede ich gar nicht.

Wenn man schon von Verwaltungsvereinfachung spricht, müßte es doch möglich sein, darüber nachzudenken, ob nicht alle vom Lohnbezug abhängigen Abgaben einer einzigen Prüfung unterzogen werden. Weiters wäre darüber nachzudenken, ob nicht alle Abgaben, die mit dem Lohnbezug zusammenhängen, an eine einzige Stelle ausgezahlt werden könnten. Das wäre ein Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung – nicht nur für eine Verwaltungsvereinfachung im öffentlichen Dienst, sondern auch bei den geprüften Unternehmern, die sich oft sehr schwer tun.

Da wir gerade über Kleinunternehmen und mittelständischen Unternehmen reden, ist die Verbindung zu Jungunternehmern eigentlich sehr naheliegend. Wir sagen immer, daß die Förderungen für Jungunternehmer wichtig sind und wir in Österreich eine viel zu geringe Selbständigenquote haben. Es ist bedauerlich, daß sehr viele junge Menschen auf die Frage, was sie eigentlich werden wollen, derzeit überwiegend angeben, sie würden gerne im geschützten Bereich arbeiten, sie würden gerne Beamte werden. Niemand möchte mehr selbständiger Unter


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nehmer werden. Es gibt natürlich einige Probleme mit der Finanzierung, mit dem Eigenkapital und dergleichen mehr. Es gibt auch Gründeroffensiven.

Warum beschließen wir heute, daß bei der Umsatzsteuervoranmeldung jeder Jungunternehmer schon im ersten Jahr des Bestehens des Betriebes diese Voranmeldung abgeben muß? – Das ist sicherlich kein Beitrag für eine Förderung der Jungunternehmer.

Wenn Herr Staatssekretär Ruttenstorfer vor wenigen Minuten gesagt hat, er sei mit der Konsolidierung der Staatsverschuldung zufrieden, dann kann man das unterstreichen. Das sind wir auch, und wir sind noch nicht am Ende. Es muß aber doch dazu gesagt werden, daß es sicher so ist, daß die Finanzpolitik nur deshalb funktioniert, weil die Belastungsquote beziehungsweise die Steuerquote so hoch ist.

Wenn Kollege Dr. Bösch gesagt hat, daß die Abgabenquote fast 45 Prozent erreicht hat, dann ist zweifellos Handlungsbedarf gegeben. Was bisher an Reformansätzen bekannt geworden ist, ist kein Beweis für ein langfristiges, erfolgreiches Konzept. Auch die hohe Abgabenquote ist ein weiterer Beweis dafür. Herr Staatssekretär Ruttenstorfer hat vorhin gesagt, daß Anreize in der Beschäftigungspolitik notwendig sind, und er hat damit die Steuererleichterung bei den Lehrlingen gemeint. Das ist vom Ergebnis her betrachtet sicher richtig, doch hätte man die Vergütung an Lehrlingen zuerst steuerlich nicht so behandeln dürfen, daß man jetzt wieder eine Reparatur beschließen muß. Was zuerst bei der Kommunalsteuer passiert ist, bringt man anschließend mit einer Steuerermäßigung beziehungsweise Steuererleichterung wieder ins richtige Lot.

All das sind Beweise dafür, daß die Finanzpolitik einfach zu wenig langfristig orientiert ist und man zu wenig über die Zukunft nachdenkt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.06

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Aloisia Fischer. – Bitte.

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Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Budgetbegleitgesetz 1998: Wenn mein Vorredner, Herr Kollege Harring, sagt, daß Familien nun das zurückbekommen, was ihnen zusteht, dann finde ich dies positiv. Sie haben kritisiert, als den Familien etwas weggenommen wurde. Sie kritisieren wieder, wenn die Familien etwas bekommen, was ihnen zusteht – wie Sie selbst sagen. Aus all den betroffenen Artikeln, die in diesem Budgetbegleitgesetz beschlossen werden und die zweifelsohne wichtig sind, darf ich einen, nämlich die Familiensteuerreform, herausgreifen.

Jeder Politiker, der zum Thema Familie spricht, beeilt sich, sofort zu sagen, daß die Familie die wichtigste und kleinste Zelle im Staat ist. Ohne Bereitschaft der Familien, Kinder zu bekommen und diese auch großzuziehen, bräuchten wir so manche Gesetze, die auf die Zukunft gerichtet sind, nicht mehr. Denn Kinder bedeuten nicht nur persönliche Freude für die Eltern, sie garantieren auch die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft und die Aufrechterhaltung des Generationenvertrags. Durch die Reform der Familienbesteuerung wird eine größere steuerliche Gerechtigkeit für Familien möglich. Die unterschiedlichen Ideologien von ÖVP und SPÖ sind angesprochen worden. Es ist in Koalitionsregierungen üblich, daß Kompromisse geschlossen werden. Es müssen auch in den Familien Kompromisse geschlossen werden. Nach konsequenten und hartnäckigen Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien wurde eine Vision Wirklichkeit, denn es wurde dieses Familienpaket in der Höhe von 12,6 Milliarden Schilling beschlossen. – Dies stellt eine sehr positive Entwicklung für unsere Familien und die Zukunft dar!

Dies bedeutet auch, daß die Transferleistungen des Bundes an die Familien in der Höhe von rund 42 Milliarden Schilling auf 54 Milliarden Schilling erhöht werden. Damit wird einerseits dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Rechnung getragen, zum anderen aber auch auf die Tatsache reagiert, die im letzten Sozialbericht publiziert wurde, nämlich daß nicht weniger als 152 000 Kinder in Österreich an und unter der Armutsgrenze leben. Der Bericht sagt aus – dies wurde schon von einigen Vorrednern zitiert –, daß 8 Prozent der Kinder von Armut betroffen


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sind, 5 Prozent der Menschen, die im Erwerbsleben stehen, von Armut betroffen sind und 2 Prozent unserer Senioren von Armut betroffen sind.

Es ist für die Seniorenpolitik erfreulich, daß gerade im Bereich der Mindestpensionisten und Ausgleichszulagenbezieher Positives geschehen ist. Es ist aber auch ein Auftrag für die Familienpolitik. Der Betrag, der für die Kinder in der Geldtasche bleiben kann, erhöht sich ab dem Jahr 2000 für jede Familie um 6 000 S. Die Mehrkindstaffelung wurde beibehalten. Auch uns ist jedes Kind gleich viel wert. Wir wissen nur, daß Familien mit mehreren Kindern höhere Ausgaben haben und daß daher der Mehrkinderzuschlag ab dem dritten Kind, so wie er nun vorgesehen ist, bei einem Familieneinkommen unter 42 000 S im Monat gerechtfertigt ist. Alleinverdiener und Alleinerzieher, die in Zukunft nur wenig oder keine Steuern bezahlen, können den jeweiligen Absetzbetrag als Negativsteuer ausbezahlt bekommen.

Es ist auch wichtig zu erwähnen, daß es zusätzlich zur Familiensteuerreform Geld für die Kinderbetreuung gibt, damit Kinderbetreuung dort, wo sie gebraucht wird, flächendeckend und bedarfsorientiert angeboten werden kann.

Ich darf noch einmal zu den unterschiedlichen Ideologien kommen: Familienpolitik ist nicht nur materielle Politik. Kinder brauchen mehr als Kleidung, als Essen, als Wohnung. Kinder brauchen auch Liebe und Geborgenheit, damit sie sich entwickeln können, und sie brauchen auch die Gemeinschaft von Vater und Mutter. Ich will berufstätigen Eltern nicht absprechen, daß sie dies den Kindern nicht geben können, es ist aber in der Praxis so, daß gerade bei Eltern von mehreren Kindern nicht mehr beide berufstätig sein können.

Es stimmt, wir haben uns mit der Frage auseinanderzusetzen: Wie können Familie und Beruf vereint werden? – Aber wir haben uns auch mit der Frage auseinanderzusetzen: Welche Absicherung hat die Frau, die sich für die Familie entscheidet? – Es ist nicht richtig, und es ist nicht gerecht, daß jene Frau, die sich für die Familie, für die Kinder entscheidet, die Konsequenzen in der sozialen Absicherung im Alter selbst zu tragen hat. Wir haben diesem Punkt in der Zukunft vermehrt und verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken und diesbezüglich Regelungen zu treffen.

Durch das Budgetbegleitgesetz werden unsere österreichischen Familien profitieren. Ihre Leistungen für die Allgemeinheit, für die Gesellschaft werden verstärkt anerkannt. Ich bedanke mich bei allen, die mitgeholfen haben, diese positiven Regelungen zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Johann Grillenberger das Wort. – Bitte.

12.12

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! In diesem Tagesordnungspunkt – das wurde schon mehrmals erwähnt – sind viele Materien verpackt – die Zahl hat sich von 19 auf 22 erhöht ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) – Ja, das glaube ich.

Aber eines, so glaube ich, müßte man auch sagen: Man kann nicht ständig von Weltuntergangsstimmung reden, sondern man muß Vergleiche so ziehen, wie sie tatsächlich sind. Ich glaube, wir können europäischen und internationalen Vergleichen standhalten – mit unseren Wirtschaftsdaten, mit unseren Budgets. Wenn der Herr Staatssekretär erwähnt hat, daß wir jetzt schon das Budget 1999 beschlossen haben, dann muß man sagen, es ist nur eine Voraussicht, daß wir die Präsidentschaft, den EU-Vorsitz ernst nehmen und die Dinge europäisch ordnen. Das sind wir der EU als Mitgliedsstaat der Europäischen Union auch schuldig. Das muß man auch einmal erwähnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sicherlich ist die Familiensteuerreform eines der wesentlichsten Dinge. Meine Vorredner und meine Vorrednerin sind schon auf einzelne Punkte eingegangen. Auch das ist eine Voraussicht, und zwar bis ins Jahr 2000. Aber eines ist sicher: Durch diese Reform ist sichergestellt – die Kinderabsetzbeträge sind auch geregelt –, daß man schon in nächster Zeit den Familienzu


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schuß planen kann. Was das Verfassungsgerichtshofurteil anlangt, so muß ich sagen, hätte man nur das Urteil berücksichtigt, so wären Gutverdienende bevorzugt worden. Das, so glaube ich, war nicht Sinn und Zweck. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. )

Sicherlich ist der Gleichheitsgrundsatz ein sehr schwieriges Thema, und ich glaube, man kann alles anzweifeln. Bis jetzt wurde auch immer gute Sozialpolitik betrieben. Und ich bin davon überzeugt, daß auch in Zukunft gute Sozialpolitik betrieben werden wird. (Bundesrat Dr. Tremmel: Mehr oder weniger gute!) – Eine mehr oder weniger gute, dann muß ich aber schon eines sagen: Der österreichische Staat sind wir alle. Vorhin wurde betont, dies sei "eure Regierung", ich glaube, Kollege Bösch hat das gesagt. In Wahrheit ist es aber unsere Regierung. Wir Staatsbürger haben die Politiker gewählt, daß sie handeln und den Staat führen, wie wir alle uns das wünschen.

Wenn in dem Budgetbegleitgesetz eine Familiensteuerreform enthalten ist, die den Familien zugute kommt, dann ist das nur doppelt und mehrfach zu unterstreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sozialpolitik – das habe ich schon erwähnt – sollte nicht von den Gerichten betrieben werden, sondern hier in diesem Hohen Haus. Das kann man nicht oft genug unterstreichen. Es wurde die Grenze mit 42 000 S brutto Monatseinkommen angesprochen. Die Familienförderungen werden dann ab dem dritten Kind noch einmal um 400 S angehoben. Für sozial schwache Mehrkinderfamilien gibt es für das dritte und jedes weitere Kind im Monat noch zusätzlich 900 S. Das ist der Konsens, den die Koalitionsregierung ausgehandelt hat. – Man braucht nicht links und rechts zu verteilen, sondern wir haben eine Koalition. Die Koalition hat sich durchgerungen und hat meiner Meinung nach ein Paket, welches zu begrüßen ist, beschlossen. Das müssen wir hervorheben und unterstreichen.

Wenn zusätzlich der Rahmen der Negativsteuer von 2 000 S auf 5 000 S erhöht wird, so glaube ich, das hat auch zusätzliche Auswirkungen auf die Absetzbeträge und kommt den Kindern und der Familienförderung zugute. Vieles wurde schon von den Vorrednern gesagt, der letzte Redner hat es immer am schwierigsten.

Meine Damen und Herren! Es ist eine gelungene Lösung für die Familien – mit besonderem Augenmerk auf die soziale Ausgewogenheit. Meine Fraktion wird keinen Einspruch erheben. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.17

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Budgetbegleitgesetz 1998.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates, soweit er dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates von 13. Mai 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Einlauf

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich mache einen Nachtrag zu den Entschuldigungen:

Es wurde mitgeteilt, daß sich Herr Bundesrat Mag. Walter Scherb wegen Erkrankung entschuldigen lassen mußte.

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Mai 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bolivien über die Förderung und den Schutz von Investitionen (667/NR sowie 5687/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung. Es ist dies ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bolivien über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Johann Kraml übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Johann Kraml: Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Der Bericht des Finanzausschusses liegt schriftlich vor.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht. Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Mai 1998 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam (1152 und 1168/NR sowie 5675/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.


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Es ist dies ein Bundesverfassungsgesetz über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wolfgang Vindl übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Wolfram Vindl: Hohes Haus! Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich daher auf die Verlesung des Beschlußtextes, der lautet:

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.

12.21

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wie Sie alle wissen, verehrte Damen und Herren, ist schon der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union nicht in der an sich in unserer Bundesverfassung vorgesehenen rechtlichen Verfahrensweise vollzogen worden, nämlich so, daß bei der parlamentarischen Beschlußfassung all jene Bestimmungen des EG-Vertrages in der Fassung des Vertrages von Maastricht, die innerstaatlich verfassungsändernde Bedeutung hatten, als solche ausgewiesen und einer entsprechenden Abstimmung mit dem Erfordernis qualifizierter Mehrheit unterzogen worden wären. Vielmehr wurde damals der problematische Weg eingeschlagen, der Bundesregierung eine besondere bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung zum Abschluß der EU-Verträge einzuräumen. Mit Artikel II des Bundesverfassungsgesetzes über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurde nämlich eine eigenständige Rechtsgrundlage geschaffen, die vor allem dazu dienen sollte, daß sich eine gesonderte Bezeichnung sämtlicher verfassungsändernder Bestimmungen des Beitrittsvertrages erübrigt.

Dasselbe verfassungsrechtliche Procedere wird auch diesmal beobachtet. Erneut wird die Bundesregierung durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz dazu ermächtigt, den jetzt zur Ratifikation anstehenden Vertrag von Amsterdam abzuschließen. Im Bericht des Verfassungsausschusses wird dieses Vorgehen daher mit dem anläßlich des Beitritts gesetzten Präzedenzfall begründet.

Da der Vertrag von Amsterdam das EG-Primärrecht weiterentwickelt, ergeben sich gleichartige rechtstechnische Probleme, wie sie sich durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ergeben haben. Aus diesem Grund und im Hinblick auf den Umstand, daß durch das Verfahren zur Genehmigung des Beitrittsvertrages eine rangmäßige Einordnung des EU-Primärrechts in das österreichische Rechtssystem nicht erfolgt ist, dieses aber nunmehr durch den Amsterdamer Vertrag teilweise geändert wird, soll die Ratifikation des Amsterdamer Vertrages abermals aufgrund einer besonderen verfassungsgesetzlichen Ermächtigung erfolgen. – Zitatende.

Daß dabei, wie schon im Beitritts-Bundesverfassungsgesetz vorgesehen wird, sowohl der Nationalrat als auch der Bundesrat jeweils mit erhöhten Quoren ihre Genehmigungsbeschlüsse zu fassen haben, versteht sich ohnehin von selbst. Der entscheidende Unterschied besteht allein darin, daß der Beitrittsvertrag unbestrittenermaßen nicht nur eine unabsehbare Fülle verfassungsändernder Bestimmungen enthielt, sondern wegen zahlreicher Durchbrechungen und erheblicher Modifikationen der Grundprinzipien unserer Bundesverfassung zugleich auch eine Gesamtänderung dieses unseres politischen Grundgesetzes darstellte.


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Deshalb war das Beitritts-BVG obligatorisch einer Volksabstimmung zu unterziehen. Dies ist bekanntlich geschehen – freilich mit dem unverzeihlichen verfassungs- und demokratiepolitischen Defizit, daß der Souverän, das Bundesvolk, nicht, wie nach Artikel 44 Abs. 3 B-VG geboten, über die mit dem Beitrittsvertrag bewirkte Gesamtänderung der Verfassung zu befinden hatte, sondern bloß über die Blankoermächtigung der Bundesregierung, den Beitrittsvertrag abzuschließen. Der Effekt einer Gesamtänderung der Bundesverfassung wurde in diesem Bundesverfassungsgesetz gar nicht angesprochen und blieb daher auch dem Bundesvolk weithin verborgen.

Dieses verfassungs- wie demokratiepolitisch kritikwürdige Vorgehen bildet so gesehen keinerlei Empfehlung dafür, bei einer solch einschneidenden Fortentwicklung der EU, also einem weiteren folgenreichen Integrationsschritt erneut diesen Weg zu beschreiten, zwingt jedoch die Parlamentarier und umso mehr das von ihm repräsentierte Bundesvolk dazu, der Bundesregierung oder – das ist richtiger – den Organen der EU, insbesondere deren Rat, einen Blankowechsel für ihre künftige Rechtssetzung auszustellen.

Im Sinne einer fairen Kritik will ich gewiß konzedieren, daß es angesichts der Unüberschaubarkeit des Vertrages von Amsterdam, der auf nationale Verfassungen und Kompetenzverteilungen keine Rücksicht nimmt, kaum gelingen könnte, alle Bestimmungen taxativ aufzulisten, die unserem BVG zuwiderlaufen. Diese rein pragmatische Rechtfertigung für das aus rechtstechnischer Not geborene Abweichen vom ordnungsgemäßen Procedere, das unsere Verfassung vorzeichnet, darf aber den Blick auf einen zentralen Kritikpunkt nicht verstellen.

Bei diesem Vertragswerk handelt es sich um ein dermaßen undurchsichtiges rechtliches Gebilde, daß man sich an die Rechtsunklarheit im ausgehenden Heiligen Römischen Reich erinnert fühlt, das den Naturrechtler Samuel Pufendorf zu seiner bezeichnenden Charakterisierung "monstro simile" veranlaßte.

Daher scheint es mir eher der Not als der Tugend entsprungen zu sein, wenn es im Bericht weiters heißt: Ebenso wird von einer rangmäßigen Einordnung des Amsterdamer Vertrages oder einzelner in ihm enthaltenen Bestimmungen abgesehen. – Denn es muß in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, daß der Europäische Gerichtshof den Anwendungsvorrang des EU-Rechts so extensiv – um nicht zu sagen: exzessiv – versteht, daß dieses sogar jeglichem nationalen Verfassungsrecht vorgeht.

In mehreren anderen Mitgliedstaaten haben die Verfassungen gegenüber einem solchen überzogenen Geltungsanspruch klare Grenzen gezogen oder haben zumindest die Verfassungsgerichte, so insbesondere das deutsche Bundesverfassungsgericht im Maastricht-Erkenntnis, judikative Integrationsschranken errichtet. Nichts dergleichen hat sich Österreich vorbehalten und sich damit der EU auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich meine erste kritische Zwischenbilanz ziehen: Erneut haben wir ein Sonderverfassungsgesetz vor uns, das als Lex specialis einzig und allein für den Abschluß des Vertrages von Amsterdam das reguläre Ratifizierungsverfahren nach den Artikeln 50 und 44 B-VG außer Kraft setzt.

Mit meinem Klubkollegen Dr. Brauneder lehne ich es zwar trotz aller Kritik an der gewählten legistischen Konstruktion ab, von einem Ermächtigungsgesetz zu sprechen, die Einstufung als Anlaß- oder Maßnahmengesetz kann ich aber der hier zu behandelnden Vorlage keinesfalls ersparen. Ebensosehr stimme ich seiner substantiellen Kritik zu, daß unser Gesetzgeber nach dem bereits zitierten Eingeständnis im Bericht des Verfassungsausschusses bis heute keine institutionellen Vorkehrungen dafür getroffen hat, das von der EU geschaffene Primärrecht in einer unserer Bundesverfassung entsprechenden Weise in die österreichische Rechtsordnung einzugliedern.

Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Mit der aufgezeigten Lücke in unserem Verfassungsrecht rüge ich die mangelnde Kompatibilität unserer Verfassung mit dem EU-Recht, also ihre unzureichende Aufnahme- und Umsetzungskapazität für dieses – ein Manko, das eben bei jedem weiteren wesentlichen Integrationsschritt zu einer Blankoermächtigung der Bundes


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regierung – wie mit dem vorliegenden Anlaßverfassungsgesetz – nötigt. Einem solch respektlosen Umgang mit unserer politischen Grundordnung versagt meine Fraktion ihre Unterstützung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Leider vermag ich meine Bedenken gegen das vorliegende Bundesverfassungsgesetz damit noch keineswegs zu beschließen. Da sich das Parlament und ihre die Regierung tragende Mehrheit zu einer klaren verfassungsgesetzlichen Festlegung von Integrationsschranken nicht durchringen konnte, fehlt jeder verbindliche Maßstab dafür, wann grundlegende Integrationsschritte der EU eine solche neue Qualität erreichen, daß – gemessen am Stand des Vertrages von Maastricht – eine weitere Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung anzunehmen ist. Da eine solche zwingend eine weitere Volksabstimmung erfordert, handelt es sich dabei keineswegs um eine rein akademische, verfassungsdogmatische Frage. Gerade der mit Hilfe des vorliegenden Verfassungsgesetzes zu ratifizierende Vertrag von Amsterdam enthält nun zweifellos Weiterentwicklungen des Vertrages von Maastricht, die aus der Perspektive des österreichischen Verfassungsrechts eine solch grundlegende Umgestaltung zumindest nahelegen.

Ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit erwähne ich hiezu die Ausdehnung der Entscheidung durch qualifizierte Mehrheit etwa auf die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Sonderregelungen für Ausländer und für die Aufstellung, Anpassung und Ergänzung des Forschungsrahmenprogramms. Zudem werden auch zahlreiche neu in den Vertrag als Gemeinschaftskompetenz aufgenommene Sachbereiche dem Mehrheitsprinzip unterstellt, zum Beispiel Beschäftigungsleitlinien und Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung, aber auch öffentliche Gesundheit und Gebiete in Randlage.

Ferner sieht der neue Vertrag eine erhebliche Ausweitung der Zuständigkeiten des Europäischen Gerichtshofes vor. Insbesondere wird sich seine Jurisdiktion künftig auch ausdrücklich auf den Grundrechtsschutz erstrecken.

All das soll lediglich deutlich machen, daß in diesem Rahmen nationalstaatliche Kompetenzen abgegeben werden, die von den zuständigen EU-Organen, vor allem im Bereich der Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip, in einer vom demokratischen, vom rechtsstaatlich-gewaltenteilenden und vom bundesstaatlichen Prinzip im Sinne unserer Bundesverfassung abweichenden Weise ausgeübt werden.

Insofern drängt sich ernsthaft die bereits angedeutete Frage auf, ob diese Weiterentwicklung der Europäischen Integration durch den Vertrag von Amsterdam nicht eine Intensitätsstufe erreicht, die innerstaatlich als zweite Gesamtänderung der Bundesverfassung zu bewerten ist, weil sie den Kernbestand unserer Grundprinzipien erneut modifiziert und damit die immanenten Integrationsschranken überschreitet.

Für eine derartige Sicht der durch eine Ratifikation des Vertrages von Amsterdam geschaffenen neuen Rechts- und Verfassungslage sprechen meines Erachtens auch die zahlreichen in ihm enthaltenen dynamischen Zielbestimmungen. Ich meine damit Artikel, die – wenngleich oft in sehr allgemein gehaltener Textierung – Zielvorgaben formulieren, die – sofern sie jemals realpolitisch mit Leben erfüllt werden – sehr einschneidend in die nationale Gesetzgebung eingreifen könnten. Erlauben Sie mir dafür ein Beispiel, das mir fachlich besonders vertraut ist.

Unter dem Titel IV: Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr heißt es im Artikel 61, daß der Rat zum schrittweisen Aufbau eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts neben den im Titel angesprochenen Maßnahmen gemäß lit. d auch Maßnahmen im Bereich der justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nach Artikel 65 erläßt. – Das klingt so harmlos wie sympathisch. Was aber verbirgt sich darin?

Im genannten Artikel 65 werden darunter nicht etwa bloß dringend nötige Maßnahmen zur Verbesserung und Vereinfachung der grenzüberschreitenden Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke, der internationalen Rechtshilfe im Beweisverfahren und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten verstanden – nein, lit. c handelt darüber hinaus von der


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Beseitigung der Hindernisse für eine reibungslose Abwicklung des Zivilverfahrens, erforderlichenfalls durch Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften.

Wer wollte dagegen sein? – Wohl nur dem Insider wird freilich dabei bewußt, daß diese äußerst weiche und schwammige Formulierung potentiell eine Gemeinschaftskompetenz dafür eröffnet, das gesamte zivilgerichtliche Verfahrensrecht – bislang eine geradezu klassische nationalstaatliche Materie! – einer auf diesem Gebiet aus unserer Sicht höchst problematischen Einheitsregelung zuzuführen. Ich sehe darin ein signifikantes Beispiel – eines von vielen – für die zunehmende verdeckte Aushöhlung der Gesetzgebung der Vertragsstaaten, die durch die generalklauselhaften Artikel des EU-Vertrages und die Blankoermächtigung der Bundesregierung zu seiner Ratifizierung substantiell am Parlament vorbei und ihm im Zweifel hinkünftig entzogen herbeigeführt werden soll und wird.

Aber vielleicht überzeugt oder beunruhigt Sie das Beispiel der staatlichen Zivilgerichtsbarkeit nicht ausreichend. Wie steht es jedoch um die gewiß auch Sie, meine Damen und Herren, bewegende Frage der österreichischen Landesverteidigung und Wehrhoheit? – Der Vertrag von Amsterdam verhält Österreich in vertiefter Form dazu, an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU aufgrund des Titels V mitzuwirken. Da diese Politik auch Beschlüsse deckt, die über friedenserhaltende Aufgaben hinausgehen und Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen umfassen, besteht nach meiner Rechtsauffassung nicht der geringste Zweifel daran, daß unsere Teilnahme daran mit dem bisher offiziell beibehaltenen Status der Neutralität völlig unvereinbar ist.

Das gilt umso mehr, bedenkt man die im Artikel 17 festgeschriebene Zielsetzung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die – ich zitiere – zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte. – Damit ist die Möglichkeit einer Integration der WEU in die EU angesprochen. Für den Fall, daß der Europäische Rat sie beschließt, ist das so geschaffene Primärrecht für Österreich verbindlich! Daran ändert die Verbrämung nichts, daß den Vertragsstaaten die Annahme eines derartigen Rechtsaktes gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften empfohlen wird. Sie wäre bloß formaler Nachvollzug und wahrte nur den Schein nationaler Verfassungsautonomie.

Wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, heute diesem Bundesverfassungsgesetz und damit der Ratifikation des Vertrages von Amsterdam zustimmen, so muß Ihnen dabei bewußt sein, daß Sie sich dadurch von der verfassungsgesetzlich verankerten Neutralität endgültig verabschieden. Wollen Sie das nicht, meine Damen und Herren von der SPÖ, so können Sie dieser Vorlage nicht zustimmen. Wollen Sie es aber, meine Damen und Herren von der ÖVP, dann sollten Sie so ehrlich sein, das auch offenzulegen und klar zu sagen, ob Sie bereit sind, diese grundlegende Änderung der regierungsamtlichen Sicherheitspolitik – soweit es eine solche überhaupt gibt – einer Volksabstimmung zu unterziehen oder nicht.

Aus all diesen Gründen, nicht zuletzt aufgrund der schleichenden Gesamtänderung unserer ohnehin bereits durch den EU-Beitritt selbst erheblich modifizierten Verfassung versagt meine Fraktion dieser bedenklichen Vorlage ihre Zustimmung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Albrecht Konečny das Wort. – Bitte.

12.36

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! In Zeiten wie diesen kann einen die FPÖ immer wieder verblüffen – mit der Rednerabfolge beginnend: Kollegin Riess hat offensichtlich etwas Wichtigeres zu tun, als uns hier Ihre Ansicht mitzuteilen; was es ist, werden wir wahrscheinlich heute abend in den Nachrichten erfahren, aber da gibt es eben eine gewisse Dynamik.

Auch Herr Professor Böhm hat mich ein wenig verblüfft – nicht in der Argumentationskette, die auch im Nationalrat so war, in dem der von ihm zitierte Herr Brauneder im wesentlichen


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gleichlautend argumentiert hat, aber in der eigenartigen Mischung von verbindlichem Ton und rüdem Vokabular. Ich gebe zu, es macht es sozial verträglicher, wenn man "Blankowechsel" nicht schreit, sondern nett sagt, aber die Beschuldigung, die darin enthalten ist – ich habe mir auch noch "Gedeih und Verderb" aufgeschrieben –, ist eine Unterstellung, die dem ganzen Projekt der Europäischen Union und unserer Mitarbeit an ihm nicht gerecht wird.

Wir müssen, wenn wir das debattieren, ganz offensichtlich eine Stufe zurückgehen, nämlich dorthin zurück, wo es einen harten politischen Konflikt darum gegeben hat, ob dieses Land am Prozeß der ökonomischen, sozialen und politischen Einigung Europas teilnehmen will und soll. – Dazu haben die Parteien dieses Landes ihre Meinung gesagt, dazu sind die Menschen dieses Landes zur Entscheidung aufgerufen gewesen, und sie haben entschieden, mit hinlänglicher Deutlichkeit, sprich: mit hinlänglicher Mehrheit.

Ich glaube – ich darf da auch ein bißchen deftig formulieren –, wir sollten eine solche Entscheidung nicht mit einem verfassungsjuridischen Revanchefoul korrigieren wollen. Jawohl, das Projekt der Europäischen Union ist ein dynamischer Prozeß! Es wäre eine Katastrophe, wenn dem nicht so wäre! Es ist dies ein Prozeß, der nicht über uns hinweg erfolgt, sondern in jeder Phase unter unserer Mitwirkung erfolgt.

Wenn Sie vom "Nachvollzug" gesprochen haben, dann haben Sie offensichtlich – was ich auch wieder verstehe, weil bei Ihnen genug passiert ist; das zieht die Aufmerksamkeit auf sich – die Aufregung und Nervosität der Union nicht mitbekommen, bevor der dänische Souverän, das dänische Volk, in einer Volksabstimmung sein Ja gegeben hat. (Bundesrat Dr. Böhm: Die dürfen ja abstimmen!)

Sie haben in einem anderen Fall abgestimmt. Wir haben eine andere verfassungsrechtliche Grundlage als die Dänen, das wissen Sie besser als ich. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Sie wissen das nicht, Herr Kollege, aber Herr Professor Böhm. (Heiterkeit.) Wir haben nicht darüber zu urteilen, wie die Dänen mit ihrer politischen Entscheidung umgehen. Aber wahr ist, daß das Projekt Amsterdamer Vertrag natürlich entgleist wäre, wenn sich ein Mitgliedstaat – er kann Dänemark heißen, aber er kann auch Österreich heißen – der Genehmigung der Ratifizierung entzogen hätte, denn es ist die Zustimmung aller erforderlich. Daher ist das Grundbedenken, das Sie zum Ausdruck bringen, keines, das auf Realität beruht.

Ich bin in begrenztem Umfang – das gestehe ich ehrlich zu, wobei "begrenzter Umfang" in meiner Kapazität begründet liegt – bereit, mit Ihnen in eine verfassungsrechtliche Diskussion einzutreten, und möchte nur auf einen Aspekt aufmerksam machen, der uns natürlich hier zu interessieren hat, nämlich daß föderalistisch aufgebaute Staaten tatsächlich ein größeres Problem mit dieser Abfolge von Abkommen haben als zentralstaatlich organisierte, bei denen zumindest klar ist, welche innerstaatliche Einheiten – weil es sie in Wirklichkeit nur einmal gibt – von Bestimmungen des EU-Primärrechts betroffen sind. Das ist bei uns sehr viel differenzierter – Sie haben das auch ausgeführt –, weil die Kompetenzbereiche in Österreich nicht parallel zur EU laufen, sondern erst eine Verbindung hergestellt werden muß.

Aber mir scheint es notwendig zu sein, das Ganze zu sehen. Ich habe am Anfang versucht, es doch auch unter dem Gesichtspunkt des Inhaltlichen zu diskutieren. Wir werden dazu noch Gelegenheit haben. Aber es soll hier nicht so getan werden, als ob etwas, was die Interessen unseres Landes bedroht, ermöglicht werden soll, sondern, wie ich sehr im Gegenteil behaupten möchte, etwas, was den Interessen dieses Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger in höchstem Maße dient. Es ist natürlich zumindest in einer Randbemerkung darauf zu verweisen, daß dieser Amsterdamer Vertrag in vielem, aber vor allem in einem ganz zentralen Punkt auch mit die Handschrift österreichischer Verhandlungsführung trägt.

Wir haben – das ist aus der Sicht meiner Partei und dieser Bundesregierung nur logisch und konsequent – bei den Formulierungsverhandlungen über den Amsterdamer Vertrag, zunächst eher belächelt als dafür gelobt, beispielsweise darum gerungen, daß dem so existentiellen Problem der Beschäftigung, der Arbeit für die Menschen dieses Kontinents natürlich in einer dynamischen Bestimmung – wie Sie das, so glaube ich, genannt haben –, in einer Zielbestim


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mung gebührend Raum eingeräumt wird. Daß es in diesem Amsterdamer Vertrag ein Beschäftigungskapitel gibt, ist nicht zuletzt – nein, das ist zu vorsichtig formuliert –, das ist zuallererst das Ergebnis eines österreichischen Impulses, der mit der Veränderung der politischen Mehrheitsverhältnisse quer durch Westeuropa wachsende Unterstützung gewonnen hat. Ich glaube, jenseits der notwendigen juridischen Auseinandersetzung ist auch heute an solche politisch inhaltliche Gesichtspunkte zu erinnern. Es ist gerade das Beschäftigungskapitel der wirklich erkennbare Nachweis dafür, daß wir nichts nachzuvollziehen haben, daß wir keine Blankovollmachten erteilen, sondern daß wir ganz im Gegenteil mit und nicht unwesentlich Teil der Gestalter der europäischen Agenda und der europäischen Zukunft sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir meinen – das hat in diesem Fall auch eine Rednerin im Nationalrat gesagt –, daß die gewählte Vorgangsweise angemessen und verfassungsgesetzlich möglich ist. Das ist eine Diskussion, die geführt werden muß, da gebe ich Ihnen völlig recht, daß es tendenziell die Notwendigkeit gibt, zwei so unterschiedliche Verfassungsrechtsbereiche in ein klares Verhältnis zueinander zu bringen. Die Lehre, die Wissenschaft, aber auch die Politik werden dazu etwas einzubringen haben. Und es werden Ihre, viele andere und meine – in aller Bescheidenheit – Meinung in diesem Diskussionschor eine Rolle spielen, der letztendlich zu einem Ergebnis führen wird.

Wir haben aber jetzt politisch zu handeln. Die Art, wie wir handeln, ist korrekt, und wir machen damit eine Tür für eine Entwicklung auf, zu der wir vollinhaltlich stehen und die – am Rande gesagt, Stichwort Petersberg – natürlich keine Infragestellung unserer Neutralität bedeutet, weil wir uns die Hoheit darüber, woran wir teilnehmen, selbstverständlich vorbehalten haben. Wir werden sie so ausüben, daß es mit der innerstaatlichen Neutralitätsgrundlage vereinbar sein muß.

Wir werden – ich sagte es schon – nochmals Gelegenheit haben, auf die inhaltlichen Fragen des Amsterdamer Vertrages zurückzukommen, und zwar in diesem Haus, im Nationalrat und in der Öffentlichkeit. Aber es ist klar – damit haben wir gewissermaßen eine Wegmarke gesetzt –, daß Österreich vor Beginn seiner Präsidentschaft und damit auch früh unter den anderen EU-Mitgliedstaaten mit dieser rechtlichen Grundlage ein Signal der Akzeptanz des Amsterdamer Vertrages setzen kann, daß wir uns zu dieser Fortentwicklung der demokratischen Staatengemeinschaft Europas bekennen, zu einer Staatengemeinschaft, die mehr und mehr das Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger, aber auch die ökonomische Entwicklung weit über die Mitgliedstaaten hinaus prägt.

Wir haben immer gesagt, die Europäische Union ist ein Zukunftsprojekt, sie entwickelt sich dynamisch mit unserem Beitrag, und wir werden uns nicht daran irremachen lassen, an diesem Zukunftsprojekt entsprechend stark engagiert, dynamisch mitzuwirken, und zwar während der Zeit unserer Präsidentschaft, aber nicht nur unter solch besonderen Bedingungen. Wir sind ein Land, das spät zur Europäischen Union gestoßen ist, das aber seine Rolle in dieser Gemeinschaft verantwortungsbewußt und dynamisch ausfüllen wird. Dies ist der Grund dafür, warum wir selbstverständlich gegen diese Vorlage keinen Einspruch erheben werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.49

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann das Wort. – Bitte.

12.49

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Wir haben heute die Gelegenheit, in einem Sonderverfassungsgesetz die rechtliche Grundlage für die Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages zu schaffen. Es geht hiebei – meine beiden Vorredner haben schon darauf hingewiesen – vor allem um das Problem, wie EU-Recht in innerstaatliches österreichisches Recht umgesetzt werden kann. Kollege Böhm hat schon darauf hingewiesen, daß dafür die Bundesverfassung mehrere Möglichkeiten vorsieht. Diese Möglichkeiten wurden auch eingehend geprüft.


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Man hat sich aber entschlossen, ein Sondergesetz analog dem Bundesverfassungsgesetz zum Beitritt Österreichs zur EU vorzulegen.

Die Kritik des Kollegen Böhm ist sicher in manchen Punkten berechtigt, aber, Kollege Böhm, Sie haben auch keine entsprechende Alternative anbieten können, mit Ausnahme einer Volksabstimmung. Aber diese hatten wir schon beim Beitritt zur EU, als es um viel grundlegendere und viel weitreichendere Entscheidungen gegangen ist als jetzt beim Vertrag von Amsterdam, bei dem es im Endeffekt nur um eine Weiterführung des Vertrages von Maastricht geht. Gerade der Vertrag von Maastricht ist bereits einer Volksabstimmung unterzogen worden.

Was die Möglichkeit betrifft, die Sie angeschnitten haben und die in der Verfassung vorgesehen ist, gemäß Artikel 50 Bundes-Verfassungsgesetz jede einzelne Bestimmung, die verfassungsrechtlich relevant ist, in den Verfassungsrang zu heben, haben Sie sich schon selbst die Antwort gegeben, nämlich daß es rechtstechnisch nicht möglich gewesen wäre, das in dieser Weise durchzuführen, weil die Gefahr bestanden hätte, daß man gewisse Bestimmungen übersehen hätte. Es wäre auch nicht möglich gewesen, dies in relativ kurzer Zeit umzusetzen.

Daher hat sich der Gesetzgeber für diesen Schritt entschieden, wobei eine qualifizierte Mehrheit sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat vorgesehen ist, mit einem entsprechenden Zustimmungsrecht des Bundesrates.

