Stenographisches Protokoll

643. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Mittwoch, 22. Juli, und Donnerstag, 23. Juli 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

643. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 22. Juli, und Donnerstag, 23. Juli 1998

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 22. Juli 1998: 9.03 – 18.46 Uhr

Donnerstag, 23. Juli 1998: 9.02 – 16.52 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundestheater (Bundestheaterorganisationsgesetz – BThOG) und Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird

2. Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundessporteinrichtungen – BSEOG und Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz geändert wird

3. Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz – ElWOG), das Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden, erlassen wird und das Kartellgesetz 1988 und das Preisgesetz 1992 geändert werden

4. Bundesgesetz, mit dem das Starkstromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert werden

5. Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert werden

6. Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Richterdienstgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Bundesgesetz über dienstrechtliche Sonderregelungen für ausgegliederten Einrichtungen zur Dienstleistung zugewiesene Beamte, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Mutterschutzgesetz 1979, das Elternkarenzurlaubsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Bundesfinanzgesetz 1999, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1. Dienstrechts-Novelle 1998)

7. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll


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643. Sitzung / Seite 2

8. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

9. Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

10. Bundesgesetz, mit dem das Entgeltfortzahlungsgesetz geändert wird

11. Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert werden

12. Bundesgesetz, mit dem das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird

13. Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Karenzgeldgesetz und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden

14. Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (55. Novelle zum ASVG)

15. Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (26. Novelle zum B-KUVG)

16. Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (22. Novelle zum BSVG)

17. Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (23. Novelle zum GSVG)

18. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert wird (11. Novelle zum FSVG)

19. Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird

20. Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen (Bundesstelle für Sektenfragen)

21. Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz und das Altlastensanierungsgesetz geändert werden (Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 1998)

22. Bundesgesetz über die Umweltkontrolle und die Einrichtung einer Umweltbundesamt Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Umweltkontrollgesetz)

23. Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990 geändert wird

24. Bundesgesetz, mit dem das Heeresgebührengesetz 1992 geändert wird

25. Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

26. Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

27. Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird

28. Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird

29. Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland geändert wird

30. Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten geändert wird


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643. Sitzung / Seite 3

31. Bundesgesetz über die Rechtsstellung, Errichtung, Organisation und Erhaltung der Bundesmuseen (Bundesmuseen-Gesetz)

32. Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird

33. Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1985 geändert wird

34. Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998)

35. Auslieferungsvertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika

36. Bundesgesetz, mit dem im Zivilrecht begleitende Maßnahmen für die Einführung des Euro getroffen, das Handelsgesetzbuch, die 4. handelsrechtliche Einführungsverordnung, das Aktiengesetz, das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Kapitalberichtigungsgesetz, das Spaltungsgesetz, das Firmenbuchgesetz und das Preisauszeichnungsgesetz geändert sowie einige Bestimmungen über Fremdwährungs- und Goldklauseln aufgehoben werden (1. Euro-Justiz-Begleitgesetz – 1. Euro-JuBeG)

37. Bundesgesetz betreffend Übernahmeangebote (Übernahmegesetz – ÜbG) sowie über Änderungen des Börsegesetzes und des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991

38. Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreiches Schweden zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem Ersten und dem Zweiten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof

39. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden

40. Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königsreichs Schweden zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof in der Fassung des Übereinkommens über den Beitritt des Königsreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königsreichs Großbritannien und Nordirland des Übereinkommens über den Beitritt der Republik Griechenland und des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik samt Erklärung der Republik Österreich zu Artikel IV Abs. 2 des Protokolls zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

41. Bundesgesetz über die Änderung des Universitäts-Studiengesetzes

42. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Universitätszentrums für Weiterbildung mit der Bezeichnung Donau-Universität Krems geändert wird

43. Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste (KUOG)

44. Bundesgesetz über die bauliche Erweiterung der Universität Klagenfurt unter finanzieller Beteiligung des Landes Kärnten und der Landeshauptstadt Klagenfurt

45. Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird


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643. Sitzung / Seite 4

46. Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird

47. Bundesgesetz, mit dem ein Gefahrgutbeförderungsgesetz erlassen wird sowie das Kraftfahrgesetz 1967 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden

48. Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998)

49. Europäisches Übereinkommen über Staatsangehörigkeit samt Vorbehalten und Erklärungen der Republik Österreich

*****

Inhalt

Bundesrat

Traueransprache des Präsidenten Alfred Gerstl 23

Schreiben des Bundeskanzlers an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Nominierung der österreichischen Kandidaten für die Folgeperiode des Wirtschafts- und Sozialausschusses 23

Sitzungsunterbrechungen 28, 64 und 150

Einwendungen gegen die Tagesordnung gemäß §§ 39 und 41

Dr. Reinhard Eugen Bösch 25

Antrag auf Abhaltung einer Debatte 25

Antrag auf Absetzung der Tagesordnungspunkte 14 bis 19 und 34 26

Debatte

Dr. Reinhard Eugen Bösch 26

Dr. Paul Tremmel 26

Mag. John Gudenus 27

Ablehnung des Antrages 28

Wortmeldung zur Geschäftsordnung

Dr. Reinhard Eugen Bösch 150

Personalien

Entschuldigungen 23

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 25

Ausschüsse

Zuweisungen 25

Verhandlungen

(1) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundestheater (Bundestheaterorganisationsgesetz – BThOG) und Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird (1207 und 1330/NR sowie 5726 und 5730/BR d. B.)


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643. Sitzung / Seite 5

Berichterstatter: Wolfram Vindl 29

(Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Monika Mühlwerth 29

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 30 und 35

Dr. Michael Ludwig 31

Alfred Schöls 33

Mag. John Gudenus 34

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 37

(2) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundessporteinrichtungen – BSEOG und Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz geändert wird (1208 und 1333/NR sowie 5727 und 5731/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfram Vindl 37

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Paul Tremmel 37

Ferdinand Gstöttner 38

Mag. Karl Wilfing 39

Thomas Ram 40

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 41

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 42

Gemeinsame Beratung über

(3) Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz – ElWOG), das Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden, erlassen wird und das Kartellgesetz 1988 und das Preisgesetz 1992 geändert werden (1108 und 1305/NR sowie 5732/BR d. B.)

(4) Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Starkstromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert werden (1306/NR sowie 5733/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer 43

[Antrag, zu (3) 1. den im Artikel 1 (§ 1, § 5 Abs. 2, § 10, § 12 Abs. 3, § 20 Abs. 2, § 24, § 61, § 66 Abs. 1, § 70 Abs. 2, § 71 Abs. 3), im Artikel 2, im Artikel 3 (Ziffer 1 § 4 Abs. 2, Ziffer 2 § 144 Abs. 3, Ziffer 3 § 151 Ziffer 3) und im Artikel 4 (Ziffer 1 Artikel I) des gegenständlichen Beschlusses des Na


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643. Sitzung / Seite 6

tionalrates enthaltenen Verfassungsbestimmungen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, und zu (4) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Mag. Walter Scherb 43

Karl Drochter 48

Gottfried Jaud 49

Engelbert Weilharter 51

Ludwig Bieringer (zur Geschäftsordnung) 52

Dr. Paul Tremmel (zur Geschäftsordnung) 52

Mag. Michael Strugl 53

Dr. Paul Tremmel 54

Jürgen Weiss 55

Albrecht Konečny 55

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 56

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3) 1. den im Artikel 1 (§ 1, § 5 Abs. 2, § 10, § 12 Abs. 3, § 20 Abs. 2, § 24, § 61, § 66 Abs. 1, § 70 Abs. 2, § 71 Abs. 3), im Artikel 2, im Artikel 3 (Ziffer 1 § 4 Abs. 2, Ziffer 2 § 144 Abs. 3, Ziffer 3 § 151 Ziffer 3) und im Artikel 4 (Ziffer 1 Artikel I) des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates enthaltenen Verfassungsbestimmungen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen 59

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung 59

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3) 2. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 60

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Walter Scherb und Kollegen betreffend Neuordnung der österreichischen Elektrizitätswirtschaft 46

Ablehnung 60

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (4) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 60

Entschließungsantrag der Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen 52

Zurückweisung mangels Vorliegen eines inhaltlichen Zusammenhanges mit dem Gegenstand der Verhandlung 53

(5) Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert werden (813/A und 1308/NR sowie 5734/BR d. B.)

Berichterstatter: Ing. Peter Polleruhs 61

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ulrike Haunschmid 61 und 76

Dr. Reinhard Eugen Bösch (zur Geschäftsordnung) 64

Josef Pfeifer 64


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643. Sitzung / Seite 7

Wolfram Vindl 66

Dr. Peter Harring 68

Leopold Steinbichler 71

Dr. Kurt Kaufmann 72

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 74 und 76

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 76

(6) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Richterdienstgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Bundesgesetz über dienstrechtliche Sonderregelungen für ausgegliederten Einrichtungen zur Dienstleistung zugewiesene Beamte, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Mutterschutzgesetz 1979, das Elternkarenzurlaubsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Bundesfinanzgesetz 1999, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1. Dienstrechts-Novelle 1998) (1258 und 1321/NR sowie 5735/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Grillenberger 77

(Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Paul Tremmel 76

Uta Barbara Pühringer 79

Johann Payer 80

Jürgen Weiss 81

Bundesminister Rudolf Edlinger 82

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 83

Gemeinsame Beratung über

(7) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1081 und 1322/NR sowie 5736/BR d. B.)

(8) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (942 und 1323/NR sowie 5737/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Grillenberger 84


Bundesrat
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643. Sitzung / Seite 8

[Antrag, zu (7) und (8) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

Redner:

Gottfried Jaud 84

Johann Kraml 85

DDr. Franz Werner Königshofer 85

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (7) und (8) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen 86

(9) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1186 und 1299/NR sowie 5738/BR d. B.)

Berichterstatter: Horst Freiberger 86

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Engelbert Weilharter 87

Franz Wolfinger 87

Hedda Kainz 89


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 9

Karl Drochter 90

Mag. Harald Repar 91

Bundesministerin Eleonora Hostasch 93

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 94

Gemeinsame Beratung über

(10) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entgeltfortzahlungsgesetz geändert wird (1192 und 1301/NR sowie 5739/BR d. B.)

(11) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert werden (1233 und 1302/NR sowie 5740/BR d. B.)

(12) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird (804/A und 1303/NR sowie 5741/BR d. B.)

(13) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Karenzgeldgesetz und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden (819/A und 1304/NR sowie 5742/BR d. B.)

Berichterstatter: Horst Freiberger 95

[Antrag, zu (10), (11), (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Ulrike Haunschmid 95

Ilse Giesinger 97

Karl Drochter 98

Alfred Schöls 99

Bundesministerin Eleonora Hostasch 100

Engelbert Schaufler 102

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (10), (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 102

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (11) keinen Einspruch zu erheben 102

Gemeinsame Beratung über

(14) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (55. Novelle zum ASVG) (1234 und 1365/NR sowie 5771/BR d. B.)

(15) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (26. Novelle zum B-KUVG) (1237 und 1366/NR sowie 5772/BR d. B.)

(16) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (22. Novelle zum BSVG) (1236 und 1374/NR sowie 5773/BR d. B.)

(17) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (23. Novelle zum GSVG) (1235 und 1378/NR sowie 5774/BR d. B.)

(18) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert wird (11. Novelle zum FSVG) (1238 und 1379/NR sowie 5775/BR d. B.)

Berichterstatterin: Johanna Schicker 104

[Antrag, zu (14), (15), (16), (17) und (18) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Engelbert Weilharter 104

Aloisia Fischer 105

Karl Drochter 106

Dr. Paul Tremmel 108

Engelbert Schaufler 109

Hedda Kainz 111

Alfred Schöls 112

Bundesministerin Eleonora Hostasch 113 und 115

DDr. Franz Werner Königshofer 114

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (14), (15), (16), (17) und (18) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 115

(19) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird (802/A und 1381/NR sowie 5778/BR d. B.)

Berichterstatterin: Johanna Schicker 116


Bundesrat
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643. Sitzung / Seite 10

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Paul Tremmel 116

Bundesministerin Eleonora Hostasch 118

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 118

(20) Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen (Bundesstelle für Sektenfragen) (1158 und 1287/NR sowie 5764/BR d. B.)

Berichterstatter: Herbert Thumpser 119

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Leopold Steinbichler 119

Josef Rauchenberger 120

Mag. John Gudenus 122

Mag. Karl Wilfing 123

Wolfgang Hager 125

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 126

DDr. Franz Werner Königshofer 128

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der Freiheitlichen 128

(21) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz und das Altlastensanierungsgesetz geändert werden (Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 1998) (1201 und 1327/NR sowie 5729 und 5765/BR d. B.)

Berichterstatter: Herbert Thumpser 129

(Antrag, 1. der in Ziffer 44 § 45 Abs. 16 und Ziffer 45 Artikel VIII Abs. 10 Ziffer 4 des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates enthaltenen Verfassungsbestimmung im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen die übrigen Bestimmungen des Beschlusses des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Walter Scherb 129

Ing. Peter Polleruhs 130

Mag. Günther Leichtfried 132

Mag. Karl Wilfing 134

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 134

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. der in Ziffer 44 § 45 Abs. 16 und Ziffer 45 Artikel VIII Abs. 10 Ziffer 4 des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates enthaltenen Verfassungsbestimmung im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen die übrigen Bestimmungen des Beschlusses des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 135


Bundesrat
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643. Sitzung / Seite 11

(22) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Umweltkontrolle und die Einrichtung einer Umweltbundesamt Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Umweltkontrollgesetz) (1206 und 1328/NR sowie 5766/BR d. B.)

Berichterstatter: Herbert Thumpser 136

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Monika Mühlwerth 136

Gottfried Jaud 137

Stefan Prähauser 138

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 140

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 141

Gemeinsame Beratung über

(23) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990 geändert wird (1219 und 1309/NR sowie 5767/BR d. B.)

(24) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heeresgebührengesetz 1992 geändert wird (1310/NR sowie 5768/BR d. B.)

Berichterstatter: Ernst Winter 142

[Antrag, zu (23) und (24) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Vincenz Liechtenstein 142

Stefan Prähauser 143

Dr. Reinhard Eugen Bösch 144

Mag. John Gudenus 146

Ludwig Bieringer 147

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 148

Albrecht Konečny 149

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (23) keinen Einspruch zu erheben 150

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen betreffend Sicherstellung des Krisenmanagements im Rahmen der Umfassenden Landesverteidigung 145

Ablehnung 150

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (24) keinen Einspruch zu erheben 150

Gemeinsame Beratung über

(25) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1277 und 1292/NR sowie 5748/BR d. B.)


Bundesrat
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643. Sitzung / Seite 12

(26) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1278 und 1293/NR sowie 5749/BR d. B.)

(27) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird (1279 und 1294/NR sowie 5750/BR d. B.)

(28) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird (1280 und 1295/NR sowie 5751/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfram Vindl 151

[Antrag, zu (25), (26), (27) und (28) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Monika Mühlwerth 152

Mag. Günther Leichtfried 154

Uta Barbara Pühringer 156

Thomas Ram 159

Johann Payer 160

Therese Lukasser 161

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 163

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (25), (26), (27) und (28) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 164

Gemeinsame Beratung über

(29) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland geändert wird (1281 und 1296/NR sowie 5752/BR d. B.)

(30) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten geändert wird (1282 und 1297/NR sowie 5753/BR d. B.)

Berichterstatterin: Uta Barbara Pühringer 165

[Antrag, zu (29) und (30) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Peter Harring 165

Josef Pfeifer 167

Dr. Milan Linzer 168

Johann Payer 169

Franz Richau 170

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (29) und (30) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 171

(31) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtsstellung, Errichtung, Organisation und Erhaltung der Bundesmuseen (Bundesmuseen-Gesetz) (1202 und 1338/NR sowie 5754/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Schaufler 172


Bundesrat
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643. Sitzung / Seite 13

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. John Gudenus 172

Josef Pfeifer 175

Alfred Schöls 176

Monika Mühlwerth 177

Gottfried Jaud 178

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 178

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 180

(32) Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird (1200 und 1342/NR und 5755/BR d. B.)

Berichterstatterin: Aloisia Fischer 180

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ernst Winter 180

Leopold Steinbichler 181

Andreas Eisl 182

einstimmige Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben 182

(33) Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1985 geändert wird (1198 und 1341/NR sowie 5725 und 5756/BR d. B.)

Berichterstatterin: Aloisia Fischer 183

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Andreas Eisl 183

Horst Freiberger 184

Friedrich Hensler 185

Ernst Winter 186

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 187

(34) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998) (1230 und 1359/NR sowie 5777/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Michael Ludwig 187

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ulrike Haunschmid 187

Mag. Michael Strugl 191 und 203


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643. Sitzung / Seite 14

Johanna Schicker 194

DDr. Franz Werner Königshofer 195

Dr. Günther Hummer 200

Ernest Windholz 201

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 202


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643. Sitzung / Seite 15

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 204

Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konečny, Ludwig Bieringer und Genossen betreffend Initiativen gegen Kinderpornographie im Internet 195

Annahme (E. 160) 204

Entschließungsantrag der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen betreffend Schutz unserer Kinder vor Kindesmißbrauch und Kinderpornographie 197

Ablehnung 204

(35) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend einen Auslieferungsvertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika (1083, Zu 1083 und 1343/NR sowie 5743/BR d. B.)

Berichterstatter: Ferdinand Gstöttner 205

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Böhm 205

Franz Richau 207

Hedda Kainz 208

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 208

(36) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Zivilrecht begleitende Maßnahmen für die Einführung des Euro getroffen, das Handelsgesetzbuch, die 4. handelsrechtliche Einführungsverordnung, das Aktiengesetz, das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Kapitalberichtigungsgesetz, das Spaltungsgesetz, das Firmenbuchgesetz und das Preisauszeichnungsgesetz geändert sowie einige Bestimmungen über Fremdwährungs- und Goldklauseln aufgehoben werden (1. Euro-Justiz-Begleitgesetz – 1. Euro-JuBeG) (1203 und 1344/NR sowie 5744/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Rauchenberger 209

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Harring 209

Dr. Milan Linzer 212

Johann Kraml 213

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 214

(37) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 über ein Bundesgesetz betreffend Übernahmeangebote (Übernahmegesetz – ÜbG) sowie über Änderungen des Börsegesetzes und des Einführungesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 (1276 und 1345/NR sowie 5745/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Michael Ludwig 215

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

DDr. Franz Werner Königshofer 215

Ferdinand Gstöttner 216

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 216

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 217

Gemeinsame Beratung über

(38) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreiches Schweden zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem Ersten und dem Zweiten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof (1232 und 1347/NR sowie 5746/BR d. B.)

(39) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (1231 und 1347/NR sowie 5776/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Michael Ludwig 217

[Antrag, zu (38) 1. gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, zu (39) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Herbert Thumpser 218

Dr. Peter Böhm 218

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (38) 1. gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, zu (39) keinen Einspruch zu erheben 219

(40) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königsreichs Schweden zum Übereinkommen über die gerichtliche


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643. Sitzung / Seite 16

Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof in der Fassung des Übereinkommens über den Beitritt des Königsreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königsreichs Großbritannien und Nordirland des Übereinkommens über den Beitritt der Republik Griechenland und des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik samt Erklärung der Republik Österreich zu Artikel IV Abs. 2 des Protokolls zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (1285 und 1348/NR sowie 5747/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Michael Ludwig 221


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643. Sitzung / Seite 17

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)


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643. Sitzung / Seite 18

Redner:

Josef Pfeifer 221

Dr. Peter Böhm 221

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 223

Gemeinsame Beratung über

(41) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Änderung des Universitäts-Studiengesetzes (1229 und 1349/NR sowie 5757/BR d. B.)

(42) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Universitätszentrums für Weiterbildung mit der Bezeichnung Donau-Universität Krems geändert wird (1350/NR sowie 5758/BR d. B.)

(43) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste (KUOG) (1228 und 1352/NR sowie 5728 und 5759/BR d. B.)

Berichterstatter: Horst Freiberger 224

[Antrag, zu (41), (42) und (43) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Monika Mühlwerth 224

Mag. Michael Strugl 225

Anna Elisabeth Haselbach 227

Dr. Kurt Kaufmann 229

Therese Lukasser 231

Bundesminister Dr. Caspar Einem 231

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (41), (42) und (43) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 234

(44) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die bauliche Erweiterung der Universität Klagenfurt unter finanzieller Beteiligung des Landes Kärnten und der Landeshauptstadt Klagenfurt (809/A und 1353/NR sowie 5760/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. John Gudenus 235

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Franz Richau 235

Josef Pfeifer 235

Helena Ramsbacher 236

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 236

Gemeinsame Beratung über

(45) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (805/A und 1334/NR sowie 5761/BR d. B.)

(46) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (1209 und 1335/NR sowie 5762/BR d. B.)

(47) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gefahrgutbeförderungsgesetz erlassen wird sowie das Kraftfahrgesetz 1967 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden (1275 und 1336/NR sowie 5763/BR d. B.)

Berichterstatter: Horst Freiberger 237

[Antrag, zu (45), (46) und (47) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Engelbert Weilharter 238

Franz Richau 239

Josef Pfeifer 240

Peter Rieser 241

Ernest Windholz 243

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (45) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 243

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (46) und (47) keinen Einspruch zu erheben 244

Gemeinsame Beratung über

(48) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998) (1283 und 1320/NR sowie 5769/BR d. B.)

(49) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Europäisches Übereinkommen über Staatsangehörigkeit samt Vorbehalten und Erklärungen der Republik Österreich (1089 und 1319/NR sowie 5770/BR d. B.)

Berichterstatter: Peter Rodek 244

[Antrag, zu (48) keinen Einspruch zu erheben, zu (49) 1. gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 245

Johanna Schicker 246

Ing. Walter Grasberger 247

Dr. Peter Böhm 249

Dr. Günther Hummer 251

Mag. John Gudenus 253

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (48) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 255

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Peter Böhm und Kollegen betreffend Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 251

Ablehnung 256

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu (49), 1. gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 256

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Außenstelle Meidling im Thale der Justizanstalt Stein (1417/J-BR/98)

der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Gottfried Jaud an den Bundeskanzler betreffend Umsetzung von EU-Richtlinien (1418/J-BR/98)


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Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 19

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die informelle Tagung der Arbeits-, Sozial- und Frauenministerinnen und -minister (1419/J-BR/98)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 20

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Konsumentenschutz betreffend die informelle Tagung der Arbeits-, Sozial- und Frauenministerinnen und -minister (1420/J-BR/98)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 21

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs vom Bundeskanzleramt durchgeführten Einschaltungen in den Medien (1421/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs von Ihrem Ressort durchgeführten Einschaltungen in den Medien (1422/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs von Ihrem Ressort durchgeführten Einschaltungen in den Medien (1423/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs von Ihrem Ressort durchgeführten Einschaltungen in den Medien (1424/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs von Ihrem Ressort durchgeführten Einschaltungen in den Medien (1425/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs von Ihrem Ressort durchgeführten Einschaltungen in den Medien (1426/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs von Ihrem Ressort durchgeführten Einschaltungen in den Medien (1427/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs von Ihrem Ressort durchgeführten Einschaltungen in den Medien (1428/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend die im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs von Ihrem Ressort durchgeführten Einschaltungen in den Medien (1429/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend die im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs von Ihrem Ressort durchgeführten Einschaltungen in den Medien (1430/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs von Ihrem Ressort durchgeführten Einschaltungen in den Medien (1431/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs von Ihrem Ressort durchgeführten Einschaltungen in den Medien (1432/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Konsumentenschutz betreffend die im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs von Ihrem Ressort durchgeführten Einschaltungen in den Medien (1433/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs (1434/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs (1435/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Kosten der österreichischen EU-Präsidentschaft (1436/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs (1437/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs (1438/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs (1439/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs (1440/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs (1441/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs (1442/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs (1443/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs (1444/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs (1445/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs (1446/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Konsumentenschutz betreffend die Kosten der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs (1447/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Anfragebeantwortung 3632/AB vom 17. 4. 1998 (1448/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend das in diversen europäischen Städten durchgeführte "österreichische Kulturfestival" (1449/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die "GASP-Malaise" der EU (1450/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Stabilität des "Euro" (1451/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Nichteinhaltung der Konvergenzkriterien (1452/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und Kunst betreffend die in österreichischen Schulen durchgeführte Aktion "Europa macht Schule – Zukunft ohne Grenzen" (1453/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend die informelle Ratstagung der Umweltminister vom 17. bis 19. Juli 1998 in Graz (1454/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Konsumentenschutz betreffend die Zeitdauer von Kontenüberweisungen in Österreich (1455/J-BR/98)

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend das Verhalten von Staatssekretär Wittmann gegenüber dem Österreichischen Turnerbund (1456/J-BR/98)

der Bundesräte Mag. John Gudenus, Ernest Windholz und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Förderung der Pornographie durch die Bundesregierung (1457/J-BR/98)

der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Maßnahmen für die heimische Tourismuswirtschaft während der EU-Präsidentschaft (1458/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Registrierung von Langwaffen bis zum 1. Juli 1998 (1459/J-BR/98)

der Bundesräte Ernest Windholz, Thomas Ram und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Wiedererrichtung der Eisenbahngrenzübergänge in Laa/Thaya und Fratres (1460/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die in dem Medium "News" durchgeführte EU-Werbeaktion der Bundesregierung (1461/J-BR/98)

der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Existenz von "Snuff"-Filmen in Österreich seit mindestens 1980 (1462/J-BR/98)

der Bundesräte Mag. John Gudenus, Dr. Reinhard Eugen Bösch, DDr. Franz Werner Königshofer, Engelbert Weilharter und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend das Beschaffungsprogramm des österreichischen Bundesheeres (1463/J-BR/98)

der Bundesräte Mag. John Gudenus, Dr. Reinhard Eugen Bösch, DDr. Franz Werner Königshofer, Engelbert Weilharter und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Details der Adaptierung der sogenannten HG-NEU-NEU (1464/J-BR/98)

der Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend geplante Abschaffung der Notbremse bei Eisenbahnen (1465/J-BR/98)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen (1279/AB-BR/98 zu 1386/J-BR/98)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Paul Tremmel, Mag. John Gudenus und Kollegen (1280/AB-BR/98 zu 1389/J-BR/98)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 22

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen (1281/AB-BR/98 zu 1399/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Paul Tremmel, Mag. John Gudenus und Kollegen (1282/AB-BR/98 zu 1388/J-BR/98)


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Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Präsident Alfred Gerstl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 643. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 642. Sitzung des Bundesrates vom 2. und 3. Juli 1998 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Erhard Meier, Mag. Harald Repar, Peter Rieser und Dr. Susanne Riess-Passer.

Traueransprache

Präsident Alfred Gerstl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle stehen unter dem Eindruck des so schrecklichen und folgenschweren Bergunglücks von Lassing und sind uns des unsagbaren Leides, das dadurch für die Bevölkerung, aber für die Angehörigen der verschütteten Bergleute im besonderen entstanden ist, bewußt. Ihnen gilt unser tiefempfundenes Mitgefühl und unser aller Anteilnahme.

Ich ersuche Sie daher, sich von den Sitzen zu erheben und der Opfer des Grubenunglücks zu gedenken. (Die Mitglieder des Bundesrates erheben sich von ihren Sitzen.)

Die Steirer, an der Spitze Frau Landeshauptfrau Klasnic, werden den Opfern über das ehrende Gedenken hinaus durch Hilfe für die zurückgebliebenen nahen Anverwandten verbunden bleiben. So wie sie – dessen bin ich mir sicher – fühlt und denkt ganz Österreich – als solidarische Volksgemeinschaft, die gerade bei Katastrophen oder in Notzeiten über oft Trennendes hinweg in der verbindenden österreichischen Wesensart zutage tritt.

Ich danke Ihnen. (Die Bundesrätinnen und Bundesräte nehmen ihre Plätze wieder ein.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Alfred Gerstl: Eingelangt sind vier Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt ist weiters ein Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1999 geändert wird, BFG-Novelle 1999.

Dieser genannte Beschluß unterliegt im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates. Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt ist ferner ein Schreiben des Bundeskanzlers an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Nominierung der österreichischen Kandidaten für die Folgeperiode des Wirtschafts- und Sozialausschusses.

Ich bitte die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Irene Crepaz: "Sehr geehrter Herr Präsident! Das Mandat der Mitglieder des Wirtschafts- und Sozialausschusses, die gemäß Artikel 194 EGV vom Rat einstimmig auf vier Jahre ernannt werden, läuft mit 20. September 1998 aus. Österreich entsendet zwölf Mitglieder in den Wirtschafts- und Sozialausschuß. Das Ernennungsverfahren gemäß Artikel 195 Abs. 1 EGV sieht vor, daß jeder Mitgliedstaat dem Rat doppelt so viele Kandidaten bekanntgibt, wie


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seinen Staatsangehörigen Sitze zugewiesen sind. Die Bundesregierung hat demnach 24 Kanndidaten für die zwölf österreichischen Mitglieder vorzuschlagen.

Gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG können wir Ihnen mitteilen, daß die Bundesregierung bei Ihrer Sitzung am 12. Mai 1998 aufgrund von gemäß Artikel 23c Abs. 3 eingeholten Vorschlägen der gesetzlichen und sonstigen beruflichen Vertretungen der verschiedenen Gruppen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens beschlossen hat, die aus der Beilage ersichtlichen 24 österreichischen Kandidaten zu nominieren.

Mit dem förmlichen Beschluß des Rates ist im Juli 1998 zu rechnen.

Der Bundeskanzler

Der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten

1. Mitglieder:

Gruppe I – Arbeitgeber:

Dr. Klaus Stöllnberger, Firma Gallia Mineralölprodukte-Vertriebs-AG (Vorschlag der Wirtschaftskammer Österreich),

Mag. Christa Schweng, Sozialpolitische Abteilung, Wirtschaftskammer Österreich,

Dr. Wolfgang Burkhard, Mitglied des Vorstandes der Vereinigung Österreichischer Industrieller,

Dr. Ferdinand Maier, Generalsekretär des Österreichischen Raiffeisenverbandes (Vorschlag der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs).

Gruppe II – Arbeitnehmer:

Mag. Heinz Vogler, Gewerkschaft der Privatangestellten,

Gustav Zöhrer, Gewerkschaft Metall, Bergbau, Energie,

Mag. Ernst Tüchler, Österreichischer Gewerkschaftsbund,

Mag. Thomas Delapina, Arbeiterkammer Wien,

Mag. Eva Belabed, Arbeiterkammer Oberösterreich.

Gruppe III – Sonstige:

Dr. Anne-Marie Sigmund, Generalsekretärin des Bundeskomitees Freie Berufe Österreich,

Dipl.-Ing. Rudolf Strasser, Generalsekretär-Stellvertreter der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs,

Dr. Harald Glatz, Arbeiterkammer Wien (Vorschlag des Vereins für Konsumenteninformation).

2. Zweitgereihte Kandidaten:

Gruppe I – Arbeitgeber:

Dr. Hans Trinkl, Firma Julius Meinl AG (Vorschlag der Wirtschaftskammer Österreich),

Dr. Stefan Pistauer, Vertreter der Wirtschaftskammer Österreich in der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU,

Dipl.-Ing. Dr. Clemens Malina-Altzinger, Mitglied des Vorstandes der Vereinigung Österreichischer Industrieller,


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Dr. Karl Guschlbauer, Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs.

Gruppe II – Arbeitnehmer:

Günter Weninger, Vizepräsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes,

Mag. Angela Orsolits, Österreichischer Gewerkschaftsbund,

Mag. Georg Kovarik, Österreichischer Gewerkschaftsbund,

Mag. Werner Muhm, Direktor-Stellvertreter der Arbeiterkammer Wien,

Fritz Freyschlag, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich.

Gruppe III – Sonstige:

Primarius Dr. Michael Neumann, Präsident des Bundeskomitees Freie Berufe Österreich,

Dipl.-Ing. August Astl, Generalsekretär der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreich,

Dr. Susanne Piri-Brenner, Vertretung der Bundesarbeitskammer in der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU (Vorschlag des Vereins für Konsumenteninformation)."

Präsident Alfred Gerstl: Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorbereitung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Berichte erstattet.

Ich habe daher alle diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Alfred Gerstl: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24stündigen Aufliegefrist der Ausschußberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschußberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Alfred Gerstl: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 3 und 4, 7 und 8, 10 bis 13, 14 bis 18, 23 und 24, 25 bis 28, 29 und 30, 38 und 39, 41 bis 43, 45 bis 47 sowie 48 und 49 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dr. Bösch. – Bitte.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich erlaube mir, eine Einwendungsdebatte zur Tagesordnung zu verlangen, und melde mich zu Wort.


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Einwendungen gegen die Tagesordnung

Präsident Alfred Gerstl: Es wurde eine Debatte verlangt.

Gemäß § 39 Abs. 1 beschränke ich die Redezeit jedes Redners auf 5 Minuten.

Wir gehen in die Debatte ein. Zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Bösch. – Bitte.

9.12

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung stehen auch jene Materien, die der Nationalrat am vergangenen Freitag beschlossen hat. Wider Erwarten lagen bei den Ausschußdebatten am vergangenen Nachmittag keine Ausschußberichte der Nationalratsausschüsse vor, wie es nach der Bundesrat-Geschäftsordnung zwingend vorgeschrieben wird.

Wir sind der Ansicht, daß, dadurch bedingt, erstens ein verfassungsmäßiges Zustandekommen dieser Gesetze nicht möglich ist und zweitens auch eine ordentliche parlamentarische Abwicklung durch die Bundesräte gestern nachmittag nicht zustande kommen konnte.

Meine Damen und Herren! Wir erlauben uns deshalb, Einwendung gegen die Tagesordnungspunkte 14 bis 19 und 34 zu erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.13

Präsident Alfred Gerstl: Gibt es eine weitere Wortmeldung? – Herr Bundesrat Tremmel. – Bitte.

9.13

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es mehren sich die Vorfälle, und immer mehr und immer häufiger kommt es vor, daß der Bundesrat als Organ und die einzelnen Bundesräte schlecht oder überhaupt nicht informiert werden.

Gestern im Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales – mein Vorredner, Dr. Bösch, hat es bereits erwähnt – wurden die Tagesordnungspunkte 14 bis 19 der Bundesratssitzung mündlich verlesen. Es waren keine entsprechenden Unterlagen vorhanden, geschweige denn, daß, so wie es etwa im § 18 unserer Geschäftsordnung vorgesehen ist, entsprechende Zahlen genannt worden wären. Es kann offensichtlich jedes Stück Papier verwendet werden.

Es ist tatsächlich interessant: Wenn Sie heute Ihre Unterlagen zum Ausschuß für Gesundheit, Arbeit und Soziales angeschaut haben, dann werden Sie diese Berichtsstücke noch immer nicht gefunden haben.

Eine der Pflichten des Bundesrates ist es, meine Damen und Herren, Gesetzesvorlagen nicht nur auf Föderalismuskonformität zu überprüfen, sondern auch das ordnungs- und verfassungsgemäße Zustandekommen solcher Vorlagen und Gesetze zu garantieren. Das war bei den Stücken, die mein Vorredner genannt hat, nicht möglich.

Jeder Schrebergartenverein, jeder Sparverein legt wichtige Beschlüsse schriftlich vor. Es ist einfach eine Mißachtung des Bundesrates, wenn wir hier quasi auf Befehl als Apportiermaschine des Nationalrates mißbraucht werden. Wir haben wichtige gesetzliche Aufgaben, die in unserer Bundesverfassung garantiert sind, wahrzunehmen, wir haben föderalistische Aufgaben zu vertreten, und wir haben zu kontrollieren, ob die Verfassungsmäßigkeit bei den einzelnen Gesetzen gegeben ist.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie auf § 18 hinweisen, in dem über die Vervielfältigung und Verteilung von Geschäftsstücken unter anderem expressis verbis ausgedrückt ist, daß diese Vorlagen den einzelnen Bundesräten zuzugehen haben. – Das ist nicht geschehen.


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Es sind auch taxativ die Ausnahmen genannt. Wenn der Präsident feststellt, daß ein Vorlagestück zu umfangreich ist, dann ist es in der Präsidentschaftskanzlei zur Einsicht aufzulegen. Jedenfalls hat darüber eine entsprechende Mitteilung an die Bundesrätinnen und Bundesräte zu erfolgen, was in diesem Fall ebenso nicht geschehen ist.

Meine Damen und Herren! Dieser schwere Formalmangel ist Ausdruck dafür, daß das verfassungsmäßige Zustandekommen nicht garantiert ist. Wir verlangen ergo dessen – wie mein Vorredner das bereits ausgeführt hat – die Absetzung der genannten Tagesordnungspunkte, um die Verfassungsmäßigkeit zu garantieren.

Sollte das nicht geschehen, so sind wir verhalten, dem Bundespräsidenten davon Mitteilung zu machen, daß diese Vorlagen nicht verfassungsgemäß zustande gekommen sind. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Konečny: Alles nicht wahr! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ihr Lächeln, meine Damen und Herren, zeigt mir, wie ernst Sie es auch mit den formalen Voraussetzungen der Demokratie nehmen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Bundespräsident ist unser oberstes Organ und nicht nur Repräsentant unseres Staates, sondern auch Verfassungshüter. Wir und er haben darauf zu achten, daß das gesetzesgemäße Zustandekommen und die Verfassungsmäßigkeit solcher Vorlagen garantiert sind. – In diesem Fall, meine Damen und Herren, ist das nicht gegeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.18

Präsident Alfred Gerstl: Gibt es noch eine Wortmeldung? – Bitte, Herr Kollege.

9.18

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Wenn wir Vertreter des Volkes sind, wenn wir uns an Aufträge von außen nicht gebunden fühlen wollen und wenn wir unserem Gewissen folgen wollen, dann müssen wir – wir alle! – die Anliegen, die wir Freiheitlichen heute vorgebracht haben, ernst nehmen.

Kollege Konečny hat sich vor geraumer Zeit einmal – ich wiederhole es vielleicht zum Überdruß – als Partner der Regierung bezeichnet. Partnerschaft mag ehrenvoll sein, Herr Kollege Konečny, und in vielen Fällen kann ich Ihnen zustimmen, daß Ihr Agieren durchaus den demokratischen, den verfassungsmäßigen und den geschäftsordnungsmäßigen Gepflogenheiten gerecht wird. Aber wenn Partnerschaft in Komplizenschaft umschlägt, dann wird es kritisch, meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Bedenken Sie, daß das Parlament und die politischen Gruppierungen in Österreich ... (Bundesrat Prähauser: Sie sprechen aus Ihren niederösterreichischen Erfahrungen! – Bundesrat Konečny: Mit Ausdrücken aus dem kriminellen Bereich wäre ich vorsichtig, Herr Kollege!)

Schauen Sie, Herr Kollege, es ist schön, daß Sie Position beziehen, es ist Zeit, daß Sie Position dazu beziehen. Wissen Sie, daß die Demokratie Österreichs, daß die demokratische Gesinnung der Österreicher hoch einzuschätzen ist, auch wenn sie nicht zur Wahl gehen? Und ist Ihnen vielleicht geläufig, aus welchen Gründen die Personen nicht zur Wahl gehen? – Mit jedem Wahlgang wird der Prozentsatz derer, die nicht zur Wahl gehen, größer, und sie sind schon die zweitgrößte Wählergruppe geworden ist, sicherlich auch deshalb, weil Sie – als Ganzes gesprochen – hier die Geschäftsordnung, die verfassungsmäßigen Bestimmungen nicht einhalten. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie machen sich alle mitschuldig, daß ein wachsender Teil des Wahlvolkes sich durch dieses Parlament nicht mehr vertreten fühlt.

Es wird mit gewählten Worten über eine im Gang befindliche substantielle Veränderung des parlamentarischen Gehabens hinweggetäuscht, verehrte Kollegen und Kolleginnen! Machen Sie aus dem Parlament nicht nur eine Abstimmungsmaschine! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die Qualität der Gesetze läßt ohnedies zu wünschen übrig; das wissen wir alle. Unser motorisierter, extemporierender Gesetzgeber, der unentwegt erläßt und novelliert, macht ähnliche Erfahrungen wie die Industrie beim Übergang vom Handwerklichen zur Massenfertigung: Nicht nur die


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Stückzahl steigt, meine lieben Kollegen und Kolleginnen, nein, auch die Menge dessen, was man als Ausschuß bezeichnet. Auch hier entsteht wieder Ausschußware, meine Damen und Herren, und für diese Ausschußwarenerzeugung dürfen wir uns nicht hergeben. Dafür müssen wir uns zu gut sein, verehrte Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei den Freiheitlichen!)

Der große Philosoph Oswald von Nell-Breuning beschreibt es so: Wir können die Dinge so finanzieren, daß derjenige, der die Dinge zahlt, es nicht merkt, auch daß man am besten gar nicht weiß, an wem die Bezahlung schließlich hängenbleibt. Konkurrierende Ansprüche verschiedener Behörden begünstigen die Großen und stärken diese.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie unseren Bundesrat ernstnehmen wollen, dann schließen Sie sich unseren Einwendungen an. Es geht nicht darum, daß wir fünf oder sechs Tagesordnungspunkte heute durchpeitschen – wir sind kein "Peitscherlbetrieb" –, sondern wir haben hier ordentliche Arbeit zu leisten. Tragen Sie Ihren Teil dazu bei! Stimmen Sie mit uns! Lehnen Sie diese sechs Punkte zur heutigen Beschlußfassung ab! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.24

Präsident Alfred Gerstl: Eine weitere Wortmeldung liegt nicht vor.

Nach einer mir zugegangenen Information sind die Ausschußberichte am 8. Juli und am 19. Juli an die Klubs zur Verteilung an die Bundesräte ergangen. Ich kann daher der erhobenen Einwendung gegen die Tagesordnung nicht Rechnung tragen. (Bundesrat Prähauser: Der Bundesrat wird im FPÖ-Klub nicht ernstgenommen! Er wird nicht ausreichend informiert! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Die fraglichen Tagesordnungspunkte wurden auch später an die Klubs verteilt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich unterbreche die Sitzung für einige Minuten zur Vorbereitung der Abstimmung.

(Die Sitzung wird um 9.27 Uhr unterbrochen und um 9.36 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Alfred Gerstl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den mir bisher vorliegenden Unterlagen und Informationen kann ich den erhobenen Einwendungen gegen die Tagesordnung nicht Rechnung tragen.

Somit komme ich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die der erhobenen Einwendung zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit.

Somit ist die vorgeschlagene Tagesordnung aufrecht.

Die Bundesräte Dr. Eugen Bösch und Kollegen bringen gemäß § 41 Abs. 3 GO-BR den Antrag ein, die Tagesordnungspunkte 14 bis 19 und 34 von der Tagesordnung abzusetzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für eine Absetzung der genannten Tagesordnungspunkte einsetzen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit.

Die Tagesordnungspunkte 14 bis 19 und 34 bleiben daher Gegenstand der ausgegebenen Tagesordnung.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundestheater (Bundestheaterorganisationsgesetz – BThOG) und Bun


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desgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird (1207 und 1330/NR sowie 5726 und 5730/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu Punkt 1: Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundestheater, Bundestheaterorganisationsgesetz, und Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wolfram Vindl übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Wolfram Vindl: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Als erster einer großen Zahl von Berichterstattern möchte ich mit gutem Beispiel vorangehen und auf die Verlesung des Ihnen vorliegenden Ausschußberichtes verzichten. Ich beschränke mich auf die Verlesung des Beschlußantrages.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte.

9.39

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Hauptkritik am Bundestheaterorganisationsgesetz ist, daß damit finanzielle Kindesweglegung betrieben wird, weil sich im Grunde in den nächsten Jahren überhaupt nichts ändern wird. Der Bundeskanzler, der die Kunst zur Chefsache erklärt hat, will sich nur seiner finanziellen Verpflichtungen entledigen. Durch die Gründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung versucht man, den Eindruck zu erwecken, es handle sich hiebei um eine Privatisierung.

Es fällt uns aber auf, daß allen treuherzigen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz die Politik nach wie vor das Sagen hat. Wenn man sich § 2 Abs. 2 der Regierungsvorlage anschaut, worin es heißt: "Förderung des Zeitgenössischen und innovativer Entwicklungen unter besonderer Berücksichtigung österreichischen Kunstschaffens und dessen Stärkung im internationalen Vergleich", dann müssen das all jene, denen der Auftritt des Kinderschänders Otto Mühl noch in lebhafter Erinnerung ist, eigentlich als Bedrohung empfinden.

Wenn man sich den Text über die Bestellung der Aufsichtsräte der Bundestheater-Holding anschaut, dann muß man darauf hinweisen, daß darin eindeutig dokumentiert ist, daß die Politik nach wie vor ihre Finger im Spiel hat. Fünf dieser Aufsichtsratsmitglieder werden vom Bundeskanzler selbst bestellt, je eines vom Bundesministerium für Finanzen und vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst, und eines aus dem ungeliebten Fach- und Publikumsbeirat.

In der Bestellung des wirklich entbehrlichen Fach- und Publikumsbeirates wird dies konsequent fortgesetzt, da die 24 Mitglieder natürlich wieder vom Bundeskanzler bestellt werden. Sie werden aus den einzelnen Vereinen und aus dem Österreichischen Rundfunk rekrutiert, und je ein Mitglied kommt aus dem Abonnentenkreis des Burgtheaters und des Akademietheaters. Ein Mitglied wird auf Vorschlag des Instituts für Theaterwissenschaften bestellt, zwei Mitglieder vom ORF, und zwar aus den Kulturredaktionen des Hörfunks und des Fernsehens, zwei Mitglieder stellen die Freunde der Staatsoper und der Verein der Freunde der Volksoper und des Burgtheaters, zwei Mitglieder werden auf Vorschlag des Österreichischen Bundesjugendrings und des Österreichischen Seniorenrates bestellt, und je ein Mitglied – das ist dann das Publikum – auf Vorschlag der Abonnenten des Burgtheaters und Akademietheaters, der Staatsoper und der Volksoper. Man fragt sich, wie das funktionieren soll, daß aus dem Kreis der Abonnenten einer gewählt wird, da die meisten einander nicht kennen.

Es stellt sich daher die Frage, von welcher Mitsprache des Publikums eigentlich die Rede ist. Diese Frage, Herr Staatssekretär, müssen Sie sich schon gefallen lassen. Ich bin ohnehin der


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Auffassung, daß das Publikum letzten Endes im Theater oder in der Oper entscheidet, was ihm gefällt und was ihm nicht gefällt. Man hat das an der Zahl der Abonnenten des Burgtheaters gesehen, die in der Ära Peymann zurückgegangen ist. Dieser parteipolitisch gefärbte sogenannte Publikumsbeirat hätte also weggelassen werden können.

In den Erläuterungen zu dieser Vorlage ist angeführt, daß die derzeitige Konstruktion zu starr ist und den Erfordernissen vor allem der Flexibilität nicht mehr entspricht. Das ist auch der Grund, aus dem man sich zu dieser Neuorganisation entschlossen hat. Aber tatsächlich ändert sich nicht wirklich etwas. Der derzeitige Bundestheaterverband nennt sich dann eben Theaterserviceverband, und bis mindestens 2004 bleibt alles beim alten. Daß wir mit dieser Kritik nicht allein dastehen, zeigen zahlreiche kritische Stellungnahmen der diversen Vertretungen. Daher kann, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien, nicht – wie sonst immer üblich – unsere Kritik heruntergemacht werden, auch nicht mit Ihrem Argument, das Sie gerne bringen: daß wir ohnehin gegen alles seien – wobei ich sagen muß, daß Sie es uns wirklich nicht leicht machen.

Die Ensemblevertretung des Burgtheaters beispielsweise schrieb an unseren Nationalratsabgeordneten Michael Krüger, daß mit dem Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundestheater ein Gesetz beschlossen wird, das auf besondere Weise ihre Arbeit und ihre Zukunft nachhaltig bestimmen wird. Sie schreiben in großer Sorge: "Die Ensemblevertretung des Burgtheaters fordert Sie" – also Dr. Krüger – "im Namen des Ensembles auf, die Errichtung eines sogenannten Publikumsbeirates oder, wie es nun heißt, eines Publikumsforums, sowie die Sonderkompetenzen des Aufsichtsrates" – einer unserer Hauptkritikpunkte –, "die über das normale GesmbH-Recht hinausgehen, aus dem Gesetzentwurf zur Ausgliederung zu streichen." Sie befürchten weiters eine große Erschwernis und auch eine Einschränkung ihrer Arbeit und ihrer künstlerischen Freiheit, und das nicht ganz zu Unrecht. Wir kennen genügend arbeitslose Schauspieler, die oft genug deshalb, weil sie nicht den linken "Gutmenschen" zuzuordnen sind, ihr Engagement verloren haben.

Auch das Amt der Tiroler Landesregierung ist sehr kritisch: "Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob die vorgesehene Konstruktion, nämlich die Neugründung von fünf Gesellschaften mit beschränkter Haftung, wovon eine die anderen in sogenannter Holding-Struktur umfaßt, den Geboten der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entspricht."

Der Österreichische Gewerkschaftsbund bezweifelt ebenfalls stark, daß die wirtschaftlichen und künstlerischen Ziele eingehalten werden können. In dieselbe Kerbe schlägt die Stellungnahme des Rechnungshofes, und besonders vernichtend ist die Kritik des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages. Er sagt, daß nach Maßstäben des Privathandels- und Gesellschaftsrechts jeder Geschäftsführer am ersten Tag seiner Tätigkeit sofort den Konkurs anmelden müßte.

All das sind aber Dinge, die von Ihnen nicht zur Kenntnis genommen werden und die Sie einfach beiseite schieben. Das ist jetzt wieder einmal eines Ihrer berühmten Husch-Pfusch-Gesetze. Man hätte sich auch mehr Zeit lassen können, um diese Kritikpunkte zu bedenken und auch entsprechend darauf zu reagieren. Wir kennen das schon aus der Vergangenheit, daß ein Gesetz durchgepreßt wird, und dann folgt die Novelle auf den Fuß. Beim Führerscheingesetz, das erst kürzlich hier wieder behandelt worden ist, haben wir das ganz deutlich gesehen. Daher können wir dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.47

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Wittmann. – Bitte.

9.47

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe mich zu Beginn dieser Debatte zu Wort gemeldet, weil offensichtlich von zwei verschiedenen Gesetzen ausgegangen wird.

Der hier kritisierte § 16 ist nicht Teil des heute zu beschließenden Gesetzes, sondern war Teil einer Vorlage, die im Zuge der Verhandlungen revidiert wurde und nun anders lautet. Es sind


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nicht mehr die Vertreter des ORF, es sind nicht mehr die Vertreter der Institutionen in diesem Beirat, sondern es ist ein Theaterforum geschaffen worden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist die aktuelle Regierungsvorlage! Da steht das drinnen!) Das war ein ursprünglicher Entwurf, der letztendlich nicht zur Abstimmung gelangt ist. Man sollte sich in der Debatte auf jenen Teil beschränken, der tatsächlich hier zur Abstimmung kommt, und nicht etwas kritisieren, was nicht mehr Teil der Diskussion sein kann, weil darüber nicht abgestimmt wird. Daher ersuche ich, diesen Kritikpunkt wegzulassen. Er betrifft dieses Gesetz nicht mehr, da im Nationalrat ein anderer Wortlaut beschlossen wurde.

Zur vorgeworfenen Privatisierung: Es handelt sich hiebei nicht um eine Privatisierung, sondern um eine Ausgliederung. Das ist ausdrücklich festzuhalten, weil wir davon ausgehen, daß sich der Staat aus seiner Verantwortlichkeit, die Kunst zu fördern, nicht zurückziehen darf und daher eine Privatisierung mit diesem Gesetz auch nicht erreicht werden soll. (Bundesrätin Mühlwerth: Warum nicht?)

Die Einwendungen, die im Zuge des Begutachtungsverfahrens gemacht worden sind, haben wir sehr ernstgenommen. Wir haben fast alle Einwendungen, bei denen dies möglich war, berücksichtigt. Wir versuchen mit diesem Gesetz, einerseits Kostentransparenz und Kosteneffizienz für die Häuser zu schaffen, aber gleichzeitig auch eine Stärkung der künstlerischen Eigenverantwortung der Häuser zu erreichen. Das heißt, wir haben die Position des Direktors der Häuser wesentlich aufgewertet, sodaß die künstlerischen Einzelentscheidungen, das künstlerische Tagesgeschäft und schließlich auch die finanzielle und kaufmännische Gebarung der Einzelhäuser beim Direktor liegen.

Es handelt sich hiebei um eine Spezialform der GesmbH, die bewußt gewählt wurde. Auch da haben wir nicht das Rad neu erfunden, sondern wir gehen mit diesem Gesetz mit anderen Theatereinrichtungen der Welt konform. Alle namhaften deutschsprachigen Theater, die als GesmbH tätig sind, werden so geführt. Es geht also nicht darum, den Staat aus seiner Verantwortung zu entlassen, sondern darum, eine neue Organisationsform einzuführen, die letztendlich eine effizientere, aber auch eigenständigere Führung der Häuser gewährleistet.

Es ist in diesem Gesetz auch die finanzielle Grundausstattung erstmals mit einem Mindestbetrag geregelt. Es ist weltweit einzigartig, daß ein Mindestbetrag zur Förderung der Häuser eingesetzt wird. Ich glaube, das ist ein Meilenstein in Richtung Absicherung der Häuser, und ich meine daher, daß auch die Kritik daran ins Leere geht.

Wesentlich ist: Der Beirat existiert nicht mehr in der von Ihnen genannten Form, sondern der Beirat ist in ein Theaterforum umgewandelt worden, das einen Wahlmodus hat, der ganz spezifisch festlegt, wie dieses Forum zu gründen ist. Es gibt die Institutionalisierung von Beiräten aus Funktionärsinstituten nicht mehr, sondern es ist die Wahl eines Forums festgelegt worden, das letztlich nichts anderes macht, als die schon existierenden Theatergespräche zu institutionalisieren und in eine gesetzlich gewährleistete Form zu bringen.

Nochmals: Es geht hier um das Forum; der Beirat in der von Ihnen genannten Form ist nicht Gegenstand dieses Gesetzes. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.52

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Michael Ludwig. Ich erteile es ihm.

9.52

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich werde mich vor allem auf die vorliegende Gesetzesvorlage konzentrieren, möchte aber eingangs, bevor ich mich mit dem Gesetzestext auseinandersetze, die Tätigkeit des Bundesverbandes positiv erwähnen.

Im Unterschied zu den Ausführungen meiner Vorrednerin besteht die Tätigkeit des Bundesverbandes und der einzelnen Bühnen, die dem Bundestheaterverband angeschlossen sind, ja nicht aus Einzelereignissen, sondern aus einer Summe von hervorragenden, kulturell und qualitativ


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hochstehenden Leistungen. Nicht zuletzt hat das Burgtheater bei jedem Berliner Theatertreffen wie auch bei vielen anderen internationalen Theaterevents Preise und Auszeichnungen gewonnen, und auch die Staatsoper, die Volksoper und das Akademietheater sind führende Bühnen im deutschsprachigen Raum. Hunderte Touristen kommen extra wegen dieser kulturellen Einrichtungen zu uns nach Wien und nach Österreich. Ich denke, das sollte man auch einmal lobend erwähnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Dennoch sehe ich in der heute zu beschließenden Ausgliederung eine Reihe von Vorteilen, die zum Teil auch vom Herrn Staatssekretär angesprochen wurden. Mit der organisatorischen Einteilung in vier Gesellschaften mit beschränkter Haftung beziehungsweise in drei Bühnengesellschaften und eine Theaterservicegesellschaft, die von zwei Geschäftsführern, einem künstlerischen und einem kaufmännischen, geleitet wird, kommt es zu viel größerer Eigenverantwortung. Und das ist eigentlich das, was wir in den letzten Jahren immer wieder gefordert haben: Strukturen zu schaffen, die die Eigenverantwortung der leitenden Mitarbeiter, der Direktoren in den einzelnen Häusern unterstützt.

Gleichzeitig können die Direktoren auch verstärkt autonom entscheiden und agieren. Es gibt mehr finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten, und die Managementqualität dieser leitenden Angestellten wird dadurch zweifellos mehr gefordert sein.

Die Strukturierung in Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist eine nicht unübliche Form. Der Herr Staatssekretär hat schon darauf hingewiesen, daß es vor allem im deutschsprachigen Ausland bereits die Regel ist, daß große Bühnen in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umorganisiert werden, um eine Reihe von Vorteilen zu nutzen, die ich dann im Anschluß noch kurz ansprechen möchte.

Die Neustrukturierung der Bundestheater bedeutet allerdings nicht, daß sich der Staat vor seiner Verantwortung drücken möchte – schon gar nicht vor der finanziellen Verpflichtung, wie das Kollegin Mühlwerth angesprochen hat. Ganz im Gegenteil: Es gibt in diesem Gesetzentwurf ein klares Bekenntnis des Staates, weiterhin die Verantwortung für die Bundestheater zu übernehmen, und zwar nicht nur in einer rhetorisch allgemeinen Form, sondern auch in Form einer finanziellen Zusage, in der von ungefähr 1,8 Milliarden Schilling pro Jahr die Rede ist.

Es ist, wie ich meine, eine wirklich epochale Leistung, die wir uns in vielen anderen Kulturbereichen wünschen würden, daß eine Basisabgeltung vorgesehen ist, mit der die Schaffenden, die Tätigen im Kulturbereich rechnen und mit der sie auch entsprechend disponieren können.

Die Neuorganisation der Bundestheater ermöglicht mehr Eigenverantwortung, mehr wirtschaftliche Selbständigkeit und mehr Effizienz. Weitere Vorteile dieses Modells bestehen in der Ausgliederung aus dem Stellenplan – wieder verbunden mit den entsprechenden Dispositionsmöglichkeiten der Direktoren – sowie in der Einjährigkeit des Bundesbudgets. Auch das haben wir in der letzten Zeit immer wieder gefordert: daß die Möglichkeit bestehen soll, über einen längeren Zeitraum hinaus planen zu können, damit die Direktoren die Möglichkeit haben, Kulturschaffende, insbesondere sogenannte Stars, wegen derer das Publikum oft in die Häuser kommt, mit Verträgen an das Haus zu binden.

Aber nicht nur finanzielle Überlegungen spielen in dieser Vorlage eine Rolle. Auch die Wahrung der künstlerischen Autonomie und die Definition des kulturpolitischen Auftrages werden darin behandelt. Effizienz und Wirtschaftlichkeit sind für einen Kulturbetrieb wichtig, insbesondere dann, wenn er von der öffentlichen Hand finanziert wird, aber es ist mindestens ebenso wichtig, diesen Bühnen, den Bundestheatern, auch einen kulturpolitischen, einen inhaltlichen Auftrag mitzugeben.

In der Vorlage ist eine Reihe von Punkten angeführt, die ich für sehr wichtig und auch für bahnbrechend erachte, was die weitere Tätigkeit der Bundestheater betrifft. Ich denke hiebei an die verstärkte Pflege der zeitgenössischen und innovativen Entwicklungen im Theaterbereich, an die Förderung von Spielplänen mit pluralistischem Angebot, an die Förderung der Kunstver


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mittlung für verschiedene Zielgruppen, insbesondere für Kinder und Jugendliche, oder auch an die Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten für die gesamte österreichische Bevölkerung.

Das heißt, das Positive an dieser Vorlage ist die hohe Bereitschaft, sich mit den organisatorischen und finanziellen Herausforderungen zu befassen, gleichzeitig aber auch einen kulturpolitischen Auftrag für die Bundestheater zu formulieren.

Besonders ein Thema war in der Öffentlichkeit immer wieder Gegenstand von Diskussionen, und zwar der sogenannte Publikumsbeirat, mit dem ich mich – ganz ehrlich – auch nie wirklich anfreunden konnte. Ich bin aber überzeugt davon, daß mit der jetzigen Lösung, nämlich ein Publikumsforum einzurichten, das sich aus je vier Theaterbesuchern der drei Häuser zusammensetzt, die in ihrer konstituierenden Sitzung einen Vorsitzenden wählen, der dann gemeinsam mit der künstlerischen Leitung der jeweiligen Häuser regelmäßig Publikumsgespräche organisiert, eine Möglichkeit geschaffen wurde, die Publikumsgespräche zu institutionalisieren. Die Publikumsgespräche selbst halte ich für eine sehr wichtige und demokratiepolitisch günstige Möglichkeit, das Publikum einzubeziehen.

Herr Staatssekretär! Ich möchte Sie bei dieser Gelegenheit fragen, ob Sie sicherstellen können, daß diese Publikumsforen keine Möglichkeit der kulturellen Zensur darstellen, sondern sich im Gegenteil vornehmen, das Publikum verstärkt einzubeziehen und vielleicht auch eine breitere Entscheidungsfindung vorzusehen, daß aber jeder Versuch einer Zensur an den Bundestheatern hintangestellt wird.

In Summe ist diese Vorlage ein wichtiger und guter Schritt, die hohe Qualität der Bundestheater auch für die Zukunft zu sichern. Deshalb werde ich namens der sozialdemokratischen Fraktion gegen diese Vorlage keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

9.59

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich erteile ihm dieses.

9.59

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute versuchen, einer Zeitgeist-Erscheinung – ich nenne das ganz bewußt so – Rechnung zu tragen, und auch im kulturellen Bereich durch eine Ausgliederung versuchen, noch effizienter zu sein, so stimme ich dem grundsätzlich zu, weil ich glaube, daß die Politik die Verpflichtung hat, alle Möglichkeiten auszuschöpfen und auch den künstlerisch Tätigen alle nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die hohe Qualität der österreichischen Kunst und der Künstler sowie das Ansehen der Künstler über die Grenzen unseres Landes hinaus gewährleistet ist.

Das ist der Grund dafür, daß die Österreichische Volkspartei dieser Vorlage ihre Zustimmung erteilen wird.

Ich bin nicht so euphorisch wie Kollege Ludwig, der gemeint hat, daß die Ausgliederung nur Vorteile bringt. Ich glaube, daß wir uns in einer fairen Betrachtungsweise die Dinge anschauen und allen Beteiligten die Möglichkeit geben müssen, im Rahmen der neuen Spielregeln ihre Leistungen zu erbringen.

Ich mache es mir nicht so leicht, daß ich grundsätzlich alles kritisiere. Frau Kollegin Mühlwerth hat in ihrer Rede heute auf die Freiheitliche Partei bezogen gesagt: Wir machen es uns nicht leicht! Das mag schon sein, vielleicht ist es tatsächlich so, aber Sie von den Freiheitlichen machen es aufgrund Ihrer Kritik auch uns nicht leicht. Es hat nämlich einerseits Frau Kollegin Mühlwerth heute in ihrem Debattenbeitrag, in welchem sie anscheinend von nicht ganz aktuellen Beschlußlagen ausgegangen ist, kritisiert, daß die Politik und der Herr Bundeskanzler zuviel Einfluß auf die Kunst nehmen, während andererseits gestern in den Ausschußberatungen von Kollegen Gudenus immer wieder beklagt wurde, daß durch die neue Bundestheaterorganisation


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der Einfluß der Politik und der Parlamentarier beseitigt werde beziehungsweise die Politik und die Parlamentarier keinen Einfluß mehr hätten.

Ich glaube, daß wir konsequent sein und uns zu den Rahmenbedingungen, die geschaffen wurden, bekennen sollten. Wir sollten nicht das eine Mal sagen, die Politik habe zuviel Einfluß, und ein anderes Mal – dann, wenn es opportun ist – beklagen, daß die Politik nicht mehr, sondern weniger Einfluß hat. Ich bin in dem Sinne für die Freiheit der Kunst und bin dafür, daß für die Künstlerinnen und Künstler alle notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Ich würde mich freuen, wenn es in allen Bundesländern möglich wäre – das ist durchaus eine Kritik, die ich hier anbringen möchte –, wenn es allen Bewohnern unseres Landes möglich wäre, unter den gleichen Voraussetzungen Karten für die österreichischen Bundestheater zu bekommen. Es gibt für die Bewohner der westlichen Bundesländer da und dort Probleme, wenn es darum geht, den Zugang zu den Häusern zu schaffen. Dafür muß man sich sicherlich noch etwas einfallen lassen, wie man allen Interessenten den gleichen Zugang zu den Häusern verschaffen kann.

In diesem Sinn wird die Österreichische Volkspartei der vorliegenden Vorlage die Zustimmung erteilen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.03

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. – Bitte.

10.03

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kollegen und Kolleginnen im Bundesrat! Wir besprechen heute die Neuorganisation der Bundestheater. Im Rahmen dieser Neuorganisation der Bundestheater gewinne ich den Eindruck, daß es an Maß fehlt, nämlich an Maß der Begrenzung der Macht. Denn wird nicht durch diese Neuorganisation der Bundestheater die Exekutive gestärkt? Muß nicht dadurch die Legislative, also auch wir Bundesräte hier, eine Schwächung hinnehmen?

Ja, Herr Kollege Schöls, Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen, daß Kollegin Mühlwerth den Einfluß der Politik eingefordert hat. Doch sie hat jenen Einfluß der Politik gemeint, den wir im Hohen Haus als Parlamentarier nehmen können und nehmen müssen. Immerhin handelt es sich um rund 2 Milliarden Schilling – genau sind es 1,839 Milliarden Schilling –, die der österreichische Steuerzahler für die Neuorganisation der Bundestheater zu zahlen hat, und zwar jährlich. Da sollen wir jetzt weniger Möglichkeiten haben, die Verwendung dieses Geldes zu überprüfen, die Verwendung dieses Geldes zu beurteilen?

Gestern wurde uns im Ausschuß erklärt – es steht auch so im Gesetz –, daß es ein Publikumsforum geben wird. Wenn jemand behauptet, dieses Publikumsforum sei demokratisch legitimiert, dann ist er wohl ein großartiger Optimist. Aber wenn wir der Sache auf den Grund gehen, so können wir feststellen, daß das Zufallsmehrheiten sein werden, weil es einen großen Anteil des Publikums geben wird, der vielleicht zum gegebenen Zeitpunkt gar nicht dabei ist.

Wir sind gewählte oder ernannte Volksvertreter. Die Vertreter im Publikumsforum können niemals unsere Aufgabe wahrnehmen, meine Damen und Herren! Wer das behauptet, stellt uns selbst in Frage, und zwar nicht nur uns Bundesräte, sondern auch alle Abgeordneten zum Nationalrat.

Die Art von Mitbestimmung, wie sie das Publikumsforum darstellt, ist keine demokratische Mitbestimmung. Sie ist partiell interessant. Ich bejahe sie grundsätzlich. Ich halte die Bestellung des Publikumsforums für in Ordnung, bei aller Kritik, die man daran formell anbringen kann – da gibt es viele Dinge zu kritisieren, ich möchte sie nicht im einzelnen nennen –, aber uns Parlamentarier kann es in dieser Eigenschaft nicht ersetzen. Wer uns in Frage stellt, möge doch gleich sich selbst zur Verfügung stellen und sagen: Wir machen nichts mehr!

Es gäbe viele Bereiche, meine Kollegen und Kolleginnen, die man an jemand anderen übertragen und von denen man sagen könnte: Diese sollen es machen; wir machen ein Einmalgesetz,


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stellen 1,8 Milliarden Schilling zur Verfügung – oder für andere Dinge X Milliarden oder Hunderttausende Schilling –, und damit ist es erledigt!

Wir machen uns durch ein solches Gesetz obsolet, und wir haben dadurch kein Mitspracherecht mehr in Kulturbelangen. Wir haben nur noch eines über das Budget. Doch Sie wissen genau, wie wenig es hier im Bundesrat zur Sprache kommt. (Bundesrat Dr. Ludwig: ... Parteipolitik!) Die Parteipolitik sprechen Sie an, Herr Kollege? – Aber natürlich gibt es da Parteipolitik! Das will doch niemand in Abrede stellen – aber hier, und nicht in einem Kulturforum oder Publikumsforum!

Wir müssen darauf achten, daß wir hier etwas zustande bringen, was der österreichischen Kulturnation zur Ehre gereicht, aber nicht etwas, bei dem das Parlament abgedankt hat und über Kultur kaum mehr mitreden kann. Da nützt es gar nichts mehr, daß Frau Ministerin Gehrer Herrn Bundespräsidenten Klestil vertritt, seine Rede verliest und beklagt, daß die Globalisierung eine wachsende Unterwerfung der Kunst unter das Gebot der Wirtschaftlichkeit hervorruft.

Wir befürchten, daß eine Event-Kultur Platz greift, wie es die letzten Ereignisse in den großen Kulturtheatern, die Herr Staatssekretär Wittmann schon bislang nicht verhindern konnte oder wollte, zeigen. Er hat da nie eingegriffen. Sie tun hingegen so, als hätte der Staatssekretär ständig in die Kulturbelange eingegriffen. Er hat nicht eingegriffen und hat sein Nichtagieren als Nichtzensur dargestellt.

Es ist zwar nichts passiert, aber wir konnten mitreden – schwach, wenig, nicht immer sehr kompetent. Aber jetzt wird uns dieses geringe Recht auch noch genommen, und der Herr Staatssekretär ist stolz auf diese Regelung, die gemäß Artikel 1 3. Abschnitt § 13 Abs. 6 lautet: "Die Aufsichtsräte (...) sind gegenüber dem Bundeskanzler beziehungsweise gegenüber dem entsendenden Bundesminister über die Beschlüsse des Aufsichtsrates zur Auskunftserteilung verpflichtet."

Ich finde, es ist ein Hohn auf den Parlamentarismus, daß wir uns dieses Recht entgehen und kraft Ihres Mehrheitsentschlusses nehmen lassen. Wir stimmen ja dagegen!

Dann spricht auch noch der Herr Bundespräsident, vertreten durch Frau Gehrer: Wir brauchen Sponsoren und Mäzene! – Also bitte sehr, das ist schlichtweg eine lächerliche Aussage dieser beiden Personen, der einen durch die Worte der anderen. Ein Staat, in welchem die Kulturausgaben steuerlich nicht begünstigt sind, wird niemals Sponsoren und Mäzene in größerer Zahl auftreiben können – bestenfalls Philanthropen.

Wenn der Herr Staatssekretär und andere Personen hier im Hause meinen, wir brauchten welche und müßten uns gewissermaßen am Globus ein Beispiel nehmen, dort, wo überall Theater geführt werden, so muß ich sagen: Überall sind die gesetzlichen Voraussetzungen total andere! Wir können doch nicht hier bei einem Gesetz über unseren Kulturbetrieb, obwohl er von der parlamentarischen Budgetgebung abhängig ist, behaupten, daß wir auf das, was da passiert, überhaupt keinen Einfluß mehr nehmen können.

Ich finde, daß dieses Gesetz lächerlich ist. Es ist beschämend für uns und daher abzulehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.10

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Wittmann. Ich erteile es ihm.

10.10

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst eine Klarstellung zur Frage des Publikumsforums und der Rolle des Parlaments in diesem Zusammenhang.

Das Publikumsforum hat in keiner Weise die Aufgabe, die Rolle des Parlaments zu übernehmen, sondern es ist so, daß die Publikumsgespräche, die derzeit bei allen Theatern geführt wer


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den, mit diesem Gesetz gesetzlich vorgeschrieben beziehungsweise institutionalisiert werden. Derzeit ist es so, daß diese Publikumsgespräche stattfinden, es könnte aber auch sein, daß dann, wenn ein anderer Direktor kommt, diese auf dessen Entscheidung hin nicht mehr stattfinden.

Durch dieses Gesetz wird eine gesetzliche Norm geschaffen, die garantiert, daß die Publikumsgespräche durch die Publikumsforen, die in einem demokratischen Prozeß gewählt werden, gemeinsam mit den Direktoren organisiert werden und auch dann stattfinden, wenn sie von der Direktion nicht gewünscht werden. Das ist der einzige Grund für die Einrichtung der Publikumsforen. Aber es gibt weder eine Kontrolle parlamentarischer Art noch einen Gesetzgebungseingriff noch eine Möglichkeit, Empfehlungen auszusprechen. Wenn Sie dieses Gesetz durchlesen, dann werden Sie feststellen können, daß diese Form der Empfehlung nicht mehr vorgesehen ist. Es ist gesetzlich auch normiert, daß Sie keine Möglichkeit haben, auf künstlerische Belange des Alltagsgeschäftes Einfluß zu nehmen. – Soviel zur Frage Publikumsforum.

Die Möglichkeit, über Entscheidungen im Kunstbereich beziehungsweise im Kulturbereich hier im Parlament zu sprechen, ist aufgrund dringlicher Anträge und auch aufgrund dringlicher Anfragen auch weiterhin gewährleistet, sodaß man den zuständigen Politiker wie bisher zur Auskunftserteilung bringen kann. Das heißt, daß auch da die Kontrolle des Parlaments weiterhin gegeben ist.

Die Frage der Sponsortätigkeit oder Nichtsponsortätigkeit ist durch dieses Gesetz wesentlich besser geregelt. Es ist nunmehr einem Direktor möglich, Sponsorgelder für das Haus zu lukrieren und im Haus zu belassen. Hätte er bisher einen Überschuß an Sponsorgeldern gehabt, dann wäre dieser an den Theaterverband zurückgeflossen und von dort in das Budget gekommen. Das heißt, der Überschuß an Sponsorgeldern wäre nicht dem Hause zugute gekommen. Jetzt kommt er, wenn es Eigeninitiativen der Direktoren gibt, den Häusern zugute. Das heißt, es ist ein wesentlicher Fortschritt in die Richtung, zusätzliche Gelder in den Kunstbetrieb hereinzuholen.

Darüber hinaus sind die Direktoren in der Lage, Rücklagen zu bilden. Das heißt, wenn eine Saison sehr gut gelaufen ist, dann fließt das Geld nicht zurück an den Theaterverband und damit wieder in das Budget, sondern der Theaterdirektor ist in der Lage, Rücklagen entsprechend jeder anderen GesmbH zu bilden, um vielleicht ein interessantes Kunstprogramm, das eventuell eine nicht so große Auslastung bewirkt, weil es Neues bringt, damit mitzufinanzieren. Auch damit ist ein wesentlicher Fortschritt in die von Ihnen kritisierte Richtung gemacht worden.

Zu dem Thema Kartenbestellungen in den Bundesländern darf ich kurz festhalten, daß derzeit eine schriftliche Bestellung bis drei Wochen vor der Vorstellung aus den Bundesländern möglich ist. Hierfür sind eigene Kontingente vorgesehen, auf die die Wiener bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht zugreifen können. Darüber hinaus gibt es telefonischen Kartenverkauf mittels Kreditkarten, da kann jederzeit von jedem Ort in Österreich aus bestellt werden. Weiters gibt es österreichweit den Verkauf über Kartenvorverkaufsstellen beziehungsweise die Banken des Wiener Veranstaltungsservices. Das sind rund 100 Banken, und diese gibt es in fast allen Bundesländern.

Das heißt, daß es auch jetzt schon möglich ist, aus den Bundesländern Karten im voraus zu bestellen. Aber selbstverständlich wird es Aufgabe der neu zu gründenden Service-GesmbH sein, das Angebot zu verbessern. Daß mehr Karten verkauft werden können und daß der Zugang zu den Karten besser ist, liegt im Interesse einer nunmehr ausgegliederten und nach neuen Organisationsformen agierenden GesmbH.

Ich glaube, dieses Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, es darf aber kein Schritt des Rückzuges des Staates aus der Finanzierung der Kultur sein. Im Gegenteil: Die Kunst- und Kulturfinanzierung muß weiterhin durch den Staat gewährleistet sein. Aber der Staat darf sich sehr wohl privatrechtlicher Organisationsformen bedienen, um das Geld, das er einsetzt, effizienter einsetzen zu können. In diesem Sinne wird, so glaube ich, dieses Gesetz ein Meilenstein für die Bundestheater sein. (Beifall bei der SPÖ und Beifall des Bundesrates Ing. Grasberger. )

10.15


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643. Sitzung / Seite 37

Präsident Alfred Gerstl:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundessporteinrichtungen – BSEOG und Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz geändert wird (1208 und 1333/NR sowie 5727 und 5731/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir kommen nun zum Punkt 2 der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundessporteinrichtungen – BSEOG und Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wolfram Vindl übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Wolfram Vindl: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich verzichte daher auf dessen Verlesung und beschränke mich auf die Verlesung des Beschlußantrages.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

10.17

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Inhalt dieser Vorlage ist die gesetzliche Ermächtigung für die Errichtung einer Bundessporteinrichtungs-GesmbH, der mit 1. Jänner 1999 ex lege das Eigentum der Bundessporteinrichtungen übertragen wird. Warum macht man das? – Die für den Bereich der Bundesverwaltung geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen lassen eine rasche und flexible Anpassung an die sich ständig ändernden Erfordernisse der Bundessporteinrichtungen im erforderlichem Ausmaß nicht zu. – So weit, so gut und auch richtig.

Ziel ist eine Steigerung der Effizienz und der Transparenz des Betriebes der Bundessporteinrichtungen – hiezu werde ich eine Anmerkung machen – und eine Entflechtung der erwerbswirtschaftlichen Aufgaben der Bundessporteinrichtungen von der gemeinwirtschaftlichen Sportförderung – auch dazu werde ich eine Anmerkung machen.

Zum Punkt Transparenz: Meine Damen und Herren! Sie können sich sicherlich noch daran erinnern, daß einer der Kritikpunkte seinerzeit darin bestand – abgesehen davon, daß man gesagt hat, daß die sportlichen Belange wie ein Wanderpokal durch die Gegend wandern; eine Dame


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dieses Hauses hat diesen Ausdruck verwendet –, daß die Bundessporteinrichtungen durch die Sportler nicht entsprechend genützt werden. Sie dienten als besondere Erholungseinrichtungen für gewisse Personen, die dazu in einem Naheverhältnis standen, und diese Personen haben sie auch in sehr erheblichem Ausmaß genützt. – Das zum ersten Punkt.

Zur finanziellen Causa sei hier folgendes gesagt: Wenn Sie sich diese Vorlage durchsehen, meine Damen und Herren, dann werden Sie erfahren, daß die Kontrolle bis 31. März des nächsten Jahres zu erfolgen hat. Bis zum Ende des jeweiligen Quartals hat der Bund der Gesellschaft eine Akontierung auf die im folgenden Quartal voraussichtlich anfallenden Zuschüsse zu leisten. Auch da ist die finanzielle Kontrolle nicht mehr möglich oder gemindert, wogegen sie bis jetzt, da diese Einrichtungen in einer Hand waren, entsprechend wahrgenommen werden konnte.

Zwei Einrichtungen, nämlich das Leistungssportzentrum Eisenerz und das Leistungssportzentrum Südstadt, verbleiben im Eigentum des Bundes. Nach welchen Kriterien diese Auswahl erfolgt ist, ist mir persönlich nicht ganz klar.

Im Ausschuß habe ich auf den Mangel hingewiesen, daß da vor allem der Breitensport, aber auch die Schulen nicht eingebunden sind. Im § 2 Abs. 2 steht unter anderem: "... und der Förderung des Breitensports zu dienen hat." – Daß das in den einzelnen Satzungen und Statuten niedergelegt ist, stimmt. Das hat deklaratorischen Charakter. Aber wie diese Förderung tatsächlich erfolgt, meine Damen und Herren, steht nicht in diesem Bericht.

Ein seinerzeit Zuständiger, nämlich Bundeskanzler Vranitzky, hat folgendes gesagt – ich entnehme diese Passage einer seiner Reden –: "Daneben wird es in der Zukunft darauf ankommen, die Verbindung zwischen Schule und Sport so eng wie möglich zu gestalten."

Die notwendige Verknüpfung dieser Bereich ist im erforderlichen Ausmaß leider nicht zustande gekommen. In Richtung Breitensport und genauso in Richtung Schulsport denke ich wie der derzeitige Präsident des Bundesrates, der hier gesagt hat: "Sport ist nicht nur zur Ertüchtigung da, sondern ist ein ganz wichtiger Teil der Volksgesundheit." So hat es Präsident Gerstl in seiner Antrittsrede als Präsident des Bundesrates formuliert. Er hat gesagt, daß das ein ganz wichtiger Bereich ist, und hat das am Beispiel von Managern aufgezeigt, die nicht mehr in der Lage sind, ihre Verantwortung zu tragen, weil sie physisch nicht mehr durchhalten. Doch die Basis einer gesunden Sportförderung haben wir in den Schulen zu legen. Das ist einer der Mängel, die ich an dieser Vorlage besonders kritisiere.

Der weitere Mangel, den ich hier anführen möchte, ist, daß die Kontrolle der Effizienz nicht in jenem Ausmaß stattfindet, das wünschenswert wäre.

Meine Damen und Herren! Aus den genannten Gründen werden wir dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht geben, sondern dagegen Einspruch erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.23

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner. Ich erteile es ihm.

10.23

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Unsere Bundessporteinrichtungen waren schon bisher anerkannt und ein Modell für viele andere Länder. Das heute vorliegende Gesetz über die Neuorganisation der Bundessporteinrichtungen, das Bundes-Sportförderungsgesetz, ermöglicht die Gründung einer GesmbH, wobei der Bund 100prozentiger Eigentümer bleibt. Dadurch ist eine noch bessere und transparentere Förderung des Spitzen- und Leistungssportes gegeben. Darüber hinaus wird eine Verbesserung der sportlichen Weiterbildung an Schulen und Bildungseinrichtungen beziehungsweise Bildungsanstalten wie an den Unis und auch für den Breitensport – unter gleichzeitiger Entlastung des Staatshaushaltes – erreicht.


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Der österreichische Sport begrüßt das vorliegende Gesetz und damit die Möglichkeit, Bundessporteinrichtungen selbst betreiben zu können. Nationalrat Dr. Franz Löschnak, der Präsident der ASKÖ, führte in seiner Rede im Nationalrat drei wichtige Punkte an. Ich darf sie kurz zitieren:

Erstens: Bundessporteinrichtungen müssen primär dem Sport dienen. Zweitens: Es muß sichergestellt sein, daß mit einem effizienten Management auch Kosteneinsparungen erzielbar sind; das heißt, daß in Summe der Sport dadurch gewinnen muß. Drittens: Es muß sichergestellt werden, daß kein Mißbrauch mit den Bundessporteinrichtungen geschehen kann; das heißt, daß die Förderungsmittel auch richtig eingesetzt werden müssen.

Von Bedeutung ist auch, daß die Bundessporteinrichtungen dem Sport erhalten bleiben und nicht durch eine Privatisierung eine neue Konkurrenz zur österreichischen Hotellerie entstanden ist. Daß es jetzt einen für alle gültigen Normaltarif und grundsätzliche Richtlinien für die Vergabe der Unterkünfte, für den Personenkreis und für die Verrechnung von Ermäßigungen der Entgelte gibt, halte ich für korrekt und zielführend. Die jeweiligen Sportlerinnen und Sportler sowie die Vereine können um Förderungen ansuchen und bekommen dann den begünstigten Tarif. Was Beispiele aus der Vergangenheit zeigen: Daß sich dort jemand einen günstigen Urlaub hat machen können, ist damit ausgeschlossen.

Es ist weiters festzuhalten, daß neben den 37,5 Millionen Schilling für die Förderung auch noch 55 Millionen Schilling für Investitionen im Bereich der Bundessporteinrichtungen vorgesehen sind. Wichtig scheint mir auch zu sein, daß bei Generalsanierungen in den letzten zehn Jahren behindertengerechte Ausbaumaßnahmen durchgeführt wurden. Das ist besonders wichtig, weil damit das Ziel, unsere Bundessporteinrichtungen auch den Behinderten – zum Beispiel für Sportwochen – zur Verfügung zu stellen, erreicht werden konnte.

Erreicht wurde auch die Sicherstellung der Fortführung des Ausbaus unserer Bundessporteinrichtungen. Das ist nicht nur für den Spitzen-, sondern auch für den Breitensport von großer Bedeutung. Aus meiner Tätigkeit als Sportfunktionär weiß ich, daß diese Einrichtungen sehr geschätzt werden und daß sie viele Sportlerinnen und Sportler sehr motiviert und zu besonderen Leistungen angespornt haben.

Persönliche Erfahrungen durfte ich Ende der fünfziger Jahre bei einem Kurs der Leichtathletik-Landesauswahl in der Bundessportschule Schielleiten machen. Ich darf Ihnen sagen, daß diese Woche für mich ein unvergessenes Ereignis ist und meiner Meinung nach die Bedeutung solcher Veranstaltungen für die Jugendförderung unterstreicht.

Seit Jahrzehnten ist es unser Ziel gewesen, dem Sport derartige Einrichtungen zu günstigen Tarifen zur Verfügung zu stellen. Das hat sich bewährt und Früchte getragen. Das Erfreuliche ist, daß es fortgesetzt und damit für die Zukunft gesichert wird.

Ich bedanke mich bei allen, die zum Gelingen beigetragen haben, besonders bei dir, Herr Staatssekretär, denn du hast dich ganz besonders bemüht, ja ich darf sagen, daß es dir ein persönliches Anliegen war.

Abschließend darf ich feststellen, daß die SPÖ-Bundesräte keinen Einwand gegen den Nationalratsbeschluß erheben werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.27

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing. Ich erteile es ihm.

10.27

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Österreich hat im ersten Halbjahr dieses Jahres schon großartige sportliche Erfolge – man kann im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Nagano sagen: zu Recht! – feiern können. Es ist daher wichtig, daß


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wir als Gesetzgeber die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, um für den Spitzensport, aber natürlich auch für den Breitensport, ideale Bedingungen zu gewährleisten.

In den vergangenen Wochen sind diesbezüglich wichtige Gesetze beschlossen worden. Auch heute sollen Gesetze beschlossen werden, die eine Verbesserung der Rahmenbedingungen enthalten. Das ist zum einen die Änderung des Glücksspielgesetzes, aufgrund welcher mehr finanzielle Mittel für den Sport in Österreich zur Verfügung gestellt werden, und das sind zum anderen die Änderung des Bundessporteinrichtungen-Organisationsgesetzes und die Änderung des Bundes-Sportförderungsgesetzes, aber auch die Änderung der Gewerbeordnung, durch die für viele Sportvereine und damit auch viele Sportler bessere Bedingungen durch ein Mehr an finanziellen Mitteln geschaffen werden.

Die Bundessporteinrichtungen – ich stimme in dieser Hinsicht mit der Meinung meines Vorredners völlig überein – haben bisher exzellent gearbeitet. Das gilt zum einen für den Spitzensport. Ich denke da an die Südstadt bei uns in Niederösterreich. Von dieser Einrichtung gehen viele Erfolge aus, ob das die Damenhandballmannschaft ist, die vielfacher Europacupsieger geworden ist, ob das Spitzensportler wie Thomas Muster und Alexander Antonitsch, Radsportler wie Helmut Wechselberger und Gerhard Zadrobilek oder Fechter wie Benny Wendt und Michael Ludwig sind. Sie alle sind aus diesem Haus hervorgegangen, dort haben sie ideale Trainingsbedingungen und Betreuungsbedingungen vorgefunden.

Das gilt auch für den Breitensport und Schulsport. Ich denke da etwa an Schielleiten, wo sehr viele Amateurfußballmannschaften und auch Schulmannschaften Bedingungen vorfinden, die eine ideale Sportausübung ermöglichen.

Wir werden gegen diese beiden Gesetze keinen Einspruch erheben, weil wir glauben, daß es dadurch zu mehr Effizienz kommen wird, die im Interesse der Sportler ist, weil es dadurch, daß eine Ausgliederung stattfindet, möglich sein wird, auch im Bereich der Personalplanung auf verschiedenste Bedingungen wie saisonale Unterschiede und andere Anforderungen besser Rücksicht zu nehmen. Das wird sich auch in der Bezahlung niederschlagen, weil es möglich wird, etwas gerechter – ich sage das bewußt so – vorzugehen, weil an die Privatwirtschaft angepaßt werden kann und dadurch vielleicht Überstunden- und Planstellenreduktionen wie im öffentlichen Bereich wegfallen.

Es ist weiters so – auch das ist schon gesagt worden –, daß wir die Zuschüsse für Sportler mit 37,5 Millionen Schilling gedeckelt haben, weil es durch die bessere Effizienz hoffentlich möglich sein wird, daß die finanziellen Aufwendungen für den Staat wirtschaftlicher und sparsamer erfolgen.

Ich bin auch der Auffassung, daß es möglich sein müßte – darüber wird weiter verhandelt –, daß man – weil auch die Bundessportorganisation und die wichtigen Verbände zu diesem Gesetz stehen – diese Einrichtungen der Bundessportorganisation später überhaupt den einzelnen Verbänden überantwortet, damit sie diese Einrichtungen direkt betreiben. Ich glaube, daß damit für die Sportler wiederum bessere Rahmenbedingungen für die Zukunft geschaffen würden. Wir von der ÖVP werden daher, wie gesagt, keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der ÖVP. – Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

10.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ram. – Bitte.

10.31

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine werten Damen und Herren! Kollege Tremmel hat schon ausführlich zu dem zu behandelnden Gesetz Stellung genommen. Auch ich möchte mich jetzt kurz mit dem Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundessporteinrichtungen und den daraus folgenden Änderungen beschäftigen.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Laut Sportbericht 1996 haben die Bundessporteinrichtungen nicht weniger als 180 Millionen Schilling Zuschuß erhalten. Setzt man diesen Betrag in ein Verhältnis zu den 228 000 Nächtigungen von 1996, so kommt man auf stolze Kosten in der Höhe von 800 S pro Nächtigung. Es wäre schön, wären diese Kosten in der Vergangenheit tatsächlich zur Gänze den förderungswürdigen Sportlern zugute gekommen!

Daß es bei den Sporteinrichtungen des Bundes auch zu mißbräuchlichen Verwendungen kommen kann, wissen wir schon seit Jahren. Schon der damalige Minister Ausserwinkler hat 1993 diese Mißbräuche aufgezeigt. Für die Zukunft muß die mißbräuchliche Verwendung der betroffenen Einrichtungen ein für allemal ausgeschlossen werden, denn weder dem Steuerzahler noch den förderungsbedürftigen Sportlern ist der falsche Einsatz von Fördermitteln und geförderten Einrichtungen zumutbar.

In meinem Redebeitrag möchte ich jedoch nicht verhehlen, daß ich mich den Worten des Kollegen Wilfing – (Bundesrat Mag. Wilfing spricht leise mit einem Sitznachbarn) der mir sicher gerne zuhört – anschließe und ebenfalls die hervorragenden Leistungen jener Sportler, die aus unserer niederösterreichischen Südstadt hervorgegangen sind, erwähnen möchte. Besonders die Tennisspieler Antonitsch und Muster haben zur Weltklasse gefunden und haben diese Sporteinrichtung daher gerechtfertigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Erfolge, aber auch die in der Vergangenheit problematischen Kostensituationen verlangen von den Verantwortlichen gewaltige Anstrengungen bei der Ausgliederung. Das vorliegende Gesetz sollte eine effizientere und transparentere Förderung des Spitzen- und Leistungssportes ermöglichen. Bei Begutachtung des vorliegenden Gesetzes erscheint mir jedoch § 3 über die Anteilsübertragung in diesem Zusammenhang problematisch zu sein. Hierin sieht unsere Fraktion die Gefahr, daß die Anteilsübertragung am Parlament vorbei erfolgt und daß die Bundesanteile an regierungsnahe Verbände und Vereine verschenkt werden, wodurch sich die finanzielle Kontrolle des Bundes, wie von Kollegen Tremmel schon erwähnt, merklich verschlechtert.

Aus diesen schon erwähnten Gründen und wegen der fehlenden Transparenz des neuen Gesetzes können wir ihm leider nicht unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Staatssekretär. – Bitte.

10.34

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hinsichtlich der Ausgliederung der Bundessportheime sind zunächst einmal zwei Kriterien festzuhalten. Erstens: Man wollte die Bundessportheime auch weiterhin dem Sport zur Verfügung stellen. Das heißt, es muß gewährleistet sein, daß diese Heime auch künftig dem österreichischen Sport – sei es dem österreichischen Spitzensport oder dem Breitensport – zugute kommen.

Das zweite Kriterium war, daß man eine Ausgliederungsform finden sollte, die auch weiterhin Kostentransparenz und Kosteneffizienz gewährleistet. Auch dabei betone ich: Es handelt sich bewußt nicht um eine Privatisierung, sondern um eine Ausgliederung. Das heißt, der Staat muß auch weiterhin Gewähr dafür leisten, daß der Spitzensport, aber auch der Breitensport Unterstützung erhalten, um das nicht dem Markt zu überlassen.

Ein weiteres Anliegen war, die Mittel effizienter einzusetzen, und in diesem Zusammenhang haben wir uns wieder für die Gesellschaftsform der GesmbH entschieden. Warum? – Einerseits, weil ich glaube – um hier auch die Transparenz anzusprechen, die von einigen Rednern kritisiert wurde –, daß es kaum eine bessere Transparenz gibt als die, die durch unsere gesetzlichen Bilanzlegungsvorschriften gefordert ist, da diese alle anderen Vorschriften im Hinblick auf Genauigkeit und Transparenz bei weitem übertreffen. Die Bilanzlegung muß künftig also auch in


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diesem Bereich stattfinden. Das heißt, es kommt dadurch zu einer massiven Verbesserung der Aufzeichnungen über das Vermögen beziehungsweise die Geldflüsse.

Selbstverständlich muß der Staat seine Förderungen hinsichtlich der Unterstützung des Spitzensportes, aber auch des Breitensportes aufrechterhalten. Wir gehen nur weg von der Objektförderung – also davon, daß wir das Objekt an sich fördern und damit zum Beispiel auch jene unterstützen, der zwar nichts mit dem Sport zu tun haben, aber am Ort des Geschehens wohnen – und hin zur Subjektförderung, das heißt, zur tatsächlichen Förderung des Vereines beziehungsweise des Sportlers, der dort Aufenthalt nimmt und entsprechend unserer Vereinbarung und dem Gesetz einen Fördertarif erhält.

Der Spitzensportler oder der Verein bezahlt weiterhin nach gefördertem Tarif, das heißt, es wird direkt der Verein beziehungsweise der Sportler gefördert, während die sportfremden Personen den vollen Preis zu zahlen haben. Auf diese Art entsteht eine Subjektförderung, die ausschließlich dem Sport zugute kommt, statt der bisherigen Objektförderung, die allen Benützern dieser Einrichtung zugute gekommen ist. Das war eine der wesentlichen Umstellungen dieses Systems.

Zu der Kritik, daß die Anlagen in Eisenerz und der Südstadt nicht inkludiert sind, darf ich darauf hinweisen, daß in Eisenerz nie ein Bundessportheim war und die Südstadt sehr wohl enthalten ist. Das heißt also, diese Kritik geht ins Leere. Ich glaube, daß es sehr wichtig ist, auch die Südstadt in diese Form der Organisation einzubinden. Die Erfolge, die aus der Südstadt hervorgegangen sind, sind schon aufgezählt worden. Dem ist nichts hinzuzufügen. Wir werden jedenfalls auch weiterhin Gewähr dafür leisten, daß die Südstadt das Spitzensportzentrum Österreichs bleiben wird.

Ich möchte daher abschließend sagen: Es ist weiterhin gewährleistet, daß diese Einrichtungen dem österreichischen Sport zur Verfügung stehen, es ist gewährleistet, daß in Zukunft Kostentransparenz und Kosteneffizienz gegeben sind, und es ist vor allem gewährleistet, daß wir jene fördern, die in den Genuß der Fördermittel kommen sollen, nämlich die Sportler, und nicht mehr die Objekte an sich, sodaß ein Ausgleich zugunsten des Sports stattfindet. Das war eines unserer Ziele. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Von der Berichterstattung wird kein Schlußwort gewünscht.

Wir kommen daher zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz – EIWOG), das Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden, erlassen wird und das Kartellgesetz 1988 und das Preisgesetz 1992 geändert werden (1108 und 1305/NR sowie 5732/BR der Beilagen)


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4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Starkstromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert werden (1306/NR sowie 5733/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird. Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird, das Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden, erlassen wird und das Kartellgesetz 1988 und das Preisgesetz 1992 geändert werden, sowie

ein Bundesgesetz, mit dem das Starkstromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 3 und 4 hat Herr Bundesrat Himmer übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.

Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die von der Präsidentin angeführten Beschlüsse des Nationalrates liegen Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher den Beschlußantrag stellen:

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. den im Artikel 1 (§ 1, § 5 Abs. 2, §10, §12 Abs. 3, §20 Abs. 2, § 24, § 61, § 66 Abs. 1, § 70 Abs. 2, § 71 Abs. 3), im Artikel 2, im Artikel 3 (Z 1 § 4 Abs. 2, Z 2 § 144 Abs. 3, Z 3 § 151 Z 3) und im Artikel 4 (Z 1 Artikel I) des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates enthaltenen Verfassungsbestimmungen im Sinne des Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Des weiteren bringe ich den Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten über den von der Frau Präsidentin angeführten Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Starkstromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert werden.

Auch dazu liegt Ihnen der schriftliche Bericht vor.

Der Ausschuß für wirtschaftlichen Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen nun in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Scherb. – Bitte.

10.42

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Das ElWOG legt die neuen Spielregeln für die österreichische Elektrizitätswirtschaft im liberalisierten Markt der EU fest. Leider haben sich bei diesem Gesetz wieder einmal die wettbewerbsfeindlichen Verhinderer des Privilegienabbaus und der


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Liberalisierung durchgesetzt. Dieses Gesetz ist kein Vorbild für eine fortschrittliche Wirtschaftspolitik, die notwendig wäre, um à la longue im harten internationalen Wettbewerbsumfeld bestehen zu können!

Sie werden jetzt sicherlich sagen, wir Freiheitlichen kritisieren wieder einmal alles und bringen keine konstruktiven Gegenvorschläge vor. (Zustimmung bei SPÖ und ÖVP.)  – Ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen, und zwar erstens mit einem Zitat des Herrn Landeshauptmann-Stellvertreters und Wirtschafts- und Finanzlandesrates von Oberösterreich Dr. Leitl und zweitens mit einem konstruktiven Gegenvorschlag.

Herr Dr. Leitl hat in einem Interview mit den "Oberösterreichischen Nachrichten" vom 10. Juli 1998 folgendes gesagt. Da heißt es – ich zitiere –: Das neue Gesetz – gemeint ist das ElWOG – "sei wirtschaftlich nicht haltbar, zudem sei es verfassungswidrig und nicht EU-konform. ,Kleine und mittlere Betriebe sind vorerst vom günstigen Strombezug ausgeschlossen, stehen aber im Export genauso im harten Wettbewerb wie Großbetriebe‘, wendet sich Leitl gegen die gesetzliche Einschränkung, wonach erst ab dem Jahr 2004 kleine Betriebe mit neun GWh Jahresverbrauch ihren Stromlieferanten frei wählen dürfen. (...) Daß die Landesgesellschaften weiter über die alten Stromeinkaufsverträge an den Verbund gebunden sind, hält Leitl für Anachronismus. Dies sei absolut gegen die EU-Richtlinien. Die Union bezweckte mit der Liberalisierung des Strommarktes eine Verbilligung für Unternehmen, die dadurch im globalen Wettbewerb konkurrenzfähiger würden. Durch die freie Wahl des Lieferanten entstünde unter den Energieversorgern ein Preiskampf, wodurch die Tarife sinken. Diesem Gedanken widerspreche das Elwog." – Soweit Herr Landesrat Dr. Leitl.

Wir können uns dieser Kritik voll und ganz anschließen, und ich bin wirklich gespannt, meine Damen und Herren – besonders von der ÖVP, wiederum besonders aus Oberösterreich –, wie Sie bei diesem Gesetz abstimmen werden. Wenn Sie den Bundesrat nur als Blinddarmfortsatz des Nationalrates – oder als Apportiermaschine, wie heute Kollege Tremmel gemeint hat, oder als Abstimmungsmaschine, wie von Kollegen Gudenus bezeichnet – sehen, der den Willen der Bundesparteizentralen und der Regierung blind absegnen muß, dann werden Sie diesem Gesetz zustimmen. Vielleicht werden Sie auch, wenn Sie ein schlechtes Gewissen haben, den Raum bei der Abstimmung verlassen. (Bundesrätin Kainz: Das heißt nicht "Blinddarmfortsatz", sondern "Wurmfortsatz"!)

Wenn Sie jedoch den Bundesrat als Vertretung der Länderinteressen im Parlament sehen, dann müssen Sie – besonders die Vertreter des Landes Oberösterreich! – angesichts der Kritik von Dr. Leitl gegen dieses Gesetz stimmen. Wir Freiheitlichen werden diesbezüglich eine namentliche Abstimmung verlangen.

Wir möchten Ihnen aber auch – in Form eines Entschließungsantrages – eine konstruktive Alternative aufzeigen, die die Forderungen von Dr. Leitl im großen und ganzen erfüllen würde.

Die Struktur der Energiewirtschaft ist ein Abbild der österreichischen Politik der vergangenen Jahre: Sie ist kleinkariert, ineffizient und privilegiendurchzogen. Das Prinzip der vergangenen Jahre war und ist immer noch: Der Bund schützt den Verbund, und die Länder schützen die Ländergesellschaften. (Bundesräte Eisl und Dr. Böhm : So ist es!)

Eine starke Zersplitterung einerseits und die monopolartige Situation in den Lieferanten-Kunden-Beziehungen andererseits haben zur Folge, daß die österreichische E-Wirtschaft international wirtschaftlich ineffizient ist. Die derzeitige Monopolstruktur erlaubt einen leichtfertigen Umgang mit den Ressourcen sowie bei den Aufwendungen und hat zu einer Anhäufung von Privilegien geführt. Die daraus entstehenden Kosten belasten über den Strompreis die Haushalte, das Gewerbe, die Klein- und Mittelbetriebe, die Industrie und die Landwirtschaft.

Eine Studie über den Vergleich der Industriestrompreise in Europa zeigt Österreich ganz klar fast an der Spitze, fast gleichauf mit Deutschland, mit einem Stromtarif von 1,03 S. Dem steht entgegen, daß Schweden, Norwegen und die übrigen skandinavischen Länder mit 44 Groschen teilweise Stromtarife von weit unter 50 Groschen haben. Wir haben also das Zweieinhalbfache der dortigen Preise.


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Einen gewichtigen Kostenfaktor stellt selbstverständlich auch die Dreistufigkeit unseres jetzigen Systems dar. Es gibt die Verbundgesellschaft, es gibt Landesgesellschaften, und es gibt Kommunalgesellschaften. Damit sind natürlich Doppelgleisigkeiten verbunden, und die daraus entstehenden, vermeidbaren Kosten gehen in Milliardenhöhe.

Der Verbund weiß dies schon länger. Er selbst hat 1996 eine Studie in Auftrag gegeben, aus der hervorgeht, daß die Energiepreise in Österreich um 40 Prozent und die Personalkosten sogar um 100 Prozent zu hoch sind. Der Verbund hat diese Studie aber nicht zum Anlaß genommen, etwas zu verändern, sondern hat sie schubladisiert und weiterhin Vogel-Strauß-Politik betrieben, um durch ausgeprägtes Lobbying eine Liberalisierung möglichst zu verhindern und zu verzögern, was ihm aufgrund der proporzmäßigen Verstrickungen und Verbindungen zu den Regierungsparteien auch gelungen ist, wie die Kritik von Landeshauptmann Leitl ebenfalls zeigt.

Noch 1997 hat der Verbund-Generaldirektor die Situation der österreichischen E-Wirtschaft negiert und gesagt, unserer E-Wirtschaft gehe es gut, wir sollten nicht soviel Angst haben.

Im Februar 1998 ist auf einmal ein Sinneswandel eingetreten, und derselbe Verbund-Generaldirektor hat wiederum gesagt: Wir brauchen um Gottes willen ein anderes ElWOG, das uns schützt, sonst werden wir das nicht überleben. – Soviel zur vorausschauenden Politik der Manager unserer E-Wirtschaft.

Daß die Landesgesellschaften beziehungsweise der Verbund in der Vergangenheit immer als "Ausgedinge" für Landeshauptleute a. D. beziehungsweise für Parteifunktionäre mißbraucht wurden, rächt sich nun. Diese Versorgungsjobs waren und sind sehr hoch dotiert und mit Pensionszusagen in Millionenhöhe ausgestattet. Dies führt natürlich dazu, daß unsere Energieversorgungsunternehmen bei den Personalkosten um sage und schreibe 100 Prozent vom internationalen Schnitt abweichen. Und trotzdem stehen nicht die fähigsten Leute an der Spitze dieser Unternehmen!

Ziel der Änderung der Organisationsstruktur der österreichischen E-Wirtschaft muß es sein, eine eigenständige österreichische E-Wirtschaft in einer solchen gesellschaftsrechtlichen Form zu erhalten, daß eine mehrheitliche Übernahme durch einen ausländischen Investor nur in Abstimmung mit der in Österreich verfolgten Energie- und Wirtschaftspolitik möglich ist, um so den Ausverkauf unserer Wasserkraftwerke – Herr Minister Farnleitner hat diese Gefahr im Ausschuß angesprochen – hintanzuhalten.

Gleichzeitig muß den Anforderungen der EU-Binnenmarktrichtlinie für die E-Wirtschaft entsprochen werden und die Versorgung der österreichischen Wirtschaft in ihrer Gesamtheit – das heißt, einschließlich der kleinen und mittleren Unternehmen, des Gewerbes, der Industrie sowie der Tarifabnehmer im Bereich der Haushalte und der Landwirtschaft – mit elektrischem Strom zu wettbewerbsfähigen Bedingungen sichergestellt werden.

Meine Damen und Herren! Mit dem ElWOG werden wir es nicht schaffen, diese Forderungen zu erfüllen, unsere E-Wirtschaft in die freie Marktwirtschaft zu überführen und dort in Zukunft wettbewerbsfähig bestehen zu können. Das ElWOG hat Schutzbestimmungen, soweit das Auge reicht, und es gibt keine konkreten Regelungen für den Netzzugang. Dieses Gesetz sieht keinen unabhängigen Regulator vor und wird aufgrund seiner marktwirtschaftlichen Defizite von der EU beanstandet werden, wie auch Dr. Leitl angeführt hat. Laut einer Studie des Energiekonsumentenvereins wird sogar damit gerechnet, daß die Bezugskosten der Industrie nach der Liberalisierung noch höher sein werden.

Derzeit wird mit einem Bezugspreis von 80 Groschen pro Großkunde gerechnet. In Zukunft, für die Jahre 1998 bis 2000, wird mit einem Abgabepreis ab EVU von 55 Groschen gerechnet, mit einer Durchleitungsgebühr von 15 Groschen und mit Schutzkosten aufgrund der Stranded investments von wiederum 15 Groschen. Das ergäbe laut dieser Studie des Energiekonsumentenvereins einen Bezugspreis für Industriekunden von 85 Groschen, also um 5 Groschen höher als derzeit.


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Wir Freiheitlichen stellen Ihnen ein schlüssiges Konzept zur Neustrukturierung der österreichischen E-Wirtschaft vor, das ein Kombinationsmodell einer Netzholding mit Einspeiserpool darstellt. Die Holding sichert hinsichtlich des Zugangs eine rein österreichische Lösung. Überwacht werden soll diese Netzholding von einem unabhängigen Regulator. Der Pool schafft Wettbewerb zwischen den einzelnen Produzenten und zwingt diese, kostengünstig anzubieten. Dieses Poolmodell setzt auf die Entflechtung der Bereiche Erzeugung, Transport, Verteilung und Verkauf von Energie.

Der Verbund und alle EVUs sollen ihr Netz in eine Holding einbringen und erhalten entsprechende Anteile an der Holding. Die Netzholding regelt die Stromdurchleitung, kontrolliert die Spannungserhaltung, erstellt Prognosen und betreibt gegebenenfalls Stützkraftwerke. Die Netzholding betreibt das Netz und organisiert den Pool.

Ein unabhängiger Regulator kontrolliert – ähnlich wie im Telekom-Bereich – die Netzholding. Dieser unabhängige Regulator muß sich hinsichtlich der Netzkosten an effizienten Netzbetreibern im Ausland orientieren sowie Preis- und Kostentransparenz schaffen.

Die Netzholding organisiert, wie gesagt, den Pool. Die EVUs, Kleinkraftwerke und industrielle Anbieter sowie Anbieter erneuerbarer Energien speisen in den Pool ein. Der Pool funktioniert wie eine Strombörse. Der Preis wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Der Pool übernimmt dann die stufenweise Marktöffnung der Haushaltsebene, was eines der Ziele ist.

Ziel ist vor allem auch die freie Lieferantenwahl. Zwischen den einzelnen Anbietern im Pool herrscht Wettbewerb. Jeder Produzent, der zu günstigen Preisen anbietet, kann in den Pool einspeisen.

Durch dieses von uns ausgearbeitete Modell könnte die Ineffizienz des österreichischen Systems aufgehoben werden.

Viele europäische Länder, wie zum Beispiel Norwegen, Schweden und Großbritannien, haben uns gezeigt, daß eine weitgehende Liberalisierung des Strommarktes möglich ist. Mit dem ElWOG wird dies leider an Österreich vorbeigehen. Das ElWOG zielt darauf ab, den geschützten Bereich solange wie möglich zu bewahren.

Herr Minister Farnleitner! Sie haben gestern im Ausschuß die Meinung vertreten, daß die Liberalisierung und Marktöffnung viel schneller, als im ElWOG vorgesehen, verwirklicht werden wird. Ich würde mich sehr freuen, wenn es so wäre, teile aber Ihren Optimismus nicht, weil ich aus eigener Erfahrung die starken Bewahrungs- und Verhinderungsabsichten der Energieunternehmen in Österreich kenne.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit unserem Vorschlag, dem sogenannten Poolmodell, könnten wir eine nachhaltige und weitgehende Liberalisierung des E-Marktes erreichen. Dadurch könnten auch die für die österreichische Wirtschaft besonders wichtigen klein- und mittelständischen Unternehmen von günstigen Strompreisen profitieren, was wiederum ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken würde.

Ich bringe daher den Ihnen bereits vorliegenden, von uns ausgearbeiteten, konstruktiven und sehr umfangreichen Entschließungsantrag ein. Der Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mag. Walter Scherb und Kollegen betreffend die Neuordnung der österreichischen Elektrizitätswirtschaft

Der Bundesrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird zu einer Neuorganisation der österreichischen Elektrizitätswirtschaft im Einvernehmen mit den zuständigen Ministerien aufgefor


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dert, im Sinne der oben dargestellten Ausführungen folgende Maßnahmen beziehungsweise Gesetzesvorschläge vorzubereiten:

1. Reformierung der österreichischen Elektrizitätswirtschaft nach marktwirtschaftlichen Kriterien unter folgenden Gesichtspunkten:

– Organisation eines Poolmodells, wobei die Preisbildung auf Poolebene stattfindet

– Sicherung des Netzausbaus durch Ausschreibungen und Infrastrukturzuschläge

– Aufrechterhaltung der Versorgungspflicht für Tarifkunden

– Schutz der Tarifkunden durch Preisaufsicht

– Ausschreibung der Versorgungsgebiete

2. Umsetzung folgender (eigentumsrechtlicher) Ergänzungen zum Poolmodell:

– Gründung einer unabhängigen Regulierungsbehörde

– Schaffung einer österreichischen Netzholding

– Förderung der Errichter und Betreiber von Regenerativenergieanlagen, insbesondere durch Schaffung eines fairen und zumindest dem EU-Durchschnitt entsprechenden Einspeistarifs, und die Befreiung erneuerbarer Energieträger von der Elektrizitätsabgabe

– Sicherstellung eines stetig steigenden Anteils an Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern, verbunden mit einer diesbezüglichen jährlichen Berichterstattung.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das diesem Entschließungsantrag zugrundeliegende Poolmodell erfüllt, wie gesagt, alle Punkte, die von Dr. Leitl gefordert wurden, sodaß besonders Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, diesem Entschließungsantrag zustimmen können.

Abschließend möchte ich Herrn Andreas Unterberger aus der "Presse" vom 18. Juli zitieren: "Der Frühlingshauch von Liberalisierung, der in den letzten Jahren durch Österreich wehte, ist zu Ende" und "wurde durch einen Gegenangriff der Regulierer und scheinheiligen Patrioten gestoppt." – Ende des Zitats.

Herr Unterberger zeigt in diesem Artikel auf, daß die Landesenergiegesellschaften mit ihren überhöhten Strom- und Gaspreisen Hauptverursacher der österreichischen Standortprobleme und des "Privilegienstadels" sind. Laut Unterberger kann es, so wie beim Telefon, bei der gesamten Infrastruktur nur um eines gehen: um die dringliche und rasche Herstellung eines echten Marktes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem ElWOG werden wir diesen echten Markt leider nicht erreichen. Wir Freiheitlichen haben Ihnen eine praktikable und konstruktive Lösung aufgezeigt, die in anderen Ländern bereits etabliert ist. Wir werden daher gegen das ElWOG stimmen, und wir bitten Sie, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Mag. Scherb und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend die Neuordnung der österreichischen Elektrizitätswirtschaft ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Drochter. – Bitte.


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10.59

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Zu dem vom Kollegen Scherb eingebrachten Entschließungsantrag und seinen polemischen Anmerkungen zur ÖVP in Oberösterreich brauche ich nichts zu sagen, denn darauf werden sicherlich die Bundesräte der ÖVP Oberösterreich die notwendigen Antworten finden.

Ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört, Herr Bundesrat Scherb, besonders hinsichtlich dessen, was Sie zum Modell der Freiheitlichen Partei kundgegeben haben. Ich habe den Eindruck, daß das mehr ist als ein Brief an das Christkind. Es ist für mich ein "Wirr-Pool-Modell" der Freiheitlichen Partei. (Bundesrat Mag. Gudenus: Whirlpool! – Rufe bei den Freiheitlichen: Ein sehr vernünftiges Modell!)

Es gibt vernünftige Whirlpools, das habe ich aber nicht gemeint, sondern ich habe es betont gesagt: Das ist ein "Wirr-Pool" des Kollegen Scherb. Den feinen Unterschied können Sie merken, wenn Sie in einen Whirlpool baden gehen. Wo es aber einen "Wirr-Pool" gibt, das wissen Sie von der Freiheitlichen Partei am besten, denn da gibt es seit Monaten nur Wirrnisse! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Aber nun zu dem heute zur Beschlußfassung vorliegenden Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz. Sie von der FPÖ haben sich nicht sachlich damit auseinandergesetzt, sondern nur immer wieder polemisch in die Diskussion eingegriffen. Sie haben noch nie einen Beitrag zu einer konstruktiven Zusammenarbeit geleistet.

Vorrangig ging es dabei um die Umsetzung der Binnenmarktrichtlinien; das wissen Sie ganz genau. Wir sind froh, heute behaupten, aber auch nachvollziehen zu können, daß die künftige Liberalisierung des Marktes und die zu erwartenden Preissenkungen nicht nur der Großindustrie zugute kommen, sondern daß auch die Haushalte und die Gewerbebetriebe von den künftigen Preissenkungen profitieren werden. Wesentlich ist, daß auch weiterhin die Sozialpartner – und dazu stehen wir – bei der Preisregelung werden mitwirken können.

Bei den Verhandlungen ging es vor allem darum, für eine österreichische Lösung einzutreten, die dazu notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen und die öffentlichen Mehrheiten – zu diesen stehen wir auch – von Bund und Land abzusichern. Es war uns auch wichtig, die einheimische Braunkohle und somit vor allem steirische Arbeitsplätze durch die weitere Verstromung der Braunkohle bis zum Jahr 2008 weitgehend absichern zu können.

Das ElWOG tritt mit 19. Februar 1999 in Kraft und ermöglicht in der ersten Phase vor allem Großunternehmen mit einem Jahresverbrauch von mindestens 40 Gigawatt die freie Wahl ihres künftigen Stromlieferanten. Des weiteren wird in der Novellierung dieses Gesetzes aber auch sichergestellt, daß ab 19. Februar 2000 schon Großabnehmer von mindestens 20 Gigawatt und ab dem Jahr 2003 Abnehmer von mindestens 9 Gigawatt frei am Markt werden einkaufen können. Aber auch den mittleren und kleineren Industrieunternehmen soll danach der völlig freie Marktzugang im In- und im EU-Ausland ermöglicht werden.

Durch den sich sukzessive entwickelnden Wettbewerb werden wir sicherlich eine Strompreissenkung erreichen können, und damit wird sicherlich die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe entscheidend verbessert, aber in der Folge – und davon gehe ich aus – auch ein wesentlicher Beitrag zur Stabilisierung der Beschäftigung geleistet werden.

Laut einer Studie, die von der Universität Köln erstellt wurde, ist zu erwarten, daß europaweit die Strompreise um rund 10 Prozent gesenkt werden. Die Strompreissenkung wird auch im Alltag bei Verbrauchsgütern und somit im Haushalt und in den Familien spürbar werden.

Österreich hat mit seinem Anteil von 26 Prozent erneuerbarer Energie am Gesamtverbrauch in Europa eine Vorreiterrolle. EU-weit sind bis jetzt nur 5 Prozent des Verbrauches durch erneuerbare Energieträger abgedeckt worden. Laut EU-Weißbuch ist es eine Zielsetzung der EU, bis zum Jahre 2010 den Anteil von 5 Prozent auf 12 Prozent zu steigern, um damit die politische und die Importabhängigkeit bei den Primärenergieträgern zu senken.


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Ich möchte aber auch ein praktisches Beispiel nennen. Warum sind die erneuerbaren Energieträger noch nicht weitergekommen? Warum können sie sich nicht stärker durchsetzen? – Hier muß man auch erwähnen, daß vor allem die Ölpreise laufend verfallen. Das heißt, das Heizöl wird immer billiger, und Heizöl ist der mit Abstand billigste Energieträger. Es ist auch anzumerken und bewußtzumachen, daß die Investitionskosten für Öl- und Gasbrenner deutlich niedriger sind als zum Beispiel für eine Holzheizung. Was ganz besonders wichtig ist: daß die Öl- und Gaswirtschaft Millionenbeträge für Werbekampagnen verwendet, um ihren Marktanteil zu halten.

Ich glaube, man sollte den Alternativenergien zumindest von der öffentlichen Hand her mehr Chancen geben. Die Kosten sind zum Beispiel für ein Einfamilienhaus mit 150 Quadratmeter Wohnnutzfläche selbstverständlich wesentlich niedriger, wenn man mit Heizöl heizt, anstatt vielleicht mit Erdgas, Biomasse, Flüssiggas oder elektrisch. Ich glaube, es ist Aufgabe der öffentlichen Hand – Länder, Bund, Gemeinden –, den Alternativenergien mehr Chancen zu geben und mehr Unterstützung zu gewähren.

Ich möchte mich dafür aussprechen, daß man stärker dazu beiträgt, daß die erneuerbaren Energien – vor allem explizit die Wasserkraft und Kraftwerke mit Fernwärmeauskoppelung – weiterhin unterstützt werden. Für Alternativenergien wie Biomasse, Biogas, Deponiegas, Klärgas und geothermische Energie wird in der EU ein Anteil von 3 Prozent bis zum Jahr 2005 vorgegeben. Ich glaube, es wäre eine größere Motivation, wenn man sich 4 oder 5 Prozent als Ziel gesetzt hätte.

Wir können uns auch damit einverstanden erklären, daß nach wie vor 51 Prozent im Eigentum des Bundes und die restlichen Teile im Eigentum der Länder verbleiben.

Besonders zu berücksichtigen ist sicherlich die Sonderrolle der Wasserkraft in Österreich, aus der ein beträchtlicher Anteil unserer Energie – an die 70 Prozent – gewonnen wird.

Mit dieser heutigen Novellierung ist es auch gelungen, eine schrittweise Umsetzung der Energiebinnenmarktrichtlinien vorzunehmen und vor allem den österreichischen Unternehmen ausreichend Zeit zur Anpassung zu gewähren. Sicherlich gibt es zwei ungelöste Probleme, zu deren Lösung noch die notwendigen Verordnungen zu treffen sind: die Regelung der Netzgebühren beziehungsweise die Regelung der Vergütung der Stranded costs.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion des Bundesrates wird der Novellierung gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

11.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jaud. – Bitte.

11.09

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Es ist ein bedeutendes Gesetz, dieses ElWOG. Aus meiner Sicht ist es verständlich, daß die "F" – oder inzwischen, glaube ich, wieder FPÖ (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!)  – lieber ein Scheitern der Regierung gesehen hätte.

Ich stehe auch nicht an, einzugestehen, daß ohne zwingende Verpflichtung durch unseren EU-Beitritt das vorliegende Elektrizitätsorganisationsgesetz wahrscheinlich nie im Parlament hätte beschlossen werden können. Die Auflösung von sogenannten wohlerworbenen Rechten tut eben weh. Dabei profitierte in der Vergangenheit nur ein ganz kleiner Teil der österreichischen Bevölkerung von der Monopolstellung der Elektrizitätswirtschaft.

Für viele Wirtschaftsbereiche ist der Strompreis besonders in der Zukunft ein entscheidender Kostenfaktor, um die Konkurrenzfähigkeit der Betriebe auch international aufrechterhalten zu können. Mit dem neuen Stromgesetz ist ein wichtiger Schritt zu Beginn der kommenden Entwicklung auf dem Strommarkt gesetzt worden. Alle Bereiche der Wirtschaft mußten sich bisher


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der dynamischen Entwicklung auf dem europäischen Markt anpassen. Deshalb ist es hoch an der Zeit, daß auch die Stromwirtschaft dem offenen Markt angepaßt wird.

Wenn ich an meinen eigenen Betrieb denke – ich habe einen Fensterbetrieb –, so muß ich sagen, daß es nur durch ausländische Konkurrenz möglich war, den Glaspreis wesentlich zu senken. Aber heute sind auch die Glaserzeuger in Tirol imstande, ihr Glas zu international konkurrenzfähigen Preisen auf den Markt zu bringen. Letztlich führen die niedrigen Preise zu einem Kostenvorteil für alle Konsumenten, und gerade Strom ist etwas, mit dem jeder zu tun hat. Jeder braucht Strom. Deshalb, glaube ich, ist dieses Gesetz von ganz besonderer Bedeutung.

Alle Elektrizitätsversorgungsunternehmen wußten spätestens seit dem EU-Beitritt, daß die Strommarktliberalisierung kommen wird. Viele Elektrizitätsversorgungsunternehmen haben sich auch schon seit Jahren auf die Strommarktliberalisierung vorbereitet. So haben die Tiroler Wasserkraftwerke bereits vor Jahren damit begonnen, ihren Mitarbeiterstand sozial verträglich den wirtschaftlichen Notwendigkeiten anzupassen. Dieser Anpassungsprozeß wird auch noch weitergeführt werden müssen. Der Vorstand der Tiroler Wasserkraftwerke versichert allerdings, daß sie in der Lage sind, den Betrieb und die Anzahl der Mitarbeiter den Markterfordernissen anzupassen und so auch für die Zukunft eine konkurrenzfähige Strompreisbildung sicherzustellen.

Allen Beteiligten, die am Zustandekommen dieses Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes mitgewirkt haben, gebührt ein besonderes Lob; ein besonders Lob dafür, daß sie nicht mit der Brechstange versucht haben, ein Gesetz ohne Rücksicht auf Verluste durchzuboxen, sondern mit sehr viel Geduld und Fingerspitzengefühl einen Weg gefunden haben, das unbedingt Notwendige mit dem in Österreich Machbaren zu verbinden.

Für den Wirtschaftsstandort Österreich wird dieses Gesetz jedenfalls eine wesentliche Verbesserung der Rahmenbedingungen bedeuten, und damit wirkt es natürlich auch arbeitsplatzfördernd. Über die zukünftige Entwicklung des Strommarktes mache ich mir keine Sorgen. Der Strommarkt ist geöffnet. Die Kraft des Marktes und die Dynamik unserer Wirtschaftsentwicklung werden alles weitere zwingend regeln und ändern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin froh darüber, daß hier eine namentliche Abstimmung gefordert wird. Denn wer diesem Gesetz nicht zustimmt, stimmt auch einer Marktöffnung des Strommarktes nicht zu und will sie verhindern.

Wir im Parlament werden lediglich die Aufgabe haben, dieser dynamischen Entwicklung durch gesetzliche Änderungen Rechnung zu tragen. Die Bedeutung dieses Gesetzes wurde auch durch die Anwesenheit des Ministers im Ausschuß dokumentiert. Ich bin sehr froh darüber, denn es ist sehr selten, daß ein Minister bei uns im Ausschuß anwesend ist. Ich bin auch froh darüber, daß der Herr Minister die Aussage getroffen hat, daß Wasserkraft mittel- und längerfristig auf alle Fälle Zukunftschancen hat, denn ich glaube, das ist sehr wichtig. Wir sollten uns nicht einreden lassen, daß aus Öl, Kohle oder Atomkraft billiger Strom zu erzeugen wäre als aus Wasserkraft, die als Primärenergie praktisch kostenlos zur Verfügung steht. Wenn man jetzt schon die Nebenkosten all dieser Stromerzeugungsbetriebe einbeziehen würde, dann hätten wir, davon bin ich überzeugt, heute schon die Konkurrenzfähigkeit des Stromes aus Wasserkraft sichergestellt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch eine Gefahr birgt die Ablehnung der Wasserkraft. Wir in Österreich sind weltweit führend bei der Planung und beim Bau von Wasserkraftwerken und bei der Herstellung von Turbinen, mit denen Strom erzeugt werden kann. Wenn wir nun über Jahre oder Jahrzehnte diese Techniken nicht mehr anwenden, so gehen uns damit Ressourcen verloren, und ich glaube, daß das eine Gefahr darstellt. Wir sollten deshalb vernünftigerweise überlegen, wo in Zukunft beziehungsweise schon in naher Zukunft wieder Wasserkraftwerke gebaut werden können.

Jedes Gesetz, das in der Preisgestaltung die Marktmechanismen verstärkt, jedes Gesetz, das den Verbraucher in die Lage versetzt, zu wählen, von wem und zu welchen Bedingungen er eine


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Ware kauft, bedeutet insgesamt eine Verbesserung des gesamten Wohlstandes der Bevölkerung.

In der Überzeugung, daß dieses Gesetz nach den Grundsätzen der ÖVP gestaltet ist und daß wir mit dem vorliegenden Gesetz im Dienste der österreichischen Bevölkerung ein gutes Gesetz beschließen, gibt meine Fraktion dem Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz gerne ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

11.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

11.17

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Steiermärkische Landtag hat am 19. Mai dieses Jahres einen einstimmigen Beschluß gefaßt, mit dem der Bundesgesetzgeber aufgefordert wird, ein Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz zu erlassen, mit dem in erster Linie die Standortsicherung für den Kohlebergbau in der Weststeiermark, in Bärnbach, erreicht und gleichzeitig, wie aus der Präambel hervorgeht, die Versorgung von Kleinst- und größeren Abnehmern vor allem mit Strom gesichert wird.

Aus der Präambel dieses einstimmigen Landtagsbeschlusses geht auch hervor, daß die derzeitige Situation der E-Wirtschaft insgesamt monopolartig ist, daß es der E-Wirtschaft leichtgemacht wird, die Kosten monopolartig weiterzuverrechnen. Es gibt daher quasi einen leichtfertigen Umgang mit den Kosten. Vor allem die derzeitige Organisation der E-Wirtschaft hat auch die Abgeordneten des Landtages dazu bewegt, eine diesbezügliche Initiative zu starten.

Als ein Kostenfaktor in der E-Wirtschaft wird immer die sogenannte Dreistufigkeit der E-Wirtschaft angeführt, jene von Verbund, Ländergesellschaften und zu einem gut Teil den Kommunen. Diese Mehrgleisigkeit im Bereich der Organisation erhöht natürlich die Kosten und die Tarife. Es wird eine sinnvolle, effiziente Aufgabenverteilung innerhalb dieser drei Stufen, innerhalb dieser Organisationen gefordert. Und vor allem wird zu Recht sehr stark kritisiert, daß es gerade in der E-Wirtschaft zu vielen Sonderregelungen gekommen ist. Diese Sonderregelungen wirken sich natürlich aus und schlagen sich auch in der Form zu Buche, daß die Tarife und letztlich die Preise für die Abnehmer im europäischen Vergleich nicht zu den niedrigsten gehören, sondern eher im oberen Drittel zu finden sind.

Meine Damen und Herren! Das alles waren Argumente dafür, daß der Bund jetzt gehandelt und uns ein Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz vorgelegt hat. Ich meine, das bleibt weiterhin nur ein einstimmiges Ansinnen des Steiermärkischen Landtages. Denn der Grund für die Erlassung des derzeitigen Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes ist eine Binnenmarktrichtlinie der EU, die der Republik Österreich vorschreibt, bis 19. Februar 1999 ein Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz zu erlassen. Das ist in Wirklichkeit der Grund dafür, und nicht das Ansinnen des Steiermärkischen Landtages.

Meine Damen und Herren! Die Vorlage geht daher verständlicherweise auch nicht auf das Verlangen des Steiermärkischen Landtages ein. Denn nur die verbale Aussage, daß die Vorsorgung zu sichern sei, ist zuwenig. Es fehlen die Regelungen mit den Tarifkunden. Es gibt keine Aussage im Gesetz über eine künftige Kontrolle der E-Wirtschaft. Das heißt, die E-Wirtschaft wird sich also weiterhin selbst kontrollieren. Es fehlt ein echter Tarifverbund mit dem Poolmodell; mein Kollege Mag. Scherb hat das schon angesprochen.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend: Das vorliegende Gesetz entspricht nicht dem Ansinnen des Steiermärkischen Landtages. Daher werde ich als steirischer Bundesrat diesem Gesetz nicht meine Zustimmung geben.

Ungeachtet dessen spielen aber im Hinblick auf die Stromerzeugung, und zwar insbesondere im steirischen Bereich, der Bergbau und die kalorische Energie- und Stromgewinnung eine große


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Rolle. Auch aus der Präambel des Antrages des Steiermärkischen Landtages geht hervor, daß es um die Standortsicherung für den Kohlebergbau in Bärnbach geht.

Aufgrund dieser Überlegung, meine Damen und Herren, darf ich namens meiner Fraktion einen Entschließungsantrag einbringen, der darauf abzielt, die beachtliche Bedeutung der kalorischen Energieerzeugung sicherzustellen. Hierzu bedarf es einer ausgewogenen Abstimmung zwischen Anrainer- und Betreiberinteressen. Das heißt, Ökologie und Ökonomie sind aufeinander abzustimmen. Deshalb erlaube ich mir, folgenden Entschließungsantrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine entsprechende Regierungsvorlage, mit der das geltende Bergrecht novelliert wird, dem Parlament zur Beschlußfassung vorzulegen, die den Interessen der betroffenen Anrainer und den Betreibern so gerecht wird, daß eine moderne und ökologisch verträgliche Rohstoffgewinnung dauerhaft gesichert wird.

*****

Meine Damen und Herren! Ich darf auch gemäß § 54 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates das Verlangen einbringen, über den Entschließungsantrag der unterfertigten Bundesräte eine namentliche Abstimmung durchzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.24


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Der von den Bundesräten Weilharter und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag zum Tagesordnungspunkt 3 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung. (Bundesrat Bieringer: Zur Geschäftsordnung!)

Zur Geschäftsordnung: Bitte, Herr Präsident.

11.25

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung) : Ich bin der Meinung, daß dieser Entschließungsantrag in keiner wie immer gearteten Weise in Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt 3 steht, und verlange daher, daß dieser Entschließungsantrag nicht in Verhandlung genommen wird.

11.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Bieringer! Verlangen Sie eine Debatte über diesen Antrag?

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Ich brauche keine Debatte. Ich stelle nur fest, daß dieser Entschließungsantrag in keinem Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt 3 steht und meiner Meinung nach nicht in Verhandlung genommen werden kann.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Dr. Tremmel ist zu Wort gemeldet.

11.26

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark) (zur Geschäftsbehandlung) : Zur Geschäftsordnung: Der Entschließungsantrag ist entsprechend den Bestimmungen der Geschäftsordnung gemäß § 54 ordnungsgemäß gezeichnet und daher formal richtig. Er müßte deswegen, weil die entsprechenden formalen Voraussetzungen gegeben sind, in Verhandlung genommen werden.

11.26

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Allerdings muß ich jetzt dazu sagen: Der inhaltliche Zusammenhang ist aus der Begründung herauszulesen, während er aus dem Antrag selbst in Wirklichkeit nicht mehr hervorgeht.

Ich treffe jetzt folgende Entscheidung: Es steht hier Meinung gegen Meinung. Ich bin daher dafür, daß wir über den Antrag des Kollegen Bieringer abstimmen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das geht nicht!)

Wer dafür ist, daß der Entschließungsantrag nicht in Verhandlung genommen wird, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Mehrheit.

Daher verhandeln wir über diesen Entschließungsantrag nicht.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Strugl. – Bitte.

11.27

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Es wurde betreffend das ElWOG von Kollegen Scherb gesagt, daß es aus Sicht des Landes Oberösterreich und insbesondere für die oberösterreichischen Bundesräte problematisch ist, zuzustimmen, und daß deswegen von der freiheitlichen Fraktion eine namentliche Abstimmung verlangt wird.

Ich möchte folgendes dazu sagen: Es stimmt, daß es aus Oberösterreich Kritik an diesem Gesetz gibt. Das hat auch seine Gründe, weil ja Oberösterreich in einer besonderen Situation ist. Es ist das Bundesland mit den meisten Exporten, mit einer Exportquote von 25 Prozent. Das heißt, daß Oberösterreich in einem verschärften Wettbewerb steht. Es ist auch das energieintensivste Bundesland. Mehr als 40 Prozent des gesamtindustriellen Stromverbrauchs entfallen auf Oberösterreich. Daher gibt es jene Kritik von seiten der Landesregierung, des Landeshauptmannes und auch des von Ihnen angesprochenen Dr. Leitl, zu der wir auch stehen. Die entsprechenden Punkte sind genannt worden. Davon betroffen ist vor allem auch die Frage der Koordinierungsverträge – es geht darum, wie lange diese weiterbestehen, weil Nachteile für die OKA befürchtet werden – und so weiter. Das wurde ja schon ausgeführt.

Aber ich sage dazu: Wir verkennen selbstverständlich auch nicht, daß es sich bei diesem Gesetz um einen ersten, sinnvollen Liberalisierungsschritt handelt, mit dem die Binnenmarktrichtlinie umgesetzt beziehungsweise ihr Rechnung getragen wird. Uns geht es vor allem darum, wie dieses Gesetz, das wir schon im Nationalrat befürwortet haben und zu dem wir aus oberösterreichischer Sicht auch im Bundesrat ja sagen werden, in der weiteren Zusammenarbeit vollzogen und interpretiert wird. Wir erwarten eine partnerschaftliche Umsetzung unter Berücksichtigung der Länderinteressen. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, daß vorgesehen ist, daß in einem ersten Schritt die großen Abnehmer mit einem Jahresstromverbrauch von mehr als 40 Gigawattstunden von den alten Verträgen befreit werden.

Wir streben in Verhandlungen, die derzeit geführt werden – auch die OKA und Dr. Leitl führen darüber Gespräche mit der Verbundgesellschaft –, weiters an, daß es rascher gehen soll und daß auch kleinere Abnehmer – bis hin zur Landwirtschaft und zu den Haushalten – von dieser Liberalisierung erfaßt werden und im Äquivalent eine flexible Handhabung der Koordinierungsverträge. Wir sind der Ansicht, daß es wenig Sinn hat, für diese Fragen in Konfrontation und im Gegeneinander Lösungen anzustreben. Uns ist es lieber, den Erfolg in einem partnerschaftlichen Klima und in konstruktivem Miteinander zu suchen.

Im übrigen steht es auch dem Land Oberösterreich immer noch frei, im Fall der Strittigkeit der Rechtskonformität in letzter Konsequenz den Verfassungsgerichtshof oder den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Ich füge aber noch einmal hinzu: Was wir wollen, ist Zusammenarbeit, und darum bemühen wir uns in diesem Zusammenhang.

Ein Wort zu dem Ausdruck "Wurmfortsatz", den Bundesrat Scherb hier gebraucht hat und den ich aufs schärfste zurückweise. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.) Denn es


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kann nicht so sein, daß dann, wenn hier ein anderer Standpunkt vertreten wird, behauptet wird, der Bundesrat nehme nicht die Interessen der Länder wahr.

Ich sage Ihnen dazu: Es hat in der letzten Sitzung der Landesregierung eine Diskussion darüber gegeben, ob die Bundesräte diesem Gesetz aus oberösterreichischer Sicht zustimmen können. Dort wurde mehrheitlich beschlossen, daß es auch mit den Interessen des Landes durchaus vereinbar ist, wenn wir diesem Gesetz hier zustimmen. Wir werden das auch tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesrat Tremmel hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.32

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist eine neue Vorgangsweise, daß hier durch Abstimmungsvorgänge die Geschäftsordnung geändert wird. Das ist an und für sich nicht zulässig. Es geht hier um einen imperativen Auftrag der Geschäftsordnung und deswegen um eine für uns verbindliche Richtlinie, die nicht abgeändert werden kann.

Ich bringe diese verbindliche Richtlinie, wie sie im § 54 Abs. 4 der Geschäftsordnung niedergelegt ist, zur Kenntnis: "Auf Vorschlag des Präsidenten oder auf schriftlichen Antrag von mindestens fünf Bundesräten kann der Bundesrat nach Schluß der Debatte eine geheime Abstimmung beschließen." – Entschuldigen Sie, aber ich wollte auf die mündliche Abstimmung zu sprechen kommen. (Bundesrat Konečny: Was für eine mündliche Abstimmung? Ein Schreiben?) Ebenso ist die namentliche Abstimmung dann vorzunehmen, wenn dafür die entsprechenden formalen Voraussetzungen gegeben sind. Das ist aus diesem Paragraphen ebenso ersichtlich. (Bundesrat Konečny: Was zitieren Sie, bitte?)

Ich komme jetzt zu Punkt 5 der Erläuterungen zu diesem Paragraphen. Demnach ist eine namentliche Abstimmung aufgrund einer Verfügung des Präsidenten von vornherein oder zur Klarstellung eines Abstimmungsergebnisses durchzuführen. Letzteres bedeutet, daß der Präsident zunächst die Frage der Abstimmung im Sinne des Abs. 1 stellt, von der Verkündung eines Abstimmungsergebnisses aber Abstand nimmt, da nicht eindeutig ist, ob der Antrag, über den abgestimmt worden ist, eine Mehrheit gefunden hat. Zur Klarstellung des Mehrheitswillens ordnet er sodann die Durchführung einer namentlichen Abstimmung an. – Soweit Punkt 5 der Erläuterungen zum § 54 der Geschäftsordnung; das zum einen. (Bundesrat Konečny: Mit wem sprechen Sie?)

Zum anderen hat Klubobmann Bieringer vorgebracht, es bestehe kein materieller Zusammenhang dieses Antrags mit den Tagesordnungspunkten. Dazu darf ich sagen, daß der Entschließungsantrag und die Begründung selbstverständlich in einem zu sehen sind. Auch im Entschließungsantrag selbst ist von der Reformierung der österreichischen Elektrizitätswirtschaft über die Umsetzung ergänzender Poolmodelle et cetera die Rede. Ergo dessen ist da der materielle Zusammenhang gegeben.

Noch einmal zurück zu erstens, bitte: Es kann grundsätzlich nicht so sein, daß hier, wenn die formalen Voraussetzungen erfüllt sind, ein Entschließungsantrag nicht zur Debatte und nicht zur Abstimmung zugelassen wird. Das kann nicht so sein! Die Geschäftsordnung sieht in diesem Fall eindeutig einen imperativen Auftrag vor. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich darf zur Erläuterung kurz sagen, daß der Antrag auf namentliche Abstimmung selbstverständlich berücksichtigt wird. Er ist entsprechend unterstützt, daher wird die namentliche Abstimmung stattfinden. – Das zum einen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Danke! – Bundesrat Konečny: Nicht "danke"! Passen Sie auf!)

Zum zweiten: Für die Debatte, die hier jetzt ins Laufen kommt, ist als nächster Herr Vizepräsident Weiss zu Wort gemeldet.


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11.36

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Tremmel hat dankenswerterweise § 43 Abs. 3 (Bundesrat Dr. Tremmel: § 54!) , der die Einbringung von Anträgen zum Verhandlungsgegenstand regelt, korrekt zitiert. Er hat allerdings daraus nicht die korrekten Schlußfolgerungen gezogen. Denn es liegt klar auf der Hand, daß für die Herstellung des inhaltlichen Zusammenhanges mit dem zur Verhandlung stehenden Gegenstand nicht die Begründung, sondern der Inhalt des Antrages – nur dieser vermag Rechtswirksamkeit zu entfalten – maßgeblich ist.

Würde man Ihrer Interpretation folgen, dann würde die Bestimmung der Geschäftsordnung völlig ins Leere laufen. Denn mit jeder beliebigen Begründung könnten Sie jeden beliebigen Zusammenhang herstellen. Das kann wohl nicht im Sinne einer geordneten Verhandlungsführung sein.

Im konkreten Fall ist es nach meiner Einschätzung zweifelsfrei so, daß wir heute über ein Gesetz im Rahmen des Elektrizitätsrechtes verhandeln und daß es selbstverständlich zulässig wäre, an die Bundesregierung oder an den zuständigen Bundesminister Wünsche im Hinblick darauf zu richten, wie er diese Rechtsmaterie vollziehen möge. Aber ein Begehren, das ein bestimmtes Verhalten in einer völlig sachfremden Materie zum Thema hat, steht zu den Bestimmungen des § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung, wonach ein inhaltlicher Zusammenhang bestehen muß, in ganz klarem Widerspruch.

Daher halte ich die Entscheidung der Frau Präsidentin für richtig, daß dieser Antrag – eine Diskussion über den Inhalt unbenommen – heute zu diesem Tagesordnungspunkt nicht verhandlungsfähig ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konečny. – Bitte.

11.38

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Kollege Tremmel! Sie haben schlichtweg nicht aufgepaßt. Ich denke, daß es an der Zeit wäre, nicht in einem völlig absurden Zusammenhang "danke" zu sagen, sondern von Ihrer Seite herauszugehen und zu sagen: Meine Wortmeldung war ein Irrtum. – Dieses Einbekenntnis würde ich mir eigentlich von Ihnen erwarten.

Klar ist, daß die Freiheitliche Partei zwei Entschließungsanträge vorgelegt hat, und zwar in ihrer üblichen, "kooperativen" Art und Weise – der zweite, der nur verlesen wurde, den niemand von uns kennt, über den wir aber namentlich abstimmen sollen. Es gibt den Entschließungsantrag Scherb, der schriftlich vorliegt, und es gibt den Entschließungsantrag Weilharter, der nicht verteilt worden ist. Ich wüßte nicht, worüber ich abstimmen sollte. – Das ist nur einmal eine Bemerkung über eine parlamentarische Verhaltensweise. (Bundesrat Dr. Bösch: Was soll dann die Debatte, Herr Kollege?)

Zweitens: Sie haben die Tatsache einfach auf den Kopf gestellt, daß eine Entscheidung darüber, ob ein sachlicher Zusammenhang zwischen einem eingebrachten Antrag und dem Verhandlungsgegenstand besteht, in der Entscheidungsbefugnis des Präsidenten steht und erforderlichenfalls – das steht alles in der Geschäftsordnung, und das, so hoffe ich doch, wissen Sie auch – der Mehrheitsentscheidung des Bundesrates obliegt. Wahr ist, daß im vorliegenden Fall ein solcher sachlicher Zusammenhang nicht besteht.

Ich sage aber eines dazu – wir werden uns darüber in der Präsidialkonferenz zu unterhalten haben –: Das parlamentarische Prinzip des österreichischen Parlaments ist das Vorberatungsprinzip. Auch der Entschließungsantrag Scherb, dessen sachlicher Zusammenhang von niemandem in Zweifel zu ziehen ist, stellt eine umfangreiche, in Wirklichkeit neben dem Verhandlungsgegenstand liegende politische Anregung dar.

Es steht Ihnen frei, jederzeit Anträge in diesem Haus einzubringen; in unserem Fall sogar außerhalb der Sitzung. Diese sind in Ausschüssen vorzuberaten – das ist bei komplexen Materien


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irgendwie selbstverständlich –, und am Ende ist darüber eventuell abzustimmen. Die Tatsache, daß ausführliche politische Bekundungen im Plenum von einer Minute auf die andere auf den Tisch gelegt werden, ist eine Mißachtung des parlamentarischen Prinzips. Ich bitte Sie, darüber nachzudenken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.40

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister.

11.40

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Als ich dem Erstredner zuhörte, habe ich mich leicht gezwickt und mich gefragt, ob ich in das richtige Plenum gegangen bin. Denn ich bin heute in den Bundesrat eingeladen worden.

Das ElWOG ist deshalb eine so komplizierte Materie, weil wir es im Bereich der Energiewirtschaft von Beginn an mit dem föderalsten aller Gesetzessysteme zu tun haben; von da her hat es die gesamte Komplexheit bekommen. Ich stimme völlig damit überein, daß es in einem Land mit nicht einmal 100 000 Quadratkilometern und einer Bevölkerung von 8 Millionen Menschen auf dem mathematischen Reißbrett objektiv das Einfachste wäre, durch rasche Fusionen eine Netzgesellschaft herzustellen und damit alles zu regeln. Aber gerade das verhindert Österreichs föderales System.

Ich bin davon ausgegangen, daß heute hier vielleicht auch zu würdigen wäre, in welchem Ausmaß wir alle uns bemühen mußten, um in dieser Frage den Interessen des Föderalismus Rechnung zu tragen. Es gibt allein 19 wesentliche Ermächtigungen der Landesregierungen, um dem Föderalismusprinzip Rechnung zu tragen, und dies durchzuführen, war geradezu die schwierigste Aufgabe.

Wenn hier von einigen Ländern nachgeschlagen wird – ich sage das ohne parteipolitischen Spott; lassen Sie mich einmal 5 Minuten lang nur Technokrat sein –, ist zu sagen, daß uns genau jene Länder, die am meisten insistiert haben, daß die Öffnungsgrade so klein wie nur irgend möglich sein sollen, ex post gute Ratschläge geben. Seien Sie mir nicht böse – aber so kann es nicht gehen!

Die OKA hat einen Öffnungsgrad von 11,4 Prozent. Sie hat selbst – dafür sei sie gelobt – bereits vorauseilend alle Großkunden mit Verträgen bedient, sodaß die Kundentreue sichergestellt ist, aber international kompetitive Preise verrechnet werden.

Über die Steiermark möchte ich sagen, daß ich bei den vorliegenden Erträgnissen den Braunkohlenbergbau schlicht und einfach gekauft und gesagt hätte: Damit ist die steirische Kohle in der Steiermark gesichert. Statt dessen heißt es jetzt "EdF": "Endlich doch französisch". – Diese Bosheit mußte ich loswerden.

Zurück zum Konstruktiven: Wenn man einen Sektor schließt, der 100 Jahre dem geschützten Bereich zugehörig war, und dazu fast für jede Bestimmung – Sie sehen, daß wir deshalb in der Befassung hier sind – Verfassungsänderungen beziehungsweise Verfassungsbestimmungen braucht, weil Entscheidungen in diesem hochmodernen technischen Bereich gemäß einer derart dezentral ausgerichteten Rechtslage zu treffen sind, dann möchte ich Ihnen allen wünschen, daß Sie, falls Sie selbst einmal ein solches Gesetz machen und es nicht nur beschließen müssen, dem gerecht werden. Das sage ich ohne jede Polemik.

Zweiter Punkt: Es ist völlig klar, daß wir bei den Industriepreisen im europäischen Durchschnitt weit oben liegen, nämlich im obersten Drittel. Bei Konsumenten- und Haushaltspreisen liegen wir im untersten Drittel, bei Gewerbetarifen im mittleren Drittel. Wer behauptet – auch das wurde hier in den Raum gestellt –, daß es wegen der Strompreise zu Abwanderungen aus dem Standort Österreich gekommen sei, der lebt im falschen Land.

Ich komme soeben von einer Sitzung mit einem deutschen Großkonzern der Chemiebranche, der weiterhin Wien als Standort fokussiert. Dort hat die Geschäftsleitung gesagt: Sie bedankt


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sich für die Änderung, weil sie jetzt endlich Strompreise zur Verfügung hat, mit denen sie im Vorstand keine Schwierigkeiten mehr hat, zu begründen, daß sie in Österreich bleibt. Kleinere Unternehmen laufen uns wegen des Strompreises nicht davon, und alle Großen haben jetzt die Möglichkeit, jene Strompreise zu bekommen, die sie auch auf den internationalen Märkten unter Berücksichtigung der Payage bekommen würden.

Dritter Punkt: Überall dort, wo Pool-Lösungen, wie sie hier sachlich vertreten werden und auch zu vertreten sind, verwirklicht werden, gibt es keine Föderationen. Schweden und Finnland sind Zentralstaaten par excellence, daher lassen sich dort Pool-Modelle relativ einfach durchsetzen. Wenn man diesen Standpunkt vertritt, muß man sich über dessen Konsequenzen im klaren sein.

Daher möchte ich nochmals darauf hinweisen, daß ich mich im Augenblick im Bundesrat befinde, und ich möchte die Vorgangsweise verteidigen, daß wir – mit einer Ausnahme – versucht haben, den Beschlüssen der Landeshauptleutekonferenz Rechnung zu tragen. Die eine Ausnahme besteht darin, daß es in der Frage der Verweigerung des Netzzuganges bereits in erster Instanz eine Entscheidung des Bundes und nicht der Bundesländer geben wird. Der Grund dafür ist logisch: Es geht in dieser Hinsicht um Entscheidungen, die – wer auch immer der Regulator ist – sehr rasch zu treffen sind.

Lassen Sie mich kurz auch auf den großen Umsetzungsbedarf zu sprechen kommen. Es gibt in der nächsten Zeit vor allem zwei Punkte zu erledigen. Die Länder haben allein 19 Verordnungsermächtigungen, mit denen sie in den nächsten Monaten Regelungen treffen müssen. Überdies besteht die Notwendigkeit, diese Regelungen in einem so kleinen Binnenmarkt halbwegs nach den gleichen Grundsätzen zu treffen. Es kann zum Beispiel nicht so sein, daß die Zugangsvoraussetzungen unterschiedlich gestaltet sind.

Dritter Punkt: Wir werden auch sicherstellen müssen, daß bei der Beurteilung der Reform klargestellt wird, daß wir zu einem vernünftigen innerösterreichischen Energiebinnenmarkt kommen. Es soll nicht so sein, daß wir plötzlich in Österreich vielleicht auf natürlich erzeugter, erneuerbarer Energie sitzenbleiben, während anderswo munter Atomstrom importiert wird. Dazu darf es nicht kommen.

Es darf auch nicht geschehen, daß wir uns bei der Biomasse auf ein heimisches Fördermodell einigen und rundherum zu sehen ist, daß von kommunalen Altersversorgungen bis zu bestehenden Biomasse-Verbrennungsanlagen ausländische Biomasse importiert wird.

Wenn wir über den Bereich der alternativen Energieformen reden – auch darüber wurde hier gesprochen; Herr Bundesrat Drochter hat darauf hingewiesen, daß 3 Prozent zuwenig sind –, ist festzustellen, daß Österreich zum Unterschied von allen anderen europäischen Ländern mit über 66 Prozent erneuerbarer Energie – Ökostrom – neben Luxemburg den weitaus höchsten Anteil hat. Hinsichtlich der Länder, die uns in allen möglichen Festreden – nicht hier im Haus, aber sonst in allen Jubelreden von Interessenvertretern – wegen der Windkraftwerke und der Solarenergiegewinnung vorgehalten werden, muß uns klar sein, daß etwa Dänemark und Deutschland momentan nur Ökostrom-Anteile von 5,4 Prozent haben.

Daher kann ich mir vorstellen, daß in Deutschland und Dänemark aus vielen Gründen Einspeisetarife anderer Größenordnungen vorliegen. Die Lösung, die Sie im ElWOG finden, ist eine andere. Wir schaffen für die alternativen Märkte nicht wieder eine neue geschützte Marktordnung mit Zutrittsrecht, hohem Preis und Subventionen, sondern wir haben für die Alternativenergien eine Marktöffnung vorgesehen. Jeder, der alternative Energie erzeugt, kann sich selbst sein kleines Netz bauen – daher die Änderung des Starkstromwegegesetzes – und kann seine 5, 6, 10, 20 oder 100 Nachbarn selbst versorgen, wenn er will.

Zweiter Punkt: Es kann sich jeder Kunde wünschen, von einem bestimmten Ökostrom-Erzeuger Strom durchgeleitet zu erhalten und entsprechend Payage zu bezahlen. Daher ist dem Idealismus aller, die Ökostrom verwenden wollen, in keiner Weise eine Grenze gesetzt.

Dritter Punkt: Es gibt auch weiterhin eine Einspeiseregelung für die Länder.


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Eine letzte Bemerkung zur Biomasse: Das ist eigentlich die überföderale Herausforderung Österreichs. Österreichs Forste haben einen jährlichen Zuwachs von 15 bis 17 Millionen Festmeter Holz, die nicht geschlägert werden. Dieser Zuwachs muß irgendwann einmal gestoppt werden, wenn wir nicht übermäßig bewachsene Täler haben wollen. Wenn wir daher die Biomasse jetzt zu einem Schwerpunkt machen – mit einem Kompetenzzentrum in Wiener Neustadt, soweit es um Biomasse für Energie geht; um Biomasse für Gas wird es im Burgenland rund um Güssing gehen –, heißt das, daß wir damit erneuerbare, lagerbare Energie haben, mit der wir thermische Anteile ersetzen können, die heute unser Problem ausmachen.

Hoher Bundesrat! Daher möchte ich darum bitten, mit zu berücksichtigen, daß zwar vieles an diesem Gesetz sicherlich anders und vielleicht noch schneller hätte geregelt werden können. Aber da es gelungen ist, bei dieser Struktur einen Konsens herbeizuführen, von dem ich überzeugt bin, daß er selbsttragend wird und raschere Ergebnisse zeitigt, als es uns als Mitautoren vorgeschwebt ist, kann man dieser Vorlage meiner Ansicht nach mit Fug und Recht zustimmen.

Ich denke dabei auch an die Frage der europäischen Beurteilung. Glauben Sie uns: Wir würden uns als derzeitige Vorsitzende des Energieministerrates hüten, bewußt eine Regelung zu beschließen, von der wir wissen, daß uns die EU-Kommission dafür die "gelbe Karte" zeigt. Davon kann nicht die Rede sein, und es ist nicht sehr angenehm, daß dies immer wieder als Behauptung in den Raum gestellt wird. Diese Regelung wird jedenfalls dem Lackmustest der Europäischen Union standhalten.

Ich habe in meiner Eigenschaft als Präsident des Energieministerrates den Beamten der Kommission gesagt, sie mögen sich in ihrem Eifer zunächst auf jene Länder stürzen, die noch keine Schritte zur Umsetzung dieser Richtlinie gesetzt haben, statt sich jedem anfragenden Journalisten gegenüber stundenlang der Frage zu widmen, ob Österreich alle Vorgaben erfüllt, obwohl das Gesetz noch gar nicht offiziell notifiziert wurde. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Diese Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse getrennt erfolgt.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiete der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird, das Bundes-Verfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden, erlassen wird und das Kartellgesetz von 1988 und das Preisgesetz von 1992 geändert werden.

Der gegenständliche Beschluß enthält im Artikel 1 (§ 1, § 5 Abs. 2, § 10, § 12 Abs. 3, § 20 Abs. 2, § 24, § 61, § 66 Abs. 1, § 70 Abs. 2, § 71 Abs. 3), im Artikel 2, im Artikel 3 (Z 1 § 4 Abs. 2, Z 2 § 144 Abs. 3, Z 3 § 151 Z 3) und im Artikel 4 Z 1 Artikel I Verfassungsbestimmungen, die nach Artikel 44 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes der Zustimmung des Bundesrates in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates sowie einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Es ist namentliche Abstimmung über den gegenständlichen Beschluß verlangt worden.


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Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf der Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit "Ja" oder "Nein".

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Crepaz und Giesinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mit "Ja" oder "Nein" bekannt.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit "Ja".

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich werde Ihnen gleich das Abstimmungsergebnis bekanntgeben.

Da sowohl von der Schriftführung als auch von den Mitarbeitern der Parlamentsdirektion ein übereinstimmendes Ergebnis der Auszählung festgestellt worden ist, gebe ich Ihnen bekannt, daß auf den Antrag, den im gegenständlichen Beschluß enthaltenen Verfassungsbestimmungen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 42 "Ja"-Stimmen und 12 "Nein"-Stimmen entfallen.

Der Antrag, diesen Verfassungsbestimmungen des gegenständlichen Beschlusses im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

*****

Mit "Ja" stimmten die Bundesräte:

Bieringer;

Crepaz;

Drochter;

Fischer, Freiberger;

Giesinger, Ing. Grasberger, Grillenberger, Gstöttner;

Hager, Haselbach, Hensler, Mag. Himmer, Dr. Hummer;

Jaud;

Kainz, Dr. Kaufmann, Konečny, Kraml;

Mag. Leichtfried, Dr. Liechtenstein, Dr. Linzer, Dr. Ludwig, Lukasser;

Payer, Pfeifer, Ing. Polleruhs, Prähauser, Pühringer;

Richau, Rodek;

Schaufler, Schicker, Schöls, Steinbichler, Mag. Strugl;

Thumpser;


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Vindl;

Weiss, Mag. Wilfing, Winter, Wolfinger.

Mit "Nein" stimmten die Bundesräte:

Dr. Böhm, Dr. Bösch;

Eisl;

Mag. Gudenus;

Dr. Harring, Haunschmid;

DDr. Königshofer;

Mühlwerth;

Ram;

Mag. Scherb;

Dr. Tremmel;

Weilharter.

*****

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich bitte ferner jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.


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Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Scherb und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Neuordnung der österreichischen Elektrizitätswirtschaft vor. Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die sich für diesen Entschließungsantrag aussprechen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Minderheit.

Der Entschließungsantrag ist somit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Starkstromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen ... (Bundesrat Weilharter: Zur Geschäftsordnung!) Einen Moment. (Bundesrat Konečny: Wir sind im Abstimmungsvorgang!) Bitte, wir sind mitten im Abstimmungsverfahren.

Sie haben gehört, über welchen Tagesordnungspunkt wir jetzt abstimmen, nämlich über den Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Starkstromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ich wiederhole: Wir haben damit die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung erledigt.

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert werden (813/A und 1308/NR sowie 5734/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Polleruhs übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht. (In Richtung Freiheitliche:) Sie werden dann zur Geschäftsordnung das Wort ergreifen können. Jetzt bitte ich um den Bericht.

Berichterstatter Ing. Peter Polleruhs: Frau Präsidentin! Herr Minister! Der Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor. Ich nehme daher von einer Verlesung Abstand. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf daher den Beschlußantrag stellen, gegen die Gesetzesänderung keinen Einspruch zu erheben, und darf Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin (Heiterkeit, da inzwischen Vizepräsident Weiss den Vorsitz übernommen hat) , ersuchen, die Debatte zu eröffnen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich erteile es ihr.

12.01

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Auf den vorhergehenden Unmut in diesem Hause und auf die vorhergehende Debatte zurückkommend, möchte ich nur eines sagen: Wenn du wieder einmal alles erreicht hast, was du wolltest, und dir jeder Lob und Beifall zollt und die Welt dich für einen Tag zum Gewinner macht, dann stelle dich vor einen Spiegel, schaue hinein und höre, was der Mensch darin dir zu sagen hat. (Beifall des Bundesrates DDr. Königshofer. )

Für mich gilt hier in diesem Haus, daß ich mich nicht zu einer willenlosen Marionette machen lasse. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Payer: Aber Sie unterschreiben einen Vertrag! – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Nicht willenlos! Lieber Herr Kollege Steinbichler, nicht willenlos! (Weitere Zwischenrufe. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen. – Bundesrat Steinbichler: Daß Sie nicht rot werden bei diesem Satz!) Nein, werde ich nicht. (Bundesrat Mag. Gudenus: Nein, rot werden wir nicht mehr!) Nein, ich nicht!

Ein Entschluß, dem nicht die Tat folgt, ist wertlos. Dieser Entschluß war eine Idee des Landes Oberösterreich, von Wirtschaftsbund und Kammer. Die Idee war: Kein Zeltfest ohne Wirt. Das war eine gute Idee und für beide Teile, Wirt wie Verein, tragbar. Es war dies ein positiver Ansatz im Jahr 1996. Damals lautete nämlich bekanntlich der Kompromiß, daß bei dreitägigen Veranstaltungen eine Kooperation mit dem regionalen Konzessionsinhaber erforderlich ist. Auch wenn manche meiner Berufskollegen dies für Augenauswischerei gehalten haben, feierten Wirtschaftslandesrat Leitl und die Vertreter der Kammer das als Errungenschaft zur Vermeidung legistischer Ungerechtigkeiten, zum Wohle der Wirte. Aber die Tat blieb aus. Das haben wir bei der letzten Abstimmung des Nationalrates gesehen.


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Schon 1993 machten die Freiheitlichen und die damals gegründete "Freiheitliche Initiative Tourismus" Länder und Bund in Wirtetagen, Briefverkehr, aber vor allem durch die Erstellung der 20-Punkte-Petition auf die Probleme der Gastronomie und somit auf die Gefährdung von vielen Zulieferfirmen, von betroffenen Bauern, die uns zugeliefert haben, und von Hunderttausenden Arbeitnehmern aufmerksam. Subventionen anstelle besserer Rahmenbedingungen erschienen uns schon damals wenig hilfreich. Und ich zitiere das, was Sie, Herr Minister Farnleitner, gestern gesagt haben, mit Freude: daß Sie für Subventionen taube Ohren haben.

Im Gegensatz dazu ließ Herr Wirtschaftslandesrat Dr. Leitl nach dem betreffenden Nationalratsbeschluß uns Wirten ein Schreiben zukommen, in dem er uns verspricht, in Gesprächen, die stattfinden würden, "werden Sie meine volle Unterstützung haben". So kann es doch auch nicht gehen! Dann steht nämlich darunter genau das Gegenteil von dem, was Sie gestern gesagt haben: PS: Übrigens: Mit der Gasa hilft das Land Oberösterreich mit, daß Ihr Betrieb modern und gemütlich bleiben kann. Subventionen sind angesagt im Lande Oberösterreich. – Das also ist der Unterschied.

Ich begrüße es – weil es auch für uns gilt –, was Sie sagen, denn Subventionen sind Sterbehilfen, keine Lösungen, und vor allem sind sie Beamtenfutter, meine Damen und Herren. (Bundesrat Bieringer: Was sind sie? Sterbehilfen?) Es ist in diesem Zusammenhang nichts geschehen, was für uns von Vorteil gewesen wäre. Die Wirtschaftspolitik von SPÖ und ÖVP hat die Lage sogar verschlechtert: Zahlreiche Kollegen mußten zwischenzeitlich den Betrieb zusperren.

Auch von einer europäischen Tourismuspolitik kann keine – oder sagen wir vielleicht: noch keine – Rede sein. Der Tourismus hat im Vertrag von Maastricht nämlich keine Rechtsgrundlage. Innerhalb der Kammern ist die kleinste Generaldirektion für den Tourismus zuständig. Das allein zeigt, welchen Stellenwert er in der Europäischen Union einnimmt.

Österreich ist nach außen das Tourismusland Nummer eins, aber nur im Geben und nicht im Nehmen. Die Europäische Union spielt im Welttourismus aber nach wie vor die erste Geige. Die Arbeit eines kompetenten Tourismusvertreters in der Europäischen Union, des Herrn Dr. Klaus Lukas, des ehemaligen Österreich-Werbedirektors, wird weder vom Wirtschaftsministerium noch von den Wirtschaftskammern wahrgenommen. Ich hoffe, Herr Minister, daß die Ratspräsidentschaft jetzt daran etwas ändert.

Aber nun zurück. – Der jüngste Beschluß des Nationalrates ist eine Parteigroteske und wiederum ein echter SPÖ-ÖVP-Kompromiß. Die meisten unserer Gesetze und Verordnungen sind so notwendig wie ein Kropf, und diese jüngst von SPÖ und ÖVP beschlossene Regelung betreffend Zeltfeste ist in meinen Augen so ein Kropf. Überflüssiger geht es nicht mehr! Keiner in der Wirtschaft will den Feuerwehren, der Rettung und so weiter ihr Geld streitig machen. Auch wir Freiheitliche sprechen uns für die intensive Förderung von Vereinen aus, die unbezahlbare Aufgaben im Dienste der Öffentlichkeit leisten, jedoch müßten diese Aufgaben auch von der öffentlichen Hand finanziert und nicht auf dem Rücken einer Berufsgruppe – der Wirte – ausgetragen werden. Das führt nämlich dazu, daß Wirte und Vereine sozusagen auseinanderdividiert werden.

SPÖ und ÖVP haben uns Wirte schon oft alleine im Regen stehengelassen. (Bundesrat Steinbichler: Das ist nicht richtig!) Die Veranstaltung von Zeltfesten ließe sich nämlich ohne die geringste Mühe vermitteln und mit den bestehenden Gesetzen und Verordnungen zufriedenstellend für alle Beteiligten regeln, lieber Herr Steinbichler! (Bundesrat Steinbichler: Wissen Sie nichts von den Vorschlägen Ihrer eigenen Partei? Sie kennen Ihre eigenen Vorschläge nicht!) Wir kennen sie schon! Nein, nein, ihr habt uns im Regen stehengelassen. Das ist sogar ein Zugeständnis Ihres Landesrates Leitl. Ihr habt uns im Regen stehengelassen. Ein neuer Kropf muß her! (Widerspruch des Bundesrates Dr. Kaufmann. ) O ja, Herr Dr. Kaufmann!

Nur mit einem neuen Gesetz kommt man nämlich in die Presse. Die Zeltfestregelung gibt es ausschließlich aus opportunistischen Gründen, sie dient ausschließlich als Stimmen- und Wählerfang für SPÖ und ÖVP. Deren Funktionäre benutzen das Parlament ständig als Wahlkampf


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arena. Das haben wir gesehen, als die Feuerwehrhauptleute hier gewesen sind. Diesmal allerdings war es eine Wahlkampfarena auf Kosten von uns Wirten. Wir sollen in Wirklichkeit nämlich die Zeche gleich zweimal bezahlen: direkt durch ein faktisches Geschäftsverbot und indirekt dadurch, daß man uns überflüssig macht, an den Rand drängt, ja mehr noch, über den Rand hinausdrängt. – Nicht mit uns und nicht mit der "Freiheitlichen Initiative Tourismus"!

Der Wirtschaftsbund, eine Vorfeldorganisation der ÖVP, hat angekündigt, dieses Gesetz beim Verfassungsgerichtshof einzuklagen. Erfahrungsgemäß wird er aber diese Ankündigung nicht vollziehen, ja er kann sie gar nicht vollziehen, wenn er auch nur einigermaßen den Schein wahren will, haben doch seine Parteigänger für dieses Gesetz gestimmt. Nicht auszuschließen ist allerdings, daß er diesmal die Heuchelei ins Maßlose treibt.

Die Freiheitlichen werden wenigstens moralisch und politisch für die bisherige oberösterreichische Zeltfestlösung arbeiten. Wenn SPÖ und ÖVP wollen, daß es künftig noch Wirte und nicht nur Multikonzerne gibt, dann kann es nur heißen: gleiche Abgabenpflicht für Wirte und Zeltfestveranstalter, keine Ausnahme bei den Hygienevorschriften zum Schutze der Gäste und daher auch Widerrufung des Bazillenausscheidergesetzes.

Jene Vereine, die besonders wichtige Aufgaben im Sinne des Allgemeinwohls verrichten – und ich glaube, Feitelklub und Schirmkapperlverein gehören wohl nicht dazu –, sollten diese Steuern von Regierung und Gemeinden vielleicht irgendwie refundiert bekommen. Diese subventionieren ja ohnehin.

Einen Wirt mit "Zuckerln" abzuspeisen, die fast oder gar nicht durchführbar sind, nur Kosten und keinen Ertrag bringen, ist alles andere als Kollegialität, ist unwürdig und hinterhältig. Die Praxis schaut nämlich anders aus: Zeltfest von Vereinen – abgabenfrei, Zeltfest vom Wirt – abgabenpflichtig; Partyservice, Verpflegung außer Haus – abgabenpflichtig für die Wirte. Bazillenausscheiderkontrollpflicht für die Wirte, für die anderen nicht. Einem Stammgast ... (Bundesrat Payer: Das stimmt nicht!) O ja! Ich könnte Ihnen eine ganze Reihe solcher "nicht" vorlesen, was die anderen nicht tun müssen, Wirte aber sehr wohl. Lesen Sie es nach und gehen Sie auf die Bezirkshauptmannschaft!

Bei einem Stammgast wird die Taxifahrt vom Wirt übernommen, und zu 99 Prozent werden wir das nicht verrechnen können, ganz zu schweigen von Versicherungen, die man zusätzlich abschließen muß: Insassen-, Vollkasko- und so weiter. Erlöse aus der Wirtetaxifahrt sind beileibe nicht steuerfrei!

Wo bleiben dann die "Zuckerl", Herr Minister? – Ich habe es schon einmal gesagt: Wir sind im Himmel gefüttert worden, um auf Erden gemolken zu werden. Gemeinsam mit meinen Kollegen im Oberösterreichischen Landtag, im Bundesrat und Nationalrat werden wir Freiheitliche uns um Gerechtigkeit bemühen. Es sind die elementarsten Grundsätze unseres Rechtssystems über Bord geworfen worden. Es wurde hier zweierlei Recht geschaffen: Eines für Wirte, die der Gewerbeordnung und allen lebensmittel- und arbeitsrechtlichen Vorschriften unterliegen, und ein anderes für alle Körperschaften öffentlichen Rechts, aber auch für mehr oder weniger gemeinnützige Vereine, die weitgehend Gewerbefreiheit haben sollen.

Die beste Zeit, ein Problem anzusprechen, wäre die Zeit vor seiner Entstehung, aber wie immer haben die Kollegen von der ÖVP im Plenum des Nationalrates aufgehört, an die Gerechtigkeit zu denken, man hat dem Koalitionsdenken Platz gemacht.

Wir sind nicht gegen Zeltfeste, aber auch in diesem Zusammenhang fehlt der für unsere Partei so wesentliche Gerechtigkeitssinn. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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12.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile es ihm.

12.12

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Vizepräsident! Zum vorherigen Tagesordnungspunkt hat sich ein Mitglied meiner Fraktion zur Geschäftsordnung gemeldet. Diese Wortmeldung ist von der zu diesem Zeitpunkt Vorsitzführenden ignoriert worden. Herr Vizepräsident! Ich darf Sie ersuchen, die Sitzung kurz zu unterbrechen und eine Präsidiale zu initiieren.

12.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich komme dem Ersuchen nach und unterbreche die Sitzung auf 10 Minuten.

(Die Sitzung wird um 12.13 Uhr unterbrochen und um 12.27 Uhr wiederaufgenommen. )

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und erteile als nächstem Redner Herrn Bundesrat Josef Pfeifer das Wort.

12.27

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Eine bereits jahrelang andauernde Diskussion über die Möglichkeit, Zeltfeste und ähnliche Veranstaltungen durch und von Vereinen, also Körperschaften des öffentlichen Rechts oder sonstigen juristischen Personen, in Zukunft unter bestimmten Voraussetzungen ohne Androhung von Strafe und sonstigen Verboten durchführen zu lassen, geht hoffentlich heute zu Ende. Die Diskussionen, die landauf, landab öffentlich und zum Teil sehr heftig geführt wurden, haben die Vereine sehr verunsichert, aber nicht nur die Vereine, sondern auch die Gemeinden. Diese Diskussionen waren überhaupt nicht notwendig. Sie waren und sind zum Teil noch jetzt doppelbödig. Man hat hier ein sogenanntes Doppelspiel getrieben, und das war für die Tausenden freiwilligen Helfer in jeder Lebenslage beschämend.

Meine Fraktion hat vom ersten Augenblick an gesagt, die Freiwillige Feuerwehr, das Rote Kreuz, die Sportvereine und sonstige mildtätige oder gemeinnützige Organisationen leisten eine Aufgabe, die, abgesehen vom finanziellen Aspekt, auch vom Engagement her unersetzbar ist. Meine Damen und Herren! Seien wir froh, daß es in diesem Land über 300 000 freiwillige Feuerwehrmänner und über 100 000 Funktionäre und Zigtausende freiwillige Helfer in kirchlichen und karitativen Vereinen gibt! Wir wollen diese Menschen, diese Gruppen an ihrer Arbeit ja nicht hindern, und ich kann nur sagen, es ist keine Parteigroteske, wie Kollegin Haunschmid das hier darstellen wollte.

Ich darf einige Veranstalter erwähnen: An der Spitze stehen natürlich die Freiwilligen Feuerwehren. Sie machen das ja nicht nur zur Gaudi und um Wirten eventuell, wie das dargestellt wird, zu schaden, sondern um für die Kameradschaftskasse eigenes Geld zu erarbeiten. Dieses Geld wird ja dann wieder beim Ankauf von Geräten, für Bekleidung, beim Hausbau – und was die Feuerwehr sonst noch alles macht; ich weiß es als Bürgermeister – verwendet.

Ich sage auch sehr bewußt, daß es sehr wichtig ist, daß die Feuerwehren selbst etwas in die Kameradschaftskasse einbringen. Wir alle wissen: Was nichts kostet, ist nichts wert. Die Feuerwehren fühlen sich dann als Mitbesitzer, als Eigner dieser Geräte, passen auch viel mehr auf sie auf und sind sehr stolz darauf, daß sie Geräte mit ankaufen konnten. Auch die Bevölkerung ist sehr stolz darauf.

Ich weiß schon, daß das für uns Bürgermeister wie eine "kleine" Erpressung ist. Das wissen wir ja alle zusammen. Wir sagen – um nur eine Zahl zu nennen –: Wir geben 100 000 S dazu, und die Gemeinde muß eben die restlichen zighunderttausend oder Millionen Schilling noch aufbringen. Wir machen das aber gerne. Das möchte ich an dieser Stelle erwähnen. Das ist ganz sicherlich auch als Entlastung der Gemeinden zu sehen, denn das Schlimmste wäre – das habe ich ja gesagt –, wenn wir alles selbst finanzieren müßten.