Im Hinblick auf die bevorstehende Präsidentschaft – es sind, so glaube ich, nur mehr 26 Tage bis dahin – erübrigt es sich, eine lange akademische Diskussion abzuführen, welcher Schritt besser gewesen wäre. Ihr Kollege Brauneder schlägt eine eigene Verfassungsbestimmung entsprechend dem deutschen Grundgesetz vor. Ich glaube aber, daß der eingeschlagene Weg, nämlich einerseits ein quasi Ermächtigungsgesetz zur Ratifizierung – man sollte es nicht so nennen – zu beschließen, dann ein zweites Mal über diesen Vertrag zu diskutieren, das Parlament also zweimal mit dem Vertrag von Amsterdam zu befassen, verfassungskonform ist.

Nun zur Vorgeschichte des Vertrages von Amsterdam. Ich glaube, man sollte dies schon erwähnen, obwohl mir bewußt ist, daß wir noch Gelegenheit haben werden, über die einzelnen Bestimmungen zu diskutieren.

Bereits im Vertrag von Maastricht war vorgesehen, daß in einer weiteren Regierungskonferenz ab 1996 eine Reihe von Vertragsbestimmungen im Lichte der inzwischen gewonnenen Erfahrungen neuerlich überprüft werden sollte. Insbesondere dachte man vorerst an die Bereiche Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und Zusammenarbeit Inneres und Justiz. Wie notwendig eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik heute schon wäre, sieht man derzeit im schwelenden Kosovo-Konflikt. Das heißt, wir sollten keinen Tag länger mit der Ratifizierung und Beschlußfassung dieses Vertrages zuwarten.

Erst im nachhinein sind weitere Bereiche wie Soziales, Beschäftigung, Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, die Diskussionen um die Erweiterung der EU und damit verbunden auch um die institutionellen Reformen der EU dazugekommen.

Es war der Europäische Rat von Turin 1996, der drei Themenbereiche vorgegeben hat: eine bürgernahe Union, eine Reform und Vereinfachung in Richtung einer demokratisch und effizienter arbeitenden Union und die Stärkung der Handlungsfähigkeit der Union nach außen. Auch der Bundesrat hat sich im Vorfeld dieser Regierungskonferenz mit der Weiterentwicklung des Vertrages von Maastricht beschäftigt. Es waren die Landeshauptleute, die Landtagspräsidenten und am 29. Februar 1996 der Bundesrat, der eine Entschließung zu der vorher erwähnten EU-Regierungskonferenz mit drei Hauptforderungen gefaßt hat: Wie schaut die künftige Stellung des Ausschusses der Regionen aus? Wie schaut der Ausbau des Subsidiaritätsprinzips aus, und welche künftige Rolle haben die einzelstaatlichen Parlamente?

Mein Vorredner hat schon darauf hingewiesen, gerade Österreich konnte im Vertrag von Amsterdam zahlreiche Zielsetzungen verankern: im Bereich der Umwelt, Grundrechte, Gleich


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behandlung, Tierschutz, vor allem auch im Bereich der Beschäftigung. Das Nationale Beschäftigungsprogramm, das derzeit im Nationalrat diskutiert wird, ist ein Ausfluß des Vertrages von Amsterdam.

Meine Damen und Herren! Die Reaktionen auf den Vertrag von Amsterdam sind natürlich unterschiedlich. Es gibt sowohl positive als auch kritische Bemerkungen. Positiv zu vermerken sind die Einbindung der Beschäftigung, die Einbeziehung von wichtigen Bereichen der Politik wie der inneren Sicherheit, Fragen des Asyl- und Einwanderungsrechtes, Fragen der Elemente einer gemeinsamen Außenpolitik, die Aufwertung der Stellung des Parlaments, einer der Hauptkritikpunkte vor allem auch der Freiheitlichen – wenn ich mich an die EU-Volksabstimmung erinnere –, bei denen vor allem kritisiert wurde, daß die EU nicht demokratisch wäre.

Kritik am Vertrag von Amsterdam kann man sicherlich hinsichtlich der Kompliziertheit des Vertragswerkes üben. Für einen Laien ist dieser Vertrag kaum lesbar. Auch der Aufschub der institutionellen Reformen wurde praktisch an den Neubeitritt von Kandidaten geknüpft; das heißt, diese Vorbedingung muß erst erfüllt werden, wenn mehr als 20 Staaten beitreten. Es wurde die Frage der Landesverteidigung in keiner Weise eingehend geregelt. Daher erübrigt sich meines Erachtens die Frage des Kollegen Böhm, ob wir wegen der angeblichen Aufgabe der Neutralität durch den Abschluß des Vertrages von Amsterdam eine Volksabstimmung durchführen sollten. Die Sozialdemokraten wurden von Ihnen aufgefordert, gegen den Vertrag zu stimmen, weil die Neutralität durch diesen Vertrag quasi obsolet wird. Das ist nicht eindeutig geregelt. Bei den Petersberger Akten geht es nur um Hilfsmaßnahmen, nicht um Angriffsakte der WEU.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auf die seinerzeitige Resolution des Bundesrates zurückkommen und festhalten, daß es gelungen ist, daß künftig der Ausschuß der Regionen administrativ vom Wirtschafts- und Sozialausschuß abgekoppelt wird, also Selbständigkeit erhält. Er kann künftig nicht nur vom Rat, von der Kommission, sondern auch vom Europäischen Parlament angehört werden. Es wurde das Subsidiaritätsprinzip im Artikel V näher konkretisiert, und die Rechtsschutzmöglichkeiten der Mitgliedstaaten wurden dahin gehend verbessert, daß der Ausschuß der Regionen künftig ein Kontrollrecht erhält. Auch wurde die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente im Zusammenhang mit Vorschlägen der Kommission für Akte der Gesetzgebung geregelt. Es wurde eine Sechswochenfrist vorgesehen, wobei es meines Erachtens für den Bundesrat und für die Länder – wir sind eine Länderkammer – wichtig sein wird, wieweit der innerstaatliche österreichische Konsultationsmechanismus nicht im Hauptausschuß des Nationalrates endet, sondern wie rasch auch der Bundesrat und die Länder einbezogen werden.

Abschließend möchte ich sagen: Dieser Vertrag von Amsterdam reiht sich in den üblichen langfristigen Prozeß der Europäischen Integration ein. Es ist ein weiterer kleiner Schritt in die richtige Richtung, eine Fortsetzung des Integrationsprozesses der letzten Jahrzehnte.

Ich glaube, eine radikale Veränderung wäre in der derzeitigen europäischen Öffentlichkeit mit Sicherheit nicht durchzusetzen gewesen. Daher ist meiner Meinung nach dieser Vertrag von Amsterdam der richtige Schritt in die richtige Richtung.

Es wird an uns liegen, daß wir zum Beispiel hinsichtlich der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – der Vertrag bietet dazu die entsprechenden Grundlagen – entsprechende Maßnahmen setzen, daß also die Bevölkerung mehr Vertrauen sowohl in den Vertrag von Amsterdam als auch in den kommenden Euro bekommt und daß dadurch die Akzeptanz der Bevölkerung verbessert wird.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird diesem Bundesverfassungsgesetz die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


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13.00

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster erteile ich Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer das Wort. – Bitte.

13.00

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute hier ein Bundesgesetz, bei dem wir uns wieder einmal – wie schon so oft – die Frage stellen müssen – Kollege Böhm hat das schon angeschnitten –: Was bedeutet das für unsere Bundesverfassung?

Die diesmal gewählte Vorgangsweise, nämlich die Umgehung der Bundesverfassung dahin gehend, daß in einem Staatsvertrag entsprechende Bestimmungen zwingend als verfassungsändernd zu bezeichnen sind, besonders auch solcher, die in die Kompetenzen der Länder eingreifen, wurde schon einmal gewählt, und zwar, als es um den EU-Beitrittsvertrag ging. Bereits damals hat die freiheitliche Fraktion in diesem Haus darauf aufmerksam gemacht, wie problematisch es ist, keine Vorsorge dafür zu treffen, wie EU-Recht in österreichisches Verfassungsrecht umgesetzt werden soll.

Dieses Versäumnis führt dazu, daß man jetzt wieder mit einem Ermächtigungsgesetz agieren muß – im Gegensatz zum EU-Beitritt dieses Mal sogar ohne Volksabstimmung. Das ist nichts anderes als eine Beugung der Verfassung mit der Zweidrittelmehrheit der Regierungsparteien.

Es steht zu befürchten, daß dieser lockere Umgang mit den Grundprinzipien unserer Bundesverfassung nicht zum letzten Mal erfolgt. Es ist auch bezeichnend, daß im Expertenhearing des Parlaments im Jahre 1994 vor dem Beitritts-BVG die dort teilnehmenden Verfassungsjuristen allesamt auf genau dieses Problem aufmerksam gemacht haben, vor dem wir heute stehen. Die entscheidende Frage lautet: Handelt es sich um eine Gesamtänderung der Bundesverfassung? Um diese Frage drückt man sich herum, auch deswegen, weil man dann nämlich einmal offen Farbe bekennen müßte, wie weit sich der Bestand unseres Verfassungsrechtes seit dem EU-Beitritt schon verändert hat.

Zusätzlich zu den legistischen und verfassungsrechtlichen Fragen müßten wir uns aber auch damit auseinandersetzen, was der Inhalt des Vertrags von Amsterdam für Österreich und die Europäische Union bedeutet. Was war Ausgangspunkt dieser Regierungskonferenz? – Mehr Demokratie in Europa, hat man auf die Fahnen geheftet, mehr Bürgernähe, mehr Rechtssicherheit, mehr Transparenz für die Entscheidungen auf europäischer Ebene, die Betrugsbekämpfung und vieles andere mehr. Auch in Österreich hat man von seiten der Regierung riesige Erwartungen geweckt. Das atomkraftfreie Mitteleuropa war einer der großen Slogans des früheren Bundeskanzlers Vranitzky. Österreich werde sich dafür und für den Umweltbereich besonders stark machen, hat die Bundesregierung mehr als einmal verkündet.

Ich möchte die Kollegen der Regierungsparteien vor allem auch daran erinnern, daß es eine Entschließung des Bundesrates gibt, in der die Bundesregierung dazu aufgefordert wurde, die föderale Struktur Österreichs bei den Verhandlungen im Rahmen der Regierungskonferenz besonders zu berücksichtigen und darauf zu achten, daß die Vertretung der Interessen der Regionen in der EU garantiert wird. Insbesondere wurde in dieser Entschließung eine Stärkung der Kompetenzen des Ausschusses der Regionen und eine effektivere Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips gefordert, ebenso eine effektivere Einbindung der nationalen Parlamente in das Gesetzgebungsverfahren der Union.

Was ist jetzt aus diesen Forderungen geworden, wenn man sich den Vertrag anschaut? Sind sie erfüllt worden, was beispielsweise den Ausschuß der Regionen betrifft?

Herr Kollege Kaufmann, ich kann Ihnen da überhaupt nicht zustimmen. Die epochale Errungenschaft besteht darin, daß der Ausschuß der Regionen jetzt administrative Selbständigkeit, wie es im Vertrag heißt, erlangt hat, daß er seine Geschäftsordnung – man höre und staune – nun nicht mehr dem Rat zur Genehmigung vorlegen muß und daß er von Kommission und Rat gehört werden kann, wenn – und das ist der Knackpunkt – diese, nämlich die Kommission, es für zweckmäßig erachtet. Eine solche Anhörung, so sie überhaupt stattfindet, bindet Kommission und Rat in keinster Weise, sie ist nicht mehr als ein Rederecht, und auch das nur dann, wenn die Kommission es für notwendig erachtet und nicht, wenn der Ausschuß der Regionen selbst es für erforderlich halten würde. Von der geforderten Ausweitung der Kompetenzen kann also


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überhaupt keine Rede sein, mit Ausnahme dessen, daß der Ausschuß der Regionen jetzt selbst Pressekonferenzen abhalten kann, wo er Forderungen für das Papier und für den Papierkorb stellen kann.

Fragen Sie einmal Ihre Parteikollegen, die in diesem Ausschuß der Regionen sitzen, was sie denn in den letzten drei Jahren tatsächlich alles erreicht haben, in welchen konkreten Punkten sie die Kommission zu einer Änderung ihrer Haltung in Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip bewegen konnten. Wenn Sie, Herr Kollege Kaufmann, mir ein einziges Beispiel dafür nennen können, dann nehme ich das gerne zurück.

Auch das Verlangen der Landeshauptleutekonferenz, das Subsidiaritätsprinzip um einen besonderen Verweis auf die Regionen und die lokalen Gebietskörperschaften zu ergänzen, ist irgendwo im Niemandsland des Verhandlungsmarathons begraben worden.

Es kommt sogar noch schlimmer. Im Protokoll über die Anwendung des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips, das dem Vertrag von Amsterdam angefügt ist, das also nicht einmal eigentlicher Bestandteil des Vertrages ist, heißt es im § 2 ausdrücklich, daß "die Anwendung des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht die Prinzipien beeinträchtigt, die vom EuGH in bezug auf die Beziehungen zwischen dem nationalen Recht und dem Gemeinschaftsrecht aufgestellt wurden." Das heißt in der Tat, daß jede Form des Gemeinschaftsrechts, sogar das sekundäre, höher ist als jede Form des nationalen Rechts, sogar die Verfassung.

Was nun die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente betrifft, so heißt es im entsprechenden Protokoll, daß alle Konsultationsdokumente der Kommission, also Grün- und Weißbücher sowie Mitteilungen, den Parlamenten der Mitgliedstaaten unverzüglich zugeleitet werden. Ja, meine Damen und Herren, wir bedanken uns auch ganz herzlich bei der Kommission dafür, daß sie uns wenigstens wissen läßt, was sie über unsere Köpfe hinweg beschließt. Das ist ja wirklich eine ganz hervorragende demokratische Errungenschaft, die man da erreicht hat. (Bundesrat Schöls: Sie müssen Vertragsentwürfe der FPÖ vorlegen!) Die werde ich Ihnen zur gegebenen Gelegenheit vorlegen, und Sie dürfen dann auch gerne unterschreiben, Herr Kollege. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schöls. )

Der Vertrag von Amsterdam hat nicht nur keine verstärkte Einbindung der Parlamente der Mitgliedstaaten gebracht, sondern hat genau das Gegenteil erreicht, nämlich eine Vergrößerung der Entscheidungsgewalt der Kommission auf Kosten der nationalen Parlamente.

Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel von vielen nennen. Im Artikel 95 Abs. 4 EGV heißt es ausdrücklich: "Die Kompetenz der nationalen Regierungen (kontrolliert durch ihre jeweiligen Parlamente), Maßnahmen zum autonomen Schutz in verschiedenen Bereichen (Umwelt, öffentliche Gesundheit etc.) zu ergreifen, wird reduziert und der Kommission zur Beurteilung nach ihrem Ermessen zugewiesen."

Ich muß Ihnen ja nicht erklären, was das bedeutet, wenn der Schutz der Umwelt, der öffentlichen Gesundheit nicht mehr in unserem Einflußbereich liegt, auch nicht mehr in jenem der Regierung und von Herrn Minister Bartenstein, sondern im Ermessen der Brüsseler Kommission.

Auch jeder neue Fall der Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit im Rat schwächt die indirekte Einflußmöglichkeit der nationalen Parlamente. Der Vertrag von Amsterdam sieht insgesamt 19 neue Fälle von Mehrheitsentscheidungen vor, die nicht einmal mehr alle die Mitentscheidung im Europäischen Parlament vorsehen. Das heißt, die nationalen Parlamente verlieren Kompetenzen, und zwar so, daß nicht einmal das Europäische Parlament daran anknüpft.

Der ganze Vertrag von Amsterdam ist gespickt mit Entscheidungen von unbekannter Tragweite, deren Finalität heute noch gar nicht zu erkennen ist. Das ist auch der Grund, warum es im Europäischen Parlament selbst zu heftigen Diskussionen über die Unzulänglichkeiten des Vertrages gekommen ist. So hat zum Beispiel der Vorsitzende des Institutionellen Ausschusses, De Giovanni, erklärt: "Der Vertrag entspricht nicht dem, was wir erhofft haben, und erfüllt vor allem in den Bereichen Institutionen, Transparenz, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nicht


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das Mandat von Turin. Die Vorbereitung der Erweiterung ist nicht gelungen. Die Schlußfolgerung, daß man dennoch zu einer Erweiterung schreiten könne, entbehrt einer realen Grundlage."

Selbst der Präsident des Europäischen Parlaments, Gil Robles, hat festgestellt: "Man hat die Probleme zum Teil wieder verschoben. Man soll die Ohnmacht einer Konferenz nicht damit kaschieren, daß man die nächste ankündigt." – Herr Kollege Kaufmann, das sei auch an Ihre Adresse gesagt.

Dieser Vertrag, der heute hier abgesegnet werden soll, hat die Grenze der Überschaubarkeit längst überschritten. Man hat zu faulen Kompromissen Zuflucht genommen, weil man sich in eine politische Sackgasse hineinmanövriert hat. Ziel der Regierungskonferenz ist es irgendwann einmal gewesen, ein Europa der Bürger zu schaffen. Für die Regierungskonferenz und den Gipfel in Amsterdam waren die Bürger letztendlich jedoch nur Störfaktoren.

Das groß angekündigte Jahrhundertprojekt schrumpfte in Amsterdam zu einem mühsam zusammengebastelten Kompromiß oder, wie es Frau Abgeordnete Stenzel, die Ihnen sicher bekannt ist, formuliert hat: Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen.

Das Europa von Amsterdam ist trüber, undemokratischer, unvorhersehbarer und weniger transparent. Nicht das Europa der Bürger hat in Amsterdam triumphiert, sondern das Europa der Doppelzüngigkeit, der Mißverständnisse, der Verzögerung und der ungeklärten Fragen. Der Vertrag von Amsterdam ist weit hinter den Herausforderungen zurückgeblieben, mit denen die 15 EU-Regierungen ans Werk gegangen sind. Die zweieinhalb Jahre, die die Ausarbeitung des Vertrages beanspruchte, sind verloren. Damit, meine Damen und Herren, wurde der Glaubwürdigkeit Europas ein Bärendienst erwiesen, und deshalb wird die freiheitliche Fraktion dieser heutigen Beschlußfassung auch nicht ihre Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Erhard Meier das Wort. – Bitte.

13.12

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Seit den Römer Verträgen im Jahre 1957, als die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG aus sechs Mitgliedsstaaten gegründet wurde, setzt sich die europäische Integration in einigen markanten Daten und Änderungen der Verträge fort. Aus der jüngsten Zeit sind besonders zwei Vertragserweiterungen von Bedeutung, nämlich der Vertrag von Maastricht, der am 7. Feber 1992 unterzeichnet wurde, und nun der Vertrag von Amsterdam, der das Ergebnis der Regierungskonferenz 1996/97 bildet.

Es steht außer Zweifel, daß sich die Europäische Union weiterentwickeln muß, und zwar in inhaltlicher Form, in einer ständigen Diskussion zwischen den Bürgern, den Staaten und der EU, die eine Erweiterung der EU und dabei die Wirkungsweise der Organe der EU auch in Zukunft ihrem Auftrag entsprechend ermöglicht, wobei die Mitsprache der Bürger und Bürgerinnen als Basis der EU und deren Information zu einem besseren Verständnis der Entwicklungen besonders wichtig ist.

Die Ratifizierung des Vertrages von Amsterdam durch die Mitgliedstaaten – in Dänemark ist dies vor zwei Wochen durch ein Referendum eindrucksvoll geschehen – und die Debatte darüber wirft natürlich immer wieder die grundsätzliche Frage über die Weiterentwicklung der europäischen Einigung auf. Obwohl die Europäische Union noch immer ein Gebilde zwischen der Form eines Staatenbundes und eines Bundesstaates ist, glaube ich, daß der Weg des vereinten Europa weitergegangen werden muß und eine Umkehr eigentlich ausgeschlossen ist. Dies wird sicherlich dazu führen, daß die derzeit bestehenden Verträge und Akte eines Tages in eine europäische Verfassung münden müssen. Natürlich wird dies noch einige Zeit dauern, da die derzeit bestehenden drei Säulen Europäische Gemeinschaft, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und Zusammenarbeit in den Bereichen Inneres und Justiz noch weiterhin bestehen. Der Vertrag von Amsterdam beinhaltet aber auch, daß immer mehr Agenden, zum Beispiel auch aus den Bereichen Inneres und Justiz, in die erste Säule, welche die tragende Säule der EU ist,


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einbezogen werden, und es gibt Entwicklungen, die GASP zu stärken und auf europäischer Ebene installieren.

Der Vertrag von Amsterdam ist natürlich ein umfangreiches Dokument. Ich kann hier aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nur auf einige Punkte eingehen.

Es wird immer behauptet, man müsse über all diese Änderungen Volksabstimmungen durchführen. Daher müßte eine Festlegung getroffen werden, wonach das nicht mehr für jeden einzelnen Punkt gefordert werden kann. Zu meinen Referaten und Diskussionsveranstaltungen nehme ich immer auch die Europäischen Verträge mit. Ich zeige diese zwei Büchlein in ihrer Stärke und sage dann: Wenn wir wirklich in eine detaillierte Diskussion eingehen wollen, müssen Sie, verehrte Damen und Herren, diese Büchlein um 400, 500 S kaufen und lesen, dann setzen wir uns zusammen und diskutieren die einzelnen Kapitel. – Da sagen die Leute dann, das können wir nicht, das verstehen wir nicht, dazu haben wir nicht die Zeit. Sie bringen die gleichen Argumente auch unseren österreichischen Gesetzen und der österreichischen Verfassung gegenüber.

Das heißt, daß immer wieder Auszüge und Erklärungen der vorhandenen verfassungsmäßigen oder im europäischen Sinne aktmäßigen Grundlagen durchgeführt werden müssen, aber nicht für jede einzelne Änderung eine Volksabstimmung möglich ist. Sonst stimmen wir alle drei Monate in europäischen Angelegenheiten über Dinge ab, die dem Bürger im einzelnen ohnehin nicht erklärbar sind. (Bundesrat Mag. Gudenus: Wenn Sie es nicht erklären können, ist das schlecht! – Bundesrat Weilharter: Welche Dinge erklären Sie wem?)

Ich spreche mit vielen Menschen in der ganzen Steiermark. Wenn Sie welche kennen, die das alles verstehen und sagen: Ich habe das alles gelesen, und ich kann mit Ihnen diskutieren! dann, Herr Kollege Weilharter, bitte ich, sie mir zu nennen. Das müssen wirklich ausgepichte Experten sein! (Bundesrat Dr. Böhm: Da sieht man, wie abgehoben das ist!)

Es ist natürlich festzustellen, daß die von der Reflexionsgruppe zur Regierungskonferenz 1996 gemachten Vorschläge und auch die von anderer Seite erhobenen Wünsche, zum Beispiel jene des Europäischen Parlaments, in den abschließenden Festlegungen der Regierungskonferenz nicht alle enthalten sind und auch der Vertrag von Amsterdam noch vieles offen läßt. Es wäre unrichtig, das hier nicht festzustellen. Ich glaube aber, die gesamte Entwicklung – nicht nur von der EWG bis zur jetzigen EU, sondern auch andere staatliche Entwicklungen – zeigt eben auf, daß es immer wieder langsame Fortschritte und Änderungen gibt und Wünsche, die nicht bei jedem Akt erfüllt werden können. Man hat sicherlich noch wichtige Punkte auf eine der nächsten Regierungskonferenzen verschoben, zum Beispiel auch institutionelle Fragen, die mit der künftigen Erweiterung zusammenhängen.

Es soll hier aber angemerkt werden, daß auch der Vertrag von Maastricht solche Probleme der nächsten Regierungskonferenz zugewiesen hat. Weiters soll auch angemerkt werden, daß ein Hauptthema der EU-Politik, nämlich die Einführung des Euro und die damit stattfindende Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, vom Amsterdamer Vertrag nicht berührt wurde, da das schon in Maastricht geregelt wurde.

Ich führe das aber deshalb an, weil für die Bürgerinnen und Bürger natürlich die Einführung der gemeinsamen Währung ab 1.1.1999 und dann in der Endphase im Jahre 2002, wo die Währung tatsächlich für jeden eingeführt wird, ein Hauptthema in der Diskussion über die Auswirkung der europäischen Integration ist. Herr Kollege Weilharter, zum Beispiel auch in dieser Frage besteht für den Bürger überhaupt kein Unterschied, was im Vertrag von Maastricht und was im Vertrag von Amsterdam steht. Tatsache ist, daß wir uns jetzt mit dem Euro befassen, was mit Amsterdam nichts zu tun hat, sondern mit Europa. Es fließt aber in die Diskussion so ein, als ob das natürlich auch in Amsterdam hätte behandelt werden müssen.

Nun zu den inhaltlichen Hauptpunkten, auf die ich eingehen möchte: das sind erstens die Bedeutung der Beschäftigungs- und Sozialpolitik, zweitens innere Sicherheit und freier Personenverkehr und drittens institutionelle Fragen betreffend die Organe der EU und die Erweiterung.


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Zur Beschäftigungspolitik. Da die Beschäftigungspolitik durch die teilweise recht hohe Arbeitslosigkeit viele Menschen in der EU betrifft, war der Wunsch wohl nicht zu umgehen, die Zielbestimmung eines hohen Beschäftigungsniveaus in ein eigenes Beschäftigungskapitel in den Vertrag von Amsterdam aufzunehmen. Ich kann aus eigener Anschauung feststellen, daß das Bewußtsein, daß auch die Europäische Union sich dieses Kapitels verstärkt annehmen muß, etwa seit 1995 überall wesentlich gestiegen ist und anerkannt wird, daß dies ein vorrangiges Ziel sein muß. Noch im Jahre 1995 war die EU trotz des schon vorliegenden Weißbuchs von Jacques Delors überwiegend der Ansicht, daß die Beschäftigungsfragen nur auf nationaler Ebene zu lösen seien.

Ich behaupte nun nicht, daß sich die nationale Ebene nicht mit allen Mitteln und auch auf ihren unteren Ebenen der Länder und Gemeinden einsetzen müßte, um Beschäftigungsprogramme zu schaffen und eine höhere Beschäftigungslage zu erreichen. Andererseits kann die EU nicht durch ihre Wettbewerbsregelung und andere Richtlinien und Maßnahmen die Beschäftigungspolitik auch gebietsweise unter Umständen sogar negativ beeinflussen, ohne andererseits auch in ihre Programme Punkte aufzunehmen, die eine höhere Beschäftigung fördern. Ich meine also, daß auf allen Ebenen und natürlich auch in der EU das Thema Beschäftigungspolitik an vorderster Stelle als Aufgabe genannt und auch in Angriff genommen werden muß. – Ich hätte dazu noch manches zu sagen, aber das Licht blinkt schon.

Zweitens: Sicherheit und freier Personenverkehr. Im Vertrag von Amsterdam werden die Grundprinzipien der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte, der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit zu noch gemeinsameren Rechtsgrundsätzen aller Mitgliedsstaaten. Es ist schon richtig, daß die EU die Menschenrechte als Gesamtes nicht beschlossen hat, aber letzten Endes hat sie jeder Teilstaat der EU beschlossen. Sosehr ich mir auch wünschen würde, daß die Gesamt-EU diesem Dokument beitreten würde, sehe ich an und für sich wenig Unterschied, wenn es die einzelnen Teilstaaten ohnehin ratifiziert haben und anerkennen. Aber es ist sicherlich ein Schönheitsfehler, daß das noch nicht passiert ist. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das steht drinnen im Vertrag von Amsterdam!)

Auch das Schengener Abkommen, ursprünglich außerhalb der EU stehend, wird allmählich in die 1. Säule übergeführt, auch wenn sich Großbritannien, Irland und Dänemark noch nicht an diesen Maßnahmen beteiligen – aber sie können sich jederzeit beteiligen.

Drittens: institutionelle Reformen in der Europäischen Union. Die Europäische Union ist von ursprünglich sechs Staaten auf 15 angewachsen, und es könnten vielleicht bald 20 oder mehr Mitgliedsstaaten der EU angehören. Der Vertrag von Amsterdam hat viele wichtige Vorhaben in die Zukunft verschoben, es wurde aber bereits jetzt festgelegt, daß das Europäische Parlament nicht über 700 Abgeordnete haben soll, daß die Kommission aus nicht mehr als 20 Kommissaren bestehen soll. Auch eine Vereinheitlichung des Wahlrechts zum Europäischen Parlament muß erst in Angriff genommen werden. Schließlich ist auch die Frage zu klären, wie viele Sprachen wir eines Tages in der EU sprechen können. Sind es einmal 25 oder 30, wo jetzt schon etwa ein Drittel der Bediensteten auf EU-Ebene mit Übersetzungsarbeiten befaßt ist?

All das sind Fragen, die auch in Amsterdam noch offengeblieben sind. Das betrifft natürlich auch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Ich habe jetzt nicht die Zeit, auf Herrn Professor Böhm einzugehen, ich meine nur, daß das Kapitel V Österreich seinen eingeschlagenen Weg auch mit der Neutralität offenläßt. Selbstverständlich werden die Petersberger Aktionen auch von uns anerkannt. Österreich hat durch dieses Kapitel die Möglichkeit, seinen Weg selber zu entscheiden.

Wir müssen uns aber, was die gesamte EU betrifft, auch die Frage stellen, wieweit es von nationaler Seite möglich sein kann, immer zu sagen: Wenn ich nicht gefragt werde, stimme ich diesem oder jenem nicht zu! Das betrifft auch den Ausschuß der Regionen, der hier zitiert wurde. Man ist sich in der EU eigentlich darüber einig, daß es keine dritte Kammer in der EU geben kann, was aber nicht heißen soll, daß die Regionen nicht wichtige Interessen zu vertreten haben. In der Diskussion, Frau Dr. Riess-Passer, fließen doch Anregungen des Ausschusses der Regionen in die europäische Politik ein. Aber bedenken Sie bitte, daß das Burgenland eine


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Region darstellt und Nordrhein-Westfalen eine Region darstellt! Man muß dieses Gebilde des Ausschusses der Regionen erkennen und kann ihn nicht als dritte Kammer, die verbindliche Forderungen erheben kann, in das System der EU-Institutionen einbauen.

Es gäbe natürlich noch sehr viele Punkte hier zu diskutieren. Ich meine, wir sind auf dem Weg zum vereinten Europa, und wir haben uns dazu zu bekennen. Die FPÖ ist natürlich nicht dafür, sucht alle Argumente dagegen, auch verfassungsrechtliche, die ich persönlich nicht beurteilen kann. Ich bin natürlich für die Einhaltung der österreichischen Verfassung, selbstverständlich, und es ist durchaus legitim, auch Gegenargumente zum Vertrag von Amsterdam anzuführen, aber an den großen Zielen zu arbeiten, also an der Erhaltung des Friedens, an einer guten wirtschaftlichen Entwicklung, an der Einhaltung der Menschenrechte im weitesten Sinne, an der Bewahrung und Verbesserung der sozialen Standards, und auch die sicherlich nicht weniger und kleiner werdenden Probleme auf der Welt bewältigen zu helfen, das ist eine gemeinsame Aufgabe dieses Europa und muß im Vordergrund stehen. In diesem Sinne sind alle Bürgerinnen und Bürger, aber auch wir als deren Vertreter aufgefordert, in positiver Weise die europäische Idee und deren Weiterentwicklung mitzutragen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Michael Strugl das Wort.

13.24

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wir werden hier also einen ersten Schritt zur Ratifizierung dieses Amsterdamer Vertrages setzen, indem diese verfassungsrechtliche Grundlage beschlossen wird. Ich sage ausdrücklich dazu, es ist dies ein erster Schritt, weil in einem zweiten Schritt das Parlament noch einmal mit dem Vertrag selbst befaßt werden und mit qualifiziertem Quorum zustimmen muß. Es ist ja schon hinreichend darüber diskutiert worden, es wurde auch erwähnt, daß dieselbe Vorgangsweise wie 1994 beim Beitritts-BVG gewählt wurde.

Es ist durchaus legitim, auch über die juristische Einschätzung dieser Vorgangsweise zu diskutieren. Es wurde von Professor Böhm hier gesagt, daß die politische Grundordnung in Frage gestellt wird, auch von Frau Dr. Riess-Passer. Von einem schludrigen Umgang mit der Verfassung war beispielsweise im Nationalrat die Rede. Ich sage nur dazu, die Kritik kommt von jener Partei, die unsere repräsentative Demokratie mit der Idee der "Dritten Republik" in Frage gestellt hat und das Prinzip des freien Mandats mit irgendwelchen Haftungsverträgen aushöhlt. (Bundesrat DDr. Königshofer: Das haben Sie ja schon lange gemacht mit den Blanko-Rücktrittserklärungen in den fünfziger und sechziger Jahren!) Das ändert aber nichts daran, daß Ihre verfassungsrechtlichen Krokodilstränen in einem bestimmten Licht erscheinen. Das muß ich Ihnen schon sagen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir haben gesagt, wir wählen diesen Weg, dieses zweistufige Verfahren, wo das Parlament mit dieser Materie zweimal befaßt wird, weil es zum einen ökonomisch und zum anderen auch vom Verfassungsgerichtshof schon 1994 als verfassungskonform erachtet wurde. Das muß man natürlich auch dazusagen, wenn wir darüber diskutieren. Es wird im Rahmen der Genehmigung noch ausreichend Gelegenheit sein, sich umfassend mit diesem Vertrag zu befassen.

Aber ich räume ein, man kann natürlich über die Vorgangsweise diskutieren, es ist selbstverständlich legitim, es sollte uns aber nicht den Blick verstellen auf die eigentliche Materie, auf das, was im Vertrag drinnensteht. Selbstverständlich hat auch dieses Vertragswerk Licht- und Schattenseiten, das soll hier gar nicht bestritten werden, wenngleich ich es für einseitig halte, hier nur die negativen Aspekte herauszuarbeiten. Ich glaube, man soll den Inhalt fair beurteilen, dann wird man sehen, daß dieser Vertrag Europa letztlich enger zusammenrücken läßt. Der Vertrag trägt natürlich auch Entwicklungen, die sich seit den Maastrichter Verträgen geändert haben, Rechnung.

Ich möchte nur einige Aspekte herausgreifen. Der erste Bereich ist das Thema der Beschäftigung. Es wurde auch schon erwähnt, ich halte das tatsächlich für einen Qualitätssprung und für einen Fortschritt, daß die Union ein hohes Beschäftigungsniveau als eines ihrer politischen


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Hauptziele definiert und festgelegt hat. Und es wurde nicht nur festgeschrieben, sondern es werden auch Maßnahmen genannt, etwa daß die nationalen Beschäftigungspolitiken koordiniert werden sollen und daß darüber auch gewacht wird.

Gleichzeitig soll die Sozialpolitik aktiviert und ausgebaut werden im Sinne der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer. Ich nenne hier nur die Passage betreffend das Diskriminierungsverbot beziehungsweise auch die Bestimmungen zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern.

Eines der wichtigsten Kapitel dieses Vertrags ist meines Erachtens das Thema der Sicherheit. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß sich hier vieles geändert hat und wir uns die Frage stellen müssen, was denn die Staatengemeinschaft angesichts der neuen Herausforderungen, die sich vor allem durch die internationale Kriminalität ergeben, tun kann.

Es muß ein Ziel sein, daß der europäische Raum, in dem Personen, Waren und Dienstleistungen frei verkehren können, auch ein Raum der Sicherheit wird. Daher ist es notwendig, daß die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gemeinsam vorgehen gegen organisierte Kriminalität, Drogenhandel, Terrorismus und so weiter. Da geht es unter anderem vor allem auch darum, daß die Behörden auf nationaler Ebene und zwischenstaatlich zusammenarbeiten. Ich denke zum Beispiel an eine engere Zusammenarbeit von Polizei, Zoll und zuständigen Behörden unter Einbindung der Europol, an eine Verpflichtung zur engeren Zusammenarbeit der Polizei- und Justizbehörden der Mitgliedsstaaten, um gegen diese Formen der Kriminalität vorzugehen, an die Möglichkeit der Aufforderung der Behörden an Europol, Ermittlungen durchzuführen und Hilfestellung durch entsprechendes Know-how zu geben. Weitere Punkte sind die Erleichterung der Auslieferung zwischen den Mitgliedsstaaten und die Festlegung unionsweit geltender Mindestvorschriften über Tatbestandsmerkmale im Hinblick auf organisierte Kriminalität, Terrorismus und Drogenhandel und entsprechende Strafsanktionen.

Das heißt, insgesamt werden dadurch die strafrechtlichen Regelungen der Mitgliedsstaaten einander angenähert. Es entsteht ein Stück mehr gemeinsames Rechtssystem. Dazu gehören auch die Regelungen, die die Außengrenzen der Union betreffen, wo es vor allem um die Personenkontrolle, um die Einreisegenehmigungen, um Asyl- und Einwanderungsfragen geht. Es wird ja innerhalb von fünf Jahren dafür gesorgt werden, daß die Kontrollen an den Binnengrenzen weitgehend wegfallen, während an den Außengrenzen die Personenkontrollen einheitlich erfolgen sollen. Es wird einheitliche Visumvorschriften und eine Liste von Drittländern, deren Angehörige bei der Einreise ein Visum brauchen, geben. (Präsident Bieringer übernimmt den Vorsitz.)

Einen Punkt möchte ich noch erwähnen, nämlich den Gedanken des Europa der Bürger, eines demokratischen Europa. Dabei geht es nicht nur darum, daß sich die Europäische Union zu den Grundsätzen Freiheit und Demokratie, Menschenrechte und Grundfreiheiten bekennt, sondern daß Subsidiarität auch gelebt wird. Es sind ja Kriterien für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Vertrag festgehalten, etwa daß der Ausschuß der Regionen und auch das Europäische Parlament aufgewertet wurden. Es geht ja im Grunde darum, daß Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen werden können, daß die nationalen Parlamente stärker eingebunden werden.

Ich möchte deshalb, weil es aus meiner Sicht hier dazu paßt, auch auf eine Initiative aus Oberösterreich eingehen, die aktuell ist. Die ÖVP hat einen Vorstoß für eine Dezentralisierung der Landesverwaltung in Oberösterreich unternommen, einfach deshalb, um die Entscheidungswege kürzer zu machen und damit mehr Bürgernähe zu erreichen. Es wird vieles in die Bezirkshauptmannschaften ausgelagert, damit die Anliegen dort erledigt werden können, wo der Bürger ist. Wir sehen das durchaus auch als Signal an den Bund. Wir könnten uns vorstellen, daß das auch auf Bundesebene gemacht wird. Wir brauchen ja nur einen Blick über die Grenzen zu machen: Auch in Deutschland ist es so, daß nicht alle Bundesstellen in Bonn angesiedelt sind, sondern eine ganze Reihe von Institutionen ist in anderen Städten angesiedelt.


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Das wäre auch ein Beitrag zu mehr Föderalismus und Subsidiarität, und wenn sich die Europäische Union im Vertrag dazu bekennt, dann wäre es, glaube ich, auch in Österreich angemessen, über dieses Thema einmal zu diskutieren.

Natürlich kann man immer mehr verlangen. Natürlich kann man sich immer das Bessere wünschen. Wir sehen in diesem Vertrag von Amsterdam einen Fortschritt auf dem Weg zur europäischen Einigung, und er trägt den neuen Entwicklungen auch Rechnung. In diesem Sinne begrüßen wir den Vertrag von Amsterdam; meine Fraktion wird daher keinen Einspruch gegen den Beschluß erheben. (Beifall bei der ÖVP.)

13.35

Präsident Ludwig Bieringer: Meine Damen und Herren! Aufgrund der unerträglichen Hitze in diesem Raum erlaube ich mir anzuordnen, daß die Herren das Sakko ausziehen können. (Beifall.)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm dieses.