Das betrifft aber andere Veranstaltungen ebenfalls. Ich muß sagen, im Rahmen der Feuerwehrveranstaltungen finden auch Feldmessen statt. Das wissen wir alle. Sponsoren – ich will nicht sagen, daß sie sich aufdrängen – stellen sich zur Verfügung, um den Feuerwehren und der Be


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völkerung der Gemeinden zu helfen. Das ist natürlich mit einem gewissen Werbeeffekt verbunden; das ist ja ganz klar.

Was meiner Meinung nach noch sehr wichtig ist, ist das gesellschaftliche Ereignis, der vorhandene Kontakt zur Bevölkerung. Das fängt damit an, daß die Feuerwehrleute von Haus zu Haus gehen und Karten im Vorverkauf verkaufen. Auch dadurch ist ein sehr wichtiger Kontakt gegeben. Dieser Kontakt besteht vor allem auf dem Land, dort ist das ganz anders als in den Städten oder in den Großstädten.

Meine Damen und Herren! Das hat ja auch dahin gehende Auswirkungen, daß im Rahmen von Zeltfesten Musikkapellen auftreten, die dabei berühmt werden. Heute berühmte Musikkapellen aus Österreich sind bei Zeltfesten bekannt geworden, und sie haben für Österreich dann in weiterer Folge Werbung gemacht.

Weiters gefällt mir diese Doppelspielerei betreffend die Wirte überhaupt nicht. Ich kann von meiner Gemeinde reden, und ich weiß, daß es in vielen Gemeinden in Kärnten so ähnlich und wahrscheinlich in Oberösterreich auch nicht anders ist. In meiner Gemeinde gibt es zum Beispiel vier Feuerwehren, einen Gemeindefeuerwehrkommandanten, der selbst Wirt ist, und zwei Ortskommandanten, die auch Wirte sind. Na, was glauben Sie, Frau Kollegin Haunschmid, was die mir erzählen: ob wir deppert sind, daß wir hier so eine Diskussion – ich sage es genauso, wie es mir gesagt wird –, führen? (Bundesrätin Haunschmid: Es geht ja nicht um Zeltfeste, sondern um Abgaben!)  – Nein, ich weiß schon, worum es geht. Sie wollen das nicht haben.

Ich kann noch einmal sagen, sie sind voll dafür, miteingebunden zu werden. Sie sehen es auch nicht so, daß sich diese Gesetzesnovelle gegen die Gastronomie richtet. Das muß man auch einmal sagen. In der Bevölkerung wird anders geredet, und ich sage Ihnen auch, wie es den anderen Wirten geht. Diese machen ebenfalls ein gutes Geschäft, wenn in einer Ortschaft ein Zeltfest stattfindet. Der Wirt selbst macht in der Regel ohnehin nichts – das muß man auch sagen –, aber er partizipiert mit, weil Leute auch zu ihm kommen, weil sie sich verpflichtet fühlen, auch den Wirt zu besuchen. "Ja, grüß’ dich, wie geht’s dir denn?!", so ähnlich läuft das auf dem Lande ab. Es kommen ja zusätzliche Leute in den Ort und zu den Wirten, die sonst nicht in den Ort kämen, die sonst nirgendwo hingehen, aber zu einem Zeltfest, das ja oft mit Kirchtagen verbunden ist, kommen die Leute von überall her. Sie brauchen nicht zu glauben, daß Leute bei den Wirten abgehen. Nein, sie kämen sonst gar nicht! Sie kommen ausschließlich anläßlich dieser Gelegenheit.

Meine Damen und Herren! Ich habe schon von Feuerwehrkommandanten gehört: Na gut, wenn wir kein Zeltfest machen dürfen, dann soll es die Gemeinde machen, dann tun wir nichts mehr, dann zahlt sie eben dafür. – Wieviel dabei verlorengeht, ist unglaublich! Ich sage Ihnen noch einmal: Das ist ein gesellschaftliches Ereignis; Feuerwehren tragen mit diesem Geld auch zur Ortsverschönerung bei. Da wird nicht nur irgendwohin auf Ausflug gefahren (Bundesrätin Haunschmid: ... Leitbild für Österreich!) Nein, das wird auch mit allem Drum und Dran gemacht. (Bundesrat Payer: Wenn sie auf Ausflug fahren, dann geben sie das Geld dem Wirt!)

Noch etwas möchte ich hier erwähnen. Es gibt ja nicht nur den gesellschaftlichen Kontakt. Es gibt bei Zeltfesten auch den Kontakt der Feuerwehrleute untereinander. (Bundesrätin Haunschmid: Das gibt es im Wirtshaus auch!) Es fährt doch eine Feuerwehr zu anderen, nach dem Motto: Wir müssen euch auch besuchen. Da kommt dann der Kommandant und fragt seinen Kollegen: "Was hast denn du für Probleme?" Es werden dort gewisse Dinge ausgesprochen, und ich glaube, das ist für eine Kumpelhaftigkeit – und Feuerwehrleute sind eben auch Kumpel – äußerst wichtig. Ich möchte daher bei dieser Gelegenheit allen Feuerwehrkameraden Dank und Anerkennung für ihre Tätigkeit aussprechen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Dasselbe gilt für die Kultur- und Sportvereine. Auch dort wird Jugendförderung betrieben – alleine für die Auftritte von Sängern und für Turniere, die dadurch möglich werden. Ich erwähne nur die Bergwacht, das Rote Kreuz, auch den Kriegsopferverband und vor allem den Lions-Club. Es werden auch etliche Veranstaltungen für Behinderte durchgeführt, abgesehen davon, daß es


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auch Pfarrfeste gibt, die denselben Charakter haben und genauso durchgeführt werden, nämlich für Kirchenrenovierungen, Orgelankäufe und neue Glocken.

Auch für den Fremdenverkehr erachte ich diese Veranstaltungen als sehr wichtig, gerade wenn man von Tourismusrückgang – und ich weiß nicht, was noch alles – spricht. Aber ich sage, auch in diesem Zusammenhang sind Zeltfeste wichtig, weil die Gemeinde bei solchen Veranstaltungen – zumindest in meinem Heimatort – auch Gästeehrungen durchführt. Ich kann euch sagen, welch große Freude die Gäste haben, wenn sie eine Urkunde bekommen. Sie sagen: "Guck mal! Schau, ich bin hier geehrt worden." – Soll man das alles verbieten? (Bundesrat Dr. Harring: Es widerspricht dir ja niemand!) Nein, überhaupt nicht! Widersprich nicht, lieber Freund! Das ist eine Tatsache, so läuft das Leben auf dem Lande draußen ab, wobei wir hier schon ... (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. )  – Nein, nicht deshalb gibt es ein Zeltfest, sondern die Gelegenheit wird wahrgenommen, um mit den Menschen zusammenzukommen. Das ist das Wichtigste, wobei ich schon meine – auch dafür bin ich zu haben –, daß gewisse Veranstaltungen nicht ausarten dürfen. Das ist schon klar. (Bundesrat DDr. Königshofer: Keine darf ausarten!)

Unter "nicht ausarten" verstehe ich aber etwas anderes, nämlich "Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen". Das war in Kärnten ohnehin immer schon so: Wasserrecht, Hygiene, baurechtliche Regelungen – all das ist ja bereits abgehandelt worden. Da war ja immer alles korrekt.

Frau Kollegin Haunschmid! Ich habe den Eindruck, Sie haben das alles entweder nicht verstanden, nicht kapiert oder wollen es nicht verstehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Haunschmid: Ich verstehe schon!) Ich gebe Ihnen einen guten Rat, Sie müssen sich nicht daran halten! Aber: Schauen Sie lieber nicht in den Spiegel! Ich weiß nicht, ob ihr bei den Freiheitlichen einen eigenen Spiegel habt, er würde zerspringen. Wenn Sie nämlich in diesen Spiegel – vielleicht benenne ich ihn Haider-Spiegel – hineinschauen, dann schaut zum Schluß der Rosenstingl heraus. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Seien Sie vorsichtig, wenn Sie hier von Moral – und ich weiß nicht, was noch allem – reden! (Bundesrat Dr. Harring: Zu welchem Thema sprichst du?) Genau zu jenem Thema, das deine Kollegin nicht versteht oder nicht verstehen will; das habe ich mittlerweile mitgekriegt. Aber eines verstehe ich noch immer nicht. Ich will jetzt gar nicht von der Getränkesteuer und all dem, was Sie dahergeredet haben, sprechen. Diese Einnahmen sind sehr wichtig für die Gemeinde.

Eines verstehe ich nicht, Frau Kollegin, und das gilt auch für die FPÖ, und zwar daß ihr gegen diese Gesetzesnovelle betreffend Zeltfeste seid. Dr. Haider ist doch eigentlich bei diesen Zeltfesten groß geworden. Weiß er davon, daß ihr gegen Zeltfeste seid? Und wenn ihr gegen alles andere seid, seid ihr auch gegen die Vereine. Auch das muß man ... (Bundesrätin Haunschmid: Ich habe gesagt: Ich bin nicht gegen die Zeltfeste! Sie legen das nur so aus!)  – Eben! Ja, genau das ist es! (Bundesrätin Haunschmid: Ich bin gegen die Abgabenordnung!)

Nein, nein, nein! Das ist die Doppelbödigkeit. Ich glaube nicht, daß Dr. Haider das weiß. Ich werde es ihm aber auch nicht sagen. Ich kann euch das versprechen. Macht das untereinander so aus, wie ihr wollt! Seine politischen Auftritte bei Zeltfesten sind bekannt; und wehe, er könnte das nicht mehr machen, dann würde er euch etwas erzählen!

Die SPÖ wird für die Gesetzesnovelle stimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.39

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Wolfram Vindl. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrat Konečny: Was liegt, das pickt!)

12.40

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir befassen uns heute mit der Novellierung der Gewerbeordnung, die endgültig klarstellt, was bereits in der Praxis üblich ist. Diese Novellierung bringt aber auch eine Reihe von Entlastungen für die Wirtschaft und eine Reihe von Erleichterungen für die Gastwirte.


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Das Veranstalten von Zeltfesten war in der Vergangenheit in den meisten Bundesländern überhaupt kein Thema. Viele Vereine finanzieren dadurch ihren Aufwand, denn sonst müßten sie von den Gemeinden, vom Land oder vom Bund zusätzliche Förderungsmittel beanspruchen. Es könnten zahlreiche Trachten, Musikinstrumente oder lebensrettende Gerätschaften der Feuerwehren nicht angeschafft werden, wenn diese Einnahmen nicht vorhanden wären. Es gäbe auch manches neue Feuerwehrauto und manches Feuerwehrhaus nicht, wenn nicht die Mitglieder der Feuerwehren durch die Abhaltung solcher Feste einen großen Anteil selber aufgebracht hätten.

Ich denke dabei nur an den enormen Aufwand der Sportvereine, die sehr viel Geld in die Jugendförderung investieren. Ein kleines Beispiel aus der Praxis zeigt, wie groß der Finanzierungsaufwand für diese Sportvereine ist. So hat in meiner Nachbargemeinde ein kleiner Fußballverein, der in der untersten Liga spielt – also wirklich ein kleiner Verein –, alleine an Fahrtkosten jedes Jahr 200 000 S zu berappen; für die Buskosten hat er 200 000 S auf den Tisch zu legen, die vom Verein natürlich selber aufgebracht werden müssen.

Es ist eine Tatsache, daß hier, wie auch in vielen anderen Vereinen, sehr viel von ehrenamtlichen Funktionären für die Jugend getan wird, die wirklich eine sinnvolle Beschäftigung in diesen Vereinen findet. Ansonsten müßten wir für Drogenprävention oder für die Bekämpfung der Jugendkriminalität aus der öffentlichen Hand sicher mehr Geld ausgeben, wenn man den jungen Menschen in unserem Land, in diesen Vereinen, nicht Gelegenheit böte, mitzumachen.

Meine Damen und Herren! Wer selber einmal ein Fest organisiert hat, weiß, welcher Arbeitsaufwand wirklich dahintersteckt. Kollegin Haunschmid! Es stimmt einfach nicht, daß Zeltfeste nicht dieselben Auflagen erfüllen müssen, wie sie die Gastronomie erfüllen muß. Es ist so, daß eine Bauverhandlung für die Errichtung des Zeltes abgehalten werden muß. Es sind dieselben Hygienevorschriften erforderlich. Ich weiß von einem Fest, bei dem alle, die mit der Essensausgabe zu tun hatten, vorher zum Amtsarzt vorgeladen wurden und sich dort untersuchen lassen mußten. Daß ein Geschirrspüler und entsprechende WC-Anlagen vorhanden sind, ist ja sowieso schon selbstverständlich.

Glauben Sie ja nicht, meine Damen und Herren, daß diese Auflagen nicht entsprechend überwacht werden! Die Gesundheitsbehörde der Bezirkshauptmannschaft ist sehr streng – zumindest in meinem Bereich. Sie schaut sehr darauf, daß diese Auflagen auch erfüllt werden.

Was wäre der Tourismus in unserem Land ohne die zahlreichen traditionellen Feste? Kollege Pfeifer hat auch schon darauf hingewiesen. Gerade diese Feste sind ein Teil unseres Tourismus, wobei viele Gäste nur zum Zwecke des Besuches dieser Feste in unser Land kommen. Daß dabei auch die Zusammenarbeit zwischen Festveranstaltern und Wirten funktioniert, habe ich erst am letzten Sonntag in meinem Heimatbezirk erleben können, als eine Musikkapelle ihr 100jähriges Bestehen feierte und im Rahmen des Bezirksmusikfestes dieses Jubiläum begangen hat. Schon Wochen vorher hat der regionale Tourismusverband im deutschen Fernsehen, in SAT 1, mit großem Erfolg dieses Fest beworben. Es sind zahlreiche Gäste nur zum Zwecke des Besuches dieses Festes in die Gemeinde gekommen.

Daß natürlich auch einige Gastkapellen vorher angereist sind und dies mit einem Vereinsausflug verbinden, ist fast selbstverständlich. Daß diese wiederum den Tourismus und den Umsatz der Gastwirte in diesem Bereich beleben, ist klar. Jeder, der vergangenen Sonntag in die umliegenden Gasthäuser zum Mittagessen gehen wollte, hat Pech gehabt, weil alles überfüllt und kein Platz mehr zu ergattern war.

Aber auch die ortsansässigen Wirte haben selbst mit Hand angelegt, und jeder hat zusätzlich noch – man höre und staune! – zwei Leute von seinem Mitarbeiterstab zur Verfügung gestellt, damit dieses Fest ohne Probleme abgewickelt werden konnte. Es geht also auch gemeinsam. Die Wirte wissen die Arbeit unserer Traditionsvereine zu schätzen. Schützen-Musikkapellen wären in unserem Land nicht denkbar, wenn die Wirte sie nicht unterstützten.

Ich bin aber dagegen – ich möchte das klarstellen –, wenn es nur Pseudovereine sind, die diese Feste nur deswegen veranstalten, um Geld in die Kasse zu bekommen, also nur für sich selbst dieses Geld beschaffen. Dagegen muß man strikt auftreten.


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Hohes Haus! Die vorliegende Novellierung der Gewerbeordnung bringt auch für die Wirte Erleichterungen. Es wird den Gastwirten nun ermöglicht, Gäste mit dem eigenen Kraftwagen, der nicht mehr als acht Plätze hat, zu ihrem Gastgewerbebetrieb beziehungsweise wieder zurück nach Hause zu befördern. Diese Regelung soll ein wenig als Ausgleich dafür dienen, daß nach Einführung der 0,5-Promille-Regelung gewisse Umsatzeinbußen auszugleichen sind.

Im Zusammenhang mit der Debatte über diese Novellierung der Gewerbeordnung wurde in den Ausschüssen des Nationalrates auch von den Abgeordneten der Freiheitlichen Partei wieder einmal die Forderung nach Abschaffung der Getränkesteuer erhoben. Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Sie sagen aber nie, wie diese Einnahmenausfälle der Gemeinden kompensiert werden sollen oder auf welche Leistungen die Bürger in der Gemeinde verzichten müssen, wenn diese Einnahmen nicht mehr vorhanden sind. – So leicht kann man sich das nicht machen. Oder wollen Sie vielleicht andere Steuern erhöhen? Welche denn? – Für viele Gemeinden ist die Getränkesteuer einfach ein unverzichtbarer Teil des Gemeindehaushaltes und kann ohne anderweitigen Ausgleich nicht ersetzt werden.

Wenn es, von einigen provoziert, dazu führt, daß die Getränkesteuer einbehalten und nicht abgeliefert wird, dann frage ich mich schon, ob, sollte die Steuer zurückverlangt werden, sie dann auch dem Konsumenten zurückgeführt wird. Auf die diesbezügliche Entscheidung des EuGH wird sicherlich mit Spannung zu warten sein.

Meine Damen und Herren! Abschließend darf ich mich namens meiner Fraktion bei allen ehrenamtlichen Vereinsfunktionären für deren Arbeit, die sie das ganze Jahr über leisten, bedanken. Ich freue mich, daß mit dieser Novellierung zur Gewerbeordnung diese Arbeit unterstützt wird und nun eine rechtliche Klarstellung von Vereinsfesten erreicht worden ist.

Meine Fraktion wird dieser Novelle gerne die Zustimmung erteilen. Ich ersuche die Damen und Herren dieses Hauses, unserem Beispiel zu folgen und ebenfalls im Sinne der Feuerwehren, der Traditionsvereine und der Sportvereine zuzustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.48

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Peter Harring das Wort. – Bitte.

12.48

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben heute wirklich eine außergewöhnliche Debatte zu diesem Punkt. Ich bin seit über vier Jahren in diesem Haus, und zum erstenmal macht sich ein Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion Sorgen um unserem Parteiobmann Dr. Jörg Haider. (Bundesrat Konečny: Da ist aller Grund dazu!)

Auf das Protokoll freue ich mich wirklich. Sie sollten merken, meine Damen und Herren: In Kärnten gehen die Uhren etwas anders, da gibt es noch eine gute Gesprächsbasis. Es war sehr freundlich von Herrn Bürgermeister Pfeifer, sich Sorgen um die Auftritte von Jörg Haider bei Zeltfesten zu machen. Ich darf Ihnen aber folgendes sagen: Nicht nur Haider geht gerne zu Zeltfesten, wir alle – unsere ganze Fraktion – gehen sehr gerne zu Zeltfesten, weil sich dort das dörfliche Leben abspielt und wir uns alle dort sehr wohl fühlen.

Die heutige Debatte ist aber nicht deswegen notwendig, weil sich der Herr Bundesminister irgend etwas eingebildet hat oder wir Freiheitliche wieder etwas angestellt haben, was zur Folge hatte, daß es zu einer Verunsicherung der Vereine gekommen ist. Es war doch der Verwaltungsgerichtshof, der am 25. November 1997 zur Feststellung gekommen ist, daß die Veranstaltung eines dreitägigen Festes durch die Feuerwehr nicht gestattet ist.

Daher war Handlungsbedarf gegeben. Es war notwendig, etwas zu tun. Das sagen auch wir Freiheitliche. Ich möchte das betonen. Auch wir meinen, daß Handlungsbedarf gegeben ist, um dieses Vereinsleben zu schützen. Man hätte das theoretisch wieder den Ländern überlassen oder mit Ermächtigungen an die Landeshauptleute abgeben können. Diese hätten das wahr


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scheinlich sogar besser regeln können, wie es auch in vielen Bundesländern durch viele Jahre und Jahrzehnte hindurch bestens geklappt hat.

Das war aber nicht möglich, weil keine Einstimmigkeit zu erzielen war. Daher war es notwendig, für die Zukunft der Vereine und der Feuerwehren, die gefährdet waren, und im Interesse der Erhaltung der dörflichen Kultur etwas zu unternehmen, das heißt, eine Änderung der Gewerbeordnung mit Ausnahmebestimmungen für Körperschaften des öffentlichen Rechts und sonstige juristische Personen vorzunehmen. Es heißt in dieser Novelle: "... durch Körperschaften des öffentlichen Rechtes sowie sonstige juristische Personen, die ... gemeinnützig, die mildtätig oder kirchlich tätig sind." – Und da kommt eben ein Ansatz von uns Freiheitlichen hinzu.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie, insbesondere Sie von der sozialdemokratischen Fraktion: Wo ist denn definiert, was "gemeinnützig" und was "mildtätig" ist? – "Kirchlich" wird vielleicht weniger ein Problem sein. (Bundesrat Pfeifer: Das kann auch nicht die FPÖ festlegen!)  – Nein! Wir wären gerne bereit dazu, das zur Kenntnis zu nehmen, wenn es nur irgendwo stünde. Aber daß nur in der Satzung des jeweiligen Vereines im § 1 steht, der Verein ist – sage ich jetzt – mildtätig, ist gemeinnützig, das ist zuwenig. Da gibt es sicher viele Österreicher, die meinen, das sei vielleicht etwas zuwenig.

Man könnte das zum Beispiel in der Reform des Vereinsrechtes festhalten. (Der Redner hält ein Buch mit dem Titel "Reform des Vereinsrechtes" in die Höhe.) Da gibt es jetzt österreichweit eine Reform des Vereinsrechtes. (Bundesrat Konečny: Die gibt es eben nicht!) Der Herr Bundesminister kennt diese ganz bestimmt, vor allem deshalb, weil man, glaube ich, 50 Jahre darüber geredet hat und es seit zehn Jahren eine Kommission gibt. Da könnte man nun festlegen, was ein gemeinnütziger oder ein mildtätiger Verein ist. Man könnte beispielsweise auch etwas über die Kontrolle hineinschreiben. Sie finden nur in diesem Buch ... (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. )  – Ja. Da gebe ich dir recht. Aber auch Kontrollbestimmungen gehören dort hinein.

In Eberndorf ist es natürlich ganz anders. Herr Bürgermeister Pfeifer hat gesagt: Ich als Bürgermeister weiß natürlich, was mit dem Geld der Freiwilligen Feuerwehr passiert. – In allen Gemeinden wird es aber nicht so sein, daß der Bürgermeister immer die widmungsgemäße Verwendung feststellt, wie es bei dir der Fall ist. (Bundesrat Pfeifer: Der Bürgermeister ist der oberste Chef der Feuerwehr! Auch in freiheitlichen Gemeinden!)

Ja, gut! Es gilt aber, einen gewissen Bedarf zu prüfen, ob das Geld wirklich widmungsgemäß verwendet wird. Das ist auf der ganzen Welt so. Jeder ordentliche Verein, der keine Bedenken hat, hat auch überhaupt nichts dagegen. (Bundesrat Pfeifer: Herr Kollege! Wenn du dich damit beschäftigt hättest, wüßtest du, daß es eine Jahreshauptversammlung gibt, Finanzen geprüft werden, Rechnungsprüfer ...!)  – Rechnungsprüfer! Ja, gut! Wenn das immer so ist, sind wir natürlich sehr damit einverstanden. (Bundesrat Konečny: Manche Bilanzen stimmen ja, auch wenn das die FPÖ schon nicht gewöhnt ist!)  – Das war jetzt wieder ein hochinteressanter Zwischenruf des Herrn Kollegen Konečny; aber bitte.

Meine Damen und Herren! Aus dieser Frage abzuleiten, daß man die Kontrolle der widmungsgemäßen Verwendung oder vielleicht auch der Wettbewerbsverzerrung zur Gastronomie – wie es Kollegin Haunschmid angezogen hat – fordert, daß also wir Freiheitliche deshalb gegen Vereine, gegen Feuerwehren sind, wer das behauptet, der ist entweder nicht richtig informiert oder sagt bewußt die Unwahrheit. Ich wiederhole von hier aus: Wir sind für die Vereine. Wir gehen gerne auf Zeltfeste. Wir sind für die Vielfalt in den Ländern und in den Dörfern. Wir sind aber auch für eine positive Zusammenarbeit zwischen den Vereinen und den Gastronomen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Herr Kollege! Ich lese Ihnen gleich etwas vor. Ich muß sagen, ich bedauere, daß die sozialdemokratische Fraktion die Debatte in erster Linie dazu benützt, die Vereine und die Gastronomiebetriebe auseinanderzudividieren und in der Koalition vielleicht ein wenig schlechte Stimmung zu machen. Herr Kollege Pfeifer ist ja freundlich und nett als Kärntner. Aber wenn sich sein Kollege, der auch im Bundesrat sitzt, Herr Magister Repar, in Form von Presseaussen


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dungen diesem Thema nähert, hört sich das ganz anders an. Da hört sich das nicht so freundlich, klasse und schön an, wie du es erzählt hast.

Herr Kollege Repar – heute ist er nicht anwesend, wahrscheinlich wollte er das nicht sagen – schreibt in einer Aussendung "Schändliches Doppelspiel von FPÖ und ÖVP" – anscheinend haben wir schon irgendeine Art von Koalition – "gegen Vereinsinteressen. ,Diese Agitation von FPÖ- und ÖVP-Vertretern gegen die kürzlich beschlossene Novelle der Gewerbeordnung ist schärfstens zurückzuweisen‘, stellt heute Kärntens SPÖ-Landesgeschäftsführer Bundesrat Harald Repar fest." (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)

"Die SPÖ sehe die Neuregelung, wonach Vereine" ... – und so weiter und so weiter – "als sinnvolle Regelung ... an. Es sei geradezu ein Anschlag gegen das Vereinsleben, wenn nun ÖVP-Vertreter ..." – Ich weiß nicht, lassen Sie sich das gefallen? – Gut, die Aussendungen vom Kollegen Repar erscheinen sowieso nur in der "Kärntner Tageszeitung". Da liest es kein Mensch. Darum mache ich es jetzt einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich, was der Kollege dort sagt.

"Es sei geradezu ein Anschlag gegen das Vereinsleben, wenn nun ÖVP-Vertreter wie Landtagsabgeordneter Hinterleitner" – das ist ein Kärntner Abgeordneter – "Verfassungsklagen androhen oder FPÖ-Vertreter gar zu einem Wirteboykott gegen Nationalratsabgeordnete aufrufen, .... Repar bezeichnete diese Vorgehensweise von ÖVP und FPÖ als ,schändliches Doppelspiel gegen die Vereinsinteressen‘. Der wichtige Stellenwert ..." – und so weiter. – Zitatende.

So wird das benützt, und zwar, um auseinanderzudividieren, um die Vereine gegen die Gastronomen, die Gastronomen gegen die Vereine und offensichtlich auch die beiden Regierungsparteien gegeneinander aufzuhetzen. (Bundesrat Pfeifer: Wir haben von der FPÖ gelernt!) Unser Standpunkt, lieber Freund, ist klar und eindeutig: Wir sind für ein buntes Vereinsleben. Wir sind für jede Unterstützung der – wie du gesagt hast – über 100 000 ehrenamtlichen Funktionäre. Wir sind aber auch für eine vernetzte Betrachtung dieser Problematik, und daher sind wir gegen Wettbewerbsverzerrungen. (Bundesrat Pfeifer: Das ist die Doppelbödigkeit!) Wir sind eben für Chancengleichheit für Vereine und Gastronomiebetriebe! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher ist es eine logische Forderung, zu sagen, in diesem Zusammenhang hätte man auch über die Abschaffung der Getränkesteuer reden können – natürlich verbunden mit einem Ersatz für die Gemeinden aus dem Finanzausgleich. Es werden auch andere Dinge finanziert. Gerade das wäre sehr notwendig gewesen. Ich sage, das wäre ein Ansatz in Hinblick auf die Harmonisierung der Steuern, wovon der Herr Bundesminister für Finanzen immer wieder spricht. Diese anachronistische Abgabe gehört wirklich einmal abgeschafft.

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen noch, von welcher Größenordnung wir hier reden. Es gibt Schätzungen, daß es in Österreich im Durchschnitt jährlich 10 000 Zeltfeste gibt. Bei diesen 10 000 Zeltfesten wird ein Umsatz von geschätzten 5 Milliarden Schilling gemacht. (Bundesrat Steinbichler: Wirtschaftsfaktor!)  – Das ist ein riesiger Wirtschaftsfaktor. Aber, Herr Kollege, der Steuerausfall, der damit aus Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer verbunden ist – das werden Sie wissen –, liegt bei rund 1 Milliarde Schilling. Auch die Gemeinden verzichten bei der Getränkesteuer von Vereinen – da gibt es Schätzungen – auf 100 Millionen Schilling, weil die Bemessungsgrundlage der Getränkeabgabe bei den Vereinen nicht vom Verkaufspreis, sondern vom Einstandspreis her berechnet wird. Auch das ist ein Thema.

Wir Freiheitliche sagen aber, das ist in Ordnung, wenn es den Vereinen zur Erhaltung der Lebensfähigkeit und der Leistungsfähigkeit dient. Wir sehen – damit komme ich zum Schluß, liebe Kolleginnen und Kollegen – überhaupt keinen Widerspruch darin, sich für faire Wettbewerbsbedingungen bei der Gastronomie einzusetzen und gleichzeitig das hervorragend organisierte Vereinsleben in ganz Österreich zu unterstützen. Der Erfolg von Gastbetrieben und Vereinen bedingt sich gegenseitig. Das ist unser Ansatz, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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12.58

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Leopold Steinbichler das Wort. – Bitte.

12.58

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vorweg darf ich eine Behauptung der Frau Kollegin Haunschmid aufgreifen. Ich meine, diese war sehr unwürdig und man kann sie nicht so im Raum stehen lassen, und zwar daß Subventionen – wie man immer mit diesem Begriff umgeht – abwertend als "Beamtenfutter" gelten.

Bitte, Frau Kollegin! Ich glaube, wir haben vor einigen Wochen hier die Lehrlingsdiskussion geführt. Ich denke doch, daß gerade mit diesen zielgerichteten Unterstützungen der Gewerbetreibenden nicht Beamte "gefüttert" werden, sondern die Struktur verbessert wird und damit Arbeitsplätze gesichert werden. Ich meine, gerade Sie als Wirtschaftstreibende müßten das eigentlich verstehen. (Bundesrätin Haunschmid: Ja, ich verstehe es!)

Ich darf noch einen Punkt nachsetzen. Es wurde das Thema Hygiene bei Zeltfesten angesprochen. Das regelt doch ganz selbstverständlich der Markt – wie auch bei einem Gastwirt. Dort, wo man weiß, daß es nicht sauber zugeht, dort, wo man merkt, daß mit der Hygiene etwas nicht in Ordnung ist, wird auch kein Gast sein. Das ist beim Zeltfest genauso wie beim Wirt. Sagen Sie mir einen Wirt, bei dem das nicht in Ordnung ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Das ist das Schändliche, denn Sie möchten da einen Keil hineintreiben. Genau das wollen Sie: einen Keil hineintreiben, denn es gibt in Wirklichkeit keine Schwierigkeiten. Sie wollen die Schwierigkeiten heraufbeschwören, weil Sie wissen, daß die Wirte Meinungsbildner sind und daß das, wenn die Wirte am Stammtisch schimpfen, etwas wert ist. Das wollen Sie ausnützen, genau wie bei der Diskussion um die 0,5 Promille. Wir werden aber dieses Mal den Wirten sagen, wer für welche Vorschläge eingestanden ist. – Ich darf einige konkrete Beispiele dazu nennen.

Es ist weiters schändlich, wenn man Zeltfeste automatisch mit Gewinn in Verbindung bringt. Das zeigt mir, daß hier sehr viele Leute gesprochen haben, die noch nie in ihrem Leben ein Zeltfest organisiert haben. Ich selbst war Obmann einer Musikkapelle, und ich wünsche jedem Zeltfestveranstalter solch ein Kaiserwetter, wie es vergangenes Wochenende war. Aber, liebe Kollegin, ich habe auch Tage erlebt, an denen wir am Samstag nachmittag um 15 Uhr auf dem Dach des Zeltes standen und noch eine zweite Plane darüberziehen mußten, weil es Schusterbuben regnete.

Wissen Sie, was es heißt, wenn man am Abend dasteht und trotz der Investitionen, der Organisation einen Nullertrag, ein Minus hat? (Bundesrätin Haunschmid: Das weiß ich auch von der Gastronomie her!) Wissen Sie das? – Sie unterstellen mittels falscher Fakten und falscher Annahmen immer automatisch Gewinn. Das will ich nicht! (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. )

Wie kommt es denn zu diesem Ergebnis? – Wir haben am Wochenende das Gründungsfest eines Volks- und Brauchtum-Vereines gehabt. Bereits zu Weihnachten wurde mit der Planung begonnen. Während des Jahres wurden laufend Vorarbeiten geleistet. Dann haben sich 50 Mitglieder Urlaub genommen und das Zeltfest aufgestellt. Sie haben unentgeltlich das ganze Wochenende gearbeitet und nach drei Tagen Urlaub wieder alles weggeräumt. Wenn dann unter dem Strich eine Kleinigkeit übrigbleibt, dann sollte man nicht groß von Gewinn reden, weil alle ehrenamtlich gearbeitet haben. Hätte man nur einen geringen Stundenlohn für all die Tätigkeiten verrechnet, würde überhaupt kein Ertrag bleiben.

Was geschieht mit diesem Ertrag? – Dieser kommt in die Vereinskasse und wird – das wurde schon von Vorrednern angesprochen – in Instrumente, in Gerätschaften oder in Uniformen investiert. Wenn dann noch eine Kleinigkeit überbleibt, wird davon ein Vereinsausflug organisiert, der, wie richtigerweise behauptet wurde, sehr oft bei einem Wirt endet. Ich hoffe, daß das nicht zum großen Schaden gereicht, weil es meist sehr dankbare, sehr zivilisierte und sehr angenehme Leute sind, die mit dem Autobus kommen. Oder, Frau Kollegin, wollen Sie Gegenteiliges


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behaupten? Sind das keine angenehmen, zivilisierten Gäste? (Bundesrätin Haunschmid: Oh ja! Habe ich das Gegenteil gesagt?) – Gut, ich wollte es nur festhalten.

Ich darf in weiterer Folge festhalten, daß diese Erträge der Zeltfeste als Wirtschaftsfaktor, wie bereits angesprochen wurde, unentbehrlich sind. Ich darf das noch ein wenig detaillierter darstellen. Vom Bäcker bis zum Fleischer, bis zur Brauerei, bis zum Zeltverleiher, bis zum Busunternehmer, bis zur Getränkeindustrie, bis zum Musikinstrumentenausstatter und bis zur Firma Rosenbauer als Feuerwehrausstatter sind alle von diesen Erträgen bevorteilt. Diese Erträge werden nicht vergeudet, sondern werden nach Vereinsbeschlüssen, nach Vorstandsbeschlüssen bestens und zielgerichtet eingesetzt.

Ebenfalls angesprochen wurde der Zusammenhang zwischen Tourismus und Zeltfesten. Vom 20jährigen Gründungsfest, das dieses Wochenende in Aurach stattgefunden hat, hat der Tourismus profitiert, vom Fest "20 Jahre Prangerschützen", ebenso von der Forstweltmeisterschaft in St. Georgen, die vor drei oder vier Wochen abgehalten wurde. Überall haben die regionalen Wirte mitverdient, überall waren die regionalen Wirte besser frequentiert. Es haben aber nicht nur ihre eigenen Gasthöfe davon profitiert, sondern sie haben auch die Marktfeste, die abgehalten wurden, mitgestaltet und mitorganisiert. Was mich am meisten freut, ist, daß in meiner Heimatgemeinde alle Wirte zum Fest gekommen sind und ihre Solidarität bekundet haben, weil sie wissen, was ein Verein für eine Gemeinde, was ein Verein als Stammtisch für ein Wirtshaus bedeutet. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Bundesrat Harring! Eine letzte Bemerkung zum Steuerentgang: Dies ist ein Thema, das ich mir ganz bewußt notiert habe, weil es in Wirklichkeit völlig falsch dargestellt wird. Es stimmt, daß vielleicht vom Rechnungsansatz her einige Millionen Schilling fehlen, aber haben Sie sich auch darüber Gedanken gemacht, wie man alternativ so ein Fest abführen könnte? Sollte dann der Auftraggeber das Magistrat oder die Gemeinde sein?

Oder: Wieviel sparen wir der Gesellschaft an Sozialkosten? – Wir haben Gott sei Dank im ländlichen Raum keine Streetworker und Sozialarbeiter, die sich mit entgleisten Jugendlichen beschäftigen müssen. Wir haben auch keine unbetreuten vereinsamten Senioren, weil in unseren Vereinen, angefangen vom Jugendmitglied bis zum aktiven Mitglied und bis zum Mitglied im Pensionsalter, jeder Freude daran hat, daß er Kameradschaft und Freundschaft aufgrund seiner Arbeit, die er leistet, die geschätzt und gewürdigt wird, erleben kann. (Bundesrat Dr. Harring: Da gibt es keinen Widerspruch! Dem Wirtschaftsbund sollten Sie das sagen!) – Dann gab es den Widerspruch beim Steuerentgang.

Ich möchte folgendes zum Schluß sagen: Wenn man die ganze Diskussion aus der Praxis sieht, sie auf dem Boden der Realität führt, dann ist uns, so glaube ich, allen bewußt, daß wir unsere Vereine, die für unsere gesamte Gesellschaft ein unersetzliches Kapital sind, zu erhalten haben. – In diesem Sinne wird meine Fraktion dem vorliegenden Beschluß zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile ihm das Wort.

13.05

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe mich deshalb am Schluß dieser Debatte zu Wort gemeldet, weil ich als Vertreter der Wirtschaft dieser Regelung nur schwer zustimmen kann. Ich möchte mich aber nicht der billigen Polemik von Frau Kollegin Haunschmid anschließen.

Frau Kollegin! Sie haben hier einige Punkte erwähnt, die man schon... (Bundesrat Dr. Tremmel: Zum Unterschied von vielen Rednern hat sie bereits jahrelang in einem Gewerbebetrieb gearbeitet und Steuern bezahlt!) – Ja, aber sie hat, so glaube ich, momentan keinen Betrieb mehr, spricht aber für die Wirte. Sie haben zuerst gefragt, Frau Kollegin, welcher Anschlag noch auf die Wirte erfolgen soll. Ich möchte schon daran erinnern, daß es Ihr Verkehrssprecher


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Rosenstingl war – ich möchte hier bewußt den Namen Rosenstingl erwähnen –, der voriges Jahr im November in einem Fernsehinterview 0,0 Promille im Verkehrsbereich verlangt und strengste Strafen gefordert hat. Wenn man damals dieser Idee gefolgt wäre, wäre der Anschlag auf die Wirte noch viel größer gewesen als mit dem gemeinsamen Vorschlag, den wir gemacht haben. Bleiben Sie bei der Wahrheit, wenn Sie hier am Rednerpult stehen! (Bundesrat Dr. Tremmel: Sehen Sie, bei der Bundesbahn haben wir 0,0!)

Zweitens, Frau Kollegin: Kollege Harring hat zumindest sehr korrekt argumentiert, Sie treten auf einmal als Schützerin der Wirte auf. Im Niederösterreichischen Landtag haben die Freiheitlichen sehr wohl bei einem diesbezüglichen gemeinsamen Antrag mitgestimmt. Daran sieht man die Doppelzüngigkeit der Freiheitlichen: Auf Landesebene, wenn es billig ist, gehen Sie mit, und auf Bundesebene stellen Sie sich dann quasi vor die Gastwirte. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Harring. )

Wir vom Wirtschaftsbund haben eine klare Linie gehabt, uns ist es immer darum gegangen: kein Fest ohne Wirt. (Bundesrätin Haunschmid: Das habe ich gesagt, oder?) Das haben Sie gesagt, aber Sie haben hier quasi die Vorschläge vom Wirtschaftsbund nachgebetet, liebe Frau Kollegin! (Bundesrätin Haunschmid: Was soll ich denn, wenn ich es für gut empfinde? Stört Sie das?) – In manchen Bereichen stört mich das sicherlich nicht. (Bundesrat Dr. Böhm: Stört Sie das? – Bundesrätin Haunschmid: Wir stehen dazu, wenn etwas gut ist!)

Was wir heute beschließen, ist meines Erachtens demokratiepolitisch nicht sehr klug. Es kam zu einem Ausspielen verschiedener Berufsgruppen – Kollege Harring hat es erwähnt –: die Gastwirte mit den Feuerwehren, die Gastwirte mit den Taxis und alle zusammen gegen die Vereine. Ich glaube, daß es sinnvoller gewesen wäre, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.

Ich selbst gehe gerne zu Zeltfesten, bekenne mich dazu, daß Zeltfeste auf dem Land eine wichtige gesellschaftliche Einrichtung sind. Nicht nur Kollege Haider, sondern auch ich gehe gern dorthin. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Harring. ) Es wäre aber fair gewesen, wenn man beim seinerzeitigen Vorsatz: "Kein Fest ohne Wirt" geblieben wäre. Wenn man sagt, daß nur die Zeltfeste zur Kultur auf dem Land gehören, füge ich hinzu, meines Erachtens gehört das Wirtshaus auf dem Land genauso dazu. (Demonstrativer Beifall der Bundesrätin  Haunschmid.  – Bundesrätin Haunschmid: Danke schön! Sehr gut!)

Das Wirtshaus auf dem Land ist viel wichtiger als die Zeltfeste, die nur wenige Wochen oder Tage im Jahr stattfinden. Ich möchte schon betonen, daß es in vielen Fällen eine hervorragende Zusammenarbeit zwischen den Gastwirten, den Vereinen und den Feuerwehren gibt. Mein Vorredner hat es bereits erwähnt. Ich muß leider sagen, daß es gewisse Querköpfe in meinem eigenen Bundesland waren, die die Zusammenarbeit verhindert und diese gesetzliche Regelung, die uns heute vorliegt, provoziert haben. Man muß erwähnen, daß ein Großteil der Feuerwehren und auch alle Rettungen bereits Gewerbeberechtigungen haben. Das heißt also, daß man eine einfachere Lösung finden hätte können und keine Gesetzesänderung gebraucht hätte. Vielleicht kommt man wieder zu der Lösung, ähnlich wie bei den Taxis, eine Verfassungsbestimmung zu machen.

Meine Damen und Herren! Ich kann aber auch die SPÖ nicht ganz aus der Verantwortung lassen. Speziell die SPÖ tritt massiv gegen den Pfusch auf: Sie propagiert überall, daß der Pfusch bekämpft werden muß. – Sie aber waren die treibende Kraft, daß wir heute den "Pfusch" legalisieren – den "Pfusch", bitte! Die Legalisierung, die hier heute betrieben wird, ist ein Schritt zur Auflösung der Gewerbeordnung. Es tut mir leid, daß sich die Feuerwehren, vor allem die niederösterreichischen Feuerwehren, vor den sozialdemokratischen Karren haben spannen lassen. (Bundesrat Payer: Klar denkend!) Ich habe die Aussendungen mit, in denen quasi stolz von den SPÖ-Erfolgen bei den Zeltfesten und Vereinen gesprochen wird. (Bundesrat Pfeifer: Natürlich sind wir stolz! Wir müssen uns nicht verstecken!)

Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Regelung ... (Bundesrat Prähauser: Wir stehen dazu!) Ich werde Sie dann gleich einladen, bei einem anderen Bereich mitzugehen!


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Meine Damen und Herren! Mit dieser Regelung werden 70 000 Gastwirte vor den Kopf gestoßen. Es ist dies, wie gesagt, nach der Einführung der 0,5-Promille-Grenze der zweite Anschlag in kürzester Zeit.

Wir haben in Österreich mehr als 8 000 Feste. Es werden dort ungefähr 5 Milliarden Schilling umgesetzt, womit ein großes Steueraufkommen verlorengeht. Ich lade – weil heute der Finanzminister hier ist – den Finanzminister gerne ein, die Vereine einmal auf ihre Gebarung und darauf, ob diese Mittel auch zweckentsprechend eingesetzt werden, überprüfen zu lassen. Ich habe Informationen, daß sie nicht nur für den Musikinstrumentenankauf verwendet werden, sondern daß man damit Grundstücke kauft und in anderen Bereichen investiert. Manche Feuerwehren vergeben heute schon Darlehen an die Gemeinden! (Bundesrat Prähauser: Das ist eine kühne Behauptung! Das ist unvorstellbar, was Sie da erzählen! Nennen Sie einen Verein, dem Sie das unterstellen! Nur einen!) Ja, ich werde Ihnen schon welche nennen.

Meine Damen und Herren! Von seiten der Wirtschaft waren wir immer für die Feuerwehren, für die Rettung, also für die Blaulicht-Organisationen. Aber was hier heute beschlossen wird, ist ein Ausufern. Keiner kann genau sagen, was überhaupt ein gemeinnütziger Verein ist, was ein mildtätiger Verein ist. Kirchliche Zwecke kann man halbwegs definieren. Da die Meldepflicht für diese Feste wegfällt, ist es fast nicht mehr kontrollierbar, welcher Verein beziehungsweise welche Art von Verein solche Feste durchführt.

Es wird – das wurde von meinen Vorrednern schon gesagt – dadurch eine Wettbewerbsverzerrung zwischen der gewerblichen Wirtschaft und den Vereinen geschaffen. Ich lade die SPÖ gerne ein – weil sie sich für die Vereine sehr stark macht –, auch mitzuhelfen, ein Forderungsprogramm der Gastwirte zu verwirklichen. (Bundesrat Pfeifer: Kommen Sie zu einem SPÖ-Zeltfest!) Es geht darin um den Bürokratieabbau bei den ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften, bei der Lebensmittelhygiene. Es geht darum, was man mit der Sperrstundenverordnung bei den Gastgärten macht, wie man sie flexibler gestalten könnte. Eine alte Forderung von uns besteht darin, bei den Lehrlingen die 22-Uhr-Grenze aufzuheben. Die Bagatellsteuern für die Gastronomie sind ersatzlos zu streichen. Bei der geplanten EU-Preisauszeichnung muß man eine entsprechende Regelung finden, damit es zu keiner doppelten Preisauszeichnung kommt. Auch der Bereich der Steuerpauschalierung für Kleinbetriebe im Gastgewerbe muß endlich in Angriff genommen werden. Es gäbe genügend Initiativen, die auch von SPÖ-Seite vertreten werden sollten, daß man den Wirten entgegenkommt und ihnen hilft. Was für die Vereine recht und billig ist, müßte hier genauso zum Tragen kommen. (Bundesrat Payer: Jede Versammlung in ein Wirtshaus!)

Das wollte ich zu diesem Thema sagen, um klarzustellen, wie es wirklich um die Gastwirte und das Verhältnis Gastwirte und Vereine bestellt ist.

Gestatten Sie mir: Ich werde mir erlauben, dieser heutigen Regelung nicht zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.15

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner. Ich erteile es ihm.

13.15

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Wenn die Emotion hochgeht, muß das Denken nicht aussetzen. (Allgemeine Heiterkeit.)

Wir haben in einer Analyse vor dieser Gesetzgebung klargestellt, daß es mit Ausnahme weniger politischer Bezirke – vor allem in Niederösterreich – in allen Bundesländern keine Probleme zwischen Wirten und Feuerwehr gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher kann die Gleichung nicht lauten, daß wir uns von den Regierungsparteien dauernd in die Haare bekommen. Die Gleichung kann nicht lauten: 70 000 Wirte – Entschuldigung, wenn ich da widerspreche – sind jetzt diskriminiert. Es geht vielmehr um einige Hundert, bei denen es


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nicht funktioniert, oder vielleicht sogar nur um ein paar Dutzend, die uns eigentlich die Zores gemacht haben. Demgegenüber ist in diesem Gesetz die Ermächtigung aller Wirte festgehalten, mit der sie – im Hinblick auf die Schäden, die sie aus den Folgen der 0,5-Promille-Regelung haben – über die Möglichkeit, Gäste holen und heimführen zu können, mehr Rechte bekommen haben.

Wir können uns auch jeden gerechten Erfolg selbst vermiesen. Ich als der für das Gewerbe und auch für den Tourismus zuständige Minister halte daher aus meiner Sicht fest: Die Wirte sind gefordert – vor allem in den wenigen Bezirken, in denen die Probleme angefangen haben, zum Beispiel in Krems –, sich auf einen Pfad des Dialogs zu begeben und besser zu kooperieren. Dann wird es keinen Streit geben. Wir haben derzeit in den meisten Bundesländern keinen Trend zur explosiven Zunahme der Feste, sondern im Zusammenwirken von Vereinen und Bürgermeistern den Trend, die Zahl der Feste zu begrenzen. Dies auch deswegen, weil den Leuten die Feste zum Teil auch schon auf den Wecker gehen. Anhand einiger Beispiele hat sich auch gezeigt, daß sich die "Null-Feste" – aus der Sicht der Ergebnisse – gemehrt haben.

Daher: Es wird keinen Sinn machen, mehr als zwei, drei Feste pro Jahr gut verteilt zu machen. Nochmals: Gerade die Hol- und Heimbringordnung hat auch dazu geführt, daß sich die Taxler in vielen Regionen überlegen, vielleicht doch nachts zu Sondertarifen zu fahren. Und eines wird uns nicht erspart bleiben: Wir müssen in Anwendung dieses Gesetzes die Taxiordnung in manchen Städten ändern. Es gibt derzeit Taxi-Konzessionen, in denen steht, daß die Beförderung von Betrunkenen verboten ist. Dazu hat der Wirt diese Ermächtigung nicht gebraucht! – Daher: Es werden Nachjustierungen auf der Gemeindeebene oder Stadtebene nötig sein, sonst nützt das ganze Empowerment der Wirte nichts.

Da ich als Ratspräsident der europäischen Tourismusminister zur EU-Tourismuspolitik angesprochen worden bin, eine letzte Bemerkung dazu: Hoher Bundesrat! Wollen Sie wirklich Europakompetenz für Tourismus haben? (Bundesrat Dr. Böhm: Nein!)  – Na, dann sagen Sie das auch, und halten Sie Ihren Kollegen Lukas "langsam auf der Bremse"! Wir haben ein Seminar in Mayrhofen im Zillertal gemacht. Er hat daran nicht teilgenommen, daher kann er auch eine solche Aussendung machen. Der Trend ist folgender: Die Europäische Union ist der attraktivste Erholungs-Großraum der Welt. 90 Prozent der europäischen Bürger – und das sind nicht die ärmsten – machen Urlaub im Binnenmarkt, nur 10 Prozent fahren außerhalb des Binnenmarktes. Wenn wir eine europäische Tourismuspolitik diskutieren, dann kann das nicht heißen, Förderungen, Förderungen, Förderungen – damit die Länder, die schon Tourismus haben, jene anderen fördern, damit auch diese mehr Tourismus bekommen: Das würden wir uns gerade noch wünschen!

Der Punkt ist – das ist der Vorschlag der österreichischen Präsidentschaft –, im Rahmen eines offiziellen Tourismus-Ministerrates im Dezember festzulegen, daß die Tourismuswirtschaften der einzelnen Mitgliedsländer einander über "Best practices", wie das so schön heißt, gegenseitig ein bißchen Benchmarking initiieren, daß Qualität und Erholung funktionieren.

Zweiter Punkt: Wir wollen uns zum Ziel setzen – vor allem über die Beschäftigungspolitik –, die Urlaubsfähigkeit von europäischen Bürgern zu steigern. Darüber hinaus wollen wir über Qualitätsstandards die Urlaubswürdigkeit vieler Quartiere erhöhen.

Wir müssen Massenstauphänomene, wie wir sie jeden Sommer bis zum Überdruß erleben, endlich steuern, sodaß zum Beispiel nicht alle zur gleichen Zeit ihre Urlaube beginnen – Betriebsurlaube, um nur ein Beispiel zu sagen. Sie wissen: Wenige Kilometer im Stau ruinieren den Urlaub von Wochen.

Letzter Punkt: Wir haben auch ganz offen darüber diskutiert – das können wir allerdings nur wieder im internationalen Gleichschritt tun –, daß es sinnlos ist, durch die Nicht-Existenz von Kerosinsteuern den transatlantischen Flugverkehr zu begünstigen und durch Mautvignetten und ähnliches mehr den innereuropäischen Verkehr zu verteuern. Daß hier längerfristig Standortsicherung über Steuergleichstellungen passiert, ist auch evident. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.19


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643. Sitzung / Seite 76

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte sehr, Frau Kollegin Ulrike Haunschmid.

13.19

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Zu den Taxi-Konzessionen, die Sie angesprochen haben, eine Klarstellung:

Ich habe hier vom "Standard" vom 9. Juli 1998 , also nach der Gesetzgebung, eine Aussendung liegen: "Enttäuscht sind die Wirte auch vom nicht gehaltenen Versprechen des Wirtschaftsministers, der zugesagt hatte, den Gastronomen im Nebenrecht zur Gewerbeordnung das Heimchauffieren ihrer Gäste zu gestatten. Die Wirte brauchen dafür nun doch eine Gästetaxi-Konzession nach dem Gelegenheitsverkehrs-Gesetz. Über dem heute, Donnerstag, startenden Riesenevent hängen dichte Gewitterwolken." – Das wäre das erste.

Zweitens: Sie haben gesagt, wir sollten Dr. Klaus Lukas zurückhalten. Er ist bezüglich Tourismus und EU gefragt worden, ob er die Tourismuspolitik der einzelnen Länder und Staaten durch eine europäische Tourismuspolitik ersetzen wolle. Dr. Klaus Lukas’ Antwort darauf war: Ganz im Gegenteil! Alles, einschließlich der Tourismuspolitik, muß auf dem Prinzip der Subsidiarität beruhen. Auch wenn eine Rechtsgrundlage geschaffen wird, heißt das nicht, daß Staaten oder Regionen Kompetenzen abgeben müssen. Es geht hier um eine gemeinsame, koordinierte Sicht der Dinge, um budgetäre Fragen und vor allem auch um gesamtpolitische Prioritäten. Auch die Industriepolitik ist nicht vergemeinschaftet, obwohl die Industrie über eine ordentliche Rechtsgrundlage verfügt. Das wollte ich nur dazu sagen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.21

Vizepräsident Jürgen Weiss: Es liegt eine weitere Wortmeldung von Herrn Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner vor. – Bitte.

13.21

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Zur Klarstellung, Frau Bundesrätin: Der Entwurf meines Hauses sah keine Einschaltung des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes vor, sondern wir wollten reine Nebenrechte schaffen. Dies wurde im Hohen Haus auf Initiative von Abgeordneten geändert. Das nur zur Richtigstellung. Glauben Sie nicht alles, was im "Standard" steht. Fragen Sie mich vorher. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.22

Vizepräsident Jürgen Weiss: Werden weitere Wortmeldungen gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Bevor ich in die Abstimmung eintrete, halte ich fest, daß der zu Beginn der Sitzung als entschuldigt gemeldete Bundesrat Mag. Harald Repar inzwischen anwesend ist.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.


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6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Richterdienstgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Bundesgesetz über dienstrechtliche Sonderregelungen für ausgegliederten Einrichtungen zur Dienstleistung zugewiesene Beamte, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Mutterschutzgesetz 1979, das Elternkarenzurlaubsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Bundesfinanzgesetz 1999, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallsversicherungsgesetz geändert werden (1. Dienstrechts-Novelle 1998) (1258 und 1321/NR sowie 5735/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung: 1. Dienstrechts-Novelle 1998.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Johann Grillenberger übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Johann Grillenberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Finanzausschusses liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. – Bitte.

13.23

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Im allgemeinen Teil der Erläuterungen zu diesem Gesetz ist die Schaffung einer zentralen ärztlichen Begutachtungsstelle beim Bundespensionsamt ausgeführt. Seinerzeit war es so, daß die Betrauung der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten mit der Durchführung der ärztlichen Begutachtung im Verfahren laut Verwaltungsgerichtshoferkenntnis eingestellt werden mußte. Die unterschiedliche Begutachtungspraxis führte zu unterschiedlichen Standards im Verfahren betreffend Ruhestandsversetzung wegen dauernder Dienstunfähigkeit et cetera. – So lautet die allgemeine Erläuterung.

Es sind dann unter Punkt b sonstige Maßnahmen angeführt. Im übrigen sieht der Entwurf neben formalen Anpassungen an geänderte Behördenzuständigkeiten, Anpassung von Zitaten an geänderte Rechtsvorschriften und dergleichen noch folgende Maßnahmen vor: Das ist von Punkt 1 bis Punkt 55 aufgegliedert. Es scheint dies ein riesiger Komplex zu sein.

Das derzeitige Dienst- und Besoldungsrecht der öffentlich Bediensteten vermag – nach unserer Meinung – die Anforderung einer modernen Verwaltung, die sich als angebotsorientiertes Dienstleistungsunternehmen verstehen soll, in keiner Weise zu erfüllen. Es hat sich als leistungsfeindlich und mobilitätshemmend erwiesen. Auch bereits die Besoldungsreform 1994 brachte nur geringfügige Änderungen. Ziel dieser Besoldungsreform war laut den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage ein Besoldungsreformgesetz 1994, die Schaffung eines transparenten, leistungsorientierten dienst- und besoldungsrechtlichen Systems sowie die Förderung der Mobilität der Dienstnehmer.


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Diesem Anspruch wurde die sogenannte Besoldungsreform jedoch in keiner Weise gerecht. Die Besoldungsreform erfüllte die in sie gesetzten Erwartungen, nämlich Steigerung der Leistungseffizienz, hohe Mobilität, bei weitem nicht. Vielmehr brachte sie einen Ausbau des Dienstaltersprinzips, einen Abbau des Rechtsschutzes – ich weise nur auf die Versetzungsmöglichkeiten hin –, eine Abkehr vom Leistungsgedanken und mangelnde Transparenz bei der Bewertung der Arbeitsplätze. Die Unzulänglichkeit der Besoldungsreform zeigt sich seit ihrem Inkrafttreten immer wieder allein durch die Notwendigkeit – heute haben wir es wieder – ständiger Novellierungen zur Bereinigung offenkundiger Fehler und Fehleinschätzungen.

Von Regierungsseite wurde daher seit Jahren immer wieder eine Dienstrechtsreform angekündigt, wobei einmal von einem Bundesarbeitnehmergesetz, dann von einem Bundesangestelltengesetz und später wieder von einer Reform des Vertragsbedienstetengesetzes gesprochen wurde. Bis jetzt ist von all dem nichts – auch nicht ansatzweise – verwirklicht worden. Die Verhandlungen zwischen Regierung und Gewerkschaft blieben eigentlich bisher ohne Ergebnis und ohne irgendein Echo, das in die Vorlagen Eingang gefunden hätte. Die vor kurzem vom Nationalrat beschlossene 1. Dienstrechts-Novelle 1998 zeigt das Dilemma deutlich. Allein der Umfang – ich habe die 55 Punkte genannt – dieser Novelle erweckt den Eindruck, daß hier umfangreiche grundsätzliche dienstrechtliche Neuerungen stattfinden. (Präsident Gerstl übernimmt den Vorsitz.)

In Wahrheit zeigt sich, daß in kasuistischer Weise eine Unzahl von dienst- und besoldungsrechtlichen Bestimmungen adaptiert werden mußte, weil die bisherige Rechtslage ganz einfach unzulänglich ist. Dabei wird in den Erläuternden Bemerkungen sogar darauf hingewiesen, daß die Änderungen oftmals nur in einem einzigen Fall oder in ganz wenigen Fällen von Bedeutung sind. Das geltende Dienstrecht ist kasuistisch, kompliziert, nur mehr für wenige Experten durchschaubar, in weiten Teilen von der Verwaltung kaum noch nachvollziehbar und für die betroffenen Bediensteten nahezu unverständlich.

Ich darf hier noch auf einen Punkt, den ich in meiner Einleitung dargelegt habe, verweisen. Eine der maßgeblichen Bestimmungen ist die Einfügung der Regelung, daß eine Dienstbehörde zur Heranziehung des Bundespensionsamtes als Gutachter beim Dienstrechtsverfahren betreffend die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit geschaffen werden soll. Das Bundespensionsamt kann sich dabei bestimmter Ärzte bedienen. Zur Wahrung der Einheitlichkeit der ärztlichen Beurteilung ist vom Bundespensionsamt ein leitender Arzt heranzuziehen. De facto wird mit dieser Bestimmung – unter Hinweis auf verschiedene gegebene Beurteilungsmöglichkeiten – der Vertrags- und Vertrauensarzt diskriminiert. Es wird ihm de facto unterstellt, daß er möglicherweise Gefälligkeitsgutachten macht. – Ein Bereich.

Ein weiterer Bereich. Es wurde erwähnt, daß das Dienstrecht entsprechend angepaßt werden sollte. Im Bereich "Änderung des Bundestheaterpensionsgesetzes, Ruhegenußbemessung und Ruhegenußermittlungsgrundlage", § 5 Abs. 2, heißt es unter anderem: Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den zeitlichen Ruhestand und dem Ablauf des Monats liegt, in dem der Bundestheaterbedienstete frühestens Anspruch auf Versetzung in den dauernden Ruhestand gehabt hätte, ist die volle Ruhegenußbemessungsgrundlage von 80 Prozent um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen.

Wenn Sie das Kürzungsmodell mit anderen Pensionsmodellen, etwa mit dem der Lehrer, vergleichen, dann sehen Sie, daß es sich dabei um eine ganz erhebliche Ungleichbehandlung handelt. Ich frage mich, wie ein Beamter an die Gleichbehandlung, an die Rechtskraft des Gesetzes, daß jeder gleich behandelt werden soll, glauben kann, wenn es zu solchen Bestimmungen kommt.

Hannes Taborsky schreibt im Blatt "Gewerkschaft Öffentlicher Dienst", wie über diese Novellierung gesprochen wurde. "Umso größer war die Verwunderung in diesem" – also im beamteten – "Berufsstand, als es anläßlich der Debatte um die Reform des Pensionssystems zu einer beispiellosen Schmutzkübelkampagne gegen den österreichischen öffentlichen Dienst kam." – Soweit eine der Feststellungen dieses Artikels.


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Taborsky nimmt im folgenden zu den gefährlichen Fallstricken, die sich gewissermaßen auftun, Stellung. Dazu zählt "die bedingungslose Übernahme von Vorbildern aus anderen Kulturräumen. Eine Reform, welche die spezifische Kultur der öffentlichen Verwaltung Österreichs außer acht läßt, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt." Sie ist deswegen zum Scheitern verurteilt, weil man von Rahmenbedingungen ausgeht, die anderswo gelten. Wenn ich dieses System kopiere, kann ich immer wieder nur die gleichen Rahmenbedingungen erreichen.

Was wollen wir? – Wir wollen heute eine entsprechende Dienstrechtsreform. Meiner Meinung nach kann durchaus ein externer Berater mitwirken. Diese sollte aber gemeinsam mit den Beamten erfolgen. Man kann durchaus andere Ideen aufnehmen, man kann sie an der Situation messen, aber man sollte den Beamten als Menschen in den Mittelpunkt stellen. Zum anderen sollte man bedenken, daß die öffentliche Verwaltung jahrzehntelang dafür gesorgt hat, daß dieses Land ordentlich geführt wurde.

Meine Damen und Herren! Nicht die Beamten sind heute dafür verantwortlich, daß es zu dieser Flut von Gesetzen gekommen ist. Allein die heutige Debatte hat dazu geführt, daß die Berichte und Vorlagen, von denen auch noch Teile gefehlt haben, Tausende Seiten umfassen und insgesamt 8,5 Kilogramm wiegen. Wir haben das abgewogen.

Bei der Dienstrechts-Novelle gibt es 55 Änderungsbereiche – ich habe sie vorhin aufgezählt –, die äußerst kasuistisch sind und sicherlich nicht dazu führen werden, daß es zu einer höheren Motivation der Beamten und damit zu einer Verbesserung der Verwaltung kommen wird. Meine Damen und Herren! Aus diesem Grund wird die freiheitliche Fraktion dieser Vorlage nicht die Zustimmung geben, und wir werden dagegen Einspruch erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.33

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Uta Barbara Pühringer. Ich erteile ihr dieses.

13.33

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Sollten Sie einmal Internatsschüler gewesen sein, dann erinnern Sie sich sicher daran, daß es am Ende einer Woche meist ein Restlessen aus dem ganzen Wochenplan gegeben hat, von allem ein bißchen. Die Schüler haben das entweder "Grenadiermarsch" oder "Wochenmenü" genannt. (Bundesminister Edlinger: Punschkrapferl!) Ich meine das jetzt durchaus nicht negativ, sondern man kann, wenn man ein guter Koch ist, auch daraus etwas Gutes und Schmackhaftes fabrizieren.

Etwas Ähnliches stellt die 1. Dienstrechts-Novelle 1998 dar. Es ist darin auch von allem ein bißchen enthalten. Mein Vorredner hat schon darauf hingewiesen, daß es sich um 55 Neuerungen handelt. Diese sind auf 24 unterschiedliche Gesetze aufgeteilt, die natürlich zum Teil ineinandergreifen. Im Nationalrat hat man zu Recht kritisiert – einige Abgeordnete haben dies vorgebracht –, daß vieles sehr kurzfristig vorgelegt wurde und diese Novelle vor allem nur mehr für Insider lesbar ist. Das stimmt. Da kann ich diesen nur recht geben.

Auch ich habe mich bemüht, mich durch diese Vorlage durchzukämpfen, und habe vor allem jenen Bereich genau durchgearbeitet, der für meine Berufsgruppe relevant ist. Dabei habe ich natürlich den Vorteil gehabt, daß ich die Wünsche der Gewerkschaft und auch meiner Gewerkschaft hinsichtlich dieser Novelle kannte und daß ich über den jeweiligen Verhandlungsstand und die Inhalte der Gespräche informiert war. Ich war erleichtert und dankbar, daß ich all das gefunden habe, was wir als Standesvertreter der Lehrer vorgebracht haben, nämlich die Überlegungen zur Umsetzung der letzten Novellen, wie die Umsetzung des Lehrerpakets und die Umsetzung des § 61 des Gehaltsgesetzes in der Praxis ablaufen und welche Lücken im Gesetz und vor allem welche Rechtsunsicherheiten wir bei diesen Überlegungen festgestellt haben.

All das mußte unter Zeitdruck verhandelt und auch noch in Gesetze gefaßt werden, damit es noch zeitgerecht im Nationalrat beschlossen werden konnte und uns auch heute im Bundesrat vorliegen kann. Als Mandatarin habe ich natürlich Verständnis für diese Kritik, vor allem was die Lesbarkeit dieses Gesetzes betrifft. Als Standesvertreterin in der Personalvertretung, in der Ge


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werkschaft, begrüße ich jedenfalls die Inhalte dieser Novelle. Meine Fraktion wird gegen diese Vorlage keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.36

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Payer. Ich erteile ihm dieses.

13.36

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die 1. Dienstrechts-Novelle 1998 ist eine sehr komplexe und vielschichtige Gesetzesmaterie. Darauf haben meine beiden Vorredner schon hingewiesen.

Sie ist aber ein Ergebnis von Verhandlungen zwischen Dienstnehmern und dem Bund als Dienstgeber. Über 20 Bundesgesetze werden geändert. Kollege Tremmel hat 55 Punkte angeführt, die geändert werden. Meiner Meinung nach werden diese Änderungen zu mehr Klarheit und zu mehr Transparenz führen, gleichzeitig aber auch eine Verwaltungsvereinfachung sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Dienstgeber bringen.

Diese umfangreiche Gesetzesmaterie ist zugleich der Beweis dafür, wie vielschichtig der öffentliche Dienst ist. Diese Novelle zeigt, daß das Bild des Beamten mit Ärmelschonern schon längst der Vergangenheit angehört. Meiner Meinung nach ist es auch angebracht, darauf hinzuweisen, daß diese Gesetzesvorlage mit allen Erläuterungen ausgezeichnet aufbereitet wurde. Jede Änderung, die mit finanziellen Belangen zu tun hat, wird mittels Tabellen, also mit einer Aufschlüsselung von Ausgaben und Einnahmen beziehungsweise Kosten und Erlösen, dargestellt. Es ist eine hervorragende und qualitätsvolle Aufbereitung einer sehr komplexen Gesetzesmaterie.

Der wichtigste Punkt dieser Novelle – das wurde auch schon gesagt – ist die Vereinheitlichung des Standards ärztlicher Gutachten durch Heranziehung speziell geschulter Fachgutachter. Mit der Schaffung einer zentralen ärztlichen Begutachtungsstelle beim Bundespensionsamt soll ein einheitlicher Gutachtensstandard erreicht werden. Ich halte es aber für ebenso wichtig, daß auch dezentrale Gutachten herangezogen werden können und der Hausarzt beziehungsweise der Arzt aus der Umgebung nicht diskriminiert werden.

Aus Zeitgründen möchte ich noch zu zwei Punkten kurz Stellung nehmen, die in jenen Bereich, in dem ich mich besonders gut auskenne, nämlich den Schulbereich, hineinspielen.

Der erste Punkt betrifft die Klarstellung der Lehrverpflichtung bei geblocktem Unterricht. Diese Klarstellung war notwendig, da sich gerade in den letzten Jahren die Unterrichtsgestaltung geändert hat und dem Projektunterricht ein breiterer Raum eingeräumt wird. Projektunterricht benötigt ganz einfach Blockstunden.

Zum zweiten Punkt: In dieser Dienstrechts-Novelle ist auch die Ausübung der Tätigkeit als Schülerberater – diese Tätigkeit wird in der Schule immer wichtiger – an Polytechnischen Schulen geregelt. Es kommt dabei zu einer Gleichstellung der Schülerberater an Polytechnischen Schulen mit jenen an Haupt- und Sonderschulen.

Meine Damen und Herren! Wenn wir heute diese umfangreiche Gesetzesnovelle beschließen, so ist es sicher angebracht – das hat auch Kollege Tremmel gemacht –, einige Gedanken zum Thema Verwaltungsreform und Besoldungsreform einzubringen. Dieses Thema sollte man auch kurz streifen und anreißen.

New Public Management ist ein Schlüsselbegriff, der in den letzten Monaten sehr häufig innerhalb des öffentlichen Dienstes diskutiert wurde. Was steckt hinter diesem Schlagwort? – Dazu möchte ich einige Fragen, die auch in dem Artikel angesprochen werden, den Sie, Herr Kollege Tremmel, zitiert haben, aufwerfen.

Erstens: Wird mit diesem Schlagwort unter anderem auch ein Ende des pragmatisierten Dienstverhältnisses verstanden? Oder sind mit diesem Schlagwort amerikanische Verhältnisse ge


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meint, bei denen der wirtschaftlich Potenteste die Richtung der Verwaltung bestimmt und die soziale Frage sowie der freie Zugang zu Recht und Rechtsschutz vom gerade herrschenden politischen System oder vom gerade herrschenden politischen Wind bestimmt werden? Oder wollen wir eine Verwaltung, die sich nach der momentanen Politik richtet? – Ich habe diesbezüglich eine andere Meinung und stimme mit Ihnen, Kollege Tremmel, in diesem Bereich auch überein.

Meiner Meinung nach hat "The Austrian way of public management" maßgeblich dazu beigetragen, daß Österreichs Wirtschaft im Vergleich zu anderen ganz gut – ich würde sagen: hervorragend – dasteht. Eine effiziente und effektive staatliche Verwaltung ist heute mehr denn je eine Frage der Weltmarktposition unseres Landes. Die guten Ergebnisse in der beinharten internationalen Konkurrenz sind ein Zeichen für die Leistungsfähigkeit unseres Verwaltungsapparates und unserer Beamten. Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt.

Die Anpassung der Märkte an die geänderten Rahmenbedingungen in einem neuen Europa hat Österreich gut geschafft, und zwar ohne Streiks und ohne soziale Benachteiligung gesamter Bevölkerungsgruppen. Daß dieser Quantensprung des Übergangs von einem – unter Anführungszeichen – "local player" zu einem "European player" relativ reibungslos vonstatten gegangen ist, ist zum großen Teil das Verdienst eines leistungsfähigen Beamtenstandes und des öffentlichen Dienstes unserer Republik.

Meiner Meinung nach soll und muß daher bei allen Überlegungen über eine zukünftige Verwaltungsreform hin zu einer effizienten Verwaltung der Mensch als Kunde und der Mensch als Mitarbeiter unter gleichzeitiger Einbindung aller Interessenvertreter im Mittelpunkt stehen. In diesem Sinne wird die SPÖ keinen Einspruch gegen die vorliegende Dienstrechts-Novelle erheben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.43

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Jürgen Weiss. Ich erteile dieses.

13.43

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich namens des Landes Vorarlberg dafür bedanken, daß im Rahmen der Änderung des Dienstrechtsgesetzes ein Anliegen unseres Landes verwirklicht wurde, nämlich die Gleichstellung des bei uns bestehenden Landesvolksanwaltes mit den Bundesvolksanwälten hinsichtlich der Möglichkeit der Karenzierung. Die jetzige Rechtslage hätte es ihm – er stammt aus dem Bundesbedienstetenbereich – ermöglicht, diese Tätigkeit nur zehn Jahre auszuüben, obwohl er – eine Wiederwahl angenommen – insgesamt für zwölf Jahre gewählt würde.

Zum zweiten: Das, was Frau Kollegin Pühringer hinsichtlich der Transparenz des Rechtsbestandes in diesem Bereich und auch über das jeweilige Zustandekommen durch Änderungen gesagt hat, kann ich nur unterstreichen. Diese Anmerkung ist im Bundesrat umso notwendiger, als es im Dienstrecht aufgrund des Homogenitätsgebotes zahlreiche Schnittstellen mit den Ländern gibt. Der Herr Bundesminister ahnt schon, worauf ich hinauswill. Bereits im politischen Paktum 1992 – damals abgeschlossen im Hinblick auf den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und zur Stärkung des Bundesstaates – war den Ländern versprochen worden, daß die starre Bindung des Landesdienstrechtes an Vorgaben des Bundesdienstrechtes beseitigt werden soll. Das wurde dann tatsächlich in der Regierungsvorlage, die dem Nationalrat erstmals 1994 vorgelegt wurde, umgesetzt.

Seither teilt diese Reform das Schicksal der Bundesstaatsreform. Das bedeutet, daß sich das Land Vorarlberg, das – so wie andere auch, aber aufgrund der Kleinheit des Landes vielleicht ein bißchen flexibler – an einer Gehaltsreform gearbeitet hat, nach Treu und Glauben darauf verlassen hat, dies nach Wegfall des Homogenitätsgebotes auch tatsächlich umsetzen zu können. In dieser Meinung wurden wir umso mehr bestärkt, als der sozialistische Klubobmann Kostelka – absehend, daß die Bundesstaatsreform in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr zustande kommen dürfte – bereits im Sommer des Vorjahres in Aussicht gestellt hatte, jedenfalls


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das Homogenitätsgebot beseitigen zu wollen – unabhängig davon, ob die Bundesstaatsreform kommt oder nicht. Er hat sich erst kürzlich in einem Radiointerview wieder ausdrücklich dazu bekannt und Gespräche mit dem Finanzministerium angekündigt.

Für uns ist die Situation einigermaßen prekär, weil wir, natürlich immer im Einvernehmen mit den Personalvertretungen des Landes, enorm viel Zeit und Geld auch der Mitarbeiter investiert haben, um diese Reform zustande zu bringen, die in gewisser Weise auch ein Wegweiser sein kann, sozusagen ein Versuchsballon, um zu sehen, wie es in der Praxis funktioniert, wenn man vom Lebensalterprinzip stark abrückt und auch davon abrückt, die Leute nur nach ihrer Ausbildung und nicht so sehr nach ihrer Funktion zu bezahlen, und wenn man sich bemüht, möglichst keine Unterschiede mehr zwischen Beamten und Vertragsbediensteten zu machen. Da wäre es auch für andere ganz interessant, zu sehen, wie das in der Praxis funktioniert, wie das von den Bediensteten akzeptiert wird und welche Erfahrungen man damit gemacht hat.

Wir haben also unsere Gedankenfreiheit genutzt. Herr Finanzminister! Ich bitte Sie: Geben Sie uns Reformfreiheit! – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.47

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Minister.

13.47

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur einige wenige Bemerkungen machen. Meiner Meinung nach ist es in der Tat richtig, daß wir natürlich auch im Bereich des öffentlichen Dienstes jene Veränderungen, die aufgrund von gesellschaftlichen Veränderungen erforderlich sind, nachvollziehen oder zumindest nicht eine Struktur aufrechterhalten, die bestimmte Entwicklungen behindert. Es ist nicht einfach, im Bereich eines Vertragsbedienstetenrechtes zu jenen Akkordierungen zu kommen, die – einer der Bundesräte hat das angeführt – für eine tragfähige Basis notwendig sind und auch von allen Betroffenen akzeptiert werden.

Die Bundesregierung – Staatssekretär Ruttenstorfer und Bundesminister Molterer – verhandelt seit vielen Monaten mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst über ein neues Vertragsbedienstetenrecht mit allen Facetten. Hier geht es – in wichtigen Fragen ist auch eine weitgehende Annäherung erfolgt – in einigen Bereichen durchaus um die grundsätzliche Frage, die Herr Bundesrat Weiss angesprochen hat, nämlich um die Frage, welche Differenz hinsichtlich der Karrieremöglichkeiten zwischen einem Beamten und einem Vertragsbediensteten besteht. Ist überhaupt legitim, was vom einen oder anderen Interessenvertreter als ein ganz wichtiger Eckpunkt in diesen Diskussionen betrachtet wird? – Es geht dabei gar nicht um Interessengegensätze, die sich parteipolitisch oder interessenspezifisch argumentieren lassen, sondern es geht, wenn man versucht, dies parteipolitisch zuzuordnen – was ich bekanntlich bei solchen Fragen nicht für besonders klug halte – gewissermaßen quer durcheinander.

Zum zweiten: Ich glaube, daß man tatsächlich über die Frage des Homogenitätsgebots nachdenken muß, denn ich habe überhaupt keine wie immer geartete Berührungsangst, den Ländern zuzubilligen, auf ihre jeweils spezifische Art glücklich werden zu wollen.

Eine Behinderung seitens des Bundesministeriums für Finanzen als zuständiges Ressort für den öffentlichen Dienst ist nicht sehr stark ausgeprägt. Es wird noch im Sommer zu einem diesbezüglichen Gespräch zwischen Vertretern der Bundesregierung, der Länder, natürlich auch der Gemeinden und der Gewerkschaften kommen, um zu einer Lösung zu gelangen, die jene modellhafte Experimentierfreudigkeit, von der Sie gesprochen haben, Herr Bundesrat Weiss, gewährleistet.

Zum dritten: Natürlich ist dieses Gesetz – das gebe ich schon zu, denn es hat gar keinen Sinn, irgend etwas, das auf dem Tisch liegt, anders zu qualifizieren, als es ist – in der Tat sehr komplex. Es ist ein Gesetz, das nicht von gewaltiger Übersichtlichkeit strotzt. Es ist aber ein Gesetz, das nichtsdestoweniger notwendig ist, denn die Differenziertheit der unterschiedlichsten


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Berufe, die im öffentlichen Dienst vertreten und faktisch mit ein und demselben Gesetz geregelt sind, ist nicht ganz einfach zu formulieren.

Ich nehme an, daß ein Kanzleibediensteter eine andere Qualifikation aufweist als ein pragmatisierter Tierarzt, ein Lehrer oder ein Polizist. All die verschiedenen Facetten, die der öffentliche Dienst innerhalb seiner Bedienstetenschaft aufweist, haben bestimmte spezifische Ausformungen. Wenn es uns gelingt – diesbezüglich bin ich durchaus guter Dinge –, im Konnex mit einem Vertragsbedienstetengesetz für eine bestimmte Übersichtlichkeit zu sorgen, wodurch dieses lesbarer und leichter verständlich würde, dann würde ich mich darüber sehr freuen. Ich gehe aber davon aus, daß ein neues Vertragsbedienstetenrecht auch Anlaß sein sollte, legistische Veränderungen vorzunehmen.

Ich möchte noch eine letzte Bemerkung machen: Herr Bundesrat Tremmel! Ich weiß nicht, ob ich Sie mißverstanden habe, und ich weiß auch nicht, wen Sie angegriffen haben, aber ich habe so wie Sie in der Öffentlichkeit verschiedene Diskussionen geführt. Sie haben das wörtlich "Schmutzkübelkampagne gegen Beamte" genannt, die ich auch immer mit sehr großer ... (Bundesrat Dr. Tremmel: Herr Minister! Ich habe einen Artikel zitiert! Das habe ich gesagt!) – Sie haben einen Artikel zitiert, aber ich habe Sie doch hoffentlich nicht mißverstanden, daß Sie es bedauert haben, daß es Schmutzkübelkampagnen gegen öffentliche Bedienstete gibt. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das bedauere ich auch!)

Ich bedauere das auch, und ich habe das immer sehr bedauert. Sie haben es im Zusammenhang mit den Diskussionen zur Reform der Pensionssysteme gesehen. Ich glaube, daß es notwendig und wichtig ist – das sage ich durchaus auch aus der Funktion, die ich habe, jetzt nicht als Bundesminister für Finanzen, sondern auch als Bundesminister für die öffentlich Bediensteten –, festzustellen, daß es im öffentlichen Dienst eine übergroße Zahl extrem qualifizierter, extrem fleißiger und auch extrem an der Sache interessierter Mitarbeiter gibt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich habe es immer mit sehr großer Betroffenheit registriert, wenn in Medien – sehr häufig nicht aus Antrieb eines einzelnen Journalisten, sondern in einer vielleicht auch subjektiven Wiedergabe von Meinungsäußerungen, mitunter durchaus auch von Politikern in der Öffentlichkeit – so etwas wie eine Schmutzkübelkampagne entsteht. Ich sage Ihnen ganz offen, ich würde mir sehr wünschen, wenn gerade Sie als Magistratsbediensteter und auch als Angehöriger Ihrer Fraktion dazu beitragen, daß etwa Äußerungen, daß ein Drittel der Beamten zuviel und ein Drittel faul sei, künftighin in der Öffentlichkeit unterbleiben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.55

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrats, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine zur Vermeidung der


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Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1081 und 1322/NR sowie 5736/BR der Beilagen)

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (942 und 1323/NR sowie 5737/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll und

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Die Berichterstattung über die Punkte 7 und 8 hat Herr Bundesrat Johann Grillenberger übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Johann Grillenberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses. Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich verzichte auf die Verlesung und verlese nur den Antrag.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Der zweite Bericht des Finanzausschusses, zu Punkt 8, liegt ebenfalls schriftlich vor. Ich verzichte auf die Verlesung und stelle nur den Antrag:

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Präsident Alfred Gerstl: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile dieses.

13.58

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Das vorliegende Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung ist aus meiner Sicht ein Akt der Völkerverständigung und gleichzeitig auch eine grenzüberschreitende Wirtschaftsförderung. Das hohe Ansehen Österreichs in beiden Staaten, in Slowenien wie auch in der Ukraine, ist tief verwurzelt. Wir können stolz darauf sein, daß das hohe Ansehen Österreichs bereits in der Monarchie von unseren Vorfahren hergestellt wurde und sich bis heute ungeschmälert erhalten hat.

Dieses Abkommen ist besonders für Betriebe von Bedeutung, die in diesen beiden Staaten grenzüberschreitende Aktivitäten setzen. Es ist auch nicht einzusehen, daß für ein und densel


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ben Steuergegenstand zweimal Steuer bezahlt werden muß. Die ÖVP gibt deshalb dieser Gesetzesvorlage gerne ihre Zustimmung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.59

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Kraml. Ich erteile dieses.

13.59

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Auch ich kann mich den Ausführungen meines Vorredners anschließen, sehe das als einen internationalen Akt, daß wir diese Steuerabkommen haben, und darf mitteilen, daß die sozialdemokratische Fraktion ebenfalls die Zustimmung geben wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.59

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile dieses.

14.00

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist durchaus üblich und entspricht den Usancen gutnachbarlicher Beziehungen, derartige Abkommen wie das vorliegende zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen abzuschließen.

Zuerst zu Slowenien: Slowenien ist ein Nachfolgestaat des alten Jugoslawiens, und es ist vor sieben Jahren aus eigener Kraft in die staatliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit getreten.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, daß genau heute vor sieben Jahren schwere Kampfhandlungen an der Südgrenze unseres Staates stattgefunden haben. Denken Sie nur an das Zollhaus in Radkersburg, wo das Bundesheer schweres Material hingefahren hat, um dort die österreichische Staatsgrenze zu sichern.

Damals sind die slowenischen Territorialverbände darangegangen, die jungen Soldaten der jugoslawischen Bundesarmee, die mit dem Auftrag entsandt worden waren, Slowenien mit Gewalt in den jugoslawischen Staatsverband zurückzuzwingen, aus ihrer Heimat hinauszuwerfen. Damit hat der Zerfall einer Union begonnen, die 73 Jahre vorher von mehreren südslawischen Völkern als SHS-Staat – Srbija, Hrvatska, Slovenska – gegründet wurde. Ein Zusammenwachsen dieser historisch, sprachlich und kulturell verschiedenen Völker über eine gemeinsame Staatenunion mit einer gemeinsamen Währung, dem Dinar, und mit einer gemeinsamen Bundesarmee sollte einen dauerhaften Frieden am Balkan schaffen.

Heute, meine Damen und Herren, wissen wir, daß diese Träume zerplatzt sind und diese Union am Balkan in einem Meer von Blut und Tränen untergegangen ist. Meine Hoffnung geht dahin, daß andere Unionen in Europa nicht ein ähnliches Schicksal wie jene Union am Balkan erleiden mögen.

Zur Ukraine: Die Ukraine ist ein Nachfolgestaat der früheren Sowjetunion und wollte aus eigenem Antrieb ein derartiges Abkommen mit Österreich schaffen, denn bis jetzt galt noch das von Österreich mit der alten UdSSR abgeschlossene Abkommen, ein Vertrag über die steuerlichen Beziehungen.

Dieser Nachfolgestaat Ukraine versucht nun, unter großen Schwierigkeiten seinen eigenen Weg in eine wirtschaftlich und politisch selbständige Zukunft zu gehen. Gerade auch dieses Abkommen schafft neue, günstige Rahmenbedingungen für gegenseitige Investitionen, denn dieses Abkommen betrifft vor allem Unternehmen, die jeweils in Österreich oder in der Ukraine investieren, denn private Grenzgänger, wie es sie zwischen Österreich und der Schweiz gibt, wird es zwischen Österreich und der Ukraine wohl kaum geben.


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Meine Damen und Herren! Solchen Abkommen, die beiden Partnern entsprechende Vorteile bringen und Chancen für die Zukunft beider Völker eröffnen, geben wir Freiheitlichen gerne unsere Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.03

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht. – Dies ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz des Bundes-Verfassungsgesetzes die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Einstimmigkeit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist einstimmig.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1186 und 1299/NR sowie 5738/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zum Punkt 9 der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Horst Freiberger übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Horst Freiberger: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich deshalb auf die Verlesung des Beschlußantrages.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Danke schön.


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Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. – Bitte.

14.06

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß die Nichtanwesenheit des zuständigen Regierungsmitgliedes vielleicht kundtut, daß es sich mit der vorliegenden Gesetzesnovelle nicht mehr identifiziert. Wenn dem so ist, dann gehe ich auch davon aus, daß Sie nachher unserer Argumentation folgen.

Meine Damen und Herren! Die vorliegende Novelle zum Pflegegeldgesetz bringt bei oberflächlicher Betrachtung und bei Erstbetrachtung in erster Linie eine scheinbar straffere Abgrenzung der Pflegegeldstufen. Bei genauerer Betrachtung, bei genauerem Durchlesen kommt man aber allzu leicht dahinter, daß die vorliegende Novelle sehr oberflächlich ist, denn auf ganzheitliche Regelungen für die gesamte Gruppe der Pflegebedürftigen wird in dieser Novelle nicht eingegangen.