13.35

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es kommt mir doch etwas eigenwillig vor, wenn der eine oder andere Redner der Opposition vorhält, daß sie am Amsterdamer Vertrag nur das Negative sehe und nur die Mitarbeiter der Regierung das Positive im Amsterdamer Vertrag erkennen könnten. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß sicherlich nicht alles im Amsterdamer Vertrag schlecht ist, aber nehmen Sie erst recht zur Kenntnis, daß es zum Schutz unserer Bevölkerung notwendig ist, festzustellen, daß auch nicht alles gut ist in diesem Vertrag von Amsterdam, von Maastricht und so weiter! Und dieser Ausgleich der Interessen macht ein Parlament aus und nicht der Gleichklang der Töne, die nur das Positive sehen sollen. Dauernd Schlagobers mit Erdbeeren ist unerträglich, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Strugl hat, glaube ich, zu Recht das Wort "Dritte Republik" erwähnt. Ich sage deshalb "zu Recht", denn einer aus Ihren Reihen hat es nachweislich das erste Mal geprägt. Er ist nicht unbedeutend, möchte ich sagen, es ist immerhin der Klubobmann Khol, der vor etwa zwölf oder 13 Jahren in Salzburg davon gesprochen hat, wir brauchen endlich eine "Dritte Republik". Das soll nicht Epigonentum von Jörg Haider oder von uns darstellen, wenn wir diesen Begriff auch gebrauchen, aber es muß einmal die Geburtshilfe dieses Begriffs dargelegt werden. (Bundesrat Mag. Strugl: Es geht nicht darum, was draufsteht, sondern darum, was drinnen ist!) – Gut, da haben Sie völlig recht. Erklären Sie mir dann, was drinnen ist!

Man geht jetzt anscheinend davon aus, daß wir kein freies Mandat mehr wollen. Dazu möchte ich Ihnen folgendes sagen, meine Damen und Herren: So wie einzelne von Ihnen das freie Mandat, wie es derzeit ist, dafür gebrauchen, einfach zu sagen, wir brauchen mehr Beschäftigung, und nicht dazusagen, wie sie diese erreichen wollen, ist es ein bißchen eine mißbräuchliche Verwendung, und um diese geht es uns. Zuerst geht man mit Gitti Ederers 1 000 S auf Stimmenfang, und zum Schluß heißt es: Maut für Straßen, Bahn und Flüge. (Der Redner hält einen Zeitungsausschnitt in die Höhe.) So kann man es auch nicht machen! Der Beitritt zu einer Organisation ist uns immer so dargestellt worden, daß hier in Österreich alles günstiger und besser wird, und auf einmal heißt es: Maut für Straße, Bahn und Flüge. EU will Verkehrsgebühren für alle! – Na, mir schlagt es die Schuhe von den Socken, sage ich Ihnen. So kann es doch nicht sein! (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Nachher dann!

Da muß mir die Gitti Ederer mehrere Tausender geben. Sagen Sie ihr das, bitte! Da ist mir ein Tausender zuwenig! So kann es ja nicht sein.

Oder es ist hier festgestellt worden, die Entscheidungen werden bürgernah getroffen. Was ist "bürgernah"? Ich möchte ja, daß der Bürger entscheidet, aber nicht daß jemand für den Bürger vermeintlich bürgernah entscheidet. Das ist es, worauf es uns ankommt! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Daher haben wir den Eindruck, daß da manches nicht so läuft, wie es dem Bürger frommt. Man vermittelt ihm den Eindruck, es sei bürgernah.


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 76

Es haben sich bedeutende Leute den Kopf darüber zerbrochen und festgestellt, auch Kollege Meier, daß vieles nicht erklärbar ist von dem, was in diesem Vertrag steht. Auch der bayrische Ministerpräsident Stoiber hat gesagt, es sei vieles nicht erklärbar. Und da so vieles nicht erklärbar ist, sind wir der Meinung, wir können jetzt nicht mit gutem Gewissen unterzeichnen, nicht gut zustimmen. Können Sie jemandem, dem Sie etwas nicht erklären können, sagen: Aber jetzt unterschreib mir das, bitte!? – Nein, Herr Kollege, Sie würden es auch nicht machen. (Bundesrat Meier: Und Sie können dem Bürger alles erklären?!)

Nein, ich bin es nicht in der Lage! Aber wenn nicht einmal der Herr Stoiber aus Bayern das kann, dann kann das doch nicht für den Vertrag sprechen. Ich will Stoiber nicht als Deus ex machina darstellen, er ist durchaus ein prominenter Politiker, mit dem wir nicht so viel gemein haben, aber er sagte auch, daß es so kompliziert formuliert sei, daß sich der tatsächliche Inhalt nur Fachjuristen erschließe.

Das trage dazu bei, daß sich auch Landesregierungen nicht über ihre Inhalte und die Konsequenzen dieser Verträge im klaren seien.

Meine Damen und Herren! Sehen Sie, wenn man das sagt und sei es nur, daß ein Teilbereich daraus stimmt, sich nur ein Alzerl dieses ganzen Vertragswerkes nicht ergründen und erschließen läßt, ist es Aufgabe verantwortungsbewußter Volksvertreter, diesem Vertragswerk die Zustimmung zu verweigern – nicht deswegen, weil wir meinen, es sei das absolut Schlechte, nein!, sondern deshalb, weil wir nicht alles erklären können.

Ich nehme für mich in Anspruch, es nicht total erklären zu können, und weiß, daß es andere auch nicht können. Das ist doch ein wesentlicher Punkt!

Ein wesentlicher Punkt für uns ist natürlich auch Artikel 63, ehemals Artikel 73k, der die Zuständigkeit für die Zuwanderungs- und Ausländerpolitik den nationalen Regierungen abnimmt und auf die Europäische Kommission überträgt.

Meine Damen und Herren! Das ist unannehmbar! Es ist unannehmbar, daß die Masse der Einwanderer, die zu uns nach Österreich kommen – etwa aus historischen Gründen oder weil schon einige hier sind –, jetzt ihren Familiennachzug dadurch bewältigen, daß Brüssel sagt: Ihr dürft herein!, und wir Wiener, wir Österreicher nichts mehr dagegen tun können. Das ist für mich wirklich uneinsichtig, und ich kann dem nicht zustimmen. Mich wundert, daß Sie, meine Damen und Herren, dem zustimmen können! (Ruf bei der ÖVP: Wir haben nicht das Problem, daß wir auserwählt sind!)

Sie haben keine Probleme, das weiß ich eh! Ich freue mich, daß Sie problemlos sind, nicht wahr, Herr Kollege!

Wir haben nicht mehr das Recht, den Ausländerzustrom zu regeln und die Bedingungen dafür festzulegen. Das alles ist nach Brüssel abgeschoben.

Wie sieht es mit der Arbeitserlaubnis aus? – Wer sich als Selbständiger oder Unselbständiger niederlassen darf, wird in Brüssel entschieden.

Auch die Entscheidungen, die die Familienzusammenführung gewisser Zuwanderungspersonengruppen betreffen, werden nicht mehr von der Wiener Regierung gefällt. Ich halte das für nicht sehr gut! Ich halte das für so nicht gut, daß ich dem nicht zustimmen kann.

Ein weiterer Punkt: die "Agenda 2000". Sie hängt damit auch zusammen. Wesentliche Rechte werden an die EU abgetreten, ohne daß dies öffentlich bekannt ist. Hier ist es jetzt öffentlich bekannt!

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen folgendes: Es wird die Strukturpolitik nicht mehr von nationalen Regierungen bestimmt, denn sie darf nicht mehr von nationalen Regierungen bestimmt werden – nicht deshalb, weil sie es selbständig, aus eigenen Mitteln nicht könnte, sondern deswegen, weil sie es einfach nicht mehr darf!


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 77

Das soll gut sein, meine lieben Freunde und Freundinnen? Ich betone: Wir müssen uns darüber den Kopf zerbrechen und nicht einfach nur sagen: Wir sind dagegen, und Sie sind die Handlanger oder Mitarbeiter der Regierungen! Kollege Konečny hat es so gesagt. Nein, so geht es nicht, so kann man das nicht machen!

Weiterer Punkt: die Auswirkungen auf die österreichischen Lebensverhältnisse. Sie werden drastische Veränderungen erfahren, wenn die Förderungsmittel gekürzt werden. Sie werden im Rahmen der "Agenda 2000" vermutlich um 90 Prozent gekürzt werden. Wissen Sie, was es bedeutet, wenn die Förderungsmittel um 90 Prozent gekürzt werden, wie sich das auf unsere Landwirte und unsere Bauernschaft auswirken wird? Das kann man fast gar nicht mehr darstellen. Doch wir haben kein Recht, dies wahrzunehmen! (Bundesrat Meier: Die 90 Prozent stimmen nicht, die Sie genannt haben!)

Bitte, dann kommen Sie heraus und korrigieren mich! Das können Sie machen, Sie haben die Unterlagen an der Hand. Zeihen Sie mich einer Fehlinformation. Sie können es machen.

Ich gebe zu: Sie können bis zu 90 Prozent gekürzt werden. Dann haben Sie vielleicht recht. Ja? – Gut.

Nächster Punkt: Die Aufgaben von EU-Staat, -Ländern und -Kommunen werden nicht klar genug voneinander abgegrenzt, aber andererseits wird die Kompetenzabgrenzung zwischen EU, ihren Mitgliedern und den Regionen möglicherweise zu großen Detailformulierungen und Detailregelungen unterzogen.

Ich glaube, wenn man diese Sachverhalte hört – und ich bemühe mich jetzt ein bißchen, hier diesen Rotpiepser anzuschauen –, dann kann man nur sagen: EU der stimmenlosen Bürger oder der sprachlosen Bürger? Nein, das ist nicht mein Vorbild einer zukünftigen Staatswerdung!

EU – ein Vertrag, der unlesbar ist, auch wenn man die Buchstaben und die Worte lesen kann, ein Vertrag, der unübersichtlicher nicht geschrieben werden kann, weil Zusammenhänge nicht hergestellt werden und – vielleicht ein sehr banales Wort – aus diesem Grund ein undemokratisches Vertragswerk!

Nein, meine Damen und Herren, diesem Vertragswerk können wir aus unserem Gewissen gegenüber der österreichischen Bevölkerung unsere Zustimmung nicht geben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.45

Präsident Ludwig Bieringer: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Irene Crepaz. – Bitte, Frau Bundesrätin.

13.45

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da von meinen Vorrednern und Vorrednerinnen und auch vom Nationalrat bereits verfassungsrechtliche und legistische Aspekte des vorliegenden Vertrages beleuchtet wurden, möchte ich in meinem kurzen Redebeitrag speziell auf die Rolle der Frauen und der Gleichstellung in diesem Vertrag eingehen.

Bei aller berechtigten Kritik am Vertrag, angefangen von einem vielleicht nicht sonderlich ausgebauten Mitwirkungsrecht des Europäischen Parlaments in wichtigen Fragen, wie zum Beispiel der sozialen Sicherheit, über das Fehlen eines europaweiten menschenrechtskonformen Asylrechts oder die mangelnde Mitsprache in Agrarfragen bis zum nach wie vor bestehenden Reformbedarf der Europäischen Union, was demokratische und Legitimationsdefizite betrifft, möchte ich doch betonen, daß dieser Vertrag in bezug auf die Chancengleichheit ein wichtiger Fortschritt ist.

Die Bestätigung der Gleichstellung von Frauen und Männern als eine der grundlegenden Aufgaben der Europäischen Union und die Art und Weise, in welcher sie gemäß den verschiedenen Artikeln des Vertrages zur Anwendung kommt, sind von grundlegender Bedeutung.


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 78

Die wesentlichsten Punkte sind folgende:

Erstens, daß Chancengleichheit nun ein Grundrecht ist. Es kann keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben.

Zweitens macht Artikel 2 die Gleichstellung von Frauen und Männern zu einer Aufgabe der Union. Dies liefert eine dringend notwendige Rechtsgrundlage für die Chancengleichheit.

Artikel 3 beschreibt, wie die Gemeinschaft zur Erlangung der Gleichstellung von Frauen und Männern vorzugehen hat. Sie muß Diskriminierung bekämpfen und Gleichstellung fördern.

Vor Amsterdam wurde Gleichstellung einzig und allein unter dem Gesichtspunkt der gleichen Entlohnung gesehen. Sie konnte von dieser engen Sichtweise befreit werden und wird nun als eine der Aufgaben der Gemeinschaft anerkannt. Jetzt kann die Europäische Union alle Formen der Diskriminierung bekämpfen. Im Bereich der Sozialpolitik, im Hinblick auf gute Arbeitsplätze und berufliche Tätigkeiten wurden konkrete Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung eingeführt, einschließlich positiver Aktionen zugunsten des unterrepräsentierten Geschlechts.

Vom rechtlichen Standpunkt kommt der Aufnahme der Gleichstellung in den Vertrag größte Bedeutung zu. Diese auf primären Recht gründende Regel der Gemeinschaft ist vom höheren Rang als die von der sekundären Gesetzgebung abzuleitenden Gemeinschaftsregeln. Somit muß dieses Recht in allen anderen Regeln und Vorschriften der Europäischen Union beachtet werden. Die genehmigten Bestimmungen haben für alle Organe der Europäischen Union einerseits und für alle Mitgliedstaaten andererseits zwingenden Charakter.

Weiters ist die Gleichstellung durch den Europäischen Gerichtshof geschützt. Die Richter des Gerichtshofes werden die neuen Regelungen bezüglich der Gleichstellung anwenden müssen und können keine Urteile fällen, die den Bestimmungen des Vertrages zuwiderlaufen. Sie sind nicht mehr angehalten, die Gleichstellung von Frauen und Männern allein unter dem Gesichtspunkt der gleichen Entlohnung zu betrachten. Die Gleichstellung wird somit auf das ganze Unionsrecht ausgedehnt, und für dessen Einhaltung durch die Mitgliedstaaten wird Sorge getragen.

Auch die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Ministerrat werden Gleichstellungsbestimmungen des Vertrages umsetzen müssen, indem sie neue Vorschriften erlassen, die dem bestehenden Regelwerk hinzugefügt werden. Die Organe der Gemeinschaft müssen der Tatsache Rechnung tragen, daß Gleichstellung eine Aufgabe der Gemeinschaft und ein allgemeines Ziel aller von der Gemeinschaft verfolgten Politiken darstellt. In gleicher Weise sind die Legislativen der Mitgliedstaaten an die Einhaltung des Gemeinschaftsrechtes gebunden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Europa befindet sich in einem Prozeß der Umbildung seiner Strukturen. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert hat es gravierende Änderungen gegeben. Mit dem Vertrag von Amsterdam ist der Aufbau der Gleichstellung auch in Österreich nicht abgeschlossen, aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist getan.

Wir sind nun aufgefordert, die Maßnahmen konkret umzusetzen und diese Themen zum Kern politischer Überlegungen zu machen. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den beim Gipfel von Amsterdam angenommenen Vertrag gilt es, über das Gesellschaftsmodell und die Rolle der Frauen in der neuen europäischen Gesellschaft nachzudenken. Dies ist auch mit ein Grund, warum ich dieser Vorlage zustimme. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.50

Präsident Ludwig Bieringer: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. – Bitte, Herr Bundesrat.

13.50

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Auf die verfassungsgesetzlichen Maßnahmen, die die


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 79

Ratifizierung des Vertrages von Amsterdam vorbereiten sollen, sind meine Kollegen Böhm und Riess-Passer schon eingegangen. Inhaltlich mit dem Amsterdamer Vertrag hat sich mein Freund John Gudenus auseinandergesetzt, und ich glaube, daß er klargemacht hat, daß Sie in weiterer Folge mit dem Amsterdamer Vertrag einem wohl unzureichenden und auch in weiten Bereichen falsche Voraussetzungen schaffenden Papier zustimmen werden.

Um die Europäischen Union tatsächlich auf eine größere Mitgliederzahl einzustellen, wäre eine Reform der Entscheidungsprozesse, ein Ausbau der parlamentarischen Kontrollrechte und eine vollständige Neuorientierung der Agrar- und Strukturpolitik notwendig gewesen. All diese Bereiche aber werden nach unserem Dafürhalten in dem zu ratifizierenden Vertrag nur andeutungsweise berührt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gibt es durch das neue Vertragswerk so gut wie keine Fortschritte. Es gibt sogar Länder, wie zum Beispiel unsere Republik und unsere Regierung, die sich auch um das Wenige, obwohl es eigentlich in ihrem Interesse wäre, gar nicht zu kümmern scheinen. An dieser Stelle ist darauf zu replizieren, was Kollege Konečny gesagt hat. Er hat uns, der Opposition, vorgeworfen, wir würden der Regierung unterstellen, sozusagen schleichend die Verfassung zu ändern, die Neutralität aufzuheben, wir würden das wider besseres Wissen tun.

Ich möchte dem Kollegen Konečny raten, sich diesen Vertrag einmal genauer anzusehen. Auf einige der die Frage der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik betreffenden Punkte ist mein Kollege Dr. Böhm schon eingegangen. Die Kritik, daß die Bundesregierung die Neutralität an diesem Vertragswerk in der Öffentlichkeit Österreichs quasi vorbeischwindelt, bleibt aufrecht.

Ich darf Ihnen den Artikel J.7 im Vertrag von Amsterdam in Erinnerung rufen. Dieser Artikel geht auf die GASP ein. Darin heißt es:

"Die Westeuropäische Union (WEU) ist integraler Bestandteil der Entwicklung der Union. Sie eröffnet der Union den Zugang zu einer operativen Kapazität."

In weiterer Folge heißt es:

"Die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik wird in einem von den Mitgliedstaaten als angemessen erachteten Weise durch eine rüstungspolitische Zusammenarbeit zwischen ihnen unterstützt.

Die Fragen, auf die in diesem Artikel Bezug genommen wird, schließen humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen ein."

Ich wiederhole: Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedenschaffender Maßnahmen!

Meine Damen und Herren! Wenn Sie diesem Vertragswerk zustimmen und in der Republik nach wie vor die Geschichte verbreiten wollen, daß diese Republik noch neutral ist, dann betreiben Sie nach unserem Dafürhalten keine aufrechte und ehrliche Politik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir wollen, daß Sie gerade in dieser prinzipiellen Sicherheits- und Staatspolitik endlich mit offenen Karten spielen und endlich der Bevölkerung in bezug auf die Neutralität die Wahrheit sagen, nämlich, daß seit dem 1.1.1995, seit dem Beitritt zur Europäischen Union, die Neutralität Österreichs hinfällig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 80

13.55

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. (Bundesrat Dr. Tremmel: Doch!)  – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Tremmel.

13.55

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Vorredner meiner Fraktion haben ja bereits Wichtiges gesagt. Ich möchte nur noch einiges zur Beschäftigungspolitik sagen, weil hier vom nicht anwesenden Kollegen Konečny gesagt wurde, Österreich habe bei der Beschäftigungspolitik im Rahmen des Amsterdamer Vertrages maßgeblich mitgewirkt.

Ich darf Ihnen in Erinnerung rufen, wie sich das wirklich bei uns auswirkt. Durch die großen Industrieabsiedlungen ging ein Arbeitsplatz nach dem anderen verloren. Es ist kein Instrument gefunden worden, um das zu verhindern, um Arbeitsplätze in Österreich zu behalten.

Ich darf Sie auch an den Brief des Bundeskanzlers an den Präsidenten Jacques Santer erinnern, in welchem er unter anderem die "Agenda 2000" anschneidet und feststellt: Allerdings bringt die Integration der mittel- und osteuropäischen Länder wegen der großen Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen ihnen und den Mitgliedstaaten der Union auch erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Von diesen Problemen werden die Regionen im Nahbereich der Grenze zu den mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten in besonderer Weise betroffen.

Erinnern Sie sich, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang an die Äußerung der zuständigen Kommissarin Wulf Mathies, die gesagt hat, es werde da keine besonderen Förderungen geben!

Meine Damen und Herren! In Anbetracht dessen hat hier Kollege Konečny gesagt, Österreich habe bei der Beschäftigungspolitik im Rahmen dieses Vertrages besonders mitgewirkt.

So wirkt sich Ihre besondere Mitwirkung aus: daß die Grenzregionen zu den Beitrittskandidaten besonders benachteiligt werden! Das steht auch im Brief des Bundeskanzlers, den ich hier soeben zitiert habe.

Ich könnte noch weiterzitieren, aber dann werden Sie wieder sagen, der Tremmel zitierte nur immer! Aber das hat Ihr eigener Chef nach Brüssel geschrieben.

Ein weiteres, meine Damen und Herren: Es wurde hier gesagt, die Dinge seien in diesem Vertragswerk – beim Ausdruck "Ermächtigungsgesetz" haben Sie die Nase gerümpft, vielleicht nennen sie es das nächste Mal dann selbst so, wie es etwa beim Nationalbankgesetz der Fall war – im Fließen.

Ja, sie sind schon im Fließen: Es werden da verfassungsrechtliche Dinge in einer Art und Weise umgangen, die uns verpflichten würden, dafür zu sorgen, wie es der Kollege Böhm richtigerweise ausgeführt hat, daß der Artikel 44 Abs. 3 zum Tragen kommt. Dieser Artikel lautet: "Jede Gesamtänderung der Bundesverfassung, eine Teiländerung aber nur, wenn dies von einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrates verlangt wird, ist nach Beendigung des Verfahrens gemäß Artikel 42, jedoch vor der Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen."

Dazu gibt es einen sehr interessanten Kommentar, meine Damen und Herren, und zwar hat der Ihnen sicherlich bekannte Professor Schambeck das im Kommentar im Lichte des Demokratieprinzips ganz besonders unterstrichen.

Was ist bei diesem Vertrag unter anderem geändert worden? – Die Landesverteidigung sowie die innere und die äußere Sicherheit wurden von meinem Kollegen Bösch und den Vorrednern meiner Fraktion bereits genannt. Weiters ist eine Teiländerung der Verfassung zu erwähnen. Außerdem wurde der Föderalismus letztlich eingeschränkt.

Es existiert in diesem Vertrag eine Empfehlung, den wirklichen demokratischen Grund zu vereinfachen, was beim Wahlrecht bereits passiert ist: Es wählen die Unionsbürger mit.

Oder: Mein Kollege Böhm hat richtigerweise zivilrechtliche Bereiche hier ausgeführt, das Asylrecht, das Fremdenrecht.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
641. Sitzung / Seite 81

Oder: Vom Verkehr brauchen wir gar nicht zu reden. Dieser Bereich ist ja nur teilweise verfassungswirksam.

Oder: Auch die direkte Demokratie ist in erheblicher Weise eingeschränkt.

Aufgrund dieser Umstände würde nicht nur nach unserer Beurteilung, sondern auch nach Beurteilung maßgeblicher Verfassungsrechtler – ich habe hier Professor Schambeck zitiert – eine Gesamtänderung der Verfassung vorliegen, was dazu führen müßte, daß es zwingend zu einer Volksabstimmung käme.

Meine Damen und Herren des Bundesrates! Auch hier hätten wir wieder einmal die Chance, die Bundesregierung und den Nationalrat zumindest darauf aufmerksam zu machen, daß bei diesem Ermächtigungsgesetz maßgebliche Verfassungsbestimmungen verletzt wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.00

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Peter Wittmann. Ich erteile ihm dieses.

14.00

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nur einige Richtigstellungen vornehmen. Herr Bundesrat Tremmel hat in seinen zuletzt gebrachten Ausführungen richtigerweise darauf hingewiesen, daß es sich nur um die formelle Umsetzung einer Möglichkeit der Umsetzung des Amsterdamer Vertrages handelt. Ich muß Sie daher korrigieren: Sie können heute nicht dem Vertrag zustimmen oder dagegenstimmen, sondern heute stimmen Sie über die verfassungsrechtliche Umsetzung ab.

Diese verfassungsrechtliche Umsetzung ist in einem Analogieschluß entsprechend der ursprünglichen verfassungsrechtlichen Umsetzung des EU-Vertrages gestaltet worden, und Sie stimmen darüber ab, ob Sie damit einverstanden sind, diese Sonderregelung nochmals und in derselben Form anzuwenden.

Da gibt es das Für und Wider, das wir heute gehört haben, aber warum ich mich jetzt zu Wort gemeldet habe, geschah schon deshalb, um richtigzustellen, daß es sehr wohl die österreichische Bundesregierung war, die ganz maßgeblich daran mitgewirkt hat, daß dieses Beschäftigungskapitel tatsächlich in den Vertrag aufgenommen worden ist. Es war eine Initiative Österreichs und Schwedens, die dann letztendlich durch den Wahlausgang in Frankreich verstärkt wurde und dazu geführt hat, daß ein Umdenken dahin gehend erfolgt ist, daß das Problem der Zukunft dieser Europäischen Union die Beschäftigung sein wird.

Wenn man die wirtschaftspolitischen Probleme in Angriff nimmt – man hat sie in Angriff genommen und einen Teil dieser Probleme mit dem Euro erfolgreich gelöst –, dann ist es auch notwendig, die Beschäftigung in den Mittelpunkt der europäischen Politiken zu rücken. Das ist in diesem Vertrag geschehen, und dieses Kapitel – darüber gibt es nichts zu diskutieren, vor allem nichts wegzudiskutieren – ist aufgrund unserer Bemühungen in diesen Vertrag eingeflossen.

Natürlich gibt es in diesem Bereich noch sehr viel zu tun, aber wie wir alle wissen, sind durch den Beschäftigungsgipfel in Luxemburg auch Maßnahmen vorgegeben worden. Es ist also nicht so, daß keine Maßnahmen gesetzt wurden, sondern es wurden Richtlinien ausgefertigt, und im Rahmen dieser Richtlinien wurden in den einzelnen Volkswirtschaften und in den einzelnen Staaten selbständig nationale Umsetzungspakete beschlossen. Das heißt, die Umsetzung und die tatsächliche Beschäftigungspolitik erfolgen in den Nationalstaaten, aber es sind Richtlinien und Rahmenbedingungen erstellt worden, und insbesondere ist ein Monitoring-System dieser Richtlinien und Rahmenbedingungen eingesetzt worden.

Das heißt, erstmals werden diese Richtlinien beziehungsweise diese nationalen Beschäftigungsprogramme beim Gipfel in Wien auch auf ihre Effizienz überprüft, und anhand dieser Effizienzüberprüfung wird man dann versuchen, noch bessere Maßnahmen zu setzen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
641. Sitzung / Seite 82

Das heißt, da geschieht etwas, da ist tatsächlich schon etwas geschehen, da sind tatsächlich schon Maßnahmen gesetzt worden. Man kann das nicht so abtun, als hätte es nichts dergleichen gegeben. Vor allem hat es eine Bewußtseinsbildung innerhalb der europäischen Staaten gegeben, denn Maßnahmen, wie sie jetzt erfolgen, wären in manchen Staaten vor einem halben oder dreiviertel Jahr fast undenkbar gewesen. Trotzdem hat man sich dazu durchgerungen, das auch tatsächlich umzusetzen. Ich glaube, man hat erkannt, was das Problem der Bürger dieser Union ist, und man reagiert rechtzeitig, um das Vertrauen in diese Europäische Union zu stärken.

Zu diesem Brief, den Sie hier zitiert haben: Leider haben Sie ihn nicht vollständig zitiert. Sie haben nur die Analyse einer Situation wiedergegeben, nicht jedoch die dort vorgemerkten Lösungsansätze, die auch in diesem Brief stehen und die sehr wohl als Anfang eines Verhandlungsprozesses zu sehen sind, indem man eben versucht, diese Grenzregionen mit bestimmten Programmen auszustatten, bestimmte Maßnahmen zu setzen, um besondere Mittel für diese Grenzregionen lukrieren zu können.

In dem Brief sind bereits vier Maßnahmen genannt, die sich die österreichische Bundesregierung vorstellen kann – das haben Sie aber wohlweislich weggelassen –, und diese vier Maßnahmen sind jetzt einem Verhandlungsprozeß zu unterziehen, weil 15 Staaten in diesen Verhandlungsprozeß miteinzubinden sind, weil auch die Europäische Kommission in diesem Verhandlungsprozeß einzubinden ist.

Dazu gibt es auch eine Position der Europäischen Kommission, die Frau Kommissarin Wulf-Mathies vertritt, die aber auch schon aufgeweicht ist, und in diesem Verhandlungsprozeß ist man sich darüber schon einig, daß es sehr wohl ein Maßnahmenpaket geben wird, das insbesondere die Ostregionen Österreichs in Anspruch nehmen können, womit ein Ausgleich dieser bestehenden Situation stattfinden können wird.

Darüber hinaus ist uns auch bewußt, daß es Übergangsfristen in verschiedenen Bereichen geben muß, und diese Übergangsfristen werden auch zu verhandeln sein. Aber wenn gesagt wird, man hätte eine Analyse des Ist-Zustandes ohne irgendwelche Konsequenzen bekanntgegeben, dann muß ich darauf sagen, das stimmt nicht. Sie haben den Brief nur zur Hälfte zitiert. Darin sind sehr wohl Ansätze für eine Lösung dieses Problems enthalten, aber es werden in den Verhandlungen noch zusätzliche Möglichkeiten zu beraten sein, die zur Lösung dieses tatsächlich bestehenden Problems beitragen.

Wir sind auch dabei, ein Paket zu schnüren, damit wir den Ängsten, die in diesen Regionen zweifellos bestehen, mit Argumenten, aber auch mit tatsächlicher Hilfe, mit tatsächlichen Möglichkeiten begegnen und die Möglichkeit bieten, diese Region auf die weitere Integration der mittel- und osteuropäischen Länder vorzubereiten. Um der Angst, die besteht, entgegenzuwirken, wird man auch Möglichkeiten eröffnen, in der Anpassungsphase durchaus auch einen Vorteil für diese Region zu erzielen.

Ich wollte die hier angeführten Probleme auch von der Regierungsseite her bekräftigen. Sie geben heute Ihre Zustimmung nur dazu, den Vertrag von Amsterdam in einer besonderen verfassungsrechtlichen Form zu ratifizieren, der Inhalt des Vertrages selbst wird jedoch in einer gesonderten Sitzung sicherlich noch ausführlich zu diskutieren sein. Es geht hier und heute nur um die verfassungsrechtliche Umsetzung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.07

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
641. Sitzung / Seite 83

Wir kommen zur Abstimmung.

Bei dem vorliegenden Beschluß handelt es sich um ein Bundesverfassungsgesetz, das nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedarf.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

6. Punkt

Berufsbildungsbericht 1997 des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (III-178/BR sowie 5677/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Berufsbildungsbericht 1997 des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Friedrich Hensler übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Friedrich Hensler: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen den Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Berufsbildungsbericht 1997 des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten bringen.

Der gegenständliche Bericht gliedert sich in drei Teile:

Rahmenbedingungen für die Berufsbildungspolitik,

Lehrlingsausbildung sowie

Berufliche Weiterbildung.

Weiters ist ein Literatur- und ein Quellenverzeichnis beinhaltet.

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile ihm dieses.

14.10

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Diskrepanz liegt nicht in den Zahlen des Berichtes, sondern eigentlich in den An- und Aussagen der Bundesregierung. Eine Diskrepanz gibt es insofern, als die An- und Aussagen mit der tatsächlichen Situation auf dem Arbeitsmarkt und in der Berufsausbildung nicht übereinstimmen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
641. Sitzung / Seite 84

Meine Damen und Herren! Kein Geringerer als der Vorsitzende der derzeitigen Bundesregierung hat am 23. Mai 1997 in einer Aussendung angekündigt – ich zitiere wörtlich –: Jeder Lehrstellensuchende soll eine Lehrstelle bekommen. In einer von der Bildungsorganisation der SPÖ gemeinsam mit dem Renner-Institut durchgeführten Veranstaltung diskutierten Klima, SPD-Vorsitzender Ministerpräsident Oskar Lafontaine in Wien zum Thema "Sozialdemokratie im Aufbruch". Es werde dafür gesorgt, so der Bundeskanzler in der Diskussion, daß im Herbst kein Lehrstellensuchender ohne Lehrstelle bleibt. – Daher, meine Damen und Herren, kam eingangs von mir die Feststellung, daß die Aussagen mit der Realität, mit den Tatsachen nicht übereinstimmen, sondern falsch sind. Diese Aussage unterscheidet sich auch vom vorliegenden Bericht.

Meine Damen und Herren! Der Herbstbeginn 1997 – dieser Zeitpunkt ist in der Aussage eben genannt worden; ich wäre sogar noch bereit, darüber zu diskutieren, bis wann das sein könnte, obwohl laut Kalender feststeht, wann Herbstbeginn ist – ist längst vorbei, und wir kennen die Zahlen der Lehrplatzsuchenden, der Ausbildungsplatzsuchenden. Im November 1997 waren das immerhin noch rund 5 000!

Meine Damen und Herren! Es kann nicht sein, daß nur angekündigt wird und es dann, wenn die Situation eintritt, daß sich die Betroffenen auf diese Aussage berufen, jenen, die die Aussagen treffen, völlig egal ist, was mit diesen 5 000 Lehrplatz- oder Ausbildungsstellensuchenden passiert.

Diese Ansage ist also nicht nur inhaltlich falsch, sondern sie gibt uns auch das Gefühl, daß dem Bundeskanzler und der Regierung die Situation der Lehrplatzsuchenden völlig egal ist. Nur Hoffnungen zu wecken in dem Bewußtsein, daß diese Hoffnungen nicht erfüllt werden können, ist nicht nur grob fahrlässig, sondern das ist, wie ich meine, eine bewußte Täuschung! Eine solche bewußte Täuschung, meine Damen und Herren, dürfen wir nicht unterstützen!

Meine Damen und Herren! Natürlich spielt die starre Trennung im Bildungssystem auch eine Rolle. Dies ist aber bekannt und verstärkt daher auch den Vorwurf der bewußten Täuschung. Zuerst bekommen die Schulabgänger keinen Platz in den sogenannten Fachschulen, dann werden sie als Lehrlinge im Rahmen der Ausbildungsbedingungen nicht akzeptiert. Daher sind die Betroffenen in diesem Bildungsbereich zweimal Opfer des Systems!

Da ich die Ausbildung angesprochen habe, ergibt sich die Frage, Herr Wirtschaftsminister: Wo ist Ihre Technologieoffensive steckengeblieben? Ist die angekündigte Technologieoffensive Opfer eines Kompetenzstreites zwischen Wissenschaft und Forschung einerseits und dem Wirtschaftsministerium andererseits? War die angekündigte Technologieoffensive nur das Argument für die Schaffung neuer Berufsbezeichnungen?

Es ist zum Beispiel dem Bericht zu entnehmen, daß es in Hinkunft Systemgastronomen geben soll. Es klingt nicht nur das Wort meiner Meinung nach etwas technokratisch, sondern gerade in der Gastronomie haben wir auch bereits genug Pseudoberufsbezeichnungen, wie am Beispiel des Hotelgastronomieassistenten festgestellt werden kann. Man hat diesen Beruf geschaffen, junge Menschen konnten diesen Ausbildungsweg gehen, aber in Wahrheit haben sie, wenn sie diese Berufsausbildung abgeschlossen haben, keine Chance, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, da sie – salopp gesprochen – weder Fisch noch Fleisch sind, da sie weder Koch, Kellner noch Rezeptionist sind.

Meine Damen und Herren! Herr Minister! Hier erwarten wir Antworten, hier sind Sie gefordert! Oder wollen Sie, Herr Bundesminister, jungen Menschen genauso Hoffnungen machen, die dann nicht erfüllt werden können, nicht realisiert werden können? Befinden Sie sich da im Einklang mit dem Bundeskanzler?

Meine Damen und Herren! Diesen Eindruck, daß falsche Hoffnungen geweckt werden, habe ich auch, wenn ich als Steirer an die Diskussion um die sogenannte Lehrwerkstätte in Fohnsdorf denke. Wir Steirer hatten das Gefühl, daß dort der Schwanz mit dem Hund zu wedeln begann, denn ansonsten, Herr Minister, kann es nicht sein, daß der Obmann der steirischen Wirtschaftskammer und Vorsitzende des Wirtschaftsbundes Mühlbacher über das Schicksal der


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
641. Sitzung / Seite 85

Lehrwerkstätte bestimmt. Das ist medial hinlänglich bewiesen, es gibt genug Positionierungen und Aussagen dazu.

Wo waren Sie, Herr Bundesminister, als diese Frage in der Steiermark zur Diskussion stand? Warum haben Sie nicht selbst mit den Betreibern, mit den Gewerkschaften verhandelt? Wer hat den Wirtschaftsbundfunktionären das Verhandlungsmandat gegeben?

Meine Damen und Herren! All das sind Fragen, auf die wir von seiten des Wirtschaftsministers eine Antwort erwarten. Solange diese Antworten nicht gegeben sind, solange diese Antworten nicht der tatsächlichen Realität auf dem Arbeitsmarkt und im Ausbildungsbereich entsprechen, machen Sie sich, Herr Bundesminister, für die falschen Hoffnungen, die die Regierung weckt, mitschuldig.

Da eben noch so viele falsche Hoffnungen im Raum stehen, sehen wir von der freiheitlichen Fraktion uns auch nicht in der Lage, diesem Berufsbildungsbericht 1997 die Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.17

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Freiberger. Ich erteile es ihm.

14.17

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Weilharter! Daß von seiten der FPÖ kein Vorschlag kommt, wie wir Situationen verbessern können, ... (Bundesrätin Mühlwerth: Das stimmt ja überhaupt nicht!) Jetzt hat er sieben Minuten geredet, und es ist kein einziger Vorschlag gekommen, wie man Situationen verbessern könnte. Das sind wir durchaus gewohnt. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wir können noch so viele Vorschläge machen! Sie werden nie darauf eingehen!) – Nein, von dieser Seite kommt nicht viel – außer einer Presseaussendung vom Februar dieses Jahres, in der der Parteiführer ganz forsch ankündigt, er fordert eine Lehrplatzoffensive. Auf der anderen Seite hat er ein paar Wochen zuvor gesagt, er möchte, daß Lehrlinge nicht mehr selbst sozialversichert sind, sondern bei den Eltern mitversichert sein sollen. Welche Auswirkungen das für Jugendliche hätte, die kein Krankengeld bekommen und so weiter, darauf will ich gar nicht eingehen. Das sind wir durchaus gewohnt.

Ich glaube, daß das Thema sehr ernst ist und wir daher mit Lösungsansätzen aufwarten sollten. Bei diesem ernsten Thema wäre das durchaus angebracht.

Meine Damen und Herren! Der heute zur Debatte vorliegende Berufsbildungsbericht 1997 ist aus meiner Sicht sehr übersichtlich gestaltet. Er stellt eine Analyse der Lehrlingsausbildung, des Lehrstellenmarktes und der beruflichen Weiterbildung dar. Für die Erstellung dieses Berichtes möchte ich mich im Namen der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion sehr herzlich bei den Beamten Ihres Ministeriums bedanken. Es ist für uns Mandatare ein brauchbares Nachschlagewerk, das den Stand der Berufsausbildung in Österreich dokumentiert.

Der Bericht zeigt die Schwachstellen unseres Berufsausbildungssystems sehr genau auf, wenngleich die darin enthaltenen Lösungsansätze nur aus dem Blickwinkel der Wirtschaft dargestellt sind, deshalb keine tauglichen Vorschläge für eine Verbesserung der Qualität in der Berufsausbildung sind und schon gar keine Ansätze für eine Erhöhung des Lehrstellenangebots darstellen. (Bundesrat Dr. Kaufmann: Wieso? Wieso?) Ich werde noch darauf zu sprechen kommen, Herr Kollege!

Meine Damen und Herren! Wenn wir hinterfragen, warum es zu wenige Lehrstellen gibt, dann wird man feststellen, daß die Anzahl der Lehrlinge in den letzten zehn Jahren vor allem in der Industrie und im Handel zurückgegangen ist. Ich nenne die Zahlen aus der Steiermark, sie sind aber nahezu in allen Bundesländern deckungsgleich. So ging die Anzahl der steirischen Lehrlinge in den letzten zehn Jahren im Industriebereich um 48,9 Prozent, im Handel um 48,3 Prozent und im Fremdenverkehr um 38,5 Prozent zurück. Im Gewerbe ging die Anzahl der angebotenen Lehrstellen hingegen nur um 16,5 Prozent zurück.


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Vergleicht man diese Zahl mit der demographischen Entwicklung – das heißt, unter Betrachtung der Geburtenrückgänge und des verstärkten Zugangs von Jugendlichen zu berufsbildenden Schulen –, so stellt man fest, es gibt im Gewerbe kein Lehrstellenproblem. Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu stellen, was mit Forderungen nach einem Abbau von Jugendschutzbestimmungen oder nach Senkung der Lohnnebenkosten erreicht werden soll, wenn das Gewerbe ausreichend Lehrlinge bekommt und aufnimmt. In dieser Hinsicht besteht in der Lehrlingsausbildung ein Strukturproblem. Wir sollten uns verstärkt Modelle überlegen – und diese auch umsetzen –, nach denen die freigewordenen Kapazitäten in der Industrie wieder belegt werden. Damit würde auch die Qualität der Ausbildung steigen. Denn es ist unbestritten, daß die Durchfallsquote bei Lehrabschlußprüfungen von Lehrlingen aus dem Gewerbe viel höher ist.

Meine Damen und Herren! Wir haben in der Steiermark vor kurzem eine – ich möchte fast sagen: peinliche – Auseinandersetzung mit Wirtschaftskammerpräsident Mühlbacher gehabt. Kollege Weilharter! In diesem Falle stimme ich mit dir völlig überein; das ist zwar höchst selten, aber in diesem Falle besteht völlige Übereinstimmung. Alle im Land waren sich einig, daß die Lehrwerkstätte in Fohnsdorf nach der § 30-Möglichkeit weitergeführt werden soll, um den betroffenen Lehrlingen weiterhin diese hochqualifizierte Ausbildung zu ermöglichen. Die Steiermärkische Landesregierung hat einstimmig die Finanzierung beschlossen, das Arbeitsmarktservice Steiermark hat die finanziellen Mittel dafür bereitgestellt. Nur Wirtschaftskammerpräsident Mühlbacher hat sich in seiner kleingreißlerischen Denkungsweise eingebildet, er müsse dieses sinnvolle Projekt verhindern.

Es ist trotzdem anders gekommen. Ich möchte mich bei Ihnen, Herr Bundesminister, sehr herzlich dafür bedanken, daß Sie diesem Projekt dennoch Ihre Zustimmung gegeben haben! (Bundesrat Weilharter: In dieser Beziehung war er nicht seiner Meinung!) Das ist richtig. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist die Denkungsweise des Herrn Mühlbacher. Diese Verunsicherung hat auch Herr Mühlbacher zu verantworten.

Wir dürfen bei der Berufsausbildung nicht lediglich darauf schauen, daß alle Lehrstellensuchenden einen Lehrplatz erhalten, sondern wir müssen unbedingt etwas in Richtung Qualitätsverbesserung der Ausbildung unternehmen. Sinnlose Lehrstellenförderungsmodelle nach dem Gießkannenprinzip werden uns in diesem Punkt nicht weiterhelfen.

Betrachtet man die Lehrabschlußprüfungsergebnisse in der Steiermark – sie unterscheiden sich nur unwesentlich von denen in anderen Bundesländern –, so stößt man auf erschreckende Zahlen. Im Lehrberuf Elektroinstallateur fielen bei der Lehrabschlußprüfung mehr als 41 Prozent der Gewerbelehrlinge durch. Im übrigen Gewerbe und im Bereich der Tourismus- und Freizeitwirtschaft liegt die Durchfallsquote bei rund 25 Prozent. Diese Zahlen belegen, daß es gerade in jenen Branchen, deren Vertreter ständig die Beseitigung von Ausbildungsvorschriften und eine Verkürzung der Berufsschulzeit verlangen, die miserabelsten Ausbildungsbedingungen gibt.

Meine Damen und Herren! Diese Ergebnisse zeigen, daß die Kontrolle der Ausbildungsqualität durch die Lehrlingsstellen der Wirtschaftskammer nicht ausreichend vorhanden ist. Dies wird plausibel, wenn man bedenkt, daß sich die Unternehmer de facto selbst kontrollieren.

Was die Lehrlingsstellen manchmal vom Schutz der Lehrlinge halten, wird anhand von Aussagen des Leiters der Lehrlingsstelle in der steirischen Wirtschaftskammer vom April des vergangenen Jahres deutlich. Dr. Kallab bezeichnete die Lehrlinge als "Nasenbohrer", welche "die ganze Nacht bechern". Dies wurde in einer großen steirischen Tageszeitung veröffentlicht. Es ist das ein Beweis mehr dafür, daß eine Verlagerung der Kontrolle der Ausbildungsqualität weg von den Lehrlingsstellen der Wirtschaftskammern und hin zu einer unabhängigen Behörde, die paritätisch zu besetzen wäre, unumgänglich ist.

Daß ein Ausbildungssystem mit so hohen Qualitätsansprüchen auch hohe Kosten verursacht, ist uns bewußt. Unser Lösungsansatz ist es, die Finanzierung der beruflichen Bildung durch einen Lastenausgleich zu gewährleisten. Da bei der bestehenden, einzelbetrieblichen Finanzierung der Lehrlingsausbildung auftretende Fehlentwicklungen durch die Betriebe selbst nur in geringem


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Ausmaß korrigiert werden, wäre eine Finanzierungsform von Vorteil, bei der alle Betriebe, die Arbeitnehmer beschäftigen, finanzielle Beiträge leisten. Mit dieser Form könnte ein Lastenausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben hergestellt werden. Es ist absolut nicht einzusehen, daß nur zirka 40 000 Ausbildungsbetriebe die Facharbeiterausbildung für ganz Österreich finanzieren.

Die Österreichische Gewerkschaftsjugend hat ein Modell für eine langfristige Finanzierung der Berufsausbildung entwickelt. Sie alle haben eine Einladung erhalten, dieses Modell im Rahmen einer Vorstellung in ein paar Tagen kennenzulernen; ich hoffe, Sie werden von dieser Einladung zahlreich Gebrauch machen. Bei einer solchen Finanzierungsmöglichkeit könnten jene Betriebe, die nach den Ausbildungsvorschriften ausbilden, eine finanzielle Unterstützung erhalten. Auf diese Weise könnten freie Ausbildungskapazitäten in der Industrie genützt werden. Gleichzeitig würde die Qualität der Ausbildung gehoben werden.

Meine Damen und Herren! Mit den im Bericht unter "Zukünftige Aufgaben" formulierten Forderungen nach einer Reduzierung der Ausbildungsinhalte in einzelnen Lehrberufen kann ich nichts anfangen. Solche Maßnahmen würden eher kontraproduktiv auf ein hohes Ausbildungsniveau wirken. Für benachteiligte Jugendliche muß man besondere Unterstützungen schaffen, damit sie das Ziel eines Lehrabschlusses erreichen. Nur die Inhalte und die Lehrzeit zu verkürzen, ist ziemlich einfallslos und würde nur billige Hilfskräfte produzieren.

Für diese besondere Zielgruppe haben wir im Bezirk Fürstenfeld in Zusammenarbeit mit dem Berufsförderungsinstitut sowie mit Unterstützung des Arbeitsmarktservices des Landes Steiermark und des Europäischen Sozialfonds ein Projekt gestartet, das seit über zwei Jahren sehr erfolgreich läuft. Diese sogenannte individualisierte Berufsfindung und Berufsbildung für am Arbeitsmarkt benachteiligte Jugendliche bietet Schulabgängern, die aufgrund von Defiziten Schwierigkeiten bei der Jobsuche haben, eine echte Chance. Jugendliche mit Lernschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten oder leichten Behinderungen, die ihre Schulpflicht bereits erfüllt haben, können in diesem Projekt mit einer Berufsvorbereitung beginnen, um danach mit einer Berufsausbildung fortzusetzen. Die ganz auf individuelle Bedürfnisse ausgerichtete Berufsbildung endet im Idealfall nach maximal drei Jahren mit der Aufnahme in jenem Betrieb, in dem die Jugendlichen den praktischen Teil ihrer Ausbildung absolviert haben. Der theoretische Ausbildungsteil wird im BFI durchgeführt, dort kann auf Schwächen der Jugendlichen individuell eingegangen werden.

Eine Besonderheit dieses Modells ist die Kooperation mit den Partnerbetrieben. Um so praxisnahe wie möglich auszubilden, schließt das BFI mit dem Partnerbetrieb einen Ausbildungsvertrag ab. Der Betrieb ist verpflichtet, dem BFI ständig über den Ausbildungsstand zu berichten. Es scheint uns sinnvoller zu sein, für solche Projekte Geld aufzuwenden, als Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Das Modell der Vorlehre ist sicherlich kein geeignetes Modell, den benachteiligten Jugendlichen zu helfen.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Zusammenfassend ist festzuhalten, daß wir für eine qualitativ hochwertige Berufsausbildung in Österreich noch einiges zu tun haben. Ideen und Vorschläge liegen vor. Wir müssen sie nur umsetzen, damit wir den jungen Menschen in unserem Land eine qualitativ hochwertige berufliche Erstausbildung ermöglichen.

Abschließend möchte ich mich namens meiner Fraktion bei den Initiatoren der Ö3-Aktion "Chance ’98" bedanken. Durch diese Aktion konnten in kurzer Zeit über 1 000 zusätzliche Lehrstellen geschaffen werden. Dafür gebührt auch den Betrieben, die diese Lehrlinge einstellen, unser herzlichster Dank. Diese spontane Aktion hat einen wesentlichen Teil zur Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit beigetragen.

Meine Damen und Herren! Die SPÖ-Fraktion wird den Berufsbildungsbericht 1997 zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)


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14.29

Präsident Ludwig Bieringer: Nächste Wortmeldung: Herr Bundesrat Wolfram Vindl. Ich erteile ihm das Wort.

14.29

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Der im Jahr 1997 veröffentlichte OECD-Wirtschaftsbericht für Österreich zeigt eine sehr positive Entwicklung im Hinblick auf die Berufsbildung in Österreich auf. Es ist gelungen, die Bevölkerung mit einem hohen Bildungsniveau auszustatten. Ein Problem besteht jedoch darin, daß diese Bildungsinvestitionen nicht den erwarteten technischen Fortschritt gebracht haben, der für die Aufrechterhaltung einer Hochlohnwirtschaft erforderlich ist.

Um dieses Problem aus der Welt zu schaffen, sind verschiedene Mängel zu beseitigen. Einerseits sollten die klaren Abgrenzungen zwischen den verschiedenen Bildungssystemen aufgehoben und das neue Fachhochschulsystem weiter gefördert werden, und andererseits besteht Reformbedarf im Bereich der Universitäten, da sie erhöhte Konkurrenz seitens der Fachhochschulen und der spezialisierten Forschungsinstitute erwarten müssen.

In den letzten zwei Jahrzehnten sind infolge der starken Expansion im Bildungssystem entsprechende Veränderungen im Bildungsstand der Bevölkerung festzustellen. Die Zahl der Erwerbstätigen, die außerhalb der Pflichtschule keinerlei Abschluß besitzen, hat im Vergleich zu den frühen achtziger Jahren stark abgenommen. Die anderen Bildungsebenen haben hingegen teilweise starke Zuwächse zu verzeichnen. Lediglich berufsfachliche Erstabschlüsse wie Fachschule und Lehre haben zugunsten der höheren Bildungsmöglichkeiten anteilig verloren. Im Jahr 1995 hatten rund 40 Prozent der Österreicher einen Lehrabschluß, 11 Prozent einen Fachhochschulabschluß, und etwa 9 Prozent konnten den Abschluß einer berufsbildenden höheren Schule vorweisen.

In der produzierenden Wirtschaft, im Bauwesen, im Handel sowie im Verkehrswesen haben rund 50 Prozent einen Lehrabschluß, während in den Finanz- und Wirtschaftsdiensten sowie im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen die akademisch-schulische Ausbildung einen höheren Stellenwert aufweist. Österreich besitzt im internationalen Vergleich einen geringen Anteil an Erwerbspersonen nur mit abgeschlossener Pflichtschule, dafür aber einen hohen Anteil mit Sekundärbildung, eine breite mittlere Qualifikationsschicht und eine geringe Akademisierung.

Bisher deckten Absolventen einer HTL oder HAK den Qualifikationsbedarf, der in anderen Ländern mit Abgängern kürzerer Hochschulstudien beziehungsweise mit Fachhochschulabsolventen gedeckt wird. Durch die Entwicklung im Bereich der Fachhochschulen seit 1994 wird es in den nächsten Jahren zu einem modifizierten Qualifikationsangebot kommen. Über kurz oder lang wird dies zu einem gesteigerten Angebot an Hochqualifizierten führen.

Österreich besitzt im Vergleich zu anderen Ländern ein spezifisches Berufsbildungssystem. Einzigartig ist hier die Kombination eines starken Lehrlingsausbildungssystems mit einem ausgeprägten schulischen Berufsbildungsangebot. Hierbei wird die Akademisierung sehr niedrig gehalten, da in Österreich anstelle der Kurzstudien die berufsbildenden höheren Schulen eingerichtet wurden, wie sie in anderen Ländern nur sehr selten zu finden sind.

Durch diese einzigartige Qualifikationsstrategie ergibt sich in Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sowohl eine günstige Arbeitsmarktsituation als auch eine relativ hohe Wirtschaftsleistung je Einwohner. Eine im Bericht enthaltene Aufstellung zeigt deutlich, daß die berufliche Bildung anhaltend hohe Attraktivität aufweist. So befinden sich zirka 76 Prozent der Jugendlichen der 10. Schulstufe in einem einschlägigen Bildungsgang. Wie bereits erwähnt, haben innerhalb der beruflichen Bildungsgänge die BHS gegenüber den fachlichen Erstausbildungen – wie Lehre und Fachschule – stark dazugewonnen.

Der Anteil der Jugendlichen, welche die 10. Schulstufe in einer BHS verbringen, hat in den letzten zwei Jahrzehnten von 9 auf 24 Prozent zugenommen. Diese Entwicklung entspricht sicherlich den bildungspolitischen Zielsetzungen unseres Landes. Deshalb wurde zwischen 1973 und 1993 auch die Zahl der BHS von 149 auf 309 solcher Einrichtungen erhöht.

Welche Abschlüsse werden von den Österreichern erreicht? – Laut dem jährlichen Mikrozensus des Österreichischen Statistischen Zentralamtes liegt der Anteil der 20- bis 24jährigen Bevöl


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kerung mit einem über die Pflichtschule hinausgehenden Abschluß bei 81 Prozent. Das bedeutet aber umgekehrt, daß 19 Prozent dieser Altersgruppe ohne entsprechenden Abschluß sind. Bei den über 55jährigen liegt dieser Anteil zwischen 35 und 46 Prozent, bei den über 60jährigen bereits über 55 Prozent.

Mit einem Anteil von 81 Prozent liegt Österreich im europäischen Spitzenfeld. Höhere Werte erreichen nur noch Deutschland, Dänemark und die Niederlande, hingegen liegen Großbritannien, Italien, Spanien und Portugal unter 60 Prozent.

Die Statistik "Bevölkerung und soziale Bedingungen 12/95" von Eurostat zeigt, daß Österreich mit einer 6prozentigen Arbeitslosenquote der Unter-25jährigen hinter allen EU-Staaten sowie hinter den USA und Japan liegt. Die im Nationalen Aktionsplan für die Beschäftigung beschlossenen Maßnahmen sollen diese Werte weiter reduzieren. So wurde in diesem Aktionsplan festgehalten, daß die Betriebe einen jährlichen Steuerfreibetrag von 20 000 S pro Lehrling im ersten Lehrjahr erhalten sollen. Weiters sind die Sozialversicherungsbeiträge für alle drei Lehrjahre gestrichen worden, ebenso die Arbeitgeberbeiträge zur Unfallversicherung für das erste Lehrjahr. Alle diese Maßnahmen ergeben zusammen eine Erleichterung für jene Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, in der Höhe von rund 700 Millionen Schilling. Dies entspricht etwa 14 Prozent der gesamten Nettoausbildungskosten der Betriebe.

Auch ich möchte es nicht versäumen, mich bei allen Lehrherren und Betrieben zu bedanken, die sich weiterhin bereit erklärt haben, Lehrlinge auszubilden.

Zusätzlich hat das Land Tirol die Lohnkosten für das erste Berufsschuljahr übernommen. Im letzten gemeinsamen Landtag der Länder Südtirol, Trentino und Tirol in Meran wurden zusätzliche Maßnahmen beschlossen, um die Jugendarbeitslosigkeit zu verringern: die Einrichtung einer gemeinsamen Informationsbörse für Lehrstellen, ein gemeinsamer Fachhochschulstudienlehrgang für Tourismus- und Dienstleistungsmanagement, grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Handwerks- und Berufsausbildung und eine grenzüberschreitende, großflächige computermäßige Schulvernetzung für eine zukunftsorientierte Ausbildung der Jugend in diesem Bereich.

Kollege Weilharter! Die Haltung der FPÖ zu den Lehrlingen gibt eine Aussage des FPÖ-Abgeordneten Haberler im Niederösterreichischen Landtag wieder. Er hat dort alle Lehrlinge als Läuse bezeichnet. Ich glaube, dazu braucht man sich nicht weiter zu äußern, denn das sagt alles.

In den neunziger Jahre hat sich zunehmend die Tendenz gezeigt, daß Jugendliche, welche die Pflichtschule nicht oder nur mit sehr schlechtem Erfolg abgeschlossen haben, häufig weder einen Schulplatz in einer Fachschule noch eine Lehrstelle finden können. In den früheren achtziger Jahren war es noch sozial akzeptiert, daß der Berufseinstieg auf Ebene der Un- und Angelernten erfolgte. Heutzutage allerdings besteht dieser Ausweg für Pflichtschulabsolventen kaum noch, und dadurch hat sich die Ausbildungs- und Schulplatzproblematik für Pflichtschulabgänger weiter verschärft.

Mittelfristig betrachtet ergeben sich für die Berufsbildungspolitik folgende Trends: Tertiärisierung der Wirtschaft und damit verbundene Verschiebung des beruflichen Ausbildungsbedarfs in Richtung Dienstleistungen, Trends zu technisch-organisatorischen Veränderungen, Trends im Zusammenhang mit wachsenden und sich immer rascher ändernden Kundenwünschen, Internationalisierung der Wirtschaft und verstärkte Umweltbezogenheit der Wirtschaft.

Im Jahre 1996 betrug der Anteil der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor bereits 67 Prozent, zehn Jahre zuvor noch 59 Prozent. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung "Prognos AG" prognostiziert für das 21. Jahrhundert einen weiteren Anstieg des Bedarfs an Dienstleistungen, wie zum Beispiel: Ausbilden, Beraten, Informieren, Organisation, Management oder Forschung und Entwicklung. Die Tätigkeitsbereiche Maschinen und Anlagen zu steuern oder zu reparieren, werden zu Lasten der Produktionstätigen zunehmen; deshalb wird es in Zukunft von großer Bedeutung sein, eine qualifizierte Ausbildung zu erlangen. Qualifizierte, innovationsfähige Mitarbeiter sind durch solide und stetige Aus- und Weiterbildung nach modernsten Konzep


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tionen zu erreichen. Das bedeutet den ständigen Zugang zur Aktualisierung der Kenntnisse und zum Erwerb neuer Kenntnisse. Das heißt also: lebenslanges Lernen.

Abschließend darf ich mich bei den Beamten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten und bei Ihnen, Herr Bundesminister, für die Ausarbeitung dieses ausgezeichneten Berichtes recht herzlich bedanken und ersuche die Damen und Herren des Hohen Hauses, den Berufsbildungsbericht 1997 zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.41

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

14.42

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Vindl hat die wesentlichen Daten und Zahlen aus dem Berufsbildungsbericht so großartig vorgetragen, daß all diejenigen, die den Bericht nicht gelesen haben, nun bestens darüber Bescheid wissen. Ich glaube, dafür können ihm alle dankbar sein. Einige haben es sich erspart, sich der Mühe zu unterziehen, den Bericht selbst zu lesen, und daher ist es durchaus positiv, daß Herr Kollege Vindl jetzt aufklärend dazu beigetragen hat, daß sich jeder auskennt und weiß, was in diesem Bericht steht.

Sicherlich kann man nicht ganz allgemein sagen, daß die Situation der Lehrlinge dramatisch und schlecht ist, denn immerhin entscheiden sich fast 40 Prozent für eine Lehre und finden, daß dies ein guter Ausbildungsweg ist. Wir freuen uns auch alle darüber, wenn unsere Lehrlinge bei internationalen Wettbewerben gut abschneiden, und wir können auch froh darüber sein, wenn im europäischen Durchschnitt die Jugendarbeitslosigkeit "nur" – unter Anführungszeichen – 6 Prozent beträgt.

Trotz alledem ist das kein Grund, sich zurückzulehnen, tief durchzuatmen, sich selbst auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: Wir sind ohnehin so toll! – Man darf nämlich nicht vergessen, daß, auch wenn 1997 die Zahl der Lehrstellen wieder leicht gestiegen ist, daß entgegen den Ankündigungen von Kanzler Klima, daß im Herbst 1997 kein Lehrling ohne Lehrstelle auf der Straße stehen werde, das nicht der Fall war: In Österreich gab es Ende 1997 ungefähr 2 700 Lehrlinge, die ohne Ausbildungsstelle waren. Wir haben jetzt Juni 1998, und Ende dieses Monats werden geschätzte 4 000 Lehrlinge, die die Schule verlassen, keinen Ausbildungsplatz haben.

Herr Kollege Freiberger hat ausgeführt, die Wirtschaft würde immer fordern, daß Schutzbestimmungen gesenkt werden. Das würde auch damit zusammenhängen, daß Lehrlinge, die in der freien Wirtschaft und nicht in einer Ihrer Lehrwerkstätten ausgebildet werden, generell durchfielen. – Dazu muß ich Ihnen, Herr Kollege Freiberger, schon folgendes sagen: Sie sollten sich vielleicht einmal mit Ihrem Chef, Herrn Verzetnitsch, zusammensetzen, denn dieser hält nämlich auch nicht besonders viel von Auflagen. Er sagte dazu: Der Lehrstellenmangel wird auch von der Ministerialbürokratie produziert.

Was ist der Grund für seine Kritik? – Der gewerkschaftsnahe Verein – das wird Ihnen ja bekannt sein – "Jugend am Werk" hat beim Wirtschaftsministerium um eine Bewilligung für 200 Lehrlinge angesucht. Lehrlingsstiftungen, die vom Arbeitsmarktservice bezahlt werden, sind im Berufsausbildungsgesetz vorgesehen, wenn dadurch Jugendliche unterkommen können, die sozusagen besonders problematisch unterzubringen sind, weil sie wegen Behinderungen körperlicher und auch sozialer Natur oder sonstiger sozialer Probleme kaum vermittelbar sind.

Klar ist, daß der Träger solcher Ausbildungseinrichtungen die nötigen Ausbildungsbefugnisse nachweisen muß, und klar ist weiters, daß eine ordnungsgemäße Ausbildung garantiert werden muß. Diese Auflagen erfüllt der Verein "Jugend am Werk", und dieser hat dadurch auch vom Wirtschaftsministerium die Bewilligung erhalten. Das ist der Knackpunkt: Hier werden die Auflagen bekrittelt, etwa daß die Bewilligung nur für ein Jahr gegeben wird, obwohl drei Jahre im Gesetz vorgegeben sind, aber bei den 200 angehenden Schlossern, Elektrikern und so weiter –


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diese werden einzeln angeführt – muß darauf geachtet werden, daß für sie mit allen Bemühungen eine Lehrstelle gefunden wird.

Darüber muß auch noch ein Nachweis erbracht werden; und genau das ist es, was ÖGB-Präsident Verzetnitsch kritisiert, nämlich daß alle drei Monate 200 Berichte an das Wirtschaftsministerium – womöglich noch in doppelter Ausfertigung – gehen müssen. Ihr ÖGB-Präsident wundert sich und sagt: Wenn solche Auflagen auch Privaten gemacht würden, gäbe es wohl in ganz Österreich keinen einzigen Lehrling. – Sie können daraus ersehen, daß man es mit den Auflagen, wenn sie einen selbst betreffen, dann doch nicht so ganz genau nimmt. Das wird immer nur bei den anderen so gesehen. (Zwischenruf des Bundesrates Freiberger. )

Ja, aber dort, wo Schutzbestimmungen nicht mehr zeitgemäß und auch nicht notwendig sind, gehören diese nun einmal abgeschafft. Ich hoffe, daß wir uns wenigstens auf diesen kleinen gemeinsamen Nenner einigen können. Es geht nicht darum, dem Lehrling überhaupt keinen Schutz angedeihen zu lassen, sondern den sogenannten Schutz dort abzuschaffen, wo er fast schon schikanös wirkt. (Ruf bei der SPÖ: Ah so, keinen Schutz!)

Es gibt dazu auch Umfragen in Betrieben, die immer wieder durchgeführt werden. So gab es bereits im Jahre 1994 eine schriftliche Befragung in Betrieben, bei der immer wieder dieselben Punkte angeführt wurden. Leider wird aber nie darauf reagiert.

Erstens: das Fehlen geeigneter Bewerber. Das ist etwas, was oft vorkommt, aber von Ihnen immer gerne geleugnet wird.

Zweitens: die Kosten der Ausbildung und bestimmte gesetzliche Regelungen, wie zum Beispiel die Schwierigkeit, ein Lehrverhältnis beenden zu können, wenn der Lehrling nicht so arbeitet, wie er sollte.

Es gibt außerdem noch eine Umfrage, die ein wenig aktueller ist, und zwar aus dem Jahre 1996, wonach oberösterreichische Unternehmen den Lehrlingsrückgang zu 52 Prozent auf die hohen Arbeitskosten zurückführen. Da läuft es auch wieder nach demselben Schema ab: Die indirekten Kosten sind zu hoch, es besteht ein Mangel an qualifizierten Bewerbern, ein genereller Personalabbau ist vorhanden – und es droht Abwerbungsgefahr. (Bundesrat Freiberger: Es sollen eh alle zahlen und nicht nur die, die ausbilden!)

Aber diejenigen, die ausbilden, tragen ohnehin schon die Kosten. Einem Betrieb, der ausbildet, verursacht der Lehrling sowieso Kosten. Der Betrieb bekommt auch nichts geschenkt. Vielleicht denken Sie auch einmal darüber nach! (Bundesrat Rauchenberger: Das hat er ja gemeint!)

Jetzt gibt es den Nationalen Aktionsplan, über den wir bereits im Zusammenhang mit dem Sozialbericht gesprochen haben, wobei wir Ihnen, Herr Bundesminister, schon damals gesagt haben, daß Sie die Lehrlinge in der Arbeitslosenstatistik sozusagen verschwinden lassen wollen, indem Sie sie in irgendwelche Stiftungen oder sonstige schulischen Ausbildungen abschieben, damit diese eben nicht in der Arbeitslosenstatistik aufscheinen. Apropos Statistik: Sogar das AMS selbst sagt, daß die Statistik jetzt für Österreich – im Vergleich zu anderen europäischen Ländern – nicht so schlecht ausschaut. Trotzdem gibt es eine etwa gleich hohe Dunkelziffer, weil man davon ausgehen kann, daß jeder zweite arbeitslose Jugendliche gar nicht beim Arbeitsmarktservice gemeldet ist. Dann sieht die Statistik nämlich nicht mehr ganz so schön aus. Trotzdem sind all diese Vorhaben, die jetzt im NAB vorgeschlagen werden, nur Notlösungen; darüber sind wir uns im klaren. Die Lehrlinge werden sozusagen zwischengeparkt, aber in drei Jahren stehen sie dann doch da und wollen einen Arbeitsplatz. Wenn Sie nicht in der Lage dazu sind, Arbeitsplätze zu schaffen, dann werden diese Jugendlichen eben sehr wohl als Arbeitslose übrigbleiben.

Man darf dabei nicht vergessen, daß dieses "Zwischenparken" auch nicht ganz im Sinne der Lehrlinge ist: Ein Lehrling macht eine Lehre, weil er eben nicht den ganzen Tag irgendwo die Schulbank drücken, sondern in der Praxis arbeiten möchte. Die Schule nimmt er dann nur zusätzlich in Kauf, möchte aber lieber Geld verdienen, denn sonst wäre ja nicht in die Lehre gegangen.


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Jetzt müßte man natürlich nach Lösungen suchen, die nicht so viel Geld kosten. Die Lehrlingsausbildung im Rahmen des NAB kostet 1 Milliarde Schilling. Und Sie wissen noch nicht einmal, woher Sie das Geld nehmen sollen.

Sie müssen natürlich auch die Ursachen bedenken, warum immer weniger Unternehmer Lehrlinge ausbilden. Es ist heute bereits die Industrie angesprochen worden. Gerade in der Industrie – denken Sie doch an die Ergebnisse von Umfragen in Betrieben: es gibt nicht genügend qualifizierte Bewerber – ist es so, daß immer größere Anforderungen an einen Lehrling gestellt werden. Die Maschinen werden immer komplizierter. Diese jungen Menschen müssen dann hinsichtlich Bedienung, Wartung und Reparatur doch schon ein gewisses Wissen an Informatik oder an EDV haben, um damit überhaupt zurechtzukommen. Es gibt genügend Studien, die zeigen, daß sich viele Lehrlinge oft nicht einmal bei den einfachsten Grundrechnungsarten auskennen. Wie soll das dann funktionieren?! – Die Bedienungsanleitungen werden immer komplizierter, aber diese müssen verstanden werden. Das heißt also: Die Anforderungen sind insgesamt gestiegen. (Bundesrat Freiberger: Das sind keine Spitzenfacharbeiter, das sind Lehrlinge!)

Ich habe Ihnen von dieser Stelle aus schon öfters gesagt: All diese aufgezeigten Mängel liegen auch im Bildungssystem: Das fängt in der Volksschule an und setzt sich dann nahtlos fort. Da muß angesetzt werden! – All das sind Dinge, die nicht nur wir, sondern auch viele Fachleute sagen; aber leider meinen Sie, wir üben eben nur Kritik. Solange Sie aber in dieser Angelegenheit nichts tun, wird uns überhaupt nichts anderes übrig bleiben, als weiterhin Kritik zu üben.

Weil das Thema Lehrlinge so wichtig ist, auch in Richtung des Herrn Wirtschaftsministers: Es gibt eine Reihe von Anträgen von uns Freiheitlichen – leider behaupten Sie immer wieder, wir würden keine Vorschläge machen – zur Lehrlingsproblematik; natürlich gibt es solche auch von den anderen Oppositionsparteien. Diesbezüglich hat man sich im Dezember 1997 dazu durchgerungen, im Nationalrat einen entsprechenden Unterausschuß einzusetzen. Dieser hat gestern, ein halbes Jahr später, zum allerersten Mal getagt! Und was ist dabei herausgekommen? – Dieser Unterausschuß wurde sofort auf unbestimmte Zeit vertagt.

Meine Damen und Herren! Daraus können Sie erkennen, für wie gering die Regierungsparteien das Problem Jugendarbeitslosigkeit und Lehrlinge einstufen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.53

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile ihm dieses.

14.53

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich wollte mich eigentlich zu diesem Tagesordnungspunkt nicht zu Wort melden (Bundesrätin Mühlwerth: Dann hätten Sie es doch lassen können!) , aber Kollege Freiberger hat mich aufgrund seiner Ausführungen doch dazu veranlaßt. Ich bin schon einiges vom Kollegen Drochter gewöhnt, aber: Den Kammerpräsidenten der Steiermark als "Kleinhäusler" zu bezeichnen ... (Bundesrat Freiberger: Kleingreißler!) "Kleinhäusler" habe ich verstanden.

Ich habe eher gedacht, Sie meinen kleinkariert. Das hätte ich vielleicht eher manchen Funktionären der Gewerkschaft zugeschrieben. (Bundesrat Prähauser: So würden wir uns nie ausdrücken!) Ich habe "Kleinhäusler" verstanden.

Herr Kollege Freiberger! Mit Ihren Aussagen beleidigen Sie rund 40 000 Lehrbetriebe in Österreich. Es gibt 40 000 Lehrbetriebe, von denen fast über 90 Prozent Klein- und Mittelbetriebe sind, die in der Lehrlingsausbildung sehr bemüht sind. Wir sollten diesen dafür dankbar sein, daß sie sich in der Lehrausbildung derart engagieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie sich diesen Bericht anschauen, sehen Sie, daß gerade im Gewerbebereich die Zahl der Lehrbetriebe gestiegen ist, während sie sonst geradezu dramatisch gesunken ist – gerade auch in der Industrie, Herr Kollege, wo Sie von den Gewerkschaften vielleicht den meisten


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Einfluß haben. Ich habe Ihnen das bereits voriges Jahr hier gesagt, als wir über das Lehrlingspaket 1 diskutiert haben.

Denken Sie doch nur an die OMV! Die OMV ist zwar stolz darauf, Höchstdividenden auszahlen zu können, zählte aber zu den ersten, die dann Lehrwerkstätten geschlossen und verlangt haben: Wenn das Land oder das AMS soundso viele Mittel bezahlt, dann werden sie die Lehrwerkstätten wieder aufsperren. – Da wäre ein Lehrplatz auf rund 30 000 S gekommen! (Bundesrat Dr. Tremmel: So ist es!) Ich kenne das Problem Fohnsdorf nicht, kann mir aber vorstellen, daß da ähnliches diskutiert wurde.

In einem solchen Fall entstehen enorme Wettbewerbsverzerrungen zwischen brav ausbildenden Lehrbetrieben und gewissen Großbetrieben. Im Handel ist die Situation ähnlich. Durch diese Forderungen entstehen Wettbewerbsverzerrungen. Ich habe schon voriges Jahr gesagt: Wir sind dafür dankbar, daß die Arbeitsmarktförderung die Lehrlingsausbildung unterstützt. – Ich habe aber damals auch zu bedenken gegeben, wie lange man sich das leisten kann. Jetzt ist es bereits so, daß das Arbeitsmarktservice die zusätzliche Lehrlingsausbildung nicht mehr finanzieren kann.

Ich glaube daher, daß unser Weg richtig ist, unnötige Schutzbestimmungen zu eliminieren. Ich denke in diesem Zusammenhang etwa an das Gastgewerbe: Warum darf ein Lehrling um 22 Uhr nicht hinter der Budel stehen, aber vor der Budel darf er bis in die Morgenstunden hinein feiern? (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder: Ein Dachdeckerlehrling darf nicht auf das Dach hinaufsteigen, wenn es nicht abgesichert ist. Ich könnte noch viele weitere solcher Fälle anführen. Es wurde von Frau Ministerin Hostasch zugesagt, daß in einer Arbeitsgruppe nach Lösungen gesucht wird, daß man über die Erreichung gewisser Arbeitnehmerschutzbestimmungen nachdenken werde. – Bis heute gibt es keine Ergebnisse, keine Lösungen.

Meine Damen und Herren! Wir alle können auf unsere Klein- und Mittelbetriebe und auf das Lehrlingspaket 1 stolz sein, denn damit ist es gelungen, in Österreich um 8 Prozent mehr Lehrlinge unterzubringen.

Da von meinem Vorredner davon gesprochen wurde, daß für heuer wieder eine Lehrlingsproblematik zu befürchten ist, so möchte ich nur auf die Situation in Niederösterreich hinweisen. Bei uns gibt es bis jetzt um 27 Prozent mehr Lehrverträge als im vergangenen Jahr. Auch gibt es ein um 13 Prozent höheres Angebot an Lehrstellen. Das heißt, das Lehrlingspaket 1 hat durchaus gegriffen.

Sie haben auch von der Ausbildung der Lehrlinge gesprochen. In diesem Bericht wird stolz darauf hingewiesen, daß österreichische Lehrlinge über 90 Medaillen bei internationalen Wettbewerben im Ausland gewinnen konnten. Seien wir doch stolz darauf! Das sind meistens Lehrlinge, die in Klein- und Mittelbetrieben ausgebildet wurden. Daß es aber da und dort Probleme gibt, gebe ich schon zu. Es hat Frau Kollegin Mühlwerth richtigerweise gesagt, daß man sich auch anschauen muß, wer heute in die Lehre geht, wie sozusagen das "Material", die Substanz ist.

Der Vorschlag, eine Teillehre einzuführen, ist daher als Versuch zu sehen, junge Menschen vom Hilfsarbeiterstatus wegzubringen, ihnen durch eine Teillehre die Möglichkeit zu geben, langfristig in einen Lehrberuf zu wechseln. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Weiters wäre es wichtig, daß noch weitere Punkte korrigiert werden; so zum Beispiel die Frage der Verhältniszahlen. Man beklagt sich darüber, daß die Betriebe zu wenige Lehrlinge aufnehmen. Es fehlt aber vor allem seitens der Gewerkschaft an Mut, zuzustimmen, daß die Lehrlingszahlen für Betriebe, die die Möglichkeit zum Ausbilden haben, erhöht werden können.

Oder die Frage der Kündigung: Wir sind für jede Schutzbestimmung für Lehrlinge. Wir brauchen aber keine "pragmatisierten" Lehrlinge. Heute besteht noch in den ersten zwei Monaten kaum die Möglichkeit, das Lehrverhältnis zu kündigen. Der ausbildende Betrieb hat dann praktisch


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überhaupt keine Möglichkeit mehr, das Dienstverhältnis aufzulösen. – Es gab dazu bereits Zusagen seitens der Gewerkschaft, eine gemeinsame Vermittlungsstelle zur Auflösung von Lehrverhältnissen einzurichten. Bis jetzt ist es jedoch noch zu keinen Ergebnissen gekommen.

Was besonders wichtig ist, ist: Wir müssen verhindern, daß es zu einer weiteren Verschulung der Lehre und zu einer weiteren Ausdehnung der Berufsschulzeiten kommt; weil dadurch die Bereitschaft der Lehrbetriebe, Lehrlinge auszubilden, sinken wird. Ich glaube, die Berufsschulzeiten sind ausreichend, man sollte nur in manchen Bereichen die Lehrpläne entrümpeln.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß wir mit der derzeitigen Diskussion um das Nationale Beschäftigungsprogramm gerade im Kapitel Lehrlinge einige Fortschritte erzielen konnten. Ich weiß zwar nicht, wie der jetzige Stand der Verhandlungen ist, aber die Zusage, einen Absetzbetrag in der Höhe von 20 000 S für Lehrbetriebe, die Lehrlinge ausbilden, einzuführen, ist der richtige Weg, und zwar in Richtung Kostenentlastung, aber auch in Richtung einer marktgerechten Lösung, die jenen Betrieben zugute kommt, die Lehrlinge ausbilden, und nicht von einzelnen Förderungsmöglichkeiten abhängig ist.

Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Bericht ist ausgezeichnet, und meine Fraktion wird ihm daher gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.01


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641. Sitzung / Seite 95

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Haunschmid. – Bitte.

15.01

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Freiberger haben mich veranlaßt, mich zusätzlich zu Wort melden. Er hat nämlich behauptet, daß die Freiheitlichen keine Lösungsvorschläge hätten.