So bringt die vorliegende Novelle zum Beispiel eine Schlechterstellung für alle Rollstuhlfahrer. Die Ursache des Rollstuhlbedarfs ist in dieser Novelle ein Parameter. Sachleistungen werden von der öffentlichen Hand, werden von öffentlichen Trägern in das Pflegegeld eingerechnet. Dadurch hat der Betroffene in diesem Fall keinen Einfluß auf die Höhe des Pflegegeldes.

Ebenso ist in dieser Vorlage von einer Valorisierung, wie sie von uns gefordert wurde, keine Rede. Im weitesten Sinne wird, da die Valorisierung nicht gegeben ist, mit dieser Novelle – kurz gesagt – der Armut der Betroffenen Vorschub geleistet.

In aller Kürze, meine Damen und Herren: Das sind für meine Fraktion mehr als genug Gründe, dieser Novelle nicht unsere Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.09

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Franz Wolfinger. Ich erteile dieses.

14.09

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Nationalrat hat am 8. Juli dieses Jahres ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird, beschlossen.

Sie gestatten, daß ich hier einen kurzen Rückblick über die Entstehung dieses Bundespflegegeldgesetzes bringe.

Vor 1993 gab es zusätzlich zur Pension den sogenannten Hilflosenzuschuß, und zwar nur dann, wenn jemand pflegebedürftig oder hilflos war. Von der Höhe her hat es immer wieder Probleme gegeben, denn entweder hat jemand nur einen geringen Hilflosenzuschuß bekommen, der bis dahin 3 002 S betrug, oder den höchstmöglichen Hilflosenzuschuß, der 3 028 S im Monat ausmachte. Diese Regelung war ungenügend, und es hat viele Beschwerden darüber gegeben.

Es haben sich dann die verschiedensten Organisationen bemüht, hier eine Änderung herbeizuführen. Diese Änderung beim Hilflosenzuschuß ist dann zunächst in den Bundesländern Vorarlberg, Tirol und Oberösterreich verwirklicht worden. Diese drei Bundesländer haben als Vorreiter ein vierstufiges Landespflegegeld eingeführt. Dies hat sich eigentlich sehr gut bewährt.

Aufgrund der Vorreiterrolle dieser drei Bundesländer hat man dann auf Bundesebene ein einheitliches Bundespflegegeld beschlossen. Heute kann gesagt werden, daß dieses Bundespflegegeld sicherlich einen Meilenstein in der österreichischen Sozialpolitik darstellt. Wenn man ein bißchen über die Grenzen hinausschaut – etwa nach Deutschland – und weiß, wie lange dort um die Einführung des Pflegegeldes gerungen wurde, dann muß man froh sein, daß es dieses Gesetz in Österreich gibt, und ich bedanke mich bei Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesministerin Hostasch: Das war noch Hesoun!)


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Natürlich müssen diese Gesetze immer wieder auf ihre Treffsicherheit hin überprüft werden, das ist klar, und daß Änderungen notwendig sind, ist auch logisch. Dennoch vielleicht ein paar kritische Anmerkungen zu diesem Pflegegeldgesetz:

Womit wir nicht ganz einverstanden sind, ist, daß das Pflegegeld – wie es heute schon erwähnt wurde – nicht dynamisiert ist. Das ist nicht ganz verständlich, auch wenn es vielleicht darauf zurückzuführen ist, daß bei der Einführung im Jahre 1993 von den Stufen her von einem zu hohen Betrag ausgegangen wurde. Man hat sieben Stufen eingeführt, das war sicherlich gutgemeint, aber der Betrag für die einzelnen Stufen war meiner Meinung nach von Anfang zu hoch. Daher hat man es jetzt einfrieren müssen, und es gibt keine weitere Steigerung.

Diese Neuregelungen, die nun im Gesetz enthalten sind und beschlossen wurden, haben, so glaube ich, auch Vorteile, und zwar dahin gehend, daß wir nicht mehr so viele Sozialgerichtsverfahren zu erwarten haben. Ich sage das deswegen, weil durch diese Stufenregelung die Möglichkeit besteht, daß jemand, der ein Pflegegeld bezieht, bei seiner zuständigen Pensionsstelle einen Antrag auf Erhöhung stellen kann, aber hier doch relativ strenge Kriterien angelegt werden, sodaß viele ältere Mitbürger dann zum Sozialgericht gehen und dort Einspruch erheben müssen.

Das ist nicht ganz zu verstehen, weil gerade die älteren Leute oft mit dem Gericht nichts zu tun haben wollen. Sie waren ihr ganzes Leben lang bei keinem Gericht, und jetzt, da sie 80, 85 Jahre oder älter sind, sollten sie um ihre Rechte streiten – davor haben sie Angst. Ich glaube, daß sich das durch diese Neuregelung der Einstufungskriterien ändern wird, und ich hoffe, daß sich das in der Praxis so einpendeln wird, daß es zu weniger Sozialgerichtsfällen kommt.

Frau Ministerin! In diesem Zusammenhang sei vielleicht in einem Nebensatz noch etwas erwähnt. Wir stellen fest, daß die Verfahrensdauer bei diesen Sozialgerichtsverfahren sehr lange ist. Es dauert oft ein halbes Jahr und auch noch länger, bis die entsprechenden Gutachten vorliegen. Da kann es passieren – und es passiert auch manchmal –, daß es der Betreffende gar nicht mehr erlebt, daß er einen positiven Bescheid kriegt, weil ihn vorher das Zeitliche gesegnet hat. Das muß man hier auch einmal festhalten.

Aber grundsätzlich, meine Damen und Herren, ist diese Änderung zu begrüßen. Ich begrüße es ganz besonders, daß es möglich ist, daß bei der ärztlichen Begutachtung auch eine Vertrauensperson beigezogen werden kann. Wir stellen fest, daß das in der Praxis nicht so funktioniert hat. Oft sind die Ärzte zu dem Antragsteller zur Begutachtung gefahren, aber es war nicht möglich, daß Angehörige, die dabeisein wollten, um Unterstützung zu geben, dies auch tun konnten. Wir wissen, daß ältere Menschen nun einmal nervös sind, wenn der Doktor kommt. Ihnen fällt oft nicht mehr ein, was sie zu sagen haben, während die betreuenden Personen – ob das die Tochter, die Schwiegertochter oder jemand anderer ist – den Patienten genau kennen.

Es ist daher ganz besonders zu begrüßen, daß jetzt diese Möglichkeit besteht, daß der Arzt die betreuenden Angehörigen, die die Pflegeleistung erbringen, auch in das Gespräch miteinbeziehen muß und das auch in der Beurteilung zu berücksichtigen ist. Das, so glaube ich, ist eine ganz wichtige Sache.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Wir haben in Oberösterreich auch überprüfen lassen, ob die Landespflegegelder widmungsgemäß verwendet werden. Es wurden in Oberösterreich zirka 500 Pflegegeldbezieher überprüft und dabei festgestellt, daß sehr ordentliche Verhältnisse gegeben sind und daß auch die Pflege und Betreuung in sehr gutem Ausmaß durchgeführt wird.

Ich glaube auch sagen zu können, daß das Pflegegeld nicht dazu da ist, daß es auf ein Sparbuch kommt, dort gehortet wird und sich die Erben dann um den Nachlaß streiten, sondern das Pflegegeld muß zur Pflege verwendet werden, und es muß dem gehören, der die Pflege und die Betreuung durchzuführen hat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich glaube, daß in den nächsten Jahren noch einiges auf uns zukommt, deshalb haben wir in Oberösterreich auch überprüfen lassen, wie sich das in den nächsten Jahren dort auswirken wird. Dazu ist festzustellen, daß im städtischen Bereich – Linz, Wels und Steyr – die Zahl der


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Pflegebedürftigen nur in geringem Ausmaß zunehmen wird, daß sich jedoch eine Überalterung, wenn ich das so sagen darf, eher auf dem Land ergeben wird. Dort ist eine sehr starke Zunahme der Zahl der älteren Menschen zu erwarten. Ich habe hiezu ein paar Zahlen, möchte es mir aber ersparen, sie hier zu nennen.

Grundsätzlich kann man sagen – auch das wurde in Studien festgestellt –, daß viele Menschen über dieses gute Gesetz zuwenig Bescheid wissen. Meiner Meinung nach müßte diesbezüglich mehr Aufklärungsarbeit von den Sozialversicherungsanstalten, von den zuständigen Entscheidungsträgern erfolgen, damit die Leute besser über dieses tatsächlich sehr gute Bundespflegegeldgesetz informiert werden.

Noch etwas, was vielleicht zuwenig bekannt ist, ist – wie schon erwähnt wurde –, daß sich Angehörige, die jemanden pflegen und betreuen, dann, wenn sie ihren Beruf aufgeben, in der Pensionsversicherung zu einem geringen Beitragssatz freiwillig weiterversichern lassen können. Das wird noch zuwenig angenommen. Es nützen die besten Gesetze nichts, wenn diejenigen, die sie in Anspruch nehmen könnten, davon nichts wissen.

Daher sollten wir, so glaube ich, auf diesen zwei Schienen doch noch mehr Aufklärungsarbeit leisten, damit diese Dinge besser beansprucht werden können. Ich bin Seniorenvertreter in Oberösterreich, und wir von unserer Seite her werden diese Dinge sicherlich hinausgeben, wir werden es den Leuten sagen, und ich bin guten Mutes, daß diesbezüglich in den nächsten Jahren eine wesentliche Verbesserung eintreten wird.

Zu der Neuregelung noch ganz kurz: Ich glaube, daß die Umreihung von der Stufe 3 auf die Stufe 4 auch ein ganz bemerkenswerter Schritt ist. Dadurch wird es möglich, daß ab 1. Jänner 1999 zirka 15 000 Pflegegeldbezieher um zirka 3 000 S im Monat mehr Pflegegeld bekommen werden. Das ist auch nicht selbstverständlich, und die Geldmittel sind auch nicht so selbstverständlich vorhanden. Daher noch einmal herzlichen Dank, Frau Ministerin, daß Sie das so umgesetzt haben. Viele Pflegegeldbezieher werden Ihnen das ebenfalls herzlich danken.

In dem Sinne wird die ÖVP-Fraktion diesem Gesetz gerne ihre Zustimmung geben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.18

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile dieses.

14.18

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich denke, daß kaum eine Materie so sehr von Emotionen berührt ist wie das Pflegegeldgesetz. Wir haben 1993 – wie es auch mein Vorredner schon gesagt hat – im Bereich der Sozialpolitik ein Meilenstein-Gesetz, einen Quantensprung erlebt.

Mit dem Hinweis darauf, daß es sich in diesem Bereich einerseits um eine Gruppe von Menschen in einer ganz besonders schwierigen Lebenssituation und andererseits auch um betagte Menschen handelt, wird schon verdeutlicht, daß die Problematik der Definitionen, der Einzelfälle und damit einer ganz besonderen persönlichen Nähe gerade in diesem Gesetz vielleicht stärker als in anderen Gesetzesmaterien enthalten ist.

Es geht darum, einerseits die selbstbestimmte Lebensweise dieser betroffenen Personengruppe sicherzustellen, andererseits muß aber natürlich auch eine gewisse Finanzierbarkeit gewährleistet bleiben.

Diese Novelle, die sehr stark auf Verbesserungen abstellt, die sich durch die Erfahrungen in der Praxis ergeben haben, zeigt ganz deutlich – mein Vorredner hat bereits einige Einzelpunkte angesprochen, die darüber hinausgehen –, daß nun auch andere notwendigerweise in das Gesetz einzubeziehende Personengruppen berücksichtigt sind und daß durch die Einbeziehung von Angehörigen in das Verfahren bei der Untersuchung und auch durch die Einbeziehung der Pflegedokumentationen in das Entscheidungsverfahren eine vermehrte Sicherheit gegeben ist, wobei


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es hier sehr stark auch um den Vertrauensgrundsatz geht, der sich durch die angesprochene besondere Lebenssituation der Betroffenen ergibt.

Natürlich gibt es in einigen Bereichen auch noch Wünsche. Definitionen ergeben einen Freiraum. Dieser Freiraum kann positiv, aber auch negativ sein. Es ist sehr schwer abzuwägen, was besser ist: Grenzt man ein und hat dadurch exaktere Richtlinien, oder macht man Grenzen auf und nimmt damit Unwägbarkeiten in Kauf?

In würde mir durchaus wünschen, daß man im Bereich der Einstellung, was den naturgegebenen Pflegebedarf und den Pflegeaufwand bei Kindern betrifft, eine etwas großzügigere und praxisbezogenere Einstellung im Zusammenhang mit der Definition gewählt hätte. Das ist aber nur ein als Spotlight angesprochenes Beispiel.

Ich glaube, daß auch die Frage der Rollstuhlfahrer, die jetzt etwas enger auf die Diagnose abgestellt wird, ein Bereich sein könnte, in dem sich möglicherweise mit zunehmender Erfahrung wieder Änderungen ergeben könnten.

Aus all dem Gesagten heraus ist es notwendig, die Betroffenen beziehungsweise ihre Vertreter sehr stark in die Entwicklung allfälliger Novellen einzubeziehen, und ich glaube, das ist gerade bei dieser Novelle auch sehr stark passiert.

Auch wenn seitens der einen oder anderen Gruppe Kritik anzumerken ist, kommt es, so glaube ich, immer darauf an, daß Kritik konstruktiv zur Verbesserung der Situation eingesetzt wird und nicht dazu, um Justamentstandpunkte bestimmter Gruppierungen auszudrücken.

Es ist auch schon angesprochen worden, daß die Qualität dieser Novelle durchaus auch am finanziellen Aufwand zu messen ist. 470 Millionen Schilling für das Jahr 1999 sind nicht nur dadurch begründet, daß es mehr Fälle gibt, die diesen größeren Mittelaufwand notwendig machen, sondern daß die Betroffenen aufgrund dieser Novelle auch im Einzelfall mehr bekommen. Ich möchte auch das bereits genannte Beispiel anführen: 15 000 Betroffene werden um je 3 000 S monatlich mehr bekommen.

Ich glaube, daß diese wenigen Beispiele, die ich jetzt nur sehr kursorisch angeführt habe, im Zusammenhang mit den aufgewendeten Mitteln durchaus als Beweis dafür gelten können, daß hier ein weiterer Schritt zum Ausbau dieser damals als Meilenstein-Gesetz bezeichneten Gesetzesmaterie gesetzt wird.

Ich denke, daß dieser Novelle tatsächlich mit gutem Gewissen zuzustimmen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

14.24

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile dieses.

14.24

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Ich glaube, daß bei diesem Gesetz so richtig klar und deutlich wird und daß den Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates vor Augen geführt wird, welche Bedeutung eigentlich die Vertreter der Freiheitlichen Partei im Bundesrat pflegebedürftigen Menschen zumessen. Ich brauche die drei Sätze des Kollegen Weilharter, die völlig inhaltsleer waren und Kritik an der Frau Bundesministerin beinhaltet haben, nicht zu wiederholen.

Ich möchte mich jenen Vorrednern anschließen, die der Frau Bundesministerin und ihren Mitarbeitern Lob gezollt haben, weil ich auch der Meinung bin, daß diese Änderung des Bundespflegegeldgesetzes vor allem für stark pflegebedürftige Menschen wesentliche Verbesserungen bringt. Wie sicherlich beim überwiegenden Teil in diesem Kreise bekannt ist, ist das Pflegegeld eine zusätzliche, vom jeweiligen Einkommen des Pflegebedürftigen unabhängige Leistung.

Die heute zur Beschlußfassung vorliegende Novellierung ist ein weiterer Schritt, um vor allem die Situation pflegebedürftiger Menschen zu verbessern. Davon werden zwischen 15 000 und


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16 000 ältere Frauen und Männer betroffen sein. Ihnen wird nun der Schritt von der Pflegestufe 1, 2 oder 3 in die Pflegestufe 4 wesentlich erleichtert. Darüber hinaus werden sie ab 1. Jänner 1999 monatlich auch um 3 000 S mehr Pflegegeld bekommen.

Der nachzuweisende notwendige Pflegebedarf für die Pflegestufe 4 wurde von bisher 180 Stunden monatlich auf 160 Stunden gesenkt.

Mit der vorliegenden Novellierung wird auch die Einstufung zu den Pflegestufen 3 bis 7 – das ist ebenfalls heute schon erwähnt worden – genauer und vor allem verständlicher. Dazu ist schon die Kritik angebracht worden, daß es in der Vergangenheit schwer nachvollziehbar war, warum jemand die Pflegestufe 3, 4 oder 5 bekommen hat. Mit dieser Novellierung ist die Einstufung, so glaube ich, sicherlich leichter nachzuvollziehen.

Es ist heute auch schon erwähnt worden, daß auf Wunsch der Pflegebedürftigen nun eine Person des Vertrauens bei Untersuchungen beigezogen werden kann. Ich glaube, wenn die Pflegebedürftigen oder die Pflegegeldwerber – das sind meistens ältere Menschen, 80 Prozent der Bezieher des Pflegegeldes sind Pensionisten, und sie sind meistens sehr alt oder hilflos – bei der Untersuchung jemanden dabeihaben, der sie während der ganzen Zeit betreut und pflegt, sind sie weniger nervös und auch leichter imstande, dem Arzt ihre tatsächliche Befindlichkeit mitteilen zu können.

Eine ebenfalls wesentliche Neuerung ist, daß Pflegebefunde, die bereits vorhanden sind, nun auch bei der Einstufung berücksichtigt werden können.

Mit der nun erfolgenden Novellierung wird der anspruchsberechtigte Personenkreis nicht nur neu definiert, sondern auch erweitert. Ab nun können auch Opfer von Verbrechen und emeritierte Hochschulprofessoren sowie ehemalige freiberuflich Tätige und deren Hinterbliebene unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen in das Pflegegeldsystem einbezogen werden.

Besonders zu begrüßen ist die nunmehrige Lösung – das ist auch schon angedeutet worden –, daß bei einem Krankenhausaufenthalt eines Kindes auch die Betreuungsperson – die Elternteile, meistens sind es die Mütter – mit in das Krankenhaus aufgenommen werden können, wobei – das ist das Wesentliche – der Anspruch auf Pflegegeld weiterhin aufrecht bleibt.

Ab heute kommt es auch zu einer wirtschaftlichen und sozialen Besserstellung – auch das ist von meinen Vorrednern schon erwähnt worden – für Pflegepersonen. Dann, wenn zwischen einem Pflegebedürftigen und der Pflegeperson ein Dienstverhältnis besteht und dieser Pflegebedürftige in ein Krankenhaus kommt, wird das Pflegegeld in besonderen Härtefällen für die Dauer von bis zu drei Monaten weiterhin ausbezahlt.

Darüber hinaus wird das Pflegegeld jeweils in der Höhe des Pensionsbeitrages weiterbezahlt, wenn nahe Angehörige die begünstigte Weiterversicherung nützen. Eine begünstigte Weiterversicherung kann dann beansprucht werden, wenn sie einen Pflegebedürftigen in den Stufen 1 bis 5, 6 oder 7 betreuen und deshalb – das ist auch schon erwähnt worden – ihre bisherige berufliche Tätigkeit aufgeben mußten.

Hinsichtlich der Definition der Stufen konnte in den Verhandlungen mit fast allen Organisationen – und das ist auch wesentlich, Frau Bundesministerin – eine weitestgehende Übereinstimmung erzielt werden, ebenso darüber, daß, wenn es sinnvoll erscheint, anstelle von Geldleistungen auch Sachleistungen angeboten werden können. (Beifall bei der SPÖ.)

14.30

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Harald Repar. Ich erteile dieses.

14.30

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heute zu beschließende Novelle des Bundespflegegeldgesetzes ist meiner Ansicht nach ein weiterer Schritt zur Verbesserung des


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österreichischen Systems der Pflegevorsorge. Bevor ich aber auf die Novelle eingehe, möchte ich ganz grundsätzlich eine Studie erwähnen, die im Auftrag des Sozialministeriums erstellt wurde und die unsere Pflegevorsorge unter die Lupe genommen hat. Diese Studie besagt nämlich, daß wir in Österreich ein ganz ausgezeichnetes System haben. Dieses Resultat gilt auch ganz besonders im Hinblick auf das Kriterium der sogenannten sozialen Treffsicherheit, die im Zusammenhang mit Sozialleistungen immer wieder eingefordert wird.

Die zu beschließende Novelle bedeutet also grundsätzlich eine weitere Verbesserung eines an sich ausgezeichneten und auch im internationalen Vergleich absolut herzeigbaren Systems der Pflegevorsorge. Mit der Novelle verbunden ist ein jährlicher Mehraufwand von insgesamt 470 Millionen Schilling, die direkt pflegebedürftigen Menschen zugute kommen werden. Wenn wir uns diese Summe vor Augen halten, dann muß ich sagen, die Polemik seitens der Opposition ist für mich – wenn auch nur in wenigen Sätzen – betreffend diese Novelle völlig unverständlich, denn insgesamt werden 15 000 Betroffene im Monat mehr als 3 000 S bekommen, und dies ist zweifellos eine nicht unbeträchtliche Verbesserung der Pflegevorsorge.

Ich möchte auch darauf hinweisen, daß diese Novelle mit den Betroffenen intensivst durchdiskutiert wurde. Ich halte es für ganz besonders wichtig, Gesetze beziehungsweise Gesetzesänderungen detailliert mit den letztlich Betroffenen zu erörtern, um alle verschiedenen Interessen, aber auch Einwände letztendlich einfließen zu lassen.

Bei der vorliegenden Novelle wurde diesem Anspruch Genüge getan. Der beste Beweis dafür ist die Zustimmung der Arbeitsgemeinschaft Rehabilitation, der Dachorganisation der Behindertenorganisationen, zu dieser Novelle. Diese Organisation spricht immerhin für über 300 000 behinderte Menschen. Ursprünglich durchaus unterschiedliche Meinungen konnten gemeinsam ausdiskutiert, auf einen gemeinsamen Nenner gebracht und zusammengefaßt werden. Daher meine ich auch, daß diese Novelle letztlich eine gelungene Maßnahme darstellt. In diesem Zusammenhang ist auch den verschiedenen Behindertenverbänden für ihr Engagement zu danken. Sie haben wesentliche und praxisorientierte Beiträge zu den vorangegangenen Diskussionen beisteuern können.

Wesentlich erscheint mir auch die ständige Evaluierung von Gesetzen, die auch in diesem konkreten Fall zur vorliegenden Novelle geführt hat. Wenn wir auch auf unser Pflegesystem insgesamt sehr stolz sein können, so ist doch von Zeit zu Zeit eine Justierung notwendig, um auf veränderte Situationen sinnvoll reagieren zu können. Sozialversicherung und Bund geben insgesamt mehr als 8 Milliarden Schilling für das österreichische Pflegesystem aus. Damit ist es unter sozialdemokratischer Federführung durchaus gelungen, ein auch nach internationalen Maßstäben ausgezeichnetes Hilfssystem zu etablieren. Mit der vorliegenden Novelle werden weitere Verbesserungen insbesondere in der Pflegestufe 4, wie es heute schon angesprochen wurde, möglich sein.

Ich darf in diesem Zusammenhang auch noch auf die Realität der Pflege verweisen. Untersuchungen zeigen, daß rund 80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen im Familienverband verbleiben können. An dieser Stelle sollte man auch all jenen Menschen Dank aussprechen, welche in aufopfernder Weise die Pflege von Angehörigen in der eigenen Familie übernehmen. Sie leisten mit dieser Arbeit einen ganz wichtigen Beitrag zur Finanzierbarkeit unseres Sozialsystems. Wir sollten nicht auf sie vergessen, wobei ich noch erwähnen möchte, daß rund 80 Prozent der Pflegearbeit in den Familien von den Frauen geleistet wird.

Mit der Einführung der Weiterversicherung für pflegende Personen ab 1. Jänner ist es gelungen, die gesellschaftlich enorm wertvolle Arbeit der Pflegenden sozialrechtlich abzusichern und besonders anzuerkennen. Der Umgang mit beeinträchtigten Menschen ist immer ein sicherer Maßstab für den humanistischen Entwicklungsgrad einer Gesellschaft. Dabei sollten wir eines nicht vergessen: Behinderte Menschen stellen keineswegs eine winzig kleine Minderheit dar. Halten wir uns vor Augen, daß eine gar nicht so kleine Gruppe unserer Gesellschaft in irgendeiner Form mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen leben muß und daß jeder durch unglückliche Umstände sehr schnell ebenfalls auf Hilfe und Pflege angewiesen sein kann! Die Politik in Österreich ist daher aufgerufen, ständig die Situation der großen Gruppe von be


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hinderten Menschen zu analysieren und bei Bedarf Adaptierungen im Pflegesystem vorzunehmen.

Mit der heutigen Novelle, so meine ich, erfüllen wir diesen wichtigen gesellschaftlichen Anspruch an die Politik, genauer gesagt, an die Sozialpolitik in unserem Lande, weshalb meine Fraktion dieser Vorlage die Zustimmung erteilen wird. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.35

Präsident Alfred Gerstl: Ich erteile nunmehr Frau Ministerin Hostasch das Wort. – Bitte.

14.35

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich bekenne mich zu der menschlichen Eigenschaft, nie genug Lob bekommen zu können, und möchte mich daher für die anerkennenden Worte zum Gesetz und auch zur Novelle bedanken. Ich möchte diese Anerkennung aber in erster Linie an Ex-Bundesminister Hesoun weitertransferieren, weil er es war, der den Durchbruch erzielt hat, daß dieses wirklich epochale Gesetz, dieser Meilenstein in der Sozialpolitik gesetzt werden konnte.

Wir waren uns aber – ich war zu diesem Zeitpunkt Vorsitzende des Sozialausschusses im Parlament – dessen bewußt, daß jedes neue Gesetz, gerade wenn es eine solch umfassende Materie betrifft, auch das Risiko in sich birgt, nicht genau jene Treffsicherheit zu haben, nicht genau jenes politische Ziel zu erreichen, das mit der Beschlußfassung verfolgt wurde. Daher war es für uns ganz wichtig – ich konnte das im vergangenen Jahr auch in der Öffentlichkeit präsentieren –, durch eine wissenschaftliche Begleitstudie bestätigt zu bekommen, daß wir mit diesem Gesetz eine sehr hohe Treffsicherheit und Bedarfsorientiertheit erzielen konnten. Professor Badelt hat festgestellt, daß zu über 85 Prozent genau jene Bedürfnisse abgedeckt werden, die durch das Gesetz angesprochen werden; Herr Bundesrat Repar hat auf diese wichtige Studie bereits verwiesen.

Trotzdem gibt es natürlich aus der täglichen Erfahrung immer wieder Beispiele, die mein Ressort veranlaßt haben, eine weitere Evaluierung und auch Novellierung des Gesetzes in Angriff zu nehmen. Darüber hinaus hat es wie bei jedem neuen Gesetz eine Fülle von oberstgerichtlichen Entscheidungen aufgrund von Einzelfällen gegeben, die eine Novellierung erforderlich machten. Wir haben uns daher sehr bemüht, nun bei der klareren, präziseren und umfassenderen Definition der einzelnen Pflegestufen auf diese Judikatur sehr genau Bezug zu nehmen, um das zu erreichen, was Herr Bundesrat Wolfinger angesprochen hat, nämlich weniger Rechtsfälle, weniger Verfahren und damit auch eine höhere Rechtssicherheit für alle Betroffenen zu schaffen.

Ich bin davon überzeugt, daß nach einigen Jahren aufgrund von neuen Entwicklungen wieder eine Anpassung erforderlich sein wird, aber ich meine, es ist ein Zeichen von wichtigen und guten Gesetzen, daß sie diese Durchlässigkeit, diese Transparenz haben, sich den Entwicklungen in der Gesellschaft entsprechend anpassen zu können.

Sie, Herr Bundesrat Wolfinger, haben auf die Bedeutung der Information verwiesen. Mein Ressort bemüht sich sehr, diesbezüglich möglichst wenig Defizite entstehen zu lassen. Daher haben wir eine eigene Broschüre zur Frage der Pflegevorsorge erarbeitet. Diese ist sogar in mehreren Sprachen erschienen – nicht nur, weil Österreich derzeit die EU-Präsidentschaft innehat, sondern weil wir glauben, daß es wichtig ist, diese zentrale Botschaft auch in anderen Sprachen zu vermitteln.

Darüber hinaus haben wir in unserem Haus eine eigene Telefonservicestelle eingerichtet, wo Pflegebedürftigen, aber auch ihren Betreuungspersonen mit Rat und Tat zur Seite gestanden wird. Dieses Telefonservice hat bereits eine hohe Akzeptanz erreicht und ist auf großes Interesse gestoßen, woraus wir erkennen konnten, daß wir damit eine Lücke geschlossen haben. Ich würde Sie daher bitten: Wenn Sie zusätzliches Informationsmaterial, weitere Informationen


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benötigen, treten Sie bitte an mein Ressort heran, aber machen Sie auch Ihre Wählerinnen und Wähler und Ihre Umgebung darauf aufmerksam.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Durch Ihre Beiträge konnten die wichtigsten Punkte der Änderungen in diesem Bundespflegegeldgesetz bereits herausgearbeitet werden, sodaß ich hier keine Wiederholung vornehmen möchte. Ich bin sehr dankbar dafür, daß erkennbar ist, daß im Bundesrat eine breite Zustimmung zu dieser Novelle gegeben ist. Sie können überzeugt sein: Es ist dies eine bedeutende Weiterentwicklung eines wichtigen Gesetzes. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.40

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird vom Berichterstatter ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entgeltfortzahlungsgesetz geändert wird (1192 und 1301/NR sowie 5739/BR der Beilagen)

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert werden (1233 und 1302/NR sowie 5740/BR der Beilagen)

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird (804/A und 1303/NR sowie 5741/BR der Beilagen)

13. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Karenzgeldgesetz und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden (819/A und 1304/NR sowie 5742/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 bis 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Entgeltfortzahlungsgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert werden,


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ein Bundesgesetz, mit dem das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Karenzgeldgesetz und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 10 bis 13 hat Herr Bundesrat Horst Freiberger übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Horst Freiberger: Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Zum Tagesordnungspunkt 10 liegt der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entgeltfortzahlungsgesetz geändert wird, schriftlich vor. Ich beschränke mich auf die Verlesung des Beschlußantrages.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht zu Tagesordnungspunkt 11 vom selben Ausschuß betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert werden, liegt ebenfalls schriftlich vor. Der Beschlußantrag lautet:

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht zu Tagesordnungspunkt 12 des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird, liegt ebenfalls schriftlich vor. Der Beschlußantrag lautet:

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 13 liegt der Bericht desselben Ausschusses ebenfalls schriftlich vor. Es geht um den Beschluß des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Karenzgeldgesetz und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden. Der Beschlußantrag lautet:

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Herr Präsident! Ich bitte, die Debatte darüber abzuführen und abstimmen zu lassen.

Präsident Alfred Gerstl: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. – Bitte.

14.44

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion wird dem Entgeltfortzahlungsgesetz in der vorliegenden Form ihre Zustimmung verweigern, weil es aus unserer Sicht nicht schlüssig und nicht nachzuvollziehen ist, aus welchen Gründen ausgerechnet nur jene Betriebe, die Arbeiter beschäftigen, und nicht auch alle anderen Teile der Wirtschaft in entsprechender Form ihren Beitrag für die Einführung der Chipkarte leisten. Das ist etwas, was uns weder im Ausschuß noch sonstwo erklärt werden konnte. Es sind dies offensichtlich die einzigen frei verfügbaren


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Mittel: 300 Millionen Schilling werden vom Erstattungsfonds hin zum Hauptverband verschoben, um die Chipkarte und deren Einführung vorzubereiten.

Das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz werden wir Freiheitlichen in vollem Umfang mittragen.

Das Post-Betriebsverfassungsgesetz werden wir, wie im Ausschuß, auch heute ablehnen, weil wir glauben, daß in einer Zeit, in der alle von einem einheitlichen Arbeitnehmerbegriff und von einer einheitlichen Arbeitnehmervertretung reden, dieses Post-Betriebsverfassungsgesetz schlichtweg ein Anachronismus ist. Diesen werden wir nicht unterstützen.

Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag, mit welchem das Arbeitslosenversicherungsgesetz sowie das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden, bringt sicherlich aus heutiger Sicht eine Verbesserung der sozialen Absicherung von Personen, die ohne Arbeitslosenversicherungspflicht erwerbstätig waren, nämlich von selbständigen freien Dienstnehmern, also arbeitslosenversicherungsfreien unselbständig Erwerbstätigen oder neuen Selbständigen sowie Personen, die außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes beschäftigt waren. Aber wenn ich diese Gesetzesvorlage so vor mir sehe, dann muß ich mich ein bißchen darüber ärgern, und zwar deshalb, weil man einem bis zum Jahr 1996 als selbstverständlich angesehenen Anspruch auf Arbeitslose für Selbständige mit einer finanziellen Belastung wiederum – aber da nur zum Teil – stattgibt.

Bis zum Jahr 1996 galt die Rahmenfristerstreckung ohne Begrenzung und kostenlos. Es wurde also der Anspruch auf Arbeitslose im Rahmen einer unselbständigen Tätigkeit selbstverständlich weitergeführt. Man stand also nicht ganz mittellos da, wenn man selbständig war und einen das Los der Auflösung des Betriebes getroffen hat. Wenn es auch zuviel war zum Sterben und ein bißchen zuwenig zum Leben, so ist man eben doch nicht ganz mittellos und hilflos dagestanden.

1996 gab es aus heiterem Himmel für dieses Gesetz das Aus. Schlagartig hat man die alten Ansprüche verloren, und es blieb für viele – Ihnen sind, meine Damen und Herren, bestimmt solche Fälle bekannt – nur der Weg zur Sozialhilfe übrig. Das heißt, zuerst das gesamte Eigentum zu verlieren, das heißt aber auch, daß diese Sozialhilfe von den Familien zurückgezahlt werden mußte.

Die Freiheitlichen haben jahrelang Anträge zur Änderung eingebracht: Mindestzeit zehn Jahre unbefristeter Anspruch auf Arbeitslose. Gleichzeitig mit der Reform 1996 kam aber die Gründerwelle, die Förderung von Jungunternehmern, und man hat es verabsäumt – bewußt oder unbewußt –, diese Jungunternehmer darauf hinzuweisen, daß die Rahmenfristerstreckung auf maximal drei Jahre eingeschränkt ist. Der Kernpunkt des Gesetzes betrifft also die Schaffung von Abhilfe für den genannten Personenkreis, die durch das Strukturanpassungsgesetz aus dem Jahre 1996 ihre alten Ansprüche verloren haben. Nun soll ein einheitlicher Betrag in der Höhe von 500 S bezahlt werden, was allerdings zu einem Arbeitslosengeld von maximal dem Ausgleichszulagenrücksatz führt. Und der Nachkauf für das entstandene Loch wird jedenfalls 8 500 S kosten.

Unser Vorschlag, der in mehreren Anträgen im Nationalrat zum Ausdruck gebracht wurde, nach Schaffung einer ewigen Anwartschaft, wenn der Betrieb lange Zeit – wenigstens zehn Jahre – versichert war und wenig Leistung bezogen hat, würde den Bedürfnissen der Wirtschaft eher gerecht werden und entspräche auch eher dem alten Rechtszustand.

Das ist ein Manko in diesem Gesetz! Wir hätten uns für Unternehmer, vor allem für die Jungunternehmer, die bestimmt ein hohes Risiko eingehen – die Risikozeit ist nachweislich drei Jahre – eine bessere Lösung erwartet.

Wir werden das Gesetz, das für die Nebenerwerbsbauern eine Einheitswertgrenze beim Bezug der Arbeitslosen und eine Valorisierung vorsieht, voll unterstützen. Wir denken, daß hier der Regelungsbedarf richtig erkannt worden ist. Wir lehnen allerdings den Regelungsbedarf für jene, die selbständig geworden sind und bei Insolvenz von der Gefahr der Arbeitslosigkeit bedroht sind, in der vorliegenden Form ab.


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Die Bundesregierung hat durch die Reform 1996 zu diesen sozialen Mißständen beigetragen. Ich meine, daß die Behebung der Mißstände in der vorliegenden Form nicht unterstützenswert ist. Noch dazu werden diejenigen aus Unternehmerkreisen, die früher unselbständig tätig waren und in den letzten zwei Jahren seit der Reform von Arbeitslosigkeit und Insolvenz betroffen waren, nicht miterfaßt. Ich glaube, daß wir Freiheitlichen gute Gründe haben, diesem Gesetz nicht zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.51

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach (den Vorsitz übernehmend): Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Giesinger. – Bitte.

14.51

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Zur Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, des Karenzgeldgesetzes und des Arbeitsmarktservicegesetzes möchte ich positiv vermerken, daß es neben anderem nun möglich ist, daß selbständig und unselbständig Beschäftigte im Ausland, die nicht der Versicherungspflicht nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 unterliegen, sich freiwillig in der Arbeitslosenversicherung versichern können. Voraussetzung dafür ist, daß diese Menschen innerhalb der letzten fünf beziehungsweise sechseinhalb Jahre – inklusive Karenz – drei Jahre in Österreich arbeitslosenpflichtversichert waren.

Dies kostet den Antragsteller monatlich 500 S. Der Antrag dazu muß allerdings binnen einem Jahr nach Ende der Pflichtversicherung gestellt werden. Selbständig Erwerbstätige sowie unselbständig im Ausland Beschäftigte, die vor dem 1. Jänner 1999 ihre Tätigkeiten ausüben, haben die Möglichkeit, bis Ende dieses Jahres – also dem 31. Dezember 1998 – diesen Antrag zu stellen. Für die ersten drei Jahre nach dem Ende der Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung ist kein Sicherungsbeitrag zu entrichten, ebenso für vor dem 1. Mai 1996 liegende Zeiträume.

Zum Bundesgesetz, mit dem das Entgeltfortzahlungsgesetz geändert wird, möchte ich daran erinnern, daß bereits am 21. November 1996, also vor gut zweieinviertel Jahren, im Nationalrat eine Entschließung gefaßt wurde, mit der der Bundesminister für Soziales aufgefordert wurde, die Voraussetzungen für die Einführung einer Chipkarte mit 1. Jänner 1998 – ich wiederhole: mit 1. Jänner 1998, also mit heurigem Jahr! – zu schaffen. Dies wurde auch in einer Anfragebeantwortung vom Bundesminister bestätigt und versprochen.

Heute müssen wir feststellen, daß noch nicht einmal die Ausschreibung für die Chipkarte erfolgt ist. Auf meine diesbezügliche Frage gestern im Bundesratsausschuß antwortete mir Sektionschef Wirth, daß derzeit Gespräche für die Ausschreibung laufen, Mitte September dieses Jahres die Ausschreibung erfolgen und im Laufe des nächsten Jahres – also 1999 – schrittweise in einzelnen Regionen die Einführung der Chipkarte erfolgen wird. Sektionschef Wirth rechnet damit, daß im Jahre 2000 die Chipkarte für alle eingeführt wird.

Ich möchte erwähnen, daß, wenn sich die Wirtschaft nicht bereit erklärt hätte, 300 Millionen Schilling aus dem EFZG-Fonds zu bezahlen, die Einführung der Chipkarte wahrscheinlich trotz Versprechen noch lange nicht erfolgt wäre. Hier setzt meine Kritik auch an. In der Regierungsvorlage steht, daß dies ein fairer Beitrag der Wirtschaft ist, weil sie sich dadurch Verwaltungskosten erspart. Ich möchte daran erinnern, daß Betriebe diesen Verwaltungsaufwand seit Jahren kostenlos – ich betone: kostenlos! – für den Staat machen. Allerdings stelle ich nun mit Bedauern fest, daß dies anscheinend vom Bund nun schon als Selbstverständlichkeit erachtet wird. (Bundesrat Konečny: Ja!)

Außerdem belasten wir als Gesetzgeber die Betriebe mit immer mehr Bürokratie und Verwaltungsaufwand. Als Beispiel nenne ich die Flut von Gesetzesblättern und die Gesetze selbst, zum Beispiel das Arbeitnehmerschutzgesetz und so weiter. Der Verwaltungsaufwand der Vorarlberger Wirtschaft beträgt jährlich zirka 1,85 Milliarden Schilling – zirka 20 000 S pro Mitarbeiter. Das bedeutet zirka 80 S pro Arbeitstag und Mitarbeiter. Wir müssen uns das einmal vorstellen: zirka 80 S pro Tag und Mitarbeiter Verwaltungsaufwand nur in Vorarlberg! Wenn man das öster


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reichweit umrechnet, ist dieser Betrag natürlich viel höher. (Bundesrat Konečny: Wenn man das im Kopf umrechnet, ist es auch nicht höher!)

Daher stelle ich folgendes fest: Ich hoffe, daß die Einführung der Chipkarte nun planmäßig in Angriff genommen und nicht wieder verzögert wird und somit auch Versprechungen und dringende Notwendigkeiten eingehalten werden. Außerdem profitieren von der Einführung der Chipkarte nicht nur insbesondere die Arbeitgeber, wie es im Ausschußbericht des Bundesrates heißt, sondern alle: Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Ärzte und die Sozialversicherungen. – Dies sei nur nebenbei erwähnt.

Weiters stelle ich einmal mehr die schon oft von mir vorgebrachte Forderung auf, daß erstens Gesetzestexte auf ihre praktische Durchführbarkeit überprüft werden sollen – ich bin zutiefst überzeugt, daß es dadurch automatisch weniger Gesetze gibt und der Gesetzesflut Einhalt geboten wird –, zweitens eine Kostenberechnung nicht nur für den Bund, die Länder und Gemeinden, sondern auch für die Wirtschaft und für die Bevölkerung erfolgt und daß drittens die Gesetzestexte verständlich geschrieben werden. Würden wir hier endlich handeln, wäre dies ein großer Schritt in der Gesetzgebung und auch ein Schritt hin zur Achtung der Bevölkerung dem Gesetzgeber gegenüber. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

14.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Drochter. – Bitte.

14.57

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich habe dafür Verständnis, daß sich Kollegin Giesinger knapp vor den Ferien den Frust von der Seele redet, aber ich vertraue auf die Durchschlagskraft, auf das Durchsetzungsvermögen und auf die Kompetenz unserer Frau Bundesministerin. Sicherlich, Kollegin Giesinger, sind 80 S Verwaltungsaufwand pro Tag für einen Arbeitnehmer eine Menge Geld. Diese 80 S hätten eine noch viel größere Bedeutung, wenn die Produktivität des einzelnen Arbeitnehmers vielleicht nur 70 S oder 100 S betragen würde. Sie wissen jedoch ganz genau, daß die Produktivität der österreichischen Arbeitnehmer zu den höchsten in Europa und auch weltweit zu den höchsten gehört. Das hat auch dazu geführt, daß wir uns in Österreich so manches Sozialgesetz überhaupt leisten können.

Wir glauben, daß wir mit der Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes in Richtung Einführung der Chipkarte eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung, eine Entlastung der Arbeitgeber auf längere Zeit bewirkt haben. In den letzten Monaten – das ist uns allen noch im Ohr – wurde immer wieder über das bestehende Krankenscheinsystem und den diesbezüglichen Verwaltungsaufwand für die Betriebe geklagt – ein Beschäftigter muß sich mit dem Ausfüllen von Krankenscheinen und allen anderen Notwendigkeiten in diesem Zusammenhang befassen.

Ich glaube, daß es nur recht und billig ist, wenn als erste Zahlung 300 Millionen Schilling aus dem Erstattungsfonds kommen. Es wird ja nicht bestritten, daß dieser Erstattungsfonds ausschließlich aus den Arbeitgeberbeiträgen gespeist wird. Aber es ist auch anzuführen, daß diese Reserven im Erstattungsfonds nur deswegen angewachsen sind, weil die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den letzten Jahren – ich möchte hier keine Gründe anführen – weniger Krankenstände zu verzeichnen hatten.

Aber ich bin der Meinung, daß das Geld, wenn es da ist, auch sinnvoll eingesetzt werden sollte, und das ist bei der Einführung der Chipkarte sicherlich der Fall. Ich bin auch dafür, daß man da ein Ausschreibungsverfahren vorbereitet und es dann eine europaweite Ausschreibung gibt.

Bei der Änderung des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes geht es ausschließlich darum, daß auch Arbeitnehmer von Leihfirmen, die tatsächlich überwiegend in Baubetrieben und auf Baustellen beschäftigt waren, von der Schlechtwetterregelung, die es bei den Bauarbeitern seit Jahrzehnten gibt, erfaßt werden. Es erfolgt damit eine Gleichstellung der Arbeitnehmer von Leiharbeitsfirmen mit den übrigen Bauarbeitern bei der Schlechtwettervergütung und der Pauschalierung der Einhebungsgebühren.


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Einbezogen werden zusätzlich auch die Arbeitnehmer, die bei der Wildbachverbauung und Lawinenverbauung beschäftigt sind. Auch für sie gilt die Feiertagsregelung des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes in der Zukunft.

Kritisch angemerkt wurden von der FPÖ die Regelungen im Post-Betriebsverfassungsgesetz. Diese Novellierung ist notwendig geworden, weil es im Bereich des Postunternehmens zu wesentlichen Strukturveränderungen gekommen ist, um in diesem Bereich rechtzeitig reagieren zu können. Die Klarstellung betrifft nicht nur die direkten, sondern auch die indirekten Beteiligungen des Unternehmens. Die neuen Regelungen ermöglichen nun den Arbeitgebern und den Personalvertretern, durch Bertriebsvereinbarungen in Fragen der Abgrenzung des Wirkungsbereiches der Personalausschüsse auf eine neue Struktur des Unternehmens besser Rücksicht zu nehmen. Ich glaube, daß das auch im Interesse des Unternehmens selbst sein muß.

Des weiteren wird die Zahl der Mitglieder des Zentralausschusses der Personalvertretung für zweigliedrige Unternehmen neu festgelegt. Ebenso wird ergänzend geregelt, daß in kleineren und mittleren Unternehmen bis zu vier Beschäftigten ein Mandat in einem Vertrauenspersonenausschuß zugleich mit einem Mandat im Zentralausschuß ausgeübt werden kann. Auch da kommt es zu keiner Vermehrung der Personalvertreter. Die Freistellung von behinderten Personen – ein Anliegen aller Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat – erfolgt erst dann, wenn zumindest 400 Arbeitnehmer zu vertreten sind. Diese Neuregelung entspricht auch der Freistellungsregelung für Vertrauenspersonen in der Zukunft.

Nun einige Anmerkungen zur Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, des Karenzgeldgesetzes und des Arbeitsmarktservicegesetzes. Da muß ich sagen, daß es auch für die Arbeitnehmer keine Arbeitslosenunterstützung gäbe, Kollegin Haunschmid (Bundesrätin Haunschmid: Die haben eh genug gezahlt!) , wenn sie keine Beiträge zahlen würden. Ich glaube, daß das gleiche auch für Arbeitgeber zu gelten hat. Sie haben verlangt, daß die Arbeitgeber auch ohne Beitragsleistungen eine Arbeitslosenunterstützung bekommen sollen, aber vielleicht war es auch nur provozierend gemeint. Ich glaube, daß Sie das nicht ernst gemeint haben können.

Die Änderungen, die in diesem Gesetz vorgenommen worden sind oder gegen welches heute kein Einspruch erhoben werden soll, dienen ausschließlich dem Zweck einer besseren Absicherung der Selbständigen, doch das dürfte Ihnen bei der Betrachtung insgesamt entgangen sein. Ich möchte auf die einzelnen Verbesserungen, die ausschließlich die Arbeitgeber betreffen, nicht im besonderen eingehen. Ich möchte nur noch sagen, daß die sozialdemokratische Fraktion des Bundesrates gegen all die zur Behandlung vorliegenden Punkte keinen Einspruch erheben wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schöls. – Bitte, Herr Bundesrat.

15.05

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen berichten, daß die Fraktion der Österreichischen Volkspartei sämtlichen nun zur Diskussion stehenden Vorlagen die Zustimmung erteilen wird, weil wir darin weitere Schritte sehen, um in den einzelnen Bereichen Anpassungen und Verbesserungen herbeizuführen.

Obwohl zum Entgeltfortzahlungsgesetz von Kollegin Giesinger – aus ihrer Warte vielleicht sogar verständlich – einige kritische Anmerkungen gemacht wurden, so darf ich doch sagen, daß wir mit der Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes einen wichtigen ersten Schritt setzen wollen, um auch die Finanzierung der Einführung der Chipkarte sicherzustellen.

Es hat sich, wie das manchmal im Leben passiert, auch bei der Diskussion um die Einführung der Chipkarte gezeigt, daß zwar der Grundgedanke sehr positiv und die Idee sehr schnell ausgesprochen ist, diese Chipkarte auf eine entsprechend solide Basis zu stellen, wir Arbeitnehmervertreter aber schon noch einige Fragen zu stellen haben, wie etwa die Fragen, was auf dieser


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Chipkarte alles enthalten sein soll, wie diese Chipkarte eingesetzt werden soll, welche Möglichkeit der Bekämpfung der Schwarzarbeit durch diese Chipkarte geschaffen werden soll. Daher glaube ich, daß es besser ist – ich bin überzeugt davon, daß das auch Kollegin Giesinger so sieht –, wenn wir, damit es ein gutes Produkt wird, diese Chipkarte um ein halbes Jahr später einführen, anstatt eine Husch-Pfusch-Regelung zu beschließen, bei welcher dann wieder Sanierungsbedarf besteht. Daher die Zustimmung zu dieser Gesetzesmaterie seitens der Österreichischen Volkspartei.

Zum Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz und zum Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz werden wir natürlich auch unsere Zustimmung geben, wobei ich sagen muß, daß ich mich persönlich mit dem sperrigen Ausdruck des Arbeitskräfteüberlassers ein bißchen schwertue. Vielleicht könnten wir bei der nächsten Novelle darüber nachdenken, welchen besseren Begriff wir für diese Personalleasingfirmen finden könnten. Wie gesagt, mit dem Begriff "Arbeitskräfteüberlasser" habe ich persönlich Probleme.

Daß die Bediensteten der Wildbach- und Lawinenverbauung in diese Regelungen ebenfalls einbezogen werden, kann ich als Vertreter des öffentlichen Dienstes nur begrüßen, weil damit ein Schritt in Richtung Anpassung dieses Personenkreises erfolgt.

Ich hätte mich fast gewundert, wenn die Freiheitliche Partei dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, dem Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, dem Karenzgeldgesetz und dem Arbeitsmarktservicegesetz zugestimmt hätte.

Kollegin Haunschmid! Es kommt eher selten vor, daß ich Kollegen Waldhäusl nachtrauere, aber Kollege Waldhäusl, der immer als Robin Hood für die Bauern aufgetreten ist, wird sich sehr schwertun, wenn Sie aus fadenscheinigen Gründen sagen, Sie hätten gerne zugestimmt, aber Sie könnten nicht, und daher tun Sie es nicht. – Durch Ihre Ablehnung signalisieren Sie – Gott sei Dank sind Sie nicht so stark, daß Sie gestalten können –, daß Sie gegen Nebenerwerbslandwirte sind. Bei den Erfahrungen, die Sie mit der Firma Rosenstingl und den Gebrüdern Rosenstingl haben, kann ich mir natürlich vorstellen, daß Sie gewisse Berührungsängste haben, sich für Selbständige einzusetzen. (Bundesrat Konečny: Nebenerwerbskriminelle!) Wir jedoch begrüßen es, daß auch die Selbständigen und die Nebenerwerbslandwirte in diese Regelungen miteinbezogen werden. Aus diesem Grund werden wir diesen Vorlagen zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte, Frau Bundesministerin.

15.09

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Erlauben Sie mir einige kurze Bemerkungen zu den verschiedenen Gesetzesvorlagen.

Zur Regierungsvorlage betreffend das Entgeltfortzahlungsgesetz möchte ich folgendes sagen: Sie basiert auf einem Entschließungsantrag des Parlaments, der zum Inhalt hatte, daß zur Einführung der Chipkarte die Wirtschaft einen fairen Beitrag zu leisten hat. Es war Auftrag des Gesetzgebers, im Vorfeld dafür Sorge zu tragen, daß, wenn die Chipkarte in Angriff genommen wird, der Beitrag der Wirtschaft gesichert ist. Mit der Beschlußfassung ist nun die legistische Grundlage dafür geschaffen. Die Verhandlungen mit der Wirtschaft haben ergeben, daß diese Vorgangsweise den Wünschen aller Verhandlungspartner entspricht, und ich bin sehr froh darüber, daß nun diese Rechtsgrundlage gegeben ist.

Ich glaube, sehr geschätzte Damen und Herren, daß wir mit diesem sehr großen Projekt – ich glaube, daß es europaweit das größte EDV-Projekt der Gegenwart sein wird – neue Wege in der Servicierung, in einer geringeren Bürokratie und in mehr Effizienz gehen werden, aber nicht zuletzt auch eine Kostenersparnis zustande bringen werden, wenn flächendeckend eine komplette Implementierung erfolgt ist. Die – unter Anführungszeichen – "Profiteure" oder jene, bei denen die Kosteneinsparungen am stärksten zu erwarten sind, wird die Wirtschaft sein, und da


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mit haben wir auch einen Beitrag dazu geleistet, daß die Wirtschaft dann, wenn eine totale Implementierung erfolgt ist, von Bürokratiekosten entlastet wird.

Wenn Sie, sehr geschätzte Frau Bundesrätin Giesinger, meinen, die Ärzte profitierten mehr, dann würde ich Sie bitten, uns dabei zu unterstützen, die Ärzte davon zu überzeugen, daß sie auch dann profitieren, wenn die Chipkarte eingeführt wird. Derzeit sind die Ärzte nicht bereit, die Chipkarte zu akzeptieren. Im Gegenteil: Sie stellen finanzielle Forderungen im Fall der Einführung der Chipkarte. Sie haben das Argument des Hauptverbandes, Entlastungen erreichen zu wollen, bisher nicht akzeptiert, und zwar aus der Einschätzung heraus, die auch Sie, Frau Bundesrätin Giesinger, haben.

Erlauben Sie mir eine Bemerkung zur Frage Arbeitnehmerschutz, die Sie angesprochen haben. Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Es gibt sehr viele Beweise, daß der Arbeitnehmerschutz nicht nur eine wichtige Maßnahme für die Arbeitnehmer ist, sondern daß ein effektiver, ein effizienter Arbeitnehmerschutz Kostenersparnisse für die Wirtschaft und Kostenersparnisse für die gesamte Volkswirtschaft mit sich bringt. Ich bitte daher, wichtige Schutzgesetze für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht als Belastung, sondern auch als einen wichtigen Bestandteil einer effizienten Ökonomie zu sehen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Nun zum Post-Betriebsverfassungsgesetz und zur Frage der Mitbestimmung einige Anmerkungen: Ich glaube, daß es in einer sehr vielschichtigen, sehr vielfältigen Gesellschaft, in der es unterschiedliche Formen von Arbeitsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gibt, richtig ist, dafür Sorge zu tragen, daß in den Unternehmensstrukturen die möglichst beste Form der Mitbestimmung gesichert wird. Ich glaube, daß mit dieser Änderung des Post-Betriebsverfassungsgesetzes nun den Bedürfnissen der dort Beschäftigten und der Unternehmensleitungen bestmöglich entsprochen wird. Ich glaube, unsere Beziehungen im Sinne des sozialpartnerschaftlichen Dialoges erweisen sich als eine sehr funktionierende, sehr gute, nicht zuletzt für die gesamte österreichische Sozialpartnerschaft wichtige Errungenschaft, für die wir weiter eintreten sollen und auch eintreten müssen.

Erlauben Sie mir zum Arbeitslosenversicherungsgesetz zwei Hinweise insofern, als auch in der öffentlichen Diskussion die Frage einer Arbeitslosenunterstützung für Selbständige als zentrales Element diskutiert wird: Es gibt unter anderen meiner Meinung nach zwei sehr wichtige Bestimmungen, mit welchen wir im Rahmen dieses Initiativantrages erreichen werden, daß die Auflebstiftung – eine wichtige Stiftung für die Beschäftigten in der Lebensmittelbranche – auf ein Jahr verlängert wird, das heißt, auch für das Jahr 1999 gesichert ist. Damit haben wir für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schwere Zeiten durchmachen, eine zusätzliche Auffangmöglichkeit geschaffen. Diese Stiftung bewährt sich sehr, und ich bin daher sehr froh darüber, daß wir sie auch für 1999 sicherstellen können.

Eine zweite wichtige Maßnahme konnte in diesem Initiativantrag formuliert werden, und zwar dahin gehend, daß in der beruflichen Rehabilitation in Zukunft Schulungsarbeitslosengeld statt Deckung des Lebensunterhaltes bezahlt werden kann. Damit können wir aus den passiven Leistungen der Arbeitslosenversicherung entsprechende Finanzierungen bei der beruflichen Rehabilitation im Sinne der Betroffenen, aber auch der Träger, die die beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen durchführen, machen. Ich betone das, weil es in der öffentlichen Debatte ein bißchen untergegangen ist und wir oft den Fehler machen, bei Gesetzen, in welchen viele Punkte Fortschritte mit sich bringen, die gemachten Erfolge zu vernachlässigen.

Zur Frage der Sicherung von Zeiten der Arbeitslosenversicherung, der Sicherung der Ansprüche bei Selbständigkeit durch einen Sicherungsbeitrag, wenn diese beendet wurde, darf ich schon sagen, sehr geschätzte Damen und Herren, daß ich glaube, daß das ein sehr faires Angebot für Selbständige ist, sich mit diesem Sicherungsbeitrag Ansprüche aus früher geleisteten Arbeitslosenversicherungszeiten zu sichern. Ich würde es als absolut unfair betrachten und als keine soziale Ausgewogenheit sehen, wenn diese Ansprüche womöglich beitragsfrei oder mit geringeren Beiträgen abgesichert werden sollten. Auch da bedarf es einer sozialen Ausgewogenheit. Es bedarf selbstverständlich auch für selbständig Erwerbstätige eines sozialen Schutzes, wenn sie in die Situation kommen, diesen zu benötigen, aber so wie unselbständig Erwerbstätige und


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ihre Arbeitgeber müssen auch Selbständige einen entsprechenden fairen finanziellen Beitrag leisten. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Schaufler. – Bitte, Herr Bundesrat.

15.17

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Wenn man sich freut, so soll man das auch sagen, und ich habe als Landessekretär der Gewerkschaft Agrar, Nahrung, Genuß Grund zur Freude, denn es war uns ein Bedürfnis, daß diese Auflebstiftung um ein Jahr verlängert wird, weil Veränderungen in Bereichen der Lebensmittelindustrie – ich sage es jetzt einmal global, um nicht zu lang zu sprechen – einfach nicht abgeschlossen sind und wir als dort Tätige wissen, daß es auch im Jahre 1999 Menschen geben wird, die in ihren Betrieben vor dem Aus stehen. Daher ist diese Auflebstiftung für uns wichtig. Ein herzliches Dankeschön Ihnen, Frau Ministerin, und all jenen, die dazu beigetragen haben.

Ein zweiter Grund, warum ich mich freue, ist jener, daß doch endlich die Frage der Einheitswerte einer Teillösung zugeführt werden konnte. Seit zehn Jahren ist die diesbezügliche Regelung unverändert, und in diesen zehn Jahren habe ich im Rahmen meiner Tätigkeit x Anträge für Nebenerwerbstätige in der Land- und Forstwirtschaft formuliert, und nun ist es uns gelungen, endlich eine Änderung herbeizuführen. Die Anhebung von 54 000 auf 60 000 ist zwar nicht gerade das Gelbe vom Ei, aber doch ein Schritt in die richtige Richtung. Vor allem freut es mich aber, daß daneben die Valorisierung steht. Das gibt Hoffnung für die Zukunft. Ich glaube, daß damit auch einer Gruppe, die es nicht ganz leicht hat, weil sie zwar wie alle mit zwei Beinen im Leben steht, aber halt auf besonders exponierten Stellen, geholfen wurde. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entgeltfortzahlungsgesetz geändert wird.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Karenzgeldgesetz und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (55. Novelle zum ASVG) (1234 und 1365/NR sowie 5771/BR der Beilagen)

15. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (26. Novelle zum B-KUVG) (1237 und 1366/NR sowie 5772/BR der Beilagen)

16. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (22. Novelle zum BSVG) (1236 und 1374/NR sowie 5773/BR der Beilagen)

17. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (23. Novelle zum GSVG) (1235 und 1378/NR sowie 5774/BR der Beilagen)

18. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert wird (11. Novelle zum FSVG) (1238 und 1379/NR sowie 5775/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 14 bis 18 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, die 55. Novelle zum ASVG,

ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird,


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ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert wird.

Ich bitte Frau Bundesrätin Schicker, die Berichte über die Punkte 14 bis 18 zu erstatten.

Berichterstatterin Johanna Schicker: Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eigentlich entgegen den Gepflogenheiten vorgehabt, all diese Berichte zu verlesen, nachdem am Beginn der Sitzung seitens einiger Kollegen der FPÖ behauptet worden war, daß Unterlagen nicht vorgelegen wären. Dies wurde jedoch in der Zwischenzeit geklärt beziehungsweise bereinigt. Herr Dr. Tremmel hat mir gegenüber erklärt, es sei ein Fehler oder was immer gewesen, die Berichte seien jedenfalls aufgetaucht. Deshalb kann ich mir jetzt die Verlesung ersparen und wie üblich nur die Antragstellung vornehmen.

Da für alle fünf Gesetzesvorlagen die Ausschußberichte mit Stimmenmehrheit beschlossen wurden, verlese ich hiermit für alle fünf Vorlagen gleichzeitig den Antrag, Frau Präsidentin, wenn Sie erlauben:

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlagen am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung und die Übermittlung der Anträge des Ausschusses.

Wir gehen nun in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

15.22

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich eingangs festhalten, daß auch eine umfassende Berichterstattung durch die Frau Berichterstatterin nichts an der Tatsache geändert hätte, daß bei den zur Verhandlung stehenden Tagesordnungspunkten 14 bis 19 die Verfassungskonformität nicht gegeben ist, und zwar deshalb, weil im Vorlauf einige Pannen passiert sind. Es sind nämlich die Ausschußberichte nicht, wie es in der Geschäftsordnung explizit vorgesehen ist, geschäftsordnungsgemäß zugemittelt worden.

Meine Damen und Herren! Ein paar Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend die 55. ASVG-Novelle, und zwar deshalb zur Regierungsvorlage, weil logischerweise formal die Ausschußberichte nicht zur Debatte stehen können.

In der Regierungsvorlage – ich greife nur einen Bereich heraus – wird darauf eingegangen, daß in Hinkunft die Liste der Berufskrankheiten erweitert wird. Ich zitiere aus den Erläuterungen: "Eine Rückfrage bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt hat ergeben, daß keine Daten vorliegen, die eine Schätzung der mit der vorgeschlagenen Erweiterung der Berufskrankheitenliste verbundenen allfälligen Mehraufwendungen zulassen." – Zu einem Teil handelt es sich bei diesen Fällen um selten auftretende Einzelfälle, zu einem anderen Teil sind diese bereits über die Generalklausel abgedeckt.

Meine Damen und Herren! Ich meine, wenn es heißt "zum Teil abgedeckt", dann hat doch eine Sozialgesetzgebung nicht die Aufgabe, wieder zu differenzieren oder vorweg erkennen zu lassen, daß damit die Problematik bewältigt ist. Ich vermisse da die Treffsicherheit, und es darf, wenn man Treffsicherheit erreichen will, nicht sein, daß über die Kosten nicht gesprochen wird.


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Zum Stichwort Kosten aufgrund dieses Gesetzes möchte ich sagen: Es ist eigentlich bezeichnend – Sie können es den Erläuterungen entnehmen –, daß der Grundtenor zu allen Änderungen in diesem Gesetz heißt, daß es keine finanziellen Auswirkungen geben wird.

Ich nehme da wahllos als Beispiel § 54 Abs. 5 heraus. Da steht: Es handelt sich dabei um eine reine administrative Klarstellung ohne finanzielle Auswirkung. – Bei § 108e Abs. 2 steht ebenfalls: Es handelt sich dabei um eine reine administrative Klarstellung ohne finanzielle Auswirkung. – Diese Liste ließe sich minutenlang fortsetzen.

Meine Damen und Herren! Wenn man diese Erläuterungen zur Gänze liest, kann man aber als sogenannte Schlußbemerkung im vorletzten Absatz folgendes lesen: "Der Bund wird direkt im Wege des Bundesbeitrages zur Pensionsversicherung um rund 2,5 Mio.S entlastet, dem steht allerdings eine indirekte Mehrbelastung im Wege des Familienlastenausgleichsfonds von rund 3,5 Mio.S gegenüber." – Im letzten Absatz steht dann: Der Rechtsträger der freiwilligen Feuerwehr etc, das sind im allgemeinen die Länder, wird mit 1,5 Mio.S belastet.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß in den Erläuterungen ein eklatanter Widerspruch enthalten ist, denn einerseits ist davon die Rede, daß es keine Mehrkosten gibt, andererseits steht im Schlußsatz das Gegenteil.

Ob es sinnvoll ist, vom Familienlastenausgleichsfonds umzuschichten, wenn es Mehrkosten gibt, wie aus den Erläuterungen hervorgeht, muß man sicherlich fragen. Das hätten wir, wenn wir den Ausschußbericht zeitgemäß gehabt hätten, hinterfragen können.

Meine Damen und Herren! Wenn es sich auch "nur" – unter Anführungszeichen – um 1,5 Millionen Schilling handelt, mit denen die Länder belastet werden, so bitte ich doch darum, die Dinge beim Namen zu nennen, anstatt zu sagen, daß es zu einer Treffsicherheit ohne finanzielle Mehrbelastungen kommt.

Aus den beiden genannten Gründen, nämlich weil einerseits die Verfassungskonformität nicht gegeben ist und weil andererseits die Frage der finanziellen Mehrbelastung nicht geklärt ist, wird meine Fraktion diesen Vorlagen die Zustimmung verweigern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fischer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

15.28

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die gegenständlichen Gesetzesbeschlüsse sehen zahlreiche Änderungen und Ergänzungen vor, welche großteils der Rechtsbereinigung, der Verbesserung der Praxis beziehungsweise der Anpassung an die Rechtsentwicklung innerhalb der Sozialversicherungen dienen sollen. So steht es als Einleitung in den Berichten.

Diese Novelle im ASVG ist nicht so weitreichend, wie die 54. ASVG-Novelle es war. Sie enthält aber trotzdem wichtige Änderungen, angefangen vom Wochengeld für die freien Dienstnehmerinnen, die Erweiterung der Berufskrankheitenliste, aber auch die Regelung des Zahnersatzes, die ich grundsätzlich sehr positiv finde und von der ich froh bin, daß sie nach langen Verhandlungen zustande gekommen ist, da den Patienten die hohen Kosten meistens privat vom Zahnarzt verrechnet wurden.

Es muß aber auch sichergestellt werden, daß diese Behandlung auch im ländlichen Bereich gewährleistet ist.

Im GSVG finde ich die Einführung der niedrigen Anfänger-Mindestbemessungsbeitragsgrundlage bei der erstmaligen Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit sehr positiv, denn es ist wichtig, daß jungen Menschen, die ein Gewerbe aufbauen, dies erleichtert wird, denn damit werden auch Arbeitsplätze geschaffen.


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Ich möchte mich aber auch mit dem Bereich des BSVG in der 22. Novelle auseinandersetzen, in der die neue Unfallversicherungsregelung einen sehr wesentlichen Punkt darstellt. Die Leistungen der bäuerlichen Unfallversicherungen werden mit dieser Novelle den Gegebenheiten des bäuerlichen Betriebes angepaßt.

1999 wird die bäuerliche Unfallversicherung 70 Jahre alt. Dieses aus dem Landarbeiterbereich gewachsene Leistungsrecht blieb in dieser Zeit beinahe unverändert, während sich in der Vergangenheit gerade die Krankenversicherung, aber auch die bäuerliche Pensionsversicherung ständig verändert und angepaßt haben.

Der Unfallversicherungsschutz wird im bäuerlichen Bereich auf die Erwerbskombinationen ausgedehnt, welche für die Familien zugänglich sind, und wird um das bäuerliche Nebengewerbe und um die Agrargemeinschaften erweitert. Die Leistungen aus dieser gesetzlichen Unfallversicherung sollen zielorientiert den bäuerlichen Versicherten zugute kommen, und sie sollen dabei helfen, daß die Sorge um die Weiterführung des Betriebes gelindert wird.

Die Bemessungsgrundlage für eine anfallende Betriebsrente wird auf einen einheitlichen Betrag in der Höhe von 204 000 S gegenüber 64 000 S im alten Recht angehoben. Damit wird ein Ausgleich für den unfallbedingten und auf Dauer eingetretenen Einkommensverlust erreicht. Fällt eine Berentung an, so kann diese in einer Höhe zuerkannt werden, mit der tatsächlich der Einkommensverlust aufgrund der Behinderung, die die Unfallsfolge war, ausgeglichen werden kann.

Der Versichertenkreis wird auf die Geschwister des Betriebsführers oder der Betriebsführerin ausgedehnt.

Die bäuerliche Unfallversicherung wird mit dieser Novelle den heutigen Anforderungen angepaßt, und ich bedanke mich sehr herzlich beim Obmann der Sozialversicherung, Herrn Abgeordneten Karl Donabauer, der sich vehement dafür eingesetzt, sehr vorbildlich gearbeitet und auch sehr gut verhandelt hat.

Ich bedanke mich aber auch bei Ihnen, Frau Bundesministerin, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diesen Veränderungen sehr positiv gegenübergestanden sind und auch die Notwendigkeit dieser Veränderungen erkannt haben. Die neue Unfallversicherung ist neben der Krankenscheinregelung für bäuerliche Versicherte ein sozialpolitischer Meilenstein! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Drochter. – Bitte.

15.35

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Liebe Frau Vizepräsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Es hat heftige Kämpfe gegeben, und es hat lange den Anschein gehabt, als ob es zum gegebenen Zeitpunkt zu keiner Novellierung des ASVG kommen würde. Aber durch die Zähigkeit und das Verhandlungsgeschick unserer Frau Bundesministerin ist es doch gelungen, auch das letzte Hindernis – die Frage des festsitzenden Zahnersatzes – aus dem Weg zu schaffen und doch zu der 55. Novelle zu kommen. Ich muß dazusagen, daß die Bestimmung über den festsitzenden Zahnersatz nicht in der 55. Novelle enthalten ist, sondern mittels einer Parteienvereinbarung und eines Regierungsübereinkommens geregelt wird.

Um hier auch einmal zu sagen, um welche Dimensionen es sich dabei handelt, möchte ich einige Zahlen nennen. 95 Prozent der österreichischen Bevölkerung suchen einen Zahnarzt auf; nur 5 Prozent haben die Gelegenheit, ein Ambulatorium zu besuchen. Die Zahnärzte verfügen in Österreich – zumindest nach meinen Informationen – über insgesamt 2 500 Behandlungsstühle. In den Ambulatorien sind nicht einmal 60 Stühle vorhanden. Man sieht also, daß dieses Thema von einer recht konservativen Gruppe politisch aufgebauscht worden ist, von der wir alle wissen,


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daß sie bald Interessenvertretungswahlen zu bewältigen hat: Das ist die Ärztekammer, und das sind die Zahnärzte.

Aber, wie gesagt, es besteht Aussicht, daß es in dieser Frage zu einer Einigung kommt. Bei den Verhandlungen, die der Hauptverband in den nächsten Wochen und Monaten mit der Ärztekammer zu führen hat, ist es das Ziel, einen Vertrag abzuschließen, der die Regelung der Leistungen der Ambulatorien auch festhält.

Sollte es zu keiner Einigung kommen, dann wird am 16. Dezember des heurigen Jahres durch den Initiativantrag eine Änderung des ASVG festgelegt, wonach Ambulatorien festsitzende Zahnersätze, also Kronen und Brücken, anbieten dürfen. Ich gehe davon aus, daß es zu einer Einigung kommt und daß die wenigen Zahnarztstühle in den Ambulatorien der Bevölkerung schon bald auch dafür zur Verfügung stehen.

Wir haben aus einigen österreichischen Regionen sehr viel Unterstützung für diese Forderung bekommen, weil diese Regionen eben hinsichtlich zahnärztlicher Betreuung unterversorgt sind. Solche Regionen gibt es in allen unseren Bundesländern, sowohl in unseren westlichsten, als auch in den südlichsten.

Eine Reihe von anderen sehr wichtigen Themen ist in der 55. Novelle geregelt worden. Ich darf diese Punkte stichwortartig zur Kenntnis bringen. Es wurden zum Beispiel wesentliche Regelungen im Bereich der geringfügig Beschäftigten getroffen. Für den Arbeitnehmer beträgt der Beitragssatz bei geringfügiger Beschäftigung nunmehr einheitlich 540 S, und zwar sowohl für die Pensionsversicherung, als auch für die Krankenversicherung. Es wird in Zukunft auch für geringfügig Beschäftigte ein Wochengeld geben, und zwar in Form der Teilzeitbeihilfe in der Höhe von 2 780 S.

Es gibt weiters eine klare Regelung für freie Dienstnehmer, solche, die einkommensteuerpflichtige Personen und somit dem ASVG zuzuordnen sind, und für die neuen Selbständigen, die dem GSVG zuzuordnen sind. Auch freie Dienstnehmer erhalten in Zukunft ein Wochengeld. Dieses ist gleich hoch wie das der Unselbständigen, nämlich 2 780 S.

Was ganz wesentlich ist, ist, wie ich meine, auch die Einbeziehung der Feuerwehrleute in die Unfallversicherung. Die Mitglieder von Freiwilligen Feuerwehren und ähnlichen Rettungsorganisationen können nunmehr in die Unfallversicherung einbezogen werden – und zwar für alle Leistungen, die dem gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungskreis zuzuordnen sind –, wenn sie einen Jahresbeitrag von sage und schreibe 30 S leisten.

Es kommt auch zu einer Verlängerung der Mitversicherung. Das ist vor allem für unser Bundesland Vorarlberg von Bedeutung. Bei den Grenzgängern wird nämlich die Möglichkeit der Mitversicherung bis zum 27. Lebensjahr erweitert.

Es gibt auch eine ewige Anwartschaft bei der Invalidität. Wenn der Versicherungsfall der Invalidität vor dem 27. Geburtstag eintritt, so sind mindestens sechs Versicherungsmonate erforderlich. Es wird klargestellt, daß es sich dabei um eine ewige Anwartschaft handelt.

Es kommt auch zu einer wesentlichen Entlastung der Lehrbetriebe, was vor allem von der Wirtschaft und von den Ausbildungsbetrieben immer wieder gefordert worden ist. Alle Lehrverhältnisse, die ab dem 1. Juli 1998 bis Ende 1999 begründet werden, sind im ersten Lehrjahr von der Bezahlung der Unfallversicherung befreit.

Es gibt auch wesentliche Erleichterungen für neue Selbständigkeit, und ebenso gibt es nun eine Mindestbeitragsgrundlage im GSVG. Bei der erstmaligen Aufnahme einer gewerblichen Erwerbstätigkeit beträgt die Mindestbeitragsgrundlage während der ersten drei Jahre nur 7 400 S. Derzeit beträgt die Mindestbeitragsgrundlage 13 761 S. Das ist ein wesentlicher Beitrag, und ich glaube, damit wurde ein Versprechen, das von der Bundesregierung auch im NAP gegeben wurde, eingelöst.


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Es kommt auch zur Einführung einer Geringfügigkeitsgrenze. Eine große Zahl von Personen übt eine selbständige Tätigkeit aus, die der Gewerbeordnung unterliegt, aber nur sehr bescheidene Einkünfte erbringt.

Das sind nur einige Aspekte der 55. Novelle. Sie bringt nicht nur Vorteile für die Arbeitnehmer, sondern sie beinhaltet auch wesentliche Erleichterungen zur Einstellung von jungen Burschen und Mädchen in ein Lehrverhältnis, und ich glaube, sie bringt auch eine wesentliche Erleichterung für jene jungen Österreicher und Österreicherinnen, die sich selbständig machen wollen.

Wenn man nämlich den veröffentlichten Zahlen Glauben schenken darf, dann haben rund 100 000 junge Österreicher und Österreicherinnen die Absicht, sich selbständig zu machen. Aber aus den verschiedensten Gründen muß leider knapp die Hälfte davon dieses Unterfangen wieder aufgeben.

Wir Sozialdemokraten werden diesen Novellierungen, der 55. ASVG-Novelle und deren Nebengesetzen, gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

15.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

15.43

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich stehe nicht an, hier darzulegen, daß ich bei der Durchsicht der Unterlagen bezüglich der Ausschußberichte des Bundesrates feststellen mußte – weil die Legeordnung diesmal anders war, es war nicht diese, die ich erwartet hatte –, daß ich die restlichen sechs Ausschußberichte, die ich bei der Geschäftsordnungsdebatte moniert habe, übersehen hatte. (Ruf bei der ÖVP: Da schau her! – Bundesrätin Schicker: Dafür verdient Kollege Dr. Tremmel aber auch einen Applaus, nämlich für das Eingeständnis eines Fehlers! – Allgemeiner Beifall.)  – Danke sehr.

Aber es konnte nach wie vor nicht aufgeklärt werden, ob die Ausschußberichte des Nationalrates entsprechend zugegangen sind. Hier läuft die Klärung, und das ist für uns eine gravierende Frage, auch hinsichtlich der Vorbereitung. Indiz dafür war, daß die Ordnungszahlen des Nationalrates wohl auf der heute vorliegenden Tagesordnung vermerkt sind, aber bei der gestrigen uns zugesandten Tagesordnung waren sie das noch nicht.

Meine Damen und Herren! Darüber hinaus können Sie sich auch bezüglich des Datums informieren: Einmal heißt es 21. 7., einmal 19. 7. Da muß für mich auch noch ein Konnex hergestellt werden. Ich halte fest, daß in der Geschäftsordnung festgeschrieben ist, daß die entsprechenden Berichte schriftlich zuzugehen haben.

Punkt zwei: Das ist noch zu klären. Wenn das positiv geklärt wird, werde ich ebenso wenig anstehen und sagen: "Das ist zugegangen." – Zeitgerecht ist es auf keinen Fall zugegangen. (Bundesrätin Schicker: Das ist auch Sache der Klubs! Herr Dr. Tremmel, da müssen Sie in Ihrem Klub nachfragen!)

Es heißt in der Geschäftsordnung ausdrücklich: "unverzüglich". Das Wort "unverzüglich" ist zwar ein sprachlich exakter Begriff, aber er ist trotzdem dehnbar. Wenn ich es heute in der Früh bekommen hätte – ich habe die Ausschußberichte des Nationalrats nicht bekommen –, dann ist das eindeutig ein Fehler, der verfassungsmäßige Mängel hat. – Das zum formalen Teil.

Zum materiellen Teil: Ich habe schon gesagt, ich habe nur sehr schwer die Möglichkeit gehabt, in die Unterlagen Einsicht zu nehmen. Wenn ich das Vorblatt hernehme und die Problem- und Zieldefinition, sehr geehrte Frau Ministerin, ansehe, dann lese ich, daß es darin heißt: "Weiterentwicklung der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie Rechtsbereinigung und Vereinfachung des Verfahrens". – Wenn Sie die Regierungsvorlage durchsehen, dann werden Sie von der Seite eins bis nach hinten – normale Schrift, schräg gestellt – immer wieder sehen, wie das Verfahren "vereinfacht" wurde. Sie kommen aus dem Lesen von Verweisen, wo Sie irgend


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etwas finden, gar nicht heraus, Sie brauchen Stunden, um entsprechende Klarheit und Einfachheit herzustellen! (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!)

Frau Ministerin! Ich stehe aber auch nicht an, zuzugeben, daß in dieser Novelle einige Dinge geregelt wurden – Kollege Drochter hat es ausgeführt, etwa bezüglich der festsitzenden Zahnersätze –, die durchaus nicht nur regelungswürdig, sondern notwendig waren. Das wurde angegangen, und dadurch wurde auch eine positive Konkurrenzsituation geschaffen, damit nicht Monopolisten unterstützt und die Leute nach Ungarn abgedrängt werden, um dort ihre festsitzenden Zahnersätze machen zu lassen. Das halte ich für gut, und ich stehe nicht an, das auch zu sagen.

Andere Regelungen, die dargestellt wurden, sind weniger gut. Ich sage das zum Beispiel im Hinblick auf das Wort Pflichtversicherung. An und für sich sollten wir langsam auf den Weg kommen – ich weiß schon, daß das ein bißchen disharmoniert –, Versicherungen wählen zu können. Das wäre sehr gut und sollte angeboten werden. Das ist auch der verständliche europäische Weg, der immer wieder angesprochen wird. Ich weiß, daß gewisse Bereiche hineingedrängt haben. Ich weiß, daß junge Leute, die heute Unternehmungen gründen, einen gewissen Versicherungsschutz haben sollten, aber trotzdem ist das einer der Bereiche, die dringend verändert gehören.

Der Hauptgrund, warum wir heute nicht zustimmen können, ist, daß wir die Vorlagen nicht entsprechend studieren konnten und daß dort, wo wir Einsicht nehmen konnten, für uns einige Disharmonien vorhanden waren, die nicht aufgeklärt werden konnten. Daher werden wir dieser Vorlage, wie unser Erstredner, Herr Kollege Weilharter, bereits gesagt hat, nicht die Zustimmung geben, sondern Einspruch erheben.

Das ist zwar mehrheitlich auf die Tagesordnung gekommen, aber wir wollten es ursprünglich von der Tagesordnung gestrichen haben. Wir halten uns aber an die Courtoisie des Hauses: Wenn einmal etwas auf der Tagesordnung ist (Zwischenruf bei der ÖVP) , auch durch Mehrheitsbeschluß, dann werden wir das bitte so zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schaufler. – Bitte.

15.49

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzter Vorredner! Ich bin froh, daß der Applaus zustande gekommen ist, weil es doch auch zeigt, daß das alte Sprichwort Gültigkeit hat: "Wer suchet, der findet" – nämlich in seinen Massen von Papier, damit ihm nichts entschwindet.

Aber, Herr Kollege Tremmel, es ist so: Ich habe es seit Tagen gehabt (Bundesrat Dr. Tremmel: Seit Tagen? Das glaube ich nicht! Vielleicht seit zwei Tagen!), um genau zu sein: seit vorgestern. Das sind ein Paar Tage. Aber es ist so, daß sich – das ist das Wichtigste an diesem Ausschußbericht – gegenüber der Regierungsvorlage nur zwei Zitate, zwei Verweisungen verändert haben. Alles andere entspricht der Regierungsvorlage! Es wäre natürlich – das gebe ich zu – für Sie von Nutzen gewesen, das zu wissen.

Aber ich bin froh, daß diese 55. Novelle noch in diesem Sommer – bei etwas höherer Luftfeuchtigkeit im Raum, als sonst üblich – beschlossen werden kann, weil diese Novelle – ich spreche im wesentlichen von der 55. ASVG-Novelle – doch eine Reihe von Verbesserungen, von Klarstellungen für die Zukunft bringt.

Ich werde mich im späteren Verlauf meiner Ausführungen auf zwei wesentliche Punkte beschränken. Ich möchte aber vorerst noch erwähnen, weil dann doch auch bei uns die Sommerpause folgt, daß im vergangenen Jahr und in den Vorjahren doch eine Reihe von sehr maßgeblichen Punkten in Richtung sozialpolitischem Fortschritt und auch in Richtung Absicherung der sozialpolitischen Errungenschaften umgesetzt wurde.


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Man kann über die Pensionsnovelle oder Pensionsreform denken, wie man möchte, aber sie hat, obwohl sie in manchen Bereichen auch schmerzlich war, dazu beigetragen, daß wir sagen können, das Pensionssystem ist weit über dieses Jahrtausend hinaus gesichert.

Ich denke etwa auch an die Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes durch flexiblere Bestimmungen, durch die den einzelnen Branchen über Kollektivverträge die Mitbestimmung möglich ist, um angepaßt entsprechende Maßnahmen zu setzen. Ich denke auch an die Verbesserungen im Arbeitnehmerschutz. Diese werden immer locker weggeschoben, aber das sind ganz wichtige Maßnahmen, auch letztlich im Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Dienstnehmer. Ich denke auch an die ebenfalls aus der Diskussion entschwundenen Karenzgeldbezieher und Arbeitslosengeldbezieher, die erst jetzt die Möglichkeit bekommen, auch einen gewissen Zuverdienst zu lukrieren.

Nun zum heutigen Paket. Ich glaube, daß es notwendig war, daß diese Regelungen rund um die geringfügig Beschäftigten zustande gekommen sind. Es war nicht einsehbar, daß ein Arbeitnehmer, wenn er sich versichert, aufgrund der Geringfügigkeit einen unterschiedlichen Beitrag – je nachdem, ob er Arbeiter oder Angestellter ist – bezahlt. Ich begrüße die Regelung mit den 540 S, begrüße aber auch, daß geklärt wurde, wie im Falle der Krankheit das Krankengeld und das Wochengeld aussieht. All das wurde geregelt, und das ist absolut wichtig.

Des weiteren erfolgten Klarstellungen im Bereich der freien Dienstnehmer. Es gibt nunmehr klare Abgrenzungen. Auch da ist die Frage des Wochengeldes geregelt worden.

Oder: Einbeziehung der Feuerwehrleute. Heute haben wir schon sehr viel über Vereine und Feuerwehren gesprochen. Aber die Einbeziehung der Feuerwehrleute in die Unfallversicherung zu einem Jahresbeitrag in der Höhe von 30 S ist eine großartige Sache. Das hat Kollege Engelbert Weilharter vorhin übersehen. Das sind Kosten, die den Ländern erwachsen, und zwar im Ausmaß von etwa 1,5 Millionen Schilling in ganz Österreich. Ich glaube, daß die einzelnen Länder ihren Anteil daran verkraften können werden, vor allem weil es dabei um Menschen geht, die freiwillig in Sozial- und Hilfsdienste eintreten.

Ich möchte nicht allzu lange sprechen. Kollege Drochter hat vieles bereits angesprochen.

Auch die Frage der Rückzahlung der Beiträge über die Höchstbemessungsgrundlage hinaus wurde so geregelt, daß es eigentlich paßt, um ein klares Wort dazu zu sprechen. Ich vergesse jetzt alles andere, um kürzer zu werden.

Ein besonderes Anliegen – das wurde bereits angesprochen – ist mir die Liste der Berufskrankheiten. Nunmehr ist in dieser Novelle "nur" – unter Anführungszeichen – die Frage der chemischen Stoffe gelöst worden. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Der Kollege hat recht, teilweise sind sie schon in Österreich erfaßt. Aber Teile sind neu dazugekommen, und das wurde geregelt.

Was ich auch in Erinnerung bringen möchte, ist eine Anregung aus meiner Gruppe, nämlich auch Krankheiten an der Wirbelsäule, die durch rotierende Schwingungen von Traktoren, Raupenfahrzeugen, LKWs und ähnlichem erzeugt werden, in die Liste der Berufskrankheiten einzubeziehen. Ich habe der Frau Ministerin die Unterlagen geschickt und sie gebeten, eine Lösung zu suchen. Ich weiß, daß daran gearbeitet wird, und ich hoffe, daß 1999 eine Entscheidung in positiver Richtung fallen wird. Denn es könnte damit vielen erkrankten Menschen geholfen werden. Ich glaube, das kann nicht so schwierig sein, da im Nachbarland Deutschland diese Frage schon geregelt ist und diese Erkrankungen der Wirbelsäule bereits in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen wurden.