Herr Kollege! Meine Damen und Herren! Ich war 23 Jahre lang ununterbrochen als Ausbildnerin im Gastronomiebetrieb tätig und habe vor zwei Jahren aus Frust an den Gesetzen, an den Kontrollen und Auflagen die Lehrlingsausbildung beendet. Heuer habe ich damit wieder angefangen, weil mir die Lehrlinge leid tun, daß sie das Opfer einer verfehlten Regierungspolitik sein sollen. Es gibt aber eine Teillösung, eine große Teillösung, um der Lehrlingsproblematik Herr zu werden: Schaffen Sie endlich die Rahmenbedingungen – das ist eine Bitte an Sie, Herr Minister –, die von uns Freiheitlichen längst gefordert werden, wie Steuerreduzierung, Senkung der Lohnnebenkosten und der Kommunalabgaben und so weiter ab.

Kollege Freiberger hat zuerst gefragt: Was ist mit den Sozialleistungen bei Senkung der Lohnnebenkosten? Wie deckt man diese ab? – Darauf gibt es für mich nur eine Antwort: Warum schafft man Sozialleistungen, wenn sie nicht finanzierbar sind, bevor nicht in vielen Bereichen Sparmaßnahmen dazu getätigt wurden. – Sinnvoll wären eine neue Arbeitszeitregelung, eine Erneuerung der Berufsschulmodelle und weg mit dem Damoklesschwert der vielen Kontrollen und der bürokratischen Belastungen für uns Betriebe.

Meine Damen und Herren! Nicht die Neugründungen von Lehrberufen sind die Zukunft, nur ein gesunder Betrieb und ein sorgenfreier Lehrherr können gutes Fachpersonal ausbilden. Und das sind, trotz Trend der Regierung, nicht die Multikonzerne und Großbetriebe, sondern die guten Klein- und Mittelbetriebe und die Familienbetriebe, die das gesunde Fundament für eine gute Ausbildung bieten können. Sie vermitteln das, was so wichtig ist, sie sollten nämlich noch ein bißchen Erzieher sein und ein bißchen Vater oder Mutter spielen, die die Lehrlinge in den jungen Jahren so notwendig haben, wenn es der Staat zuläßt.

Wir wollen Mitarbeiter und Partner, faire Partner aus ihnen machen. Wir sind die letzten, die nicht gewillt sind, Lehrlinge auszubilden, denn wir wissen sehr wohl, daß wir nur mit gutem, arbeitseinsatzfreudigem Personal, die Partner geworden sind, unsere verwelkte, durstige Wirtschaftspflanze wieder mehr zum Blühen bringen können. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Giesinger. – Bitte.

15.05

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrten Herren Minister! Ich möchte noch ergänzend zu dem, was mein Kollege Bundesrat Kurt Kaufmann gesagt hat, einige Punkte besonders hervorheben:

Herr Kollege Freiberger! Wenn Sie einen Ausbildungsfonds für Betriebe verlangen, um damit Lehrwerkstätten zu finanzieren, so möchte ich Ihnen sagen, daß das wieder eine sehr große Belastung für die Unternehmer mit sich bringen wird. Es ist schon eigenartig, daß in diesem Staat die Schule und das Studium an der Universität von allen Steuerzahlern bezahlt werden, die Lehrlinge aber nach Ihren Vorstellungen, Herr Kollege Freiberger, ausschließlich von den Betrieben bezahlt werden sollten. Der Staat kann die Betriebe schon belasten, die Frage ist nur, wie lange die Betriebe das aushalten. Konkret geht es dann um Arbeitsplätze.

Es hat auch seine Gründe, wenn Betriebe keine Lehrlinge mehr einstellen, und angesichts dessen sollten bei uns als Politiker und Politikerinnen, die für die Rahmenbedingungen zuständig sind, mehr als die Alarmglocken läuten. Außerdem gibt es viele Betriebe in Österreich, die die Lehrlinge ausgezeichnet ausbilden, Herr Kollege Freiberger! Das heißt, es ist nicht überall so, wie Sie es dargestellt haben. Dies wollte ich abschließend noch betonen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

15.07

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.07

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Zunächst eine Grundfeststellung: Natürlich leidet der Bericht auch daran, daß er mit 1996 endet; das heißt, wenn er publiziert wird, liegen die Ergebnisse des letzten Jahres schon vor. Für das letzte Jahr kann man jedenfalls sagen, daß wir zum ersten Mal seit über 20 Jahren eine Zunahme bei den Einstellungen von Lehrlingen feststellen konnten, sodaß man durchaus von einem Trendbruch reden kann. – Punkt 1. Egal, wem man jetzt die Zahlen zuordnet, auch ohne Stiftungszahlen kann man sagen, daß es eine bessere Bereitschaft für die Lehrlingsausbildung gab.

Zum zweiten: Wir müssen uns vor Augen halten, daß alles, was wir auf dem Lehrlingssektor machen, unter einer großen Gleichung steht. Erfahrene Bildungspolitiker wissen, daß pro Jahr etwa zwischen 3 000 und 4 000 junge Menschen entweder nicht hinreichend qualifiziert, motiviert oder engagiert sind, um eine Lehre oder eine Schule zu machen, die relativ schwierig anzusprechen sind. Dieser Teil bleibt uns jedes Jahr erhalten, für diesen Teil Garantien abzugeben, würde ich mir nicht zutrauen. Bei diesem Teil reden wir über Lehre, über Auffangeinrichtungen oder ähnliche Dinge mehr, aber das ist auch der härteste Teil. Man soll aber wegen dieses Teils nicht vergessen, daß der allergrößte Teil, also Zigtausende Lehrlinge, in Österreich exzellent ist und in den internen Vergleichen auch hinreichend gelobt wird. Ich glaube auch, daß wir zuviel über die kleine Nische des Nichtunterkommens der Schlechten sprechen und damit die anderen nicht motivieren. Das ist keine Schönwettersendung, sondern ein Punkt, der einmal gesagt werden muß.

Es wurde hier auch die Frage gestellt: Was spielt sich rund um den NAB ab? – Ich teile nicht die Auffassung der Bundesrätin Mühlwerth, daß das wieder leere Luft oder was immer sei. Ich darf in Erinnerung rufen, daß wir im NAB mehrere Eckpfeiler eingebaut haben. Wir brauchen mehr und neue Lehrberufe. Wir brauchen deshalb neue Lehrberufe, weil die Gesellschaft, die sich zur Dienstleistungsgesellschaft wandelt, mit den vielen alten Produktionsberufen nichts mehr anzufangen weiß.


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Ich kann anhand der Zahlen nachweisen, daß ein neuer Beruf mehr Lehrplätze gebracht hat als zwei oder mehr Stiftungen zusammen. Ich denke dabei nur an die neuen Technikberufe "Blum" oder an den heute von einem der Redner genannten Systemgastronom. Ich gehe bei den neuen Berufen davon aus, daß dies nicht solche sind, die sich irgend jemand aus dem Finger zuzelt, weil er glaubt, daß dies gescheit wäre – solche würde ich auch nicht zur Kenntnis nehmen –, sondern daß eine Zahl von Betrieben dahintersteht, die sagen, wenn der neue Beruf kommt, sind wir bereit, nicht nur Lehrlinge darin auszubilden, sondern ihnen auch Zukunftschancen zubilligen. – Beim Systemgastronom ist es evident. McDonalds nimmt allein 200 Leute auf und muß nicht Gastarbeiter für diesen Job suchen. Das sind Einstiegshilfen, die wichtig sind.

Wir wollen noch bis zum Sommer 20 neue Berufe schaffen, wobei wir bei einigen Berufen, sei es der Gartencenterkaufmann, sei es der Abfalltechniker, seien es andere, von Unternehmern die Zusage haben, daß sie hundert bis zweihundert Lehrlinge aufnehmen werden. Das macht den Wert neuer Berufe aus, nicht das synthetische Erfinden von neuen Berufen oder das Umtaufen alter. – Das ist ein Punkt, der im NAB enthalten ist.

Ein weiterer Punkt im NAB ist, daß wir bereits einige Vergünstigungen für Lehrbetriebe, wie den Freibetrag, die Nichtanrechnung auf bestimmte Verhältniszahlen – das ist im Werden –, im Hohen Haus beschlossen haben.

Ein weiterer Teil ist wieder das berühmte Auffangnetz. Das Auffangnetz kann nicht so aussehen wie im letzten Jahr. Das kann sich das AMS nicht leisten, und das kann sich der Lehrstellenmarkt nicht leisten, denn internes Bench-marking von Instituten, die nicht meiner Reichshälfte angehören, zeigt deutlich, daß 50 Prozent der Förderungen Mitnahmeeffekte gewesen sind und der Rest nicht zu allergrößtem Optimismus Anlaß gibt.

Daher auch die zum Teil kritisierte überflüssige Bürokratie, denn eines kann auch nicht passieren – wer den heutigen "Kurier" gelesen hat, weiß, was ich meine –: Wir können nicht von Modellstiftungen zum Stiftermodell gehen.

Plötzlich finden sich Berater, die sagen, ich suche mir einen Industriebetrieb, der seine Lehrlinge outsourcen will. Voriges Jahr wollten große Betriebe an Stiftungen outsourcen. Jetzt kommen sie und stiften einen Stifter aus, also an Einzelpersonen. Gerade im Hinblick auf die Skillsqualität von handwerklichen Fähigkeiten als den entscheidenden Standortvorteil einer modernen Volkswirtschaft – das ist heute ziemlich unbestritten und viel wichtiger als andere Faktoren, die jeder in den Mund nimmt – kann es nicht so sein, daß die wettbewerbsfähigsten Betriebe auf das Heranbilden der eigenen Fachkräfte verzichten. Daher soll sich auch jeder große internationale Investor diesem erfolgreichen österreichischen System anschließen. Mir fallen dazu einige große Investoren ein, die bisher immer nur davon leben, daß sie im Umfeld, in Kleinbetrieben, ihre Lehrlinge ausbilden lassen.

Meine Damen und Herren! Daher wird noch relativ viel harte Arbeit in den nächsten Wochen notwendig sein, um die im NAB vorgestellten Maßnahmen rechtzeitig für das nächste Lehrjahr und das nächste Wirtschaftsjahr umzusetzen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß das Hohe Haus in den nächsten Wochen mit den erforderlichen Maßnahmen befaßt werden wird. – Ich danke, Frau Präsidentin! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppe samt Erklärungen Österreichs (943, Zu 943 und 1170/NR sowie 5678/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung. Es ist dies

ein Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppe samt Erklärungen Österreichs.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Schaufler übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Engelbert Schaufler: Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Bundesminister für Äußeres und Vizekanzler! Der Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten liegt Ihnen schriftlich vor, daher möchte ich mich auf den Antrag beschränken. Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Hinweis auf den schriftlichen Bericht und die Antragstellung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

15.13

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen werden dem Ausschußantrag keine Zustimmung geben. Wir sind der Ansicht, daß mit diesem Gesetz die Regierung unter dem Deckmantel einer internationalen Notwendigkeit NATO-Truppen ein Stationierungsrecht in Österreich einräumen möchte, ohne daß sie aber der NATO beitreten muß.

Sie, meine Damen und Herren der Regierung, wollen also – so seltsam es nach unserem Dafürhalten klingen mag – Lasten übernehmen, ohne aber die Vorteile zu lukrieren. Die Sicherheitspolitik dieser Bundesregierung ist nach wie vor seltsam. Ich darf Ihnen an dieser Stelle von einem eher unverdächtigen Zeugen eine Stellungnahme zu Ihrer Politik bringen. Ich darf auf die Stellungnahme der Österreichischen Offiziersgesellschaft zurückgreifen und diese – mit Ihrer Erlaubnis, Frau Vizepräsidentin – kurz zitieren:

Mit großem Unverständnis – so steht hier – reagiert die Österreichische Offiziersgesellschaft auf das Scheitern der Bundesregierung in der Frage des Optionenberichtes. Das selbst gewählte Ziel aus dem Koalitionsübereinkommen zur laufenden Gesetzgebungsperiode konnte nicht erreicht werden. Es scheiterte am Widerstand einer Partei, alle weiterführenden sicherheitspolitischen Optionen einschließlich der Frage einer Vollmitgliedschaft Österreichs in der WEU einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen. Im Juli 1998 beginnt die EU-Präsidentschaft Österreichs, das bedeutet auch den Vorsitz bei der initiativen Gestaltung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Wie soll ein Land die Außen- und Sicherheitspolitik für die Europäische Gemeinschaft wahrnehmen, das sich gerade dadurch blamiert hat, daß es die eigene Sicher


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heitspolitik nicht definieren konnte. Es ist international mehr als peinlich, daß sich die SPÖ sogar weigerte, Optionen überhaupt erst einmal als Perspektive zuzulassen.

Die Nichtanerkennung – so steht hier weiter – der NATO als Option erinnert an die Verweigerung der Tatsache, daß die Erde rund sei. Das Befremdende an der derzeitigen Situation ist, daß gar nicht über eine Option entschieden werden kann, weil man sich nicht einmal auf Optionen zur Bewertung einigen konnte. Darüber hinaus erscheint es demokratiepolitisch auch höchst problematisch, die Diskussion von Optionen dadurch zu verhindern, daß man sie nicht einmal wahrnehmen will. Das Fehlen einer Regierungsmeinung zu den weiterführenden Optionen der österreichischen Sicherheitspolitik wird seitens der Österreichischen Offiziersgesellschaft als rufschädigend für die Republik Österreich empfunden.

Die Bundesregierung – so steht hier weiter – wäre gut beraten gewesen, endlich nationale sicherheitspolitische Interessen für Österreich zu definieren, Optionen zur Zielerreichung festzulegen, diese zu bewerten und mit einer klaren Empfehlung an das Parlament vorzulegen. Leider haben parteipolitische Interessen und Flügelkämpfe in der SPÖ dazu geführt, das Wohl unserer Heimat aus den Augen zu verlieren und ein Mitgestalten der sicherheitspolitischen Bedingungen unseres Umfeldes aus der Hand zu geben. – Soweit, meine Damen und Herren, die Österreichische Offiziersgesellschaft.

Ich habe das Papier deshalb verwendet, um einen eher unverdächtigen Zeugen zu haben, der die Sicherheitspolitik und die Politik der Regierung gerade im Rahmen der Erstellung des sogenannten Optionenberichtes kommentiert.

Herr Vizekanzler! Sie sind führend in Ihrer Partei und auch in der Außenpolitik tätig. Sie werden im nächsten halben Jahr Wesentliches zu tun haben, wenn unsere Republik den Vorsitz in der Europäischen Union führen wird. Im Bereich der Sicherheitspolitik allerdings werden Sie über die Versäumnisse Ihrer Regierung, wie ich glaube, nicht hinwegsehen können. Wir Freiheitlichen fordern Sie daher auf, in diesem Bereich mit den Verunsicherungen und Unklarheiten aufzuhören. Sie sollten sich dazu bekennen, endlich der NATO und der WEU beizutreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Ludwig. – Bitte.

15.18

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Kollege Bösch hat das vorliegende Übereinkommen, wie ich meine, sehr kreativ und sehr schöpferisch weiterentwickelt. All das, was ich aus Ihrer Rede herausgehört habe, Kollege Bösch, findet sich nicht unmittelbar in diesem Übereinkommen. Meines Erachtens ist hier auch nicht daran gedacht, unter einem Deckmantel ein Stationierungsrecht für NATO-Truppen zu organisieren, sondern es geht um nicht mehr, aber auch nicht um weniger als darum, daß bei Truppenübungen in Österreich oder auch in den Partnerländern eine gesetzliche Rahmenbedingung geschaffen wird, unter denen die entsprechenden Truppen in den jeweiligen Partnerländern agieren können.

Ich möchte aber kurz auf die historische Entwicklung dieser Kontakte replizieren, die sich zwischen Österreich und der Initiative Partnerschaft für den Frieden entwickelt haben. Österreich hat am 10. Februar 1995 die Einladung zur Partnerschaft für den Frieden, die von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der NATO ausgesprochen wurde, angenommen und das PfP-Rahmendokument unterzeichnet. Seit 30. Mai 1997 wirkt Österreich überdies am Euroatlantischen Partnerschaftsrat mit. Dieser Euroatlantische Partnerschaftsrat ist das neue, umfassende gesamteuropäische Dialog- und Konsultationsforum, das den übergeordneten politischen Rahmen für die Partnerschaft für den Frieden bildet. Auf dieser Grundlage hat Österreich mit der NATO ein dreijähriges individuelles Partnerschaftsprogramm ausgearbeitet, das jährlich fortgeschrieben wird und zurzeit für die Jahre 1997 bis 1999 vereinbart wurde.


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641. Sitzung / Seite 99

Unser Land hat sich darin – ich halte das auch für einen richtigen Schritt – grundsätzlich zur Abhaltung militärischer PfP-Übungen im Inland bereit erklärt. Deshalb sind auch die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, die mit diesem Übereinkommen getroffen werden. Die Grundlage für den rechtlichen Status von Truppen aus Partnerländern, die für PfP-Übungen in ein anderes Partnerland entsandt werden, bildet ein Überkommen zwischen Vertragsstaaten der NATO und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen.

Dieses Truppenstatut-Abkommen, auch PfP-SOFA genannt, bezieht sich auf das NATO-Truppenabkommen aus dem Jahre 1951. Darauf haben Sie, glaube ich, auch Bezug genommen. Dieses NATO-Truppenstatut sieht allerdings mehrere Möglichkeiten vor: Es gilt für dauerhafte Stationierungen, wie das beispielsweise in einigen NATO-Staaten der Fall ist, in Kooperation mit der USA, aber auch für Truppenübungen.

Für uns in Österreich kommen aufgrund der Definition keine dauerhaften Stationierungen in Frage. Kein anderes Land hat das Recht, fremde Truppen in Österreich gegen unseren Willen zu stationieren. Vielmehr verpflichtet dieses Abkommen – deshalb bin ich auch für dieses Abkommen – solche Truppen und Personen, bei ihrem Aufenthalt in Österreich österreichische Gesetze und Vorschriften einzuhalten.

Dieses Abkommen hat den Sinn, die Übungen für die Partnerschaft für den Frieden auf eine verfassungsrechtlich einwandfreie Grundlage zu stellen. Unter den Staaten, die dieses Truppenstatut-Abkommen bereits unterzeichnet haben, befinden sich auch neutrale und mit unserer Außenpolitik vergleichbare Staaten wie Schweden und Finnland.

Wir Sozialdemokraten bekennen uns zur Partnerschaft für den Frieden und erkennen auch die Notwendigkeit, entsprechende Truppenübungen durchzuführen. Nachdem wir diese Partnerschaft unterstützen, ist es einsichtig, daß derartige Truppenübungen in den Partnerländern, aber auch bei uns in Österreich durchgeführt werden sollen. Mit diesem Truppenstatut wird auch die entsprechende rechtliche Klarheit über diese Übungen geschaffen.

Die für uns Sozialdemokraten bei der Behandlung dieses Entwurfs wichtige Frage war, ob durch die Abgabe dieser Erklärung sichergestellt ist, daß Österreich seinen neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen auch im sogenannten Bündnisfall nachkommen kann. Nach Auskunft des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes und des Völkerrechtsbüros ist dies der Fall und wurde folgendermaßen festgestellt – Frau Präsidentin, ich darf kurz zitieren –:

Die in Z 3 der Erklärung Österreichs betreffend die Interpretation des Übereinkommens zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen gewählte Formulierung, wonach die geltende österreichische Verfassungsgesetzgebung in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung nicht von der Anwendung des Übereinkommens berührt ist, bezieht sich jedenfalls auch auf die des Truppenstatuts, die auf Feindseligkeiten verweist, auf die der Nordatlantikvertrag Anwendung findet. Sie deckt im übrigen auch alle anderen rechtlichen Erfordernissse im Zusammenhang mit der Neutralität Österreichs ab. Insbesondere gibt das PfP-SOFA nach Abgabe der österreichischen Erklärung den anderen Staaten und den von ihnen nach Österreich entsendeten Truppen und Zivilpersonen keinerlei rechtliche Handhabe, sich in einen Neutralitätsfall unter Berufung auf das Abkommen in irgendeiner Weise neutralitätswidrig zu verhalten. – Ende des Zitats.

Das heißt, daß mit diesem Truppenstatut-Abkommen die Neutralität unseres Landes nicht beeinträchtigt wird. Das ist uns Sozialdemokraten auch ein großes Anliegen. Es geht nicht um einen Schritt zu einem allfälligen NATO-Beitritt, sondern es geht darum, daß bei Übungen in den Partnerländern oder auch in Österreich die Rechtsverhältnisse entsprechend geregelt werden. Wer für die Partnerschaft für den Frieden, der inzwischen 27 Länder angehören, ist, muß auch für dieses Truppenstatut sein, denn nur so ist gewährleistet, daß militärische Übungen gesetzlich geregelt sind. Wir Sozialdemokraten sind für die Partnerschaft für den Frieden, weil diese


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Initiative durch gemeinsame Planung, Ausbildung und Übung auf die Stärkung und Fähigkeiten zur Friedenserhaltung zielt.

Die Beziehungen zwischen der NATO und den Teilnehmerstaaten gehen über Dialog und Kooperation hinaus und begründen eine echte Partnerschaft für den Frieden, und zwar durch Förderung von Transparenz der nationalen Verteidigungsplanung, Gewährleistung demokratischer Kontrolle über die Verteidigungskräfte, Aufrechterhaltung der Fähigkeit und Bereitschaft zu Einsätzen unter der Autorität der UNO und/oder der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die Initiative Partnerschaft für den Frieden ist, wie ich meine, ein richtiger Schritt in Richtung eines kollektiven Krisenmanagements. Österreich verschließt sich richtigerweise nicht gegenüber diesen Kooperationsmöglichkeiten, sondern nutzt jene Ebene der Zusammenarbeit, die mit unserer verfassungsrechtlichen Grundlage vereinbar ist.

Die Neutralität ist gültiges, österreichisches Verfassungsrecht. Deshalb sind alle Vereinbarungen dahin gehend zu überprüfen, ob sie mit diesen Rahmenbedingungen im Einklang stehen. Das Truppenübereinkommen tut dies.

Die Teilnahme an PfP und in weiterer Folge an PfP-Plus ist ein Signal dafür, daß Österreich bereit ist, auf Basis unserer verfassungsrechtlichen Grundlage am internationalen solidarischen Krisenmanagement teilzunehmen. Österreich ist seinen internationalen Verpflichtungen immer nachgekommen – ich möchte nur daran erinnern, daß gerade bei Einsätzen der UNO in den verschiedensten Krisengebieten der Welt österreichische Soldaten Hervorragendes geleistet haben und auch ganz wesentlich zur Friedenssicherung in Krisenherden beigetragen haben.

Es ist meines Erachtens wichtig, im Bereich der Sicherheitspolitik über die bestehende NATO-Struktur hinaus Alternativen zu überlegen. Es spricht nichts dagegen, ein vernünftiges Verhältnis zur USA zu haben – ganz im Gegenteil, wir begrüßen das auch. Es ist auch sinnvoll, ein transatlantisches Kooperationsverhältnis und ein entsprechendes Bündnis zu unterstützen. Dennoch muß es mittel- und langfristig auch zur Einrichtung und Ausbildung eines eigenen europäischen Sicherheitssystems kommen.

Deshalb treten wir Sozialdemokraten für ein kollektives Sicherheitssystem in Europa ein, dessen Kern die Europäische Union ist, die ihrerseits die ost- und südosteuropäischen Staaten sinnvoll in diese kollektive Sicherheitsorganisation miteinbezieht. Eingebunden werden muß dieses europäische Sicherheitssystem im Rahmen einer globalen Kooperation der Vereinten Nationen beziehungsweise der OSZE. Die Partnerschaft für den Frieden und das heute vorliegende Truppenstatut sind, wie ich meine, ein weiterer wichtiger Schritt der Mitwirkung Österreichs an einem internationalen Krisenmanagement, und deshalb werden wir Sozialdemokraten diese Vorlage unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

15.28

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute über das Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppe diskutieren, so wird damit ein Schritt gesetzt, der einen weiteren Baustein für den Aufbau einer gesamteuropäischen Sicherheitsstruktur im Rahmen des Programms Partnerschaft für den Frieden bietet. Ich persönlich muß sagen, daß ein Vollbeitritt zur NATO das Schlüssigste, rationell Vernünftigste und für Österreich Notwendige wäre. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Die Partnerschaft für den Frieden ist aber eine weitere, bedeutende Initiative der NATO mit dem Ziel, Vertrauen und kooperative Bemühungen zu verstärken, um so die Sicherheit zu festigen. Sie bietet beteiligten Staaten die Möglichkeit, ihre Beziehungen zur NATO entsprechend den eigenen Interessen und Fähigkeiten zu intensivieren – entsprechend den eigenen Interessen


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und Fähigkeiten. Die Staats- und Regierungschefs der Allianz erklärten anläßlich ihres Gipfeltreffens im Jänner 1994 in Brüssel ihre Absicht, ein praktisches Sofortprogramm zu initiieren, das die Beziehungen zwischen der NATO und Teilnehmerstaaten verändern sollte. Dieses neue Programm geht über Dialog und Kooperation hinaus und begründet eine echte Partnerschaft, eine Partnerschaft für den Frieden. Mittlerweile umfaßt die Partnerschaft für den Frieden 27 Staaten. Die konkreten Ziele der Partnerschaft umfassen aufgrund des Rahmendokuments vom Jänner 1994 folgende Punkte:

Förderung von Transparenz der nationalen Verteidigungsplanung und des Haushaltsverfahrens, Gewährleistung der demokratischen Kontrolle über die Streitkräfte, Aufrechterhaltung der Fähigkeit und Bereitschaft zur Einsetzung unter der Autorität der UNO und/oder der OSZE – vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Erwägungen –, Entwicklung kooperativer militärischer Beziehungen zur NATO – mit dem Ziel gemeinsamer Planung, Ausbildung und Übungen, um ihre Fähigkeiten für Aufgaben in den Bereichen Peace-keeping, Such- und Rettungsdienst und humanitäre Operationen und anderen eventuell noch zu vereinbarenden Aufgaben zu stärken –, auf längere Sicht Entwicklung von Streitkräften, die mit denen der Mitgliedsstaaten der NATO besser gemeinsam operieren können.

Das heute diskutierte Abkommen, das PfP-Truppenstatut, regelt das rechtliche Statut von Angehörigen der Streitkräfte von PfP-Ländern, wenn sich diese für PfP-Zwecke auf fremdem Territorium aufhalten. Mit dem PfP-SOFA wird der Inhalt des NATO-Truppenstatuts für die PfP-Staaten für anwendbar erklärt. Mit diesem Abkommen ist ein wichtiger Schritt zur Schaffung der Rechtssicherheit gemacht worden, um den Status sowohl von österreichischen Soldaten bei der Teilnahme an PfP-Aktivitäten im Ausland als auch von ausländischen Soldaten bei der Teilnahme von PfP-Aktivitäten im Inland zu regeln.

Inhaltliche Schwerpunkte sind erstens die Achtung des Rechts des Aufnahmestaates: Die Angehörigen der Truppen und ihrer zivilen Gefolge sind verpflichtet, das Recht des Aufnahmestaates zu achten. Österreich hat hiezu in einer interpretativen Erklärung zum Ausdruck gebracht, daß die Ausübung fremder Militärhoheit nur unter Beachtung der österreichischen Grund- und Freiheitsrechte erfolgen darf.

Zweitens: Einreisebestimmungen. Da sich Truppen meist im militärischen Formationen bewegen, sind im Vergleich zu Zivilpersonen erleichterte Einreisebestimmungen vorgesehen. Das heißt, Befreiung von Paß- und Sichtvermerksvorschriften, nur Erfordernis eines Personalausweises.

Drittens: Anerkennung beziehungsweise Ausstellung von Führerscheinen.

Viertens: Tragen von Uniformen und Waffen. Grundsätzlich ist die Uniformtragepflicht vorgesehen – jedenfalls bei Grenzübertritt. Für das Tragen von Zivilkleidung gelten die gleichen Regelungen wie für die Truppen des Aufnahmestaates.

Fünftens: die Ausübung der Straf- und Disziplinargerichtsbarkeit. Auch das ist sehr eingehend, genau und im positiven Sinn geregelt. Betreffend Haftung für die Schäden der PfP-SOFA gibt es drei Arten von Schadenersatzverfahren. Ich möchte da nicht ins Detail gehen, das wäre zu kompliziert, aber auch das ist in einem positiven Sinn geregelt.

Die sonstigen Regelungen lauten: Abgesehen von diesen Kernbestimmungen der NATO-SOFA beinhaltet dies auch Regelungen über die Zurverfügungstellung von Sach- und Dienstleistungen durch den Aufnahmestaat sowie steuer-, zoll- und devisenrechtliche Vorschriften, auf die jedoch aus Zeitgründen nicht näher eingegangen werden kann.

Ich erlaube mir jetzt noch, ein paar Sachen zu der Frage Sicherheit von Frieden und Freiheit in Europa zu sagen. Die NATO – sie ist heute schon oft erwähnt worden – ist der Garant für die längste Friedensperiode in Europa. (Bundesrat Dr. Tremmel: Jawohl!) Sie hat auch Österreichs Sicherheit und Partnerschaft mit den freien Völkern Westeuropas vermittelt. Unsere westlichen Partner haben gegenüber den kommunistischen Diktaturen des ehemaligen Warschauer Paktes keinen Zweifel an der Entschlossenheit zur Verteidigung der westlichen Wertegemeinschaft


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aufkommen lassen und dadurch deutlich gemacht, daß sich Europa nicht militärischem Druck und politischer Erpressung beugt.

Zusammen mit ihrer Dialogbereitschaft gegenüber den Staaten Osteuropas haben sie eine aktive und erfolgreiche Friedenspolitik betrieben. Die NATO-Politik in Europa ist eine Friedenspolitik gewesen. Dies hat die demokratische Entwicklung in den damals kommunistischen Staaten Europas sowie einschneidende Abrüstungsmaßnahmen gefördert. Das Nordatlantische Verteidigungsbündnis ist gegenwärtig die einzige intakte Sicherheitsstruktur in Europa. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Die NATO ist das wichtigste Instrument zur Verhinderung einer Renationalisierung der europäischen Sicherheitspolitik sowie zur Verhinderung oder zur Schlichtung denkbarer nationaler Konflikte. Die KSZE kann dafür kein Ersatz sein. Ihre Aufgabe liegt in der Friedenserhaltung durch europäische Zusammenarbeit und in der Unterstützung der demokratischen und an Menschenrechten orientierten Entwicklung ehemals kommunistisch regierter Staaten. Dazu gehört die effektive Garantie der Rechte der nationalen Minderheiten und Volksgruppen auf internationaler und europäischer Ebene.

Auch die WEU ist keine Alternative zur NATO. Sie hat ihre Aufgabe im Rahmen der Europäischen Union und stärkt den europäischen Pfeiler in der nordatlantischen Allianz. Die NATO versteht sich seit ihrer Gründung in erster Linie als Wertegemeinschaft. Wir müssen daher den Dialog und die Kooperation der NATO mit den Staaten Ost- und Mitteleuropas unterstützen, etliche treten bei, und wir selbst sollten danach trachten, es raschest zu tun.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß dieses Abkommen Partnerschaft für den Frieden ein weiterer Schritt zur Stärkung der europäischen Sicherheitsstruktur und damit der Sicherung Österreichs ist. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.

15.36

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dieser Vertrag ist für uns – es wurde schon erläutert – in der Form nicht annehmbar. Bei Autos würde man sagen, wenn ein neues Modell noch nicht erkennbar sein soll, dann wird ein "Erlenkönig" geschaffen. Diese Form stellt der Vertrag dar. Es ist ein bißchen NATO, soll dies aber für manche, die die NATO derzeit noch nicht wünschen, verschleiern. Wir Freiheitlichen sind – das ist bekannt – sowohl für die NATO, aber auch für die Aufhebung der Neutralität.

Nun betreiben wir gerade Verschleierung. Es ist fast militärisch, wie vorgegangen wird. Man zieht einen Nebelvorhang auf, man tarnt und täuscht, man macht ein bißchen NATO, und man läßt die Neutralität wieder ein bißchen mehr verschwinden – ohne daß die NATO de facto eingeführt ist, ohne daß die Neutralität dem Gesetze nach, der Verfassung nach aufgehoben worden ist. Diese Unsauberkeiten in diesem Gesetzeswerk sind es unter anderem, die uns zu der Einstellung gebracht haben, daß wir nur sagen können: Das lehnen wir ab!

Wenn wir ein Gesetzeswerk behandeln, welches das Aufenthaltsrecht fremder Truppen in Österreich zum Inhalt hat, dann ist es doch sehr wichtig, daß wir wissen, was alles auf Österreich zukommen kann. Es ist dies ein Gesetz, welches den Rechtsstatus von ausländischen Truppen auf österreichischem Staatsgebiet regeln soll und möglicherweise auch regelt. Es wird jedoch noch nicht das Empfangen-Können von fremden Truppen geregelt, sondern nur die Art, wie sie empfangen werden. Der Unterschied zwischen Jus ad präsentiam und Jus in präsentia muß ein bißchen stärker herausgearbeitet werden. Es wurde auch in dieser Debatte davor nicht – ich tue es auch nicht, aber es wird auch in der Debatte davor nicht – dieses Recht herausgearbeitet.


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Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß dieses Gesetzeswerk auf einem NATO-Statut aus dem Jahr 1951 basiert. Dies war gewissermaßen ein Besatzungsstatut zur Besetzung Deutschlands, aber auch zum Teil Italiens. Es stellt die Rechtsstellung der besetzenden Truppen dar. Dieses Statut enthält wesentliche Regelungen über Privilegien und Erleichterungen zugunsten von Streitkräften und zivilen Begleitpersonen – bestimmten Familienangehörigen – sowie Vorschriften über Schadenersatz und gegenseitigen Ersatzverzicht. Es ist dies deshalb interessant – das tritt bei diesem Gesetzeswerk deutlich heraus –, weil die Wertgrenzen, die in dem Gesetz angeführt sind – schauen Sie sich das auf Seite 19 der Beilage 943 an –, noch Währungsgrößenunterschiede aus dem Jahr 1951 wiedergeben. Wie wir Österreicher – wir kommen noch gar nicht darin vor – damit zurechtkommen, weiß ich nicht.

Tatsache ist, daß die Schadenshäufigkeit, um die es sich hiebei handelt, natürlich zu Lasten jener Länder ausgehen wird, die stärker von diesem Gesetz betroffen sein werden. Österreich als Staat im Zentrum Europas ist das Land – vielleicht ein paar andere Nachbarstaaten auch –, durch das sich diese NATO-Truppen, diese Truppen im wesentlichen durchbewegen werden und in dem sie sich aufhalten werden. Diese Regelung ist zum Nachteil jenes Landes, in dem sich das abspielt, auch wenn rein gesetzmäßig Reziprozität vorhanden ist.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß viele der beteiligten Länder in großem Maße Übungen im Vereinigten Königreich und Nordirland abhalten werden. Nein, die Übungen werden natürlich – aus guten Gründen – in Österreich abgehalten werden, und daher ist eine solche Bestimmung, wenn sie auch juristisch einwandfrei ist, zum Nachteil jenes Landes, welches geographisch näher am Brennpunkt eines möglichen Geschehens situiert ist.

Zur Straf- und Disziplinarjurisdiktion: Es heißt: Der Empfängerstaat darf jede Zuwiderhandlung gegen sein Recht und die von ihm entsendeten Personen, die auf seinem Gebiet begangen werden, ahnden. Andererseits steht die Straf- und Disziplinarjurisdiktion dem Entsenderstaat zu.

In diesem Zusammenhang ist auch Artikel 84 der Bundesverfassung zu berücksichtigen. Da steht: Es sollte überdies die Ausübung von Militärgerichtsbarkeit in Österreich ausgeschlossen werden. – Wir müssen darauf achten, so weit wie möglich – was heißt "so weit wie möglich"?, wir müssen darauf achten! –, daß die österreichische Gesetzgebung nicht durch einen internationalen Vertrag weiter scheibchenweise in Frage gestellt wird. Es geht dabei nicht um die Gesetzgebung, sondern um die Souveränität dieses Staates. Ich habe den Eindruck, daß durch dieses Gesetz die Souveränität Österreichs wieder ein bißchen beschnitten wird. Das ist jetzt natürlich kein Vorwurf an die Militärs, sondern der Vorwurf an den Gesetzgeber, an jene, die diesen Vertrag ausgehandelt haben, daß die spezifisch österreichischen, die nationalen Interessen dieser Republik, für die wir hier sitzen, nicht gewahrt werden.

Die Problemfülle, die dieses Vertragswerk aufwirft, ist nicht zuletzt daraus erklärlich, daß Österreich keine Gelegenheit hatte, an der Formulierung des Vertragstextes entsprechend seiner Interessenlage mitzuwirken – so heißt es in einem Papier, welches den Personen, die uns dieses Vertragswerk vorlegen, durchaus bekannt ist.

Im Mai 1995 wurde ein österreichisches Einführungsdokument für die Partnerschaft für den Frieden beschlossen. In diesem steht ganz allgemein: Die nachstehenden Angaben gelten mit dem Vorbehalt, daß sie mit der österreichischen Verfassungslage und bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen vereinbar sind. Die Realisierung einiger der genannten Vorhaben erfordert die Schaffung entsprechender rechtlicher Grundlagen und die Begleitregelung einschließlich der budgetären Vorsorge.

Zu dem, was wir heute beschließen, heißt es: Budgetäre Auswirkungen sind nicht oder kaum zu gewärtigen. Aber die anderen Verpflichtungen, die entsprechenden rechtlichen Grundlagen sind noch nicht vorhanden. Wir nehmen damit schon wieder etwas vorweg, tun so, als gäbe es das schon, hüpfen dann hinten nach und sind dadurch eigentlich schon verpflichtet, diese rechtlichen Grundlagen möglicherweise zu schaffen. Ich zweifle nur daran, daß sie unseren Interessenlagen entsprechen.


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Oder: Andererseits besteht das Bedürfnis nach einer völkerrechtlichen Definition der Rechtsstellung österreichischer Truppen im jeweiligen Aufnahmestaat. – Auch diese gibt es noch nicht!

Die deutsche Bundesregierung hat in einem Entwurf des Streitkräfteaufenthaltsgesetzes vom 9. März 1995 festgehalten: Das NATO-Truppenstatut als solches bildet keine hinreichende Rechtsgrundlage für Übungen, da es für die Stationierung und das ständige Zusammenwirken von Bündnispartnern konzipiert wurde, nicht jedoch für den vorübergehenden Aufenthalt oder Übungen fremder Streitkräfte. Aber gerade Übungen fremder Streitkräfte sollen damit rechtlich ermöglicht werden.

Nun frage ich Sie: Wie viele Übungen im Jahr wollen wir in Österreich haben? Wie viele Überflüge zu Übungszwecken im Jahr wird die österreichische Bevölkerung vertragen? Sollten nicht Eingrenzungen, was die Übungen in, die Überflüge über und die Durchfuhren durch Österreich betrifft, geschaffen werden, bevor wir dieses Gesetzeswerk beschließen? – Der Klarstellung sollte jedenfalls der Hinweis auf die österreichischen Vorschriften über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial dienen, der aus politischer Sicht insbesondere im Hinblick auf den Bestand von atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen und Kampfmitteln in anderen Staaten für erforderlich erachtet wurde.

Warum wurden diese von uns allen hier anerkannten Grundlagen nicht eingearbeitet? Wissen wir nicht, daß allein solche Zusagen schon problematisch sind? Erinnern Sie sich an den Absturz des amerikanischen mit Atombomben ausgestatteten Bombers in Grönland? – Das geschah, obwohl die Zusicherung der Vereinigten Staaten gegenüber der dänischen Regierung vorhanden war, keine Atomwaffen auf ihrem Gebiet zu lagern, zu transportieren beziehungsweise es damit zu überfliegen.

Wir sehen: Es sind nicht nur die rechtlichen Grundlagen nicht vorhanden, sondern auch dann, wenn es sie gibt, bestehen oft Zweifel daran, ob sie eingehalten werden.