Nun noch ein paar Worte zu der Regelung bezüglich der Zahnkronen. Endlich – so darf ich sagen – wird eine langjährige Arbeitnehmerforderung, die der Niederösterreichische ÖAAB immer sehr vehement vertreten hat, doch auch geregelt. Mit 1. 1. 1999 wird es soweit sein. Egal, ob dieser Gesamtvertrag zustande kommt oder ob der schon eingebrachte – wenn ich richtig informiert bin – Initiativantrag zum Tragen kommt, eines wird passieren: Dieser festsitzende Zahnersatz wird billiger! Ich glaube, daß es mit dieser Regelung eigentlich gelingen müßte, viel Geld


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im eigenen Land zu halten und den sogenannten Zahntourismus – ich nenne in diesem Zusammenhang bewußt kein Nachbarland – zum Erliegen zu bringen.

Abschließend möchte ich noch eines anmerken: daß es der Koalition insgesamt gelungen ist – ich bitte die Kollegenschaft von den Freiheitlichen, diesbezüglich ein bißchen genauer zuzuhören! –, aus eigentlich negativen Ereignissen innerhalb der Freiheitlichen Partei und rund um die Freiheitliche Partei etwas Positives zustande zu bringen. Denn die Zeit der negativen Ereignisse, ausgelöst durch Bundes- und Landesmandatare der Freiheitlichen, hat die Koalition dazu genützt, um Arbeit in positiver Richtung in der Sozialpolitik zu leisten! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Denn die Nationalratssitzung vom 17. Juli war ursprünglich aus ganz anderen Gründen anberaumt. Positives Denken wäre angebracht! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.56

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kainz. – Bitte.

15.56

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Eine Bemerkung zu Ihnen, Herr Dr. Tremmel: Solange die sozialdemokratische Fraktion im Rahmen der Sozialpolitik ein wesentliches Mitwirkungsrecht hat, werden wir alles daransetzen, um das System der Pflichtversicherung beizubehalten! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Ruf: So lange, bis es nicht mehr finanzierbar ist!)

Herr Kollege! Auch wenn die vielgeschmähte Koalition auch von unserer Seite nicht immer in allen Facetten begrüßt wird, meine ich doch, daß sie gerade durch die Zusammenarbeit von zwei Gruppierungen, die jetzt an dieser 55. Novelle gearbeitet haben, große Problemlösungskompetenz und Problemlösungskraft bewiesen hat. Ich denke, daß es sehr wohl Finanzierungsmöglichkeiten gäbe, etwa dann, wenn die Wirtschaft ihren Auftrag erfüllt und an der "Vollbeschäftigung" – unter Anführungszeichen – mitwirkt – ein Zustand, der die Finanzierbarkeit unseres Staatswesens ermöglichen würde. Wenn die Wirtschaft ihren Beitrag leistet, dann denke ich, daß diese Voraussetzungen auch erreichbar sind.

Nun zur 55. ASVG-Novelle: Ich bin froh, daß es gelungen ist, noch vor dem Sommer diese so gravierende Frage zu behandeln, die sich nicht nur – da gebe ich der Frau Bundesministerin völlig recht – darin erschöpft, daß es gelungen ist, eine Vorgangsweise zu erreichen, die für die Arbeitnehmer und all jene, die in dem Status sind, ihre finanziellen Einkommen nicht über Gebühr selbst bestimmen zu können, eine große Hilfe ist. Ich bin froh, daß die Frage des festsitzenden Zahnersatzes in ein Verhandlungsstadium gebracht werden konnte.

Wie Kollege Schaufler schon ausgeführt hat, bedeutet das, daß durch die Möglichkeiten in den Ambulatorien jedenfalls eine Verbilligung des Zahnersatzes und damit auch die Zurverfügungstellung für einkommensschwächere Schichten möglich wird.

Ich möchte aber noch einige andere Punkte ansprechen, die ebenfalls in der 55. Novelle enthalten sind, aber meistens untergehen, weil andere Materien eine Überlagerung bedeuten.

Die Schaffung des Wochengeldanspruches für freie DienstnehmerInnen hat jetzt in einem Schritt eine Grundlage erreicht, von der ich behaupte, daß sie uns als Funktionärinnen, die sich auch sehr massiv mit Frauenanliegen beschäftigen, zwar nicht befriedigt, aber ich hoffe, daß es noch die Möglichkeit gibt, eine Ausweitung über den Teilzeitbetrag von 2 780 S hinaus, also über diese Höhe der Teilzeitbeihilfe hinaus, zu erreichen, weil auch die Beitragssituation nicht dem entspricht. Ich anerkenne aber das Argument, daß bisher überhaupt keine Geldleistung möglich war und das immerhin ein Schritt zur Verbesserung ist.

Die Erweiterung der Berufskrankheitenliste ist eine alte Forderung auch der Gewerkschafter, und zwar nicht nur im Bereich des Stützapparates. Ich gebe aber Kollegen Schaufler völlig recht, daß alles daranzusetzen ist – auch für jene Berufsgruppen, die davon betroffen sind –, eine Verbesserung zu erreichen.


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Ich möchte dennoch in den Vordergrund stellen, daß gerade in der Frage der chemischen Faktoren im Zusammenhang mit Berufskrankheiten eine Verbesserung möglich war, was für den Arbeitnehmerschutz von großer Bedeutung ist.

Ich sehe, daß ich mich sehr kurz fassen muß. Ich möchte all jene Punkte, die auch Kollege Drochter schon angesprochen hat, wegfallen lassen und noch einmal darauf hinweisen, daß in Oberösterreich 60 000 Unterschriften betreffend die Aufrechterhaltung der Zahnambulatorien und 40 000 Unterschriften betreffend den festsitzenden Zahnersatz im Bereich der Ambulatorien geleistet wurden. Ich möchte der Frau Bundesministerin für ihre Standfestigkeit in dieser Frage und auch all jenen, die daran beteiligt waren, daß es zu dieser angesprochenen Lösung gekommen ist, sehr herzlich danken. (Beifall eines Bundesrates der SPÖ.)

Mein Appell richtet sich an die ÖVP und vor allem an die Kollegen des ÖAAB, in dieser Frage keinesfalls mehr weichen Kompromissen zuzustimmen. Es muß zu dem, was jetzt angekündigt und vereinbart wurde, auch kommen, sodaß mit 1. 1. 1999 diese Lösung auch tatsächlich in der Praxis greifen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

16.01

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich nur noch einmal auf die freiwillige Redezeitbeschränkung, auf die wir uns geeinigt haben, hinweisen. Es ist leider so, daß diese Uhr, wenn sie zum Beispiel auf 5 Minuten eingestellt ist, bereits nach 3 Minuten zu blinken beginnt. Sie beginnt 2 Minuten vor dem Ablauf der vorgesehenen Zeit zu blinken, und dann erst kommt das konstant rot leuchtende Licht. (Bundesrätin Kainz: Das ist unfair!) Daher geht mein Ersuchen an alle Kolleginnen und Kollegen, sich vom blinkenden Licht, noch dazu bei der 5-Minuten-Redezeitbeschränkung, nicht allzusehr irritieren zu lassen. Es ist dann noch 2 volle Minuten Zeit, bis das rote Licht konstant leuchtet.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schöls. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Er profitiert jetzt davon!)

16.01

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Es ist mir noch nie passiert, daß mich jemand aufgefordert hat, länger zu reden. Ich darf Ihnen aber versichern, daß ich meine Rede nicht so anlegen werde.

Frau Kollegin Kainz hat mir zwei Stichworte gegeben, die ich gerne aufgreife. Das erste war das klare Bekenntnis der Sozialdemokratie zum System der Pflichtversicherung. Ich möchte namens meiner Fraktion und vor allem namens des Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbundes betonen, daß wir uns selbstverständlich auch zu diesem System der Pflichtversicherung als Grundvorsorge bekennen, daß wir nichts von jenen Experimenten, die unter dem pseudoliberalen Mäntelchen der Versicherungspflicht stattfinden, halten und daß wir klar an der Pflichtversicherung (Beifall bei ÖVP und SPÖ) , aber auch am bestehenden System der 28 Sozialversicherungsträger und der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung festhalten. (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zum zweiten Stichwort: Sie hat gesagt, daß wir uns nicht weichklopfen lassen sollen, wenn es um die Regelung bezüglich Zahnersatz geht. Frau Kollegin Kainz! Es soll jetzt kein Vaterschaftsstreit begonnen werden. Es haben zweifelsohne die verantwortungsbewußten Sozialpolitiker in den Regierungsparteien sehr viel Energie einsetzen müssen, um zu dieser Lösung zu kommen. Ich möchte allen Verhandlern herzlich dafür danken, daß sie nicht die Nerven weggeschmissen und dem Druck der Medien nachgegeben und gesagt haben: Okay, dann stellen wir das halt zurück und regeln es im Herbst. – Wir haben danach getrachtet, diese Regelung noch vor dem Sommer durchzuziehen. Wir sollten uns auch durch Geschäftsordnungstricks hier im Bundesrat nicht darin behindern lassen, daß diese Regelungen auch tatsächlich die verfassungsrechtliche Zustimmung bekommen.

Ich darf bei dieser Gelegenheit an etwas erinnern: Alle, die vor drei Jahren in die Bundeshauptstadt gefahren sind und dabei Niederösterreich durchfahren mußten – das muß jeder –, werden sich vielleicht daran erinnern, daß der niederösterreichische ÖAAB sehr großflächig – ich ge


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stehe durchaus ein: auch zum Leidwesen mancher Verantwortungsträger im ÖAAB und in der Partei – plakatiert hatte: "Mund auf, Augen zu!" Wir haben durch diese Kampagne, die die ÖAAB-AK-Fraktion in Niederösterreich vor einigen Jahren gestartet hat – über die Finanzierung dieser Plakate haben wir intern noch sehr lange diskutiert –, einen wesentlichen Beitrag zur Thematisierung geleistet. Frau Bundesministerin! Ich erinnere daran, daß ich auch bei der Debatte über den Gesundheitsbericht von dieser Stelle aus zugesagt habe, daß wir im ÖAAB und in der Arbeiterkammerfraktion auch auf die eigene Partei einwirken werden. Ich bin daher wirklich froh, daß diese Lösung zustande gekommen ist.

Daß es einen einstimmigen Bundestagsbeschluß des ÖAAB gegeben hat, sage ich den Koalitionsfreunden noch mit dazu. Kollege Weilharter – er ist jetzt gerade nicht da –, der sich bei der letzten Debatte den Kopf darüber zerbrochen hat, daß sich der ÖAAB zuwenig einbringt, kann getrost sein, daß wir das auch in dieser Frage geschafft haben. (Bundesrat Payer: Ein bisserl viel ÖAAB ist mir da dabei!) Das folgende sage ich jetzt ein bißchen in Richtung Koalitionspartner, Herr Kollege Payer: Ich würde mich freuen, wenn Solana und Cap bei der NATO-Diskussion das gelingen würde, was uns ÖAABlern in der Partei beim festsitzenden Zahnersatz gelungen ist. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist ein großer Bogen von der NATO zum Zahnersatz!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Was die 55. ASVG-Novelle betrifft, möchte ich noch in Erinnerung rufen, Frau Bundesministerin, daß wir auch die Protokollanmerkung hinsichtlich der zukünftigen Regelung im Bereich der BVA-Versicherten haben, daß dort die gleiche Regelung zu gelten hat wie für die Eisenbahner. Ich bin überzeugt davon, daß dadurch auch der Fortbestand der 28 Sozialversicherungsträger gewährleistet ist.

Mit der 26. Novelle zum B-KUVG werden im Prinzip Anpassungen an die ASVG-Regelungen durchgeführt. Es wurde vor allem ein Wunsch des Landes Niederösterreich aufgegriffen, weil es in Niederösterreich seit einiger Zeit einen eigenen Landesrechnungshof gibt. Beim Landesrechnungshof, der gleichzusetzen ist mit dem Rechnungshof auf Bundesebene, war die Versicherungsmöglichkeit nicht gegeben, und für den Direktor wurde nun erreicht, daß auch die Landesrechnungshöfe in den Bereich des B-KUVG entsprechend eingebunden werden.

Aus all diesen Gründen werden wir natürlich den vorliegenden Gesetzen auch unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. – Bitte.

16.09

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Diese 55. ASVG-Novelle – wobei alle betroffenen Versichertengruppen gleichermaßen gemeint sind, also auch Bauern, Selbständige, Freiberufler, gewerblich Versicherte – ist im Zusammenhang mit der Pensionsreform und den entsprechenden Gesetzen vom vergangenen Jahr zu sehen. Daher ist in diesen Regierungsvorlagen, abgesehen von diversen wichtigen politischen Forderungen und erfüllten Anliegen, natürlich auch sehr viel Technisches enthalten, weil uns bewußt gewesen ist, daß wir vergangenes Jahr komplett neues Terrain betreten haben in der Frage: Wie können wir alle Erwerbseinkommen in die Sozialversicherungsbemessung miteinbeziehen und damit einen umfassenden Sozialversicherungsschutz für alle Menschen, die ihre Existenzsicherung durch Erwerb haben, sicherstellen?

Wir haben neue Wege beschritten, da wir keinen Vergleich in der österreichischen Situation, aber auch keinen Vergleich aus anderen nationalen Sozialversicherungssystemen hatten. Daher ist es jetzt erforderlich, viele Klarstellungen zu treffen, auch technische Grundvoraussetzungen für die Umsetzung dieser gesetzlichen Änderungen zu schaffen, von Bemessungsgrundlagen bis zu Terminen und dergleichen.

Darüber hinaus bin ich sehr froh, daß es gelungen ist, in all diesen Regierungsvorlagen wichtige Forderungen beziehungsweise Wünsche der jeweiligen Versichertengruppen zu realisieren. Ich


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 114

danke Herrn Bundesrat Drochter, daß er hier doch sehr detailliert aufgelistet hat, daß nicht nur die Zahnkronen und Brücken Gegenstand dieser Sozialversicherungsgesetze sind, sondern auch noch eine Vielzahl von verschiedenen Fragen angesprochen und positiv gelöst wurde.

Ich möchte noch ein Beispiel erwähnen, in dessen Zusammenhang ich auch Sie bitten möchte, werbend und informativ zu wirken. Wir haben das Instrument der Gleitpension im Sozialversicherungsrecht. Diese Gleitpension wird noch relativ wenig in Anspruch genommen, wobei ich glaube, daß dies nur eine Frage der noch nicht umfassenden Information ist. Vielleicht ist auch bis jetzt noch nicht richtig klargestellt worden, wie die konkrete Umsetzung erfolgt. Ich möchte daher diesen Bereich nicht unerwähnt lassen.

Erlauben Sie mir, zu einem Thema einige grundsätzliche Bemerkungen aus meiner Sicht zu machen. Herr Bundesrat Tremmel hat gemeint, er sei gegen die Pflichtversicherung, und es solle ein verständlicher europäischer Weg einer Versicherungspflicht gegangen werden. Ich möchte mich sowohl bei Frau Bundesrätin Kainz als auch bei Herrn Bundesrat Schöls dafür bedanken, mit welcher Klarheit sie hier ein Bekenntnis zur Pflichtversicherung abgelegt haben. Ich betone auch aus meiner Sicht: So lange ich sozialpolitisch in diesem Land wirken kann, solange werde ich für dieses System kämpfen, denn es hat mich noch niemand davon überzeugen können, daß ein anderes System besser wäre. Es gibt keine Bestätigung dafür, daß eine Versicherungspflicht für die Versicherten und für das gesamte Leistungsspektrum billiger wäre, aber es gibt jeden Beweis, daß es für die Versicherten, vor allem für die Schwächeren in der Gesellschaft, das schlechtere System ist, daß es zu einer Auseinanderdividierung von guten und schlechten Risken, von Jungen und Älteren, von Männern und Frauen, von Leistungsstarken und Leistungsschwachen kommt. Das ist ein System, gegen das ich immer auftreten werde, und ich bitte Sie auch um Unterstützung dabei. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte mich auch dafür bedanken, mit welcher Informiertheit in diesem Kreis die Diskussion geführt wurde, was für mich ein Ausdruck dafür ist, daß Sie sich tatsächlich auch mit den Details dieser seit langem vorliegenden Regierungsvorlagen befaßt haben, und worin ich eine Chance sehe, daß die Informationen über Sie an die Bevölkerung herangetragen werden. Ich verhehle auch nicht, daß ich mich freue, daß wir die Regelung beim festsitzenden Zahnersatz durchbringen konnten. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.14


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 115

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr DDr. Königshofer, bitte.

16.14

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte doch noch ganz kurz auf die Regelung bezüglich des festsitzenden Zahnersatzes, der Zahnkrone, eingehen. Herr Kollege Drochter hat richtigerweise festgestellt, daß in der 55. Novelle des ASVG, des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, keine Regelung diesbezüglich enthalten ist, sondern daß die Materie nachfolgend im Wege einer Regierungs- oder Sozialpartnervereinbarung geregelt werden soll.

Dazu meine Frage: Was soll das dann sein? Welche Rechtssicherheit oder Rechtsunsicherheit entsteht dann für den Bürger? – Immerhin handelt es sich doch um eine größere Gruppe von Patienten und Ärzten. Mein Rechtslehrer, der frühere Justizminister Klecatsky, hat immer gesagt: Das Gesetz ist die Drehscheibe des Rechtsstaates. Deshalb meine Frage: Wollen Sie neue Drehscheiben des Rechtsstaates erfinden, oder wollen Sie hier ein ganz neues Verständnis des Rechtsstaates entwickeln?

Frau Ministerin! Könnten Sie darauf noch kurz eine Antwort geben? – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die Frau Bundesministerin hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

16.15

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr gerne, Herr Bundesrat! Ich darf festhalten, wie sich die Rechtslage auch durch Ihre Beschlußfassung darstellt:

In der ASVG-Novelle ist formuliert, daß bis zum 31. Dezember dieses Jahres ein Gesamtvertrag zwischen der Ärztekammer und dem Hauptverband über zwei Themenbereiche abzuschließen ist, erstens über den Richtpreis und zweitens über jene Leistungen, die in den Ambulatorien in diesem Zusammenhang zu leisten sind und geleistet werden können. Das heißt, es ist eine dezidierte Forderung des Gesetzgebers gegenüber den Vertragspartnern, diesen Vertrag abzuschließen.

Darüber hinaus wurde, um eine absolute Sicherstellung für die Versicherten zu haben, folgende Vorgangsweise im Hohen Haus gewählt: Sollte dieser Vertrag bis zum 31. Dezember nicht vorliegen, dann gilt jener Initiativantrag, der bereits jetzt im Parlament eingebracht ist und der zum Inhalt hat, daß, wenn bis zum 30. November dieser Gesamtvertrag nicht abgeschlossen ist, die Zahnambulatorien mit 1. 1. 1999 den Zahnersatz in den Ambulatorien für ihre Versicherten leisten können, und zwar auf Basis einer Rechtsbestimmung im ASVG, des entsprechenden Paragraphen, der hier angesprochen wird. Es ist zwischen den Klubs und auch in Abstimmung mit der Bundesregierung politisch vereinbart, daß eine derartige Gesetzesbestimmung, falls erforderlich, am 16. Dezember im Hohen Haus beschlossen werden wird.

Ich glaube, mit dieser Vorgangsweise sind zwei Fakten sichergestellt: Zum einen haben die Vertragspartner die Rahmenbedingungen, aufgrund derer sie wissen, daß sie zu diesem Termin einen Vertrag abgeschlossen haben müssen, denn wenn sie diesen nicht abgeschlossen haben, dann ist mit 1. 1. 1999 für die Versicherten sichergestellt, daß die Leistungen in den Ambulatorien angeboten werden können.

16.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird noch von jemandem das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert
wird – 55. Novelle zum ASVG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 116

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird –22. Novelle zum BSVG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

19. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird (802/A und 1381/NR sowie 5778/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Schicker übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Johanna Schicker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Nachdem dieser Bericht in der Zwischenzeit allen schriftlich vorliegt, kann ich von einer Verlesung Abstand nehmen. Ich zitiere daher nur den Beschlußantrag, der da lautet:

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für diesen Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein. Zu Wort sich gemeldet hat sich Herr Dr. Tremmel. – Bitte.

16.21

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich werde mich auch ganz kurz fassen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 117

Die Berichterstatterin hat die mehrheitliche Beschlußfassung schon erwähnt. Es treffen auch bei dieser Vorlage die formalen Gründe zu, die ich bei den vorhergehenden Beschlüssen genannt habe. Der entsprechende Bericht war – ich sage das auch hier – bei den Unterlagen, die wir von den Bundesratsausschüssen bekommen haben. Das konnte ich auch nachträglich feststellen. Betreffend den Bericht des Gesundheitsausschusses des Nationalrates kann ich das nicht sagen. Es gelang mir erst heute während der Sitzung, diesen aufzutreiben.

Zum Materiellen: Der Kernpunkt ist § 29 Abs. 4, der dahin gehend geändert wurde: Die Bewilligung zur Erhaltung einer ärztlichen Hausapotheke ist bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke mit dem Zeitpunkt zurückzunehmen, mit dem der Arzt die Bewilligung zurücklegt – das ist klar – oder seine ärztliche Berufsausübung am Berufssitz, für den die Bewilligung erteilt wurde, einstellt, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neuerrichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet.

Dann gibt es noch einen weiteren gravierenden Punkt, der im § 30 Abs. 1 enthalten ist: Diese Einschränkungen gelten nicht für innerhalb dieses Umkreises rechtmäßig bestehende Hausapotheken. – So weit, so gut.

In der Begründung heißt es: Primäres Ziel der Gesundheitspolitik ist es, eine hochwertige und flächendeckende medizinische – ich würde noch einfügen: medikamentöse – Versorgung der Bevölkerung zu erzielen, unabhängig vom Wohnort des Patienten et cetera. Dann wird angeführt, daß sich die Zahl der öffentlichen Apotheken auf 1 050 und die Zahl der Hausapotheken auf 950 verdoppelt haben.

Anlaß für dieses Apothekengesetz ist ein Erkenntnis eines Obersten Gerichtes. Das Erkenntnis bedeutet inhaltlich eine Beibehaltung des Existenzschutzes für bereits bestehende Apotheken. Dabei habe ich innerlich ein bißchen eine Mentalreservation. Die andere beschränkende Voraussetzung für niederlassungswillige Apotheker wurde jedoch aus dem Gesichtspunkt des Grundrechtes der Erwerbsfreiheit aufgehoben. Das halte ich an und für sich für richtig.

Dann kommt die Begründung: Daher sollten diese Bestimmungen – die ich vorhin hier zitiert habe – an die neue Rechtslage im Apothekerrecht angepaßt werden und das mühsam – das ist es, was mich stört – ausgehandelte Gleichgewicht zwischen öffentlichen Apotheken einerseits und ärztlichen Hausapotheken andererseits innerhalb einer Übergangsfrist – ich glaube, bis zum Jahr 2008 –, die im Sinne des Vertrauensschutzes an die Berufsausübung der Hausapotheken führenden Ärzte gebunden wäre, enthalten sein.

Meine Damen und Herren! Ich habe gesagt "ausgehandeltes Gleichgewicht". Wenn jede Berufssparte – ein Tischler, ein Schlosser oder ein anderer Handwerkstreibender – heute für sich den Gebietsschutz in Anspruch nehmen würde, dann hätten wir bald wieder das mittelalterliche Zunftsystem, bei dem der Zunftmeister mit seinen Zunftgenossen festlegt, wie viele Betriebe in einem gewissen Bereich vorhanden sein können. So kann es nicht gehen! Ich halte diesen Gebietsschutz, dieses Stellen von gewissen Bereichen unter einen gläsernen Sturz, nicht für richtig! Mir ist kein Fall bekannt – ich sage das auch –, daß eine Apotheke mangels Geschäft in den Ausgleich oder gar in den Konkurs gegangen wäre. – Jawohl, eine war es, ich glaube, die Wiener Stadtapotheke. Aber sonst ist mir ... (Bundesministerin Hostasch: Konkurs nicht!) Konkurs nicht, das ist richtig, ja. Man hat den Betrieb anderswohin verlagert; das darf ich auch sagen. Aber sonst ist mir kein Fall bekannt, daß dem so wäre.

Es gibt eine ganz einfache Lösung, und ich spreche sie auch sehr einfach aus: Wenn ein Apotheker der Meinung ist, er mache sowieso für sich eine Bedarfserhebung, dann sollte er seine Apotheke aufmachen können. Der Hausarzt kann seine Hausapotheke behalten, weil beide Bereiche ein ganz bestimmtes Betätigungsfeld haben: Der Arzt soll die Patienten behandeln, und die Apotheken sollen die Medikamente zur Verfügung stellen. – Da sehe ich also kein Konkurrenzverbot. Wir sollten endlich mit diesen mittelalterlichen Bestimmungen aufhören, daß wir gewissen Ständen, Bereichen und Berufen Sonderrechte gewähren.

Aus diesem zweiten Grund wird meine Fraktion diesem Gesetz nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.27


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 118

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. – Bitte.

16.27

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Nur einige wenige Bemerkungen zum Debattenbeitrag des Herrn Bundesrates Tremmel.

Man muß die Gesetzesvorlage im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes insofern sehen, als der Verfassungsgerichtshof am Grundsatz der Subsidiarität voll festgehalten hat, welcher bedeutet, daß, wenn eine öffentliche Apotheke aufgrund der neuen Rechtslage eröffnet wird, die jeweilige Hausapotheke geschlossen werden muß. Ich erachte es daher aus gesundheitspolitischer Sicht, aus Sicht einer möglichst optimalen Versorgung der Bevölkerung in allen Regionen des Landes, ob dicht oder weniger dicht bevölkert, ob weit entlegen oder im städtischen Bereich, für sinnvoll, daß diese Dualität weiterbesteht und daß auch versucht wird, eine entsprechende Balance zwischen der öffentlichen Apotheke und der Hausapotheke sicherzustellen.

Ich glaube, daß mit dieser Gesetzesänderung folgenden Grundsätzen Rechnung getragen werden kann: einerseits dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes zu entsprechen und damit dem Gedanken der Erwerbsfreiheit stärker als bisher nachzukommen, andererseits dem gesundheitspolitischen Bedürfnis der Bevölkerung nach einer möglichst optimalen Versorgung mit Arzneimitteln Rechnung zu tragen und schließlich auch den Ärzten, die eine Hausapotheke führen, im Sinne des Grundsatzes, daß wir auch vom Vertrauensschutz in anderen Bereichen ausgehen, mit einer Bestandsgarantie von zehn Jahren entgegenzukommen. – Ich glaube, es ist diesbezüglich Ausgewogenheit hergestellt worden.

Wichtig war mir als Ministerin, daß es zu einer Verbesserung oder zumindest zu einer gleichbleibend guten Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln kommt, und das ist, so glaube ich, damit sichergestellt. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall der Bundesrätin Fischer. )

16.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

20. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen (Bundesstelle für Sektenfragen) (1158 und 1287/NR sowie 5764/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zum 20. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 119

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Thumpser übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Herbert Thumpser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Der Bericht des Ausschusses für Umwelt, Jugend und Familie liegt Ihnen vor. Ich kann deshalb von einer Verlesung Abstand nehmen.

Der Ausschuß für Umwelt, Jugend und Familie stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als erster Herr Bundesrat Steinbichler. – Bitte.

16.30

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum vorliegenden Bundesgesetz über die Errichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen möchte ich sagen, daß insbesondere junge Menschen in dieser Hinsicht gefährdet sind und Schutz und Unterstützung brauchen. In unserer hochtechnisierten Wohlstandsgesellschaft werden immer mehr Leute entwurzelt. Diesen Umstand nützen zunehmend Psychogruppen und Sekten und versuchen, die Sehnsucht nach Geborgenheit, Sinn und Orientierung im Leben für ihre Ziele zu mißbrauchen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich darf schwerpunktmäßig einige Gründe anführen, aus denen sich Personen durch die Aktivitäten von Sekten angesprochen fühlen. An vorderster Stelle stehen selbstverständlich die Unzufriedenheit im eigenen Leben, Mißerfolge in Schule, Familie und Beruf, zu großer Leistungsdruck, verstärkter Wunsch nach Zuwendung und Geborgenheit, zerbrochene Bindungen im Privatbereich und vieles mehr.

Besonders problematisch ist der Umstand, daß sich Personen im Einflußbereich von Sekten völlig von den Familienangehörigen und vom eigenen Freundeskreis distanzieren. Im Einzelfall scheint der Wert des Lebens dem Nutzen für die jeweilige Organisation untergeordnet zu sein. Diesen Umstand bestätigen Massenselbstmorde, die zum Teil erzwungen wurden, wie bei der Volkstemplersekte und den Sonnentemplern.

Probleme ergeben sich auch in den Bereichen Gesundheit und Krankheit – etwa in der Ablehnung von Bluttransfusionen –, Sexualität und Familie – es kommt häufig zum Bruch mit dem Ehepartner –, Kinder und Erziehung sowie auch in der Beziehung zu Staat und Politik, zum Beispiel in der Untersagung der Teilnahme an Wahlen.

Mit der Dokumentationsstelle sollte es gelingen, Wiederholungstäter zu erkennen, und mit der Informationsstelle sollten letztlich alle in diesem Zusammenhang offenen Fragen geklärt werden. Auch auf das breite Angebot der bestehenden Religionsgemeinschaften und kirchlichen Einrichtungen sollte verstärkt hingewiesen werden. Das ist in einer Zeit der Werteverschiebung und der fehlenden Orientierung vieler Leute sicherlich eine wichtige Entscheidung zur richtigen Zeit. Wie heißt es in der Broschüre des Bundesministeriums für Jugend und Familie? – "Wissen schützt vor Mißbrauch."

Wir von unserer Fraktion werden deshalb dem vorliegenden Gesetz unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 120

16.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Josef Rauchenberger das Wort. – Bitte.

16.33

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! "Zweck dieses Bundesgesetzes ist die Einrichtung einer Stelle, deren Aufgabe es ist, Gefährdungen, die von Sekten oder sektenähnlichen Aktivitäten ausgehen können, zu dokumentieren und darüber zu informieren."

Den soeben zitierten Text – es handelt sich um § 1 des zur Debatte stehenden Gesetzes – begrüße ich, ja ich kann ihn persönlich sogar vollinhaltlich unterstützen. Dies vor allem deshalb, weil es – Schätzungen zufolge – allein in Österreich rund 50 000 Mitglieder in Sekten beziehungsweise rund 200 000 im Umfeld von Sekten tätige Menschen gibt.

Als grundsätzlicher Optimist gehe ich allerdings davon aus, daß viele dieser in Sekten oder deren Umfeld tätigen Menschen ihre persönliche Lebensphilosophie, ihre Erwartungen und individuellen Vorstellungen dabei erfüllt sehen und sich in derartigen Gemeinschaften vielleicht sogar wohlfühlen, jedenfalls aber eine Einflußnahme des Staates als Eingriff in ihre Grundrechte betrachten könnten.

Leider gibt es aber auch gegenteilige Erfahrungen, vielfach verbunden mit persönlichen Schicksalen jener Menschen, die durch derartige Gemeinschaften und Einrichtungen getäuscht wurden und denen ein freier Ausstieg aus diesen Kreisen oft nicht mehr möglich war, Menschen, die psychisch oder physisch, vielfach auch unter Gewalteinwirkung oder durch andere Abhängigkeiten, so unter Druck gesetzt wurden, daß sie sich oft erst dann loslösen konnten oder losgelassen wurden, als ihr Leben zugrunde gerichtet oder aufgrund finanzieller Ausbeutung im wahrsten Sinn des Wortes bereits existentiell vernichtet war.

Die Sammlung von Informationen über Einrichtungen und Gemeinschaften – ich vermeide bewußt das Wort "Sekten", weil es mir zu allgemein zu sein scheint –, die mit solchen Methoden arbeiten, die Menschen unfrei machen und ausbeuten, muß zentral gesteuert und forciert werden.

Die Art ihrer Werbung von Sympathisanten und Mitgliedern, der Pflichten, die dabei – unter gleichzeitiger Verweigerung von Grund-, Staats- oder Menschenrechten – auferlegt werden, die verschiedensten Formen persönlicher Ausbeutung, oftmals verbunden mit Freiheitsentzug, müssen genauestens untersucht und unterbunden werden. Dabei angewandte Strukturen sowie die Namen dieser Gruppierungen und der jeweils handelnden Personen müssen erhoben und transparent gemacht werden. Ihre Hintergründe und Arbeitsmethoden gilt es ebenso wie ihre oft im verborgenen liegenden Ziele nachzuweisen und öffentlich zu machen. Es müssen diese Hintergründe, Methoden und Ziele glaubhaft dargestellt werden und neben der Information ausreichende Schutzmechanismen des Staates angeboten werden und verfügbar sein.

Zielsetzung des Staates muß es sein, die Einhaltung von Grund- und Menschenrechten auf allen Ebenen – aber auch nach jeder Richtung hin – zu gewährleisten. Zur Erfüllung dieser Forderung und Zielsetzung gäbe es sicherlich viele Wege. In den parlamentarischen Verhandlungen wurde die Bundesstelle für Sektenfragen als Lösung vorgesehen und als jener Weg vereinbart, den wir heute hier beschließen. Ich halte die getroffene Regelung nicht für die beste, aber für eine akzeptable Lösung.

Nicht meine Zustimmung findet jedoch die in § 2 dieses Bundesgesetzes aufgenommene Festlegung, wonach "auf gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen dieses Bundesgesetz keine Anwendung findet". Dieser Bestimmung kann ich – im Gegensatz zu § 1 – deshalb nicht mit der gleichen positiven Überzeugung und Notwendigkeit zustimmen, weil hinreichend bekannt ist, daß selbst namhafte Kirchenvertreter des öfteren sektenähnliche Vorgänge und Gefährdungen in ihren Reihen aufzeigen und auch entsprechend verurteilen.

Über Großkirchen und Religionsgemeinschaften soll es auf der Grundlage dieses Bundesgesetzes keine Sammlung von entsprechenden Informationen geben. Damit wird mit zweierlei Maß gemessen: Jene bereits Etablierten haben den Schutz des Staates, alle übrigen werden künftig "gläsern".


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 121

Dies ist schon deshalb nicht verständlich, weil wir erst im Dezember des Vorjahres ein Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften beschlossen haben. Dieses Gesetz – dessen Beschluß ich übrigens nicht unterstützt habe – wurde von mir als "Verhinderungsgesetz für künftige Religionsgemeinschaften" bezeichnet.

Inzwischen dürfen sich nach einem Entscheid des zum Unterrichtsministeriums ressortierenden Kultusamtes – auf der Grundlage dieses Gesetzes – bereits acht Gruppierungen "Religiöse Bekenntnisgemeinschaft" nennen. Davon erhoffen sich die geistigen Väter dieses Gesetzes – wie beispielsweise ÖVP-Klubobmann Khol –, daß der bisherige Druck auf die Anerkennung als Religionsgemeinschaft oder Kirche zumindest für den im Gesetz vorgesehenen Beobachtungszeitraum von zehn Jahren genommen wird.

Die Liste der nunmehrigen religiösen Bekenntnisgemeinschaften ist dennoch äußerst interessant, handelt es sich doch um Namen, denen manchmal auch eine Nähe zu Sekten unterstellt wird oder wurde. Es sind dies die Zeugen Jehovas, die Bahá’í-Religion, der Bund der Baptistengemeinden in Österreich, der Bund evangelikaler Gemeinden Österreichs, die Christengemeinschaft – Bewegung für religiöse Erneuerung in Österreich, die Freie Christengemeinde, auch Pfingstgemeinde genannt, die Kirche der Sieben-Tags-Adventisten und die Koptisch-orthodoxe Kirche in Österreich.

Scientology und die Hindu Mandir Gesellschaft haben ihre Anträge zurückgezogen, jener von Sahaya Yoga wurde nach Prüfung durch das Kultusamt abgelehnt.

Neben den von mir angeführten "religiösen Bekenntnisgemeinschaften" gibt es in Österreich zudem die bereits "gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften". Es sind dies die Israelitische Religionsgemeinschaft, die Islamische Glaubensgemeinschaft und die Buddhistische Religionsgesellschaft.

Nicht zu vergessen sind auch die in Österreich "gesetzlich anerkannten Kirchen", als da wären: katholische Kirche, griechisch-orientalische Kirche, evangelische Kirche, altkatholische Kirche, Herrenhuter Brüderkirche, Methodistenkirche, Mormonen – Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, armenisch-apostolische Kirche, neuapostolische Kirche und syrisch-orthodoxe Kirche.

Wer kann in ehrlicher Überzeugung davon ausgehen, daß in diesen Gemeinschaften, in der Fülle von Glaubens- und Religionsbekenntnissen mit ähnlich klingenden Namen und inhaltlichen Gleichklängen die von mir eingangs dargestellten Gefahren nicht bestünden? – Werte Kolleginnen und Kollegen! Dies vermag mit trügerischer Sicherheit nur der Gesetzgeber selbst.

Lassen Sie mich deshalb zum Abschluß kommen.

Zum ersten: Ich unterstütze – auch im Namen meiner Fraktion – voll die im Gesetz vorgegebene Einrichtung einer Stelle, deren Aufgabe es ist, Gefährdungen, die von Sekten oder sektenähnlichen Aktivitäten ausgehen können, zu dokumentieren und darüber zu informieren. Damit ist zur Beratung von Sektenfragen ein gesetzlicher Rahmen festgelegt.

Damit die dabei erhobenen Daten – entsprechend dem Gesetz – auch geschützt sind, wurde die Forderung aufgenommen, dem Datenschutzrat halbjährlich einen zusammenfassenden Bericht über die wahrgenommenen Dokumentations- und Informationsfälle unter Darlegung aller datenschutzrelevanten Sachverhalte vorzulegen. Der Datenschutzrat hat das Parlament überdies dazu berechtigt, einen Arbeitsausschuß einzurichten, der in alle Unterlagen Einsicht nehmen kann, die bei der Bundesstelle für Sektenfragen vorhanden sind.

Darüber hinaus hat der zuständige Bundesminister dem Nationalrat jährlich einen Bericht über die Tätigkeit dieser Bundesstelle zu erstatten.

Zum zweiten: Die Ausnahmeregelung des § 2, die auch von meiner Fraktion mitgetragen wird, lehne ich persönlich aus den genannten Gründen ab.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
643. Sitzung / Seite 122

Es ließe sich zu diesem Thema noch sehr viel Grundsätzliches, aber auch Beispielhaftes darlegen. In Anbetracht der mir vorgegebenen Redezeit möchte ich mich auf eine Äußerung in einem Rechtsgutachten von Herrn Universitätsprofessor Dr. Berka beschränken.

Professor Berka verweist darauf, daß unter dem Gesichtspunkt der religiösen Toleranz der Staat insgesamt kein sektenfeindliches Klima schaffen darf. Dem Staat obliegt Neutralitätspflicht. Die Konsequenz daraus ist, daß der Staat Religionen oder Weltanschauungen nicht, gestützt auf seine Autorität, als richtig oder falsch bewerten darf. Sehr wohl, so Berka, dürfe er aber die Auswirkungen bestimmter religiöser Lehren oder Weltanschauungen aufzeigen. – Das ist der Sinn dieses Gesetzes.

Ich schließe mich dieser Meinung an und gehe davon aus, daß die Umsetzung dieses Auftrages und die Durchführung aller begleitenden Maßnahmen mit größter Sorgfalt und Toleranz erfolgen werden. Aus diesem Grund stimme ich mit meiner Fraktion – trotz der dargelegten Vorbehalte – für dieses Gesetz. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.42

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

16.42

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute – neben manch anderem – diese sehr wichtige Gesetzesvorlage. Es handelt sich um die Errichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen. Sie wird als selbständiger Rechtsträger installiert.

Jedoch wird in ihr der Begriff "Sekte" nicht definiert. Auch in der kürzlich abgehaltenen Sektenenquete ging man von dieser Definition ab. Der sogenannte Psychomarkt, der nicht mehr die typischen Sektenmerkmale aufweist, sondern wesentlich komplizierter und schwieriger abzugrenzen ist, wird damit ebenfalls nicht umfaßt. Diese Regierungsvorlage drückt sich um eine klare Stellungnahme zum Begriff "staatliche Öffentlichkeitsarbeit" herum und beruft sich dabei auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie auf § 1 des DSG.

Die Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen ist ein erster Schritt. Ich meine auch, daß dies ein wichtiger Schritt ist. Trotzdem müssen wir daran Kritik üben.

Wie wird die staatliche Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit tatsächlich aussehen, wenn ihr die Einschränkung des Grundrechts auf Datenschutz, der Mündigkeit des einzelnen, der Entscheidung des einzelnen zur finanziellen Abhängigkeit et cetera entgegensteht?

Welche Koordination wird künftig mit den Sektenberatungsstellen der Länder – das sind die Familienberatungsstellen – bestehen? Werden diese weiter bestehenbleiben? Wenn ja, in welcher Weise und mit welcher Kompetenz? In welche Bereiche fließt dann das derzeit dafür vorgesehene Budget?

Inwieweit wird es eine Duplizität mit der derzeit bestehenden Arbeitsgruppe für Kultusfragen geben, meine Damen und Herren? Werden bereits bestehende Informationen der Sektenberatungsstelle der Länder über die Gefährdung durch Sekten aufgenommen und/oder überprüft werden, oder beginnt man von vorne?

Wird es eine spezifisch auf Schüler und Lehrlinge ausgerichtete Aufklärungsarbeit geben? – Wenn ja, wie? Besteht derzeit eine Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst in dieser Hinsicht? Wie wird sie künftig gestaltet sein?

In bezug auf Sekten sind vielfach die nicht öffentlich zugänglichen Daten interessant. Da der Zugriff darauf nicht möglich sein wird, ist zu fragen: Welche entscheidenden Maßnahmen sind außerhalb der Aufklärungsarbeit von Sektenstellen zu erwarten?

Wie schon betont, meine auch ich, daß dies grundsätzlich eine wichtige Regierungsvorlage ist. Und doch, meine Damen und Herren, erkenne ich einen besonderen Schwachpunkt, den Bun


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desminister Bartenstein – er weilt in unserer Mitte – zu erkennen geholfen hat. Im Familienausschuß stellte er nämlich fest, daß jede Gefährdung im Sinne des § 4 dieser Vorlage auch auf gesetzlich anerkannte Kirchen- und Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen ausgedehnt werden kann.

Aus diesem Grunde werde ich – wie auch einige meiner Kollegen von der freiheitlichen Fraktion – dieser Vorlage nicht zustimmen können. Sie steht im Widerspruch zum Staatsgrundgesetz, zum Konkordat, zur Menschenrechtskonvention und zum Rechtsverhältnis zu den evangelischen Kirchen. Ich möchte jetzt nicht weiter die entsprechenden Paragraphen der angeführten vier Gesetze vorbringen.

Ich habe auch persönlich den Eindruck, daß aus dieser Dokumentationsstelle ein religiöses Vernaderungs-Bundesinstitut entstehen könnte, ähnlich dem DÖW, dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes. Soll mit diesem Institut ein Klima des Gesinnungs- und Meinungsterrors geschaffen werden, Herr Bundesminister?

Soll dort mit pseudowissenschaftlicher Aufmachung – möglicherweise, vielleicht auch nicht; ich hoffe, daß es nicht dazu kommen wird – gegen die Autonomie der gesetzlichen Religionsgemeinschaften vorgegangen werden?

Soll dort eine Subversion der Kulturbereiche – zu diesen zählen die Religionsgemeinschaften; manchmal heißen sie auch "Religionsgesellschaften" – unserer Gesellschaft fortgesetzt werden? Soll dort möglicherweise mit einem Gemisch von Lüge, Fälschung und Denunziation die Religionsfreiheit in Frage gestellt werden, und sollen damit die Bürger verunsichert werden?

Meine Damen und Herren! Diese Fragen sind für mich so bedeutend, daß ich dieser Gesetzesvorlage – so vernünftig sie im Grundansatz ist, das möchte ich betonen, Herr Bundesminister! – nicht die Zustimmung geben kann, und mit mir einige Kollegen von uns. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.49

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Karl Wilfing das Wort. – Bitte.

16.49

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben heute in einer Zeit, die als pluralistische Wohlstandsgesellschaft fast jedem von uns alle Chancen, alle Möglichkeiten und sehr viele Freiheiten bietet. Das führt dazu, daß sich viele dabei sehr wohl fühlen und diese Chancen auch zu ihrem Nutzen einzusetzen verstehen.

Es gibt aber auch manche, die sich aufgrund der Vielfalt der angebotenen Wertorientierungen nicht mehr zurechtfinden und damit Probleme bekommen. Es gibt heute viele Menschen, die in ihrer Persönlichkeit nicht sehr gefestigt sind, sodaß sie keine Freiheit wünschen, sondern sehr oft die geschlossene Welt – leider häufig auch die einer Sekte – suchen (Bundesrat DDr. Königshofer: Wo bleibt der mündige Bürger?) , nur eine Meinung wissen wollen, diese sehr oft von einem Guru vorgebetet erhalten und sie dann nachleben.

Deshalb war es notwendig, hier Taten zu setzen, was auch von allen Vorrednern bis jetzt so gesehen worden ist. Es geht nicht nur irgendwo anders um Einzelschicksale, wie wir sie von den Davidianern, den Sonnentemplern, den Jones-Anhängern und so weiter her kennen – nachdem in den USA, in der Schweiz oder in Frankreich große Tragödien geschehen sind –, sondern Faktum ist, daß wir es damit auch in Österreich zu tun haben, wie sich aus einer Lifestyle-Umfrage des Fessel+GfK-Institutes ergeben hat, die im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie hergestellt wurde.

Aus dieser Studie – Zahlen daraus hat Bundesrat Rauchenberger bereits zitiert – hat sich nach Auswertung von 4 500 Interviews ergeben, daß 77 Prozent der Befragten angegeben haben,


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schon einmal von einem Mitglied einer Sekte angesprochen worden zu sein. 25 Prozent der Befragten haben gesagt, daß sie in ihrem Bekannten- und Freundeskreis jemanden kennen, der schon in engem Kontakt zu kleinen religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaften gestanden ist.

1,8 Prozent – ich denke, das ist die Zahl, auf die wir uns hier besonders konzentrieren müssen, denn sie steht auch in Übereinstimmung mit Untersuchungen, die wir aus Deutschland kennen – haben angegeben – das sind ungefähr 150 000 bis 200 000 Menschen –, daß sie selbst Mitglieder von – ich verwende jetzt bewußt diesen offenen Begriff – religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaften außerhalb der zwölf staatlich anerkannten Kirchen sind.

Wie schon gesagt, es gibt ähnliche Untersuchungen aus Deutschland, die genau die gleichen Zahlen aufweisen. Dort wurde darüber hinaus bereits versucht – das gibt es auf vergleichbare Art in Österreich noch nicht –, den boomenden Esoterik-Markt einer besonderen Betrachtung zu unterziehen. Denn wir wissen auch, daß all diese Freiheiten, die wir heute haben, oft dazu führen, daß wir uns einem Supermarkt der Heilslehren gegenüber finden, in dem jeder versucht, das richtige Heil für sich zu definieren und den anderen – oft auch aus wirtschaftlichen Interessen – damit zu beglücken.

In Deutschland haben diese Untersuchungen ergeben, daß allein der Esoterik-Markt einen Umsatz von ungefähr 18 Milliarden Deutsche Mark aufweist, daß es zirka 40 Esoterik-Zeitschriften mit einer Gesamtauflage von 2,9 Millionen Exemplaren gibt und daß eine Zahl von ungefähr 10 000 bis 20 000 Esoterik-Anbietern der Zahl von ebenfalls 20 000 Nervenärzten, Psychologen und Psychotherapeuten gegenübersteht. Das heißt, daß es eine ungeheure Nachfrage nach Lebenshilfe gibt. Es sind oft auch sehr zweifelhaft ausgebildete Anbieter, die versuchen, diese Nachfrage zu befriedigen.

Warum hat sich nun – diese Frage ist von Bundesrat Gudenus auch gestellt worden – gerade das Familienministerium mit dieser Frage eng auseinandergesetzt? – Das hat primär damit zu tun, daß die davon Betroffenen sehr oft in erster Linie Angehörige sind. Kinder, die in den Einflußbereich einer Sekte geraten sind, brechen oft von einem Tag auf den anderen den Kontakt zu ihren Eltern, Verwandten und Bekannten ab. Die einzelnen Gruppierungen unterbinden oft den Kontakt zum – unter Anführungszeichen – "Vorleben", sie plädieren dafür, die Familienkontakte nicht mehr aufrechtzuerhalten, und reglementieren diese Kontakte auch sehr streng. Mit dieser Methode werden sehr oft erwachsene Familienangehörige von ihren Kindern getrennt.

Eine Umfrage des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie unter 277 Familienberatungsstellen hat 1996 ergeben, daß rund ein Drittel von ihnen mit derartigen Sektenproblemen konfrontiert worden waren. Da muß ich sagen, daß wir meiner Ansicht nach Bundesminister Dr. Martin Bartenstein sehr dankbar dafür sein müssen, daß er dem Entschließungsantrag zur Ausweitung der Informationstätigkeit über Sekten, den der Nationalrat 1994 beschlossen hat, nachgekommen ist, indem er die Broschüre "Sekten – Wissen schützt" veröffentlicht hat, und daß darüber hinaus nun in jedem Bundesland zumindest eine Familienberatungsstelle wenigstens zeitweilig Sektenberatung anbietet, um den Betroffenen vor Ort helfen zu können.

All dies geschieht selbstverständlich in klarer Absprache mit dem Unterrichtsministerium. In dieser Hinsicht brauchen Sie keine Ängste zu haben, Herr Bundesrat Gudenus, weil sogar eine interministerielle Arbeitsgruppe zu Sektenfragen zielgruppenorientiert für Schulen, Jugendliche und Erwachsene Sekteninformationen aufbereitet hat.

Es geht überhaupt nicht darum, Meinungs-, Gewissens- oder Religionsfreiheit in Frage zu stellen. Es geht einzig und allein darum, daß wir im Rahmen einer freien Religions- und Weltanschauungswahl durch Informationen, die in einer Beratungsstelle gesammelt werden, demjenigen, der Informationen über bestimmte Gruppierungen wünscht, diese zukommen lassen können. Wie er sich dann entscheidet, bleibt weiterhin seine Wahl, und das soll ihm auch freigestellt sein. Es soll aber eine staatlich anerkannte neutrale Stelle – und nicht nur solche Stellen bei den anerkannten Religionsgemeinschaften – geben, in der versucht wird, Informationen differenziert aufzuarbeiten und weiterzugeben.


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Sie haben in der Hinsicht recht, daß der Begriff "Sekte" theologisch, soziologisch oder umgangssprachlich definiert werden kann und daß wir damit immer Probleme haben werden. Faktum ist aber – ich glaube, in diesem Punkt sollten wir alle uns momentan finden –, daß dieser Begriff derzeit einen hohen Signal- und Gebrauchswert in der Bevölkerung hat und sich dazu eignet, verantwortlich, differenziert und sinnvoll genutzt zu werden.

Aus diesem Grund bin ich dafür, daß wir die Dokumentationsstelle für Sektenfragen auch so benennen. Es geht darum, den Mut zu haben, auch klar zu sagen, was wir damit meinen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Was meinen Sie damit?)

Wir werden daher gegen dieses Gesetz keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Wolfgang Hager. Ich erteile ihm das Wort.

16.57

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Als im Dezember 1997 im Bundesrat das Gesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften diskutiert und beschlossen wurde, habe ich mich ganz klar für dieses Sektengesetz – wie es umgangssprachlich genannt wird – ausgesprochen. Laut jüngsten Pressemeldungen wurde mittlerweile acht religiösen Gruppen die Rechtspersönlichkeit als religiöse Bekenntnisgemeinschaft zuerkannt. Herr Kollege Rauchenberger hat diese Liste bereits vorgetragen.

Interessanterweise hat unter anderem die Scientology-Kirche ihren Antrag zurückgezogen. Warum hat sie das wohl getan? – Laut Sektengesetz kann der Staat den Erwerb der Rechtspersönlichkeit für Religionsgemeinschaften untersagen, wenn deren Lehre gegen die in einer demokratischen Gesellschaft gegebenen Interessen der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder gegen den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer verstößt. Ist da vielleicht die eine oder andere Sekte gar nicht daran interessiert, nach diesem Gesetz beurteilt und möglicherweise abgewiesen zu werden?

Meiner Ansicht nach hat sich dieses im Vorjahr beschlossene Gesetz bereits in der Praxis bewährt. Der weitere Schritt, der heute gesetzt wird – nämlich der Beschluß des Bundesgesetzes über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen – ist eine logische Fortsetzung und daher sehr begrüßenswert.

Die freie Ausübung einer Religion ist ein Menschenrecht, und sie berührt sicherlich einen sehr privaten Bereich des menschlichen Daseins. Das Gesetz hat aber meiner Ansicht nach dort einzugreifen, wo der private Bereich verlassen wird und wo die Rechte und Freiheiten anderer Menschen berührt werden.

Wenn man beobachten muß, wie manche Sekten Menschen in Angst und Schrecken versetzen, sie ausbeuten, sie in ihrer persönlichen Freiheit einschränken, Identitätsveränderungen und soziale Ausgrenzungen bewirken, dann kann ich den Standpunkt nicht teilen, daß dem Staat in religiösen Fragen eine Neutralitätspflicht obliegt und daß der Staat Religionen nicht als richtig oder falsch bewerten soll. Dann sind meiner Ansicht nach klare Worte angebracht, und dann hat das Verhalten von Psychosekten angeprangert und bekämpft zu werden. Zu warnen und Betroffenen zu helfen, muß dann die Aufgabe des Staates sein.

Ich habe das bereits im Dezember gesagt und wiederhole es jetzt noch einmal: Mich leitet in dieser Frage die Sorge um meine beiden heranwachsenden Söhne.

In meinem Heimatbezirk sind meines Wissens zurzeit nur die relativ harmlosen Zeugen Jehovas mit ihrem Weltuntergangsszenario aktiv. Die Drogenszene aber ist sehr rasch und unauffällig auch in die Landbezirke hineingewachsen, und ich fürchte, daß diese raffinierten und gefährlichen Sekten ihre Arme auch in unsere scheinbar heile Welt ausstrecken werden, wenn sie es


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nicht ohnehin schon unmerklich getan haben. Gerade die mit Sinnfragen sehr stark beschäftigten Jugendlichen sind dankbare Opfer für die unter verschiedensten Deckmänteln agierenden Sektierer.

Es wurde schon gesagt: Mit dem vorliegenden Bundesgesetz wird eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts, die Bundesstelle für Sektenfragen, eingerichtet. Die Dokumentation und Information über die Tätigkeit der Sekten ist eine nicht hoch genug einzuschätzende gesellschaftliche Aufgabe. Mit aller Deutlichkeit die Umtriebe gewissenloser Krimineller aufzuzeigen und labile Menschen und sorglose Jugendliche eindringlich zu warnen, ist eine Aufgabe im Namen der Menschlichkeit.

Einen persönlichen Satz noch zu den datenschutzrechtlichen Bedenken: Wenn wir hier in diesem Hause den Lauschangriff und die Rasterfahndung beschließen, dann können wir, so glaube ich, ruhigen Gewissens in dieser überaus wichtigen Sache, natürlich unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Datenschutzfragen, auch diesem Gesetz unsere Zustimmung geben, denn die scharfe Beobachtung von Sekten ist in der Wertigkeit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität durchaus gleichzusetzen.

Abschließend noch etwas, was nicht unmittelbar mit diesem Thema zu tun hat, was ich aber dennoch erwähnen möchte: Die Worte des Kollegen Gudenus über das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, die er so gelassen ausgesprochen hat, finde ich einfach geschmacklos. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Widerspruch bei den Freiheitlichen.)

Die Arbeit dieser Institution als Gesinnungsschnüffelei zu bezeichnen, ist ungeheuerlich und zeigt nur zu deutlich Ihre Gesinnung, Herr Gudenus! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.02

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Martin Bartenstein. Ich erteile es ihm.

17.02

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Es wäre auch möglich gewesen, dieselbe Art von Tätigkeit durch eine Abteilung meines Hauses durchführen zu lassen, aber aus verschiedenen Gründen habe ich mich dazu entschlossen, dem Gesetzgeber, nämlich Ihnen, vorzuschlagen, dafür eine eigene Bundesstelle zu schaffen, zum ersten, weil es sich hier um eine ausgegliederte Struktur handelt, die jetzt weisungsungebunden und vor allem für alle Bürger des Landes ansprechbar agieren kann, und weil auch damit nach außen dokumentiert sein soll, daß das keine Abteilung des Familienressorts ist, sondern eine Bundesstelle – und diese Struktur wird auch von der Finanzierung her schlank sein. Sie wissen aus den Ihnen vorliegenden Unterlagen, das wird Kosten in einstelliger Millionenhöhe verursachen und keinesfalls darüber hinaus.

Es ist vielen von uns in den letzten Monaten das Thema Sekten ein echtes Anliegen geworden. Aus manchen von uns spricht mehr persönliche Betroffenheit und mehr persönliche Erfahrung heraus, und ich danke insbesondere Herrn Bundesrat Hager für seine Feststellungen, weil man gerade aus der Sorge um die eigenen Kinder das Thema Sekten ein wenig anders betrachtet, als wenn man diese Sorge nicht haben müßte.

Tatsache ist jedenfalls, daß es eine Unzahl von Gruppierungen gibt, daß das keinesfalls auf die städtischen Bereiche begrenzt bleibt, und daß gerade im ländlichen Bereich oft auch aus dem Interesse Jugendlicher selbst heraus Kultgruppen entstehen können, die gewissermaßen selbsttragend, aber um nichts weniger gefährlich sind, als wenn jemand vielleicht einer bekannten größeren Sekte als Mitglied anheimfällt.

Auf der anderen Seite halte ich gerne noch einmal fest, daß das Prinzip der Religionsfreiheit und der Meinungsfreiheit von dieser Einrichtung und insgesamt von meiner Sektenpolitik unange


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tastet bleiben müssen. Hier sind klare Grenzziehungen erforderlich. Aber es gibt offensichtlich, wie die praktischen Erfahrungen auch zeigen, einen Bedarf über das bestehende Instrumentarium hinaus, einen Beratungsbedarf und auch einen Dokumentationsbedarf. Lassen Sie es mich so sagen: Es erscheint mir zweckmäßig, wenn auch öffentliche Strukturen so gut informiert sein können und sein sollen, wie das jetzt manche dieser Sektengruppierungen durchaus sind.

Ich verstehe die Haltung der Freiheitlichen, Herr Bundesrat Gudenus, in dieser Frage längst nicht mehr. Wenn ich an die Aktivitäten der Frau Nationalratsabgeordneten Apfelbeck denke, die diesbezüglich über Jahre eine der großen Fürsprecherinnen war, an die Arbeit im Familienausschuß durch Ihre Fraktion, dann an die völlige Kehrtwendung, die darin gegipfelt hat, daß Frau Abgeordnete Apfelbeck im Nationalratsplenum gar nicht mehr das Wort ergriffen hat, sondern ausschließlich Herr Mag. Stadler, dann kann ich Ihre Linie nicht mehr klar erkennen.

Herr Mag. Stadler hat sich im Nationalrat zum Retter der Kirchen aufgeschwungen, indem er gemeint hat, daß jetzt nicht die Feststellung des § 1 Abs. 2, sondern, ganz im Gegenteil, eine Ausschußfeststellung für mich entscheidend ist, die mich beauftragt und die gewissermaßen von mir auch die Zusicherung mitbeinhaltet, daß ich, wenn es im Rahmen dieser Tätigkeit Gefährdungen innerhalb der gesetzlich anerkannten Kirchen- und Religionsgesellschaften geben sollte, die mir bekannt seien, dann nichts anderes tue, als die leitenden kirchlichen Organe dieser gesetzlich anerkannten Kirchen zu verständigen.

Es war und ist für mich daher nicht mehr klar ersichtlich, wo jetzt die Linie der Freiheitlichen ist.

Wenn ich jetzt informiert werde, daß die Freiheitlichen im Ausschuß des Bundesrates dieses Gesetz mitgetragen haben, sie aber angekündigt haben, im Plenum des Bundesrates würden sie das nicht mehr tun, dann ist das nicht nachvollziehbar. (Bundesrat DDr. Königshofer: Freies Mandat!)

Ich möchte auch ausdrücklich festhalten, daß das Thema, wie man mit Gruppierungen innerhalb der etablierten Kirchen umgeht, natürlich ein Diskussionsthema war, und ich weiß sehr genau, daß unser erster Begutachtungsentwurf einen anderen Inhalt hatte. Zwei Gründe haben uns dazu bewogen, im Gesetzestext jetzt die Formulierung zu wählen, die § 1 Abs. 2 enthält, meine Damen und Herren:

Zum ersten die praktische Erfahrung, daß Betroffene aus innerkirchlichen Gruppen für uns bei vielen Tausenden Kontakten, die meine Mitarbeiter im abgelaufenen Jahr hatten, kein oder jedenfalls nur ein verschwindend kleines Problem dargestellt haben. Das heißt, die Zahl der Fälle, die uns zu Ohren gekommen ist, ist, wie gesagt, minimal bis nicht vorhanden.

Zum zweiten waren die verfassungsrechtlichen Bedenken entscheidend, daß Artikel XV des Staatsgrundgesetzes eine derartige textliche Formulierung nicht zuließe.

Ich meine, daß mit der gefundenen Kompromißform in der Ausschußfeststellung ein vernünftiger Mittelweg gegangen wurde.

Es ist mit dieser Bundesstelle für Sektendokumentation und -information jetzt auch das Dach für ein Haus möglich geworden, ein Haus, das die Sektenberatungsstellen in den Bundesländern schaffen sollten. Herr Bundesrat Wilfing hat das bereits angezogen. Es ist innerhalb von etwas mehr als einem Jahr gelungen, in jedem Bundesland zumindest eine derartige Familienberatungsstelle auf das Thema Sektenberatung zu spezialisieren, und wir sind dort auch mit vergleichsweise vernünftigen Budgetmitteln in der Lage, uns dem Bedarf flexibel anzupassen, sprich: die Beratungszeit auf jenes Maß auszudehnen, das eben zur Beratung von interessierten Bürgern notwendig ist.

Damit, sehr verehrter Herr Präsident und meine Damen und Herren des Bundesrates, möchte ich schließen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.09


Bundesrat
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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte sehr, Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer.

17.09

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Um vorweg keine falschen Schlußfolgerungen aufkommen zu lassen, möchte ich feststellen, daß ich getaufter Katholik bin, und das seit meiner Geburt, bis heute. Aber ich werde nach wie vor auch als Katholik voll für die Religionsfreiheit von jedermann in diesem Staate eintreten, und deshalb kann ich mich mit einer solchen Institution, die hier geschaffen werden soll, nicht identifizieren.

Ich möchte zu bedenken geben, daß auch die christliche Religionsgemeinschaft vor 2 000 Jahren noch eine Sekte war und 700 Jahre gebraucht hat, um sich in Europa zu etablieren. Und ich möchte auch darauf hinweisen, daß es eine kirchliche Kongregation war, die heutige Glaubenskongregation, die damals die "Kongregation zur Heiligen Inquisition" hieß, die die schlimmsten Verfolgungsmaßnahmen dieser Art in Europa in Gang gesetzt hat.

Ich warne davor, denn es handelt sich dabei um ein derart sensibles Gebiet, da die Gratwanderung zwischen objektiver Tatsachenfeststellung und dem, was man daraus macht, auf einem so engen und schmalen Grat erfolgt, daß ich mich fast davor fürchte, überhaupt eine solche Institution ins Leben zu rufen.

Deshalb möchte ich mich der Argumentation des Kollegen Gudenus anschließen, weil ich einfach Angst davor habe, wie in Zukunft diese Informationen gesammelt und aufgebracht werden sollen und was man dann mit diesen Informationen macht.

Ich denke da immer noch an das Buch von George Orwell – "1984" –, obwohl dieses Jahr schon längst vorbei ist, in dem es heißt: Big brother is watching you. Solche Institutionen, die Sie hier schaffen, werden sich in Zukunft zu Informationsbeschaffungsinstrumentarien und in der Folge auch zu Instrumentarien zur Informationsweitergabe entwickeln, und kein Mensch weiß dann noch, wer was mit welchen Informationen macht.

Ich meine, ein mündiger Bürger müßte in einem Staat in der Lage sein, sich selbst, sein Lebensbild und sein Lebensglück zu suchen und zu finden, vor allem, wenn er aus einem entsprechenden Elternhaus kommt, und ich glaube daher nicht, daß es notwendig ist, eine solche Institution einzurichten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.11


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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Werden weitere Wortmeldungen gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen. (Rufe: Nein!) – Es waren zwei Herren, die nach meinem Eindruck bewußt nicht zugestimmt hatten.

21. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz und das Altlastensanierungsgesetz geändert werden (Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 1998) (1201 und 1327/NR sowie 5729 und 5765/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 21. Punkt der Tagesordnung: Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 1998.

Die Berichterstattung hat wiederum Herr Bundesrat Herbert Thumpser übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Herbert Thumpser: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Bericht des Ausschusses für Umwelt, Jugend und Familie beziehungsweise der Antrag liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf deshalb von einer Verlesung Abstand nehmen.

Der Ausschuß für Umwelt, Jugend und Familie stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. der in Ziffer 44 § 45 Abs. 16 und Ziffer 45 Artikel VIII Abs. 10 Z 4 des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates enthaltenen Verfassungsbestimmung im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. gegen die übrigen Bestimmungen des Beschlusses des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Walter Scherb. Ich erteile es ihm.

17.13

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Positiv ist mir an diesem Gesetz die Regelung betreffend die mobilen Verbrennungsanlagen aufgefallen. Mit diesen mobilen Verbrennungsanlagen kann die Altlastensanierung in Zukunft sicherlich besser und effizienter betrieben werden. Die derzeitige Situation bei den Sanierungen ist, wie der Fall Fischer-Deponie zeigt, unhaltbar. Den Mist einfach von Niederösterreich ins Burgenland zu bringen, ist keine Lösung des Abfallproblems.

Ich sehe grundsätzlich in einer verantwortungsbewußten, kontrollierten Verbrennung in Verbrennungsanlagen, die insbesondere bei der Filtertechnologie dem Stand der Technik entsprechen, eine positive Lösungsmöglichkeit des Abfallproblems. Ein Zwang zur kostenintensiven stofflichen Verwertung von Abfällen hat nur dort Sinn, wo bei dieser stofflichen Verwertung sinnvolle und wertvolle Produkte oder Rohstoffe geschaffen werden. Bei Aludosen beispielsweise ist es sicherlich nicht sinnvoll, diese zu verbrennen, sondern sie gehören aufgrund ihres hohen energetischen Grundwertes gesammelt, und das Rohaluminium gehört dann wieder verwertet.

Bei Abfallstoffen, bei denen das nicht der Fall ist, die aber auch einen hohen energetischen Wert haben, der bei der Verbrennung zum Ausdruck kommt, wie das bei PET zum Beispiel der Fall ist, ist sicherlich die Verbrennung zielführender.

Wenn durch diese energetische Nutzung in Fernheizkraftwerken der Hausbrand reduziert werden kann, ist dies nicht nur ökonomisch, sondern sicherlich auch ökologisch sinnvoll, weil der kontrollierten Verbrennung in modernen Verbrennungsanlagen auf der eine Seite die unkontrollierte Verbrennung in veralteten Heizanlagen, in Haushalten gegenübersteht.

Nun möchte ich aber auf die Kritikpunkte an diesem Gesetz zu sprechen kommen.

Sehr geehrter Herr Minister! Bei diesem Gesetz beanstande ich, daß die Kennzeichnung von Abfalltransporten entgegen der ursprünglichen Absicht erneut gefallen ist. Weiters kritisiere ich, daß dieses mehrfach novellierte Abfallwirtschaftsgesetz – die Änderungen seit 1992 nehmen überhand – unlesbar geworden ist. Dieses Gesetz müßte entschlackt, klar strukturiert, lesbar und damit vollziehbar gemacht werden. Alte, längst überholte Vorschriften beziehungsweise Ver


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ordnungen, die nicht mehr zeitgemäß sind, müßten aufgehoben werden. Ich will dies anhand eines Beispiels erläutern, nämlich anhand der Getränkezielverordnungen.

Ende der achtziger Jahre standen fälschlicherweise nur die Abfälle aus Getränkeverpackungen im Schußfeld der Kritik. Deswegen wurden auch nur für Produkte, deren Verpackungen einen marginalen Anteil am Gesamtabfallaufkommen haben, eigene Zielverordnungen geschaffen, die unabhängig vom verwendeten Verpackungsmaterial Wiederverwendungsquoten für Getränke vorschreiben. Bei diesen Zielquoten wird zwischen Milch, Mineralwasser, Bier, Limonade und so weiter unterschieden, aber nicht auf das zugrunde liegende Verpackungsmaterial abgezielt, was eigentlich notwendig und sinnvoll gewesen wäre.

Im Laufe der neunziger Jahre sind wir Gott sei Dank gescheiter geworden und haben bemerkt, daß es nicht sinnvoll sein kann, einzelne Produkte zu diskriminieren, sondern daß die Verpackungen und das Verpackungsmaterial und der Abfall im vordergründigen Interesse stehen müßten. Mit der Verpackungsverordnung wurde richtigerweise das Augenmerk weg vom verpackten Produkt hin auf das eigentliche Problem, nämlich das Verpackungsmaterial, gelegt.

Es wurden in diesem Bereich anspruchsvolle Ziele und Quoten zur Sammlung und Verwertung der Verpackungsmaterialien vorgegeben, deren Erfüllung der Privatwirtschaft überlassen wurde. Die Wirtschaft hat in der Folge aufwendige und kostenintensive, aber auch funktionierende Sammlungs- und Verwertungssysteme aufgebaut und auch finanziert.

Wie gesagt, das Hauptaugenmerk wurde in den vergangenen Jahren richtigerweise auf das Verpackungsmaterial und den Abfall gelegt. Unverständlich ist nur, daß die alten, überholten und inhaltlich längst durch die Verpackungsverordnung ersetzten Getränkezielverordnungen noch immer in Kraft sind. Dies ist aus meiner Sicht nur ein kleines Beispiel dafür, daß die Abfallgesetzgebung insgesamt neu strukturiert, entschlackt, überschaubar, lesbar, vollziehbar und damit auch befolgbar gemacht werden muß, was mit dieser Novelle aus unserer Sicht wieder nicht gelungen ist, weswegen wir diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.19

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ing. Polleruhs das Wort. – Bitte.

17.19

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich jetzt Kollegen Scherb zugehört habe, habe ich leicht geschmunzelt und war der Meinung, daß wir über die Novellierung des Futtermittelgesetzes sprechen, denn es kann nicht so sein, daß man sich wie ein Huhn die guten Körner herauspickt, sich damit satt ißt und all das liegenläßt, was einem nicht paßt, was quasi nicht zum Fressen ist, und über das diskutieren wir dann. Aber ich werde später noch darauf zu sprechen kommen, weil es im Nationalrat von seiten der Oppositionsparteien ähnliche Diskussionen und Meinungen zu einer Novelle gegeben hat, mit der man sich zuwenig auseinandergesetzt hat – dies gilt natürlich vor allem wieder für die Oppositionsparteien – und bei der man, so wie auch bei vielen anderen Dingen, versucht hat, zwischen den Zeilen etwas zu finden.

Das Problem liegt bei der gegenständlichen Novelle aber vor allem darin, daß einige Anpassungen an das EU-Recht vorzunehmen sind. Das betrifft insbesondere Bestimmungen bezüglich Problemstoffe, Abfallbesitzer, Nachweis der Nichtgefährlichkeit, Inhalt des Bundesabfallwirtschaftsplanes, grenzüberschreitende Verbringungen und Übereinkommen, weil auch der Abfall an der Grenze nicht haltmacht.

Ziel dieser Novelle sind sicherlich daher einmal die EU-Konformität, die Sicherstellung eines einheitlichen Vollzuges beziehungsweise die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen, verbunden damit sind erfreulicherweise aber auch einige Entbürokratisierungen bei gleichzeitiger Sicherstellung des Schutzes öffentlicher Interessen und somit verbesserter Kontrollmöglichkeit.


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Enthalten sind logischerweise auch Anpassungen beziehungsweise Klarstellungen einiger Begriffe, Verordnungsermächtigungen, spezielle Verfahren zur Ausstufung und vieles andere mehr. All diese Änderungen sind üblicherweise, und so auch hier, mit Kosten verbunden. Bei Durchsicht der Beilage zu den Stenographischen Protokollen war ich persönlich aber sehr überrascht, Herr Minister, daß hier wirklich die exakte Aufstellung beigefügt ist, und daß auch klar nachvollziehbar ist, in welchem Zusammenhang Kosten anfallen und wie sie sich aufteilen; es ist das eine ziemlich umfangreiche Beilage zu den Stenographischen Protokollen.

Ich habe mich wirklich auch intensiv mit dem Bericht des Umweltausschusses auseinandergesetzt und dabei festgestellt, daß man vor allem im Bereich rund um den Schutz der öffentlichen Interessen bei dieser Novellierung große Sorgfalt walten ließ, lautet doch zum Beispiel ein Satz wie folgt: Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat nach Anhörung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, der Länder, des Österreichischen Städtebundes, des Österreichischen Gemeindebundes, der Wirtschaftskammer Österreichs, der Vereinigung der österreichischen Industrie, der Bundesarbeitskammer, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern mit Verordnung festzulegen, welche Abfälle zum Schutz der öffentlichen Interessen als gefährlich gelten und unter welchen Voraussetzungen die Ausstufung eines bestimmten Abfalles im Einzelfall möglich ist.

Ich habe das bewußt verlesen, obwohl es auch in den Unterlagen enthalten ist, aber Sie werden erkennen, daß da alle Verantwortungsträger miteingebunden sind, die in Wirklichkeit bis hin zu den Gemeinden die Produzenten des Abfalls vertreten. Anscheinend haben das, wie schon erwähnt, einige Abgeordnete der Oppositionsparteien im Nationalrat nicht klar erkannt, sonst könnten nicht Aussagen getätigt werden, die teilweise an der Realität vorbeigehen und in keiner Weise der sensiblen Sache – Abfallwirtschaft mit ihren Problem- und Schadstoffen – dienen.

Ich darf auszugsweise zitieren: Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer von der F sagt, diese Vorlage sei ein Indiz dafür, daß die Regierung nicht gewillt sei, gewisse Maßnahmen zur Abfallvermeidung zu setzen. Die Müllverbrennung alleine könne nicht die Lösung des Abfallproblems sein. Bei dieser ganzen Novellierung wird sehr wohl, das gebe ich zu, die Müllverbrennung mitangesprochen, aber sie ist nicht das Hauptthema dieser Novellierung. – Soweit Mag. Schweitzer.

Mag. Barmüller vom Liberalen Forum bemängelt, daß die Änderungen im AWG mittlerweile überhandnehmen, und befürchtet, daß die langfristigen Ziele nicht mehr jene Priorität besäßen, die sie eigentlich haben sollten.

Abgeordnete Ing. Langthaler von den Grünen vermißt eine Diskussion über Abfallvermeidung und verweist auf Tendenzen, die auf mehr Abfallproduktion anstelle der nötigen Reduktion von Abfall hindeuten.

Die Abgeordnete der F Aumayr meint, diese Novelle sei kein Grund, stolz darauf zu sein, zumal sie für den Normalbürger unlesbar und nicht nachvollziehbar ist. – Ähnliche Worte haben wir vom Kollegen Scherb gehört.

Meine Damen und Herren! Es ist schon klar, daß kein Normalbürger die Bundesgesetzblätter auf seinem Nachttisch liegen hat. Aber gerade das ist unsere Aufgabe, und das wird von den Oppositionsparteien ständig falsch erkannt. Ich glaube, sie sollten eher den Weg einschlagen, beratend und unterstützend für die Bevölkerung, für die Wählerinnen und Wähler dazusein und, statt mit ihrer Politik Angst zu machen, zu helfen und damit die Angst zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gab auch eine klare Antwort von unserem VP-Abgeordneten Stampler, der die Auffassung vertritt, daß Österreich über ein vorbildliches Umweltrecht verfüge und über Standards, von denen andere Staaten nur träumen könnten. – Das ist auch richtig, und ich darf mich bei dir, Herr Minister, recht herzlich für all deine Bemühungen in diesen Bereichen bedanken. Du hast jetzt auch eine Verantwortung im Zusammenhang mit der EU-Ratspräsidentschaft: Du hast für den Bereich Umweltschutz für das nächste halbe Jahr den Vorsitz übernommen, und ich darf dir


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dazu recht herzlich gratulieren und dir für diese Arbeit viel Erfolg wünschen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Aber wo und wie wird nun diese Novelle in die Tat umgesetzt? – In letzter Konsequenz von jedem, der Abfall produziert, und das, meine Damen und Herren, ist jeder einzelne von uns, auch hier in diesem Raum, beginnend beim privaten Haushalt, der schon aufgrund seiner Einkaufspolitik wesentlich dazu beitragen kann, Abfall zu vermeiden.

Ich glaube, daß sich alle, die als Verantwortliche mit dieser Problematik beschäftigt sind, diesbezüglich besonders bemühen müssen. Da kann man nämlich schon klar entscheiden, ob man Abfall vermeiden oder Abfall produzieren will. Da müssen wir den Hebel ansetzen, denn es hilft das beste Gesetz nichts, wenn die Bereitschaft dazu nicht vorhanden ist.

Den privaten Haushalten steht die jeweilige Gemeinde beratend zur Seite, letztendlich auch bei der Entsorgung und Einhaltung eines Bundesgesetzes. Uns ist völlig klar, daß bei dieser Novellierung auch den Gemeinden über Verordnungen gewisse Aufgaben übertragen werden und wurden, mit denen sie nicht immer Freude haben. Diese Aufgaben sind nicht immer leicht zu erfüllen, und ich wäre ein schlechter Bürgermeister einer unser 543 steirischen Gemeinden, wenn ich nicht darauf aufmerksam machen würde, lieber Herr Minister! Aber die Umsetzung von Gesetzen, die größtenteils ohnedies dem Schutz der Betroffenen selbst dient, bedarf eben unser aller Unterstützung.

In diesem Sinne wird die ÖVP-Fraktion gerne die Zustimmung zu dieser Novellierung geben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.27

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Günther Leichtfried. Ich erteile ihm das Wort.

17.27

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Polleruhs hat die Ziele dieser Novelle schon dargestellt, und ich kann es mir daher ersparen, diese Ziele nochmals zu wiederholen.

Ich habe aber auch bei der Rede des Herrn Bundesrates Scherb sehr aufmerksam zugehört und habe gedacht, ich träume. Ich habe mir nämlich auch die Protokolle des Nationalrates sehr aufmerksam durchgelesen und dabei festgestellt, daß die Oppositionsparteien – auch die FPÖ – ganz entschieden gegen die Müllverbrennung oder thermische Verwertung aufgetreten sind. Herr Bundesrat Scherb hat offensichtlich, zumindest hier im Bundesrat, eine kleine Kehrtwendung gemacht, was ich von meiner Warte aus durchaus begrüße. Das möchte ich in weiterer Folge jetzt auch begründen.

Meine Damen und Herren! Die Bewältigung der Abfallproblematik beschäftigt Politik, Industrie und Bevölkerung seit Jahren. Die Politik versucht über abfallwirtschaftliche Gesetzgebung die ständig wachsenden Müllberge, welche auch Ausdruck unserer Lebensführung, unserer Wohlstandsentwicklung sind, einzudämmen. Es gibt kein Abfallwirtschaftsgesetz, auch keines in den Ländern, in dem nicht die Leitziele einer ökologisch orientierten Abfallwirtschaft in einer klaren, hierarchischen Ordnung festgelegt werden: vermeiden, verwerten, entsorgen.

Ich glaube feststellen zu können, daß auf dem Weg zu diesen Zielen in Österreich einiges erreicht werden konnte und wir auch den Vergleich mit anderen Ländern Europas nicht scheuen müssen. Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft sind die vorrangigen Ziele in diesen Gesetzen. Der beste Müll, das wissen wir alle, ist der, der gar nicht entsteht.

Meine Damen und Herren! Leider darf man sich in unserer westlichen Zivilisationswelt bezüglich einer intensiven Müllvermeidung keine allzu großen Hoffnungen machen.


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Wir alle haben uns zu sehr an die täglichen Segnungen der industriellen Produkte und die damit zwangsläufig gekoppelten Abfallströme gewöhnt, sodaß es komplett illusorisch wäre, eine totale Umstellung unserer Gesellschaft auf ein völlig neues Produktions-, Konsum- und Werteschema zu erwarten. Wir alle müssen aber möglichst viele Weichen stellen, um in diese Richtung zu arbeiten; innerhalb der nächsten 20, 30 Jahre werden wir dies aber mit Sicherheit nicht schaffen.

Auch die sogenannte – heute schon von Ihnen zitierte – Verpackungsverordnung hat nicht den gewünschten Erfolg im Bereich der Müllvermeidung gebracht, sondern eher zu einer Zunahme des Kunststoffmülls geführt. Erstens geht es daher jetzt darum, rohstoffschonende, abfallarme Produktionsverfahren zu entwickeln und zu fördern. Und zweitens geht es darum, die stoffliche Verwertung von Altstoffen – soweit dies ökologisch sinnvoll und technisch machbar ist –, die biologische Verwertung, aber auch die thermische Verwertung der nicht mehr verwendbaren, aber energiereichen Abfallstoffe voranzutreiben.

Als jemand, der seit Jahren im öffentlichen Leben für die Vermeidung und die stoffliche Trennung des Abfalles kämpft, wäre ich sehr glücklich, wenn wir keine entsorgungsorientierte Gesetzgebung mehr bräuchten. Tatsache ist aber, daß wir ohne eine solche nicht auskommen werden. Es geht also darum, neben allen Vermeidungs- und Verwertungsstrategien auch die ökologischste und ökonomischste Lösung für die Entsorgung von Reststoffen zu finden. Dabei wird man auch über das Thema der thermischen Abfallverwertung nicht umhinkönnen. Die heutige thermische Verwertung hat mit der Müllverbrennung der siebziger Jahre nichts mehr gemeinsam. Die thermische Abfallverwertung nach dem neuesten Stand der Technik gewährleistet die weitgehende Zerstörung von im Abfall vorhandenen organischen Schadstoffen.

Meine Damen und Herren! Die immer wieder zitierten Dioxine und Furane werden fast gänzlich zerstört. Anorganische Stoffe, wie die Schwermetalle Quecksilber, Kadmium und so weiter, werden über Rauchgasreinigung und Reststoffaufbereitung konzentriert erfaßt und gebunden und können als solche wieder zurückgewonnen werden. Würden all diese Reststoffe deponiert werden, würden diese organischen und anorganischen Schadstoffe diffus verteilt werden und über Deponiegase und Sickerwässer zu einer Luft- und Grundwasserbelastung führen. Derzeit wird leider Gottes viel zu viel an solchen Reststoffen deponiert; auch in Deponien gelagert, die unzulänglich ausgestattet sind, weil diese Reststoffe zu Dumpingpreisen übernommen werden. Auch das hat mit Müllvermeidung nichts zu tun. Dies gilt es vor allem aus ökologischen Gründen zu vermeiden.

Vor zehn Jahren war ich überzeugt davon, daß man den anfallenden Müllberg ohne entsprechende thermische Verwertung in den Griff bekommen könnte. Die Entwicklung hat mich eines Besseren belehrt. Ich glaube daher, daß man die thermische Verwertung sehr schnell ausbauen, parallel dazu aber auch alle neuen technologischen Möglichkeiten beachten muß. Auch andere alternative Möglichkeiten wie zum Beispiel – um nur eines zu erwähnen – das Restmüllsplitting müssen durch entsprechende Förderungsmaßnahmen weiterentwickelt werden. Will man bis zum Jahre 2004 das Ziel erreichen, daß nur noch inertes Material abgelagert wird, dann muß man auch zur thermischen Verwertung stehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir glauben, und wir sind uns der Verantwortung gegenüber unserer Umwelt und unserer Nachfolgegeneration bewußt, daß wir uns mit dieser notwendigen Novelle auf dem richtigen Weg befinden. Wir wissen aber auch, daß noch in vielen Fällen Handlungsbedarf besteht. Es ist hier schon angedeutet worden, daß eine Überarbeitung des Abfallwirtschaftsgesetzes im Sinne eines Abfallwirtschaftsgesetzes 2000 dringend notwendig ist – und dies nicht nur wegen seiner nicht mehr optimalen Lesbarkeit.

Die sozialdemokratische Fraktion wird daher den Änderungen die Zustimmung erteilen und gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch erheben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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17.35

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing. Ich erteile ihm das Wort.

17.35

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Nachdem meine Vorredner inhaltlich an sich alles darüber gesagt haben, was an großen Änderungen in dieser Novelle verankert ist, möchte ich nun die Gelegenheit dazu nützen, um mich bei den Beamten des Umweltministeriums für zwei Dinge zu bedanken.

Erstens: Ich habe mich als Regionalpolitiker während der letzten Wochen und Monate sehr intensiv mit der Deponieverordnung befaßt, weil es kaum einen Bürgermeister gab, der sich mit dieser Deponieverordnung, die mit 1. Juli 1998 in Kraft getreten ist, zufrieden gezeigt hätte. Ich bin sehr dankbar dafür, daß gestern im Ausschuß berichtet werden konnte, daß ein Erlaß des Landwirtschaftsministeriums dahin gehend kommen wird, daß die Bodenaushubdeponien, die seit 1. Juli 1998 in den Gemeinden betrieben werden, auch als Zwischenlager – ich sage jetzt bewußt nur: Zwischenlager  – für Baurestmassen weiterhin Verwendung finden können.

Zweitens: Diese Erdaushubdeponien unter 100 000 Kubikmeter sind eben nicht ALSAG-pflichtig. Damit konnten zwei große Wünsche, die aus diesen Gemeinden kamen, zu denen es auch sehr viele Resolutionen gab, erfüllt werden, und damit wird auch in Zukunft die Serviceleistung einer Bodenaushubdeponie für kleine Gemeinden möglich sein. – Dafür möchte ich ein herzliches Dankeschön sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Martin Bartenstein. Ich erteile ihm das Wort.

17.36

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Wenn es möglich war, auf berechtigte Wünsche von kommunalen Verantwortungsträgern einzugehen, vor allem im Hinblick auf die Deponieverordnung, Herr Bundesrat Wilfing, so freut mich das. Wir werden weiterhin darum bemüht sein, bei der Umsetzung der von uns zu verantwortenden oder – genaugenommen – zu vollziehenden Gesetze auf Wünsche einzugehen, sofern dadurch Inhalt und Ziele der Gesetzesmaterie nicht eingeschränkt oder verwässert werden.

Ich kann mich kurz fassen. Herr Bundesrat Scherb hat neben einigen positiven Anmerkungen auch einige Punkte der Kritik angebracht. Zur Frage: Warum wurde auf die Kennzeichnung mit dem großen "A" verzichtet?, darf ich darauf verweisen, daß die bisherigen Erfahrungen mit dieser Kennzeichnung in Deutschland keine guten sind und daß im übrigen gerade aus Kreisen der Wirtschaft und der Industrie starke Kritik hinsichtlich dieser geplanten Kennzeichnung gekommen ist. Wir sind daher zur Auffassung gekommen, daß wir auf ein harmonisiertes, europaweites Vorgehen warten wollen und haben hier gemeinsam mit den Niederlanden auf EU-Ebene die Initiative ergriffen.

Eine Entschlackung von Gesetzen ist immer wünschenswert – die Lesbarkeit von Gesetzen erst recht, auch wenn es, so glaube ich, kaum jemandem zu wünschen ist, daß auf seinem Nachtkästchen als Bettlektüre Bundesgesetzblätter liegen. Das gilt wohl auch für die hier herinnen Sitzenden beziehungsweise Stehenden. Aber abgesehen davon darf ich darauf verweisen, daß auch der Versuch, den eine hochrangige Standesvertretung einmal begonnen hat, nämlich ein großes Mietrechtsgesetz lesbar zu gestalten, gescheitert ist und wiederum an den Präsidenten des Nationalrates – nach meiner Erinnerung – ohne Erfüllung dieses Auftrages oder dieser Bitte zurückgegeben werden mußte. Die Rechtsanwaltskammer hat diesen Wunsch beziehungsweise diese Einladung des Präsidenten Fischer letztlich nicht umsetzen können. Es ist also nicht so einfach!

Das heißt aber nicht, daß man nicht besser sein kann. Es ist ohne Frage so, daß diese gesamte Gesetzesmaterie des Abfallwirtschaftsgesetzes in die Jahre gekommen ist. Es gibt diese Gesetzesmaterie seit ziemlich genau zehn Jahren. Eine Vielzahl von Novellierungen, eine Vielzahl von EU-Anpassungen und das Konzept eines Abfallwirtschaftsgesetzes 2000 in einer neuen und sicher übersichtlicheren Form ist auch für uns ein Ziel. Es gibt diesbezüglich eine Entschließung


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des Nationalrates mit der Einschränkung, daß es vermutlich trotzdem keine wirklich spannende Abendlektüre werden wird.

Zum Kritikpunkt, daß es der Getränkezielverordnungen an sich nicht mehr bedürfe, da es doch die Verpackungsverordnung gebe, möchte ich sagen, daß uns das schon alleine deswegen sinnvoll erscheint, weil wir nur so auf die hohen Mehrweganteile einzelner Getränketypen abstellen können. Es sind diese hohen Mehrweganteile ohnehin – ich hoffe, nicht in entscheidendem, aber doch in gewissem Ausmaß – rückläufig, weil eben Einwegverpackungen ihren Weg machen. Ich halte das für einen sehr wichtigen, vielleicht den wichtigsten Grund, warum wir dies aufrechterhalten sollten und müßten.

Ich bedanke mich für die an sich durchgängige Meinung der Vertreter des Bundesrates, daß die thermische Verwertung in Zukunft eine größere Rolle spielen soll, weil alleine das einen verantwortungsvollen Umgang mit dem, was an unvermeidlichem Restmüll anfällt, darstellt. Alles andere wird in Zukunft nur Altlasten schaffen, alles andere bedeutet Sickerwasserbelastungen und Deponiegase. Ich sehe daher dem Jahre 2004 mit froher Erwartung entgegen, weil das dann das Schlüsseljahr sein wird, ab dem nicht vorbehandelter Müll nicht mehr in Deponien abgelagert werden darf – natürlich mit gewissen Übergangsregelungen und Einschränkungen. Das hat die Novelle zum Wasserrechtsgesetz bewirkt.

In diesem Sinne handelt es sich um ein Gesetz, das vieles an EU-Anpassungen, einiges aber auch an innerösterreichischen Weichenstellungen enthält und das implizit und indirekt durch die ALSAG-Befreiung von Aschen und Schlacken aus der thermischen Verwertung ein Bekenntnis zur Sinnhaftigkeit der thermischen Abfallverwertung umfaßt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.43

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluß enthält in Ziffer 44 § 45 Absatz 16 und in Ziffer 45 Artikel VIII Abs. 10 Z 4 jeweils eine Verfassungsbestimmung, die nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den von mir genannten Verfassungsbestimmungen des gegenständlichen Beschlusses die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, diesen Verfassungsbestimmungen des vorliegenden Beschlusses die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Ferner bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.


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22. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Umweltkontrolle und die Einrichtung einer Umweltbundesamt Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Umweltkontrollgesetz) (1206 und 1328/NR sowie 5766/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 22. Punkt der Tagesordnung: Umweltkontrollgesetz.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Herbert Thumpser übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Herbert Thumpser: Herr Präsident! Herr Minister! Der Bericht des Ausschusses liegt in schriftlicher Form vor. Ich möchte deshalb von einer Verlesung Abstand nehmen.

Der Ausschuß für Umwelt, Jugend und Familie stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte.

17.43

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich brauche nicht extra zu betonen, daß uns allen klar ist, wie wichtig der Umweltschutz ist. Ich meine, wir sind uns darüber einig, daß wir uns alle heftig darum bemühen müssen, die Umwelt möglichst sauber zu halten – und das natürlich nicht nur vor der eigenen Haustüre. Es beginnt nicht immer nur bei der Haustüre und hört dann beim Gartenzaun wieder auf. Man muß das auch globaler sehen. Wir wissen, wie schwierig dies ist, obwohl es wirklich viele Menschen gibt, die sich hier besonders engagieren und sehr bemühen.

Wir wissen auch, daß immer nur kleine Schritte gesetzt werden können – auch wenn wir das bedauern. Wir wissen aber ebenso, wie wichtig es ist, im Umweltschutz Kontrolle zu üben. Viel zu oft gibt es Einzelinteressen, wobei jeder glaubt, er könne machen, was er will. Diesbezüglich halte ich es für besonders wesentlich, daß hier beobachtet wird und notfalls auch eingegriffen werden kann. Das hat das Umweltbundesamt bisher zur vollsten Zufriedenheit aller getan; nicht nur zur vollsten Zufriedenheit der Regierungsparteien, sondern, soweit ich weiß, auch von allen anderen Oppositionsparteien neben den Freiheitlichen.

Daher verstehe ich jetzt überhaupt nicht, warum diese Ausgliederung notwendig war. Unserer Ansicht nach hätte eine Verschlankung oder eine Schlankheitskur im Verwaltungsapparat durchaus auch ohne Ausgliederung stattfinden können. Auch wenn wir uns immer dazu bekennen, daß überall dort, wo der Private effizienter wirtschaftet, er dies auch tun und sich der Staat zurückziehen soll, trifft das hier – wie auch der Herr Minister selbst immer wieder betont hat – nicht zu, weil wir hier nicht von einer Privatisierung, sondern von einer Ausgliederung sprechen.

Das stimmt auch, weil der Eigentümer bleibt zu 100 Prozent der Bund. Nur haben wir es hier mit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu tun, die im wesentlichen ohne Risiko arbeitet. Die Basisfinanzierungen in Höhe von 222,3 Millionen Schilling sind gesichert. Jetzt soll zwar durch Auftragsarbeiten zusätzlich Geld in die Kasse fließen können, allerdings gibt es da schon die erste Einschränkung. Es heißt nämlich: mindestens kostendeckend muß es sein. – Jetzt sind dies sicher oft Arbeiten, die auch Private machen könnten. Private können aber nicht so arbeiten, daß die Kostendeckung alleine ausreicht, sondern Private arbeiten immer gewinnorientiert – zumindest müssen sie es. (Bundesrat Prähauser: Nicht wahr, da gibt es jemanden mit 250 Millionen Schilling Konkurs! Den Geflügelhändler aus Niederösterreich!)

Aber wir sind uns doch darüber einig, daß gewinnorientiert gearbeitet werden sollte, und wenn sie es nicht tun, passiert eben genau das. Dies gilt es normalerweise zu vermeiden. Darüber


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sind wir uns einig, nicht wahr? Jetzt hat der Private aber nicht jene Rückendeckung, die das Umweltbundesamt nach der Ausgliederung haben wird. Wenn es das Umweltbundesamt – damit wären wir, Herr Kollege Prähauser, bereits bei der besonderen Feinheit, weil Sie das angesprochen haben, nicht jeder arbeitet gewinnorientiert – auch nicht schafft, gewinnorientiert zu arbeiten, dann springt natürlich wieder der Bund ein. Das ist ja schon öfter vorgekommen, auch in anderen Institutionen, bei denen letzten Endes der Steuerzahler einspringen mußte. Die Basiszuwendung wird aber erhöht. Das ist jedoch nicht der Regelfall, daß das jedes private Unternehmen für sich in Anspruch nehmen kann. Das heißt, das ist eine Wettbewerbsverzerrung. Es gibt auch genügend Schreiben von Zivilingenieuren und Ziviltechnikern, die sich darüber beklagt haben.

Ich halte es auch für bedenklich, daß das Umweltbundesamt dann einerseits Kontrollor ist und sich andererseits gleichzeitig selbst quasi einen Auftrag geben kann. Ich glaube auch, daß das eine einseitige Bevorzugung ist, die ebenfalls zu einer Wettbewerbsverzerrung zuungunsten der Privaten führt. Abgesehen davon zweifle ich es wirklich schwer an, daß die budgetäre Zielrichtung – und das ist das eigentliche Ziel oder der eigentliche Grund dafür, warum das passiert – tatsächlich aufgehen wird.

Diese Meinung vertritt übrigens auch in großer Vehemenz der Rechnungshof. In diese Richtung geht auch die Stellungnahme der Wiener Landesregierung. Es gibt auch Zweifel aus dem Umweltbundesamt selbst. Wenn man sich die Tabelle in der Regierungsvorlage anschaut, dann kommt man zu dem Schluß, daß diese Kritik selbstverständlich nicht unberechtigt ist.

Was ich weiters wirklich sehr schade finde, Herr Minister, ist, daß Sie die Anbindung an die Bundesländer eigentlich nicht beachtet haben. Es gibt zwar die Außenstellen in Salzburg und in Klagenfurt, die bis jetzt auch sehr gut gearbeitet haben – Sie haben sie nicht ganz unter den Tisch fallen lassen, das muß ich der Gerechtigkeit halber sagen –, sie kommen aber leider nur in den Erläuternden Bemerkungen vor. Wenn man davon ausgehen kann, daß diese gute Arbeit geleistet haben und daß diese auch weiterhin wichtig sein wird, dann frage ich mich, warum das nicht in der Regierungsvorlage seinen Niederschlag gefunden hat.

Sie sehen also, Herr Minister: Grundsätzlich sind wir für die Arbeit des Umweltbundesamtes. Wir glauben, daß sie in dieser Form mit strukturellen Anpassungen durchaus weiter hätte geführt werden können. Wir glauben aber auch, daß sich das Umweltbundesamt diese Ausgliederung einfach nicht verdient hat. Deshalb werden wir dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.49

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Gottfried Jaud. – Bitte.

17.50

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Der vorliegende Gesetzentwurf ist so richtig nach dem Geschmack der ÖVP. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Er ist für mich ein Paradebeispiel dafür, wie Grundsätze einer Partei in die Tat umgesetzt werden.

Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet zwar keine klassische Privatisierung, aber durch die Bildung einer eigenverantwortlichen Gesellschaft werden Strukturen geschaffen, mit denen die Aufgaben eines Amtes wesentlich flexibler und – wie ich hoffe – auch wesentlich kostengünstiger erledigt werden können.

Ich möchte diesen Gesetzentwurf mit dem heute hier beschlossenen EIWOG vergleichen, das ja eine besonders tiefgreifende Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Österreichs bedeutet. Wir, die für die österreichische Politik verantwortlichen Parteien, nämlich SPÖ und ÖVP, können uns das "Federl" auf den Hut stecken, daß Österreich vom World Economic Forum als Aufsteiger des Jahres 1998 gekürt wurde.

In diesem Zusammenhang möchte ich sagen: Es ist ein Glück für Österreich, daß die FPÖ keine Mehrheiten für ihre Anliegen im Parlament zustande bringt. Sie lehnt alle diese für den Wirt


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schaftsstandort Österreich so positiven Gesetzesinitiativen wie das vorliegende Gesetz und auch das EIWOG ab. (Bundesrätin Mühlwerth: Was ist für den Wirtschaftsstandort Österreich positiv? Das möchte ich einmal wissen!) Die FPÖ lehnt damit aber auch eine Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Österreich und eine Verbesserung unseres Wohlstandes ab.

Durch diese Gesetzesvorlage ist gewährleistet, daß auch die Kontrollfunktion des Umweltbundesamtes voll und ganz erhalten bleibt. Die Gesetzesvorlage ermöglicht es auch – wie bereits erwähnt wurde –, daß Leistungen des Umweltbundesamtes angeboten und auch zu marktkonformen Bedingungen ausgeführt werden können.

Wie ich aus einer mir vorliegenden Korrespondenz ersehe, ist es Herrn Vizepräsidenten Jürgen Weiss zu verdanken, daß auch der Bundesrat über die Aktivitäten des Umweltbundesamtes informiert wird. Nach der Regierungsvorlage hätten die Ergebnisse der Umweltkontrolle nur den zuständigen Behörden, dem Nationalrat und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen. Durch die Aktivität von Vizepräsident Jürgen Weiss ist die Regierung nun aber dazu verpflichtet, auch dem Bundesrat die Ergebnisse der Umweltkontrolle bekanntzugeben.

Zu einer Wettbewerbsverzerrung durch das Angebot von Leistungen des Umweltbundesamtes wird es meiner Auffassung nach nicht kommen, weil festgehalten ist, daß die Leistungen dieses Amtes zumindest kostendeckend, in der Regel aber mit einem Gewinnzuschlag anzubieten sind. Ich bin schon der Überzeugung, daß private Betriebe auch in diesem Zusammenhang etwas rationeller und wirtschaftlicher arbeiten werden; deshalb werden gute Betriebe die Konkurrenz des Umweltbundesamtes nicht zu fürchten haben.

Ich meine, daß mit diesem Gesetz ein beispielhafter und in die Zukunft weisender Weg beschritten wurde. Wir von der ÖVP werden deshalb gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

17.54

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Stefan Prähauser das Wort. – Bitte.

17.54

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Kollege Jaud hat gesagt, das sei ein Gesetz ganz nach dem Geschmack der ÖVP. Er scheint nicht zu wissen, daß gerade der Bundesrat seinerzeit, als das Umweltbundesamt installiert wurde – das war im Jänner 1985 –, gegen dieses Gesetz Einspruch erhoben hat, das heißt, der Nationalrat einen Beharrungsbeschluß herbeiführen mußte, um dieses Gesetz Gesetz werden zu lassen. (Bundesrat Eisl: Da waren Sie in der Opposition! Das ist etwas anderes!) Nur so viel zur Idee des Gesetzes, das auf dem Rücken des damaligen Ministers Dr. Kurt Steyrer mit Unterstützung eines Staatssekretärs aus Kärnten, Ferrari-Brunnenfeld, entstanden ist. (Präsident Gerstl übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Die ÖVP war damals aus einem Grund besonders dagegen, weil sie eine finanzielle Explosion gefürchtet hat. Mehrkosten für den Staat von 1 Milliarde Schilling – man kann das nachlesen, ich habe das heute getan –, das war damals die Befürchtung angesichts dieser Institution. Wir wissen, daß das inzwischen anders geworden ist. Ich möchte daher noch auf ein paar wichtige Punkte eingehen.

Das Umweltbundesamt ist seit dem Jahre 1985 ganz wesentlich dafür verantwortlich, daß eine offensive Umweltpolitik in unserem Land gemacht werden kann. Es war im Vorfeld der Diskussion davon die Rede, Teilausgliederungen zu machen; dem sind wir Sozialdemokraten natürlich mit Vorsicht gegenübergestanden. Wir halten den jetzt eingeschlagenen Weg für den entscheidend wichtigeren.

Als ganz wichtigen Punkt, meine Damen und Herren, möchte ich auch ansprechen, daß die Anbindung dieser Bundesanstalt an die Bundesländer sehr gut funktioniert hat. Die Außenstellen in Klagenfurt und Salzburg haben sich bestens bewährt. Ich darf von dieser Stelle aus sagen, daß


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wir mit Argusaugen darauf achten werden, daß diese Außenstellen auch in Zukunft erhalten bleiben, weil sie mehr als notwendig sind.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zentral geführte Institutionen sind oft sehr sinnvoll; nichts gegen die Bundeshauptstadt Wien, aber ein bißchen wollen wir in den Bundesländern auch mitreden, besonders dann, wenn es Sinn macht, so wie in diesem Fall. Die Mitarbeiter des Umweltbundesamtes werden in Zukunft selbständiger als bisher ihre hervorragende Arbeit leisten können. Das war auch letztlich das Ziel, das mit dem neuen Umweltkontrollgesetz realisiert werden soll.

Die Umweltkontrolle, die nach dem Umweltkontrollgesetz dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie obliegt, wird in ihrer Konzeption geändert und den EU-Richtlinien angepaßt. Das Umweltbundesamt, das seine Aufgaben gut wahrgenommen hat, wird in Übereinstimmung mit dem Budgetprogramm aus der Bundesverwaltung ausgegliedert. Es behält aber auch nach der Ausgliederung den besonderen Status einer Umweltschutzfachstelle des Bundes in der Rechtsform einer GesmbH. Die Ausgliederung des Umweltbundesamtes ist im Budgetprogramm der Bundesregierung für die Jahre 1996 bis 2000 angeführt. Außerdem ist im Koalitionsübereinkommen ausdrücklich die Ausgliederung von Dienststellen der öffentlichen Verwaltung vorgesehen.

Das Umweltbundesamt hat durch seine ausgezeichneten Forschungsarbeiten und Kontrollberichte die österreichische Umweltpolitik wesentlich mitgeprägt und sich dadurch einen guten Ruf erworben. Es wird daher auch weiterhin mit wichtigen Umweltschutzaufgaben zu betrauen sein. Es kann nun Aufträge nicht nur von den Ministerien oder den Gebietskörperschaften entgegennehmen, sondern es wird auch zur Durchführung der Umweltkontrolle für den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie zur Unterstützung der Umweltpolitik des Bundes herangezogen sowie zur Bereitstellung von fachlichen Grundlagen und Stellungnahmen.

Die GesmbH soll künftig auch die Möglichkeit bekommen, im Auftrag von Dritten bestimmte Leistungen gegen Entgelt zu erbringen. Vorrang sollen aber trotzdem die Leistungen, die mit dem Bund und den anderen Gebietskörperschaften erzielt werden, haben. Die Entgelte sollen über den reinen Kostendeckungsbeitrag hinausgehen. Das heißt, es sollen Gewinne erwirtschaftet werden. Das Umweltbundesamt hat jetzt mit den geänderten und zeitgemäßen Organisationsstrukturen viel mehr Möglichkeiten und kann flexibler am Markt agieren. Damit wird die Geschäftsführung transparenter gemacht, die öffentliche Kontrolle bleibt trotzdem erhalten.

Der oder die Geschäftsführer werden dem Nationalrat und dem Bundesrat sowie der Regierung jederzeit für Auskünfte und zur Unterstützung zur Verfügung stehen. Es gilt, auch sicherzustellen, daß dadurch keine unlautere Konkurrenzierung dieser markttätigen Zivilingenieure entsteht, da das Umweltbundesamt vom Bund eine Grundsubvention für die Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben erhält. Auch hier ist die Regierung vorausschauend tätig geworden, und es bedarf nicht ausschließlich der Zurufe der Opposition, dieses auch zu begreifen.

Das Umweltbundesamt wird alle drei Jahre einen Umweltkontrollbericht vorlegen, genauso, wie es bis jetzt der Fall war. Weiters wurde mit diesem Gesetz erreicht, daß die Mitglieder des Umweltbundesamtes auf Wunsch der einzelnen Fraktionen dazu verpflichtet sind, in die Klubs zu kommen und dort Anfragen zu beantworten.

Wir haben somit ein gläsernes – Sie kennen dieses Wort gut –, objektives Institut, das die Umwelt weiterhin in allen Bereichen prüfen und kontrollieren wird. Die Kontrollfunktionen des Umweltbundesamtes bleiben also aufrecht.

Ich freue mich auch darüber, daß die Ausgliederung des Umweltbundesamtes sowohl in Übereinstimmung mit der Leitung als auch im besonderen mit der Personalvertretung des Hauses über die politische Bühne gehen wird.

Meine Damen und Herren! Zu Beginn habe ich zitiert, wie die Abstimmungsergebnisse 1985 ausgefallen sind, abschließend möchte ich noch ganz kurz die Haltung der FPÖ erwähnen.


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Es hat damals Herr Abgeordneter Probst im Nationalrat – im Bundesrat waren Sie noch nicht vertreten – gesagt: Die ablehnende Haltung der ÖVP läßt erkennen, daß sie der Koalitionsregierung diese gute Idee neidet und deswegen nicht mitgeht. – So ändern sich die Zeiten: Oppositionen kommen in die Regierung, Regierungspartner in die Opposition. Als Beweis für die Richtigkeit möchte ich die Kollegen Bieringer, Mautner Markhof und Herrn Vizepräsidenten Weiss anführen, die schon seinerzeit in diesem Bundesrat gesessen sind und die Richtigkeit meiner Worte bezeugen können.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß kommend darf ich festhalten, daß durch das neue Umweltkontrollgesetz das Umweltbundesamt, das Minister Steyrer in weiser Voraussicht 1985 geschaffen hat, weiterhin – nur jetzt in einer anderen Form – der Hüter unserer Umwelt in diesem Land bleiben wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.01

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte sehr.

18.01

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ein drittes und kurzes Mal darf ich mich zu Wort melden und darf mich den Worten des Bundesrates Prähauser anschließen, der gemeint hat, es ändert sich im wesentlichen nichts für das Umweltbundesamt, es wird das Umweltbundesamt weiterhin seine bewährte Tätigkeit, die in der Tat von allen politischen Parteien im Hohen Hause geschätzt wird, weiterführen. – Das soll es nicht sein!

Was ich hoffe, was wir im Sinne des Umweltbundesamtes durch diese Ausgliederung an Veränderungen schaffen, ist, gegenüber dem Ist-Zustand, gegenüber der derzeitigen Struktur als nachgeordneter Dienststelle meines Hauses, gegenüber den derzeitigen budgetären Beschränkungen eine bessere strukturelle Zukunft zu bekommen, weil auf der einen Seite durch die jedenfalls mittelfristig gesicherte Mittelüberweisung an das Umweltbundesamt in der Höhe von 222 Komma Etliches Millionen Schilling die Basisfinanzierung gegeben ist, weil auf der anderen Seite auch gegenüber einer Teilrechtsfähigkeit durch die Möglichkeit, im Markt völlig frei zu operieren, für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung natürlich mehr Chancen vorhanden sind und weil durch diese eine deutlich größere Unabhängigkeit gegenüber dem Umweltressort gegeben ist.

Bis jetzt, meine Damen und Herren, waren die Mitarbeiter des Umweltbundesamtes in Wahrheit in relativ hohem Maße einzelnen Abteilungen, Stellen meines Hauses gegenüber weisungsgebunden, in Zukunft gibt es nur mehr von einer Stelle aus Weisungen, wenn Sie so wollen, nämlich in gewissen Fragen durch den Aufsichtsrat oder in anderen Fragen durch den Eigentümervertreter, das heißt, durch mich als Minister selbst. Aber das ist es dann auch schon. Das heißt, das ist eine Abnabelung, eine Verselbständigung des Umweltbundesamtes.

Verschiedentlich wurde auch immer wieder – interessanterweise in der ersten Phase der Diskussion – als Befürchtung in den Raum gestellt, ob denn das Umweltbundesamt kontrollieren kann, wenn es auf Aufträge aus dem Markt angewiesen ist.

Zum einen: Das Umweltbundesamt kann sich jetzt in hohem Maße nach eigenem Gutdünken seinen Markt aufbauen und Aufträge akquirieren. Zum zweiten: Mit solchen Unvereinbarkeiten oder mit solchen Problemen leben viele in diesem Land und auch anderswo. Dort, wo Unvereinbarkeiten denkbar wären, wo Befangenheiten denkbar wären, werden eben Aufträge entweder nicht akquiriert werden können oder gegebenenfalls auch zurückgelegt werden müssen. Da habe ich überhaupt keine Sorge, daß Direktor Struwe und seine Mitarbeiter das Thema nicht bestens bewältigen können werden.

Das, was in der zweiten Phase seitens der Kritiker dieser Ausgliederung in den Vordergrund gestellt wird, ist jetzt weniger die Sorge um die Existenz des Umweltbundesamtes als vielmehr die Sorge um die Existenz möglicher Wettbewerber. Das ist eine sehr interessante Entwicklung, die aber durchaus ernst zu nehmen ist, weil diese Basisfinanzierung des Umweltbundesamtes privaten Anbietern – Ziviltechnikern, privaten Labors – natürlich nicht zur Verfügung steht.


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Wir haben sehr guten Gewissens durch mehrere Formulierungen im Gesetzestext klarzustellen versucht, daß es keine Quersubventionierungen geben darf, daß Aufträge kostendeckend zu bearbeiten sein müssen und daß im Regelfall auch ein Gewinnaufschlag auf die jeweiligen Kalkulationen draufzulegen ist, um solchen Befürchtungen, wie gesagt, zuvorzukommen.

Ich werde auch diese Entwicklung sorgfältig beobachten, denn es soll das Umweltbundesamt seine Leistungen auf dem Markt anbieten können, aber es soll kein Niedrigpreiswettbewerb zu Lasten Privater geführt werden, das ist klar.

Zuletzt zur Frage der Außenstellen in Klagenfurt und Salzburg: Es ist, so glaube ich, nicht unbedingt üblich, Außenstellen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in einem Gesetz zu definieren. Es ist in den Erläuterungen enthalten, es besteht überhaupt keine Absicht, in den nächsten Monaten oder Jahren eine Veränderung herbeizuführen. Beispielsweise ist der jüngst fertig gewordene Bundes-Abfallwirtschaftsplan in Wahrheit von den Mitarbeitern des Umweltbundesamtes in der Außenstelle Klagenfurt erarbeitet worden.

Im übrigen liegt auch eine derartige Entscheidung nicht mehr sosehr in meiner politischen Hoheit, wenn Sie das so sehen wollen, sondern vielmehr ist das Sache der Geschäftsführung des Umweltbundesamtes, und ich verweise noch einmal auf die Anmerkung diesbezüglich in den Erläuterungen zu dieser Novelle zum Umweltkontrollgesetz.

Ich meine also, daß das Umweltbundesamt damit aus einer guten Gegenwart in eine noch bessere Zukunft entlassen wird und daß das Umweltbundesamt alle Chancen hat, in Zukunft zum Brot die Butter dazuzuverdienen, was sowohl hinsichtlich der personellen Ausstattung als auch der apparativen Ausstattung jedenfalls bessere Chancen bietet als die Beibehaltung des derzeitigen Ist-Zustandes als nachgeordnete Dienststelle meines Hauses. – Ich bedanke mich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.07

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile dieses. (Bundesrat Prähauser: Ich verzichte auf eine weitere Wortmeldung! Ich habe mich nicht zu Wort gemeldet!)  – Dann liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

23. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990 geändert wird (1219 und 1309/NR sowie 5767/BR der Beilagen)

24. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heeresgebührengesetz 1992 geändert wird (1310/NR sowie 5768/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu den Punkten 23 und 24 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.


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Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990 geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Heeresgebührengesetz 1992 geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 23 und 24 hat Herr Bundesrat Ernst Winter übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Ernst Winter: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem die Berichte schriftlich vorliegen, darf ich nur den Beschlußantrag bringen, der für beide Punkte gleich lautet:

Der Landesverteidigungsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den gegenständlichen Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. Ich erteile ihm dieses.

18.09

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Novellierung des Wehrgesetzes 1990 und des Heeresgebührengesetzes 1992 sollen einige Verbesserungen für die militärische Landesverteidigung erreicht werden, die insbesondere den Zeitsoldaten sowie der militärischen Luftfahrt zugute kommen werden.

Zu den Verbesserungen für die Zeitsoldaten: Mit dem Besoldungsreformgesetz 1994 wurde der Verpflichtungszeitraum für den Wehrdienst als Zeitsoldat grundsätzlich auf sechs Monate beschränkt, da die Institution des Zeitsoldaten mit längerer Verpflichtungsdauer abgeschafft und statt dessen die neue Institution der Militärperson auf Zeit, die den vollen Bezügen und rechtlichen Bonitäten des Beamten-Dienstrechtes unterliegt, geschaffen wurde. Zeitsoldaten sollen nur noch als Überbrückung zwischen dem Grundwehrdienst und der Übernahme auf eine Planstelle als Militärperson auf Zeit verwendet werden.

Aufgrund der praktischen Erfahrungen hat sich jedoch gezeigt, daß oftmals zwischen dem Ende der sechsmonatigen Verpflichtungszeit und der nächsten Übernahmemöglichkeit als Militärperson auf Zeit eine zeitliche Lücke liegt, da die Übernahme nur zu bestimmten Terminen möglich ist und je nach Einberufungstermin einige Monate Dienstleistung bis zu einem möglichen Übernahmetermin fehlen können. Durch die Erhöhung des Verpflichtungszeitraumes auf zehn Monate kann eine kontinuierliche Laufbahn für Soldaten, die eine Berufslaufbahn im Rahmen des Bundesheeres anstreben – entweder in der Offiziers- oder Unteroffizierslaufbahn –, sichergestellt werden.

Für jene Wehrpflichtigen, die eine Übernahme als Militärperson auf Zeit nicht anstreben, soll die maximale Verpflichtungsdauer für den Wehrdienst als Zeitsoldat wie bisher sechs Monate betragen. Als soziale Abfederung wird für alle Zeitsoldaten die Monatsprämie von 5 597 S auf 7 039 S, ab dem siebenten Monat ihrer Verpflichtungsdauer auf 7 853 S, angehoben, da die längere Verpflichtungszeit vor allem dazu genützt werden soll, die Zeitsoldaten in Ausbildungskurse zu entsenden und somit einen gewissen finanziellen Anreiz zu schaffen. Weiters wird diesen Zeitsoldaten künftig Freifahrt auf öffentlichen Verkehrsmitteln sowie Anspruch auf unentgeltliche Unterbringung und Verpflegung gewährt werden. Dies soll animieren.

Aber jetzt zur Militärluftfahrt: Mit der gegenständlichen Novellierung des Wehrgesetzes 1990 werden rechtliche Unklarheiten beim Entgelt für Militärpiloten auf Zeit beseitigt und wird festgestellt, daß Militärpiloten auf Zeit im Luftraumüberwachungsdienst – Abfangjägerpiloten – als Entlohnung ein Monatsentgelt in Höhe von 59 000 S einschließlich allfälliger Teuerungszulagen ge


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bührt. Unabhängig von dieser besoldungsmäßigen Absicherung ist die Regierung jedoch dazu aufgerufen – das darf ich besonders als Steirer sagen –, über die Frage eines Nachfolgemodells zum jetzigen Abfangjäger Saab Draken eine Entscheidung zu treffen, da die Lebensdauer dieser Flugzeuge an ihr Ende gelangt ist. Auch die Motivierung der Luftpiloten ist sicher richtig und wesentlich, damit diese nicht in die Privatwirtschaft abwandern.

Das gleiche gilt für die Ausstattung mit Hubschraubern, die ebenfalls dringend erneuerungsbedürftig sind. Hier sind wir wieder bei der Frage, die auch schon Kollege Schöls angeschnitten hat. Es geht darum, ob wir nicht zum ehest möglichen Zeitpunkt in die NATO kommen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal die Sozialdemokraten in diesem Raum auffordern und bitten, den Ratschlägen des Sozialdemokraten und Generalsekretärs der NATO Solana zu folgen, daß nämlich Österreich möglichst rasch in die NATO hineingeht, damit auch die Frage der Luftraumverteidigung im gesamteuropäischen Sinn gesehen werden kann. Ich glaube, daß das eine ganz wesentliche Frage ist. (Beifall des Bundesrates Bieringer.  – Bundesrat Eisl: Die müssen dauernd belehrt werden, die Sozialdemokraten!)

Ich halte es für eine sehr zweifelhafte Sache, daß heute Ungarn, Polen und so weiter der NATO beitreten und wir das zum selben Zeitpunkt nicht tun. Wir brauchen eine starke Verteidigung. Wir bekennen uns deswegen auch zu diesem Beitritt, der für uns sehr notwendig ist.

Eine weitere Sache, von der ich glaube, daß sie nicht oft genug erwähnt werden kann, ist: Wir brauchen ein schlagkräftiges Bundesheer und deswegen auch die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht. Wir sollten das Bundesheer nicht schlagartig in ein Berufsheer umwandeln. Dieses würde auf der einen Seite in Wahrheit wesentlich mehr kosten, auf der anderen Seite den Bezug zur Bevölkerung nicht so haben wie das jetzige Heer. Es ist sicherlich nicht nur eine Frage der Kosten, sondern auch eine Frage des Alters der dort Dienenden.

Deswegen aber wieder zurück zu den Themen Militärluftfahrt und Verbesserung für die Zeitsoldaten: In diesen zwei Bereichen wird unsere Partei die Zustimmung geben. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

18.15

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile dieses. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

18.15

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Zu 90 Prozent kann ich das, was Kollege Liechtenstein ausgeführt hat, unterstützen, weil das auch Interessen der Sozialdemokraten dazu darstellen. (Bundesrat Eisl: 10 Prozent kann man nicht genehmigen!) Über den NATO-Beitritt haben wir grundsätzlich andere Ansichten. Ich werde versuchen, diese am Schluß meines Debattenbeitrages, der sich mit noch einigen Gedanken beschäftigen wird, anzuhängen.

Bei der vorliegenden Novelle zum Wehrgesetz geht es nicht nur um legistische Verbesserungen und materielle Modifikationen, sondern die Änderungen beinhalten auch politische Weichenstellungen, die im Zusammenhang mit der Adaptierung der Heeresgliederung 1992 zu sehen sind. Daher sind meiner Meinung nach die ständigen Wortmeldungen diverser "Heeresexperten" über die Aussetzung beziehungsweise Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht oder die Einführung einer Dienstpflicht nicht sehr hilfreich. Ich hoffe, daß diese neuerlichen Diskussionen so plötzlich, wie sie begonnen haben, auch wieder enden werden.

Meine Damen und Herren! In dieser Diskussion darf es nicht vorrangig um ein Ja oder Nein zum Berufsheer gehen, sondern vor allem um die Auswirkungen auf die Gesamtstruktur der militärischen Landesverteidigung. Eine Diskussion, die diesen wichtigen Aspekt ausklammert, ist meines Erachtens unseriös und daher auch abzulehnen, denn: Welchen Umfang müßte eine Berufsarmee haben, will man ohne Präsenzdiener auskommen, um die Sicherheit in Österreich zu gewährleisten? Oder: Wie hoch wären die Kosten eines Berufsheeres? – All diese Fragen sind offen und eigentlich nicht wirklich ernsthaft geprüft und diskutiert worden.


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Wer sich mit diesen Themen ernsthaft beschäftigt – wir Sozialdemokraten tun das –, muß zu dem Schluß kommen, daß es derzeit keine Alternative zur Umfassenden Landesverteidigung, zur allgemeinen Wehrpflicht und zum Milizheer gibt. Es muß uns daher gelingen, auf Basis des bestehenden militärischen, aber auch wirtschaftlichen und sozialen Potentials des Heeres die Gesamtstruktur zu verbessern. Insbesondere die Personalkosten in der Höhe von zirka 63 Prozent belasten das Verteidigungsbudget und engen den für die Modernisierung des Bundesheeres erforderlichen Investitionsspielraum immer mehr ein. Jede Strukturänderung muß daher die Senkung der Personalkosten zum Ziel haben. Es muß unser langfristiges Ziel sein, die Personalausgaben zu senken.

Mit der vorliegenden Änderung des Wehrgesetzes wird der richtige Weg zu einer neuen Personalplanung eingeschlagen, dem wir auch unsere Zustimmung geben und auf dem wir den Bundesminister unterstützen.

Herr Bundesminister! Wir wollen daher – das möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal erwähnen –, auch was die Beschaffungen angeht, in Zukunft dafür sorgen, daß es mehr Transparenz, mehr Nachvollziehbarkeit gibt, als dies in der Vergangenheit der Fall war, damit nicht nur der militärische Aspekt im Vordergrund gesehen wird, sondern auch der volkswirtschaftliche Nutzen, und damit wir, wo immer wir die Möglichkeit dazu haben, finanzielle Mittel lukrieren, um diese Gelder in den Schutz und die Sicherheit der Soldaten investieren zu können. Das ist ein gemeinsames Anliegen, das wir verfolgen. Dieser Weg ist richtig, und wir von den Sozialdemokraten werden dabei Ihre Bemühungen weitestgehend unterstützen.

Ein paar Worte noch zur Frage der NATO. Ich habe es schon einmal deponiert: Wir Sozialdemokraten stehen keiner Diskussion im Wege, wir glauben aber – ich habe das auch schon einmal formuliert –, daß wir knapp vor dem Ende einer Legislaturperiode dieses Thema so nicht diskutieren sollten. Wir sollten das selbstbewußt in unsere Versprechen an die Wähler einpacken und eigentlich die Bevölkerung entscheiden lassen, was sie möchte: Neutralität – ja oder nein. Dann können wir darüber reden, ob wir der NATO beitreten sollen – ja oder nein. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

18.19

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile dieses.

18.19

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Gott sei Dank wissen wir jetzt endlich, warum die SPÖ derzeit gegen einen Beitritt zur NATO ist. Herr Kollege Prähauser hat es nämlich klar dargelegt: Der Grund ist, daß im nächsten Jahr Nationalratswahlen sind. Ich danke für diese Aufklärung! Sie war notwendig. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Nein, weil wir keine Zeit haben, die Bevölkerung zu befragen!)

Meine Damen und Herren! Meine beiden Vorredner sind im Detail schon auf die vorliegenden Gesetze eingegangen. Ich kann mich deshalb kurz fassen. Im Heeresgebührengesetz geht es im wesentlichen um eine Verlängerung der Verpflichtungsdauer für Militärpersonen auf Zeit – von sechs auf zehn Monate. Herr Minister! Ich möchte zu diesem Thema anregen, daß Sie beachten mögen, daß es innerhalb des Bundesheeres Laufbahnbilder gibt, die mit dieser Zeit nicht auskommen werden. Für manchen Unteroffizier werden diese nunmehr möglichen zehn Monate zu knapp sein, um eine entsprechende Stelle und eine entsprechende Ausbildung innerhalb des Bundesheeres zu bekommen. Ich möchte Sie weiters ersuchen, zu beachten, daß auch aus der Miliz heraus die Laufbahn als Militärperson auf Zeit möglich sein sollte.

Zum Wehrgesetz, dessen Inhalt wir auch als sachlich gerechtfertigt betrachten, möchte ich anmerken, daß die Form, in der wir das heute zu beschließen haben, schlecht ist. Durch das rückwirkende Inkrafttreten sind verfassungsmäßige Regelungen nötig, die nach unserem Dafürhalten hinkünftig bei solchen Gesetzen vermieden werden sollten. Dennoch werden wir beiden Vorlagen zustimmen.


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Herr Minister! Zu einem anderen Thema: Wir erleben im furchtbaren Katastrophenfall in Lassing – der Herr Präsident des Bundesrates ist zu Beginn der heutigen Sitzung schon in berührender Weise darauf eingegangen – auch den Einsatz von Soldaten des Pionierbataillons 3 aus Melk als Assistenzen. Der Einsatz dieser Soldaten ist zweifellos vorbildlich. Dennoch weist er darauf hin, daß, was die Verfügbarkeit anlangt, die Pionierkräfte im Bereich des Bundesheeres äußerst bescheiden angelegt sind. Das Krisenmanagement läßt auch nicht in allen Bereichen die notwendige Effizienz erkennen.

Die staatlichen Vorsorgemaßnahmen für Krisen- und Katastrophenfälle – das wissen Sie, meine Damen und Herren – werden in Österreich durch die sogenannte Umfassende Landesverteidigung im Rahmen des Landesverteidigungsplanes sichergestellt. Die Koordination der einzelnen Behörden und Organisationen, die aufgrund von Bundes- und Landesnormen hiezu berufen sind, wird von sogenannten Koordinationsausschüssen auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene wahrgenommen.

Die Maßnahmen dieser ULV kommen nicht nur im Rahmen von militärischen Angriffen gegen Österreich zum Einsatz, sondern sie sind auch für Katastrophen wie den von mir schon erwähnten besonders tragischen Bergwerkseinsturz in Lassing vorgesehen. Die betroffenen Gemeinden, Bezirke und Länder sind daher im Rahmen des Wehrgesetzes berechtigt, die Dienste des österreichischen Bundesheeres in Anspruch zu nehmen, das gemäß § 2 Abs. 1 auch dafür zum Einsatz kommen kann.

Herr Bundesminister! Es ist daher oberste Pflicht der in den konkreten Fällen zuständigen Organe, dafür Sorge zu tragen, daß rasch entsprechende Entscheidungen und Anforderungen für Hilfeleistung getroffen und gestellt werden. Darüber hinaus hat die Bundesregierung die Pflicht, im Rahmen der Heeresgliederung entsprechend präsente Pionierverbände bereitzuhalten, damit bei solch tragischen Anlässen rasch und effizient geholfen werden kann. Der Einsatz eines Pionierbataillons aus Melk, das erst drei Tage später an der Unglücksstelle zum Einsatz gekommen ist, zeigt, wie dringend notwendig solche Verbände daher in nahezu jedem Bundesland sind.

Herr Bundesminister! Da die derzeitigen Bestrebungen im Rahmen der Adaptierung der Heeresgliederung-Neu oder "Neu-Neu", oder wie auch immer wir sie bezeichnen, genau in die gegenteilige Richtung zu laufen scheinen, stellen wir als freiheitliche Bundesräte folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, Engelbert Weilharter und Kollegen betreffend die Sicherstellung des staatlichen Krisenmanagements im Rahmen der ULV

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der Heeresgliederung sicherzustellen, daß für die Maßnahmen des staatlichen Krisenmanagements und der Katastrophenhilfe ausreichend ausgerüstete präsente Verbände des österreichischen Bundesheeres in der Stärke von einem jederzeit abrufbaren Pionierbataillon zur Verfügung stehen."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.24

Präsident Alfred Gerstl: Die Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen haben den Entschließungsantrag betreffend Sicherstellung des staatlichen Krisenmanagements im Rahmen der Umfassenden Landesverteidigung eingebracht. Es wird nach dem Tagesordnungspunkt darüber abgestimmt werden.


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Zu Wort gemeldet hat sich Mag. John Gudenus. – Bitte.

18.25

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Selbstverständlich stimmen wir Freiheitliche diesen beiden Vorlagen, welche eine Verbesserung für Zeitsoldaten, aber auch für die militärische Luftfahrt beinhalten, gerne zu. Wir meinen, daß die Landesverteidigung den Namen erst dann verdient beziehungsweise besonders dann verdient, wenn sie tatsächlich der Verteidigung des Landes dient. Des Landes!

Wie Kollege Bösch vorweg angedeutet hat – vielleicht ist der Herr Bundesminister in der Lage, darauf einzugehen –, hat es doch längere Zeit gedauert, bis österreichische Pioniere bei dem großen Unfall in der Steiermark zum Einsatz gelangt sind. Ist es denkbar, daß vielleicht schon mehr österreichische Soldaten im Auslandseinsatz tätig sind, als es innerösterreichische Naturkatastrophen oder Katastrophen anderer Art und Elementarereignisse und Unglücksfälle außergewöhnlichen Umfangs, wie es im Wehrgesetz heißt, verträglich machen? Sollten wir uns vielleicht besonders der innerösterreichischen Anliegen annehmen?

Natürlich geht der Streit darum: NATO oder nicht NATO. Natürlich heißt es "neue NATO", aber keiner weiß, was die "neue NATO" ist. Es wogen auch der Streit und die Diskussion zwischen den Parteien, ob Berufsarmee oder Milizarmee sinnvoller wären. Man könnte es sich einfach machen und – zum letzten Beispiel – sagen: Milizarmee versus Berufsarmee. Aber Blödsinn! Milizarmee versus keine Armee. – Es gibt ausländische Fachleute, die behaupten, wer für die Berufsarmee eintrete, trete zugleich für die Abschaffung der Armee ein. Deshalb möchte ich den Sozialdemokraten eine Idee zurufen: Wer die Armee abschaffen will, tritt für die freiheitliche Idee der Berufsarmee ein. Sie wird sich vielleicht nicht überleben. – Ich meine, sie wird sich überleben.

Aber auch derjenige, der für die NATO eintritt, sollte sich vielleicht überlegen, welch eine NATO das ist. Welch eine NATO ist das, welch ein Bündnis ist das, das in der Lage ist, die ehemaligen Bündnisgegner zu sich aufzunehmen? Ist das nicht schon eine Selbstaufgabe des Bündnisses und ist daher die Notwendigkeit der neuen Bündnisstrukturierung, der Neuschaffung einer NATO mit neuen Aufgaben und Zielen festzustellen?

Hier überwog der Streit, aber zurück bleibt der Patriot, der österreichische Soldat, der nicht weiß, wem er, wo er und wofür er dienen soll. Ich sage Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, in erster Linie hat der österreichische Soldat im Inland zu dienen und der österreichischen Bevölkerung zu helfen, und erst in zweiter Linie stehen die Auslandseinsätze. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich predige nicht, aber ich meine, wir sollten es uns ein Anliegen sein lassen, außenpolitische Zurückhaltung mehr zu üben als Aktivismus und Showeinlagen. Ich zitiere Abgeordneten Christoph Blocher aus der Schweiz, Sie haben wahrscheinlich seine Studie gelesen. (Bundesrat Konečny: Das ist kein gutes Vorbild!) Es hat etwas für sich, wenn man das eine oder andere Mal einen selbstbewußten patriotischen Schweizer zu Militärfragen hört. Herr Bundesminister! Sie haben wahrscheinlich den Artikel in der "ÖMZ" gelesen, und wenn Sie ihn nicht gelesen haben, dann hat ihn sicher einer Ihrer Mitarbeiter gelesen. Sie haben soviel Papier, ich mute Ihnen nicht alles zu.

Aber zur Kampffähigkeit eines Pionierbataillons gehört nicht das wilde Herumschießen, der Kampf gilt auch den Naturelementen. Daher gehört geübt, diese Naturelemente zu bekämpfen. Zur Bekämpfung von solchen Naturelementen gehören österreichische Streitkräfte in genügender Anzahl in Österreich stationiert. – Dies umsomehr, als amerikanischen Quellen zufolge festgestellt wurde, daß diese Auslandseinsätze in Form von Peace-keeping und PfP-Aktivitäten zu einem Absinken des Ausbildungsniveaus der waffenspezifischen Fähigkeiten führen.

Wenn das zutreffen sollte, dann würde ich überhaupt von solchen Einsätzen abraten. Trifft es nicht zu, besteht die Möglichkeit, daß uns der Herr Bundesminister anders überzeugt. Ich bin autoritätsbewußt genug, daß mich mein Bundesminister überzeugen kann. Nicht wahr? (Heiter


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keit bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Schöls: Wenn das der Bundesparteiobmann hört!) Das gefällt euch wieder, Kameraden?

Meine Damen und Herren! Wir stimmen diesen beiden Gesetzesvorlagen gerne zu, meinen aber, daß österreichische Soldaten in erster Linie Österreichern zu helfen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.30

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ludwig Bieringer. – Bitte. (Bundesrat Eisl: Der versteht nichts vom Bundesheer!)

18.30

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der Freiheitlichen betreffend die Sicherstellung des staatlichen Krisenmanagements im Rahmen der Umfassenden Landesverteidigung kostet mich ein mildes Lächeln. Wenn Herr Dr. Bösch als Historiker dies vertritt, sehe ich das noch ein. Wenn das allerdings ein Oberst des österreichischen Bundesheeres unterschreibt, dann fehlen mir dazu die Worte.

Was ist Faktum? – Das österreichische Bundesheer kann nur dann zu einem Katastropheneinsatz eilen, wenn es gerufen beziehungsweise angefordert wird. Das ist so, das ist immer so gewesen und wird auch in Zukunft so sein. Ich halte ausdrücklich fest, daß das Pionierbataillon in Melk am Montag vormittag angefordert wurde, am Montag nachmittag bereits die ersten Einheiten in Lassing gewesen sind, am Montag abend um 21 Uhr das schwere Gerät eingetroffen ist und ab 21 Uhr die Soldaten des österreichischen Bundesheeres dort gearbeitet haben. Wie allgemein bekannt ist, geschieht dies in hervorragender Weise. (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Ich finde es traurig, daß man bei einer solchen Katastrophe, wie sie in Lassing passiert ist, sofort irgend jemanden sucht oder glaubt, irgend jemanden an den Pranger stellen zu müssen. Für mich ist das bedauerlich. (Bundesrat Dr. Bösch: Trifft nicht zu! – Bundesrat Mag. Gudenus: Schauen Sie jetzt in den Spiegel, Herr Kollege!) Herr Kollege Gudenus! Ich sage Ihnen das. Ich kann doch nicht fordern, daß in jedem Land ein Pionierbataillon jederzeit einsatzbereit ist. Das ist reine Polemik. Denn es ist relativ gleichgültig – wenn Sie als Beispiel Lassing nehmen –, ob unterhalb von Graz ein Bataillon hinauffährt oder ob von Melk ein Bataillon hinunterfährt. Es kann sich höchstens um eine Zeitdifferenz von 10 oder 20 Minuten handeln. Das muß man auch bedenken.

Daher würde ich um folgendes bitten: Schauen wir, daß den armen Menschen in Lassing geholfen wird! Schauen wir, daß wir uns alle den Aufrufen der diversen Hilfsorganisationen anschließen, und helfen wir diesen armen Familien. Mit einem solchen Entschließungsantrag wird meiner Meinung nach niemandem geholfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Da ich schon am Wort bin und der Herr Bundesminister für Landesverteidigung anwesend ist, darf ich die Gelegenheit beim Schopf (Bundesrat Mag. Gudenus: Wen? Den Minister?) packen und im folgenden meinen Dank ausdrücken: Wir haben heute die 1. Dienstrechts-Novelle beschlossen. Darin sind gravierende Änderungen für Naturalwohnungsinhaber des Bundesheeres enthalten. Da ich selbst Bürgermeister einer Gemeinde bin und in einem Ortsteil meiner Gemeinde 400 solche Naturalwohnungsinhaber leben, die aufgrund ihres Einkommens die neuen Mieten nicht mehr zahlen können, gilt mein Dank dem Herrn Bundesminister, der sich in bravouröser Weise dafür eingesetzt hat, daß für den Wohnungsaufwand im Höchstfall 25 Prozent des Einkommens aufzuwenden sind. Denn ein kleiner Stabswachtmeister oder Vizeleutnant hat, wie Sie wissen, kein so großes Einkommen. Daß sich diese auch solche Wohnungen leisten können, dafür möchte ich dir, sehr verehrter Herr Bundesminister, ein herzliches und aufrichtiges Dankeschön sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich auch bei den Mitarbeitern der Parlamentsdirektion bedanken, die für die heutige und morgige Sitzung des Bundesrates nicht weniger als 49 Berichte bereitgestellt haben. Die Ausschüsse haben gestern bis 18 Uhr getagt, heute früh hat


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zumindest meine Fraktion die entsprechenden Berichte in den Fächern gehabt, und zwar alle 49 Berichte und nicht, wie manche irrtümlich geglaubt haben, nur einen Teil. Man kann etwas überlesen oder übersehen. Das kann jedem, das kann auch uns passieren. Meiner Meinung nach haben die Mitarbeiter der Parlamentsdirektion hervorragend gearbeitet, und es gebührt ihnen unser aller Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.35

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

18.35

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen für die Unterstützung der Gesetzesvorlagen, und zwar sowohl des Wehrgesetzes als auch des Heeresgebührengesetzes, danken. Meinen Dank möchte ich Ihnen deshalb aussprechen, weil beide Vorlagen durchaus nicht unbeträchtliche Schritte auf dem Weg zu einer weiterhin erfolgreichen Professionalisierung des österreichischen Bundesheeres sind.

Sie ermöglichen uns einerseits durch die Klarstellung bei den Heerespiloten, die Tatsache, daß dort höchste Kompetenz gefordert ist, insofern zu berücksichtigen, als wir damit in der Lage sind, den Kampfpiloten entsprechende Gehälter zu bezahlen und damit auch ein entsprechendes Leistungsniveau sicherzustellen. Durch eine Gesetzesänderung hat es diesbezüglich eine Unsicherheit gegeben, die damit beseitigt ist.

Zweitens ist es durch die Ausweitung der Zeitsoldatenverpflichtung von sechs auf zehn Monate möglich, zu gewährleisten, daß Zeitsoldaten bei uns in Zukunft entsprechend ausgewählt werden können und daß wir weiters die Möglichkeit haben, daß die besten Zeitsoldaten auch tatsächlich in ein Berufssoldatenverhältnis übernommen werden können. Wir haben vor wenigen Jahren das Berufssoldatentum auch im Unteroffiziersstand mit großem Erfolg eingeführt. Es ist heute so, daß nicht nur der Andrang an die Heeresunteroffiziersakademie, die wir gleichzeitig aufgewertet haben, äußerst groß ist, sondern daß auch der Selektionsprozeß sehr intensiv ist. Daher können wir sagen, daß dies tatsächlich zu einer bedeutenden Anhebung des Qualitätsniveaus beigetragen hat.

Jetzt geht es darum, daß wir auch all jenen Leuten, die dafür Interesse haben, die Möglichkeit bieten, so lange beim österreichischen Bundesheer als Zeitsoldaten bleiben zu können, bis der nächste Ausbildungslehrgang an der Heeresunteroffiziersakademie beginnt. Auf diese Weise können auch die Besten ausgewählt werden.

Darüber hinaus gibt es auch bei anderen zwingenden Gelegenheiten – wie etwa bei der Kaderkompanie – die Möglichkeit einer Verbesserung der Verhältnisse. Ich bedanke mich dafür, weil ich glaube, daß ein effizientes und starkes Bundesheer nicht nur im Interesse der inländischen Sicherheit, also der Landesverteidigung im engeren Sinn, ist, sondern auch Assistenzen erfordert, selbstverständlich auch für internationale Einsätze, weil das unserer eigenen Sicherheit dient. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wer möchte abstreiten, daß gerade Konflikte in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, von denen alle Experten sagen, daß mit ihnen die Gefahr einer Ausweitung einhergeht, nicht rechtzeitig auch eingedämmt werden sollen. Selbstverständlich ist dabei auch die Unterstützung aller Betroffenen erforderlich. Davon haben wir auszugehen. Nicht nach hinten, sondern nach vorne ist zu schauen. Auch in der Frage der Sicherheit gilt es, eine Vorwärtsstrategie zu haben, präventiv Sicherheit zu schaffen, präventiv Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen oder – wenn sie entstanden sind – im Anfangsstadium zu bekämpfen und mit friedenssichernden Maßnahmen zu helfen, wenn Lösungen möglich sind.

Dies sehe ich als eine Aufgabe an, die nicht nur im Bereich der internationalen Sicherheit erforderlich ist, sondern die insbesondere auch unsere eigene Sicherheit als jenes westeuropäische Land, das geographisch den Krisenherden in Südosteuropa und den Instabilitätszonen in Ost- und Ostmitteleuropa am nächsten liegt, betrifft. Das sehe ich als eine Herausforderung und als eine Notwendigkeit an, über die es eigentlich keine Diskussion geben sollte. – In diesem Sinn


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ein herzliches Danke für die Unterstützung. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit im Herbst. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.40

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konečny. Ich erteile ihm dieses.

18.40

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zwei Themen sind es, die mich am Ende dieser Debatte noch zu einem kurzen Debattenbeitrag veranlassen. Es kann sich aber gerne noch jemand zu Wort melden.

Kollege Gudenus! Zum einen hielte ich es für einen verhängnisvollen Fehler und für nahezu verantwortungslos, Auslandseinsätze des österreichischen Bundesheeres gegen die wichtige Funktion des Bundesheeres in unserem Land auszuspielen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich bin, was nicht so oft der Fall ist, mit dem Herrn Bundesminister einer Meinung, daß österreichische Soldaten im Ausland eine unverzichtbare und wichtige Rolle bei der Vermeidung von Konflikten und bei der Bewältigung eines vielleicht instabilen Zustands nach einer Auseinandersetzung spielen. Wir haben es eigentlich in diesem Land immer so gehalten – aber es steht Ihnen frei, von jenem Konsens abzuspringen –, daß Österreich auf die Leistungen seiner Soldaten in Zypern, auf dem Golan oder in Bosnien außerordentlich stolz war. Ich glaube, daß diese Menschen, die dort eine wichtige und – wie wir wissen – riskante Aufgabe erfüllen, auch eine Art Visitenkarte für unser Land darstellen. Daher müssen sie den ganzen Rückhalt der österreichischen Politik und der österreichischen Öffentlichkeit hinter sich wissen. Ich appelliere an Sie, diesen einheitlichen Rückhalt nicht zugunsten eines billigen Schwenks in einer Rede zu untergraben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das zweite Thema, das ich anschneiden möchte, hat zugegebenermaßen mit diesem Tagesordnungspunkt nichts zu tun. Kollege Bieringer ist auch schon darauf zu sprechen gekommen.

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Wir mögen uns in harter und vielleicht auch wechselseitig nicht immer als fair empfundener Weise politisch miteinander auseinandersetzen. Aber lassen Sie bitte dabei die Bediensteten dieses Hauses aus dem Spiel, die ihre Aufgabe so gut wie alle öffentlich Bediensteten erfüllen – diese Diskussion hatten wir heute schon einmal –, die für uns da sind, die uns mit dem notwendigen Material versorgen und die es einfach nicht verdient haben, von Ihnen als Aggressionsobjekt verwendet zu werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Dr. Harring: Was meinen Sie denn?)

Auch wenn Sie der Meinung sind, daß das offenbar ein einfacher Weg ist, wie man Konflikte austragen kann, sollten wir uns darüber einig sein, daß wir uns politisch hart bekämpfen können, aber daß wir unsere Konflikte nicht an jenen, die sich nicht zu Wort melden können und nicht die Möglichkeit haben, sich zur Wehr zu setzen, austragen sollen. Wir glauben – da bin ich mit Kollegen Bieringer derselben Meinung –, daß wir gut unterstützt werden und daß die Arbeit der Sitzungsvorbereitung, die geleistet wird, Anerkennung verdient.

Ich möchte mich stellvertretend für meine Fraktion dem Dank des Kollegen Bieringer, den dieser im Namen seiner Fraktion zum Ausdruck gebracht hat, sehr herzlich anschließen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.44

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.


Bundesrat
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Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen vor auf Fassung einer Entschließung betreffend Sicherstellung des Krisenmanagements im Rahmen der Umfassenden Landesverteidigung.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenminderheit.

Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heeresgebührengesetz 1992 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ich unterbreche nunmehr die Sitzung bis morgen, 23. Juli 1998, 9 Uhr und wünsche eine angenehme Nachtruhe.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 18.46 Uhr unterbrochen und am Donnerstag, 23. Juli 1998, um 9.03 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Alfred Gerstl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und begrüße herzlich Frau Ministerin Gehrer.

Ich erteile Herrn Bundesrat Dr. Bösch das Wort.

9.03

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich danke Ihnen dafür, daß Sie mir zur Geschäftsordnung das Wort erteilen.

Wir Freiheitliche haben gestern zu Beginn der Tagesordnung im Hohen Haus eine Einwendungsdebatte verlangt, und zwar wegen fehlender Berichte der Nationalratsausschüsse an den Bundesrat, und wir haben diese auch durchgeführt. Ich möchte feststellen, daß die gestrige Debatte zu Recht stattgefunden hat. Auch heute wieder ist ein Tagesordnungspunkt zu debattieren, der davon betroffen ist. Wir werden uns auch heute erlauben, im Laufe der Debatte darauf hinzuweisen.

Meine Damen und Herren! Beim letzten Tagesordnungspunkt hatten die beiden Fraktionsobleute der ÖVP und der SPÖ gestern die Kühnheit, ans Rednerpult zu gehen und zu behaupten, wir Freiheitliche würden unsere Politik im Bereich der Geschäftsordnung auf dem Rücken der Parlamentsbediensteten machen. (Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Meine Damen und Herren! Das Gegenteil ist der Fall. Durch Ihre unzumutbare ... (Bundesrat


Bundesrat
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643. Sitzung / Seite 151

Konečny: Was ist das Gegenteil davon?)  – Herr Konečny, Sie sind heute noch witziger als gestern. (Bundesrat Konečny: Es ist alles steigerungsfähig! Auch Ihre Wortmeldung!) Aber warten Sie! Wir haben eine blumige Tagesordnung vor uns, und Sie werden heute noch viel zu lachen haben.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Durch Ihre unzumutbare Gesetzgebung wird der Apparat dieses Hauses bis an seine Grenzen beansprucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Präsident! Mit Ihrer Erlaubnis darf ich kurz den heutigen "Kurier" zitieren. Darin nimmt nämlich der Zweite Nationalratspräsident Heinrich Neisser – er wird Ihnen ja bekannt sein – zu dieser Materie Stellung. Er sagt, daß er einen Verlust an Demokratie im Hohen Hause beklage. "Für Neisser", heißt es hier weiter, "wird der Qualitätsverlust in der Gesetzgebung immer deutlicher und ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß die Regierung alles in letzter Minute verhandelt, entscheidet und ins Parlament einbringt."

Meine Damen und Herren! Kein anderes Anliegen als das haben wir Freiheitliche vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.05

25. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1277 und 1292/NR sowie 5748/BR der Beilagen)

26. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1278 und 1293/NR sowie 5749/BR der Beilagen)

27. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird (1279 und 1294/NR sowie 5750/BR der Beilagen)

28. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird (1280 und 1295/NR sowie 5751/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen zu den Punkten 25 bis 28 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 25 bis 28 hat Herr Bundesrat Wolfram Vindl übernommen. Ich erteile ihm das Wort.

Berichterstatter Wolfram Vindl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Zuerst zum Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angele


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genheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich daher auf die Verlesung des Beschlußantrages.

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters: Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, und ich beschränke mich auch in diesem Fall auf die Verlesung des Beschlußantrages.

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Nun zum Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, und ich beschränke mich auch jetzt wieder auf die Verlesung des Beschlußantrages.

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Und: Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Der Beschlußantrag lautet:

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.

9.09

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu Beginn muß ich Ihnen, Frau Ministerin, folgendes sagen: Es gibt oft Aussagen von Ihnen, zum Beispiel in der letzten "Pressestunde", in denen Sie Punkte anschneiden, in denen ich Ihnen durchaus zustimmen kann. Die finde ich absolut richtig. Wenn ich mir aber dann die Regierungsvorlagen anschaue, denke ich mir immer, Sie müssen einen Zwilling haben, denn die Regierungsvorlagen stimmen oft genug nicht mit dem überein, was Sie in Interviews sagen.

Bei den Regierungsvorlagen, die wir heute zu behandeln haben, merkt man gleich am Anfang, daß ein Teil die Zielrichtung hat, im Rahmen des Nationalen Aktionsplans aktiv zu werden. Das ist übrigens etwas, was Nationalratsabgeordnete der Sozialdemokratischen Partei im Nationalrat auch ganz unverhohlen zugegeben haben.

Worum es im konkreten geht: Nachholen des Hauptschulabschlusses bis zum 18. Lebensjahr. Es ist keine Frage, daß ein junger Mensch noch einmal eine Chance bekommen soll. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß davon nur etwa 1 000 Jugendliche betroffen sind.


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Nächster Punkt: Aussetzen des Repetierverbotes in den 1. Klassen der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen – hievon sind etwa 3 000 bis 4 000 Jugendliche betroffen.

Das bedeutet, daß wir hier von rund 4 000 bis 5 000 Jugendlichen sprechen, die wieder einmal, wie es auch schon beim Jugendausbildungssicherungsgesetz der Fall war, in der Schule "aufgehoben" werden sollen, damit die Arbeitslosenstatistik weiterhin einigermaßen vertretbar bleibt.

Frau Ministerin! Sie sind dabei leider ein Helfershelfer, vor allem der SPÖ, die sich nicht dazu durchringen kann, durch entsprechende Rahmenbedingungen mehr Arbeitsplätze zu schaffen, damit diese Jugendlichen eine Lehrstelle bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nicht nur bei diesen beiden Punkten, auch bei anderen fehlt mir ein wirkliches Bekenntnis zum Leistungsprinzip, obwohl Sie, Frau Ministerin, das oft genug selbst schon angesprochen und erklärt haben, daß Sie es für richtig und für notwendig halten. Es ist nun einmal so, daß man etwas tun muß – es ist nicht so, daß die Schule der verlängerte Kindergarten ist. Leistung bedeutet auch, daß man sich etwas erarbeiten muß, daß man dafür etwas tun muß.

Eine gute Schulatmosphäre ist absolut wichtig – keine Frage. Es ist auch für uns wichtig, daß die Begeisterung für das Lernen im Unterricht von Lehrern vermittelt wird. Aber man kann nicht glauben, daß alles nur spielerisch geht. Die Aussagen von SPÖ-, aber auch von ÖVP-Abgeordneten gehen jedoch immer in die Richtung, daß dem Schüler alles spielerisch zugetragen werden muß, er muß den Unterrichtsstoff spielerisch erlernen.

Das Repetierverbot, das jetzt für drei Jahre ausgesetzt wurde, betrifft Schüler, die vier und mehr "Nicht genügend" haben. Das bedeutet nichts anderes, als daß wir es dabei mit leistungsunwilligen Schülern zu tun haben, die anderen den Platz versitzen. Es kann nicht so sein, daß man mit vier "Nicht genügend" die Klasse nicht wiederholen können darf.

Man kann durchaus mit mir reden, wenn ein Schüler in einem Gegenstand ein "Nicht genügend" hat und sonst gut ist. Das hat es früher auch schon gegeben. In diesem Falle gab es einen Konferenzbeschluß, der dem Schüler das Aufsteigen ermöglicht hat. Dem würde ich auch zustimmen, er muß dadurch nicht ein ganzes Jahr wiederholen. Aber dafür haben wir auch immer das gute, alte Instrument der Nachprüfung gehabt. Dieses ist schlicht und einfach deshalb so wichtig, weil ein Schüler, der ein "Nicht genügend" in einem Gegenstand hat, Wissenslücken hat. Man kommt nicht darum herum: Er hat diese Lücken! Diese schleppt er in die nächste Klasse mit, und so ist der nächste "Fünfer" vorprogrammiert.

Wir müssen einfach, vor allem bei jenen Schülern, die schon in den 1. Klassen von berufsbildenden mittleren und höheren Schulen Probleme haben, die Frage akzeptieren, ob das denn auch die richtige Schule für den jeweiligen Schüler ist. Wir müssen im Zusammenhang mit dem Leistungsprinzip und den Schülern im allgemeinen akzeptieren, daß nicht alle Schüler gleich bildungswillig und auch bildungsfähig sind.

Das ist übrigens ein Punkt, in dem ich mit meiner Meinung gar nicht allein dastehe. Peter Israiloff, der Vorsitzende des BSA im Bereich der Lehrer, hat das schon vor Monaten in der Presse genauso gesagt. Er hat gesagt: Die Sozialistische Partei muß sich endlich einmal dazu bekennen, daß es ein Leistungsprinzip gibt. Und man muß einfach zur Kenntnis nehmen, daß nicht alle Schüler gleich bildungswillig und gleich bildungsfähig sind.

Das gleiche gilt für die Noten. In allen Regierungsvorlagen taucht immer wieder die verbale Benotung auf. Sie, Frau Ministerin, haben in der "Pressestunde" gesagt: Kinder wollen Noten. – Das ist absolut richtig, ich gebe Ihnen darin recht. Ich weiß von meinen eigenen Kindern und von deren Freunden, daß Schüler mit einer Note einfach mehr anfangen können als mit einer verbalen Beurteilung. Ganz gut ist es, wenn man den Kindern zu diesen Noten, vor allem in den Volksschulen, eine Beschreibung, wie es zu dieser Note gekommen ist, dazugibt. Ich habe schon gesehen, daß Lehrer das gemacht haben. Das ist eine gute und sinnvolle Sache.

Wesentlich an der Note, an der Ziffernnote, ist ja nicht, daß man den Schüler als Person für dumm oder gescheit erklärt, sondern schlicht und einfach, daß er eine entsprechende Leistung


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erbracht oder nicht erbracht hat. Der Umgang mit den Noten, auch und vor allem jener der Eltern, ist wesentlich, nämlich: Wie sehe ich eine Note? Wenn jemand ein "Nicht genügend" hat, heißt das nichts anderes, als daß er nicht genügend gelernt hat. Er muß sich also auf seinen "Hosenboden" setzen und etwas lernen. Wenn einer ein "Sehr gut" hat, dann zeigt das, daß er die Sache gut gemacht hat.

Wir dürfen nicht vergessen, daß wir unser ganzes Leben lang nach unseren Leistungen beurteilt werden. Je früher ein Schüler damit umzugehen lernt, daß es eine Beurteilung seiner Leistung gibt, mit der er auch etwas anfangen kann, desto leichter fällt es ihm im späteren Leben, vor allem im Berufsleben, mit einer entsprechenden Beurteilung zu leben. Eine verbale Beurteilung ist oft ein Wischiwaschi, bei dem man nicht genau weiß, was damit gemeint ist – die Eltern vielleicht mehr, aber die Kinder weniger. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Wettbewerb wird schärfer. Wir sprechen immer, auch Sie, vom lebenslangen Lernen. Lebenslanges Lernen bedeutet aber, daß ich auf einer Basis aufbauen muß. Und da finde ich zum Beispiel eine Idee von Ihnen, Frau Ministerin, sehr gut: den Lese- und Schreibtest. Es wird oft genug beklagt, auch von der Wirtschaft – die Schüler, die wir aus den Schulen entlassen, müssen sich nun einmal in der Wirtschaft bewähren –, daß Schüler nicht rechtschreiben können, daß sie Texte nicht richtig verstehen und ähnliches mehr.

Das betrifft auch den nächsten Punkt: Englisch ab der 1. Schulstufe. Auch das ist etwas, wogegen grundsätzlich nichts einzuwenden ist. Der Grund dafür, daß man dies einführt, ist, daß die Kinder in diesem Alter sprachlich besonders aufnahmefähig sind. Es wäre aber ganz wesentlich, daß man muttersprachlichen Unterricht, also einen muttersprachlichen Lehrer hat, der den Kindern Englisch vermittelt. Es ist dann egal, ob es ein Amerikaner oder Engländer ist, das ist nicht wesentlich.

Ich stelle mir die Situation auf Wien bezogen so vor: Wenn eine Volksschullehrerin unterrichtet, die mit einem gewissen Ottakringer Akzent den Kindern Englisch vermittelt, dann ist das eine Form, die diesen Kindern eintrainiert wird. Diese kriegen sie in der Mittelschule fast nicht mehr weg.

So weit reichen die Maßnahmen aber wieder nicht – Hauptsache, wir fangen in der 1. Volksschulklasse mit Englisch an.

Oft genug ist es aber so, daß die Kinder nicht einmal entsprechend Deutsch können. Wir müssen sehr darauf schauen, daß das auch geübt wird, daß den Kindern auch die sprachliche Ausdrucksfähigkeit vermittelt wird. Das trifft dann auch auf jene Kinder zu, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Sie werden es besonders schwer haben, weil sie sich mit drei Sprachen gleichzeitig befassen müssen. Daher glaube ich, daß die alte Regelung, nämlich erst ab der 3. Klasse Volksschule Englisch zu unterrichten, ausreichend gewesen wäre – auch unter dem Gesichtspunkt, daß die Schüler später in der Wirtschaft mit einer Fremdsprache bestehen können müssen.

Frau Ministerin! Alles in allem muß ich Ihnen sagen: Diese Regierungsvorlagen bekommen von uns ein "Nicht genügend", und daher werden wir sie auch ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.19

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Günther Leichtfried. Ich erteile ihm dieses.

9.19

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Ich muß eingangs zu den Ausführungen der Kollegin Mühlwerth einige Korrekturen anbringen. (Bundesrätin Mühlwerth: Sie müssen mich nicht korrigieren!)  – Ich muß, es ist notwendig. (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. ) Frau Kollegin Mühlwerth, ich stehe seit 25 Jahren in der Schule und habe ein bißchen andere Erfahrungswerte als jene, die Sie uns zur Kenntnis gebracht ha


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ben. (Bundesrätin Mühlwerth: Sie werden auch andere Leute finden, die andere Erfahrungswerte haben!) Aus meinem Erfahrungsschatz darf ich Ihnen einiges dazu sagen.

Zunächst einmal zu dem Punkt betreffend Nationalen Aktionsplan und diesbezügliche Aktivitäten, die Sie angeschnitten haben: Ich glaube, auch im Sinne der ÖVP-Fraktion zu sprechen, wenn ich sage, daß uns jeder Jugendliche, der heute keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz bekommt, besonders wertvoll ist, wie auch jeder andere Jugendliche.

Wir alle müssen daher danach trachten, daß wir diesen Jugendlichen nicht die Chance auf einen späteren Ausbildungs- oder Berufsplatz verbauen, und müssen daher schauen, daß wir ihnen in irgendeiner Form eine Ausbildung zukommen lassen. Wenn das die Schulen übernehmen können, dann kann uns das natürlich nur recht sein.

Genauso haben Sie festgestellt, daß Schüler, die mehr als ein "Nicht genügend" haben – Sie haben ein Beispiel mit vier "Nicht genügend" gebracht –, generell leistungsunwillig sind. Es besteht natürlich die Möglichkeit, daß so ein Schüler (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth – lassen Sie mich das bitte jetzt einmal erklären – leistungsunwillig ist. Das möchte ich gar nicht in Abrede stellen. Es gibt aber sehr viel mehr Faktoren als reine Leistungsunwilligkeit, die dazu führen, daß jemand ein "Nicht genügend" bekommt. Diese Faktoren können im privaten, familiären Bereich liegen und vieles mehr. Es ist auch eine Tatsache, daß ein Schüler, der sieht, daß er mit seinen Qualifikationen gegen Ende des Jahres wahrscheinlich scheitern wird, in den letzten Wochen oft nicht mehr jene Aktivitäten an den Tag legt, um das auch entsprechend korrigieren zu können. Es ist, so glaube ich, nicht richtig, daß man ihm nicht einmal mehr die Chance gibt, Wissen zu erwerben, das er später im Rahmen seines Berufslebens entsprechend verwerten kann.

Nun zum immer wieder angesprochenen Leistungsprinzip. Ich glaube, auch das sollte akkordiert sein unter allen Fraktionen, daß sich Leistung nicht nur auf den rein kognitiven Bereich beziehen kann, sondern daß Leistung viel mehr bedeutet und viele Bereiche miteinbezogen werden müssen. Ich kann daher die letzte Feststellung, die Sie getroffen haben, daß Sie nämlich der Frau Ministerin für dieses Reformpaket ein "Nicht genügend" aussprechen, überhaupt nicht teilen. Ich glaube, daß dieses Reformpaket, das uns heute vorliegt, sehr gut ist, daß man mit diesem Reformpaket leben kann, daß wir uns aber von sozialdemokratischer Seite da und dort vielleicht noch ein bißchen mehr erwartet hätten. Ich würde dieses Reformpaket jedenfalls nicht mit "Nicht genügend", sondern mit "Sehr gut" beurteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte jetzt zu den einzelnen Maßnahmen ganz kurz Stellung nehmen. Es geht um Maßnahmen zur Vermeidung der Zurückstellung schulpflichtiger Kinder vom Schulbesuch durch eine flexible Schuleingangsphase. Mit dieser Neuregelung der Schuleingangsphase soll verhindert werden, daß der Schulstart für Kinder zu einem Flop wird. Die Kinder haben für die Grundstufe I – das sind die ersten zwei Volksschulklassen – in Zukunft drei Jahre Zeit. Dadurch wird eines erreicht: Es wird beachtet, daß die Kinder mit unterschiedlichen Lernfähigkeiten und Lernvoraussetzungen in die Schule kommen, was ganz wichtig ist. Besonders wichtig ist, daß es dadurch auch weniger demotivierende und negative Beurteilungen geben wird, weil mehr Zeit vorhanden ist, das Lernziel zu erreichen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die von Ihnen angesprochene Leistungsbeurteilung nochmals eingehen. Da unterscheiden wir uns ein bißchen von der ÖVP-Fraktion, das muß ich sagen. Wir wollen die verbale Leistungsbeurteilung vor allem im Bereich der Grundschule vorantreiben. Ich möchte Ihnen auch erklären, wieso ich glaube, daß die verbale Beurteilung ein richtiger Schritt wäre.

Wesentlich in einer Schule ist es doch, bestimmte Fähigkeiten zu vermitteln, wie zum Beispiel die Fähigkeit zur Selbst- und Mitbestimmung. Die Schüler sollen in die Lage versetzt werden, kritikfähig, urteilsfähig zu sein, dies aber auch mit solidarischem Handeln verbinden können. Schüler benötigen in unserer Gesellschaft Fertigkeiten wie Kommunikationsfähigkeit, die Fähigkeit, eigene Interessen zu formulieren, diese in Diskussionen einzubringen und praktisch zu verfolgen, aber auch die Fähigkeit, eine Situation aus der Sicht der Mitmenschen, aus der Sicht des


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Partners oder aus der Sicht des Kontrahenten zu beurteilen. Immer mehr erforderlich in unserer Gesellschaft wird Kreativität, also die Fähigkeit, aus gewohnten Denk- und Einstellungsbahnen auszubrechen, sich Neues einfallen zu lassen, und zur Entwicklung realer Utopie.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie jetzt: Wie sollen diese Fähigkeiten mit einer ziffernmäßigen Beurteilung zum Ausdruck gebracht werden? – Nur mit einer verbalen Beurteilung ist das möglich. Wir Sozialdemokraten werden daher nicht müde werden, immer wieder darauf hinzuweisen, daß das nicht nur die bessere und modernere Form der Beurteilung wäre, sondern auch die einzig richtige.

Ein zweiter wichtiger Punkt, der in diesem Reformpaket enthalten ist, wurde hier schon angesprochen. Es soll eine Fremdsprachenoffensive durch Führung der verbindlichen Übung "Lebende Fremdsprache" in der 1. und 2. Schulstufe der Volksschule gestartet werden. Bis jetzt war dieser Fremdsprachenunterricht auf die 3. und 4. Volksschulklasse beschränkt. Es ist dies sicherlich – ich würde das so bezeichnen – ein sehr mutiger Schritt, aber, wie ich glaube, wiederum ein richtiger Schritt. Das spielerische Erlernen einer Fremdsprache durch integrative Führung, ohne Angst vor Grammatik, vor Schularbeiten, vor Tests und so weiter, ist der richtige Weg, um Kindern die Scheu vor einer Fremdsprache zu nehmen. Bei aller Problematik, die auch meine Vorrednerin angesprochen hat, nämlich daß es natürlich wichtig ist, zunächst einmal Deutsch zu lernen – ganz klar –, muß uns aber auch bewußt sein, daß eine Fremdsprache genau in dieser Zeit von der Altersstruktur her richtig angesetzt ist.

Es ist wichtig, daß das notwendige Unterrichtsmaterial für die Lehrer zur Verfügung gestellt wird und auch da und dort eine Weiterbildung der Lehrer möglich ist. So schlecht, wie Sie gemeint haben, Frau Kollegin, sind unsere Lehrer nicht, nämlich daß die Volksschullehrer überhaupt nicht Englisch können und diese Sprache somit den Kindern nicht beibringen können. Das stimmt sicher nicht, und das weise ich ganz entschieden zurück. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Das habe ich nicht gesagt!) Sie haben das sehr wohl gesagt, daß sie Schwierigkeiten bei der Aussprache ... (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, nein, das ist falsch!)

Ein weiterer Punkt ist, daß die Schulversuche zur Erprobung (Bundesrat Mag. Gudenus: Zitieren Sie richtig, Herr Kollege! Bestenfalls ein "Genügend"!) – danke – flexiblerer Formen der Leistungsdifferenzierung in der Hauptschule weitergeführt werden. Die bisher doch sehr starre Einteilung in Leistungsgruppen kann gelockert werden. Beim Übertritt in eine höhere Schule gibt es Erleichterungen. Wer in eine BHS beziehungsweise AHS wechseln will, aber nur in einer II. Leistungsgruppe sitzt, braucht in Zukunft keine Aufnahmsprüfung mehr zu machen, wenn ihn die Klassenkonferenz dafür für fähig hält. Ich glaube, auch das ist eine richtige Maßnahme, können doch die Lehrer, die einen Schüler über Jahre betreut haben, dessen Leistungsfähigkeit sehr viel besser einschätzen, als dies bei einer punktuell stattfindenden Prüfung geschehen kann.

Meine Damen und Herren! Ich möchte schon zum Ende meiner Ausführungen kommen. Ich glaube, es ist ein Paket, das dokumentiert, daß die Koalitionsregierung in Bildungsfragen zeit- und gesellschaftsorientiert arbeitet. Ich glaube, daß unser österreichisches Bildungswesen daher auch den Vergleich mit anderen Staaten nicht zu scheuen braucht. Österreichs Lehrer sind Garanten dafür, daß Österreichs Schüler zu den bestausgebildeten gehören. Wir Sozialdemokraten erheben daher gegen das vorliegende Reformpaket keinen Einspruch. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.29

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Uta Barbara Pühringer. – Bitte.

9.29

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Uns liegt ein umfangreiches Schulpaket vor, das eine Vielzahl von Neuerungen enthält, beginnend beim Schuleingangsbereich bis hin zur Matura. Es ist in der vereinbarten Redezeit nicht möglich, auf alles einzugehen. Ich habe daher vor allem jene Punkte herausgegriffen, die meinen Bereich, nämlich die Pflichtschule, betreffen. Einige Punkte haben meine Vorredner, vor allem Herr Bundesrat Leichtfried, schon vorweggenommen. Ich darf sie entweder streichen oder aus meiner Sicht dazu Stellung nehmen.


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Zunächst zum Schuleingangsbereich. Da gibt es im wesentlichen vier Neuerungen. Zum ersten: Bisher gab es in organisatorischer Hinsicht der 1. Schulstufe vorgeschaltet die sogenannte Vorschulstufe, entweder in Form einer Vorschulklasse oder einer Vorschulgruppe, je nachdem, wieviel Schüler davon betroffen waren, in der Vorschulgruppe mit dem Nachteil, daß sie, da es so wenige Kinder waren, nur zwei- oder dreimal in der Woche Unterricht hatten. Das war sicherlich nicht sehr zufriedenstellend.

Künftig wird diese Vorschulstufe in die Grundstufe I einbezogen, die sich bisher nur auf die 1. und 2. Schulstufe bezog, wobei es aber weiterhin möglich sein wird, wenn genügend Kinder da sind – und zwar müssen das mindestens zehn, es dürfen aber maximal 20 sein –, weiterhin eine Vorschulklasse als eigene Klasse zu führen oder aber auch den Unterricht integrativ in der 1. Klasse einzubeziehen. Die Vorschulgruppe wird es aber künftig nicht mehr geben. Kinder, die schulpflichtig, aber noch nicht schulreif sind, müssen künftig diese Vorschulstufe besuchen, eine Rückstellung vom Schulbesuch wird es für diese Kinder nicht mehr geben.

Ich bin nicht ganz sicher, ob das so lückenlos wirklich für jedes Kind Gültigkeit haben wird, die Praxis wird es zeigen. Ich meine, wenn es solche Fälle gibt, in denen man sagt, das wäre halt dieser Ausnahmefall, in dem eine Rückstellung doch gut wäre, dann muß man das aufzeigen, damit man sieht, ob man in diesem Fall eine richtige Entscheidung getroffen hat.

Für den Grundstufenlehrer wird das in manchen Fällen eine sicherlich nicht ganz einfache Situation sein. In seiner Klasse können künftig Schüler der 1. Schulstufe, Vorschulkinder, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, also Behinderte, und Kinder mit nicht deutscher Muttersprache sein. Die Grundsatzbestimmung sieht vor, daß in diesen Fällen ein entsprechend ausgebildeter Zweitlehrer eingesetzt werden kann. Dieses "Kann", das wir auch in der bisherigen Bestimmung für die Integration schon hatten, ist mir als Lehrer, als Standesvertreter eigentlich ein bißchen zu wenig zwingend, denn ich weiß aus Erfahrung, daß es Einzelfälle – Gott sei Dank nicht sehr viele – gibt und künftig auch geben kann, daß der Klassenlehrer in dieser Situation unter Umständen allein gelassen wird, weil vielleicht die nötigen Ressourcen, wenn nur ein, zwei, drei dieser Kinder in seiner Klasse sind, für den Einsatz eines Zweitlehrers nicht vorhanden sind und somit entweder ein Stützlehrer eingesetzt wird oder ein Zweitlehrer überhaupt nicht zur Verfügung steht.

Zum nächsten Punkt – diesen hat Kollege Leichtfried schon erwähnt –, zur Möglichkeit, daß künftig ein Kind in der Grundstufe I während eines Schuljahres entweder in die nächstniedrigere oder in die nächsthöhere Schulstufe wechselt. Dazu kommt auch die Möglichkeit, daß Kinder eine Klasse überspringen, und zwar insgesamt dreimal während der ganzen Schullaufbahn: in der Grundstufe, also in der Volksschule, dann im Bereich der 10- bis 14jährigen, also in der Sekundarstufe I, und darüber hinaus dann noch einmal. In den Zeitungen habe ich schon gelesen, daß es eine Horrorvision sei, wenn künftig alle Schüler oder viele Schüler schon mit 15 Jahren maturieren werden. Eine Journalistin, und zwar Elfriede Hammerl, hat gemeint, daß künftig der Druck auf den Müttern liegen wird, die dann die Belastung haben, mit den Schülern büffeln zu müssen, damit diese schon mit 15 maturieren können. Das halte ich doch für sehr übertrieben. Ich glaube, daß es wirklich nur einzelne sehr begabte Kinder geben wird, die das schaffen. Warum soll man dies diesen begabten Kindern nicht ermöglichen, wenn sie dazu in der Lage sind?

Ein dritter Punkt – er ist schon von beiden Vorrednern angesprochen worden –, der viel diskutiert war und auch weiterhin in Diskussion ist, ist die Beurteilung in der Grundstufe I. In diesem Fall kann – das ist schon gesagt worden – das Klassen- oder Schulforum, und zwar Eltern und Lehrer gemeinsam, beschließen, daß die Notengebung durch eine verbale Beurteilung ergänzt wird. Das war ein Kompromiß, mit dem nicht alle zufrieden sind. Ursprünglich hat der Entwurf auch die Möglichkeit vorgesehen, daß die Ziffernnote durch eine verbale Beurteilung nicht nur ergänzt, sondern auch ersetzt wird. Das ist das, was in langjährigen Schulversuchen schon erprobt wurde.