Ich meine daher, daß dieses Gesetz unsere staatlichen Interessen keinesfalls regelt und sie auch nicht regeln kann. Wir wissen, unsere derzeitige Neutralität könnte man auch als pseudoneutrales Weiterwursteln bezeichnen, und dieses ist nicht mehr möglich. Aber mit diesem Gesetz wird weder das pseudoneutrale Weiterwursteln verhindert, noch wird damit ein echter Eintritt in die NATO, der die einzig richtige Möglichkeit wäre, vorgenommen. Es fehlt Ihnen an Mut, um die Neutralität aufzugeben. Es fehlt Ihnen an Mut, um beherzt der NATO beizutreten und die österreichischen Interessen mit Passagen im Gesetzeswerk, die tatsächlich die österreichischen Interessen wahren, abzusichern. – Da können wir nicht mithalten, meine Damen und Herren! (Zwischenruf bei der SPÖ. – Bundesrat Konečny: Das ist wahr: Sie können überhaupt nicht mithalten!) Wir lehnen dieses Gesetzeswerk ab! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schöls. – Bitte.

15.48

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es fehlt mir nicht an Mut – um mit den Worten meines Vorredners zu beginnen –, mich heute klar dazu zu bekennen, daß ich froh darüber bin, daß wir heute mit der verfassungsmäßigen Zustimmung dieses Hauses zum Übereinkommen zwischen der NATO und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppe samt Erklärungen Österreichs einen entscheidenden Beitrag zur Rechtssicherheit leisten.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Während Herr Oberst Gudenus – ich spreche ihn jetzt bewußt in seiner militärischen Funktion an – hier vom Rednerpult aus versucht hat, Dinge darzustellen, die durch dieses Übereinkommen gar nicht angesprochen und gar nicht geregelt werden (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist es ja!), habe ich darüber nachgedacht, daß es eigentlich sehr viele Österreicher gibt – ob jetzt als Militärpersonen oder als Zivilisten –, die bereits aufgrund der Tatsache, daß wir uns schon vor längerer Zeit zur PfP bekannt haben, im


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Ausland tätig sind und mit Recht darauf warten, daß wir auch für ihre Tätigkeit, die sie im Rahmen der Friedenssicherung und der Katastrophenhilfe leisten, die entsprechende Rechtssicherheit schaffen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Ich sage es noch einmal, da nicht nur Herr Abgeordneter Jung im Nationalrat, sondern heute auch Dr. Bösch hier von diesem Rednerpult aus versucht hat, von einem Stationierungsabkommen zu sprechen: Es handelt sich um kein Stationierungsabkommen, sondern um eine Regelung, um ein Abkommen, das zur Friedenssicherung und zur Katastrophenhilfe dient – daher die Bereitschaft und das Bekenntnis, aber nicht nur von mir, sondern von der Fraktion der Österreichischen Volkspartei, zu diesem Übereinkommen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie irren, Herr Kollege!)

Ich möchte schon auch klargestellt haben: Es war kein Zufall, daß ich beim Bekenntnis meines Freundes Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein zur NATO sehr wohl applaudiert habe. Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, daß ich zu jenen in meiner Partei gehöre, die auch mit Sorge die Diskussion um den Optionenbericht verfolgt haben und denen es lieber wäre, wenn wir uns in diesem Zusammenhang klar positionierten.

Ich gehe einen Schritt weiter – ich tue mir dabei relativ leicht, weil ich nicht einmal in Anwesenheit meines Bundesparteiobmanns an einen Knebelungsvertrag gebunden bin (Bundesrat Dr. Böhm: Wir auch nicht!) und folgendes sagen kann –: Für mich ist die Zugehörigkeit zur NATO selbstverständlich nur in Verbindung mit einem klaren Bekenntnis zur allgemeinen Wehrpflicht vorstellbar. Ich habe kein Problem, diese klare Position, dieses Bekenntnis zur allgemeinen Wehrpflicht und auch dieses Bekenntnis zur NATO hier abzulegen, da in unserer Partei keine Helden kommen müssen, die sich von diesen Knebelungsverträgen absetzen, da es bei uns keinen Knebelungsvertrag gibt. (Bundesrat Dr. Böhm: Die Scheinhelden!) Daher die klare Zustimmung.

Von dieser Stelle ergeht auch mein Dank an jene Damen und Herren – es handelt sich um etwa tausend österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger pro Jahr –, die, seit wir PfP haben, im Rahmen von PfP im Ausland tätig waren. Ihnen möchte ich hier von dieser Stelle aus meinen Dank sagen, weil sie damit unser Land auch entsprechend repräsentiert haben. Heute geben wir Ihnen die erforderliche Rechtssicherheit. (Bundesrat Mag. Gudenus: Eben nicht, die Rechtssicherheit wird nicht geschaffen! Wäre es doch so!)  – Auch Zwischenrufe ändern nichts an dieser Tatsache.

Ich erspare es mir, den Motivenbericht vorzulesen – solche Leseübungen werden gelegentlich von anderer Stelle gemacht –, ich kann es mir auch ersparen, aus dem Zusammenhang gerissene Beiträge zu zitieren, wie sie heute gelegentlich von der Firma "Zitier" gekommen sind, sondern ich möchte nur klar das Bekenntnis der Österreichischen Volkspartei zu diesem Übereinkommen aussprechen, und ich bin froh darüber, daß wir den in diesem Zusammenhang im Ausland tätigen Österreicherinnen und Österreichern Rechtssicherheit – ich betone das ganz bewußt: Rechtssicherheit! – geben. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das wäre ja schön, wenn das der Fall wäre!) Und dabei geht es nicht darum, daß wir uns in rhetorischen Übungen hier darüber alterieren, was vielleicht noch alles sein könnte.

Die Österreichische Volkspartei wird diesem Übereinkommen die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.54

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.


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Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren (907 und 1171/NR sowie 5679/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung. Es ist dies

ein Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Schaufler übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Engelbert Schaufler: Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Außenminister! Der Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren liegt schriftlich vor, ich darf daher meine Ausführungen auf die Anträge beschränken.

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen und

2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Hinweis auf den Bericht und die Antragstellung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Leichtfried. – Bitte.

15.56

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Von der sozialdemokratischen Fraktion wird das Europäische Übereinkommen zum Schutz der Heimtiere begrüßt – begrüßt deswegen, weil durch dieses Übereinkommen eine weitere Harmonisierung der unterschiedlichen Tierschutzrechte in den Mitgliedstaaten des Europarates erreicht wird.

Man sollte meinen, daß das, was auf europäischer Ebene erreichbar ist, auf österreichischer Ebene sehr viel leichter zu erreichen ist. – Irrtum, meine Damen und Herren! In Österreich gibt es nach wie vor neun verschiedene Landestierschutzgesetze.

Das Europäische Übereinkommen legt fest, daß in den Bereichen Zucht, Haltung, Tierheime, Ausstellungen, vor allem bei chirurgischen Eingriffen einheitliche Regelungen gegeben sind. Dies ist von großer Bedeutung, da in Österreich gerade in diesen Bereichen unterschiedliche Regelungen in Kraft sind.


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Seit 150 Jahren wird von Tierschützern die Bundeskompetenz für den Tierschutz eingefordert. In den letzten Jahren gab es viele Versuche von allen Parteien, diese Bundeskompetenz zu erreichen. Es hat auch ein erfolgreiches Tierschutz-Volksbegehren gegeben, das etwa 460 000 Unterschriften erreicht hat. Ein wesentlicher Punkt dieses Tierschutz-Volksbegehrens war die Forderung nach der Bundeskompetenz.

Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ist sich der Problematik des Tierschutzes in Österreich und in Europa voll bewußt. Wir wissen, daß Handlungsbedarf besteht. Es gibt einen eigenen SPÖ-Entwurf, und dieser SPÖ-Entwurf enthält vor allem auch jene Regelungen, die im Europäischen Übereinkommen enthalten sind. Sosehr wir dieses Europäische Übereinkommen daher auch begrüßen, so notwendig ist es, auf ein Bundes-Tierschutzgesetz zu bestehen.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Es sei mir gestattet, hier eine kleine Anmerkung zu machen: Sie vertreten vor allem die Meinung, daß man die Regelung über Artikel 15a, die es gibt, beibehalten soll. Dieser Vertrag nach Artikel 15a festigt aber den Status quo: Er gibt den Ländern die Rechte im Tierschutz und verhindert ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz. Der Artikel-15a-Vertrag ist meiner Meinung nach zu zahnlos, Sanktionen sind kaum möglich.

Ich bitte Sie daher, einer bundeseinheitlichen Regelung beizutreten und für ein einheitliches, strenges und modernes Tierschutzgesetz einzutreten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Umfassender Tierschutz ist nur dann möglich, wenn wir der sogenannten Bonner Konvention beitreten. In der Nationalratssitzung vom 13. Mai 1998 wurde von der Abgeordneten Langthaler ein Antrag, welcher von allen Fraktionen unterstützt wurde, eingebracht. Es scheint mir wichtig zu sein, daß auch Österreich der Bonner Konvention, die die Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten regelt, beitritt. Österreich und Griechenland sind derzeit die einzigen EU-Staaten, die diese Konvention noch nicht unterschrieben haben. Es bedarf daher wiederum der Intervention bei den Bundesländern, daß sie dieser Konvention zustimmen. Erst dadurch wird ein umfassender, weltweiter, grenzunabhängiger Schutz der Tiere möglich sein – ein Tierschutz , der vor allem den Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind, den entsprechenden Schutz gibt.

Meine Damen und Herren! Höhere Tierschutzstandards müssen generell unser Ziel sein. Sie müssen auch eine jener Forderungen sein, die wir während der EU-Präsidentschaft Österreichs an der richtigen Stelle einzubringen haben. Wir, die Sozialdemokraten, begrüßen daher das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren. (Beifall bei der SPÖ.)

16.02

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weiss. – Bitte.

16.02

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Daß das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren und dessen Ratifizierung durch Österreich zu begrüßen sind, bedarf keiner näheren Begründung. Dies wurde auch von meinem Vorredner schon ausführlich dargestellt. Ich möchte ihn aber auf einen kleinen Widerspruch in seinen Ausführungen aufmerksam machen.

Er hat zu Recht darauf hingewiesen, daß dieses Europäische Übereinkommen einen wesentlichen Teil dessen, was immer wieder als Inhalt einer bundeseinheitlichen Tierschutzregelung dargestellt wird, enthält. Was bereits durch internationales Recht – mit der Verpflichtung für die Länder, dies auch gesetzlich umzusetzen – vereinheitlicht ist, bedarf nun wahrlich nicht mehr einer zusätzlichen Vereinheitlichung. Die zu Recht angestrebten einheitlichen Mindeststandards werden durch internationale Übereinkommen wesentlich effizienter erfüllt als durch Bundesgesetze, deren Wirksamkeit auf Österreich allein beschränkt wäre. Ich glaube, in diesem Punkt sind wir uns einig. Wir unterstützen daher jedes Bemühen – auch von den Ländern her –, durch internationale Zusammenarbeit Standards im Tierschutz zu verbessern. Wir wissen, daß es nicht so sehr in Österreich, sondern mehr noch in vielen anderen Ländern in diesem Bereich


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einen Nachholbedarf gibt; aber natürlich gilt das auch bei uns. Solche Übereinkommen dienen auch dazu, die Umsetzung in Österreich voranzutreiben.

Durch die Ausführungen meines Vorredners ist der Eindruck entstanden, als liege es an den Ländern, daß Österreich solchen internationalen Übereinkommen zögerlich beitrete. Diesen Eindruck kann man haben, wenn man sich vor Augen hält, daß das heute zu behandelnde Übereinkommen bereits im Jahre 1987 unterzeichnet wurde, im Jahre 1992 in Kraft getreten ist und wir erst heute beitreten. Jedenfalls schaffen wir hier die Grundlagen dafür.

Nun könnte man sagen, das sei so, weil auch Länderzuständigkeiten betroffen seien. Es gab aber einen Bereich, in dem dies noch viel ärger war, nämlich im Bereich des Tiertransportes auf der Straße. Da bestand großer Handlungsbedarf, doch dauerte es trotz der Tatsache, daß es sich dabei um eine reinrassige Bundeszuständigkeit handelt, 20 Jahre, bis Österreich der entsprechenden Vereinbarung beigetreten ist. Daher ist es nicht gerade ein gutes Beispiel, welches den Ländern hier vorgehalten wird.

Ich möchte auch aus der Praxis erläutern, warum auf der Grundlage europäischer Standards regionale Differenzierungen durchaus ihren Sinn haben. Wir haben am Bodensee immer wieder eine Diskussion darüber, ob die Kormorane vor den Jägern oder die Fische vor den Kormoranen zu schützen sind. Es ist nachgewiesen, daß diese Tiere große Schäden am Fischbestand anrichten. (Bundesrat Prähauser: Und Fische auch Tiere sind!) Fische sind natürlich auch Tiere, das ist ganz klar. – Da braucht es ein Zusammenwirken aller drei Nachbarländer und Anrainerstaaten des Bodensees. Es hat selbstverständlich keinen Sinn, wenn man in Österreich die Kormorane unter Schutz stellt, sie aber in der Schweiz abgeschossen werden dürfen, weil dort der Fischbestand dezimiert wird. Das heißt, man benötigt regionales und flexibles Zusammenwirken, weil sich auch die Population der Kormorane im Laufe der Zeit ändert.

Wenn man sich nun vorstellt, welcher Regelungsaufwand damit verbunden wäre, dieses kleine Problem zwischen Wien, Bern und Bonn lösen zu wollen, und wie relativ einfach es möglich ist, das an Ort und Stelle zu regeln, dann wird, so glaube ich, hinreichend deutlich, daß man auf der Grundlage einheitlicher Mindeststandards durchaus regionale Spielräume braucht und Bundeseinheitlichkeit als Selbstzweck in die verkehrte Richtung gehen kann, in diesem konkreten Fall auch zum Nachteil des Tierschutzes.

Daher meine ich, daß das Übereinkommen, das heute zu behandeln ist, durchaus ein interessanter Weg für beide Teile ist – für jenen Teil, der im Interesse der Sache wirksame Einheitlichkeit auf europäischer Ebene will, und auch für jenen, der für unbürokratische, flexible, regionale Ausdifferenzierungen ist. Ich denke, wenn wir den Weg der Vereinbarungen und der weiteren Verstärkung der Bemühungen in der Europäischen Union fortsetzen, dann leisten wir für den Tierschutz einen wesentlich wirksameren Beitrag, als wenn die Länder innerstaatlich in einer Art Verdrängungswettbewerb versuchen, einander mit den Restbeständen ihrer Zuständigkeiten auf diesem Gebiet auszubooten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

16.07

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ram. – Bitte.

16.07

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr verehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren enthält geeignete Bestimmungen über die Haltung, die Zucht, den Handel und die Verwendung zu Schaustellungen und Wettkämpfen von Heimtieren. Es trägt somit zu einer Harmonisierung des in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich gestalteten Tierschutzrechts bei. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deshalb unterstützen wir Freiheitlichen dieses Abkommen.

Gestatten Sie mir nun einige ergänzende Worte zum Tierschutz in Österreich. Es gibt in unserer Republik leider neun unterschiedliche Tierschutzgesetze mit teilweise unterschiedlichen Rege


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lungen, die den Schutz der Tiere gewährleisten sollen. Diese Situation erschwert den Vollzug und stellt regelrecht eine Einladung zur Tierquälerei dar. Es ist deshalb unbedingt notwendig, neben einer Harmonisierung auf europäischer Ebene endlich auch in Österreich selbst eine Vereinheitlichung der Tierschutzgesetze herbeizuführen.

Aus diesem Grunde haben Tierschützer vor zirka zwei Jahren das Tierschutz-Volksbegehren initiiert, und 450 000 Österreicher und Österreicherinnen haben es unterschrieben. Diese Unterschriften und die Hauptforderung, nämlich die Vereinheitlichung der Landes-Tierschutzgesetze, sollten auch von Ihren Parteien, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP – besonders von der ÖVP –, ernstgenommen werden, zumal schon mehrmals eben dieses Hauptanliegen, das bundeseinheitliche Tierschutzgesetz, von Vertretern Ihrer Parteien versprochen wurde. In diesem Fall geht es aber nicht um die anscheinend üblichen Wahlversprechen, sondern hier geht es um den Schutz unserer Mitgeschöpfe.

Ich darf in diesem Zusammenhang im Namen meiner Fraktion jenen Tierschützern und Tierschützerinnen, die in verschiedenen Initiativen unermüdlich für die Rechte der Tiere kämpfen, danken, und ich kann sie auch der Unterstützung durch unsere Fraktion in Zukunft versichern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hager. – Bitte.

16.09

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Sehr vieles zum Thema Tierschutz wurde in dieser Debatte bereits gesagt. Auch auf die Gefahr hin, mich vereinzelt zu wiederholen, möchte ich doch aufgrund persönlicher Betroffenheit noch einige Anmerkungen machen.

Das Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren ist zu begrüßen – das wurde eigentlich auch von allen Rednern betont –, weil man damit eine weitere Harmonisierung des unterschiedlichen Tierschutzrechtes in den Mitgliedstaaten des Europarates erreichen will. Dasselbe sollte aber auch – meine Vorredner haben das schon gefordert – in Österreich erreicht werden. Hier gibt es zurzeit noch neun verschiedene Landes-Tierschutzgesetze, die zum Teil höchst unterschiedliche Regelungen enthalten. Gerade durch diese Unterschiede werden dem Mißbrauch oft Tür und Tor geöffnet. Ich erwähne zum Beispiel nur den Tourismus von Hundezüchtern.

Kollege Leichtfried hat bereits ausführlich dargestellt, daß die SPÖ einen Entwurf für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz vorgelegt hat, das im wesentlichen dieselben Forderungen und Regelungen im Bereich der Heimtiere enthält wie das Europäische Übereinkommen. Ein Bundes-Tierschutzgesetz ist unabdingbar und eine Notwendigkeit. Ich betone das nochmals ausdrücklich und unterstütze die Ansicht des Kollegen Leichtfried. Manche Bundesländer wollen nämlich gar keine strengeren Bestimmungen in Sachen Tierschutz haben. Ich verstehe einfach nicht, warum es bei der Behandlung von Tieren Unterschiede geben sollte, die lediglich davon abhängen, wo sie leben. Daher betone ich besonders hier im Bundesrat, daß es bei dieser Materie nicht um Kompetenzstreiterei geht, sondern um zielführende Maßnahmen im Bereich des Tierschutzes.

In den Erläuterungen zum vorliegenden Übereinkommen wird erwähnt, daß die Mitgliedschaft Österreichs in erster Linie ein Zeichen dafür sein soll, daß Österreich dem Tierschutz in allen Bereichen große Bedeutung beimißt. Es darf aber nicht nur dabei bleiben, daß das internationale Ansehen Österreichs gesteigert wird und der Sinn des Übereinkommens mehr oder weniger totes Recht bleibt. Um glaubhaft den moralischen Anspruch erheben zu können, international für Änderungen und Verbesserungen im Tierschutz einzutreten, müssen wir in Österreich etwas mehr tun, als nur reine Lippenbekenntnisse abzugeben.

Die Diskussion über den Tierschutz darf nicht von Bundesländerinteressen bestimmt werden, sondern sollte – das sage ich bei aller Wertschätzung des Föderalismus – von einem einzigen Leitgedanken geprägt sein, nämlich von der Sorge um die uns anvertrauten Kreaturen. Es ist


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nun einmal meine feste Überzeugung, meine Damen und Herren, daß ausschließlich eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung des Tierschutzes zum angestrebten Ziel führen wird. Wer diese Ansicht nicht vertritt, wird dafür Gründe haben, seien es handfeste wirtschaftliche Gründe – zum Beispiel solche von Landwirten oder Wirtschaftstreibenden, die sich mit Tieren beschäftigen – oder seien es Gründe, die im Bereich der Machtpolitik verschiedener Landespolitiker liegen mögen.

Der derzeitige Standard des Tierschutzes in Österreich ist ungenügend. Nicht umsonst haben – wie schon mehrfach angeführt – Hunderttausende Österreicher seinerzeit das Tierschutz-Volksbegehren unterschrieben. Sehr viele Bürger unseres Landes anerkennen die ethische Verpflichtung des Menschen, alle Tiere zu achten und vor allem für das Wohlbefinden jener Tiere, die der menschlichen Obhut anvertraut sind, Sorge zu tragen.

Das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren verbietet mehrere derzeit noch existierende Widrigkeiten, wie etwa chirurgische Eingriffe, die einzig und allein zur Veränderung des Äußeren von Tieren dienen. Ich möchte ganz kurz anführen, was damit gemeint ist: Das ist zum Beispiel das Kupieren von Ohren und Schwänzen, das Durchtrennen der Stimmbänder oder das Entfernen von Krallen und Zähnen, soweit diese Maßnahmen nicht aus medizinischen Gründen angezeigt sind.

Meine Damen und Herren! Es ist traurig genug, daß wir im Jahre 1998 solche Regelungen in einem Land, das sich durchaus der zivilisierten Welt zugehörig fühlen kann, beschließen müssen. Gesetzliche Regelungen müssen geschaffen werden, weil offensichtlich das moralische Wertempfinden in diesem Bereich absolut unterentwickelt ist.

Ich stehe in ständigem und engem Kontakt mit dem Tierschutzverein in meinem Bezirk. Dadurch bin ich durchaus vertraut mit den Problemen, gegen die diese freiwillig tätigen Menschen oft täglich anzukämpfen haben. Ich nehme an, daß ich nicht weiter ausführen muß, mit welchem – ich formuliere es vornehm – tierschutzwidrigen Verhalten die Mitarbeiter dieser Organisationen zu kämpfen haben, wobei sich der Bogen der tierquälerischen Aktivitäten von privaten Personen, die oft dringend einer psychologischen Betreuung bedürften, bis hin zu Landwirten spannt, die mit ihren Nutztieren, also der Grundlage ihres Einkommens, in einer Art und Weise umgehen, die zutiefst verwerflich und verachtenswert ist.

Kollege Leichtfried hat es bereits gesagt: Meine Fraktion wird dieser Vorlage ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.


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Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlagen (1042 und 1174/NR sowie 5680/BR der Beilagen)

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informationen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes (1087 und 1175/NR sowie 5681/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 und 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlagen sowie

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informationen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes.

Die Berichterstattung über die Punkte 9 und 10 hat Herr Bundesrat Himmer übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.

Berichterstatter Mag. Harald Himmer : Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Außenminister! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlagen.

Im Rahmen der österreichischen Kernenergiepolitik stellt die Weiterentwicklung und Verbesserung des Völkerrechts zur Wahrung der Interessen der österreichischen Bevölkerung und zum Schutz der Umwelt ein wesentliches strategisches Element dar. Konkret wird insbesondere im Verhältnis zu den Nachbarstaaten sowie im Verhältnis zu Staaten mit Kernreaktoren geringeren Sicherheitsniveaus die rechtlich verbindliche Vereinbarung von Informations- und Konsultationsmechanismen angestrebt, nicht zuletzt, da frühzeitige und umfassende Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Optimierung österreichischer Vorsorge- und Schutzmaßnahmen sind.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.


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641. Sitzung / Seite 112

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Des weiteren bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informationen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes.

Als oberster Grundsatz der Außenpolitik Österreichs im Bereich der Kernenergie gilt, daß die österreichische Bevölkerung vorsorglich vor allen schädlichen Einwirkungen aus dem Ausland zu schützen ist.

Auf internationaler Ebene ermöglichen die Übereinkommen vom 26. September 1986 über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen, dem Österreich angehört, den Mitgliedstaaten, bei einem nuklearen Unfall in einem anderen Staat möglichst frühzeitig Schutzmaßnahmen einzuleiten. Die Benachrichtigungspflicht im Rahmen des Übereinkommens ist allerdings – wie der Titel besagt – auf Unfälle beschränkt; zudem ist der Benachrichtigungsweg über die IAEO relativ umständlich und unter Umständen zu langwierig. Österreich ist daher bemüht, in Ergänzung und Erweiterung dieses internationalen Übereinkommens, Informationsabkommen im Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes vorrangig mit den Nachbarstaaten abzuschließen.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Farthofer. – Bitte.

16.21

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Vom Berichterstatter wurden die Inhalte des Vertragswerkes schon sehr ausführlich kundgetan, das erspart mir einiges. Ich möchte nur in Erinnerung rufen, daß es Verträge dieser Art bereits mit den Nachbarstaaten Deutschland, der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen und der Slowakischen Republik gibt.

In diesem Zusammenhang ist uns allen bewußt, daß es zurzeit mit unserem slowakischen Nachbarn eine sehr emotionelle Diskussion gibt. Wir alle wissen, es geht um die Inbetrieb


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nahme des Kernkraftwerkes Mochovce. Dazu gibt es von den verschiedenen Sachverständigen die unterschiedlichsten Aussagen.

Es ist sehr erfreulich, daß die österreichische Bundesregierung einen dringenden Appell an den slowakischen Ministerpräsidenten Me#iar gerichtet hat. Die Aufnahme des Probebetriebes in Mochovce wäre ein schwerer Fehler, betonte der Bundeskanzler unter Hinweis auf die Analyse des Chefs der internationalen Expertenkommission, Wolfgang Kromp. Umweltminister Bartenstein und Konsumentenschutzministerin Barbara Prammer haben die EU-Staaten über den österreichischen Standpunkt informiert. Österreich betreibe gegen Mochovce keine Verschwörung und wolle dieses Kraftwerk auch nicht einfach verhindern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre unrealistisch, anzunehmen, daß es nie in Betrieb gehen wird. Aber wichtig ist, daß dies nur unter Einhaltung höchster Sicherheitsstandards geschieht und das Atomkraftwerk Bohunice vereinbarungsgemäß zugesperrt wird. Ich möchte persönlich feststellen, daß die internationale Rechtslage höchst unbefriedigend ist, weil die Inbetriebnahme des AKW die autonome Entscheidung der Slowakei ist.

Weiters heißt es von seiten der Bundesregierung, Österreich gehe es daher primär darum, daß die Slowakei ihre Zusagen einhalte. Österreich werde sich weiterhin um ein AKW-freies Mitteleuropa bemühen. Als Zwischenstufe sollten internationale Sicherheitsstandards verpflichtend für alle EU-Staaten eingeführt werden.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Um diese Bemühungen der Bundesregierung seitens der Länderkammer, des Bundesrates zu unterstützen, haben die Bundesräte Bieringer, Konečny, Dr. Riess-Passer, Grasberger, Farthofer und Genossen folgenden Entschließungsantrag eingebracht:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Ludwig Bieringer, Albrecht Konečny, Dr. Susanne Riess-Passer, Ing. Walter Grasberger, Erich Farthofer und Genossen betreffend die Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Mochovce

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler werden ersucht, sich für eine rasche Aufnahme der Expertengespräche unter Mitwirkung der IAEO einzusetzen und der slowakischen Regierung folgende Entschließung des österreichischen Bundesrates zu überbringen:

Der Bundesrat als Vertreter der Länder in der Bundesgesetzgebung richtet in der Angelegenheit des Atomkraftwerks Mochovce und im Hinblick auf die von namhaften Experten dargestellte Gefahr gesundheitlicher, ökologischer und ökonomischer Folgen des Betriebs und potentieller Schadensfälle die dringende Bitte an die slowakische Regierung und die gewählten VertreterInnen des slowakischen Volkes, weder durch die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Mochovce noch durch die diese Inbetriebnahme vorbereitenden Maßnahmen vollendete Tatsachen zu schaffen, eine offene und prompte Informationspolitik zu gewährleisten und alle schriftlichen Unterlagen zur Klärung der noch bestehenden und zwischenzeitlich neu aufgetretenen Mängel im Rahmen einer aus slowakischen und internationalen ExpertInnen bestehenden Kommission prüfen und in der Folge beheben zu lassen."

*****

Ich bitte, diesen Entschließungsantrag zu unterstützen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)


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641. Sitzung / Seite 114

16.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Bieringer, Konečny, Riess-Passer und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Mochovce ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hensler. – Bitte.

16.25

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, wenn man das erste Mal am Rednerpult des Bundesrates steht und gleichzeitig zu einer so wichtigen Frage wie der Sicherheit der Atomenergie und dem diesbezüglichen Abkommen einige Sätze sagen möchte, macht man sich natürlich Gedanken, ob diese Bundesregierung sämtliche möglichen Voraussetzungen erfüllt hat, um die Sicherheit der Bevölkerung, der Menschen in Österreich zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren! Dem Bundesrat wurde ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Ukraine sowie Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Information auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes übermittelt. Dieses Abkommen gewährleistet, daß Information und wieder Information im Interesse der Menschen dieser Länder an erster Stelle steht. Solche Verträge wurden, wie schon mein Vorredner erwähnt hat, auch mit anderen Ländern geschlossen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deswegen wurde im Jahre 1986 das internationale Abkommen unterzeichnet, und es wurden neben den verschiedenen anderen bilateralen Abkommen, die bereits abgeschlossen worden sind, nun auch mit der Ukraine und Slowenien Staatsverträge erarbeitet.

Hohes Haus! Sie werden sich sicherlich noch an ein Datum im Jahr 1986 erinnern, das in die Geschichte eingegangen ist: Am 26. April 1986 geschah der Reaktorunfall in Tschernobyl. Ich denke, dieses Ereignis hat bei sehr vielen politischen Kräften und sehr vielen politischen Parteien ein gewisses Umdenken in der Atompolitik hervorgerufen. Erlauben Sie mir, daß ich kurz die Chronologie anführe, um darzulegen, warum dieses Abkommen so wichtig ist: Es war nicht der 26. April der Tag, an dem wir verständigt wurden, es war auch nicht der 27. April. Am 28. April wurde in Schweden, Norwegen und Finnland erhöhte Radioaktivität gemessen, und am 29. April erfolgte in Deutschland die offizielle Meldung, daß in Tschernobyl etwas passiert ist.

Hohes Haus! Sie werden aus meinen Ausführungen ersehen, wie wichtig es ist, daß Information der Grundgedanke dieser Vereinbarung ist. Da wir glauben, daß internationale Verträge nicht ausreichen, wollen wir bilateral, wie wir es bisher schon mit Deutschland, der Tschechischen Republik, der Slowakischen Republik, Ungarn und Polen gemacht haben, auch die zwei Staaten Ukraine und Slowenien in ein Informationssystem einordnen, das rechtzeitig und sofort informiert.

Heute, zwölf Jahre danach, sage ich hier bewußt: Einige Länder haben meiner Ansicht nach nicht sehr viel daraus gelernt. Ich denke hierbei an die Slowakei oder an Indien. In unserem unmittelbaren Nahbereich wird ein Atomkraftwerk in Betrieb gehen. Mochovce, nur 180 Kilometer von Wien entfernt, stellt eine unheimlich große Gefahr für die Menschen unseres Heimatlandes dar.

Hohes Haus! Wir müssen alles unternehmen, daß dieses Kraftwerk in der derzeitigen Form nicht in Betrieb geht. Experten sagen voraus, daß die Sicherheit mittel- bis langfristig nicht gegeben sein wird.

Deshalb bin ich sehr froh, daß die österreichische Bundesregierung, an der Spitze der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler, alles unternommen hat, um der slowakischen Regierung die Sicherheitsbedenken der Experten, die zweifelsohne begründet sind, zu unterbreiten. Ebenso hat unser Herr Vizekanzler Dr. Schüssel den EU-Ratsvorsitzenden über die Bedenken, die die österreichische Bundesregierung in dieser Frage hat, informiert.

Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Ich hoffe, daß uns die EU in diesem wichtigen Punkt unterstützt. Wir brauchen diesbezüglich vehemente Unterstützung. Ich möchte mich im Namen der Österreichischen Volkspartei für Ihre Arbeit bedanken, die Sie in dieser wichtigen Frage, für die Sicherheit der Menschen in unserem Land getätigt haben.


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Abschließend: Dieses Abkommen ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Sie können versichert sein, meine sehr geehrten Damen und Herren: Der Österreichischen Volkspartei ist die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung ein derart großes Anliegen, daß wir international und bilateral alles tun werden, damit diese gewährleistet ist. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Prähauser. )

16.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.

16.31

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir behandeln hier ein Thema, welches aufgrund der Ereignisse der letzten Tage und Wochen von besonderer Aktualität ist. Es handelt sich um ein Abkommen über frühzeitigen Austausch von Informationen bei radiologischen Gefahren mit Slowenien sowie um ein Abkommen über Informationsaustausch und Zusammenarbeit mit der Ukraine.

Beide Abkommen sind von wesentlicher Wichtigkeit für unsere Bevölkerung. Beide Abkommen können vielleicht sozusagen als seelisches Placebo gelten. Ein seelisches Placebo wirkt aber nur dann, wenn es gelingt, der Bevölkerung darzulegen, daß die österreichische Bundesregierung wirklich auf die atomartechnische Weiterentwicklung der Nachbarstaaten Einfluß nehmen kann.

Wir wissen aus den Vorkommnissen in Deutschland, daß die Aufsicht über atomare Aufbereitungsanlagen und den Transport von Teilen davon zu einem anderen Lager nicht so funktioniert, wie sie eigentlich vorgesehen ist. Wenn also diese Abkommen Österreichs mit der Republik Slowenien und mit der Republik Ukraine nur pures Papier bleiben und der Austausch der Informationen nicht aufrichtig und echt erfolgt, dann haben wir es mit einem Vertrag zu tun, der nicht gelebt wird.

Wir müssen erkennen, daß selbst im innerstaatlichen Bereich, wie dies im Falle der Castor-Transporte in Deutschland der Fall war, die Information – aus welchen Gründen auch immer – nicht erfolgt. Dann stehen wir vor der Problematik, daß zwar alles gemacht worden ist – nur hat man nicht daran gedacht, daß manche Leute etwas nicht einhalten, was gesetzlich und vertraglich zugesichert ist.

Für uns Österreicher besteht natürlich ein weiteres Problem. Ich möchte es mit einem nicht ganz zutreffenden Vergleich umschreiben. Rund um Österreich sind alle Staaten Rechtsfahrer, nur Österreich ist der einzige Linksfahrer. Wir sind der einzige Staat, der kein Atomkraftwerk hat – alle rundherum, mit Ausnahme Italiens, haben und projektieren Atomkraftwerke. Es ist unserer Bundesregierung nicht möglich, diesen Staaten aufzudrängen, sie sollten doch alle Linksfahrer wie wir werden. Sie werden weiterhin rechts fahren. Wir nützen den Atomstrom ja auch. Der höchstmögliche technische Sicherheitsgrad ist also wichtig, wenn wir es den anderen schon nicht verbieten können. Das können wir kraft unserer Stärke und Größe nicht, denn wir sind ein Kleinstaat im Herzen Europas. Wenn wir es nicht verbieten können, dann haben wir dafür zu sorgen, daß der höchstmögliche zurzeit geltende und machbare Sicherheitsstandard sichergestellt wird.

Aber auch das hat die Bundesregierung – damals unter der Kanzlerschaft Vranitzky – verhindert. Internationale Kredite, in dem Fall an die Tschechische Republik, sollten verhindert werden. Das ist ein Unsinn gewesen, meine Damen und Herren! Indem Österreich aussteigt aus der Möglichkeit, daß einem Staat, der Atomkraft verwendet, Kredite gegeben werden, haben wir, die Republik Österreich und die Verantwortlichen der Bundesregierung, eigentlich das Mitspracherecht verloren, und das Schimpfen jetzt im nachhinein ist nicht gerechtfertigt. Wir haben uns selbst des Rechtes entledigt, hier guten Herzens und Gewissens zu protestieren.

Es gibt eine Unzahl von Abhandlungen darüber, wie ungeschickt, ja patschert sich die Republik Österreich verhalten hat. Das wird durch ein Abkommen mit der Ukraine und mit Slowenien nicht besser, wenn es uns nicht gelingt, die Souveränitätsansprüche unserer Nachbarstaaten Slowenien und Ukraine zu wahren, so wie wir auch unsere gewahrt wissen wollen.


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Wir sagen: Wir wollen die Atomkraft nicht in unserem Land, wir wollen auch keine Verstrahlung in unserem Land! – Aber die Sicherheit der Nichtverstrahlung ist nur dann gegeben, wenn wir diesen Ländern, die wir nicht daran hindern können, Atomkraft einzusetzen, den höchstmöglichen technischen Standard ermöglichen und uns nicht querlegen.

Da diese Vorgaben nicht möglich sind, funktioniert eben das Vertragswerk mit Tschechien nicht. Wir meinen, es ist wichtig, mit den beiden Nachbarstaaten das Vertragswerk abzuschließen, besonders mit Slowenien; dort ist das Kraftwerk ganz nahe an der österreichischen Staatsgrenze. (Bundesrat Dr. Tremmel: 70 Kilometer Luftlinie nach Graz!) Wie viele Kilometer, Herr Kollege? (Bundesrat Dr. Tremmel : 70 Kilometer Luftlinie!) Ein paar Kilometer Luftlinie, genau. Die Ukraine betrifft das natürlich auch. Die Strahlung kennt keine Grenzen!

Die Inhalte des Abkommens sind mit Leben und Seele zu erfüllen. In diesem Sinne stimmen wir dem Vertragswerk zu und hoffen, daß die Bundesregierung nicht immer nur nach Brüssel schaut, sondern auch zu den Nachbarstaaten Ukraine und Slowenien. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tremmel. – Bitte.

16.38

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Meine Damen und Herren! Ich würde einen Kropf bekommen, wenn ich mich jetzt nicht zu diesem Thema zu Wort melden würde.

Österreich hat auf die Nutzung der Kernspaltung für die Energieversorgung verzichtet und tritt auch international dafür ein, daß möglichst weltweit, aber vor allem in Mitteleuropa auf die Energiegewinnung aus Kernspaltung verzichtet wird. Da dieses Ziel in absehbarer Zeit nicht erreicht werden dürfte, hat sich Österreich vor den von der Kernspaltung ausgehenden Gefahren bestmöglich zu schützen. – Deswegen diese Vorlagen.

Es ist ein gutgemeintes Gesetz, aber formaljuridisch gesehen eine typische Lex imperfecta. Wir schreiben in das Gesetz etwas hinein – nur wie man das Ganze exekutieren soll, ist die Frage. Da gibt es dann Artikel 10 im Abkommen mit der Ukraine und Artikel 8 im Abkommen mit Slowenien, wonach entweder Koordinatoren eingesetzt oder Kontakte gepflogen werden. Was ist aber, wenn diese Kontakte nicht gepflogen werden? Was ist, wenn diese Koordinatoren nicht tätig werden? – Da haben wir sicherlich ein Minus. Das Strahlenfrühwarnsystem, an das hier gedacht ist, könnte vielleicht nicht funktionieren. – Aber das ist nicht allein der Grund dafür, daß ich mich zu Wort gemeldet habe.

Tschernobyl wurde von meinen Vorrednern schon erwähnt. Ich fürchte – ich hoffe, ich bleibe mit meinen Befürchtungen allein –, daß mit diesen Vorlagen auf die Opfer von Tschernobyl, die in die Hunderttausende gehen – Tausende haben auch in Österreich bereits ihr Leben gelassen –, vergessen wird. Ich habe weiters das Gefühl, daß die Atomlobby dieses Gesetz erlaubt hat. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich habe die Befürchtung – und ich spreche es aus –, daß diese Vorlage als Vorwand dienen könnte, daß die Atomstromproduktion eine europäische Selbstverständlichkeit wird. (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!) Das sind die Bedenken, die ich persönlich habe.

Ich kann nur anregen, daß man hier einen Kontrollmechanismus schafft und – wir haben in Wien den Sitz der Atomenergiebehörde – die Atomenergiebehörde quasi ermächtigt, eine Betriebsbewilligung für die einzelnen tickenden Bomben zu geben.