Nachdem aber im Laufe der Verhandlungen angedeutet worden ist – ich habe das auch dem Protokoll des Nationalrates so entnehmen können –, daß das manche Abgeordnete, manche


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Politiker als einen ersten Schritt zur gänzlichen Abschaffung der Noten gesehen hätten, was sicherlich nicht dem Wunsch des Großteils der Eltern entsprochen hätte, ist meine Fraktion, so nehme ich an, davor zurückgeschreckt, mit solch einer Regelung ein Zeichen zu setzen, das vielleicht hätte mißverstanden werden können. Denn auch jene aus meiner Fraktion, die sich durchaus mit einer ausschließlich verbalen Beurteilung in der Grundstufe I hätten einverstanden erklären können, hätten das nicht als einen Schritt zu einer gänzlichen Abschaffung der Note gesehen, sondern sie wollten das lediglich als ein Hinführen zur Ziffernnote ab der 3. Schulstufe sehen, wo sie doch unbedingt bestehen bleiben sollte. So ist es zu diesem Kompromiß gekommen, und man hat statt dessen die Möglichkeit geschaffen, die Schulversuche in diesem Bereich auszuweiten. Ich nehme an, daß es keine Schule geben wird, der diese Möglichkeit, wenn sie davon Gebrauch machen möchte, verwehrt werden wird.

Der vierte Punkt, der Englischunterricht, ist auch schon angesprochen worden. Wir werden in Oberösterreich sicherlich davon Gebrauch machen, unseren Volksschullehrern, sobald es nur geht, die Möglichkeit einzuräumen, Englisch zu unterrichten. Spätestens ab dem Jahr 2003 werden wir sie dazu verpflichten. So wird genügend Zeit sein, daß sich die Lehrer auf diese Neuerung auch durch Fortbildung einstellen, die meiner Meinung nach ihren Schwerpunkt wahrscheinlich im Bereich der Didaktik haben wird, denn Englisch können unsere Volksschullehrer. Sie unterrichten es ja, wie schon erwähnt worden ist, bereits in der 3. und 4. Schulstufe, die meisten von ihnen haben in den letzten Jahren auch eine Prüfung für Vorschul-Englisch abgelegt, sie sind also sicherlich in der Lage, diesen Unterricht zu erteilen.

Frau Kollegin Mühlwerth! Wenn eine Lehrerin in Ottakring vielleicht den Englisch-Unterricht in bezug auf die Aussprache so erteilt, wie es eben ihrem Sprachgebrauch entspricht, dann liegt meiner Ansicht nach die Aussprache der Kinder später nicht nur darin begründet, daß sie eine Ottakringer Lehrerin gehabt haben, sondern auch darin, daß sie selbst im Sprachraum Ottakring aufgewachsen sind und vielleicht ihr Leben dort verbringen. Denken Sie zum Beispiel an das Kreisky-Englisch, dann wird es eben auch ein Ottakringer-Englisch geben. Ich glaube, das Wichtigste ist, daß sich die Kinder einmal in Englisch verständigen können und Englisch verstehen, wie immer auch dieses Englisch gefärbt sein wird.

Im Hauptschulbereich beschränke ich mich auf einen einzigen Punkt – der andere, die Leistungsgruppen, ist schon erwähnt worden –, nämlich auf den Punkt Übertritt von der 4. Klasse der Hauptschule in eine höhere Schule. Ich weiß, daß es tatsächlich dem Wunsch der Hauptschullehrer entsprochen hat, daß da eine Änderung herbeigeführt wird. Man hat dadurch, daß die Hauptschüler der II. Leistungsgruppe mit einem "Befriedigend" eine Aufnahmsprüfung machen mußten, das "Gut" in der II. Leistungsgruppe gleichgesetzt mit einem "Genügend" in der AHS. Das ist sicherlich pädagogisch nicht zu rechtfertigen und hat eine Ungleichbehandlung dargestellt.

Daher entfällt in diesem Fall künftig die Aufnahmsprüfung, wenn es einen entsprechenden Beschluß der Klassenkonferenz gibt. Die Hauptschullehrer waren zwar der Meinung, daß dieser Beschluß auch hätte wegbleiben können, ich denke, die AHS-Lehrer haben darauf bestanden, weil doch das Niveau der III. Leistungsgruppe in Wien und zum Beispiel in unseren ländlichen Hauptschulen in Oberösterreich sehr unterschiedlich sein wird. Probieren wir es einmal so. Ich glaube, es ist ein ganz wichtiger Schritt.

Abschließend darf ich noch einmal beim Schwerpunkt Leistungsbeurteilung anknüpfen. Eine Zeitung, die sich selbst als größtes österreichisches Nachrichtenmagazin bezeichnet, hat eine Leistungsbeurteilung für Politiker veröffentlicht und dabei sowohl Ziffernnoten verteilt als auch diese Noten verbal begründet, also genau das, was wir heute beschließen sollen. Unsere Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer hat darin die Note 2,2 bekommen, das bedeutet "Gut", und diese Note ist in einigen verbalen Zusätzen begründet worden, indem durchaus Lob ausgesprochen wurde. Diesem Lob möchte ich mich mit einem herzlichen Dank anschließen. Sie hat es sich verdient. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Meine Fraktion wird gegen diese Vorlage keinen Einwand erheben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

9.40


Bundesrat
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643. Sitzung / Seite 159

Präsident Alfred Gerstl:
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Thomas Ram. Ich erteile ihm dieses.

9.40

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Zuerst einmal darf ich der Frau Ministerin zu ihrem "Gut" gratulieren. Das ist eine ausgezeichnete Leistung, aber dieses "Gut" wurde noch vor diesem Schulreformpaket, über das wir heute zu debattieren haben, vergeben, und ich glaube, daß vielleicht zu einem Großteil auch ihre charmante und beliebte Art, sich zu präsentieren, für dieses "Gut" verantwortlich ist. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich möchte in meinem Debattenbeitrag noch einmal auf die Aussagen meiner Kollegin Monika Mühlwerth eingehen und diese verstärken. Auch ich bin der Meinung, daß der Hauptgrund für das vorliegende Schulreformpaket ist, die Voraussetzungen für den Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung zu schaffen. Einige Punkte dieses Schulpakets sollen also vor allem dazu dienen, das Lehrlingsversprechen von Bundeskanzler Klima zu kaschieren.

Erstes Beispiel dafür ist die Möglichkeit, den Schulabschluß bis zu einem Alter von 18 Jahren nachzuholen. Das heißt, daß jene Schüler, die den Abschluß in neun Jahren nicht geschafft haben, ein zehntes und elftes Jahr in der Schule bleiben können. (Bundesrat Mag. Leichtfried: Was spricht dagegen?) Das werde ich Ihnen gleich erklären. Das bedeutet, ein Teil der Schüler, die die Voraussetzungen zum erfolgreichen Abschluß nicht geschafft haben, wird in der Schule "geparkt", um nicht auf dem Lehrstellenmarkt zu erscheinen.

Die negativen Auswirkungen dieser Tatsache sieht man auch am zweiten Beispiel, das ist die Aufhebung des Repetierverbotes. Die Aufhebung des Repetierverbotes bedeutet, daß junge Menschen mit mehr als drei "Nicht genügend" im Abschlußzeugnis nicht die Gelegenheit haben, die Klasse zu wiederholen. In Zukunft kann man auch mit vier oder mehr "Nicht genügend" die Klasse wiederholen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, insbesondere Herr Mag. Leichtfried, wird in einigen Schulen zu massiven Problemen führen, nämlich dann, wenn Schüler, die die Voraussetzungen für den Besuch dieser Schule erfüllen, diese Schulen wegen Platzmangels nicht besuchen können. (Bundesrat Payer: Diese Theorie ..., die nicht stimmt!)

Nein, das ist keine Theorie, sondern das ist die Praxis, die wir in einigen HTL in Österreich schon erleben können – leider erleben können! Sie brauchen sich nur den Platzmangel in höheren Schulen, auch in Gymnasien, anzusehen: Hier wird in den kleinsten "Kammerln" unterrichtet, weil es ganz einfach keinen anderen Platz mehr gibt. (Bundesrat Mag. Leichtfried: Das kann man ja verändern!) Ja, das muß man ändern, und deswegen brauchen wir eine andere Politik. Diese Tatsache, meine Damen und Herren, ist nicht mehr akzeptabel – weder für die Lehrer noch für die Schüler. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte kurz auch zum Englisch-Unterricht in den Volksschulen Stellung nehmen. Herr Mag. Leichtfried hat uns als Praktiker schon erklärt, daß auch er der Meinung ist, daß man zuerst die Muttersprache lernen sollte und sich dann mit dem Englisch-Unterricht ... (Bundesrat Mag. Leichtfried: Das habe ich nicht gesagt!) Das habe ich so interpretiert, Herr Magister! (Bundesrat Mag. Leichtfried: Das ist eine Interpretationsfrage!) Sie haben jedenfalls gesagt – können wir uns auf diese Feststellung einigen? –, daß es wichtig ist, zuerst einmal die deutsche Sprache zu erlernen ... (Bundesrat Mag. Leichtfried: Auch!)  – Oder auch. Kollege Leichtfried ist also der Meinung, daß es auch wichtig ist, die deutsche Sprache zu erlernen, und in zweiter Linie – oder in erster Linie, meint er vielleicht – sollte man dann die englische Sprache lernen.

Wir Freiheitliche sind der Meinung, ... (Bundesrat Mag. Himmer: ... Ihr Freiheitliche glaubt, die deutsche Sprache zu lernen, ist Herausforderung genug für euch!) – Kollege Himmer! Du wirst das sicherlich richtig beurteilen können, aber das werden wir vielleicht ohnehin heute noch hören.

Wir Freiheitliche sind also der Meinung, daß ein frühes Fremdsprachen-Lernen in der 1. und 2. Volksschulklasse im gesamten Sprachgefüge Schäden anrichten kann und daß man deswe


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gen bei der Regelung bleiben sollte, in der 3. und 4. Klasse mit dem Englisch-Lernen zu beginnen.

Einen Punkt, sehr verehrte Frau Ministerin, möchte ich noch ganz kurz ansprechen, und zwar ist das die erhöhte Gewaltbereitschaft der Jugend in den letzten Jahren. Diese Tatsache kann man in den jährlichen Kriminalitätsberichten ablesen. Es ist leider so, daß diese Zeiterscheinung, diese sehr unangenehme Zeiterscheinung, auch vor unseren Schulen nicht haltmacht. Meine Frage an Sie ist, was Ihr Ministerium in dieser Richtung unternehmen möchte, denn die Voraussetzungen für eine Verbesserung dieser Situation kann man meiner Meinung nach nur in den Schulen schaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Abschluß meines Debattenbeitrages möchte ich noch ganz kurz auf den Schulsport eingehen. Wir sollten den Schulsport nicht vernachlässigen, da er für die Psyche und die körperliche Verfassung, für die Zukunft der Kinder von enormer Bedeutung ist. Auch unser Präsident hat in seiner Antrittsrede auf die Bedeutung des Schulsportes und die täglichen Bewegungsstunden verwiesen. Dem können wir Freiheitliche uns nur anschließen.

Als Conclusio ist zu sagen, daß wir das Schulpaket als Ganzes leider ablehnen müssen, weil es Ihr Hauptziel ist, junge Menschen mit Gewalt in der Schule zu halten, anstatt eine vernünftige Beschäftigungspolitik zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.46

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Payer. Ich erteile dieses.

9.46

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Vorredner haben sich schon sehr eingehend und manchmal sehr kompetent mit diesen einzelnen Schulgesetzen auseinandergesetzt, ich werde daher meinen Debattenbeitrag etwas anders gestalten. Ich möchte dieses Paket von Schulgesetzen nicht nach der Abfolge der Tagesordnungspunkte, sondern nach drei Gesichtspunkten diskutieren. Erster Gesichtspunkt: Pädagogik, Methodik, Didaktik; zweiter Gesichtspunkt: Schuldemokratie; und dritter Gesichtspunkt: Nationaler Aktionsplan für Beschäftigung.

Zum ersten Gesichtspunkt: Die Neuordnung der Schuleingangsphase ist pädagogisch und didaktisch sehr sinnvoll. Zahlreiche Schulversuche können dafür als Beweis angeführt werden. Aus Erfahrung weiß ich, wie wichtig ein sanfter Schulstart für die zukünftige Entwicklung des Kindes ist. Mit dem Begriff "sanfter Schulstart" meine ich, daß die Kinder bis zu drei Jahre Zeit haben, die Grundstufe I – das sind die 1. und 2. Klasse Volksschule – zu absolvieren. Dadurch kann auf das Lerntempo der Kinder individuell Rücksicht genommen werden.

Im Rahmen einer notwendigen Fremdsprachenoffensive – das wurde auch schon angesprochen – werden die Schulversuche zur lebenden Fremdsprache in der 1. und 2. Schulstufe in das Regelschulwesen übernommen. Das ist kein eigener Gegenstand, das ist gut so, das wird integrativ unterrichtet. Eine Anmerkung sei hier erlaubt: Eine große Aufgabe für die Lehrerfortbildung tut sich hier auf, wenn nämlich spätestens bis zum Schuljahr 2003/2004 diese Maßnahme in allen Volksschulen umgesetzt werden soll.

In diesem Reformpaket ist auch von Begabtenförderung die Rede. Man versteht darunter – und das finde ich etwas eindimensional – das Überspringen von Klassen. Ich bin für Begabtenförderung, weiß aber nicht und zweifle etwas daran, ob man mit diesem Überspringen von Klassen diesen begabten, diesen sehr begabten Schülern etwas Gutes tut. Ich sage ja zu Leistung, ich sage ja zur Förderung von guten Schülern, ich glaube aber, daß dieses Überspringen nicht der Weisheit letzter Schluß ist. Es fehlen dann die "Zugpferde" in den einzelnen Klassen, und vergessen wir nicht: Schüler lernen nicht nur vom Lehrer, sondern lernen auch von den Mitschülern! Und vergessen wir nicht, daß die Schule neben dem Leistungsaspekt auch Erziehungstätigkeit zu leisten hat.


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Ich frage mich, ob wir mit diesem Überspringen von Klassen nicht die Ellbogentechnik, die in unserer heutigen Zeit so oft angewandt wird, forcieren. Ich glaube auch, daß das problematisch in kleinen Schulen sein kann. Wenn ein Schüler zuwenig in einer höheren Klasse ist, um die Klasse zu teilen, dann fürchte ich, daß man eben einen Begabten findet, um diese Schülerzahl aufzustocken. Oder in kleinen Schulen besteht die Gefahr, daß man einen Begabten "zurückhält", um eben die entsprechenden Schülerzahlen zu haben.

Frau Ministerin! Sie kommen aus der Praxis, Sie können sicherlich diesem Gedankengang folgen, daß es aufgrund dieser Regelung zu Mißständen kommen könnte.

Positiv für die Hauptschulen in diesem Schulpaket finde ich auch die II. Leistungsgruppe. Frau Kollegin Pühringer hat sich sehr eingehend damit beschäftigt.

Zu meinem zweiten Gesichtspunkt, den ich noch anschneiden möchte: Schuldemokratie. Klassenforum und Schulforum haben eigentlich eine neue Aufgabe und können beschließen, daß der Beurteilung der Leistung durch Noten eine Leistungsbeschreibung hinzuzufügen ist. Persönlich bin ich mit dieser Regelung einverstanden, obwohl sich Kollegen meiner Fraktion, auch Kollege Leichtfried, stärkere alternative Beurteilungsformen gewünscht hätten. Ich kann auf 20 Jahre Schulleiterpraxis hinweisen, ich sage: Ein guter Lehrer, ein Pädagoge begründet sowieso jede einzelne Note. Ich habe auch einige Jahre mit verbaler Beurteilung zu tun gehabt. Das ist am Anfang sehr interessant, aber es werden doch oft nur Stehsätze verwendet. Ich glaube, der Kompromiß ist ein guter, und zu diesem Kompromiß kann man ruhig stehen.

Sehr positiv, obwohl schon vorher beschlossen, finde ich dieses Frühwarnsystem. Sehr geehrte Frau Ministerin! Dazu muß ich Ihnen wirklich gratulieren, und wenn man Ihre Zeit als Regierungsmitglied einmal wird Revue passieren lassen, dann wird dieses Frühwarnsystem wahrscheinlich einen ganz besonderen Stellenwert einnehmen.

Zu meinem dritten Gesichtspunkt, dem Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung. Das Nachholen des Hauptschulabschlusses ist etwas sehr Menschliches, etwas sehr Wichtiges, und wir eröffnen damit jungen Menschen die Chance, besser in die Arbeitswelt integriert werden zu können. Das gilt ebenso für das Aussetzen des Repetierverbotes.

Zum Schluß kommend: Ich habe das Frühwarnsystem sehr gelobt, es hat sich auch, wie ich aus meiner Erfahrung sagen kann, in meinem Bundesland sehr bewährt. Die Lehrer halten sich in hohem Maße daran, es ist auch sehr menschlich.

Aber ich möchte doch eine Anregung beziehungsweise Kritik anbringen: Dieses heutige Reformpaket ist sehr wichtig! Ich glaube aber, sehr geehrte Frau Ministerin, daß es im Sekundarschulwesen einen großen Bereich gibt, auf den wir uns konzentrieren sollten. Ich denke an die Hauptschulen in Ballungsräumen, die zu Restschulen verkommen, in denen es unterschiedliche Niveaus gibt. In einzelnen Ländern funktioniert die Hauptschule prächtig – das gebe ich auch zu –, aber in den Ballungsräumen funktionieren sowohl die Hauptschule als auch die AHS nicht. Die AHS kann in diesen Ballungsräumen, wo sie fast 100 Prozent aller 10- bis 14jährigen aufnimmt, den Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen. Da sollten Maßnahmen gesetzt werden. Verstehen Sie das nicht so, daß ich der Gesamtschule das Wort rede, sondern ich bin der Ansicht, daß hier ganz neue Überlegungen angestellt werden müssen.

Abschließend: Die SPÖ stimmt den heute vorliegenden Schulgesetzen gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.54

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Therese Lukasser. Ich erteile ihr dieses.

9.54

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Rechtzeitig vor Beginn des neuen Schuljahres beraten wir das Schulpaket 1998. Worum es im einzelnen geht, ist bereits


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mehrfach erwähnt worden. Ich möchte mich bei den Vorrednern dafür bedanken, daß sie auf verschiedene Änderungen näher eingegangen sind.

Eine Anmerkung möchte ich mir aber zu den Ausführungen des Kollegen Payer erlauben, der das Überspringen von Klassen in der Volksschule etwas relativ gesehen hat. Ich begrüße diese Regelung. Sie können mir unterstellen, daß es etwas eigennützig ist, ich habe vor 45 Jahren eine Schulstufe übersprungen, mein Enkel hat vor einigen Jahren im ersten Jahr die 1. und 2. Schulstufe absolviert. Die Möglichkeit des Überspringens von Klassen ist aus meiner Sicht zu begrüßen.

Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte mich in meinem Redebeitrag nur mit § 18, mit dem heiß umkämpften § 18, beschäftigen und einige persönliche Erfahrungen einbringen. Es geht um die Leistungsbeurteilung. Vor einigen Wochen titelte eine große Tageszeitung: "Anfang vom Ende der Noten". Diese bei Gott nicht neue Diskussion erlebte ich hautnah in der Vorzeigeschule des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Die sogenannte Laborschule des Hartmut von Hentig in Bielefeld umfaßt alle Schultypen vom Kindergarten bis zur Hochschule. Eine lange Schulstraße verbindet auch lokal die einzelnen Schultypen unter einem Dach und mit einer gemeinsamen Pausenhalle.

Die äußerst engagierten Lehrer waren neben anderen Schwerpunkten besonders stolz darauf, ohne Ziffernnoten auszukommen. Die Diskussion stockte allerdings bei der Frage, wie das bei einem Wohnungswechsel oder einem Übertritt der Schüler in andere Schulen funktioniert. Man mußte einbekennen, daß in diesen besonderen Fällen das Übertrittszeugnis mit Ziffernnoten versehen wird. Und das ist der springende Punkt: Bei Ein- und Übertrittsphasen wird es ohne ziffernmäßige Festlegung nicht gehen. Wohl aber halte ich eine Ergänzung durch eine Leistungsbeschreibung für sehr sinnvoll. Ich bin sicher, jeder von Ihnen könnte ein Beispiel nennen, wie er sich in seiner Schulzeit durch eine Ziffernnote ungerecht beurteilt fühlte.

Ich darf aus meiner Erinnerung etwas sagen: Die Mathematik-Schularbeit wurde nur deshalb mit einem "Gut" beurteilt, weil die Ergebnisse nicht doppelt unterstrichen waren. Oder: Meine Physik-Note im Maturazeugnis lautet heute noch auf "Gut", weil sich der Klassenvorstand beim Abschreiben aus dem Katalog um eine Zeile geirrt hat. (Heiterkeit.) Ich muß allerdings auch dazusagen, daß sich seither niemand mehr für meine Physik-Note interessiert hat. Es hätte mich damals ungemein beruhigt, wenn dies durch die schriftliche Aussage: "Ihre Fähigkeiten und Leistungen liegen über den Anforderungen der Jahrgangsstufe" ergänzt worden wäre. Wie ich zu dieser Formulierung komme? – Sie ist vom Mai dieses Jahres. Ich habe sie vom Übertrittszeugnis meines Enkels abgeschrieben. (Die Rednerin zeigt eine Kopie des Zeugnisses.) Er besucht die 4. Klasse Grundschule in Bayern, wo es zu den Ziffernnoten noch ein pädagogisches Wortgutachten gibt – oben stehen die Ziffernnoten, unten ein pädagogisches Wortgutachten.

Sehr geehrte Damen und Herren! In dieser Diskussion soll es nicht darum gehen, Ziffernnoten ja oder nein, sondern um jene Maßnahme, die die Leistungen des Kindes, des Schülers, der Schülerin am zutreffendsten beschreiben kann. Ziffernnoten geben in der Regel die Klassensituation wieder: Schüler mit "1" und "2" sind die guten Schüler, mit "3" die mittleren, mit "4" und "5" die schlechten. Ich habe 36 Jahre lang Schülerleistungen mit Ziffern beurteilt, ich weiß also, wovon ich rede. In die Ziffernnoten wird manchmal zuviel hineingepackt, was nicht hineingehört, zum Beispiel das Unterstreichen von Rechenergebnissen oder das Verhalten.

Es geht in erster Linie darum, jenen Kindern zu helfen, deren Leistung einer Ziffernnote nicht gerecht wird. Dabei kann es sich um leistungsstarke, aber auch um leistungsschwache Kinder handeln. Daher wird eine Leistungsbeschreibung eine Leistung beschreiben müssen und nicht den Rang in der Klasse. Es wird auch nicht gehen, daß es heißt: ",Maxi gehört zu den besten Schülern der Klasse", sondern: "Sachverhalte sowohl im sprachlichen als auch im mathematischen und sachlichen Bereich erfaßt der Schüler durchwegs sehr schnell, genau und in Einzelheiten." Und da muß ich jetzt die Klassenlehrerin meines Enkels im nachhinein dafür um Erlaubnis bitten, daß ich diese Formulierung zitiert habe.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wollte mit meinen Ausführungen versuchen, den Glaubenskrieg um die Noten, um die verbale Leistungsbeurteilung etwas zu relativieren. Um es noch einmal zu sagen: Ich halte eine zusätzliche Leistungsbeschreibung zunächst im Schuleingangsbereich für eine gute Lösung.

Angesichts der umfangreichen Tagesordnung weiß ich mich von Ihnen unterstützt, wenn ich auf die weiteren Schwerpunkte der Vorlagen nicht eingehe. Wohl aber möchte ich im Gegensatz zu Frau Mühlwerth eine verbale Leistungsbeurteilung weitergeben, die ich vor Ort höre: Eltern und Lehrer sprechen mit großem Respekt von der Unterrichtsministerin. – Herzlichen Dank an dich und deine Mitarbeiter! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.01

Präsident Alfred Gerstl: Frau Ministerin Gehrer hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

10.01

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte eines klar und deutlich feststellen: Junge Menschen werden nicht mit Gewalt in der Schule behalten. Wer die Schulpflicht erfüllt hat, muß nicht mehr in die Schule gehen.

Wir wollen den jungen Menschen aber sehr wohl die Chancen für einen Bildungsabschluß geben. Ich bitte Sie, alle Maßnahmen, die wir in diesem Bereich treffen, unter dem Blickwinkel der Chancen zu sehen, unter dem Gesichtspunkt einer zweiten Chance, die der junge Mensch bekommt.

Es wird immer wieder davon gesprochen, daß im nächsten Jahrhundert besonders die Bildung Grundlage für eine Weiterentwicklung sein wird. Daher ist es auch notwendig, daß wir versuchen, möglichst vielen Jugendlichen eine gute Bildung angedeihen zu lassen. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.) Deshalb halte ich auch das Angebot zum Nachholen des Hauptschulabschlusses – eine weitere Chance, eine Berufsbildende Höhere Schule zu absolvieren – für ein gutes Angebot, das nicht angenommen werden muß, das aber angenommen werden kann, was eben das Wesen eines Angebotes ist.

Bezüglich des Platzmangels bitte ich Sie, sich keine Sorgen zu machen. Wir haben vorgesorgt, daß für Jugendliche, die diese zweite Chance ergreifen, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, sodaß kein Jugendlicher, der dafür geeignet ist, in eine Berufsbildende Höhere Schule zu gehen, abgewiesen wird.

Ich darf auch noch zur Kenntnis bringen, daß der heurige Zulauf zu den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen etwas rückläufig ist. Besonderes Interesse zeigt sich bei den Jugendlichen für technische Schulen, für Tourismusschulen, für HLWs, für wirtschaftliche Schulen, interessanterweise auch für Kindergartenpädagogik-Anstalten, wobei der Trend zu den Handelsakademien und den Handelsschulen etwas rückläufig ist. Es besteht also durchaus noch die Möglichkeit, interessierten Jugendlichen einen Platz an einer Handelsakademie, einer Handelsschule zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren! Das vorliegende Bildungspaket ist eine Weiterführung der konsequenten Bildungslinie der letzten drei Jahre. Wir möchten Chancen eröffnen. Solche Chancen eröffnet die flexible Eingangsstufe, wodurch je nach Möglichkeit vor Ort eine integrative Beschulung der Kinder angeboten werden kann, die aber auch in vielen Bereichen sehr etablierter Vorschulklassen weitergeführt werden kann.

Weitere Chancen sollen den Jugendlichen durch eine fremdsprachliche Vorschulung eröffnet werden. In diesem Zusammenhang bitte ich, zur Kenntnis zu nehmen, daß dafür keine Schulbücher notwendig sind, sondern daß es sich um ein verbales Einführen in die Sprache, ein spielerisches Hinführen zur Sprache handelt. Es ist die Zielsetzung der Fremdsprachenoffensive, daß jeder Schulabgänger eine Fremdsprache fließend beherrscht und in einer zweiten Fremdsprache eine Mithörkompetenz hat, das heißt, sie versteht. Ich glaube, das ist in einem gemeinsamen Europa sehr wichtig.


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Ich möchte aber auch darauf hinweisen, daß nicht automatisch Englisch die Sprache dieser fremdsprachlichen Vorschulung ist. Es gibt auch Schulen, an denen Französisch oder Italienisch angeboten wird. Wir werden in den nächsten Jahren auch im Bereich der Sprachen Mittel- und Osteuropas einen Schwerpunkt setzen, denn ich halte es für besonders notwendig, daß es gut ausgebildete Leute gibt, die diese Sprachen sprechen.

Das Frühwarnsystem hat sich sehr bewährt, es gab um 10 Prozent weniger "Fünfer". Ich glaube, das muß das Ziel der Schule sein: dem Jugendlichen helfen, dieses negative Erlebnis, einen "Fünfer" zu bekommen, zu vermeiden.

Zur Gewaltprävention möchte ich feststellen, daß es einen umfangreichen Katalog an Maßnahmen gibt, die an den Schulen auch umgesetzt werden. Aber folgendes möchte ich ganz klar und deutlich sagen: Alle Defizite der Gesellschaft kann die Schule nicht ausgleichen. Es muß auch in der Gesellschaft, im Elternhaus, in Vereinen, in den Kommunen präventive Arbeit zur Gewaltvermeidung geben. Das muß ein gemeinsames, ganz wichtiges und großes Anliegen sein. (Beifall bei der ÖVP, der SPÖ sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wer sich in unseren Schulen auskennt, wer in die Schulen geht, sieht, daß dort eine enorme Weiterentwicklung stattgefunden hat, daß unsere Schulen europafit sind; daß wir noch einiges zu tun haben, ist unbestritten.

Ich danke allen Abgeordneten, die sich intensiv mit Bildungsfragen beschäftigen. Ich danke allen, die sich für die Schule, für den Schulbereich engagieren, denn Schule und Bildung können sich nur dann positiv weiterentwickeln, wenn sie von der Gesellschaft getragen werden, wenn sie in der Politik einen hohen Stellenwert haben. Durch Ihre Diskussion, durch Ihre fundierten Beiträge geben Sie der Bildung in der Politik diesen hohen Stellenwert. Dafür danke ich Ihnen herzlich. (Beifall bei der ÖVP, der SPÖ sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

10.07

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

29. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland geändert wird (1281 und 1296/NR sowie 5752/BR der Beilagen)

30. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten geändert wird (1282 und 1297/NR sowie 5753/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu den Punkten 29 und 30 der Tagesordnung, über welche die Debatte gleichfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 29 und 30 hat Frau Bundesrätin Uta Barbara Pühringer übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatterin Uta Barbara Pühringer: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich beschränke mich auf den Antrag, der in beiden Berichten wortidentisch ist und folgendermaßen lautet:

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile es ihm.

10.09

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der vorliegende Entwurf ist natürlich im Zusammenhang mit der Novelle zum Schulorganisationsgesetz zu sehen. In diesem Bereich ist, wie wir gerade diskutiert haben, als Schwerpunkt die Neuregelung des flexiblen Schuleingangsbereiches vorgesehen.


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Es sind nur noch Vorschulklassen und keine Vorschulgruppen vorgesehen. Es ist daher durchaus logisch und auch zweckmäßig, die erforderlichen Anpassungen für die Minderheiten-Schulgesetze sowohl im Burgenland als auch in Kärnten in einem vorzunehmen.

In Kärnten wie auch im Burgenland soll die Neuregelung mit Beginn des Schuljahres 1999/2000 in Kraft treten, daher ist auch der Termin 1. September 1999 durchaus logisch. – So weit, so gut. Im Entwurf steht auch, daß keine zusätzlichen Kosten entstehen werden. Daher ist es notwendig, einen kurzen Blick auf die Organisation des Minderheiten-Schulwesens in Kärnten zu werfen.

Meine Damen und Herren! In Kärnten wird derzeit an 81 Schulen zweisprachiger Unterricht angeboten. An 64 Schulen wird zweisprachig unterrichtet, an 17 Schulen gibt es keine Anmeldungen. 1 700 Kinder werden in 224 Klassen unterrichtet, wobei in 79 Klassen 100 Prozent zum zweisprachigen Unterricht angemeldet sind, in 80 Klassen sind es nur ein bis drei Kinder, in 65 Klassen vier und mehr. Wenn man den Untersuchungen Glauben schenken darf – und das war überraschend für mich –, dann beherrschen nur 55 Prozent der Kinder beim Eintritt in die zweisprachige Schule auch die Muttersprache.

Da aufgrund der Vorschriften unseres Gesetzes, des Minderheiten-Schulgesetzes, der Elementarunterricht in der Muttersprache erfolgen muß, stellt sich die Frage, wie das denn funktioniert. Bemerkenswert ist, daß die Teilungszahl 20 ist – sonst ist sie, wie Sie wissen, 30 –, daß die Lehrer in zweisprachigen Schulen weniger unterrichten müssen als in normalen Schulen und daß die slowenischen Lehrer selbstverständlich keine Wartezeit auf sich nehmen müssen; die Einstellung erfolgt im Regelfall problemlos.

Sogar dann, wenn sich ein einziges Kind in einer zweisprachigen Schule zum Slowenisch-Unterricht anmeldet und Slowenisch als Muttersprache angibt, ist sofort ein slowenischer Zweitlehrer zu bestellen, auch dann, wenn 19 Kinder deutsch unterrichtet werden wollen. Da versteht man doch, daß es da und dort oft Probleme damit gibt, daß in mehreren Schulen – zumindest in Kärnten – die Kinder der Mehrheit in Schulen der Minderheit unterrichtet werden müssen.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Wo gibt es das sonst in Europa? – Mir ist kein vergleichbares Land bekannt, weder Schleswig-Holstein noch Südtirol noch das Elsaß, wo die Kinder in erster Linie getrennt unterrichtet werden. Ich bitte Sie daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz emotionslos darüber nachzudenken, ob das so bleiben soll und ob das so in Ordnung ist. Es ist das auch eine Frage ... (Bundesrat Payer: Minderheiten brauchen einen besonderen Schutz!)  – Sie melden sich ohnedies zu Wort, Herr Kollege! Ich bin überzeugt davon, daß Sie dann bestätigen werden, was wir hier gesagt haben.

Es ist das auch eine Frage der Kosten. Es dürfte stimmen, daß 100 Millionen Schilling allein für die zweisprachigen Lehrer aufgewendet werden. Die Kosten für Infrastruktur und den laufenden Betrieb sind mir nicht bekannt. Schließlich gibt es in Kärnten auch ein Slowenisches Gymnasium, an dem immerhin 443 Kinder unterrichtet werden, und eine gemischtsprachige Handelsakademie mit 140 Schülern. Am Gymnasium werden 47 Kinder unterrichtet, die aus Slowenien kommen, an der zweisprachigen HAK sind es mehr als ein Drittel; 53 Kinder kommen zurzeit aus Slowenien und reisen nach Klagenfurt an.

Meine Damen und Herren! So gesehen könnte man auch einmal über eine Novellierung des Minderheiten-Schulwesens nachdenken, aber ganz anders, als es normal diskutiert wird, insbesondere dann, wenn ich daran denke, daß es eine Nationalratsabgeordnete aus Kärnten stört, daß im Kärntner Minderheiten-Schulgesetz der Begriff "Staatsbürgerschaft" überhaupt noch vorkommt. In diesem Gesetz ist die Rede von österreichischen Staatsbürgern der slowenischen Minderheit. Für mich als Bundesrat der Freiheitlichen ist es ungeheuerlich, daß im Nationalrat eine Abgeordnete folgende Behauptung aufgestellt hat – ich zitiere jetzt wörtlich –: An den österreichischen Schulen werde tagtäglich Verfassungsrecht gebrochen und der österreichische Staatsvertrag verletzt.


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Meine Damen und Herren! Wir Freiheitliche distanzieren uns ganz entschieden von dieser Unterstellung und protestieren auch dagegen. Da ich weiß, daß wir auf diesem Gebiet keinesfalls alleine dastehen, lade ich die Kollegen der übrigen Fraktionen herzlich dazu ein – ich bin überzeugt davon, daß das der Fall sein wird –, daß sie sich ebenfalls davon distanzieren und hier in der Länderkammer, im Bundesrat, bestätigen, daß der österreichische Staatsvertrag an den österreichischen gemischtsprachigen Schulen zu 100 Prozent erfüllt wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.15

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Josef Pfeifer. Ich erteile dieses.

10.16

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die SPÖ wird gegen den Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten und das Burgenland geändert wird, keinen Einspruch erheben.

Ich kann mich zum Großteil den Ausführungen und Erläuterungen meines Kollegen Harring anschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Ich glaube, daß auch Kollege Richau in diese Richtung gehen wird. Wir könnten auf diese Anregung hin eine gemeinsame Erklärung abgeben.

Meine Damen und Herren! Die Ausführungsgesetzgebung für das Minderheiten-Schulgesetz ist Landessache. Der Kärntner Landtag hat beschlossen, daß in den ersten drei Klassen der Elementarunterricht zweisprachig geführt wird, und in der 4. Klasse gibt es – weil da der Unterricht bereits gefächert wird – das Pflichtfach Slowenisch. Das heißt, es gibt dort keinen Elementarunterricht mehr, sehr wohl jedoch slowenischen Sprachunterricht. Das steht mit dem österreichischen Staatsvertrag in Übereinstimmung, das entspricht der österreichischen Verfassung. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die des Nationalratsabgeordneten Wurmitzer.

Was wir in Österreich an Schulwesen geschaffen haben, kann sich, so glaube ich, durchaus sehen lassen. Wir können auch darauf stolz sein, daß das gemeinsam erreicht werden konnte.

Meine Damen und Herren! Dennoch ist all das für einige, die auf dem Rücken der Kinder politisches Kapital schlagen wollen, viel zuwenig, auch dann, wenn Slowenenvertreter, zumindest in Kärnten – und da schließen sich die Grünen und das Liberale Forum selbstverständlich an –, immer wieder mit neuen Forderungen an die Öffentlichkeit treten.

Ich habe aufgrund einer Aussendung, die die Slowenische Einheitsliste selbst gemacht hat, die an jeden Haushalt – es sind rund 2 200 Haushalte – ergangen ist, einen Brief, einen Drohbrief bekommen, nur in einer anderen Frage, die aber im selben Zusammenhang zu sehen ist: in der Kindergartenfrage.

Unter anderem war auf der Rückseite die Frage gestellt – vorne bin ich und sind alle, die eben nicht sofort mitgemacht haben, zerrissen worden, es war sehr emotional geladen –, ob man das Kind anmelden will oder ob man nur grundsätzlich dafür ist. Stellen Sie sich vor: Von 2 200 Aussendungen ist eine einzige mit Unterschrift zurückgekommen – diese Familie hatte überhaupt kein Kind, das in den Kindergarten gehen könnte –, mit der Feststellung: Ja, es kann nicht schaden. – Draußen schaut es also ein bißchen anders aus, als es uns immer wieder, auch im Parlament, vorexerziert wird.

Ich möchte auch auf den Redebeitrag des Kollegen Harring eingehen. Wenn auch nur ein Kind angemeldet wird – dazu gibt es ein Beispiel in unmittelbarer Umgebung an einer Schule, wobei ich davon überzeugt bin, daß die Eltern des Kindes angeheuert wurden, dieses Kind anzumelden, ich kann es nur nicht beweisen –, gerät das ganze Karussell in Bewegung. Sie können sich bestimmt vorstellen, daß da mit entsprechendem Druck gearbeitet wird.


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Minderheiten sollen besonderen Schutz genießen; ich bin auch dieser Meinung, nur darf es nicht zu weit gehen. Vor allem darf das aber nicht unbedacht gegenüber der Mehrheitsbevölkerung geschehen.

Ich habe vorhin gesagt, daß ich einen Brief bekommen habe – vielleicht ist dieser in einem anderen Zusammenhang zu sehen. Für mich persönlich war er, als ich ihn gelesen und dann der Exekutive übergeben habe, ein wenig erschütternd. Der Brief wurde in Klagenfurt aufgegeben an: Josef Pfeifer, Bürgermeister, 9141 Eberndorf. Er hat folgenden Wortlaut: Wir werden Euch bald die Kehle durchschneiden, deutsche nationale Schweine! Die Grenzen fallen, die Abrechnung kommt. Es lebe Generalmeister Vouk.

Handgeschrieben ist dieser Brief, gar nicht mehr mit der Schreibmaschine verfaßt, um sich zu verstecken, sondern handgeschrieben! Er ist an mich adressiert für etwas, wofür ich nichts kann, meine Damen und Herren! Da bin ich schon etwas ins Grübeln gekommen. Man kann sagen: Du brauchst keine Angst zu haben, es wird ja nichts passieren. – Wenn jedoch etwas passiert, dann ist es zu spät – aber auch für die Minderheiten!

Ich will nicht sagen, daß dieser Brief aus einer bestimmten Richtung gekommen ist. Ich kann ihn nicht zuordnen, darf auch nicht zuordnen, will auch nicht zuordnen. Dieser Name, Vouk, sagt hier niemandem etwas; mir schon, weil ein Gemeindevorstand mit diesem Namen bei mir sitzt und Slowenenvertreter ist. Er gehört zur neuen Führungsschicht der nationalen Slowenen in Kärnten. Im vorigen Herbst fand eine Minderheiten-Enquete statt, und wer dort die Gelegenheit hatte, seine Wortmeldung zu hören und zu analysieren, weiß, wovon ich spreche. Ich kann euch sagen, mir ist es kalt über den Rücken gelaufen.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß der Staatsvertrag auch auf dem Gebiet des Minderheiten-Schulwesens voll erfüllt ist. (Allgemeiner Beifall.)

10.23

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer. Ich erteile ihm dieses.

10.23

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich habe im Burgenland in verschiedenen Diskussionen über die Minderheitenfrage in früheren Jahren, aber auch in jüngster Vergangenheit, immer wieder die These vertreten, daß sich die Minderheitenproblematik im Burgenland – ich denke auch historisch bedingt – von der Problematik des Minderheitenwesens in Kärnten sehr wohl unterscheidet. Die Diskussionsbeiträge, die meinem Debattenbeitrag vorangegangen sind, so glaube ich, unterstreichen diese meine Meinung, meine These.

Ich möchte aber eigentlich aus burgenländischer Sicht zum heutigen Thema, der Novelle zum Minderheiten-Schulgesetz sprechen.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß im Burgenland spätestens seit der Ostöffnung, seit dem EU-Beitritt Österreichs, seit der Diskussion über die Osterweiterung und der damit verbundenen bedeutenden Nachfrage nach Arbeitskräften, die auch Ostsprachen beherrschen – vor allem die ungarische und kroatische Sprache –, ein bis in die letzten Dörfer getragenes Umdenken bezüglich der Minderheiten vollzogen wurde.

Mochten früher – bis in die achtziger Jahre – auch gewisse Ressentiments bei verschiedenen Gesellschaftsgruppen dahin gehend geherrscht haben, daß nicht so sehr die Sprache entscheidend wäre für das Fortkommen des Menschen, des Burgenländers, sondern eher der soziale Status, die Berufsbildung und die Berufsanstellung, so gehören diese Dinge längst der Vergangenheit an. Ich glaube, daß wir Burgenländer nunmehr stolz darauf sein können, daß nicht nur die Minderheitsbevölkerung, sondern natürlich auch die Mehrheitsbevölkerung die besondere Bedeutung der Minderheitenkulturen, vor allem der Sprachkulturen, schätzt und unterstreicht.


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Wir sind froh darüber, daß das Minderheiten-Schulwesen und die Infrastruktur einen Standard erreicht haben, der durchaus zufriedenstellend ist – ob es die Volksschulen, die Hauptschulen oder auch die Mittelschulen sind. Wir haben erst seit einigen Jahren ein zweisprachiges Gymnasium im Burgenland. Alle diese Schulen haben großen Zulauf; interessanterweise nicht nur von Angehörigen der Minderheiten, sondern auch von der Mehrheitsbevölkerung. Das heißt, die Deutschsprachigen besuchen diese Schulen bewußt, eben im Hinblick auf die besondere Bedeutung und die Wichtigkeit für die Zukunftsbewältigung.

Es werden auch von rein deutschsprachigen Mittelschulen und Hauptschulen zusätzlich zum Unterricht Ungarisch- und Kroatisch-Kurse angeboten. Interessanterweise und lobenswerterweise werden diese Angebote auch in reichem Maße angenommen.

Zusammenfassend möchte ich hier feststellen, daß die Situation betreffend Minderheiten-Schulwesen durchaus befriedigend ist, sodaß wir damit, so glaube ich, gut leben können. Die Bevölkerung hat dieses Angebot hervorragend angenommen und die Zeichen der Zeit erkannt, sich nämlich der Herausforderung der Ostöffnung zu stellen. Vor allem aber die Jugend muß sich dieser Herausforderung stellen.

Ein kleiner Wermutstropfen ist vielleicht die Problematik hinsichtlich der Roma-Kinder. Da laufen zwar Aktionen bezüglich der außerschulischen Betreuung, da gibt es jedoch noch finanzielle Probleme. Wir würden es begrüßen, wenn auch dies einer Regelung zugeführt werden könnte.

Meine Damen und Herren! Ich möchte aus burgenländischer Sicht dem Ministerium, respektive der Frau Bundesministerin, dafür danken, daß wir diese gesetzliche Basis haben. Vielleicht läßt sich hinsichtlich der Infrastruktur das eine oder andere noch verbessern. Im großen und ganzen sind wir aber dankbar.

Ich möchte im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir dieser Novelle gerne unsere Zustimmung geben werden. (Beifall bei der ÖVP.)

10.28

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Payer. Ich erteile ihm dieses.

10.28

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Mein Debattenbeitrag kann wirklich sehr kurz ausfallen. Kollege Linzer hat ja die Situation des Burgenlandes sehr genau geschildert.

Es stimmt wirklich, daß durch den Beitritt zur EU, durch die künftige Ost-Erweiterung die Ostsprachen in unserem Lande großen Anklag finden. Es besteht die Möglichkeit, Kroatisch und Ungarisch von der Volksschule bis zur Matura zu lernen. Es gibt auch Angebote in den Kindergärten, es ist eine richtige Fremdsprachenoffensive. Wenn ich richtig aufgepaßt habe, hat auch die Frau Ministerin die Ostsprachen besonders erwähnt.

Ich glaube, das ist eine sehr positive Entwicklung. Ich kann auch folgendes berichten: Ich war vor kurzem bei einem Klassentreffen von Schülern aus meiner Schule – in meiner Hauptschule wird auch Ungarisch und Kroatisch unterrichtet –, die in der Zwischenzeit das Studium der Handelswissenschaften abgeschlossen haben. Besonders Absolventen mit Ostsprachenkenntnissen sind sehr gesucht, da gibt es keine Arbeitsplatzprobleme.

Ich kenne mich beim Minderheiten-Schulgesetz im Burgenland aus, ich kenne das Kärntner Minderheiten-Schulgesetz nicht, möchte aber doch zu einem Satz, den Kollege Harring gesagt hat, kurz Stellung nehmen. Er hat den finanziellen Aspekt angesprochen. Natürlich braucht man mehr Geld, um diese Minderheitensprachen, diese Volkstumssprachen zu fördern. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)


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Ich glaube aber, daß Minderheiten besonderen Schutz und besondere Förderung brauchen, wenn wir uns dazu bekennen, daß unsere Kinder multikulturell erzogen werden sollen. Außerdem verpflichtet uns der Staatsvertrag dazu. Ich möchte mich aber in die Problematik in Kärnten nicht einmischen.

Ich kann nur für das Burgenland feststellen, daß es eine sehr positive Entwicklung gibt. Wir stimmen daher diesem Gesetzentwurf gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Richau. – Bitte.

10.31

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es ist den Ausführungen des Kollegen Harring in puncto Bekanntgabe der Zahlen sowie des Kollegen Pfeifer nur mehr sehr wenig hinzuzufügen.

Grundsätzlich muß man festhalten, daß der vorliegende Beschluß nur eine Anpassung zum Schulorganisationsgesetz darstellt. Trotzdem meine ich, daß aufgrund der heftigen Diskussion, ausgelöst von den Grünen und Liberalen im Nationalrat, auch in diesem Haus zu einigen Bereichen klar Stellung bezogen werden muß.

Ich halte grundsätzlich fest, daß die Kenntnis mehrerer Sprachen im besonderen und die sprachliche Vielfalt im allgemeinen nicht nur ein Positivum für die einzelne Person, sondern auch eine Auszeichnung für das ganze Land darstellt. Zu den Anschuldigungen der Kollegin Stoisits oder des Kollegen Smolle ist aber auch festzuhalten – und dies ist die Aussage der Präsidenten und derzeit geltendes Recht –, daß die Erfüllung des Artikels 7 in Verbindung mit dem Minderheiten-Schulgesetz von Kärnten im Zusammenhang mit allen anderen bundesgesetzlichen Voraussetzungen nach der derzeit geltenden Rechtsprechung genau eingehalten und durchgeführt wurde.

Es ist weiters festzuhalten, daß gerade die Volksgruppenpolitik in Kärnten nicht nur national einen hohen Standard hat, sondern auch international anerkannt ist und als ausgezeichnet bewertet wird. Man denke nur an die Lösung des Zweisprachenunterrichtes an den Volksschulen, Hauptschulen und Gymnasien, an die Auftrittsmöglichkeit in den Medien sowie an die Volksgruppenförderung des Bundes, die jährlich zirka 15 Millionen Schilling alleine für das Land Kärnten ausmacht. Im Rahmen dieser Förderungen erhalten noch immer – man höre und staune! – auch die Partisanen einen Beitrag für ihre kulturelle Weiterverbreitung.

Es ist meiner Meinung nach selbstverständlich, daß immer wieder Anpassungen in der sprachlichen Ausbildung und in der Förderung der Kultur stattzufinden haben. Man muß auf jede sprachliche Eigenheit stolz sein. Allerdings ist es nicht verständlich – und dagegen verwahre ich mich –, wenn Einzelpersonen aus diesem radikalen Lager, das Herr Kollege Pfeifer angesprochen hat, versuchen, durch Pressekonferenzen im Ausland – es gibt in Kärnten zwei Gruppen, die unter dem Pseudonym beziehungsweise Deckmantel einer Kulturgruppe Politik betreiben – Stimmung zu machen. Nicht verständlich scheint es mir auch zu sein, wenn bekannt ist, daß diese beiden Gruppen Geldzuwendungen in recht großer Höhe aus Slowenien bekommen und damit versucht wird, die österreichische Volksgruppenpolitik durch den Dreck zu ziehen. Diese Dinge sind zurückzuweisen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Sie sind gerade dann zurückzuweisen, wenn man weiß, daß in Slowenien bei der Anerkennung der deutschen Sprachkultur, der deutschen Sprache noch großer Nachholbedarf besteht. Ich glaube, daß wir derzeit überhaupt keine Veranlassung dazu haben, Veränderungen durchzuführen, solange nicht Slowenien als zukünftiges Mitgliedsland der EU Zug um Zug diese sprachliche Anerkennung durchführt. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte aber noch einen weiteren Punkt ansprechen. In Kärnten haben alle Parteien – SPÖ, FPÖ und auch wir von der ÖVP – im Rahmen ihrer Mitgliedschaft im Volksgruppenbeirat einer generellen Diskussion der sogenannten verfassungsmäßigen Verankerung der Staatsziel


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bestimmung über die Minderheiten zugestimmt, unter dem damaligen Wissen, daß es für die gewachsenen Minderheiten in Österreich gilt. Der Leiter des Österreichischen Volksgruppenzentrums, Marjan Pipp, versucht aber in Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzleramt, diese Staatszielbestimmung auf alle auch in Zukunft hier lebenden Minderheiten auszudehnen. Ich meine, bei diesen Verhandlungen muß sehr genau darauf geachtet werden, daß Personen, die jetzt in unser Land ziehen, nach drei, vier Generationen nicht den Anspruch stellen können, Förderungen im Rahmen der Minderheiten zu bekommen.

Geschätzte Damen und Herren! Anpassungen an den in Österreich allgemein herrschenden Standard sollen durchgeführt werden; Sonderregelungen und Sonderfinanzierungen sollen jedoch nur in einzeln zu verhandelnden Fällen gelten.

Ich würde mir abschließend wünschen, daß wir im Rahmen der Volksgruppenproblematik nicht von "Minderheit" sprechen, sondern zum Begriff "anders sprechende Volksgruppe" kommen könnten, da der Terminus "Minderheit" immer eines bewirkt, nämlich das "Flair" des Unterdrückten, des Armen, des von der Mehrheit schlechter gestellten Menschen. Ich glaube, wenn wir da ein wenig unseren Sprachgebrauch ändern, dann können wir auch sehr vieles für dieses Land verändern.

Ich bin der Ansicht – und ich schließe mich hier Kollegen Harring gerne an –, es ist festzustellen, daß derzeit alle Punkte erfüllt sind und daß wir auf unsere Volksgruppenpolitik stolz sein können. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

10.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über ein Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

31. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtsstellung, Errichtung, Organisation und Erhaltung der Bundesmuseen (Bundesmuseen-Gesetz) (1202 und 1338/NR sowie 5754/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 31. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Rechtsstellung, Errichtung, Organisation und Erhaltung der Bundesmuseen.


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Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Schaufler übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Engelbert Schaufler: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtsstellung, Errichtung, Organisation und Erhaltung der Bundesmuseen – Bundesmuseen-Gesetz.

Dem allgemeinen Trend zur Verselbständigung und Dezentralisierung sowie der staats- und wirtschaftspolitischen Zielvorgabe, nämlich der Beschränkung der staatlichen Einflußnahme auf die gesetzlichen Pflichten der Bundesmuseen und der Effizienzsteigerung bei zumindest gleichbleibenden Kosten für den Bund, soll dieser Beschluß des Nationalrates Rechnung tragen.

Unter möglichster Wahrung ihrer historisch gewachsenen und international bekannten Identität steht die Organisationsreform der Bundesmuseen unter folgenden Prämissen:

1. gestaltbare Budgetbelastungen für den Bund,

2. mehr Beweglichkeit der Bundesmuseen bei Personal und Budget, damit höhere Zielsicherheit im Ressourceneinsatz,

3. Anreiz für Museen zur Eigeninitiative,

4. keine Verschlechterung für das Personal und die kleineren – in Klammer: besucherschwachen – Museen,

5. weitestgehende Zustimmung der Betroffenen – Identifikationskriterium,

6. Verwaltungsvereinfachung, Abbau von Mehrfachzuständigkeiten.

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Mag. Gudenus. – Bitte.

10.40

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir behandeln also, wie wir hören, die Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz, welches die Rechtsstellung, Errichtung, Organisation und den Erhalt der Bundesmuseen neu ordnen soll.

So wie schon gestern bei der Neuorganisation der Bundestheater kann ich auch heute feststellen, daß die Grundtendenz in dem gestern beschlossenen Gesetz und in dem heute von Ihnen zu beschließenden Gesetz ähnlich ist. Grundsätzlich, so meinen wir, sind diese geplanten Reformmaßnahmen durchaus diskussionswürdig.

Die Grundausstattung in Höhe von 920 Millionen Schilling per anno – das ist etwa die Hälfte dessen, was im Bundestheaterorganisationsgesetz beinhaltet ist – scheint durchaus würdig und bemerkenswert zu sein. Aber was ist die Absicht, wenn Effizienzsteigerung vorgesehen wird? Was ist Effizienzsteigerung bei den Bundesmuseen, sehr geehrte Frau Ministerin? Was ist Effizienzsteigerung überhaupt im Rahmen der Bundesverwaltung? Wird diese durch Deregulierung und Autonomisierung im Rahmen der Bundesmuseen auch wirklich erreicht? – Bei Betrieben, die einen Personalaufwand von 402 Millionen Schilling und einen Sachaufwand von 370 Millionen Schilling im Jahr vorsehen, fällt mir nur auf, daß eigentlich ein Widerspruch vorhanden ist. Sollte nicht der Sachaufwand für Museen höher sein als der Personalaufwand?


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643. Sitzung / Seite 173

Es sind neun Museen betroffen, und ein Museum – ein wichtiges Museum, das Heeresgeschichtliche Museum – ist aus organisatorischen Gründen nicht eingeschlossen.

Es hat den Anschein – zumindest haben wir die Information –, daß diverse Museumsdirektoren, nämlich acht von den neun, die als Betroffene natürlich ein Interesse gehabt hätten, an den Diskussionen, an den Vorbereitungen teilzunehmen, nicht in den Beratungsprozeß einbezogen worden sind. Welchen Grund gibt es hiefür? – Es geht das Wort von einer "Lex Seipel" um. Damit ist nicht der Bundeskanzler der Ersten Republik gemeint, sondern der Direktor jenes Museums, das mit Abstand die meisten Besucher zu versorgen hat, nämlich des Kunsthistorischen Museums.

Im Rahmen der Umwandlung in eine wissenschaftliche Anstalt öffentlichen Rechts sind die Auswirkungen für die einzelnen Museen nicht abschätzbar, da viele Kostenfaktoren hinzutreten: die Miete, die Instandhaltung, Kuratorium, Finanz-Controlling und noch manches mehr.

Für die schon erwähnte Basisabgeltung von 920 Millionen Schilling per anno ist keine Indexanpassung vorgesehen. Sie wird auf Basis des Budgetansatzes 1999 verteilt, obwohl zum Beispiel das Technische Museum zum Zeitpunkt der Verteilung noch geschlossen ist.

Der Einfluß des Bundes wird sicherlich nicht gemindert. Ich habe den Eindruck – so auch meine Freunde und auch jene, die hier nicht genannt werden wollen –, daß der Einfluß des Bundes verstärkt wird. Grundsätzlich könnte man sagen: Warum auch nicht? – Es wird auch vom Bund finanziert.

In allen wesentlichen Punkten bedarf es einer Genehmigung beziehungsweise Zustimmung von seiten des Bundesministeriums. Die Kontroll- und Aufsichtsrechte des Ministeriums sind überdimensioniert: Ernennung des Kuratoriumsvorsitzenden und seiner Stellvertreter, uneingeschränktes Einsichts- und Prüfungsrecht, Erlaß der Satzungen und der Geschäftsordnung, Genehmigung des Arbeitsprogramms. Daraus folgt eine Überbürokratisierung.

Ich habe schon gestern beim Theatergesetz gesagt: Stärkung der Verwaltung, Schwächung des Gesetzgebers – das sind Punkte, denen wir nicht folgen können, Frau Bundesministerin!

Zusätzliche Kosten wird vermutlich auch die Schaffung des Kuratoriums oder die erweiterte Prüfung durch Wirtschaftsprüfer verursachen. Die Zusammensetzung des Kuratoriums muß schließlich auf Kritik stoßen, da die Wissenschaft nur durch einen Experten repräsentiert wird.

Zum vorgesehenen Vertreter des Stammpublikums: Wer ist eigentlich der Vertreter des Stammpublikums? Wie wird der gewonnen? Ist das – so ähnlich wie bei den Besuchern in den Bundestheatern – jemand, der öfter geht, jemand, der nur einmal geht? – Hier werden wiederum pseudodemokratische Strukturen aufgebaut, von denen ich meine: Jawohl, einen Vertreter des Publikums soll es, genauso wie im Theater, geben, aber daß dann in der Folge wir als Volksvertreter ausgeschlossen werden, weil die Teilrechtsprivatisierung dazu führt, daß das zum Teil aus dem Parlament herausgenommen wird, das können wir nicht gelten lassen.

Schauen Sie, die Marktfähigkeit der Museen ist beschränkt. Der eingehobene Eintrittspreis deckt den Aufwand so gut wie nicht, das wissen wir. Er kann auch kaum erhöht werden, weil das Hauptpublikum aus einkommensschwachen oder -schwächeren Gruppen stammt; vielfach sind es Schüler und Studenten. Außerdem wird, mit Ausnahme des Museums für Moderne Kunst, wenig marktgängige Kunst angeboten.

Das ständige Personal soll – gewissermaßen dem Rechnungshof folgend – abgebaut werden, und wenn Arbeit anfällt, sollen Arbeitnehmer mittels Werkvertrag aufgenommen werden. So soll kompensiert werden.

Wir meinen, daß die Bemessung der Basisabgeltung der Häuser nach dem Budgetansatz 1999 ungeeignet ist, und zwar deswegen, weil manche Museen ihre Schausammlungen erst fertigstellen beziehungsweise in den nächsten Jahren erneuern müssen, weil die Häuser zuerst betriebswirtschaftlich untersucht werden müssen, um Ausgangsdaten zu gewinnen, weil die wis


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643. Sitzung / Seite 174

senschaftlichen und die kultur- und bildungspolitischen Zielsetzungen der Häuser noch nicht ersichtlich sind. Erst wenn diese ersichtlich sind, könnten die Organisationsstruktur, ein Betriebskonzept, das Sammlungs- und Ausstellungskonzept entwickelt werden. Und wenn diese Grunddaten vorhanden sind, kann ein Verteilungsschlüssel für die neun Häuser vorgesehen werden.

Was soll durch die Basisabgeltung abgedeckt werden, Frau Bundesministerin? Welche Mittel sollen selbst erwirtschaftet werden?

Die Vorsorge für unvorhersehbare finanzielle Ausfälle als Escape-Klausel im § 8 Abs. 2 ist eine mehrfach relativierte Kann-Bestimmung, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Die Einflußnahme des Bundes ist groß und relativiert die proklamierte Zielsetzung der größeren Eigenständigkeit. Es ist zwar jede der Anstalten beauftragt, ein vierjähriges Arbeitsprogramm zu erstellen, die Übersicht der Auswirkungen auf die Ressortbudgets im Anhang endet jedoch mit dem Jahr 2002, sodaß darüber hinaus keine Sicherheit besteht – sofern überhaupt eine Sicherheit bestehen soll –, wie es weitergehen soll. Vielleicht dürfen wir dann doch im Jahr 2001 hier wieder darüber beschließen, wie es mit diesen Bundesmuseen weitergehen soll.

Im Fall des Technischen Museums gibt es überhaupt einige Probleme. Denn wie wird das Freigelände des Technischen Museums bewertet? Wie wird das Lokomotivmuseum eingesetzt? – Wir haben hier schon einmal darüber gesprochen.

Es ist schön, wenn wir ein Gesetz haben, welches hier von der Mehrheit die Zustimmung bekommt. Wir meinen aber, daß dieses Gesetz eben nicht das enthält, was es enthalten müßte. Es sind zum Beispiel für die zweite, die abschließende Einrichtungsphase des Technischen Museums kein Budget und kein Umsetzungsplan des Konzepts vorgesehen. Das gilt ebenso für die Errichtung der fehlenden Verkehrsabteilung. Die Basisabgeltung wird wieder monatlich bei Bedarf nach Voranmeldung überwiesen, was beträchtlich einschränkt.

Es fehlt jeder Hinweis auf eine Regelung im Insolvenzfall. Es wird zwar laufend eine sinngemäße Anwendung des GesmbH-Gesetzes erwähnt, nicht aber der präzise Umfang. Dies läßt eine unzumutbare Grauzone entstehen, Frau Bundesministerin!

Die Haftung der Anstalten für das ihnen überlassene Sammelgut ist nicht geregelt. Gilt weiterhin die Bundeshaftung? – Die Entziehungsmöglichkeit von Sammelgut ist grundsätzlich deswegen abzulehnen, weil es die Grundlage einer wirtschaftlichen Betriebsführung ausmacht.

Materielle Schäden dürfen nicht vorkommen, wenn die Voraussetzungen für den Betrieb der Häuser im Vorfeld der Ausgliederung geregelt sind. Staatspolitische Interessen dürfen keine Rolle spielen, da nach Erlassen der Museumsordnung durch das Bundesministerium die Ausstellungspolitik in die Verantwortung der Häuser übergegangen ist. – Diese Widersprüche gehören aufgeklärt, Frau Bundesministerin!

Da die Gebäude der Museen großteils denkmalgeschützte Bausubstanzen sind, ist den Häusern eine sachgemäße Pflege finanziell wohl kaum zumutbar, zumal die bisherigen baulichen Arbeiten durch die Bundesbaudirektion oder die Burghauptmannschaft in Billigstausführung erfolgten, deren Folgekosten voll im Budget der Häuser zu Buche schlagen.

Die Frage nach der wissenschaftlichen Leitung der Häuser soll nicht einzeln für jedes Museum in seinen Satzungen festgelegt werden, sondern einheitlich im Gesetz verankert sein.

Frau Bundesministerin! Es sind in diesem Gesetz – obwohl ich Ihnen durchaus voller Respekt gute Absichten unterstelle – so viele Schwachpunkte enthalten, daß wir diesem Gesetz nicht folgen wollen.

In der "Zürcher Zeitung" erschien vor wenigen Tagen ein Interview unter dem Titel: "Jüdischsein in Österreich – ein Dreiergespräch" – ich weiß nicht, ob Sie es gelesen haben –, darin erwähnt Herr Menasse folgendes: "Wir haben eine Krise, weil dieser oder jener Politiker inkompetent ist.


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643. Sitzung / Seite 175

Der Kulturstaatssekretär ist ein Analphabet." – Ich schließe mich dieser Aussage nicht vollinhaltlich an. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfeifer. – Bitte.

10.53

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Kollege Gudenus! Wir sind anderer Meinung, und das ist wohl durchaus erlaubt. (Bundesrätin Mühlwerth: Selbstverständlich!) Einverstanden? (Bundesrat Mag. Gudenus: Wir haben uns immer gut verstanden, Herr Kollege!)

Wir, die SPÖ-Fraktion, begrüßen das vorliegende Bundesmuseen-Gesetz, mit welchem die österreichischen Bundesmuseen zu wissenschaftlichen Anstalten öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit gemacht werden, grundsätzlich. Mit dieser Organisationsreform, die an positive Erfahrungen, die mit der Teilrechtsfähigkeit gemacht worden sind, anknüpft, werden jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß unsere Museen modern und kundenorientiert präsentiert werden können.

Es ist ein Modell gewählt worden, mit dem Gestaltungsmöglichkeit geboten, Gestaltungsspielraum ermöglicht und die Autonomie der einzelnen Museen erhöht wird, ohne diese jedoch gänzlich dem Einflußbereich des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten zu entziehen.

Ich bin in diesem Punkt grundsätzlich anderer Meinung, als sie hier kundgetan wurde. Die Verantwortung muß letztendlich weiterhin beim Ministerium bleiben, weil mit dem Sammelgut in den Museen für die Republik Österreich unschätzbare Werte vorhanden sind und weil damit auch ein Kulturauftrag verbunden ist. Denn es ist notwendig, daß in Zukunft relevante gesellschaftliche Entwicklungen im Bereich der Technik, der Naturwissenschaften und der Künste aufgegriffen und einer breiten Öffentlichkeit verständlich und zugänglich gemacht werden.

Welche sind nun die wesentlichen Ziele dieser Reform? – Es sind dies, wie schon gesagt: mehr Möglichkeiten zu Eigeninitiative, mehr Autonomie im kulturell-künstlerischen Bereich, wirtschaftliche Selbständigkeit in Personal- und Budgetfragen, damit auch mehr Beweglichkeit und in Verbindung damit auch ein besserer Ressourceneinsatz und mehr Effizienz.

Im Gesetz wurde auch ein kulturpolitischer Auftrag für die Bundesmuseen formuliert, und zwar so, daß die österreichischen Museen noch mehr als bisher ein eigenes Image und eine eigene Identität entwickeln und somit unverwechselbar werden sollen, wie dies etwa beim Guggenheim-Museum der Fall ist. Es gibt dafür sehr gute und positive Ansätze.

Ich meine, daß wir Museen als Stätten lebendiger Begegnung brauchen. Im Hinblick darauf müssen Überlegungen betreffend adäquate Öffnungszeiten und angemessene Preise auch für Leute, die kein sehr großes Einkommen haben, angestellt werden. Mit diesen Fragen muß man sich in Zukunft auseinandersetzen. Man muß sich auch mit neuen Inhalten auseinandersetzen und manchmal auch den rein musealen Charakter überwinden.

Es ist notwendig, daß in die inhaltliche Reform der Museen auch das Personal einbezogen wird, daß die Kuratoren und die wissenschaftlichen Mitarbeiter in eine Neukonzeption einbezogen werden und auch ein Mitspracherecht haben und daß auch das Parlament in die zukünftige Diskussion eingebunden wird.

Die SPÖ wird die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)


Bundesrat
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643. Sitzung / Seite 176

10.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schöls. – Bitte.

10.57

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Die österreichischen Bundesmuseen und alle Häuser, die zu diesen Einrichtungen gehören, stellen sicherlich einen wesentlichen Bestandteil der österreichischen Identität und der österreichischen Kultur dar. Daher ist es ganz wichtig, daß bei allen Organisationsreformen auch mit dem entsprechenden Fingerspitzengefühl vorgegangen wird. (Bundesrat Mag. Gudenus – Beifall spendend –: Das ist wichtig! Fingerspitzengefühl!)

Ich möchte im Gegensatz zu manchen Rednern auch meiner Fraktion, die manches Mal den Eindruck erwecken, daß grundsätzlich alles, was privat ist, besser sein muß, und alles, was von öffentlicher Hand geführt wird, nicht gut sein kann, grundsätzlich einmal meine Position festhalten und sagen: Wenn die Rahmenbedingungen die gleichen sind und wenn es zu keinen Wettbewerbsverzerrungen in den verschiedensten Bereichen kommt, so gibt es sowohl im privaten Sektor die entsprechenden Ressourcen, um Entsprechendes herauszuholen, es ist aber auch nicht automatisch so, daß der öffentliche Sektor nur Negatives produziert, wenn Wettbewerbsgleichheit gegeben ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Gudenus. –Bundesrat Mag. Gudenus: Jawohl!) Wenn Wettbewerbs- und Chancengleichheit gegeben sind, dann haben beide Bereiche die entsprechenden Möglichkeiten.

In diesem Sinne, sehr geschätzte Frau Bundesministerin, darf ich mich bei Ihnen noch einmal dafür bedanken, daß Sie mit dem entsprechenden Fingerspitzengefühl diese Organisationsreform eingeleitet haben. (Bundesrat Mag. Gudenus: Da fehlt es ein bißchen an Fingerspitzengefühl!) Denn, meine sehr geschätzten Damen und Herren, die Sammlungen und die Ausstellungen, die in den Häusern der österreichischen Bundesmuseen vorhanden sind, sind sicherlich zu wertvoll und zu wichtig, als daß man hier vielleicht das eine oder andere Mal nach dem Motto "Wir verkaufen das Familiensilber aus Gründen der Opportunität" vorgehen könnte. Daher ist es notwendig, daß die Republik, daß der Staat auch die Möglichkeit hat, hier irgendwelchen rein materiellen Dingen entgegenzuwirken.

Ich bin überzeugt davon: Die Ausstellung einer österreichischen Einrichtung im Ausland findet sicherlich auch dort mehr mediales Interesse und stellt unser Land, das Kulturland Österreich, sicherlich positiver dar, als wenn irgendwo ein österreichischer Oppositionspolitiker – vielleicht gerade auf der Flucht vor den Problemen im Inland – auf einen Berg steigt oder sich an einem Marathonlauf beteiligt, um Österreich und die österreichische Nationalität auch im Ausland darzustellen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Wo ist er gelaufen?)

Daher wird die Österreichische Volkspartei dieser Organisationsreform zustimmen, wobei ich persönlich etwas anmerken möchte, was ich auch gestern zu den Gesetzen bezüglich Reform der Bundestheater gesagt habe: Es handelt sich um eine Zeitgeisterscheinung, der wir folgen. Das ist nicht als Abmauern und als negative Darstellung eines Gewerkschafters, der es eben nicht zur Kenntnis nehmen möchte, daß der Trend im Moment in die Richtung geht, daß manche das Heil in der Ausgliederung und Privatisierung suchen, zu verstehen. Gott sei Dank sind in diesen beiden Fällen entsprechende Möglichkeiten vorhanden, um bei gegenläufigem Zeitgeist wieder andere Wege zu gehen. Das findet sich schließlich und endlich sowohl in der Regierungsvorlage als auch im Bericht des Kulturausschusses, in dem festgehalten wird, daß dem allgemeinen Trend der Verselbständigung entsprochen wird. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist ein geistiges Lercherl, Herr Kollege!)

Ich meine also, daß es diesbezüglich grundsätzlich keinen Zwang gäbe, daß aber damit dem Trend, dem Zeitgeist entsprochen wird. Herr Kollege Gudenus! Ich halte es mit dem alten Spruch, der da lautet: Gib mir die Gelassenheit, anzunehmen, was man nicht ändern kann – ich meine, im Moment können wir diesen Zeitgeist nicht ändern, daher nehme ich ihn an (Bundesrat Mag. Gudenus: Mein Spruch lautet: Schuster, bleib bei deinem Leisten!)  –, gib mir den Mut, zu ändern, was zu ändern ist, aber vor allem gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Und weil ich glaube, daß wir im Moment zwar nicht im Besitz der absoluten Weisheit sind (Bundesrat Mag. Gudenus: Das bestätige ich: Sie haben nicht die allgemeine Weisheit!),


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aber im Besitz der Weisheit, verantwortungsvoll zu handeln, werden wir dem zustimmen. (Allgemeiner Beifall.)

11.02


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

11.02

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Kollege John Gudenus hat schon am Beginn der Debatte sehr ausführlich unsere Kritikpunkte dargelegt, sodaß ich mir und Ihnen ersparen kann, sie noch einmal alle anzuführen. Ich möchte nur zu einigen wenigen Punkten Stellung nehmen.

Zu meinen Vorrednern: Kollege Pfeifer hat vom Kulturauftrag gesprochen. Ja, das sehe ich auch so. Und gerade da, glaube ich, wird die Schwierigkeit liegen: Es ist nahezu unmöglich, Kulturauftrag einerseits und Wirtschaftlichkeit andererseits in Einklang zu bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im wesentlichen, Herr Kollege Schöls, passiert beim Bundesmuseen-Gesetz genau das gleiche, was wir gestern schon besprochen haben: Mit dem Bundestheatergesetz und auch beim Umweltbundesamt werden Ausgliederungen vorgenommen, aufgrund derer sich im wesentlichen – zumindest die nächsten Jahre – gar nichts ändert, das heißt, es bleibt einmal so ziemlich alles beim alten. Den Mut zu einer Privatisierung hat man ohnehin nicht gehabt, daher hat man auf die Ausgliederung zurückgegriffen, wobei ich aber festhalten möchte, daß ich kein Freund einer Privatisierung im Museumsbereich wäre.

Das Ziel dieses Gesetzes, nämlich die Einflußnahme des Staates zu beschränken, ist nicht erreicht worden. Die Frau Ministerin für Unterricht und Kultur hat nach wie vor die volle Einflußmöglichkeit, sie ist auch zuständig (Bundesrat Schöls: Gott sei Dank!) – ja, aber dann darf man nicht sagen, daß die Einflußnahme des Staates zurückgedrängt werden soll! – für die Bestellung der neuen Direktoren. Zum Beispiel in Holland ist das privatisiert; es ist typisch Made in Austria, daß bei uns der Minister und die Politik natürlich überall die Hand draufhaben müssen. Ich denke, da hätte man wirklich Mut beweisen und sich selbst einen Schritt zurücknehmen können. (Bundesrat Schöls: Wann und wo?)

Die Ziele von mehr Eigenverantwortung, größerem Handlungsspielraum, Verwaltungsvereinfachung werden mit diesem Gesetz unserer Ansicht nach nicht wirklich erreicht. Es werden – ganz im Gegenteil – noch zusätzliche Kosten auf uns zukommen – durch die Doppelgleisigkeit im Personalbereich, durch die Bestellung der Kuratoren. Dazu muß man sozusagen in einer Fußnote anmerken, daß das wieder ganz typisch ist, schön nach dem Proporzsystem: sechs schwarze und drei rote Kontrollore, damit immer alles so bleibt, wie wir es gewöhnt sind. Auch die Einsetzung der Wirtschaftsprüfer wird zusätzliche Kosten verursachen. Das hat auch der Rechnungshof in seiner sehr kritischen Stellungnahme schon angemerkt.

Auch das Museum für Völkerkunde hat eine Stellungnahme abgegeben. Es wird darin zum Bereich Personal festgehalten, daß es, wenn man die Einsparungspotentiale nützen möchte, zweifellos zu einem Personalabbau kommen müssen wird. Was das Gute an diesem Gesetz ist, weiß ich nicht, aber die Frau Ministerin – ich nehme an, sie wird sich noch zu Wort melden – wird mir das sicher gerne erklären.

Zur Rechtspersönlichkeit, die den Museen all das ermöglichen soll: Die Museen haben Zeit bis zum Jahre 2003, weil das Gesetz erst dann in Kraft tritt, wenn sie sich eine eigene Verordnung dafür gegeben haben. Bezeichnend ist natürlich auch, wie mein Kollege Gudenus schon bemerkt hat, daß die Museumsdirektoren im Vorfeld der Beschlußfassung leider nicht eingebunden waren. Das ist ein sehr schlechtes Zeichen im Hinblick auf Ihr Demokratieverständnis und Ihre Diskussionskultur. Wir werden dieser Regierungsvorlage unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei der ÖVP: Schade! Na geh!)

11.07

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jaud. – Bitte.

11.07

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Die Worte meines Kollegen Schöls veranlassen mich, eine Stellungnahme zu diesem Gesetz abzugeben, da es ja hier um eine Privatisierung geht. (Bundesrätin Mühlwerth: Das wird immer bestritten!) Es scheint so, als ob meine Worte bezüglich Privatisierung falsch verstanden worden wären.

Ich habe hier in diesem Hohen Haus niemals die hohe Qualität unserer Beamten angezweifelt, ich habe hier in diesem Hohen Haus auch nie die Qualität der Arbeit unserer Beamten angezweifelt. Es ist vielmehr so, daß ich glaube, daß die Struktur der öffentlichen Verwaltung und die Struktur der Arbeitsweise der Beamten nicht dafür geeignet ist, Wirtschaftsbetriebe zu führen. Das hat mit der Qualifikation und mit den Personen nichts zu tun. Im Gegenteil: Überall, wo ich bin – in Tirol ist das nicht immer ganz einfach –, hebe ich die hohe Qualität der Wiener Beamten hervor, denn in den Bundesländern würde man da gern ein bisserl draufsteigen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie werden ja nicht im Gesetz in Frage gestellt!)

Ich sage immer wieder: Man spürt hier in Wien sehr stark die Geschichte und die geschichtliche Entwicklung unseres Staates. Ich persönlich bin davon überzeugt, daß wir beste Beamte haben, die ihre Arbeit ausgezeichnet machen, und wir Bundesräte haben gerade in den Ausschüssen die Möglichkeit, die Qualität dieser Beamten zu überprüfen und uns davon zu überzeugen, daß sie mit höchster Qualität arbeiten. Ich hoffe, daß damit eine Unklarheit ausgeräumt ist. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte.

11.09

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesräte! Ich möchte einmal vorweg folgendes feststellen: Wir haben gut funktionierende Museen, die einen klaren Sammlungsauftrag haben. Das Naturhistorische Museum sammelt Dinge, die mit der Natur in Verbindung stehen, das Kunsthistorische Museum sammelt Kunst, das Museum für angewandte Kunst spezialisiert sich auf die Bereiche der angewandten Kunst, und das Museum Moderner Kunst hat eben die Zielsetzung, Kunst unseres Jahrhunderts zu sammeln.

Ich weiß nicht, warum es immer wieder eine Diskussion darüber gibt, daß es angeblich keinen klaren Sammlungsauftrag gibt. Dieser klare Sammlungsauftrag zeigt sich schon im derzeitigen Sammlungsbestand. Das heißt, wir haben gut funktionierende Museen mit einem sehr guten, wissenschaftlich qualifizierten Personalstand. Ich verstehe auch nicht, warum es etwas Negatives sein soll, wenn man viel gutes Personal hat. Auch die Museen und das Ausstellungswesen leben vom guten Personal, und ohne gutes und ausreichendes Personal sind wir nicht in der Lage, das vielfältige und umfangreiche Sammlungsgut zu warten, wissenschaftlich aufzuarbeiten und Ausstellungen zu konzipieren. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Ludwig. )

Die Museen haben sich durch die Teilrechtsfähigkeit bereits ein großes Potential an kaufmännischem, an wirtschaftlichem Wissen erworben. Im vergangenen Jahr wurde im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit ein Betrag von 142 Millionen Schilling erwirtschaftet. Durch diesen Betrag ist es wieder möglich geworden, dem Bürger, der Bürgerin weitere Ausstellungen zu zeigen beziehungsweise Ausstellungen zu konzipieren.

Ich meine also, daß dieses Gesetz eine Fortsetzung der bisherigen wichtigen Arbeit ist, ein Schritt von einer Teilrechtsfähigkeit hin zu einer Vollrechtsfähigkeit – ich habe überhaupt noch nie von Privatisierung gesprochen –, ein Schritt zu mehr Selbständigkeit, zu mehr Eigenständig


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keit, zu mehr Selbstverantwortung, zu mehr selbständigen Entscheidungen, ein Schritt heraus aus der Kameralistik, weg von der einjährigen Budgetierung, die dazu führt, daß jedes Jahr zu Jahresende gefragt werden muß: Haben wir alles verbraucht?, weil keine Rücklagen gemacht werden dürfen, das heißt, ein Schritt hin zu mehr Selbständigkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte nun noch auf einige Fragen, die hier gestellt worden sind, eingehen. Selbstverständlich ist das Technische Museum im Gesamtbudget, in diesem Gesamtbetrag von 920 Millionen Schilling berücksichtigt. Selbstverständlich ist darin berücksichtigt, daß, wenn das Technische Museum am 22. April eröffnet wird, es in Zukunft höhere Betriebskosten haben wird. Selbstverständlich haben wir daran gedacht! Selbstverständlich ist dieses Gesetz mit allen Museumsdirektoren diskutiert worden. Ich habe persönlich alle informiert. Wer nicht dabei war, nicht mitgedacht hat, wer einen Vertreter geschickt hat, der möge das bitte mit sich selbst ausmachen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Konečny. )

Zur Frage der Haftung ist schlicht und einfach festzustellen, daß weiterhin § 58 Abs. 2 des Bundeshaushaltsgesetzes gilt, daß für alle diese Güter eine Staatshaftung gegeben wird. Wir schließen keine private Versicherung ab, denn ich frage Sie, mit welchem Wert Sie zum Beispiel unsere Schatzkammer versichern würden. – Das wäre nicht bezahlbar und auch nicht bewertbar, deswegen bleibt die Staatshaftung für die Bundesmuseen in vollem Umfang aufrecht.

Meine Damen und Herren! Die Pflege der Gebäude werden nach wie vor die Burghauptmannschaft sowie die Bundesgebäudeverwaltung vornehmen, und zwar in bester Manier. Und daß da nach Billigst-Art vorgegangen wurde, das, glaube ich, darf man bei einem Einsatz von 2 Milliarden Schilling, von 2 sogenannten Museumsmilliarden, der noch weitere Hunderttausende Schilling folgen werden, wohl nicht sagen. Es wurde sehr grundlegend und sehr gut an der Restaurierung aller dieser Häuser gearbeitet, und es wird auch in Zukunft daran weitergearbeitet werden.

Wir haben anläßlich der Weiterführung der Teilrechtsfähigkeit in die Vollrechtsfähigkeit sehr eingehend diskutiert, welche Form die richtige ist. Es hat viele gegeben, die gesagt haben, man müsse eine GesmbH machen. Wir wollten keine GesmbH, und zwar deswegen, weil es uns wichtig ist, zu signalisieren, daß unsere Museen wissenschaftliche Anstalten sind, deren großer Auftrag die wissenschaftliche Arbeit ist, und dafür braucht es gute und viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Das Stiftungsmodell, von dem Sie immer wieder sprechen, hat sich für Österreich als ungeeignet erwiesen, weil es unterschiedliche Stiftungsmodelle in Holland und Österreich gibt. Wenn das holländische immer wieder herangezogen wird, bitte ich auch zu bedenken, daß in Holland 40 Prozent der Kosten eines Museums vom Staat getragen werden und alles andere von den Museen selbst erwirtschaftet werden muß. Und das möchte ich gerade nicht! Denn die Museen sollen nicht in solch hohem Ausmaß von der Wirtschaft oder von Sponsoren abhängig sein. Der Staat hat den Auftrag, für die Sicherung, für die wissenschaftliche Arbeit an unserem kulturellen Erbe auch die notwendige Finanzierung zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: Da stimmen wir voll zu!)

Ein herzliches Danke möchte ich – gerade aufgrund der vorhergehenden Diskussion – meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Sektion IV aussprechen, besonders Herrn Sektionschef Dr. Wran, die wirklich unter hohem Druck, unter größter Anspannung und in kürzester Zeit ein gutes Gesetz, ein schlankes Gesetz, ein zukunftsweisendes Gesetz für unsere Museen erarbeitet haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.


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Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

32. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird (1200 und 1342/NR sowie 5755/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 32. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Fischer übernommen. Ich darf sie um den Bericht bitten.

Berichterstatterin Aloisia Fischer: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winter. – Bitte.

11.17

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der derzeit geltende § 9a des Düngemittelgesetzes 1994 bezieht sich nur auf nichtmineralische Düngemittel und schließt neue mineralische Düngemittel vom Zulassungsverfahren aus. Es besteht daher ein formaler Anpassungsbedarf an mehrere Rechtsvorschriften aus anderen Rechtsbereichen.

Damit das Ziel des Gesetzentwurfes erreicht werden kann, ist die Einbeziehung mineralischer Düngemittel in das Zulassungsverfahren notwendig. Mit der Übertragung verschiedener Vollzugsaufgaben an das Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft beziehungsweise das Bundesamt für Agrarbiologie soll auch eine Verkürzung der Verfahrensabläufe erreicht werden. Überdies wird die Übergangsfrist für Düngemittel, die nach dem Düngemittelgesetz 1994 im Düngemittelregister eingetragen sind, verlängert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sollten die Produkte, die dem Düngemittelgesetz unterliegen, für Mensch und Umwelt möglichst ungefährlich sein. Gleichzeitig muß auch die Gesunderhaltung des Bodens gewährleistet sein. Es wird daher durch das Zulassungsverfahren schon vorweg geklärt, ob ein Düngemittel die Zulassungsvoraussetzungen beziehungsweise bestimmte Mindesterfordernisse erfüllt.

Ich darf, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei dieser Gelegenheit auch auf die noch zu erledigende Klärschlammproblematik hinweisen. Es fallen jährlich fast 4 Millionen Kubikmeter Klärschlamm aus der Behandlung kommunaler Abwässer an. Es sollte daher letztendlich doch


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zu einer bundesweiten Regelung kommen, die die landwirtschaftliche Ausbringung regelt, damit die Kommunen nicht auf wachsenden Bergen von Klärschlamm sitzenbleiben.

Es gibt diesbezüglich zwar einige Ansätze auf Landesebene; diese sind aber, so glaube ich, nicht ausreichend. Von den neun Bundesländern gibt es in etwa sechs Bundesländern Regelungen, die die Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft ermöglichen. Ich möchte als Niederösterreicher natürlich nicht verschweigen, daß wir in Niederösterreich in diesem Bereich, so glaube ich, die höchsten Standards haben und die weitestgehende Umsetzung durchführen.

Man muß dabei aber die Relation im Auge behalten: Es geht dabei immer nur um kleine Mengen. So können in Niederösterreich nur zirka 12 Prozent des anfallenden Klärschlamms wieder in die Kreislaufwirtschaft eingebracht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Gesetzesnovelle ist ein weiterer und natürlich auch wichtiger Schritt für die Zukunft, und deshalb wird meine Fraktion die Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinbichler. – Bitte.

11.21

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegende Novelle, mit der das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird, regelt Probleme, die beim Inverkehrbringen von Düngemitteln in der Praxis entstanden sind. Es kommt mit dieser Novelle zu einer wesentlichen Entbürokratisierung. So können nämlich in Zukunft mineralische Düngemittel, die bisher nur durch Verordnung zugelassen wurden, in Bescheidform zugelassen werden. Dabei kommt es – und das ist ganz wesentlich – umweltpolitisch zu keiner Verschlechterung, weil diese Düngemittel den allgemeinen Anforderungen der Düngemittelverordnung entsprechen müssen. Grundsätzlich gilt, daß Produkte, die dem Düngemittelgesetz unterliegen, gleichbleibende Qualität aufweisen und für Mensch, Tier und Umwelt ungefährlich sein müssen.