Was ist, wenn ein Reaktor "durchgeht"? – 70 Kilometer ist Krško von Graz entfernt, 180 Kilometer ist Mochovce von Wien entfernt. Was ist, wenn heute eine internationale Bande zum Zweck einer Erpressung – so etwas passiert nicht nur in James-Bond-Filmen – ein Kernkraftwerk kapert, die Graphitstäbe herauszieht und der Reaktor "durchgeht"? – Ganz Europa ist auf diese Weise erpreßbar.


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Diese bilateralen Abkommen sind zwar gut, aber sie sind zuwenig, meine Damen und Herren! Wir haben die Möglichkeit, dieses Problem zu internationalisieren. Wir haben die Atomenergiebehörde in Wien, wir müßten Sanktionen einbauen, wir müßten zweijährige Überprüfungen vorschreiben, um diese ungeheure Gefahr, die mehr als eine Kriegsdrohung ist, möglichst geringzuhalten. Wenn ein Kernkraftwerk "durchgeht", ist halb Österreich verstrahlt, und wir können auf ewige Zeiten nicht nur auf unsere Souveränität, sondern auch auf die Gesundheit unserer Kinder verzichten. Das wollte ich gesagt haben.

Man liest in "NEWS": Klage zu Mochovce. Was werden wir mit dieser Klage erreichen? – Eigentlich gar nichts. Vielleicht wird mit dem Probebetrieb zwei Wochen später begonnen, und wenn dieser Probebetrieb einmal läuft, dann sind allfällige notwendige Reparaturen, die auch von internationalen Experten verlangt und für notwendig befunden werden, nicht mehr möglich.

Ergo dessen haben wir alle Instrumentarien der Gesetzgebung auf internationaler Ebene und auf EU-Ebene – aber da habe ich weniger Hoffnung, weil dort die Atomlobby zu stark ist, wie das steirische Beispiel STEWEAG mit der Electricité de France gezeigt hat – einzusetzen, damit die Atomisierung Mitteleuropas verhindert wird.

Ich werde dieser Vorlage mit großer Mentalreservation meine Zustimmung geben, weil sie gut gemeint ist. Aber man sollte darüber nachdenken, wie man diese Angelegenheit internationalisieren könnte. Die Atomenergiebehörde in Wien als Aufsichtsbehörde und bewilligende Behörde habe ich genannt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.43

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel. Ich erteile es ihm.

16.43

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hoher Bundesrat! Ich wurde darauf angesprochen, obwohl es nicht unmittelbar zum Thema Ukraine und Slowenien gehört, wie der Stand der Gespräche mit der Europäischen Union in Sachen Mochovce und Bohunice ist. Ich gebe gerne eine Antwort darauf.

Ich glaube auch – es sind hier viele sehr interessante und wichtige Anregungen gekommen –, daß wir von der rein bilateralen Ebene wegkommen müssen, denn da steht uns eigentlich nur ein sehr bescheidenes Instrumentarium zur Verfügung, nämlich wechselseitige Informationen. Das ist aber eigentlich nicht das, was wir brauchen. Was wir dringend brauchen, ist Ursachenbeseitigung, indem man Atomkraftwerke, die nicht mehr sicher gemacht werden können, überhaupt zusperrt und jene, die mit allen Fragezeichen sanierbar sind, sicherheitsmäßig aufrüstet.

Das ist der Punkt, in dem ich mit Ihnen nicht einer Meinung bin, denn meiner Überzeugung nach kann die Europäische Union hier sehr wohl helfen, wenn sie, was es derzeit auf Unionsebene interessanterweise auch nicht gibt – obwohl wir sonst einen Binnenmarkt haben, der alles regelt, von der Quadratzentimeter-Sitzgröße eines Traktors über die Arbeitskleidung eines Feuerwehrmannes bis hin zu den Emissionsgrenzen für einen Tischlereibetrieb; das wird alles genau und penibel geregelt –, ein Acquis Communautaire, also ein Gemeinschaftsrecht, für Atomkraftwerke schafft. Das muß dann für alle gleich gelten, egal, ob der Atommeiler in Frankreich oder in Deutschland steht, ob der Reaktor in Italien steht oder in Ungarn, Slowenien, Tschechien, Bulgarien oder sonstwo, damit man von der Diskussion wegkommt, daß es in diesem Bereich eine Ungleichbehandlung gibt.

Ich glaube, daß diese Idee, die übrigens zum ersten Mal beim Staatsbesuch des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac in Wien im Gespräch mit Bundespräsidenten Klestil, Bundeskanzler Klima und mir massiv zum Ausdruck gekommen ist – wir haben das dann auch gemeinsam öffentlich vertreten –, eigentlich eine sehr interessante Idee zu sein scheint. Kommen wir zu einem solchen Acquis Communautaire, dann haben wir natürlich in den Beitrittsverhandlungen mit den Kandidaten ganz andere Möglichkeiten.


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Alle für uns interessanten Atomreaktoren befinden sich in Ländern von Beitrittskandidaten – entweder der ersten oder der zweiten Runde, aber das ist egal –, und diese Problematik soll schon in den Beitrittspartnerschaften, also in der Vorbeitrittsphase erarbeitet und diskutiert werden. Daher glaube ich, daß der Weg, die Europäische Union zu sensibilisieren, sowohl vom Grundsatz her, europäische Sicherheitsstandards zu schaffen, als auch hinsichtlich konkreter Besorgnisse richtig ist.

Ich habe mir die Freiheit genommen und eigentlich außerhalb der Tagesordnung, zum Glück – hier ist mir auch der Zufall zu Hilfe gekommen –, beim Tagesordnungspunkt "Entschließungen des Europäischen Parlaments" dieses Thema angesprochen. Diese Entschließungen werden immer dem Rat zugeleitet, und dieser kann dazu Stellung nehmen. Das hat bisher aber noch nie ein Mitgliedsstaat gemacht. Darunter war eine Entschließung der europäischen Parlamentarier – ich danke übrigens den österreichischen europäischen Parlamentariern, denn sie haben diese Initiative ergriffen –, die zu einem Mehrheitsbeschluß des Europäischen Parlaments geführt hat.

Ich habe, wie gesagt, zu diesem Tagesordnungspunkt das Wort ergriffen und darauf hingewiesen, daß wir derzeit riesige Schwierigkeiten mit der Slowakei haben und nicht die notwendigen Informationen bekommen. Wir haben größte sicherheitspolitische Bedenken, was Mochovce betrifft. Wir wollen, daß uns in dieser Angelegenheit die Präsidentschaft, was eigentlich ungewöhnlich ist, und die Kommission, die unmittelbar dafür zuständig ist, helfen, und wollen überdies haben, daß nicht nur über Mochovce, sondern auch über Bohunice geredet wird. Das sage ich ausdrücklich dazu: Die eigentliche Hauptstoßrichtung muß natürlich in Richtung Bohunice gehen. Das war auch immer klar: Wenn überhaupt, dann kann für Mochovce allenfalls damit argumentiert werden, daß es wenigstens ein neueres Kraftwerk ist, das sehr stark von westlicher Technik geprägt ist. Dafür muß aber dann Bohunice V 1 zugesperrt werden. Dazu gibt es bereits Vorbeschlüsse der slowakischen Regierung aus dem Jahr 1997.

Es ist recht interessant – ich danke dem "Jungfernredner", Herrn Bundesrat Hensler, dafür, daß er das angesprochen hat –, wie schnell die Reaktion darauf kam. Innerhalb einer Woche hat die Kommission reagiert: Hans van den Broek hat selbst einen Vertrauten nach Preßburg geschickt, mit der slowakischen Außenministerin schriftlich Kontakt aufgenommen und eigentlich genau das verlangt, was Österreich gewollt hat, nämlich daß mit dem Probebetrieb zugewartet wird, bis eine entsprechende IAEO-Untersuchung vorliegt, daß man den höchstmöglichen Sicherheitsgrad in Mochovce schafft und daß man dann Bohunice sofort schließt.

Gleiches hat mir gestern am Abend der Ratsvorsitzende Robin Cook versprochen. Er hat mir auch schon den Text eines Briefes gezeigt, den er noch unter dem britischen Vorsitz an die slowakische Außenministerin abschicken wird, mit genau dem gleichen Titel. Er will auch sofortige Gespräche über die Schließung von Bohunice aufnehmen.

Die Informationsabkommen lasse ich jetzt einmal beiseite, das ist der bilaterale Weg, sicherlich unvollkommen, aber trotzdem nicht schlecht. Der eigentliche Punkt muß aber sein, die Themen zu internationalisieren und sie auf die IAEO-Ebene sowie auf die EU-Ebene zu heben. Ich sage ganz offen dazu, ich bin kein Techniker und kann mir kein entsprechendes Bild machen, aber ich glaube, daß es hier vielen so geht. Es gibt wahrscheinlich so viele wissenschaftliche Meinungen, wie Leute auftreten. Aber es ist wichtig, daß eine renommierte Organisation wie die IAEO jetzt die Dinge in die Hand nimmt. Es ist auch ein bißchen problematisch, wenn man immer Ad-hoc-Kommissionen bildet. Es muß etwas wie ein europäischer Sicherheitsstandard für diese Begehungen, in deren Verlauf man einander informiert, und für die Empfehlungen entstehen, damit diese, wenn sie kommen, außer Streit gestellt werden.

So gesehen ist es, so glaube ich, sehr gut gewesen, daß Viktor Klima in seinen Gesprächen mit Me#iar – ich habe selbst ein vertrauliches Gespräch, das in der Öffentlichkeit nicht bekanntgeworden ist, mit der slowakischen Außenministerin Kramplová geführt – die Zusage erreicht hat, daß die Slowaken die IAEO und auch die Empfehlungen der IAEO akzeptieren. Das gilt vice versa selbstverständlich auch für uns. Sollte die Kommission der IAEO das Kraftwerk unter den gegebenen Umständen für verantwortbar halten, dann ist das immerhin eine Weichenstellung,


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die auch wir zu respektieren haben. Damit bleibt aber noch immer der Punkt Bohunice offen, und dorthin führt die Hauptstoßrichtung der künftigen Bemühungen Österreichs.

Ich wollte in diesem Sinne ergänzend und informativ wirken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.50

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine über Informationsaustausch und Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anlagen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Albrecht Konečny, Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend die Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Mochovce vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend die Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Mochovce ist daher angenommen. (E 158)

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über den frühzeitigen Austausch von Informationen bei radiologischen Gefahren und über Fragen gemeinsamen Interesses aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, 1946 (1084 und 1177/NR sowie 5682/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tagesordnung:

Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Peter Rieser übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Peter Rieser: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des


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Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs aus dem Jahr 1946.

Der Bericht des Ausschusses ist Ihnen allen schriftlich zugegangen.

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

16.54

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Jahren bemühen sich Wissenschafter und Organisationen in aller Welt, die Ausrottung der Wale zu verhindern. Aus Profitgier wurden jahrzehntelang die Wale gejagt und getötet. Bedauerlich ist, daß, obwohl es seit 1986 ein kommerzielles Walfangverbot gibt, trotz dieses Verbotes immer wieder viel zu viele Wale getötet werden. Industrieländer wie Norwegen ignorieren dieses kommerzielle Walfangverbot überhaupt, und Japan umgeht es immer mit dem Hinweis auf wissenschaftliche Zwecke.

Wir wissen aber genau, daß kein einziger Wal für einen wissenschaftlichen Zweck getötet werden muß. Experten sagen, daß es keine offenen Fragen mehr gibt, die dies rechtfertigen würden, und zur Walbeobachtung braucht man ohnehin lebende Wale. Tatsache ist vielmehr, daß gerade in Japan Walfleisch in den einschlägigen Restaurants als Spezialität angeboten wird und dieser sogenannte wissenschaftliche Zweck selbstverständlich ein rein kommerzieller Zweck ist.

Wir sprechen heute über eine Quotenänderung in der Anlage zum Übereinkommen zum Schutz der Wale. Dabei geht es um die eingeborene Bevölkerung; sie wird in der Vorlage "indigene Bevölkerung" genannt. Diese Änderung erlaubt dann das Töten von Grönlandwalen, Grau- und Zwergwalen im Bereich Grönlands, der Russischen Föderation und der Vereinigten Staaten von Amerika. Es gibt aber auch für die indigene Bevölkerung keinerlei rechtsverbindlichen Kriterien, die besagen, ob der Walfang zu ihrem Lebensunterhalt dient und bei ihnen traditionell erfolgt. Außerdem sind sich die indigenen Völker untereinander überhaupt nicht einig, ob sie sich auf den traditionellen Walfang konzentrieren sollen. Es gibt nämlich auch eine andere Meinung, die besagt: Die Walbeobachtung und damit ein Anlocken von Touristen wären wesentlich zweckmäßiger.

Ich glaube daher, daß man zuerst klären sollte, wer den traditionellen Walfang tatsächlich braucht oder betreiben will und wer nicht. Außerdem hat sich immer wieder gezeigt, daß vor allem unter dem Einfluß Japans Geld an diese Völker gezahlt oder ihnen zumindest angeboten wird, damit sie um Fangquoten ansuchen. In Wirklichkeit sind wir dann wieder beim kommerziellen Walfang, und als solcher wird er dann auch genützt.

Es scheint mir daher besonders wichtig zu sein, daß erstens ein Verbot für den Handel von Walfleisch überlegt und möglichst auch festgesetzt wird, daß zum zweiten geklärt wird, wie es um den Walfang der indigenen Bevölkerung steht, und daß es drittens – das halte ich für den wichtigsten Punkt – nicht nur Kontrollen, sondern auch damit verbundene Sanktionen gibt, weil sich das sonst nie aufhören wird.

Da es hier noch viele offene Punkte gibt und nicht von so großer Wichtigkeit ist, daß die indigene Bevölkerung eine gewisse Anzahl von Grauwalen, Zwergwalen, Grönlandwalen hier


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und jetzt und sofort fangen kann, werden wir dieser Vorlage nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.58

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Günther Leichtfried das Wort. – Bitte.

16.58

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Es war früher eine Faustregel, daß pro Jahr ungefähr eine Tierart ausstirbt. Heute ist das ganz anders: Pro Stunde verschwindet eine Tierart auf der Erde für immer.

Viele dieser Tiere mußten ihr Leben lassen, weil es als schick galt, zum Beispiel ihre Zähne, ihre Felle oder ihre Häute als Schmuckgegenstände zu verarbeiten. Sie erinnern sich sicherlich alle daran, daß die Wellen der Empörung hochgingen, als bekannt wurde, daß Hunderte Robben an der südafrikanischen Küste einen Massentod sterben sollten, um zu Hundefutter oder zu einem den Geschlechtstrieb anregenden Mittel verarbeitet zu werden.

Die Vernichtung der Tierwelt findet aber nicht immer so spektakulär statt wie in der gerade geschilderten Form. Die Hälfte der Tiere stirbt heute aus, weil ihnen der Lebensraum genommen oder zumindest sehr stark verändert wird. Ein anderer großer Teil wird durch unkontrolliertes Jagen und Fangen ausgerottet. Hält diese Entwicklung an, so kann angenommen werden, daß im Jahr 2000 nur noch ein Fünftel der heute lebenden Tierarten vorhanden sein wird. Ob darunter auch der Wal sein wird, wird vor allem von unseren Aktivitäten und davon, wie wir unsere Verantwortung wahrnehmen, abhängen.

Österreich ist vor Jahren dem Übereinkommen mit dem Ziel beigetreten, den bestmöglichen und umfassenden Schutz aller Wale zu erreichen. Durch aktive Mitarbeit hat Österreich versucht, diesem Ziel treu zu bleiben.

Seit Jahren – es ist schon erwähnt worden – bemühen sich Wissenschaftler und Umweltorganisationen in aller Welt um eine Verbesserung des Schutzes der Wale und vor allem auch – ich möchte das hier erwähnen – um eine Eindämmung der Ausbeutung und Zerstörung der Weltmeere. Trotzdem geht sie unverändert weiter.

Seit 1986 besteht ein Verbot des kommerziellen Walfangs, aber es wird, wie meine Vorrednerin vorhin gesagt hat, immer wieder unterlaufen, wie etwa von Norwegen oder von Japan. Die Situation der Wale wird daher immer dramatischer. Blauwale und Grönlandwale sind von der Ausrottung bedroht. Forderungen nach Einrichtung eines weltweiten Schutzgebietes für Wale – sie werden vor allem von Greenpeace erhoben – sollen und müssen daher unterstützt werden. Artenschutzinteressen müssen Vorrang vor kommerziellen Nutzungsinteressen haben.

Auch die Situation der Zwergwale wird immer dramatischer. Unter dem Deckmantel der Wissenschaft werden sie allein zu Handelszwecken gejagt. Wir können sie auf den Märkten Japans und Koreas wiederfinden.

Das Überleben dieser intelligenten und für das gesamte Ökosystem wichtigen Meeressäuger wird also von uns abhängen. Machen wir uns zum Fürsprecher dieser so imposanten und sensiblen Lebewesen! Treten wir dafür ein, daß wir uns immer wieder kritisch einbringen, um eine verstärkte Kontrolle des internationalen Walfangs zu erreichen!

Was die Änderung der Walfangquote betrifft, wäre meiner Meinung nach folgendes anzumerken: Die indigene Bevölkerung darf nicht bestraft werden dafür, daß die Wale durch große Fischfangflotten der Industrieländer in ihrem Bestehen bedroht sind. Andererseits – das wurde richtig gesagt – gibt es aber keine rechtlich verbindlichen Kriterien. Daher wären meiner Meinung nach drei Forderungen zu erheben, die folgendermaßen lauten:


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Erstens: Nur jene indigenen Völker, die nachweislich traditionellen Walfang betrieben haben, dürfen eine Abschußquote zuerkannt bekommen.

Zweitens: Die festgelegten Quoten bedürfen einer besseren Kontrolle, damit ein Ausnützen für kommerzielle Zwecke ausgeschlossen werden kann. Ein generelles Verbot für den Handel mit Walfleisch wäre notwendig.

Drittens: Wir brauchen dringend eine Regelung des wissenschaftlichen Walfanges.

Unter diesen Voraussetzungen wäre eine Regelung optimal. Die sozialdemokratische Fraktion wird aber trotzdem, weil es keine Strafe für die indigenen Völker geben soll, dieser Vorlage zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.03

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. – Bitte, Herr Bundesrat.

17.03

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren des Bundesrates! Sie merken, daß die Aussagen der drei Fraktionen zu diesem Tagesordnungspunkt nur marginal auseinanderlaufen. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Ich kann mich mit vielem von dem, was meine Vorredner gesagt haben, einverstanden erklären, bin aber doch in ein paar Punkten unterschiedlicher Meinung.

Meine Damen und Herren! Es ist wenigen Menschen – und vor allem wenigen Österreichern – gegönnt, Wale in ihrem Urelement, in den Weltmeeren beobachten zu können. Die meisten Menschen, so auch ich, kennen Wale noch am ehesten aus dem IMAX-Kino, also aus dem Kino oder aus dem Fernsehen. Dennoch – und das ist interessant – ist das Interesse der Bevölkerung eines Binnenlandes wie Österreich daran besonders groß. Vor allem merkt man das an der außerordentlich hohen Anteilnahme, wenn Meldungen über das Stranden von Walen durch die Medien geistern.

So groß und so gewaltig diese Säugetiere auch sind, brauchen sie – auch die kleineren Unterarten – doch den größten Schutz der Menschen vor Menschen. Das sollte uns nachdenklich stimmen.

Ich habe absolutes Verständnis dafür, daß Urvölker – wie die Inuit, die Indianer, die Chukoten –, die über Jahrhunderte, ja über Jahrtausende die Jagd auf Wale ausgeübt haben, Walfang betreiben, um in traditioneller Weise überleben zu können. Da denke ich anders als Frau Bundesrätin Mühlwerth, wenn sie meint, das könne man über den Tourismus lenken. Da erlaube ich mir anzumerken: Der Tourismus hat noch jedes Urvolk zum Aussterben gebracht. Das kann auch nicht unser Wollen sein!

Es ist interessant, daß gerade Österreich als Binnenland – mit Unterstützung Australiens – in der letzten Konferenz einen Antrag durchbringen konnte, in welchem Richtlinien – diese sind zwar im Abkommen nicht enthalten, aber es bestehen immerhin Richtlinien – festgelegt wurden, unter welchen Voraussetzungen indigene Völker eine Fangquote erhalten.

Man muß sich die Quoten für den jährlichen Fang einmal vor Augen führen. So sind es in Grönland 19 Finnwale und 187 Zwergwale; das stellt eine leichte Erhöhung gegenüber dem Vorjahr dar. Für die Chukota- und die Alaska-Eskimo werden 56 Grönlandwale freigegeben; das ist auch ein Plus. Nur bei Grauwalen wurde die Quote mit 124 etwas niedriger angesetzt als im Vorjahr.

Ich habe mich bemüht, eine Statistik zu finden, aus der hervorgehen würde, wie sich in den Jahren seit 1946, also in den mehr als 50 Jahren, die vergangen sind, seit es ein Abkommen zur Beschränkung der Walfangquoten gibt, die Fangquoten entwickelt haben. Das ist mir leider nicht gelungen. Ich denke, eine solche Statistik sollten wir auch der Öffentlichkeit zur Kenntnis bringen, sollte sie irgendwo aufgetrieben werden können.


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Ich bin zutiefst überzeugt davon, daß der österreichische Weg, der zunehmend von anderen Staaten mitgetragen und unterstützt wird, richtig ist, nämlich Zug um Zug die Fangquoten zu beschränken und einzuengen.

Die Wale und ihre Unterarten haben wohl einen ungeheuer großen Lebensraum, wenn man bedenkt, daß zwei Drittel unserer Erde mit Wasser bedeckt sind. Dennoch ist das Überleben für diese Giganten der Weltmeere nicht gesichert.

Ungehemmte Verschmutzung, Raubbau an den Ressourcen der Meere durch Schleppnetze und andere abzulehnende Fischereimethoden engen nicht nur den Lebensraum, sondern auch die positive Entwicklung der Walpopulation immer mehr ein. Daher betrachte ich es als einen europäischen Schandfleck, daß Norwegen als reiches, entwickeltes, an Erdölvorräten bevorzugtes Land eigentlich illegal Wale fängt und tötet und nicht einmal dem Moratorium zum Schutz der Wale beigetreten ist und es nicht anerkennt. Ich wiederhole: Daß Norwegen Zwergwale zu rein kommerziellen Zwecken im Nordatlantik tötet, betrachte ich als einen Schandfleck.

Noch schlimmer verhält sich die große Industrienation Japan, die uns Österreichern in vieler Hinsicht als Vorbild hingestellt wird. Ich habe das immer abgelehnt, und auch in diesem Bereich lehne ich es absolut ab. Ich erlaube mir, folgendes festzustellen: Wenn ein Land unter dem Mantel der Wissenschaft internationale Verbote umgeht und in Schutzgebieten Wale tötet, dann sollten wir uns überlegen, wie wir auf entschiedene Art und Weise diese Verstöße in der Öffentlichkeit aufzeigen können. Vielleicht könnten wir dann das Konsumverhalten wenigstens jener Menschen ändern, denen das Überleben der Wale ein Anliegen ist.

Ich möchte abschließend festhalten: Es muß sich international durchsetzen, daß es zumindest in den entwickelten Staaten zu den vornehmsten Aufgaben gehört, jeder Kreatur, die die Schöpfung hervorgebracht hat, ob groß oder klein, das Überleben zu sichern! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.09

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Zusatzabkommen zu dem in Paris am 2. September 1949 unterzeichneten Allgemeinen Abkommen über die Privilegien und Immunitäten des Europarates, abgeschlossen zwischen der Regierung der Republik


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Österreich und dem Europarat betreffend das Europäische Zentrum für lebende Sprachen samt Briefwechsel (1085 und 1179/NR sowie 5683/BR der Beilagen)

13. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein 6. Protokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates (1098 und 1180/NR sowie 5684/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 12 und 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Zusatzabkommen zu dem in Paris am 2. September 1949 unterzeichneten Allgemeinen Abkommen über die Privilegien und Immunitäten des Europarates, abgeschlossen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Europarat betreffend das Europäische Zentrum für lebende Sprachen samt Briefwechsel, und weiters ein 6. Protokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates.

Die Berichterstattung über diese Punkte hat Herr Bundesrat Peter Rieser übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Peter Rieser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bringe die Berichte des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten.

Die schriftlichen Berichte sind Ihnen allen zugegangen, und ich beschränke mich daher auf die Verlesung des Antrages des Ausschusses.

Zum Tagesordnungspunkt 12: Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheit stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zum Tagesordnungspunkt 13: Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer. Ich erteile es ihr.

17.12

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das 1994 vom Ministerrat des Europarates beschlossene Europäische Zentrum für lebende Sprachen wurde 1995 in Graz eröffnet. In bezug auf dieses Zentrum geht es heute um ein Zusatzabkommen zum Allgemeinen Abkommen über die Privilegien und Immunitäten des Europarates.

Im Ausschußbericht heißt es dazu, daß es erforderlich sei, für das Sprachzentrum und seine Bediensteten spezielle Regelungen zu treffen, da die Bestimmungen des Allgemeinen Abkommens nicht ausreichend seien. Es lohnt sich, sich einmal anzusehen, um welche speziellen Regelungen es sich dabei handelt.

Es geht um Steuerfreiheit in bezug auf KFZ-Steuer, motorenbezogene Versicherungssteuer, weiters um Steuerfreiheit für vom Sprachzentrum bezahlte Gehälter und Einkünfte, um eine


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Ausnahme von der Anwendung der österreichischen Gesetze im Bereich der Sozialversicherung – das soll übrigens auch für österreichische Staatsbürger, die im Sprachzentrum tätig sind, gelten – und um eine rückwirkende Vergütung der Mehrwertsteuer, beginnend mit 9. Mai 1995, für den Sprachzentrum-Exekutivdirektor und dessen Stellvertreter.

Ähnliche Regelungen, die sogar noch weiter gehen, soll es für die Richter des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes geben, und zwar nicht nur für sie selbst, sondern auch für deren Familienangehörige. Begründet wird dies damit, daß die Einräumung dieser Privilegien und Immunitäten notwendig sei, um die richterliche Unabhängigkeit zu gewährleisten. Wenn tatsächlich derartige Privilegien und Immunitäten notwendig sind, um richterliche Unabhängigkeit zu gewährleisten, dann muß man sich fragen, ob das nicht ein reichlich verkehrter Gedankengang ist. Da werden sich auch die österreichischen Richter und die Richter in anderen Staaten reichlich wundern, von denen man selbstverständlich richterliche Unabhängigkeit auch dann verlangt, wenn es keine derartigen Zusatz-Schmankerln gibt.

Meine Damen und Herren! Ich denke, es wäre überhaupt hoch an der Zeit, sich generell um die vielfachen Ausnahmeregelungen für diverse internationale Organisationen zu kümmern beziehungsweise sie anzusehen. Diese Ausnahmen sind meines Erachtens in vielen Bereichen längst nicht mehr zu rechtfertigen. Die freiheitliche Fraktion wird daher diesen beiden Vorlagen nicht zustimmen, schon gar nicht, wenn es, wie im gegenständlichen Fall, auch noch darum geht, gewisse dieser Regelungen sogar noch rückwirkend einzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.14

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile ihm das Wort.

17.14

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Riess-Passer hat in ihrem kritischen Beitrag betreffend Immunitäten sicherlich übersehen, daß es sich dabei um diplomatische Usancen handelt. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das habe ich nicht übersehen!) Es geht dabei um Personen, die im Dienst internationaler Organisationen europaweit tätig sind. Sie sind daher ohne weiteres mit Diplomaten vergleichbar.

Die Menschenrechtsstandards sind leider noch immer nicht in allen europäischen Staaten, auch nicht in allen Mitgliedstaaten des Europarates als gleichwertig zu bezeichnen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte soll für die Durchsetzung der Menschenrechte in allen Staaten des Europarates sorgen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, Frau Riess (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Riess-Passer!)  – Riess-Passer; Entschuldigung! –, daß Richter wegen ihrer ungeschützten Familienangehörigen unter Druck gesetzt werden, um sie in ihrer Entscheidung zu beeinflussen. Um auch diese – sicherlich kriminelle – Facette auszuschließen (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wie ist es mit der Steuerfreiheit?) , ist es, so glaube ich, gerechtfertigt, auch Vorrechte für die Familienangehörigen gelten zu lassen.

Sicherlich kann man über die Steuerfreiheit diskutieren. Das möchte ich gar nicht in Abrede stellen. Aber man darf nicht übersehen, daß der Europarat wie alle anderen internationalen Organisationen seine Bediensteten nach internationalen Schemata bezahlen muß, egal, in welchem Land seine Mitarbeiter tätig sind.

Es ist schon erwähnt worden, daß wir uns heute mit zwei Abkommen auseinanderzusetzen haben: Das eine betrifft das Europäische Zentrum für lebende Sprachen – samt Briefwechsel –, das andere den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich mißt der 1950 unterzeichneten und 1953 in Kraft getretenen Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundrechte besondere Bedeutung zu. Die Europäische Menschenrechtskonvention hat in der österreichischen Rechtsordnung Verfassungsrang. Das heißt, daß die in der Konvention und deren


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Zusatzprotokollen enthaltenen Rechte Grundfreiheiten sind und in Österreich unmittelbar anwendbar sind.

Beim Wiener Europagipfel im Oktober 1993 einigten sich die Mitgliedstaaten des Europarates darauf, als Bestandteil der Konvention einen einzigen Gerichtshof für Menschenrechte zu errichten. Das bisherige System, bestehend aus Kommission und Gerichtshof, konnte die rasch steigende Zahl von Beschwerden nicht mehr bewältigen, und die langen Verfahrenszeiten waren den Rechtssuchenden unzumutbar.

Das Protokoll 11 zur Konvention der Menschenrechte wurde am 11. Mai 1994 zur Unterzeichnung aufgelegt. Es wurde von Österreich noch am gleichen Tag unterzeichnet, und die Ratifizierungsurkunde wurde am 5. August 1995 hinterlegt.

Durch die Genehmigung des 6. Protokolls zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates sollen nun den Richtern und deren Familienangehörigen die gleichen Vorrechte und Immunitäten eingeräumt werden, wie sie Diplomaten und deren Angehörigen üblicherweise zugestanden werden.

Der neue ständige Gerichtshof wird seinen Sitz in Straßburg haben und übernimmt mit 1. November dieses Jahres die Aufgaben der bisherig tätigen Kommission und des Gerichtshofes. Durch die Errichtung dieses Gerichtshofes werden die Bürger der Mitgliedstaaten des Europarates gerecht und direkt Recht finden können. Dies ist aus demokratiepolitischer Sicht, so glaube ich, ein weiterer großer Fortschritt für die europäischen Bürgerinnen und Bürger.

Der Gerichtshof wird für alle 40 Mitgliedstaaten des Europarates, Rußland miteingeschlossen, zuständig sein und die wachsende Anzahl von Beschwerden sicher rascher erledigen können.

Nun einige Anmerkungen zu dem zum Beschluß vorliegenden Zusatzabkommen betreffend die Privilegien und Immunitäten des Europarates samt Briefwechsel für die im Europäischen Zentrum für lebende Sprachen tätigen Mitarbeiter. Wie Sie alle wissen, hat das Sprachzentrum seinen Sitz seit Mai 1995 in Graz. Dieses Zentrum ist für den gesamteuropäischen Raum konzipiert und widmet sich als Einrichtung des Europarates vor allem der Fremdsprachenentwicklung in Lehre, Wissenschaft und Forschung für den schulischen und universitären Bereich. Die Finanzierung des Sprachzentrums in Graz erfolgt durch 23 Mitgliedstaaten, daruter auch Österreich, sowie das Bundesland Steiermark und die Stadt Graz. Ein besonderer Aufgabenschwerpunkt dieses Sprachzentrums ist es derzeit, die Bemühungen der Staaten Mittel- und Osteuropas betreffend einen künftigen EU-Beitritt besonders zu unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einer Zeit des rasanten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels, der Globalisierung von Produktion, Dienstleistungen und Kapital sind Maßnahmen zu setzen, welche die Voraussetzungen für weltweite Kommunikation erleichtern beziehungsweise schaffen. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten könnte es sein, leistbare und leichtere Zugangsmöglichkeiten für die weltweite Verständigung der einfachen Bürger untereinander zu schaffen, nicht nur für Eliten.

Grundsätzlich gilt auch für das Sprachzentrum das Allgemeine Abkommen über Privilegien und Immunitäten des Europarates, es ist jedoch darüber hinaus erforderlich, spezielle Regelungen für die Bediensteten des Sprachzentrums zu treffen. Die im Zusatzabkommen vorgesehenen Regelungen und Befreiungen entsprechen natürlich den geltenden EU-rechtlichen Bestimmungen.

Die sozialdemokratische Fraktion wird beiden Abkommen die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


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Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Zusatzabkommen zu dem in Paris am 2. September 1949 unterzeichneten Allgemeinen Abkommen über die Privilegien und Immunitäten des Europarates, abgeschlossen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Europarat betreffend das Europäische Zentrum für lebende Sprachen samt Briefwechsel.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein 6. Protokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

14. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung der Republik Österreich (1088 und 1181/NR sowie 5685/BR der Beilagen)

15. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung (Protokoll II in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärungen; Protokoll vom 13. Oktober 1995 über blindmachende Laserwaffen (Protokoll IV) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärung (1107 und 1182/NR sowie 5686/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 14 und 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung der Republik Österreich und weiters


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ein Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung – Protokoll II in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung – zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärungen; Protokoll vom 13. Oktober 1995 über blindmachende Laserwaffen – Protokoll IV – zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärung.

Die Berichterstattung über die Punkte 14 und 15 hat Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung der Republik Österreich.

Der Ausschußbericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Des weiteren bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Protokoll über das Verbot oder die Einschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen und unterschiedslos wirken können samt Erklärungen; Protokoll vom 13. Oktober 1995 über blindmachende Laserwaffen zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärung.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 2. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Kraml. Ich erteile es ihm.

17.28

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die zwei Beschlüsse des Nationalrates betreffend die Antipersonenminen und das entsprechende Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen und Sprengfallen sind sehr wichtige Schritte, um künftighin viel Leid von der Zivilbevölkerung fernzuhalten. Es ist dies nach langen Verhandlungen jetzt die Umsetzungsphase, die möglichst zügig vorangetrieben werden sollte.

Meine Damen und Herren! Zu den 110 Millionen weltweit verlegten Antipersonenminen kommen jedes Jahr zirka 2 Millionen dazu. Entsorgt werden in diesem Zeitraum lediglich zirka 100 000 Stück. Jährlich werden an die 25 000 Menschen durch Minen getötet oder schwerst verstümmelt. Die Opfer sind fast ausschließlich Zivilisten – Kinder, Frauen, Männer –, die, abgesehen


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von ihren körperlichen Schäden, zumeist auch in wirtschaftliches Elend fallen. Kinder, die die Wirren des Krieges überlebt haben und dann in der Friedenszeit von Minen zerrissen werden – das darf es doch nicht geben!

Nehmen wir zum Beispiel Bosnien. In Bosnien liegen zirka eine Million Minen, davon 80 Prozent Antipersonenminen. Ein Drittel des Staatsgebietes ist mit diesen versteckten Killern vermint. In Korea zum Beispiel sind bis jetzt mehr Menschen durch Minen umgekommen als durch die direkten Kriegshandlungen. Neben all den menschlichen Tragödien verhindern diese Minenfelder den Wiederaufbau und die Wiederansiedlung von Menschen in den ehemals kriegsführenden Ländern.

Persönlich, meine Damen und Herren, gefällt mir auch die Unterscheidung zwischen "dummen" und "intelligenten" Minen nicht. Ich meine, wir brauchen weder die einen noch die anderen.

Nach all den negativen Folgen für Mensch und Umwelt müßte man meinen, daß alle maßgeblichen Länder an einem Strang ziehen. Das ist aber nicht so. Es gibt auch massive Wirtschaftsinteressen. Dafür ein Beispiel: 1994 hat Präsident Clinton als erster vor dem amerikanischen Kongreß zu einem weltweiten Verbot von Antipersonenminen aufgerufen, 1996 hat Amerika dann das Abkommen nicht unterzeichnet. Die Waffenindustrie hat sich wieder einmal durchgesetzt, aber trotzdem, so meine ich, keinen Sieg errungen.

Internationale Kampagnen haben das Problem thematisiert und die Öffentlichkeit wachgerüttelt. Jody Williams hat für ihren bemerkenswerten Einsatz gegen die Antipersonenminen 1997 sogar den Friedensnobelpreis erhalten.

Zum Minenverbot, meine Damen und Herren, müssen auch internationale Räumaktionen durchgeführt werden, und dort liegt das wahre Problem. Das Minenverbot kostet nichts, Räumaktionen gehen aber ins Geld. Nach einer Schätzung der UNO müßten selbst bei einem sofortigen Verzicht auf den Einsatz von Minen für die Räumung bereits verlegter Minen an die 33 Milliarden Dollar aufgebracht werden.

Die UNO hat für diese Räumaktionen einen Fonds für freiwillige Mittel eingerichtet und sich jährlich an die 70 Millionen Dollar erwartet; eingegangen ist aber nur etwa ein Drittel des erwarteten Betrages. Die Zahlungsmoral der Länder läßt also noch zu wünschen übrig.

Grundsätzlich gibt es das Problem, daß kriegführende Staaten oder Bewegungen unter allen Umständen auf Waffennachschub angewiesen sind. Bekommen sie die Waffen nicht auf dem Markt, werden sie diese selbst erzeugen, und bei Minen ist das nicht schwer, da das Produkt an sich nicht sehr "intelligent" ist. Das zeigen uns einige afrikanische Länder wie Ägypten oder zum Beispiel Südafrika, aber auch Staaten wie Pakistan und China, die als Minenlieferanten im großen Stil auftreten.

Meine Damen und Herren! Es muß soweit kommen, daß es sich kein Land mehr leisten kann, Minen zu erzeugen, damit zu handeln oder sie gar zu verlegen.

Österreich war federführend bei der Gestaltung des Vertragsentwurfes, und darauf können wir stolz sein. Spezialisten des Bundesheeres leisten in Krisengebieten wertvolle Hilfe bei der Minenräumung. Österreich leistet auch beträchtliche Finanzmittel und stellt entsprechende Geräte zur Minenräumung zur Verfügung, und wir werden das auch weiterhin tun.

Meine Damen und Herren! Auch kleine Länder können, wenn sie geschlossen auftreten und vorgehen, etwas bewegen und die großen zumindest in Zugzwang bringen. Meine Fraktion wird daher gegen die Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)


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17.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. Ich erteile ihm das Wort.

17.33

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Derzeit – es wurde schon von meinem Vorredner erwähnt – sind rund 110 Millionen Antipersonenminen in 68 Ländern vergraben. Pro Jahr – das wurde auch gesagt – kommen zirka 2 Millionen dazu, nur 200 000 werden geräumt. Dies hat zur Folge, daß oft erst Jahre nach einem bewaffneten Konflikt Zivilisten von vergrabenen Antipersonenminen schwer verletzt werden.

Die Idee, sowohl bestimmte Minen als auch verschiedene Einsatzmethoden dieser Kampfmittel zu verbieten beziehungsweise zu begrenzen, ist nicht neu. Bereits im Jahr 1980 kam es zum Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages, dessen erklärtes Ziel es war, besonders inhuman wirkende Waffen zu reglementieren. Ein beigefügtes Protokoll über Minen, Sprengwaffen und andere Vorrichtungen sieht seit dem Inkrafttreten im Jahr 1983 ein Verbot des perfiden Einsatzes dieser Kampfmittel und Beschränkung für deren Verwendung vor.

Das österreichische Bundesheer hat bereits vor Jahren aus eigenem Antrieb alle Bestände von Antipersonenminen vernichtet. Ärzte des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes wiesen Anfang der neunziger Jahre nach, daß durch die weltweite Verbreitung von Antipersonenminen wöchentlich einige hundert Menschen, insbesondere Zivilisten in Bürgerkriegsländern, verstümmelt oder getötet werden. Dieses Faktum führte 1995 und 1996 zu einer Revision des Abkommens von 1980 und in der Folge zu einem geänderten Protokoll über Minen, Sprengfallen und andere Vorrichtungen.

Die Staatengemeinschaft konnte sich aber nicht auf ein Antipersonenminen-Totalverbot einigen. Ursache war fehlender Konsens darüber, ob Antipersonenminen generell indiskriminierend und in ihrer Wirkung auf Menschen exzessiv sind. In der Folge war der Westen nicht bereit, auf seine fern verlegten "smart mines" – also selbstzerstörende und selbstdeaktivierende Minen – zu verzichten, und Staaten wie China, Rußland und Indien junktimierten ihr Angebot zum Verzicht auf "dumb mines" – technisch sehr einfach konzipierte Antipersonenminen – mit der Abrüstung der westlichen High-Tech-Minen.

Die kanadische Regierung unternahm noch im Oktober 1996 einen neuen Anlauf, ein weltweites Antipersonenminen-Totalverbot zu erreichen. Die Bezeichnung "Ottawa-Prozeß" geht somit auf die kanadische Initiative zu einer weiteren zu dieser Thematik einschlägigen Konferenz zurück.

Wir haben heute das Ergebnis des angeführten Verhandlungsprozesses auf der Tagesordnung. Das Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung ändert das Übereinkommen vom Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen und unterschiedslos wirken können.

Mit diesem Protokoll in der geänderten Fassung konnten weitere Beschränkungen des Einsatzes von Personenminen erreicht werden; nicht erreicht wurde jedoch ein Totalverbot von Antipersonenminen.

Aufgrund der eingangs erwähnten Initiative der kanadischen Regierung wurde in einem gesonderten Konferenzprozeß ein Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung Österreichs beschlossen. Die Kernbestimmungen dieses Übereinkommens sehen ein umfassendes Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe aller Arten von Antipersonenminen, die Zerstörung vorhandener Bestände von Antipersonenminen innerhalb von vier Jahren ab dem Inkrafttreten für den betreffenden Vertragsstaat, die Räumung verlegter Antipersonenminen innerhalb von zehn Jahren ab dem Inkrafttreten – wie das geschehen soll, ist eine andere Frage – für den betreffenden Vertragsstaat sowie ein entsprechendes Verifikationsregime vor.

Noch einmal sei es erwähnt: Das österreichische Bundesheer hat seine Antipersonenminen über eigene Entscheidung schon vor Jahren weggegeben.


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Österreich hat am Zustandekommen dieses Abkommens durch diplomatische Initiative sowie durch die Entsendung von Experten des Verteidigungsministeriums zu den Konferenzen wesentlichen Anteil gehabt. Mit diesem Abkommen wird dem humanitären Anliegen der Verminderung der Zahl von Antipersonenminen und damit verbundenen Auswirkungen Rechnung getragen.

Trotzdem brauchen wir selbstverständlich eine starke Landesverteidigung; wir haben heute schon mehrmals darüber diskutiert, auch in Richtung NATO. Ich möchte noch einmal erwähnen, was mein Kollege Schöls betreffend die allgemeine Wehrpflicht gesagt hat: Auch ich bin dafür, daß sie weiterbesteht, weil wir sie einfach brauchen.

Aber zurück zum Thema: Im innerstaatlichen Bereich wurden die Intentionen dieses Abkommens bereits im Jahr 1997 durch das Bundesgesetz über das Verbot von Antipersonenminen umgesetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hoffen, daß durch dieses Abkommen ein Beitrag geleistet werden kann, um künftig Menschen das Schicksal, Minenopfer zu werden und ein Leben lang behindert zu sein, zu ersparen. Meine Partei wird diesem Abkommen deshalb zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.39

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

17.39

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Personenminen sind eine Geißel der Menschheit. Es erstaunt daher, daß das Landminenverbot vom Weltpolizisten Nummer eins erst – vielleicht – frühestens 2006 unterzeichnet werden soll. Im Oktober 1997 haben sich in Ottawa 175 Staaten darauf geeinigt, für das Landminenverbot einzutreten. Doch der Kongreß der Vereinigten Staaten schickt sich zurzeit sogar an, ein einjähriges Moratorium für die Anwendung von Antipersonenminen, das am 12. Februar 1999 beginnen sollte, zu revidieren.

Meine Damen und Herren! Minen verursachen jährlich Hunderttausende Verletzte und Tausende Tote. Aber aus den Berichten der letzten Woche kennen wir auch die Aufregung über die A-Waffen-Versuche in Indien und in Pakistan. Waren früher die A-Waffen mehr oder minder auf die zwei Großmächte beschränkt, sodaß man – fast schon elegant – vom "Gleichgewicht des Schreckens" sprach – soll es jetzt in diesem engeren Bereich, am indischen Subkontinent, etwas anderes sein? – Vielleicht ist es das "Gleichgewicht des Schreckens" auf niedrigerer Ebene und in einer anderen Hemisphäre, die arabische oder islamische Bombe auf der einen Seite und die indische Bombe auf der anderen. Vermutlich ist eine gewisse Scheinheiligkeit der Großmächte im Spiel, da man ihnen die Rolle der Weltpolizisten aus der Hand genommen hat. Das Monopol, bisher auf wenige Staaten beschränkt, wird jetzt vergrößert.

Ich erwähne das aus folgendem Grund: Atomwaffen wurden bis jetzt nur zweimal eingesetzt, nämlich im Jahr 1945 gegen das auf dem Boden liegende Japan – die Folge waren rund 300 000 Tote in Hiroschima und Nagasaki –, und sonst nicht mehr. Aber die Personenminen verursachen täglich Opfer: Verwundete und Tote! Es kommt jedoch nicht zu einem großen Aufschrei im Blätterwald, wenn sich der eine oder andere Staat weigert – es sind nicht die unbedeutendsten –, diese Konvention zu unterschreiben.

Ich bin als Soldat persönlich stolz darauf, als einer der ersten hier im Parlament gegen die Anwendung von Personenminen aufgetreten zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich bin sehr froh, daß sich in Österreich all jene, die guten Sinnes und guten Geistes sind, diesem Ansinnen angeschlossen haben.

Es gibt keine Begründung dafür, Personenminen einzusetzen. Aber wir wissen, daß Waffenverbote immer schon die jeweils nächste Generation einer Waffe hervorgebracht haben. Das päpstliche Verbot der Armbrust wurde überholt durch die Einführung der Feuerwaffe. So


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verhalten sich jetzt auch die Vereinigten Staaten, da sie meinen, sie können die nächste Waffengeneration entwickeln, und dann kann man die Minen verbieten und sozusagen das überholte Modell aus dem Verkehr ziehen.

Ich sehe das nicht so, und ich meine, daß wir Österreicher weiterhin guten Beispiels vorangehen können, die Minen zu räumen. Zum Minenverbot beizutragen und zur Räumung beizutragen, das ist wesentlich! In diesem Zusammenhang lege ich folgenden Entschließungsantrag vor:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mag. John Gudenus, Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel und Kollegen betreffend die Vergabe der Mittel der Bundesregierung zur Unterstützung bei der Räumung von Minen durch die betroffene Bevölkerung sowie zur Ausstattung des österreichischen Bundesheeres

"Die Bundesregierung wird ersucht, die bereitgestellten Finanzmittel für 1999 (40 Millionen) so zu verwenden, daß vor allem dem österreichischen Bundesheer für Einsätze im Rahmen der Minenräumung im Ausland die entsprechenden zusätzlichen modernen Minenräumgeräte zur Verfügung stehen und Projekten von Österreichern zugute zu kommen, die vor Ort betroffene Bewohner zu Minenräumern ausbilden."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es waren Österreicher, welche sich unter persönlichem Einsatz schon in Afghanistan um Minenräumung bemüht haben. Es ist die Bundesrepublik Deutschland mit einer Minenräumschule – meiner Erinnerung nach ist sie bei Leipzig situiert –, welche heimkehrwillige Ex-Jugoslawen im Minenräumen ausbildet, sodaß diese in ihrer Heimat – die auch von Minen, so möchte ich fast sagen, verseucht ist – dazu beitragen können, endlich wieder ein zivilisiertes Leben aufzubauen. Das sind wesentliche Punkte, an denen wir teilhaben.

Kritik müssen wir jedoch daran üben, daß die Minenräumung über die Vereinten Nationen 100- bis 1000mal soviel kostet wie die Räumung von Minen durch Privatorganisationen. Es ist daher auch zu fordern, daß die Förderung von Privatorganisationen, welche die Minenräumung und die entsprechende Ausbildung auf sich nehmen, seitens der Bundesrepublik Deutschland und, wenn es ginge, von allen Staaten, die sich daran beteiligen, in stärkerem Maße durchgeführt werden könnte.

Zum Vergleich: Wird eine Mine von der UNO geräumt, so kostet das rund 1000 Dollar, also ungefähr 10 000 S, pro Mine. Wird eine Mine von einer Privatorganisation geräumt, dann entstehen Kosten zwischen 1 und 10 Dollar. Der Unterschied ist daher so signifikant, daß man eigentlich sagen müßte: Der UNO sind wegen Mißwirtschaft oder zumindest Fehlwirtschaft keine Mittel zur Minenräumung zur Verfügung zu stellen, sondern nur noch privaten Organisationen.

Weiters stimmen wir heute ab über ein Gesetz gegen blindmachende Laserwaffen sowie gegen Waffen, die besonderes Leid verursachen und unterschiedslos wirken können. Es geht darum, die Zivilbevölkerung und zivile Objekte vor solchen Waffen zu schützen.

Meine Damen und Herren! Gerade wir Österreicher, insbesondere die älteren unter uns, wissen, was es heißt, wenn die Zivilbevölkerung unterschiedslos durch Einsatz von Waffen getroffen wird. Denken wir an die Bombardierung von Wien und Wiener Neustadt, Hamburg und Dresden, Hiroschima und Nagasaki. So kann man das 21. Jahrhundert nicht angehen. Vielmehr ist es wichtig, die Zivilbevölkerung vor Leid zu schützen und am besten gar keinen Krieg zu beginnen. Ebenso ist es aber wichtig, nicht durch Sanktionen – wie dies in den letzten Jahren eingeführt worden ist – die Zivilbevölkerung unterschiedslos zum Opfer politischer Auseinandersetzungen zu machen.


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Wir stimmen diesen beiden Vorlagen mit großer Begeisterung zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Mag. Gudenus und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend die Vergabe der Mittel der Bundesregierung zur Unterstützung bei der Räumung von Minen durch die betroffene Bevölkerung sowie zur Ausstattung des österreichischen Bundesheeres ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Irene Crepaz das Wort. – Bitte.

17.47

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! "Herr Bundesminister" kann ich nicht sagen, da der Herr Bundesminister wahrscheinlich durch die unerträgliche Hitze hier vertrieben wurde. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Minen sind mörderische Instrumente der Kriegsführung, die noch lange nach der Beendigung von bewaffneten Auseinandersetzungen verheerende humanitäre und entwicklungspolitische Folgen haben. Minen werden lediglich zur Terrorisierung von Zivilisten eingesetzt. Ihr militärischer Nutzen ist höchst zweifelhaft, denn selbst bei massivem Einsatz töten und verstümmeln sie hauptsächlich die Zivilbevölkerung außerhalb militärischer Kampfhandlungen.

Sie verletzten Kinder beim Spielen, verstümmeln Frauen und Männer beim Holzsammeln und beim Bebauen ihrer Felder. Minen verseuchen Gebiete noch Jahrzehnte nach der Beendigung der Kämpfe und machen landwirtschaftliche Anbauflächen und lebenswichtige Infrastruktur wie Wasserstellen oder Wege unbenutzbar. Minen behindern und zerstören die Zukunft der Opfer. Sie binden enorme Mittel und Kräfte, die für den Wiederaufbau und die Entwicklung der betroffenen Gebiete dringend nötig sind, und sie bedeuten für die Opfer nicht nur ein physisches, sondern vor allem auch ein psychisches Trauma. Nachdem die medizinische Rehabilitation abgeschlossen ist, ist es für viele Opfer unmöglich, Arbeit zu finden und für den Lebensunterhalt selbst aufzukommen.

Eine kurze Bilanz des weltweiten Kampfes gegen Landminen: Österreich initiierte und entwarf jenen Vertrag zum weltweiten Verbot von Landminen, der 1997 in Ottawa bei der Anti-Minen-Konferenz von 126 Staaten unterschrieben wurde. Der Vertrag muß nun von 40 Staaten ratifiziert werden, um in Kraft zu treten. Wie wir im Ausschuß gehört haben, haben das bisher 13 Staaten getan. Die USA, der größte Minenerzeuger der Welt, haben bisher einen Beitritt zum Vertrag generell abgelehnt, weil sie – laut ihrer Aussage – auf die Minen als Schutz für ihre Truppen an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea nicht verzichten können. – Laut Nationalem Sicherheitsberater Sandy Berger wollen sie nun doch bis zum Jahr 2006 unterzeichnen. Allerdings hat diese Zusage rein symbolischen Wert, weil sie die "Entwicklung einer Alternative" zu den Minen zur Bedingung stellt.

Auch eine Reihe anderer wichtiger Minenproduzenten und -nutzer wie China, die Russische Föderation, Indien, Pakistan, Israel und die Republik Korea sperren sich gegen das Verbot.

Die Teilnahme der großen Mehrheit der afrikanischen, lateinamerikanischen, europäischen und asiatischen Staaten läßt aber auch die Hoffnung zu, daß der Vertrag in den vom Minenproblem betroffenen Regionen der Welt Wirkung entfalten kann. Wichtig ist es daher einerseits, daß möglichst viele Staaten möglichst bald die Ratifizierung dieses Abkommens vornehmen und daß andererseits Druck auf jene Staaten ausgeübt wird, die den Konventionen bisher noch nicht beigetreten sind. Vorstellbar wäre zum Beispiel ein gemeinsamer EU-Appell an die USA.

Denn nach wie vor fordern Minen Jahr für Jahr 10 000 Todesopfer. Rund 26 000 Menschen werden jährlich schwer verletzt oder verstümmelt, und beinahe jedes dritte Opfer ist ein Kind. Weltweit leben heute mindestens 250 000 Menschen, die durch Landminen verstümmelt wurden.


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Laut Caritas sind im Boden von mehr als 70 Ländern der Welt 110 Millionen Minen vergraben. Am schlimmsten ist die Situation in Afghanistan, Angola, Bosnien, Eritrea, Irak, Kambodscha, Kroatien, Mosambik, Somalia und Sudan.

Daß der Krieg in unserem Nachbarland noch nicht vorbei ist, beweisen folgende Zahlen: In Bosnien-Herzegowina liegen noch immer über 6 Millionen Landminen, und das bei einer Einwohnerzahl von etwas mehr als 4 Millionen. Das sind – statistisch gesehen – 1,42 Minen pro Kopf. Jeden Monat werden in Bosnien-Herzegowina 80 Menschen verstümmelt oder getötet. Am meisten gefährdet sind die Kinder, die auf den Feldern oder im Garten spielen.

Von seiten Österreichs wird die Rückkehr der Flüchtlinge nach Bosnien intensiv gefördert. Aber gerade für diese Menschen werden die Landminen ein enormes Hindernis für den Aufbau eines neuen Lebens darstellen. Diese feigen Waffen machen das Bebauen der Felder lebensgefährlich, sie verhindern den Wiederaufbau. Eine Entminung der Region ist aufgrund fehlender technischer und finanzieller Mittel zurzeit nicht möglich.

Die Kosten für eine Antipersonenmine betragen zwischen 3 und 30 US-Dollar. Ihre Räumung kostet dagegen zwischen 300 und 1 000 US-Dollar. Das führt unter anderem dazu, daß von den 110 Millionen weltweit verlegten Minen jährlich nur 100 000 geräumt werden. Die Rückkehrer werden weiterhin mit der Angst vor Tod und Verstümmelung leben müssen, wenn sich an der jetzigen Situation nichts ändert.

Artikel 6 Abs. 1 und 3 des Abkommens konkretisieren sowohl die bi- und multilaterale Zusammenarbeit und Hilfeleistung bei der Erfüllung der Vertragspflicht als auch Maßnahmen zur Rehabilitation von Minenopfern. Heuer werden von der österreichischen Regierung – seitens des Außenministeriums – 40 Millionen Schilling für Minenopfer und für die Entminung bereitgestellt. Vizekanzler Schüssel hat im Nationalrat angekündigt, im nächsten beziehungsweise übernächsten Jahr einen Schwerpunkt dahin gehend zu setzen, daß die Ausrüstung des österreichischen Bundesheeres mit Minensuchgeräten verstärkt wird.

Humanitäre Minenaktionsprogramme erfordern ein umfassendes Konzept des Wiederaufbaus und der Entwicklung, das von medizinischer Nothilfe, physischer und psychischer Rehabilitation der Opfer bis zur Ausbildung der einheimischen Bevölkerung zur Umsetzung der Minenaktionsprogramme reicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Übereinkommen hat einen rechtlichen Rahmen für das Verbot und die Ächtung von Landminen geschaffen. Es darf aber nicht mit der Ratifizierung einschlafen, denn die Zeit läuft davon: Jährlich werden 2 Millionen Minen neu verlegt!

Es wäre wünschenswert, daß Österreich nach unserem gemeinsamen Beschluß im Bundesrat und nach einer bisher wirklich gelungenen Vorarbeit weiterhin eine tragende Rolle in diesem wichtigen humanitären Bereich einnehmen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.54

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu der eingangs gemachten Bemerkung möchte ich festhalten, daß der Herr Vizekanzler nicht vor der großen Hitze geflüchtet ist, sondern übereinstimmendes Verständnis aller Fraktionen dafür gefunden hat, daß er einer dienstlichen Verpflichtung als Außenminister nachkommt.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Herbert Thumpser das Wort. – Bitte.

17.55

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, daß wir mit dem vor uns liegenden Übereinkommen ein Übereinkommen für die Menschlichkeit beschließen, aber auch ein Übereinkommen, das die humane Rolle Österreichs unterstreicht. Vielen von uns sind Bilder im Gedächtnis, die Opfer von derartigen Minen zeigen. (Präsident Bieringer übernimmt den Vorsitz.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Rund 7 000 Kinder werden pro Jahr von Antipersonenminen getötet oder verstümmelt, das sind 20 Kinder pro Tag. In der Zeit, in der wir heute unsere Beratungen im Hohen Haus durchführen, waren es wahrscheinlich wieder rund zehn Kinder. Dies macht betroffen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Betroffen macht aber auch ein Video von einem kleinen thailändischen Buben im Alter von neun oder zehn Jahren, dem ein Fuß abgerissen wurde und der berichtet, wie es dazu gekommen war. Er sagt: Wir wußten, daß dort wahrscheinlich Minen liegen, aber einer von uns mußte die Jaks zum Fressen hinausführen, weil wir sonst verhungert wären. Ich mußte es tun. Daher ist es mir passiert, und ich muß damit leben. – Dies ist die Aussage eines kleinen, neun- bis zehnjährigen thailändischen Buben.

Wir alle sind gegen Krieg. Wir alle sind dagegen, daß Menschen aufeinander schießen und daß Menschen Sprengfallen auslegen. Nur können wir Österreicherinnen und Österreicher nicht verbieten, daß es trotzdem passiert. Wir können jedoch einen kleinen Beitrag dazu leisten, indem wir heute diesem Übereinkommen unsere Zustimmung geben.

Über 100 Millionen Antipersonenminen – das wurde schon mehrmals erwähnt – sind weltweit verlegt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Traurige ist, daß die Minen nicht nur in den heutigen Krisengebieten liegen, sondern sie sind auch in Friedenszeiten, also dann, wenn die kriegerischen Handlungen längst beendet sind, Realität. Deshalb müssen wir – ich sehe dies als unsere humane Aufgabe – unseren Beitrag zur Räumung dieser Minen leisten, sowohl in personeller als auch in logistischer und vor allem finanzieller Art und Weise.

Lieber Kollege Gudenus! Der Vizekanzler hat im Nationalrat schon erwähnt, daß 40 Millionen Schilling nicht nur für heuer bereitgestellt sind, sondern auch für die nächsten Jahre bereitgestellt sein werden. Eines verwundert mich ein wenig: In Ihrem Entschließungsantrag im Nationalrat waren es nur 25 Millionen, heute sind es auf einmal 40 Millionen. Vielleicht ist in den letzten Wochen mit den Millionen manches ein bißchen danebengegangen. (Bundesrat Konečny: Das ist der föderalistische Aspekt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir es aber schaffen können, daran mitzuwirken, daß eine Waffe, von der wir wissen, wie sie wirkt – von der wir wissen, daß davon zum großen Teil unschuldige Menschen betroffen werden –, verboten wird, dann ist das meiner Ansicht nach ein Grund zur Freude.

Es ist auf der einen Seite ein Grund zur Freude, andererseits aber ist es, so glaube ich, auch ein außenpolitischer Auftrag, alles zu unternehmen, daß dieses Übereinkommen auch von anderen Regierungen beschlossen und ratifiziert wird, nämlich von jenen Regierungen, die diesem Übereinkommen noch nicht beigetreten sind und deshalb die notwendigen Beschlüsse noch nicht gefaßt haben. Es wurde bereits erwähnt, daß dazu sowohl die USA als auch die Russische Föderation und China gehören. Ich sehe es als einen Auftrag auch dieses Hauses an den Vizekanzler und Außenminister, dafür Sorge zu tragen, daß insbesondere jene Regierungen das Übereinkommen ebenfalls beschließen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Sozialdemokraten werden wir diesem Übereinkommen zustimmen. Wir werden dieses Übereinkommen als ein Zeichen Österreichs für eine humanere Welt und für mehr Frieden unterstützen. Österreich soll in dieser Frage eine Vorreiterrolle einnehmen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.01

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile ihr dieses.

18.01

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren aus dem Außenministerium! Hoher Bundesrat! Ziel dieses Übereinkommens – kurz gesagt: des Vereinten Nationen-Waffenübereinkommens – ist es, eine möglichst weitgehende Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte vor dem


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Einsatz bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen, für den Fall eines bewaffneten Konfliktes, zu schaffen. Dieses Übereinkommen sieht daher verschiedene Beschränkungen und Verbote des Einsatzes von Antipersonenminen, fernverlegter Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen vor. Unter anderem auch die Beseitigung von Minenfeldern, Sprengfallen und anderer Vorrichtungen sowie die technische Zusammenarbeit und Hilfe.

Interessant ist, daß dieses Übereinkommen in der Regierungsvorlage kurz "VN-Waffenübereinkommen" genannt wird. Ich möchte in diesem Zusammenhang erwähnen, daß es in Vorarlberg gerade die "Vorarlberger Nachrichten", kurz "VN" genannt, waren, die sich unermüdlich gegen den Einsatz von Antipersonenminen in Form von Berichten, Unterschriftenaktionen und Aufklärung eingesetzt haben. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Es ist erfreulich, daß wir mit der heutigen Regierungsvorlage wieder einen wichtigen Schritt weiter gekommen sind. Dabei haben die verschiedenen Aktionen der "VN" sowie der Vorarlberger Bevölkerung und Politiker sicherlich auch eine wichtige Rolle gespielt!

Betreffend den Entschließungsantrag der freiheitlichen Bundesratskollegen und -kolleginnen möchte ich an unseren gemeinsamen Entschließungsantrag vom 18. Dezember 1997, der in Ihrer Begründung auch erwähnt wird, erinnern. Darin heißt es unter anderem: Die Bundesregierung wird ersucht, mit den anderen Staaten der Kerngruppe eng zusammenzuarbeiten, um gemeinsam eine effiziente Strategie zur weltweiten Minenräumung und zur Milderung des durch APM hervorgerufenen Leidens zu entwickeln und umzusetzen.

Wie bereits erwähnt wurde, hat die österreichische Bundesregierung für das Jahr 1998 zirka 40 Millionen Schilling für humanitäre Minenräumung zur Verfügung gestellt, und es werden auch Ausbildner des Bundesheeres in Minenräumungszentren zum Beispiel in Bosnien und Herzegowina eingesetzt, was auch für andere Länder möglich wäre. Daß die einheimische Bevölkerung, vor allem die nicht beschäftigten ehemaligen Soldaten, an der humanitären Minenräumung teilnehmen beziehungsweise dafür ausgebildet werden, ist meiner Meinung nach aus folgenden Gründen richtig: Erstens hat die einheimische Bevölkerung beste Ortskenntnisse, zweitens werden dadurch den unbeschäftigten Soldaten Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, und drittens können Österreicher bei internationalen NGOs, also bei nicht staatlichen Organisationen, mitarbeiten, was sie auch tun.

Internationaler Zusammenhalt auch in diesem Bereich ist sicherlich notwendig, und von Österreich wird dazu beigetragen. Daher wird die ÖVP diesem Entschließungsantrag der Freiheitlichen nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.05

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung der Republik Österreich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Gudenus und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend die Vergabe der Mittel der Bundesregierung zur Unterstützung bei der Räumung von Minen durch die betroffene Bevölkerung sowie zur Ausstattung des österreichischen Bundesheeres vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend die Vergabe der Mittel der Bundesregierung zur Unterstützung bei der Räumung von Minen durch die betroffene Bevölkerung sowie zur Ausstattung des österreichischen Bundesheeres ist daher abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 13. Mai 1998 betreffend ein Protokoll über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung (Protokoll II in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärungen; Protokoll vom 13. Oktober 1995 über blindmachende Laserwaffen (Protokoll IV) zu dem Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können samt Erklärung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

16. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1998

Präsident Ludwig Bieringer: Wir kommen zum 16. Punkt der Tagesordnung: Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1998.

Mit 1. Juli 1998 geht der Vorsitz des Bundesrates auf das Bundesland Steiermark über. Zum Vorsitz berufen ist gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle entsandte Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Kommerzialrat Alfred Gerstl.

Die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates sind gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung für das kommende Halbjahr zu wählen.

Bevor ich in den Wahlvorgang selbst eingehe, halte ich fest, daß der Bundesrat gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates anläßlich jedes Wechsels im Vorsitz gemäß Abs. 1 aus seiner Mitte zwei Vizepräsidenten zu wählen hat.

Die Wahlen sind nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes, d’Hondtsches Verfahren, mit der Maßgabe durchzuführen, daß der erstgewählte Vizepräsident nicht der Fraktion des Präsidenten angehören darf.

Die Grundprinzipien der Bundesverfassung sowie der Geschäftsordnung des Bundesrates, aber auch die sich damit befassende Literatur gehen bei der Wahl dieser Funktionäre von einer klaren Zweiteilung aus.


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641. Sitzung / Seite 138

Zunächst wird bei der Bestimmung des Präsidenten das föderalistische Grundprinzip unserer Verfassung zum Ausdruck gebracht, indem der Vorsitz halbjährlich zwischen den Ländern, unabhängig von deren Größe, wechselt.

Völlig getrennt davon wird die politische Kontinuität in der Leitung des Bundesrates durch die Vizepräsidenten verwirklicht, welche nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts, also nach der Stärke der Fraktionen, zu wählen sind.

Die Interpretation der gegenständlichen Bestimmungen ergibt klar, daß ein Vorschlagsrecht für die Vizepräsidenten den beiden stärksten Fraktionen im Bundesrat zukommt. Darüber hinaus hat der Geschäftsordnungsgesetzgeber eine Spezialbestimmung in die Richtung geschaffen, daß der erstgewählte Vizepräsident nicht von jener Fraktion gestellt werden soll, welcher der Präsident angehört. Hier wurde eine klare Stellvertreterregelung in die Richtung normiert, daß der Präsident nicht durch den Vizepräsidenten derselben Fraktion vertreten werden soll, sondern von jenem Vizepräsidenten, den die andere der beiden stärksten Fraktionen stellt.

Weiters sieht § 56 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, daß diesbezügliche Wahlvorschläge zu ihrer Gültigkeit der Unterstützung von mehr als der Hälfte der Bundesräte, denen ein Vorschlagsrecht zukommt, unterfertigt werden müssen.

All dies bedeutet, daß der Wahlvorschlag der SPÖ-Fraktion für den ersten Vizepräsidenten für das zweite Halbjahr 1998 sowie jener der ÖVP-Fraktion für den zweiten Vizepräsidenten für das zweite Halbjahr 1998 den Bestimmungen der Geschäftsordnung genügen und daher zur Wahl zu stellen sind.

Der Wahlvorschlag der Freiheitlichen – dies ist die drittstärkste Fraktion des Bundesrates – ist jedoch als nicht den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend zurückzuweisen.

Ich werde daher den Wahlvorschlag der SPÖ-Fraktion für den ersten Vizepräsidenten für das zweite Halbjahr 1998 sowie jenen der ÖVP-Fraktion für den zweiten Vizepräsidenten für das zweite Halbjahr 1998 zur Abstimmung bringen.

Wahl des Vizepräsidenten

Präsident Ludwig Bieringer: Ich gehe daher nunmehr in den Wahlvorgang selbst ein.

Sofern sich kein Einwand erhebt, werde ich die Wahl der beiden Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen. – Dagegen wird kein Einwand erhoben.

Wir kommen zur Wahl des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates. Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach lautet.

Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Ich bedanke mich und stelle Stimmeneinhelligkeit fest.

Der Vorschlag ist somit angenommen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich frage die gewählte Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nimmst du die Wahl an?

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Ich nehme die Wahl an und danke ganz herzlich für das Vertrauen!

Präsident Ludwig Bieringer: Ich darf dich dazu sehr herzlich beglückwünschen und wünsche dir auch für das zweite Halbjahr alles Gute!


Bundesrat
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641. Sitzung / Seite 139

Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates. Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Jürgen Weiss lautet.

Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich frage dich, geschätzter Herr Vizepräsident: Nimmst du die Wahl an?

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Ich nehme die Wahl an und danke für das Vertrauen. (Allgemeiner Beifall.)

Präsident Ludwig Bieringer: Ich darf dich dazu sehr herzlich beglückwünschen und wünsche dir für das zweite Halbjahr ebenfalls alles Gute!

Wahl der Schriftführer

Präsident Ludwig Bieringer: Wir kommen nun zur Wahl der beiden Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Bundesrätinnen Irene Crepaz und Ilse Giesinger für das zweite Halbjahr zu Schriftführerinnen des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Ein Einwand wird nicht erhoben.

Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen. – Frau Kollegin Crepaz.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Ich nehme die Wahl an und danke für das Vertrauen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Präsident Ludwig Bieringer: Danke. – Frau Ilse Giesinger.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Ich nehme die Wahl an und bedanke mich sehr herzlich für das Vertrauen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Präsident Ludwig Bieringer: Ich wünsche beiden Damen ebenfalls alles Gute und beglückwünsche Sie zur einstimmigen Wahl!

Wahl der Ordner

Präsident Ludwig Bieringer: Wir kommen nunmehr zur Wahl der drei Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Bundesräte Engelbert Schaufler, Erhard Meier und Andreas Eisl für das zweite Halbjahr 1998 zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Es wird kein Einwand erhoben, daher wird die Wahl unter einem durchgeführt.

Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
641. Sitzung / Seite 140

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen. – Engelbert Schaufler.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Ich nehme die Wahl an und danke für das Vertrauen.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke. – Erhard Meier.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das Vertrauen.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke. – Andreas Eisl.

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Ich nehme die Wahl an und danke. (Allgemeiner Beifall.)

Präsident Ludwig Bieringer: Ich beglückwünsche die drei Herren zur einstimmigen Wahl und wünsche ihnen ebenfalls für das zweite Halbjahr alles Gute!

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung insgesamt zwölf Anfragen, 1387/J bis 1398/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 2. Juli 1998, 10 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 30. Juni 1998, ab 14 Uhr vorgesehen.

Schlußansprache des Präsidenten

Präsident Ludwig Bieringer: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein halbes Jahr Vorsitzführung ist schneller um, als man glaubt. Heute ist die letzte Sitzung, bei der ich die Ehre habe, den Vorsitz im Bundesrat zu führen. Gestatten Sie daher eine ganz kurze Schlußansprache!

In der Geschichte des Bundesrates war es immer üblich, daß sich der Präsident in der Schlußansprache bedankt.

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich daher zunächst sehr herzlich bei der Präsidialkonferenz des Bundesrates, insbesondere bei der hochgeschätzten Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach, bei Herrn Vizepräsidenten Jürgen Weiss, beim Fraktionsvorsitzenden Albrecht Konečny, bei der Frau Fraktionsvorsitzenden Dr. Susanne Riess-Passer und bei meinem Stellvertreter im Fraktionsvorsitz Engelbert Schaufler.

Meine Damen und Herren! Die Zusammenarbeit in der Präsidiale möchte ich als ausgezeichnet ansehen. Ich hoffe sehr, daß diese Zusammenarbeit in der Präsidialkonferenz auch in Hinkunft in einer solch guten Atmosphäre durchgeführt werden kann und werden wird!

Ich bedanke mich beim Direktor des Bundesrates Herrn Dr. Walter Labuda und bei der Frau Vizedirektorin Dr. Alice Alsch-Harant. Ich kann Ihnen, meine Dame und mein Herr, nur bescheinigen, daß Sie das Handling für den Bundesrat in ausgezeichneter Weise verstehen. Dafür bedanke ich mich sehr herzlich! (Allgemeiner Beifall.)

Mein Dank gilt auch allen Mitarbeitern im Bundesratsdienst, die ihren Dienst durchwegs in guter, ja hervorragender Weise durchführen!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
641. Sitzung / Seite 141

Ich bedanke mich bei allen Mitarbeitern der Parlamentsdirektion, die für den Bundesrat Arbeiten zu leisten haben, und ich bedanke mich auch bei den Beamten des Sicherheitsdienstes, die es ermöglichen, daß die Sitzungen des Bundesrates immer klaglos durchgeführt werden können.

Schlußendlich bedanke ich mich noch beim engsten Mitarbeiter des Präsidenten, nämlich bei Herrn Erich Mroz, der gleichzeitig auch der Chauffeur des Bundesratspräsidenten ist.

Bei all jenen, die für den Bundesrat Leistungen erbracht haben, möchte ich mich noch einmal herzlichst bedanken! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Nachdem ich dieses halbe Jahr beziehungsweise diese fünf Monate, in denen ich bisher den Vorsitz geführt habe, rückblickend Revue passieren ließ, möchte ich nun ein paar markante Sachen anmerken.

Wir hatten am 12. März eine Premiere: Der Herr Bundespräsident hat hier erstmalig eine Erklärung abgegeben. Es war dies eine Erklärung zum 12. März 1938, zu jenem Tag, als die Truppen Hitler-Deutschlands nach Österreich einmarschiert sind.

Es gab noch eine zweite Premiere in dem letzten halben Jahr: Zu einem Tagesordnungspunkt haben zwei Landeshauptmänner, nämlich der Landeshauptmann von Vorarlberg Dr. Sausgruber und der Landeshauptmann von Salzburg Dr. Franz Schausberger, gesprochen.

Meine Damen und Herren! Bei meiner Antrittsrede habe ich drei Punkte genannt: erstens die Bundesstaatsreform, zweitens das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates und drittens die kollidierenden Sitzungstermine des National- und Bundesrates.

Ich höre, die Bundesstaatsreform ist auf gutem Wege, heuer noch beschlossen zu werden. Ich hoffe, daß das, was ich vernommen habe, auch Wirklichkeit werden wird!

Das Stellungnahmerecht für den Bundesrat im parlamentarischen Verfahren zu erwirken, wird unsere gemeinsame Aufgabe sein. Wir werden, um unseren gemeinsamen Entschließungsantrag auch tatsächlich umsetzen zu können, noch einige Gespräche und Verhandlungen mit den Damen und Herren des Nationalrates führen.

Die einander konkurrierenden Sitzungstermine des National- und Bundesrates gehören nach einer Festlegung der Präsidiale des Nationalrates und des Bundesrates hoffentlich der Vergangenheit an. Für das kommende Halbjahr gehören sie jedenfalls der Vergangenheit an!

Meine Damen und Herren! Ich hatte als Präsident ein persönliches Anliegen: Die in letzter Zeit von Medien gegen die österreichischen UNO-Soldaten immer wieder vorgebrachten Behauptungen, die durch nichts begründet sind, haben mich schwer getroffen. Ich habe daher gemeinsam mit dem Herrn Bundesratsdirektor den österreichischen UNO-Truppen auf dem Golan und in Zypern einen Besuch abgestattet, und ich habe ihnen an Ort und Stelle gesagt, daß wir vom Bundesrat nicht so denken, wie manche Zeitungen schreiben zu müssen glauben.

Ich darf ausdrücklich festhalten: Die österreichischen UNO-Soldaten haben einen ausgezeichneten Ruf und einen hervorragenden Ausbildungsstand. Die österreichischen Soldaten genießen die höchste Wertschätzung, die Truppen im Ausland überhaupt erlangen können. Das haben mir der Nationalratspräsident von Zypern und der Nationalratspräsident von Syrien eindrucksvoll bestätigt. Die österreichischen UNO-Soldaten haben einen klingenden Namen, und sie werden von der Bevölkerung in diesen Ländern über alle Maßen geschätzt.

Abgesehen davon – darüber war ich selbst überrascht – arbeiten diese Soldaten, insbesondere jene, die in Position ihren Dienst versehen, unter härtesten Arbeitsbedingungen. In Anbetracht dessen möchte ich jenen Journalisten, die glauben, sie können den österreichischen UNO-Soldaten am Zeug flicken, gerne empfehlen, sie mögen einmal an eine solche Position gehen und dort 28 Tage lang ununterbrochen Dienst machen! Dann würden sie wahrscheinlich etwas anderes schreiben und nicht solchen Stumpfsinn, wie er mehrmals in den Zeitungen zu lesen war! (Allgemeiner Beifall.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
641. Sitzung / Seite 142

Mit großer Freude habe ich auch festgestellt, daß die österreichischen Vertreter im Ausland, nämlich unsere Botschafter, ausgezeichnete Beziehungen zu den jeweiligen Ländern, in welchen Sie Österreich vertreten, zu den dortigen Institutionen, aber auch zur Bevölkerung haben. So hat etwa der Besuch der Frau Vizepräsidentin und meiner Wenigkeit beim kanadischen Senat gezeigt, welch hervorragender Botschafter, nämlich Dr. Lichem, in Kanada Interessen Österreichs vertritt. Ich habe sehr viele Botschafter gesehen, möchte aber ausdrücklich festhalten, daß Dr. Lichem ein hervorragender Vertreter Österreichs ist, ebenso wie die Botschafter Dr. Knitel in Syrien, Dr. Bogner in Zagreb und Dr. Sabaditsch in Zypern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schluß kommend darf ich mich bedanken, daß Sie mir die Vorsitzführung relativ leicht gemacht haben. Sollte ich einmal irgend jemanden beleidigt oder ein bißchen gekränkt haben, dann bitte ich jetzt um Vergebung! Ich war bemüht, als Präsident für alle zu wirken.

Ich wünsche meinem Nachfolger, Herrn Kommerzialrat Alfred Gerstl, alles Gute für das kommende zweite Halbjahr! Ich bin überzeugt davon, daß er seine Aufgabe gut bewältigen wird!

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bedanke ich mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

Hiermit erkläre ich die heutige Sitzung für geschlossen.

Schluß der Sitzung: 18.28 Uhr