Betroffen von dieser Novelle sind auch Spezialprodukte, mit denen Mangelkrankheiten bei Pflanzen behoben werden können. Durch die Übertragung von diversen Vollzugsaufgaben, die vorhin mein Vorredner erwähnt hat, an das Bundesamt und das Forschungszentrum für Landwirtschaft kommt es zu einer weiteren Verkürzung der Verfahrensabläufe und damit zu einer sinnvollen Erleichterung für die Verwaltung und für die Wirtschaft.

Ein weiterer Punkt, der angesprochen werden muß – er wurde auch im Nationalrat andiskutiert und soeben vom Kollegen Winter erwähnt –, ist die Klärschlammproblematik. Pro Jahr fallen zirka 4 Millionen Kubikmeter Klärschlamm aus der Behandlung kommunaler Abwässer an. Ich bin der Meinung, daß aus volkswirtschaftlicher Sicht bei guter Qualität die Ausbringung von Klärschlamm im Bereich der Landwirtschaft Sinn macht, da im Vergleich die Kosten bei der Verbrennung viermal so hoch und bei der Deponierung zirka zehnmal so hoch sind wie bei der Ausbringung im Bereich der Landwirtschaft.

Allerdings ist für uns in der Landwirtschaft Tätige die Güte des Klärschlamms von großer Bedeutung, und bevor es zu der angesprochenen bundesweiten Regelung kommen kann, ist die Haftungsfrage zu klären. Es kann und darf nicht sein, daß der Landwirt für eventuell unvorhersehbare Rückstände später die Haftung übernehmen muß, wenn er bereit ist, den natürlichen Kreislauf mit der Gesellschaft in Form der Übernahme von unbelastetem Klärschlamm zu schließen.

Ich darf nun kurz ein paar Anmerkungen zur Ausbringungssituation von Mineraldünger im Bereich der Landwirtschaft machen. Ich glaube, daß es aus Sicht der Umwelt, der Konsumenten und wegen der Qualität der Lebensmittel von großer Bedeutung ist, welche Meilensteine da in den letzten Jahren aufgrund der sehr erfolgreichen Arbeit des Landwirtschaftsministeriums zustande gebracht wurden. Es muß bewußt gemacht werden, wie hoch die Zahl der Biobetriebe


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österreichweit im Vergleich zu den Nachbarstaaten ist, wie bewußt und sorgsam in diesen Betrieben mit Düngemitteln umgegangen wird.

Ein weiterer wesentlicher Punkt, der auch sehr viel Effizienz in Richtung Umwelt bewirkt hat, war die Einführung des ÖPUL-II-Programmes, in dessen Rahmen mit Düngemitteln in der Praxis sorgsamst umgegangen wird, wobei die angesprochenen Ziele in Richtung Umwelt in großartiger Weise nicht nur erreicht, sondern sogar, würde ich sagen, überschritten wurden. Das ist ein Erfolg für die gesamte Gesellschaft, ein Meilenstein in die richtige Richtung.

Beim vorliegenden Gesetz, das wir heute hier diskutieren, kommt es auch zu einer wesentlichen Vereinfachung und Entbürokratisierung, und das ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Meine Fraktion wird deshalb diesem Gesetz die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Eisl. – Bitte.

11.25

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Frau Präsidentin! Meine beiden Vorredner haben das Düngemittelgesetz schon erläutert und Anmerkungen dazu gemacht. Ich möchte auch einige Bemerkungen dazu äußern.

Diese Erweiterung ist notwendig geworden und bringt eine wesentliche Erleichterung. Wichtig ist, daß in Zukunft die Möglichkeit besteht, daß Klärschlamm – nicht jeder Klärschlamm, das möchte ich betonen – ausgebracht wird. Es haben sich, wie bereits erwähnt wurde, einige Bundesländer mit dieser Materie schon befaßt. Es ist bekannt, daß es beim Ausbringen von Klärschlamm überwiegend um die Menge geht. Es wurde zum Beispiel für Salzburg errechnet, daß in Regionen mit dichter Bevölkerung maximal alle sieben Jahre ein Kubikmeter Klärschlamm auf einen Hektar entfallen würde. Das ist eine so kleine Menge, daß dadurch weder die Umwelt und schon gar nicht das Grundwasser gefährdet werden könnte.

Ich glaube, daß dieses Gesetz die Möglichkeit schafft, daß wir weiterhin das Problem Klärschlamm in einer Partnerschaft lösen können. Die Betonung möchte ich auf das Wort "Partnerschaft" legen, weil in den Gemeinden immer wieder über die Freistellung der Landwirtschaft beim Kanalanschluß diskutiert wird. Wenn die Landwirte den Klärschlamm ausbringen, dann wird bei den Kosten für die Gemeinden und letztendlich auch für den, der die Kanalgebühren zahlen muß, eine Erleichterung bewirkt. Aus diesem Grunde wird auch die freiheitliche Fraktion diesem Gesetz die Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und des Bundesrates Konečny.  – Bundesrat Konečny: Man muß die Feste feiern, wie sie fallen!)

11.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor – damit wir rasch zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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33. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1985 geändert wird (1198 und 1341/NR sowie 5725 und 5756/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 33. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1985 geändert wird.

Die Berichterstattung hat wieder Frau Bundesrätin Fischer übernommen. Ich darf sie um den Bericht bitten.

Berichterstatterin Aloisia Fischer: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht über den Beschluß des Nationalrates vom 7. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1985 geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Eisl. – Bitte.

11.28

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Frau Präsidentin! Wie Sie wissen, hat im Jahre 1984 in Österreich ein sogenannter Weinskandal stattgefunden, der nach unserem Erachten von den Medien weit mehr hochgespielt wurde, als er tatsächlich Bedeutung hatte. Dadurch wurde in Weinbaugebieten eine große Wende herbeigeführt. Damals sind – ich kann mich noch gut daran erinnern – eine Reihe von Maßnahmen gesetzt worden, um die Qualität und vor allen Dingen den Ruf des österreichischen Weines wiederherzustellen. Es wurden zum Beispiel eine Meldepflicht für Prädikatweine, Erntemeldungen, Bestandsmeldungen, und zwar per 30. April, per 31. August und auch noch per 30. November, eingeführt. Dazu kamen noch die Verpflichtung zu laufenden Aufzeichnungen im Kellerbuch und die Transportbescheinigungen.

Man hat im großen und ganzen den Weinbauern dazu verpflichtet, daß von der Traube bis zum Konsumenten die Sicherheit gegeben ist, daß es naturbelassene und gute Weine gibt. Obwohl von der Regierung anläßlich des Beitritts Österreichs zur EU versprochen wurde, daß die Belastung durch die Banderole beseitigt und die Hemmnisse abgebaut würden, um einen Gleichklang mit den Weinbauern in den anderen Ländern der EU herzustellen, wurde leider nichts dergleichen unternommen.

Es sind heute eine Reihe von Schikanen von den Weinbauern zu bewältigen, die nicht nur Zeit und Arbeit, sondern auch zwischen 25 und 30 Millionen Schilling kosten. Die Kosten müssen auch von den Bauern getragen werden. Die Banderole war nie ein Qualitätskriterium, sondern das Qualitätskriterium war immer die staatliche Prüfnummer. Deswegen glauben wir, daß es an der Zeit wäre, eine Erleichterung dahin gehend zu erwirken, daß sich unsere Weinbauern bei der Vermarktung genauso wie ihre Berufskollegen in den anderen EU-Ländern leichter tun.

Ich habe das Protokoll gelesen, Herr Bundesminister, und konnte feststellen, daß Sie selbst sagen, daß in den Supermärkten über 50 Prozent ausländischer Wein vorzufinden ist und daß Fachleute attestieren, daß es für Trockenweinbezeichnungen in Österreich viel höhere Auflagen gibt als in den anderen EU-Ländern. Während dort 9 Prozent Zucker zugelassen werden, sind es in Österreich nur 3 Prozent. Derlei Dinge gibt es aber noch mehr.

Wir glauben daher, daß dieses Gesetz zu streng gehalten ist und die Strafen zu hoch sind. Unserer Meinung nach wären der gute Ruf und die gute Qualität des österreichischen Weines


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auch ohne diese strengen Maßnahmen gesichert. Man würde unseren Bauern entgegenkommen, wenn man eine leichtere Vermarktung ermöglichen würde. Weil dies nicht so ist, werden wir dieser Novelle nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Freiberger. – Bitte.

11.32

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weingenießer leben gesünder. Die Volksmedizin hat es eigentlich schon immer gewußt: Ein bis zwei Glaserl Wein zum Essen oder vor dem Schlafengehen sind gesund. (Bundesräte von der ÖVP klopfen auf ihre Bänke.)

Seit einigen Jahren weiß auch die moderne Wissenschaft, warum das so ist. Es ist in Frankreich jahrelang eine diesbezügliche wissenschaftliche Untersuchung gelaufen, bei welcher sich herausgestellt hat, daß die Franzosen, obwohl sie täglich Wein konsumieren, eigentlich das Gute, die schönen Freuden genießen, wozu eben auch ein Glaserl Wein gehört, älter werden als beispielsweise die Amerikaner, die für ihre Fitneß sehr viel tun und beim Essen sehr bewußt handeln. Der Titel bezieht sich auf das "Genießen" und nicht auf das "übermäßige Konsumieren". Ich glaube, daß es aus diesem Grunde wichtig ist, daß wir beim Wein eine hohe Qualität und einen hohen Qualitätsstandard haben.

Meine Damen und Herren! Die vorliegende Novelle zum Weingesetz wurde auch deshalb notwendig, weil gravierende Übertretungen nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union nur noch verwaltungsbehördlich strafbar waren. Wenn wir uns daran erinnern, daß beim Weinskandal 1984 mit einem Schlag sämtliche Bemühungen und Anstrengungen unserer guten Winzer durch einige schwarze Schafe zunichte gemacht wurden, dann müssen wir sagen: Es ist die Regelung in dem vorliegenden Gesetz, die vorsieht, daß schwere Vergehen gegen das Weingesetz auch gerichtlich bestraft werden, nur zu begrüßen.

Wenn man bedenkt, wie schwierig es nach 1984 war, bei den Konsumenten wieder Vertrauen zum österreichischen Wein herzustellen, so kann man nur begrüßen, daß mit diesen Regelungen die Gefahr eines weiteren Weinskandals minimiert wird. Die Möglichkeit, bei gravierenden Verfehlungen strafrechtlich verurteilt zu werden, wirkt sicherlich als Abschreckung.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer wichtiger Punkt der Weingesetznovelle ist die Regelung der Kontrolle beim Tankexport von Prädikatweinen. Auch diese Maßnahme wurde notwendig, um den hohen Qualitätsstandard des österreichischen Weines, den unsere Winzer in mühevoller und harter Arbeit aufgebaut haben, aufrechtzuerhalten. Diese neuen Regelungen sind daher keinesfalls als Schikanen zu betrachten, sondern sind vielmehr als Schutz für unsere Weinbauern, aber auch als Qualitätsgarantie für die Konsumenten zu sehen.

Hohes Haus! Österreichischer Wein ist ein Kulturgut. Es ist eine hohe und großartige Aufgabe, dem Rebstock jene Frucht zu entlocken, aus der der Wein gekeltert wird – ein faszinierendes, jährlich wiederkehrendes Spiel der Natur, das unsere Weinbauern großartig beherrschen. Weg von der Masse, hin zur Qualität, das ist die Devise! Dieser Weg wird erfolgreich umgesetzt.

Wenn man sich die Entwicklung im steirischen Thermenland anschaut, so stellt man fest, daß sich unsere Buschenschank-Kultur größter Beliebtheit bei unseren Gästen erfreut. Direkt beim Weinbauern die Qualitätsprodukte zu genießen, das bedeutet Lebensqualität.

Die Kreativität unserer Weinbauern ist schier unerschöpflich. Unter dem Namen "Vision" wurde beispielsweise der Sekt der Oststeirer hergestellt: eine hervorragende Qualität, nach strengen Normen produziert, und spezielle steirische Rebsorten werden verwendet. Damit können keine Massen auf den Markt geworfen werden, vielmehr werden individuelle Spezialitäten und Raritäten angeboten.


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Meine Damen und Herren! Diesen hohen Qualitätsanspruch gilt es zu erhalten und auszubauen. Mit den verschärften Kontrollen und mit der Abschreckung über eine strafrechtliche Verurteilung soll dieses Ziel erreicht werden.

Die SPÖ unterstützt die vielen großartigen Weinbauern bei ihren Bemühungen, die Qualität des österreichischen Weines zu heben. Wir werden gegen diese Gesetzesänderung keinen Einspruch erheben und der Vorlage gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hensler. – Bitte.

11.37

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Bundesräte! Es ist heute auf der Tagesordnung des Bundesrates auch eine Novelle zum Weingesetz 1985. Meine Vorredner haben schon sehr genau darauf hingewiesen, unter welchen Gesichtspunkten, aufgrund welcher Problematik, aufgrund welcher Umstände das Weingesetz 1985 beschlossen wurde. Ich nenne nur ein Stichwort: Glykol-Skandal.

Ich habe mir dieses Gesetz sehr genau angeschaut, zumal ich selbst produzierender Landwirt und Weinbauer bin, und ich weiß sehr wohl, daß es seinerzeit eine kontroversielle Diskussion über dieses Weingesetz gegeben hat. Aber man muß aufgrund der damaligen Umstände auch einsehen, daß es notwendig und wichtig war, dieses Gesetz zu schaffen, um in erster Linie zu gewährleisten, daß der Konsument die beste Qualität bekommt, und um den Export des österreichischen Weines in andere Länder zu sichern.

Ich glaube, es ist kein Geheimnis: Österreich hat derzeit einen Verbrauch von 2,7 Millionen Hektoliter Wein, der Rest des österreichischen Weines geht in den Export. Es ist daher sehr wichtig, daß der österreichische Wein eine hohe Qualität aufweist. Außerdem ist es wichtig – und das ist mir als Weinbauer und als Vertreter der bäuerlichen Interessengemeinschaft ein großes Anliegen –, daß die Existenz unserer bäuerlichen Betriebe gesichert ist.

Derzeit leben in Österreich 35 000 Betriebe ausschließlich vom Weinbau. Für diese ist es sehr wichtig, daß es diese Novelle nun gibt, und ich möchte Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister, dafür danke schön sagen, denn damit ist ein Schritt in die richtige Richtung gesetzt worden.

Bis heute ist das Weingesetz sechsmal geändert worden, es hat entsprechende Novellen gegeben. Das besagt, daß dieses Gesetz – ich möchte es dahin gehend formulieren – zum gegebenen Zeitpunkt vielleicht übereilt, aber unter dem Druck der Öffentlichkeit organisiert und gestaltet wurde.

Jetzt zum vorliegenden Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1985 geändert wird: Damit tritt eine weitere wichtige Ausbaumaßnahme zur Sicherung der Qualität des österreichischen Weines in Kraft. Schwerwiegende Tatbestände wie gesundheitsschädliche Weine, Weine, bei denen unzulässige Verfahren angewendet werden, und Weine, die gewässert worden sind, werden aus bestehendem EU-Recht übernommen. Das heißt, diese Überschreitungen werden jetzt auch strafgerichtlich zu ahnden sein. Das führt zu weiteren, verschärften Strafen.

Ich glaube, man muß hier eines klar und deutlich sagen: Wenn jemand kein gutes Produkt an den Konsumenten weitergibt, kann es nicht – ich möchte hier Bundesrat Eisl widersprechen, der vom Strafen gesprochen hat – ... (Bundesrat Eisl: Das weiß aber jeder Bauer: Wenn er vermarkten will, muß er gute Qualität haben!) Ich bin davon überzeugt, daß jeder einzelne von uns beste Qualität will, jeder von uns Bauern, die Wein produzieren. Ich bin selbst einer, der produziert. Jeder, der auf ehrliche Weise Wein produziert, braucht vor dieser Strafe keine Angst zu haben. In diese Richtung kann man, so glaube ich, offen und ehrlich die Problematik aufzeigen.

Es ist Zeit, daß man endlich novelliert. Wenn in diesem Bereich die Strafen schärfer werden, wird auch die Gefahr eines neuen Weinskandals sicherlich wesentlich reduziert. (Bundesrat Ko


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ne#ny: Sehr richtig!) Kleinere Vergehen werden auch weiterhin von der Bezirksverwaltungsbehörde mit bis zu 100 000 S geahndet. Ich glaube, da haben wir sicherlich einen breiten Spielraum, sehr geehrter Herr Bundesminister! Man muß sagen, daß dies eigentlich den Wünschen der Konsumenten und der Produzenten sowie in ganz besonderem Maße jenen des Sektors Wein entspricht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die heutige Novelle enthält notwendige Änderungen im Weingesetz, die einen guten Weg der heimischen Weinwirtschaft sichern sollen. Auf diesem Weg konnten in den letzten Jahren erfreuliche Fortschritte erreicht werden. So ist zum Beispiel das Vertrauen der heimischen Konsumenten – ich bin selbst sehr viel mit Konsumenten zusammen – zur Qualität des österreichischen Weines wesentlich gestiegen.

Die Österreicherinnen und Österreicher haben erkannt, daß die Qualität inländischen Weines international zweifelsohne mehr denn je standhält. Wenn man den Weltmarkt für Wein betrachtet, zeigt sich, daß der österreichische Anteil daran nur 1 Prozent beträgt. Dieses 1 Prozent sollen und müssen wir – das ist unsere Pflicht! – optimal an den Konsumenten weitergeben, aber gleichzeitig müssen wir versuchen, die eigene Existenz abzusichern.

Zusammenfassend: Danke schön für die hervorragende Arbeit, sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich denke, diese Novelle ist der richtige Weg zur richtigen Zeit. Die Österreichische Volkspartei, meine Fraktion, wird dieser Novelle gerne ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winter. – Bitte.

11.43

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Eisl! Ich muß dir in einigen Punkten widersprechen. Maßnahmen, die 1985 notwendig und wichtig waren – vom Kellerbuch über diverse Bescheinigungen bis hin zur Banderole –, nennt man in der F-Bewegung "Schikanen". Ich denke, daß es sowohl für Produzenten als auch für Konsumenten wichtig ist, daß es diese Kontrollen gibt. Sie sollen meiner Meinung nach auch in Zukunft beibehalten werden.

Kollege Eisl! Hätte es bei euch in der F-Bewegung Kontrollen – beziehungsweise "Schikanen", wie ihr sie nennt – gegeben (Heiterkeit bei Bundesrat Konečny ), dann würde heute nicht ein ehemaliger Abgeordneter von euch in Brasilien sitzen, sondern wäre noch hier. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) Dann wäre eine Landesorganisation wahrscheinlich nicht pleite, und euer Führer Jörg Haider bräuchte wahrscheinlich kein Holz aus dem Bärental zu verkaufen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Das täte er sowieso! – Bundesrat Weilharter: Beim Konsum ...!)

Es ist zur heutigen Novelle zum Weingesetz 1985 schon sehr viel gesagt worden. Diese Novelle enthält wichtige und notwendige Änderungen, die den Weg der heimischen Weinwirtschaft auch für die Zukunft sichern sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle wissen – das wurde auch von Kollegen Hensler schon erwähnt –, daß in letzter Zeit in der heimischen Weinwirtschaft vieles getan worden ist. Es ist gerade in letzter Zeit das Vertrauen des Konsumenten zum Produzenten um ein Vielfaches gestiegen. Selbstverständlich haben auch die Produzenten – das heißt, unsere Weinbauern – sehr viel dazu beigetragen und in ihre Betriebe viel investiert, in die technische Ausstattung, aber auch in Präsentationsräume, die heute notwendig sind, um Konsumenten und Produzenten zusammenzuführen.

Meine Damen und Herren! In vielen Gesprächen mit Erzeugern, aber auch Verbrauchern wird von beiden Seiten Zufriedenheit – vielleicht relative Zufriedenheit – geäußert. Unsere Weinbauern haben damit begonnen, sich in der Produktion selbst Mengenbeschränkungen aufzuerlegen, damit die Qualität steigt. Das Wissen und Können unserer Weinbauern bei der Veredelung zu


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erweitern und professionelle Vermarktungsformen zu finden – auch das ist, glaube ich, geschehen.

Das sind positive Ansatzpunkte, und diese sollten wir hier im Hause voll unterstützen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind es unseren Weinbauern und unseren Verbrauchern schuldig, einerseits für gute Preise Qualität zu erzielen und andererseits gutes Geld für gute Qualität zu bekommen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Sinne sind wir stolz auf unser Weinland Österreich.

Meine Fraktion wird diesem Gesetz selbstverständlich die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Diese Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

34. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1998) (1230 und 1359/NR sowie 5777/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 34. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Bankwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Ludwig übernommen. Ich darf ihn darum bitten.

Berichterstatter Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Text des Berichtes des Justizausschusses über das Strafrechtsänderungsgesetz 1998 liegt schriftlich vor. Ich möchte mich deshalb auf die Verlesung der Antragsformel beschränken.

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Haunschmid.

11.49

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorerst möchte ich mich bei uns Bürgern für mehr als


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643. Sitzung / Seite 188

200 000 Unterschriften zur Bekämpfung des Kindesmißbrauches bedanken. Es war bestimmt ein wichtiger Schritt, was am 17. Juli getan wurde.

Bereits am 17. Juli, letzte Woche, war es die Bitte von uns Freiheitlichen, den für uns sehr wichtigen und für uns Verantwortliche – ich sage bewußt "wir Verantwortliche", wenn Sie auch "oje!" sagen – wichtigsten Punkt der Tagesordnung nicht als Schlußlicht eines langen Verhandlungstages zu behandeln. Dem wurde leider nicht stattgegeben.

Kindesmißbrauch ist nicht nur irgend etwas, sondern es ist für uns Freiheitliche das schrecklichste Delikt und die furchtbarste Straftat.

Meine Damen und Herren! Vor mir liegt die "Kronen Zeitung" von heute. Wenn Sie diese aufschlagen, können Sie lesen: "Sexual-Täter Rieken gestand auch zweiten Mädchenmord". Nach dem Mord an der 11jährigen Christina Nytsch gab er nun auch den Mord und den sexuellen Mißbrauch an Ulrike Everts zu, die "von einer Fahrt mit der Ponykutsche bei Oldenburg nicht mehr heimgekehrt" ist.

Ich glaube, so geht es Tag für Tag, aber ich habe vor mir auch ... (Bundesrätin Schicker: Sagen Sie auch, was für ein Bild daneben ist! Das ist typisch "Krone"!) Ja leider! Darauf komme ich noch zu sprechen. Es ist schockierend, wenn daneben von den Medien – was wir alle, glaube ich, bekämpfen – wiederum ein Nacktfoto abgebildet wird.

Es gibt aber auch Empörung – darüber hat die Zeitung von gestern berichtet –, wenn Sie die Perversitäten eines Hermann Nitsch verfolgen müssen. Da heißt es: Die Empörung gegen Nitsch wird immer stärker. Dieses Sechstagespiel des Hermann Nitsch löst im In- und Ausland immer stärkere Empörung aus. Und zwar will er im österreichischen Schloß Prinzendorf an der Zaya Schweine und Rinder öffentlich schlachten. Ausgewählte Menschen dürfen dann am Blut riechen – er vergleicht das sogar mit der Kommunion –, auf den Gedärmen trampeln und so weiter und so fort.

Blut, Dreck, Lüsternheit – meine Damen und Herren, unsere Regierung hat dies gefördert! Der sich immer weiter auswirkende Kindesmißbrauch – Fälle, die uns nur in geringster Zahl bekanntwerden; wie viele Tausende Kinder leben unter uns, die tagtäglich mißbraucht werden und es nicht hinausschreien können? – ist nicht zuletzt auch die Folgeerscheinung solcher Regierungsgünstlinge wie Otto Mühl und Hermann Nitsch. Wir Freiheitliche ... (Bundesrat Konečny: Das ist unerhört!) Sie wissen genau, daß Otto Mühl gewaltig gefördert wurde.

Wir Freiheitliche haben im Februar auch hier im Bundesrat einen Antrag zum Schutze der Kinder eingebracht; er wurde natürlich abgelehnt. Die vorliegende Gesetzesänderung ist uns einfach zuwenig, meine Damen und Herren! Die Koalitionseinigung ist uns zuwenig.

Wir fördern pornographische Darstellungen – unsere Regierung fördert ja so gerne – im Internet in Millionenhöhe. (Bundesrätin Schicker: Wissen Sie, was Sie da sagen! Das ist ungeheuerlich! – Weitere Zwischenrufe.) O ja, in Millionenhöhe! Ich kann Ihnen das beweisen. Wir werden Ihnen das beweisen. (Bundesrat Konečny: Dann tun Sie es! Wenn Sie etwas behaupten, dann sagen Sie es!)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesrätin Haunschmid! Ich würde wirklich meinen, daß so etwas zu beweisen ist. Denn das war der Vorwurf krimineller Handlung gegenüber der Bundesregierung.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (fortsetzend): Das ist keine kriminelle Handlung, aber Sie wissen genau, daß Otto Mühl gefördert wird. (Bundesrat Konečny: Entschuldigen Sie! Sie haben die Präsidentin nicht zu kommentieren!) Entschuldigung. Ich habe es hier öffentlich gesagt: Otto Mühl wurde gefördert, das wissen Sie alle. (Bundesrat Rauchenberger: Sie haben vom Internet gesprochen!) Ich werde versuchen, Ihnen das noch heute schriftlich bekanntzugeben. (Bundesrat Konečny: Sie wissen so gut wie wir, daß dies längst geklagt ist! Sie behaupten es weiter!) Aber Sie wissen, daß es so ist.


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Wir in der Tourismusbranche haben uns vor Jahren darüber aufgeregt, daß die "Piefke-Saga", eine wahrlich nicht tourismusfördernde Sendung, immer wieder in der Urlaubszeit in unserem Land gesendet wird. (Die Tasche des Bundesrates Windholz fällt mit lautem Geräusch zu Boden. – Bundesrat Konečny: Keinen Dissens, Kollege Windholz! – Weitere Zwischenrufe.) Wir senden das auch in Bayern zur Tourismuswerbezeit. Aber wie ist das harmlos gegen diese pornographischen Darstellungen mit Gewaltsendungen im TV, gerade in der Ferienzeit! Tourismuswerbung pur auf der Biennale in Venedig – das brauche ich Ihnen gar nicht zu sagen –, 1997: Otto Mühl, nur mit dem Bildnis der Mutter Teresa.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, uns allen ist das Kind das höchste Gut und Glück, und für uns alle ist das Kind die Versicherung des Fortbestandes unseres schönen Landes. Es ist aber auch das zerbrechlichste Gut. Es ist eine Schneeflocke auf dieser Erde. Aber Sie sehen, was diese Schneeflocken, wenn sie zusammengehalten werden, bewirken: Dann sind sie stark! Zusammen können wir ihnen eine bessere Welt schaffen: die Kinder besser schützen, die Täter härter bestrafen.

Das Strafausmaß ist unserer Ansicht nach zu gering. Wenn ich an die Gerichtsverhandlung letzte Woche in Bad Goisern denke und mir vorstelle, daß sich dieses Individuum in fünf Jahren und sein Komplize in drei Jahren wieder unter uns bewegen wird – ich weiß nicht, was aus dem immer wieder zitierten zweiten Komplizen aus Wien geworden ist; von diesem hört man anscheinend nichts –, dann ist das für mich sowohl als Mutter als auch als für diese Gesetzesverabschiedung Mitverantwortliche einfach nicht vorstellbar!

Meine Damen und Herren! Es muß gewährleistet werden, daß dieser Mensch genauestens kontrolliert wird. Er muß doch unter Führungsaufsicht gestellt werden! Das war auch eine unserer Forderungen. Wir wissen, daß mindestens 50 Prozent dieser Täter Wiederholungstäter sind. Wir verschleiern immer mit Werten von 20 bis 30, bis 50, bis 80 Prozent. Sagen wir doch der Bevölkerung ehrlich, wie hoch die Zahl wirklich ist!

Meine Damen und Herren! Wird so eine Schneeflocke einfach zerdrückt, dann darf es doch nicht sein, daß man so einen Täter ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Grasberger. ) Ich rede von einer Schneeflocke. Ich habe die Kinder als Schneeflocke bezeichnet, weil sie so zart sind.

Wenn diese zerdrückt wird, dann darf es doch nicht sein, daß man einem solchen Täter die Chance gibt, nach 15 Jahren – und begünstigt vielleicht sogar nach zehn Jahren – die Freiheit wiederzuerlangen. Dieser gehört, bitte, weggesperrt, meine Damen und Herren! Sie grenzen doch so gerne aus, meine Damen und Herren von der Koalition: Warum grenzen Sie nicht Schwerverbrecher aus? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe an der wunderbaren, erfolgreichen Veranstaltung unserer Frau Landesrätin Haubner in Oberösterreich teilgenommen. Ich bin glücklich darüber, daß eine Freiheitliche mit unseren Forderungen an der Spitze, in der Landesregierung sitzt und dieses Ressort innehat. Sie kämpft, und sie sollte unser aller Unterstützung haben – egal, aus welcher Fraktion – für Einrichtungen wie eine Kinder- und Jugendanwaltschaft sowie Kinderschutzzentren, die es den Opfern ermöglichen, jemandem ihr Leid anzuvertrauen. Vorbeugender Schutz und intensive Nachbetreuung ... (Bundesrat Konečny: Glauben’S, Frau Haubner hat das erfunden?) Sie kämpft dafür, Herr Kollege! (Bundesrätin Schicker: Das tun wir alle!) Und ich ersuche Sie, das zu unterstützen. (Bundesrat Konečny: Das ist eine permanente Unterstellung!)

Vorbeugender Schutz und intensive Nachbetreuung sind unabdingbare Bausteine. Der Schwerpunkt muß beim Opfer liegen, meine Damen und Herren, und nicht beim Täter!

Eine Vernetzung mit zentralem Schlüssel als Zugang zu Computern jedes Arztes und jedes Krankenhauses ist eine dringende Notwendigkeit. So könnte der nicht nachvollziehbare Kinder-Krankenhaustourismus – es werden bei wiederholten Verletzungen oft verschiedene Krankenhäuser und Ärzte aufgesucht – ausgeschaltet und verdächtige Fälle erfaßt werden. Dazu gehört eine Meldestelle und eine Meldepflicht für Ärzte. Dies erleichtert Früherkennung, rechtzeitiges Eingreifen und rasche Hilfe bei Wiederholungstätern.


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Noch etwas: Haben Sie einmal daran gedacht, daß neben unseren eigenen Landeskindern auch die Kinder der Touristen geschützt werden müssen? Glauben Sie nicht, daß ein sicheres Land auch ein besonderes Urlaubsland ist? Glauben Sie nicht, daß die Österreichwerbung das Thema Familienurlaub auch ehrlicher – nicht besser, denn ich will Kinderschutz nicht mit Geld in Zusammenhang bringen – vermarkten kann, wenn gewährleistet ist, daß die Touristenkinder sich frei bewegen können, ohne daß die Eltern Sorge tragen müssen?

Es ist erfreulich, daß das Sexualstrafrecht verschärft wird. Der erste Schritt wurde getan. Vor allem sind dann auch die schonenden Einvernahmen von Kindern vor Gericht zu regeln. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) Das sind wir sicherlich nicht.

Es gibt viele Details, denen wir zustimmen können. Aber wir können nicht dem gesamten Gesetz zustimmen. Diese Maßnahmen sind völlig unzureichend und werden dem tatsächlichen Ausmaß von Kinderschändung und -pornographie nicht beikommen können.

Ich zitiere den Herrn Minister, der nach der Aufforderung unseres Parteiobmannes zu diesem Problem Stellung genommen hat. Auch Sie wissen, daß Österreich in dieser Beziehung Europa hinterherhinkt. Ich kann Ihnen das beweisen, indem ich Ihnen sage, wie es in anderen Ländern ist. Da heißt es: "Überhaupt haben die meisten europäischen Länder bereits entsprechende Verschärfungen im Strafrecht fixiert. Der Sexualmord an Kindern wird im ebenfalls sozialistisch regierten Frankreich mit 30 Jahren Haft bestraft, in England sowieso ganz hart, und auch außerhalb Europas hat man die Problematik bereits erkannt."

Herr Justizminister Michalek hat – auch das steht in der Zeitung – einen weiteren Schritt gesetzt. Da heißt es zum Thema Kindesmißbrauch: "Er forderte gestern im EU-Parlament die verstärkte internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Kindesmißbrauch." – Dafür sind wir ihm sehr dankbar.

Der Herr Minister selbst hat gesagt, daß er bereits an der nächsten Novelle arbeitet. Das betrifft auch das Sexualstrafrecht. Diese Novelle soll offensichtlich Ende dieses Jahres eingebracht werden. Das läßt hoffen, daß unsere Forderungen doch noch umgesetzt werden. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Aber warum nicht gleich?! – Wenn ich zuerst von Bausteinen gesprochen habe, meine Damen und Herren, dann möchte ich jetzt sagen: Das Haus wäre fertig! Wir wollen auch zu Plenumsbeginn in ein fertig umgebautes Parlament einziehen. Es wäre meines Erachtens gerade heute wichtig, zu signalisieren, daß uns Kinder, die durch Mißbrauch ums Leben gekommen sind, gleich viel wert sind wie die Opfer von schwerem Raub und Entführung. Und dafür treten wir ein.

Nun, meine Damen und Herren, eine Bitte an Sie: Zeigen Sie heute Ihre Wertschätzung bezüglich dieser Thematik! Heute liegt es in Ihrer Hand und in Ihrer Entscheidung, einmal unsere freiheitliche Forderung als die Forderung von uns allen zu sehen. Egal, ob Sie Mutter oder Vater, ob Sie Großmutter oder Großvater sind: Entscheiden Sie heute so, daß Sie Ihrem Kind, Ihren Enkelkindern, Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn – Ihren Kindern, die vielleicht schon Eltern sind oder es noch werden – heute abend in die Augen schauen und sagen können: Diese Gesetzgebung war für uns alle nicht genug!

Warum einen kleinen Schritt machen, wenn es so wichtig wäre, einen größeren zu tun? Warum später nochmals Geld für eine nochmalige Novellierung – und diese wird und muß kommen – verschwenden, wenn es jetzt und heute und hier möglich ist, die Kinder optimal zu schützen, dieser Forderung Priorität einzuräumen, die Meldepflicht einzuführen und dafür zu sorgen, daß die Täter auf das härteste bestraft werden?!

Wenn Sie, Herr Kollege Pfeifer, meinen, daß es, wenn ich in den Spiegel schaue, vorkommen kann, daß mir Rosenstingl daraus entgegenschaut, dann wünsche ich Ihnen, daß sich nicht vor Ihr Spiegelbild einmal traurige, schmerzerfüllte Kinderaugen schieben. Wir möchten doch alle, daß uns strahlende Kinderaugen anleuchten!


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Kinder, die zu Opfern wurden, tragen ihre Wunden ein Leben lang! Sexueller Mißbrauch an Kindern ist das abscheulichste Gewaltverbrechen. Kindesmißbrauch ist Mord an der Kinderseele, meine Damen und Herren!

Denken Sie noch einmal darüber nach, denn geschändete Kinder, meine Damen und Herren, schreien nicht, sie sind ganz still. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesminister Dr. Michalek nimmt auf der Regierungsbank Platz.)

12.03

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Michael Strugl. Ich erteile ihm das Wort.

12.03

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte im Zusammenhang mit dem Strafrechtsänderungsgesetz vor allem auf die Änderungen im Strafgesetzbuch und in der Strafprozeßordnung sowie auf das Sexualstrafrecht eingehen.

Natürlich ist es so, daß wir alle unter dem Eindruck dieser furchtbaren Vorfälle von Kinderschändung stehen, und zwar nicht nur jener im Ausland, sondern, wie es Frau Bundesrätin Haunschmid angesprochen hat, auch dieses Falles aus Oberösterreich. Ich denke, daß wir uns hier alle einig sind, wenn wir sagen, es muß zu Verschärfungen kommen. Wir alle wollen den Schutz der Unmündigen! Das steht, so glaube ich, hier außer Streit. Man kann, wie ich meine, hier auch niemandem unterstellen, daß er dieses Ziel nicht verfolgt.

Es ist allerdings so, daß schon länger und nicht erst seit Bekanntwerden dieser Vorfälle an Maßnahmen, an Verschärfungen gearbeitet wird. Es ist allerdings, wie ich meine, auch richtig, daß hier einzelne Maßnahmen vorgezogen wurden. Es wurde auch gesagt, daß im Herbst weitere Vorschläge folgen sollen. Ich glaube im Gegensatz zu meiner Vorrednerin, daß das eine durchaus sinnvolle Vorgangsweise ist, denn wir können davon ausgehen, daß diese Maßnahmen mit Experten sehr ausführlich beraten wurden und beraten werden. Ich finde, es entspricht auch dem Ernst der Lage und der Materie, daß das mit entsprechender Sorgfalt gemacht werden muß. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es hat übrigens auch in der Vergangenheit schon Verschärfungen gegeben, die von der Regierung initiiert wurden – zu einem guten Teil, so möchte ich sagen, auch auf Betreiben der Volkspartei, weil wir dieses Problem immer wieder thematisiert haben. Es wurde ein Katalog von Maßnahmen gegen Gewalt und sexuellen Mißbrauch vorgelegt, der auch in einem entsprechenden Entschließungsantrag seinen Ausdruck gefunden hat. Ich nenne hier nur die Einführung der österreichischen Gerichtsbarkeit bei Sexualdelikten im Ausland im Zusammenhang mit dem sogenannten Sextourismus, Strafverschärfungen für den Besitz von Kinderpornographie, eine Verschärfung im Ausmaß einer Verdreifachung der Strafen beim gewerbsmäßigen Handel mit Kinderpornographie, das Wegweiserecht für gewalttätige Familienmitglieder im Zuge des Bundesgesetzes gegen Gewalt in der Familie, die Einrichtung einer zentralen Meldestelle beim Innenministerium zur Bekämpfung kinderpornographischer Inhalte im Internet oder das immaterielle Schadenersatzrecht für Opfer sexueller Handlungen im ABGB, nach welchem auch die Kränkung zu berücksichtigen ist.

Es wird jetzt weitere Verschärfungen geben, die ich noch einmal erwähnen und aufzählen möchte. Zum einen: Das Schutzalter von 14 Jahren bleibt bestehen, es gibt aber zahlreiche Verschärfungen. Ich nenne hier etwa die Gleichstellung der beischlafähnlichen Handlungen mit dem Beischlaf, sodaß der Täter nicht mehr die Ausrede hat, es sei gar nicht zum eigentlichen Akt gekommen. Das ist eine Verschärfung, weil auch die Verjährung verlängert und das Strafausmaß verdoppelt wird.

Die Strafen für den Mißbrauch von Unmündigen betragen zehn Jahre. Es gibt bis zu 15 Jahre bei schwerer Körperverletzung und 20 Jahre bei Todesfolge beziehungsweise bei anderen sexuellen Handlungen fünf, zehn und 15 Jahre. Auch das ist eine Verschärfung.


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Es gibt eine Sonderregelung für Jugendliche. Diese betrifft die gewaltfreien freiwilligen sexuellen Handlungen unter Jugendlichen. Dabei wurde ein Mindestalter von 13 Jahren für Beischlaf und beischlafähnliche Handlungen festgelegt, bei sonstigen eine Toleranz von 12 bis 16 Jahren. Gewaltähnliche sexuelle Handlungen, wie zum Beispiel die Penetration mit Gegenständen, werden gänzlich verboten. Auch das ist eine Verschärfung.

Es gibt ferner eine Ausdehnung der Verjährungsfristen, sie beginnen erst nach der Volljährigkeit zu laufen. Dies ist vor allem auch eine Maßnahme – um ein Beispiel zu sagen – gegen Mißbrauch im familiären Umfeld, sodaß also auch noch nach Jahren das Kind seinen Peiniger zur Anzeige bringen kann, wenn das der Erziehungsberechtigte nicht getan hat. Auch das ist eine Verschärfung.

Und es gibt eine Besserstellung der Opfer im Verfahren, indem die Möglichkeiten der schonenden Vernehmung ausgeweitet werden. So ist bei Opfern unter 14 Jahren zwingend eine schonende Vernehmung vorzunehmen, und Opfer, die älter sind, können das beantragen. Damit müssen zum Beispiel auch Frauen im Gerichtssaal ihre Aussage nicht mehr im Angesicht des Täters machen.

Ferner gibt es die Möglichkeit der Einvernahme durch Sachverständige auch für Zeugen über 14, und als nächsten Punkt, als weiteren Punkt, auch eine Ausweitung des Entschlagungsrechts für alle Lebensgefährten, und zwar auch für gleichgeschlechtliche.

Meine Damen und Herren! Diese Verschärfungen sollen klarmachen, daß ein Sexualstraftäter mit der vollen Härte des Gesetzes zu rechnen hat, auch im Sinne des Präventionsgedankens. Ich persönlich bin der Meinung, daß es sich dabei um eine sehr sensible Materie handelt und daß es gut wäre, wenn wir hier im Konsens vorgingen. Daher bin ich auch froh, daß es innerhalb der Koalition einen Kompromiß gegeben hat, was die Frage der Jugendlichen-Liebe betrifft.

Ich würde es auch für ein falsches Signal halten, wenn man etwa § 209 aufheben würde. Ich denke zum Beispiel daran, wie das im Falle des Mißbrauchs in Bad Goisern gewesen wäre. Es hat ohnehin wenig Verständnis für dieses geringe Strafmaß gegeben. Bei einem Wegfall des § 209 wäre es tatsächlich zu Straffreiheit gekommen, obwohl ein 52jähriger einen 14jährigen mißbraucht hat.

Da geht es, wie ich meine, auch nicht um überkommene Moralvorstellungen, wie ein Redner im Nationalrat gesagt hat, oder um Kriminalisierung, sondern einfach nur um den Schutz der jungen Leute. Ich finde es daher auch sinnvoll, wenn man bei dieser Regelung bleibt und sie nicht auflockert, weil das in diesem Zusammenhang einfach ein falsches Signal wäre. (Beifall bei der ÖVP.)

Selbstverständlich wissen wir, daß man auch international den Hebel ansetzen muß. Das gilt vor allem für jene Delikte, die im Zuge der Möglichkeiten des Internet in diesem Zusammenhang bekanntgeworden sind. Wir werden hier auch einen gemeinsamen Entschließungsantrag betreffend eine Initiative gegen Pornographie im Internet einbringen.

Die Mandatare der Freiheitlichen Partei werden nicht zustimmen, wie wir hören, weil ihnen die Maßnahmen zuwenig weit gehen. An sich ist es nichts Schlechtes, wenn man hier unterschiedliche Standpunkt vertritt. Mich stört in diesem Zusammenhang nur eines, nämlich daß – zumindest bei mir persönlich – der Eindruck entsteht, daß hier parteipolitisch und taktisch agiert und parteipolitisches Kleingeld gewechselt werden, und das mit einer Materie, die dazu eigentlich am allerwenigsten geeignet ist. Ich habe diesen Eindruck jedenfalls, und mich persönlich stört es. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wie ich schon gesagt habe: Diese Verschärfungen sind schon länger in Beratung, und es wird auch weitere Vorschläge geben. Jetzt betreiben Sie von den Freiheitlichen hier eine Politik der Lizitation, weil Ihnen das zuwenig weit geht. – Ich glaube, daß die Experten und die Arbeitsgruppe ordentlich gearbeitet haben, seriös gearbeitet haben, und daß Maßnahmen vorgeschlagen worden sind, die sehr wohl geeignet sind, Mißbräuchen entgegenzuwirken. Ich glaube, da kann man den Experten wirklich vertrauen.


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643. Sitzung / Seite 193

Sie von den Freiheitlichen bringen selbst einen Antrag ein. Und für mich persönlich gibt es darin einige Dinge, die gar nicht unproblematisch sind. Von einem fertigen Haus, in das man einziehen könnte, kann man da nicht unbedingt sprechen! Sie erlauben beispielsweise sonstige sexuelle Handlungen ab 12 Jahren, Beischlaf allerdings erst ab 14. Für mich persönlich ist das nicht schlüssig, weil sexuelle Experimente damit lockerer gehandhabt werden als die eigentliche Beischlafliebe – also jene sexuellen Erfahrungen, die junge Leute natürlicherweise machen. Das ist für mich eigentlich nicht nachvollziehbar, für die Experten übrigens auch nicht.

Sie haben diesen Punkt der gewaltähnlichen sexuellen Handlungen, wie etwa die Penetration mit Gegenständen, auch erst nachträglich eingebracht. Das war ursprünglich nicht berücksichtigt, zumindest nicht in der ersten Fassung im Nationalrat. Das gilt auch für die Ausdehnung der Verjährungsfristen, und das finde ich in diesem Zusammenhang besonders bemerkenswert.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Sie haben ursprünglich eine viel täterfreundlichere Linie vertreten. Sie sind für kürzere Verjährungsfristen eingetreten, und diese hätten Ihrer Ansicht nach auch früher zu laufen beginnen sollen. Jetzt stellen Sie sich hierher und sagen: "Der Schutz der Opfer muß hier unbedingt Vorrang haben." – Das sagen wir auch! Aber ich glaube, im Lichte dieser Tatsachen muß ich Sie fragen, wie Sie denn zu Ihrer bisherigen Linie stehen, die ja von Ihnen einmal vertreten wurde, in besonderer Form etwa von Herrn Abgeordneten Ofner.

Ich sage dazu, um nicht mißverstanden zu werden: Ich begrüße, daß Sie Ihre Meinung geändert haben, ich finde diesen Gesinnungswandel gut, aber tun Sie jetzt nicht so, als ob Sie die alleinige Wahrheit gepachtet hätten! (Bundesrat Konečny: Richtig!)

Ich glaube schon, daß man den Experten vertrauen kann, und ich würde mir eine gemeinsame Vorgangsweise bei diesem wichtigen Thema wünschen. Ich finde auch, daß diese Materie zur parteipolitischen Profilierung einfach nicht geeignet ist. Ich glaube, dazu ist das Thema zu ernst.

Ich meine, die Bekämpfung des Kindesmißbrauchs ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen. Selbstverständlich wissen wir auch, daß Strafen alleine nicht ausreichen, daß es flankierender Maßnahmen bedarf, daß man mehr Information und Aufklärung braucht, daß es Hilfe für die Opfer geben muß und daß man auch jenen Organisationen Hilfestellung geben muß, die es sich zum Ziel gesetzt haben, den Opfern zu helfen. Es wird, wie ich schon erwähnt habe, weiter daran gearbeitet, und es werden weitere Vorschläge bis Jahresende hier vorliegen, insbesondere, was den Opferschutz betrifft, etwa die Aufnahme der Kosten für Psychotherapie von Mißbrauchsopfern im Leistungskatalog des Verbrechensopfergesetzes – in Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium –, beziehungsweise Maßnahmen für die Überwachung und die Behandlung von Tätern.

Wir wissen natürlich, daß es im Kampf gegen diese Mißstände nie einen Endpunkt geben kann. Das weiß auch die Bundesregierung, daher brauchen Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, dies jetzt nicht als Begründung für Ihren Antrag zu bemühen. Im Nationalrat haben Sie das noch explizit drinstehen gehabt. Offensichtlich haben Sie aber erkannt, daß es eigentlich nicht notwendig ist, weil wir uns alle dazu bekennen, und im Antrag, den Sie hier einbringen werden, findet es sich schon nicht mehr.

Ich meine, es wäre für die Sache gut und wichtig, wenn es eine gemeinsame Vorgangsweise gäbe. Ich persönlich würde mir einen gemeinsamen Beschluß wünschen.

Ich glaube, daß es von den Freiheitlichen nicht legitim ist, zu sagen: Wenn man ihrem Antrag hier nicht folgt, dann kann man beispielsweise den eigenen Kindern nicht mehr in die Augen schauen. – So etwas zu sagen, ist hier wirklich fehl am Platze. Besser wäre es, im nationalen Konsens vorzugehen. Schade um dieses Signal des gemeinsamen Anliegens! Wir von der ÖVP werden dieser Vorlage jedenfalls zustimmen, weil sie für den Schutz der jungen Leute ein Fortschritt ist. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.18


Bundesrat
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643. Sitzung / Seite 194

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächster erteile ich Frau Bundesrätin Johanna Schicker das Wort. – Bitte.

12.18

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich werde hier nicht auf die Ausführungen der Kollegin Haunschmid eingehen, und zwar nicht nur deswegen, weil sie nicht im Saal anwesend ist – das ist bei manchen der FPÖ üblich, nach der Rede den Saal zu verlassen –, sondern weil es diese Ausführungen zum Teil nicht einmal wert waren, kommentiert zu werden.

Meine Damen und Herren! Wir werden heute eine Reihe von Maßnahmen beschließen, die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz umgesetzt werden sollen. Es ist unbestritten, daß in bezug auf das Sexualstrafrecht einige, wie es im Bericht heißt, als besonders dringlich erkannte Änderungen im Bereich des sexuellen Kindesmißbrauchs vorgenommen werden. Es sind dies unter anderem die Verlängerung der Verjährungsfrist bei an Kindern und Jugendlichen verübten Sexualdelikten, die Gleichstellung von anderen schweren Fällen sexuellen Kindesmißbrauchs mit dem Beischlaf mit Unmündigen sowie eine Ausweitung der Möglichkeiten zur schonenden Vernehmung von Zeugen.

Gerade im Hinblick auf die grausamen Fälle von Kindesmißbrauch in Holland würde auch mir eine über das heute zu beschließende Strafausmaß hinausgehende höhere Strafe für Kinderschänder durchaus angebracht erscheinen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Mir ist aber auch bewußt, daß dieser heutigen Beschlußfassung eine zweijährige Beratung unter Heranziehung einer Expertengruppe vorangegangen ist, was verdeutlicht, wie sorgfältig mit diesem Problem umgegangen worden ist und auch umgegangen werden muß. Kollege Strugl hat auf diese Sorgfalt bereits hingewiesen. Dies schließt aber nicht aus, sehr geehrter Herr Bundesminister, daß aufgrund der immer brutaleren Vorgangsweisen der Kinderschänder auch bei uns auf gesetzlicher Basis sofort weitergearbeitet werden muß.

Mir ist bewußt, daß Einsperren allein nicht genügt, um diese Triebtäter zu heilen beziehungsweise ihre Abartigkeit hintanzuhalten. Aber es zeigt doch die enorm hohe Rückfallsquote – es schwirren die unterschiedlichsten Zahlen hier herum; ich weiß nicht, ob es überhaupt konkrete Zahlen gibt –, daß die bisherigen zusätzlich angewandten Therapiekonzepte nicht in dem Ausmaß gegriffen haben, wie wir uns das gewünscht hätten. Es entzieht sich zwar meiner Kenntnis, wie diese Überwachung und Kontrolle bei rückfallgefährdeten Sexualtätern vor sich geht, auf alle Fälle ist sie nach dem heutigen Erfahrungsstand zuwenig treffsicher, wie eben die Rückfallsquote zeigt.

Hier gehört angesetzt, Herr Bundesminister, hierüber müßten sicherlich auch Experten urteilen, da uns ja des öfteren zu emotionelle Argumentation vorgehalten wird – wobei ich dazu sagen möchte: Emotionen verdeutlichen auch innerliche Gefühle, die zumeist eher den Wahrheitspunkt treffen als rein rationale Überlegungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem ich mir das Memorandum der EU vom 9. Oktober 1997, die Verstärkung des Kampfes gegen Kindesmißbrauch und sexuelle Ausbeutung von Kindern betreffend, durchgelesen habe, bin ich zu dem Schluß gekommen, daß einige der angesprochenen Punkte durchaus auch bei uns in Österreich umgesetzt werden sollten. Gerade was die Kinderpornographie im Internet betrifft, gibt es für mich einige offene Fragen. Durch das Internet wurde ein neue Möglichkeit eröffnet, weltweit den sexuellen Mißbrauch von Kindern zu vermarkten. Wie gedenken Sie, Herr Bundesminister, gegen Kinderpornographie via Internet in Zukunft vorzugehen? Planen Sie, ein Verbot der Nutzung des Internet zu solchen Zwecken rechtlich festzulegen? Ist es technisch überhaupt möglich, ein solches Verbot umzusetzen? Und wenn nein, gedenken Sie in irgendwelche Forschungsprojekte zu investieren, die eine solche technische Kontrollmöglichkeit schaffen sollen?


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Meine Damen und Herren! Weil diese Materie so bedeutend ist, möchte ich einen Entschließungsantrag einbringen, der wie folgt lautet:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Albrecht Konečny, Ludwig Bieringer, Johanna Schicker, Therese Lukasser und Genossen betreffend Initiativen gegen Kinderpornographie im Internet

1. Die Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, ihre Bemühungen im Kampf gegen Kinderpornographie im Internet mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln fortzusetzen.

2. Die Bundesregierung wird ersucht, die dafür notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen zu schaffen.

3. Die Bundesregierung wird ersucht, da nur auf europa- und weltweiter Ebene solche Initiativen erfolgreich sein können, sowohl auf der Ebene der Europäischen Union wie auch in anderen internationalen Organisationen dieses Thema zu forcieren, damit ein akkordiertes Vorgehen gegen diese Gewaltverbrecher möglich wird.

*****

Die unterzeichneten Bundesräte begrüßen die rasche Reaktion der zuständigen Mitglieder der Bundesregierung und versichern, daß sich der gesamte Bundesrat dafür einsetzen wird, daß die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen zur Verfolgung von Kinderpornographie im Internet zur Verfügung stehen. Ich hoffe, auch die FPÖ wird sich diesem Antrag anschließen.

Meine Damen und Herren! Ein anderes Anliegen von uns allen muß es auch sein, Kindern, die zu Opfern von sexuellem Mißbrauch geworden sind, besonderen Schutz zu gewähren. Es ist dies heute schon des öfteren angesprochen worden. Dazu gehört natürlich die Schaffung von Betreuungs-, Beratungs- und Vorbeugungsstrukturen, dazu gehört die Wahrung der Rechte und der Belange des Kindes, wie Vertraulichkeit und Achtung der Privatsphäre. Einiges davon wird ja durch die heutige Gesetzesnovelle bereits umgesetzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unter "Schutz der Kinder" ist die Gesamtheit der Vorkehrungen zu verstehen, die dazu beitragen sollen, für die Minderjährigen eine normale Entwicklung und Entfaltung ihrer Fähigkeiten zu gewährleisten. Jede Ausbeutung, jeder Mißbrauch von Kindern – wie Kinderprostitution, Kinderhandel, Sextourismus und Kinderpornographie – muß auf das schärfste verurteilt und bekämpft werden. Herr Bundesminister! Auch Sie sind jetzt am Zug! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.25

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Initiativen gegen Kinderpornographie im Internet ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer das Wort. – Bitte.

12.25

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind in letzter Zeit immer häufiger mit einem sehr problematischen Phänomen konfrontiert, das uns aufgrund seiner Scheußlichkeit und der von ihm erreichten Dimension mehr als erschreckt. Ich darf Ihnen dazu die Schlagzeile des "Kurier" vom 17. Juli dieses Jahres zeigen, in der es heißt – ich zitiere –: "Kinderpornowelle nimmt entsetzliche Ausmaße an".

Meine Damen und Herren! Es war eine kleine Bürgerin aus Ampass in Tirol, nämlich Frau Karla Derigo, die schon vor weit über einem Jahr dieses Phänomen anscheinend vorausgeahnt und erkannt hat und eine Initiative gesetzt hat, in deren Verlauf sie mittlerweile weit über 100 000 Un


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terschriften für entsprechende Maßnahmen gegen den Mißbrauch von Kindern gesammelt hat. Sie wird diese Unterschriften im Zuge einer Petition dann dem österreichischen Nationalrat übergeben. Mein Dank und meine Anerkennung gehen heute von hier aus auch nach Ampass in Tirol für die Leistungen, die diese Frau innerhalb des letzten Jahres vollbracht hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber, meine Damen und Herren, gehen wir einmal das Problem etwas systematischer und grundlegender an. Der Boden dafür wurde in Österreich und in ganz Europa in den letzten Jahren systematisch und sukzessive aufbereitet. Wenn wir daran denken, daß die Pornographie in den letzten Jahren in alle Medien Eingang gefunden hat und dort salonfähig geworden ist – in Zeitschriften, in Kinos, im Fernsehen, auf Videokassetten, per Telephon und im Internet, das heute schon angesprochen wurde –, dann erkennen wir, wie weit sich das schon ausgebreitet hat.

Man muß auch einmal sein Augenmerk darauf richten, wer aller zu den Nutzern dieser Angebote gehört. Eine Zeitung in der Steiermark hat einmal aufgelistet, wer denn die Pornonutzer im Internet sind. Meine Damen und Herren, falls Sie diese Statistik nicht kennen, so lese ich sie Ihnen vor:

Folgende Surfer haben auf die Pornoseiten im Internet zugegriffen: der Magistrat Wien 4 809mal, die Niederösterreichische Landesregierung 1 328mal, das Bundesministerium für – man höre! – Umwelt, Jugend und Familie, vielleicht in dienstlichem Auftrag, 1 053mal, das Beamtenstaatssekretariat 928mal, die Vorarlberger Landesregierung 887mal, die Steiermärkische Landesregierung 551mal, das Umweltbundesamt 446mal, die Tiroler Landesregierung 446mal, der ÖVP-Parlamentsklub 382mal und der SPÖ-Parlamentsklub – er ist sehr bescheiden in der Anzahl; das muß man zugestehen – nur 49mal. (Bundesrat Rauchenberger: Und der FPÖ-Klub?)  – Er ist hier nicht angeführt. Sie können das ja bringen, und wir werden den Dingen nachgehen. (Bundesrat Rauchenberger: Er hat technisch vorgesorgt, daß es nicht zu kontrollieren ist!)

Wir werden auf jeden Fall nicht tolerieren, daß von öffentlichen Ämtern und vom Parlament aus in Hinkunft weiter auf diese Seiten zugegriffen wird, und das auf Kosten der Steuerzahler. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt über den systematischen Aufbau und die Salonfähigmachung der Pornographie in ganz Europa gesprochen. Da gibt es in Österreich einen Mann, der Martin Humer heißt. Ich bin kein Freund des Martin Humer, aber er ist jahrelang für seine Arbeit verlacht worden, als "Pornojäger" wie ein Ritter gegen die Windmühlen lächerlich gemacht worden. Dabei hat der Mann nur ein einziges verlangt: daß nämlich in Österreich die Gesetze eingehalten werden, daß das Strafgesetzbuch und das entsprechende Pornographiegesetz eingehalten werden.

Heute sind wir schon soweit, daß auch Frauenbewegungen ganz massiv gegen diese Pornowelle ankämpfen. Sie werden zwar jetzt schon wieder von manchen Seiten als hysterische Emanzen bezeichnet, aber ich bewundere auch diese Bewegungen, die sich vehement gegen den Mißbrauch des weiblichen Körpers aussprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Trotzdem geht die Pornowelle nicht zurück, sondern breitet sich immer weiter aus und hat jetzt den Bereich der Jugendlichen und der Kinder erfaßt. Ganz blamabel finde ich es, wenn dieses Tun von einer öffentlichen Toleranz bis hin zu einer öffentlichen Förderung begleitet wird. Ich rede von einer öffentlichen Toleranz und Förderung. Ich gebe Ihnen dafür drei Beispiele:

Erstens: Es war nicht nur Österreich, sondern, ich darf sagen, ganz Mitteleuropa entsetzt, als vor fünf oder sechs Jahren beim Bachmann-Preis in Klagenfurt ein Schweizer Autor den ersten Preis erhalten hat für einen Buchtitel namens "Babyficker". Ich habe Bekannte in der Schweiz, die fassungslos waren, daß in Österreich ein solcher Preis für ein derartiges Machwerk öffentlich vergeben wird.


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Zweites Beispiel: die Biennale in Venedig 1997. Meine Frau war zusammen mit ihrer Freundin und den Kindern dort auf Urlaub und hat sich auf der Biennale auch den österreichischen Pavillon angesehen. Das einzige, was dort angeboten wurde, war dieser Katalog, der mittlerweile bekannt sein dürfte; ein Machwerk mit einem Gewicht von vier bis fünf Kilogramm, das, auf Paletten gestapelt, dort zur freien Entnahme aufgelegen ist. Aufgrund der Tatsache, daß man nicht erwarten kann, daß jeder Tourist, der vorbeikommt, dann ein fünf Kilo schweres Buch durch ganz Venedig schleppt, ist das von der technischen Aufbereitung her schon ein Humbug. Aber das, was Sie dort mit dieser Wiener Werkstätte, gefördert von Bundeskanzler Mag. Klima geboten haben, war derart beschämend! Man muß sich vor dem Ausland schämen, so etwas anzubieten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist dort ein Säugling und daneben ein Phallus abgebildet, der direkt auf diesen Säugling gerichtet ist. Und sagen Sie jetzt nicht, das leiste einer derartigen Welle von Kinderpornographie und Kindesmißbrauch keinen Vorschub! Ich meine schon, daß so etwas dazu beiträgt.

Das dritte Beispiel ist der schon des öfteren hier angesprochene Otto Mühl; ein Mann, der vor einigen Jahren wegen Kindesmißbrauchs verurteilt wurde. Er hat sogar mehrere Delikte in diese Richtung gesetzt. Wenige Tage nach seiner Entlassung aus der Strafhaft wird er vom Intendanten der ersten Bühne unseres Landes, des Burgtheaters, eingeladen, ein sogenanntes Dramolett vor ausgewähltem Publikum zum Besten zu geben. Auch das leistet Vorschub und bereitet den Boden auf!

Meine Damen und Herren! Eine Gesellschaft wird unglaubwürdig, wenn sie einerseits solche Dinge duldet, toleriert oder gar öffentlich fördert und andererseits dann erschreckt reagiert, wenn die Kinderpornowelle entsetzliche Ausmaße annimmt.

Wir Freiheitliche schlagen vor, diesbezüglich klare Verhältnisse zu schaffen: keine Toleranz mehr, keine Förderung mehr für derartige Dinge, für Pornographie, für Kindesmißbrauch und für die dafür verantwortlichen Personen. Wir verlangen härtere Strafen für solche Täter. Wir verlangen aber auch begleitende Maßnahmen, wie etwa die Aufhebung der Verjährungsfrist, zentrale Meldestellen, absolute Anzeigepflicht, lebenslange Führungsaufsicht für solche Täter.

Dieser hier vorliegende Gesetzesbeschluß geht uns viel zuwenig weit, und deshalb haben wir uns erlaubt, einen entsprechend weitergehenden Entschließungsantrag einzubringen. Er ist am Präsidium abgegeben und auch den Fraktionsführern von SPÖ und ÖVP übermittelt worden. Ich werde diesen Entschließungsantrag jetzt mündlich hier einbringen. Er lautet folgendermaßen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer, Ulrike Haunschmid, Dr. Peter Böhm, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Andreas Eisl, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, Monika Mühlwerth, Thomas Ram, Mag. Walter Scherb, Engelbert Weilharter und Ernest Windholz betreffend Schutz unserer Kinder vor Kindesmißbrauch und Kinderpornographie

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, dem Parlament umgehend Gesetzentwürfe zuzuleiten, die zum umfassenden Schutz der Kinder folgende Maßnahmen vorsehen:

1. Einrichtung einer zentralen Meldestelle pro Bundesland, an die Ärzte alle Fälle zu melden haben, in denen ein Verdacht physischen, sexuellen oder psychischen Kindesmißbrauchs besteht, und die entsprechende Auskünfte an Sicherheitsbehörden, Jugendwohlfahrtseinrichtungen und Ärzte erteilt;

2. Meldepflicht an den Amtsarzt für alle Personen, die beruflich die Betreuung von Kindern übernommen haben (zum Beispiel Kinderbetreuer, Lehrer, Ärzte, Psychotherapeuten, Psychologen, Schulärzte), wenn ein begründeter Verdacht physischen, sexuellen oder psychischen Kindesmißbrauchs besteht;


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3. absolute Anzeigepflicht für Behörden, die primär zum Schutz der Kinder eingerichtet sind (Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Kinder- und Jugendanwälte et cetera), für alle an Unmündigen begangenen Straftaten;

4. Schaffung eines neuen Straftatbestandes der unterlassenen Anzeige für alle Personen, die der Anzeigepflicht unterliegen;

5. Einrichtung von Sonderabteilungen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung der Kinderpornographie, die auch Schein- und Vertrauenskäufe durchführen dürfen;

6. Abnahme eines genetischen Fingerabdrucks bei jedem Täter zur leichteren Aufklärung künftiger Delikte;

7. Strafdrohung von lebenslanger Freiheitsstrafe für schwere Straftaten im Bereich des Kindesmißbrauchs und der Kinderpornographie;

8. Einführung erhöhter Strafdrohungen für alle Sittlichkeitsdelikte, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen wie etwa zur Herstellung von Kinderpornographie begangen werden;

9. Einführung eines besonderen Erschwerungsgrundes für die vorsätzliche Begehung von strafbaren Handlungen an Kindern;

10. Klarstellung, daß für Vergewaltigungen oder geschlechtliche Nötigungen an Unmündigen dieselben höheren Strafrahmen gelten, wie wenn diese Delikte an Erwachsenen in besonders qualvoller Weise begangen werden;

11. Gleichstellung der Strafdrohung für Vergewaltigung mit Todesfolge mit der für schweren Raub mit Todesfolge (lebenslang);

12. Erhöhung der Strafobergrenze für geschlechtliche Nötigung von drei auf fünf Jahre (wie bei schwerer Nötigung);

13. Ausdehnung des Straftatbestandes der Schändung auch auf Opfer männlichen Geschlechts;

14. Verschärfung der Strafdrohungen im Bereich des Pornographiegesetzes für alle Formen von Kinderpornographie;

15. Schaffung eines neuen Straftatbestandes im Pornographiegesetz für das öffentliche Anpreisen von Sittlichkeitsdelikten an Unmündigen (auch über das Internet);

16. gesetzliches Verbot vorzeitiger Haftentlassung und bedingter Strafen für Sexualstraftäter an Unmündigen;

17. bei psychischer Auffälligkeit des Täters, Tatbegehung mit besonderer Grausamkeit, bei Sittlichkeitsdelikten und im Maßnahmenvollzug (§ 21 Abs. 1 oder 2 StGB): Verbot aller Hafterleichterungen, die mit einem unbeaufsichtigten Entfernen aus der Haftanstalt beziehungsweise dem unbeaufsichtigten Kontakt mit anstaltsfremden Personen verbunden sind, und Bindung der Einleitung des Entlassungsvollzuges an eine vorhergehende gründliche Begutachtung durch anstaltsfremde Sachverständige und an eine darauffolgende gerichtliche Entscheidung, für die auch die anstaltsinternen Erfahrungen mit dem Häftling heranzuziehen sind; wenn das Risiko der Begehung weiterer Straftaten gegeben zu sein scheint, oder wenn eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt und die Tat mit besonderer Grausamkeit begangen wurde, hat die Entscheidung sich am Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zu orientieren;

18. lebenslange Führungsaufsicht nach der Haftentlassung für alle Personen, die wegen sexuellen Kindesmißbrauchs verurteilt wurden (regelmäßige Meldungen bei den Sicherheitsbehörden; dauernde Überwachung und Kontrolle der Therapie; Verbot aller Tätigkeiten, die den Täter mit Kindern in Kontakt bringen würden; nötigenfalls elektronische Kontrolle des Aufenthalts und Bekanntgabe der Vorstrafe bei Nachbarn);


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19. erweiterte Rechte des Opfers im Strafverfahren (Einbindung des Opfers als Prozeßpartei neben dem Staatsanwalt unabhängig von zivilrechtlichen Ansprüchen; Miterledigung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren als Regelfall; umfangreichere und präzisierte Informationsverpflichtung des Gerichtes gegenüber dem Opfer; Berechtigung zum Einbringen von Beweisanträgen; volle Akteneinsicht; Beigebung eines kostenlosen Verfahrenshilfeanwalts bei schwieriger Sach- und Rechtslage ohne Bezugnahme auf die finanziellen Verhältnisse des Opfers; volles Berufungsrecht; Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche auch in freisprechenden Urteilen; vorläufige Entschädigung durch eine vor den Zivilgerichten bekämpfbare Festlegung des Strafgerichtes nach billigem Ermessen; bevorzugte Wiedergutmachung aus der Arbeitsvergütung des Täters in Strafhaft);

20. Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson bei jedem Behördenkontakt des Opfers;

21. weitestgehende Einschränkung der Zahl der Einvernahmen minderjähriger Opfer; Vernehmung nur durch erfahrene und psychologisch geschulte Personen;

22. bevorzugte rasche Abwicklung der Strafverfahren, um das Opfer zu schonen;

23. prinzipielle Wegweisung des Täters aus dem Familienverband zum Schutz des unmündigen Opfers;

24. Soforthilfe für das Opfer durch unmittelbar nach der Anzeige einsetzende Therapie und Betreuung auf Kosten des Täters (staatliche Vorfinanzierung);

25. Ausweitung der Leistungen des Verbrechensopfergesetzes zur Sicherstellung einer unentgeltlichen Betreuung der psychischen Schäden von Unmündigen über das Versorgungsniveau der Krankenversicherung hinaus, zur Gewährleistung einer fairen Berechnung des künftigen Verdienstentganges und zur Übernahme der Schmerzensgeldansprüche;

26. verstärkte Anonymisierung des Opfers und seiner Lebensumstände in der medialen Berichterstattung;

27. verpflichtende Aufklärung und Warnung der Bevölkerung durch die Medien zu den bestmöglichen Sendezeiten analog zur AIDS-Aufklärung und

28. verstärkte Warnung der Kinder und Jugendlichen in Schulen und Kindergärten.

Sowie darüber hinaus sicherzustellen: daß Personen, Organisationen und Medien, die Pornographie und pornographische Darstellungen aller Art herstellen, zeigen, anpreisen, verherrlichen oder auf andere Art und Weise zugänglich machen oder unterstützen, von jeder Förderung aus öffentlichen Mitteln ausgeschlossen sind."

*****

Das ist der Inhalt unseres Entschließungsantrages. Er ist relativ weitgehend und fordert die Regierung auf, in diese Richtung tätig zu werden.

Meine Damen und Herren! Schauen Sie sich die Dimension an, die dieses Deliktsfeld mittlerweile nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa – denken Sie an Belgien, Holland, Deutschland und so weiter – schon angenommen hat, und ich bitte Sie als Kollegen hier im Bundesrat, diesem unseren Entschließungsantrag beizutreten und ihm die Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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12.42

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht in Verhandlung.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Günther Hummer das Wort. – Bitte.

12.42

Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kein Gebiet der Rechtspolitik scheidet die Geister so sehr wie gerade die Strafrechtspolitik. Das wird auch bei der Debatte über das Strafrechtsänderungsgesetz 1998 wieder einmal sehr deutlich.

Man sieht, von welchen Werthaltungen und von welchen Werten von den politischen Trägern ausgegangen wird. Dabei kann man, vereinfacht gesagt – vor allem, wenn man das Protokoll der Nationalratsdebatte zum Strafrechtsänderungsgesetz studiert hat –, zwei Gruppen von Werten und Haltungen unterscheiden.

Da ist einmal die Ideologie jener, die die sogenannte Selbstverwirklichung, die ja so viel in unseren Zeitungen und Zeitschriften herumgeistert, als menschliches Grundideal vor Augen haben. Es mögen dieser Ideologie die Ideen Platos oder die Entelechie von Aristoteles zugrunde liegen: Ziel des Menschen ist es danach, ganz einfach gesagt, unbehindert von Normen der Sitte und der Ethik sozusagen frei der Vewirklichung seiner selbst entgegenzueilen.

Eine solche Sicht des Menschen hält ein Sexualstrafrecht für mehr oder minder verzichtbar, soweit den Mitmenschen nicht geradezu Gewalt angetan wird. Liebe ungestraft ausleben zu dürfen – das war ein Satz, der sich als gängige Formel in den Protokollen des Nationalrates zu diesem Tagesordnungspunkt findet. Eine solche sogenannte liberale Sicht hält aber auch etwa im Bereich des Wirtschaftsrechtes, das in diesem Strafrechtsänderungsgesetz ebenfalls einige bedeutsame Änderungen erfährt, strafrechtliche Bestimmungen etwa gegen den Förderungsmißbrauch oder strafrechtliche Bestimmungen gegen die fahrlässige Krida für entbehrlich.

Den Selbstverwirklichern stehen jene Ideologen gegenüber, die Werte wie Familie, Ehe, Treue, Bewahrung der Jugend hochhalten, selber leben und versuchen, diese Werte gegen Störer und Zerstörer zu verteidigen. Man muß sich dabei der Tatsache bewußt sein, daß die Rechtsordnung durch den Strafrichter dazu nur in sehr eingeschränktem Maße imstande ist. Das Strafrecht ist sozusagen der Rahmen, der das Erträgliche absteckt und das Unerträgliche inkriminiert. Was hiebei tolerierbar erscheint, ist oft mehr, als wir wahrhaben wollen, vom Zeitgeist mitgeprägt.

Vorkommnisse der letzten Zeit haben gezeigt, daß immer mehr Kinder das Opfer sexueller Angriffe sind, wobei sehr oft auch geschäftliche Interessen mit im Spiel sind. Die neugeschaffenen Bestimmungen des § 206 und des § 207 des Strafgesetzbuches errichten einen Damm, der dem sexuellen Mißbrauch von Kindern sehr wohl und mehr als bisher zu begegnen weiß, wie insbesondere Bundesrat Michael Strugl heute schon ausgeführt hat. Der Vorschlag, die Strafen noch höher zu setzen und zum Beispiel beim Mißbrauch mit Todesfolge dieselbe Strafe wie bei Mord, nämlich "Lebenslänglich" festzulegen, verkennt den Wirkungsbereich und die Möglichkeiten der Strafe.

Ich empfehle jedermann, einmal ein Gespräch mit Justizwachebeamten zu diesem Thema zu führen. Der Gedanke der Sühne verflüchtigt sich nämlich nach einer bestimmten Zeit. Bei Aussichtslosigkeit, weil eine nicht endenwollende Strafe in Aussicht steht, ist die Chance der Besserung praktisch nicht mehr gegeben, und bei Triebtätern ist sehr fraglich, ob die abschreckende Wirkung gegeben ist.

Es ist vielmehr die Möglichkeit ins Auge zu fassen, verhaltensgestörte Triebtäter ein Leben lang im Auge zu behalten und Wiederholungstäter auszuschließen, womit sich ja eine Arbeitsgruppe im Bundesministerium für Justiz beschäftigt.

Vornehmste Aufgabe des Staates ist es, Demokratie vor Korruption zu bewahren. Gerade der Beitritt zur EU und die Globalisierung der Wirtschaft überhaupt machen es notwendig, der Korruption auch auf europäischer und internationaler Ebene zu begegnen. – Sie gestatten, daß ich auch einige Wort zum Nicht-Sexualstrafrecht sage.

Das Strafrechtsänderungsgesetz 1998 leistet dazu seinen Beitrag, indem es etwa den Förderungsmißbrauch kriminalisiert und die Straftatbestände der Geschenkannahme, der Beste


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643. Sitzung / Seite 201

chung, der verbotenen Intervention und der Verletzung des Amtsgeheimnisses auf Gemeinschaftsbeamte, Beamte eines Mitgliedstaates und gegebenenfalls auch auf ausländische Beamte ausweitet. Es entspricht damit insbesondere dem Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 26. Juli 1996.

Insgesamt verbessert das Strafrechtsänderungsgesetz 1998 die Situation der Unmündigen. Es bietet die Chance, daß dieser Weg weitergegangen wird, daß den Auswüchsen, die sich da und dort im öffentlichen Leben abzeichnen, begegnet werden kann, sodaß ich beantrage, gegen den diesbezüglichen Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.48


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643. Sitzung / Seite 202

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ernest Windholz. Ich erteile ihm das Wort.

12.48

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geschätzter Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Änderung des § 320 Strafgesetzbuch, das ist der Tatbestand der Neutralitätsgefährdung, erleben wir einmal mehr die schleichende Aushöhlung der Neutralität.

Im Abs. 1 wird genau festgehalten, welche Handlungen unter Strafdrohung stehen. Im Abs. 2 wiederum wird festgehalten, in welchen Fällen Abs. 1 nicht anzuwenden ist, nämlich bisher dann, wenn ein Beschluß des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen über militärische Maßnahmen vorliegt. Das bedeutet allerdings bei Vorliegen eines solchen Beschlusses, daß kriminelle Waffenhändler oder jemand, der in Österreich eine bewaffnete Organisation aufstellt, auch straffrei bleibt.

Das halte ich für eine Lücke – eine Lücke, die aber jetzt nicht geschlossen wird, denn es wird Abs. 2 um zwei Punkte erweitert. Zum einen sind das Maßnahmen der Friedenssicherung im Rahmen der OSZE, und der zweite Punkt bezieht sich auf den Fall, daß ein Beschluß des Rates der Europäischen Union, gegen den Österreich nicht gestimmt hat, aufgrund des Titels des Vertrages über die Europäische Union in der Fassung des Vertrages von Amsterdam nach Maßgabe des Artikels 23 f des Bundes-Verfassungsgesetzes durchgeführt wird.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben vor dem Beitritt zur Europäischen Union immer wieder versichert, daß man niemals einem Beschluß in der EU zustimmen würde, wenn dieser neutralitätsgefährdend ist. Es drängt sich daher, zumindest für kritische Menschen, die Frage auf, warum es dann zu dieser Gesetzesänderung kommt. Kritische Menschen könnten hier durchaus auch meinen, daß neuerlich ein Versprechen der SPÖ an die Bevölkerung nicht eingehalten wird.

In der Frage der Neutralität meinen wir Freiheitliche, daß die Bundesregierung, daß die große Koalition den falschen Weg geht. Es wäre höchst an der Zeit, die Bevölkerung einzubinden und im Rahmen einer Volksabstimmung darüber entscheiden zu lassen. Ich gehe davon aus, daß wir dann § 320 gar nicht mehr benötigen würden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Kindesmißbrauch habe ich den Debattenbeiträgen von Mag. Strugl und Frau Schicker entnommen, daß auch sie meinen, daß hier noch einiges zu geschehen hat, daß noch einiges an Verschärfungen wünschenswert wäre. Der Entschließungsantrag, eingebracht von den Bundesräten Bieringer, Konečny und Kollegen, wonach gegen Kinderpornographie verschärft vorzugehen ist, stellt aus unserer Sicht eine Ergänzung zu unserem Antrag dar. Diese Forderungen sind richtig und wichtig und gehören raschest umgesetzt. Selbstverständlich werden die freiheitlichen Bundesräte diesen Antrag unterstützen. Wir hätten bei rechtzeitiger Vorlage auch die Einbringung unterstützt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesrätin Schicker. )

12.53

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek. Ich erteile es ihm.

12.53

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vorliegende, aus Dringlichkeitsgründen vorgezogene Teilreform des Sexualstrafrechts bringt nicht nur Verschärfungsbestimmungen in der strafrechtlichen Reaktion bei Kindesmißbrauch. Der Gesetzgeber setzt auch einen deutlichen Schritt weg von der Ächtung von Verstößen "gegen die Sittlichkeit" hin zu einer zeitgemäßen, opferbezogenen Wertung. Eine solche Betrachtungsweise wird auch Anknüpfungspunkt für die weiterzuführenden Arbeiten an der Gesamtreform sein.

Bei diesen Reformschritten sollten wir uns freilich eines vor Augen halten: Die Entscheidung über Schutz oder Allein-gelassen-Sein mißbrauchter Kinder fällt primär nicht der Gesetzgeber. Diese Entscheidung fällt das engere oder weitere Umfeld des Kindes, das aufmerksam und sensibel auf Anzeichen und Warnzeichen reagiert und Verantwortung zu übernehmen bereit ist – oder eben leider allzuoft nicht. Diesbezüglich hat in den letzten Jahren erfreulicherweise eine Entwicklung zu erhöhter Sensibilität und zur verbesserten Vernetzung von Hilfseinrichtungen eingesetzt. Darauf ist offenkundig der zu beobachtende Anstieg bei den Anzeigen, bei den Strafverfahren und, entgegen anderslautenden Falschmeldungen in den Medien, auch bei den Verurteilungen zurückzuführen.

Ohne Zweifel hat auch die Lockerung der früher unbedingten Anzeigepflicht öffentlicher Stellen im Sinne einer Senkung der Hemmschwellen durch die Zusicherung von Vertraulichkeit ihren Beitrag zu dieser positiven Entwicklung geleistet. Deshalb sind sich auch die Experten der Kinderschutzeinrichtungen, der Kinderschutzgruppen in den Krankenanstalten und so weiter übereinstimmend darüber einig, daß es keinesfalls zu einer Wiedereinführung der absoluten Anzeigepflicht an die Strafverfolgungsbehörden kommen soll. Ich stimme dieser Ansicht ausdrücklich zu.

Da heute ein rascher Ausbau des Opferschutzes und der Opferhilfe angesprochen wurde, darf ich wiederholen, was ich in einem anderen Zusammenhang schon erwähnt habe, nämlich, daß als Ergebnis der vom Justizministerium mit dem Gesundheitsministerium in den letzten Monaten geführten Gespräche dieses im Herbst eine Novelle zum Verbrechensopfergesetz veranlassen wird, mit der die Kosten für Psychotherapie von Opfern sexuellen Mißbrauchs in den Leistungskatalog dieses Gesetzes einbezogen werden sollen.

Was die heute hier ebenfalls angesprochene Behandlung und Überwachung rückfallsgefährdeter Sexualtäter anlangt, so wurden im Bereich des Straf- und des Maßnahmenvollzugs bereits eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, um die behandlungsbedürftigen Fälle treffsicherer zu erfassen, die Therapiekonzepte zu überprüfen, auch die Fortbildung der medizinischen Sachverständigen zu fördern, insgesamt also die Nachbetreuung zu verbessern. Dabei wird es künftig vermehrt auch um ein wirksames Ineinandergreifen der psychiatrischen Versorgungs- und der zivil- und strafrechtlichen Kontrollsysteme, nicht zuletzt aber auch um eine Finanzierung zuweilen aufwendigerer Therapien bei bestimmten sozialen Randgruppen gehen. Es handelt sich dabei um ressortübergreifende, auch die Länder mit einbeziehende Anstrengungen.

Aus erschütterndem aktuellen Anlaß auch noch ein Wort zur Kinderpornographie im Internet. Es kommt – das möchte ich als erstes sagen – einer Falschmeldung gleich, meine Damen und Herren, wenn in diesem Zusammenhang immer wieder von einem rechtsfreien Raum die Rede ist. Selbstverständlich gelten alle Gesetze, auch die Strafgesetze, einschließlich der Zugänglichmachung und des verbotenen Besitzes von Kinderpornographie, und alle sonstigen Regelungen über die zivil- und strafrechtlichen Verantwortlichkeiten – auch der Provider – im Internet so wie überall auch.

Die besonderen Probleme ergeben sich aus dem per definitionem globalen und grenzüberschreitenden Charakter der modernen Telekommunikationssysteme, nicht zuletzt auch aus den technischen Besonderheiten, vor allem auch was die Identifizierungsmöglichkeit von irgendwo


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643. Sitzung / Seite 203

her kommenden Einspeisungen in das Internet anlangt. Deshalb bedarf es einer noch engeren internationalen Abstimmung und Zusammenarbeit nicht nur im Bereich der Strafverfolgung, sondern auch im Zusammenhang mit der Frage des Zugangs zum Internet, sowohl was das Einspeisen als auch was die Nutzung anlangt.

Neben der Europäischen Union, wo demnächst ein Aktionsplan zur Schaffung eines sicheren Internet, auch im Sinne strafbarer Inhalte, beschlossen werden soll und wo die multidisziplinäre Gruppe zur Umsetzung des Aktionsplans gegen organisierte Kriminalität derzeit die von der Kommission in Auftrag gegebene sogenannte Sieber-Studie der Universität Würzburg zur Ausarbeitung weiterer Vorschläge auswertet, arbeiten auch andere internationale Organisationen, insbesondere der Europarat in umfassendster Weise, aber auch die OECD und die sogenannten G 8, derzeit nachdrücklich an der Aufarbeitung der Probleme, die sich aus der immer rascheren Entwicklung im Technologiebereich ergeben.

Österreich hat gemeinsam mit dem geschiedenen britischen Vorsitz im Rat eine Initiative zur Zusammenführung und Koordinierung all dieser Arbeiten eingeleitet. Unter anderem ist in diesem Rahmen ein baldiger Anschluß sämtlicher EU-Staaten an das bereits bestehende Kontaktnetzwerk der Strafverfolgsbehörden der G 8 geplant. Weitere Schritte in diesem Zusammenhang werden auch im Rahmen der von der Bundesregierung kürzlich eingesetzten Arbeitsgruppe, der neben mir auch die Kollegen Bartenstein und Schlögl angehören, zu beraten sein.

Im Hinblick auf die vom Rat der Europäischen Union schon im Februar 1997 beschlossenen gemeinsamen Maßnahmen, insbesondere betreffend Bekämpfung des Menschenhandels und die sexuelle Ausbeutung von Kindern, befinden wir uns bei all diesen unseren Bemühungen auf europäischer Ebene bereits auf einer akkordierten, festen strafrechtlichen Grundlage. Diese werden wir den leider immer dringender werdenden Erfordernissen entsprechend rasch ausbauen, wobei aber gerade im Zusammenhang mit der Frage Internet weltweite Regelungen und Maßnahmen notwendig sein werden, um zu einem Ergebnis kommen zu können. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.02

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Michael Strugl. – Bitte.

13.02

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kann nicht umhin, noch eine Bemerkung zu den Aussagen von Herrn Bundesrat DDr. Königshofer zu machen. Abgesehen davon, daß der Inhalt Ihres Antrages identisch ist mit jenem, den Ihre Fraktion schon im Nationalrat eingebracht hat – das ist aber nicht neu, das ist auch gar kein Gegenstand –, ist der Beitrag zur Biennale, den Sie hier vorgebracht haben, ebenfalls nicht neu. Wir kennen das zur Genüge aus dem oberösterreichischen Landtagswahlkampf.

Damals hat Ihre Partei versucht, mit diesen Darstellungen – obwohl Sie heute kritisieren, daß sie verbreitet und der Bevölkerung, auch jungen Leuten, zugänglich gemacht werden – Wählerstimmen zu bekommen, und hat das im Zuge der oberösterreichischen Landtagswahl zum Gegenstand ihrer Wahlkampfpropaganda gemacht. (Bundesrätin Haunschmid: Abschreckendes Beispiel!) Ich sage Ihnen eines: Ich persönlich – Sie wissen das ganz genau, Frau Bundesrätin Haunschmid, Sie haben es selbst miterlebt! – kann mich mit diesen Darstellungen, die Sie hier gezeigt haben, auch nicht identifizieren. Überhaupt nicht! (Bundesrätin Haunschmid: Gott sei Dank!)

Sie haben damals Landeshauptmann Pühringer vorgeworfen, er ließe so etwas zu, obwohl er damit überhaupt nicht befaßt gewesen ist. Ihre Partei hat dann genau das gemacht, was Sie hier kritisieren, nämlich das zu verbreiten. Sie haben in Inseraten, in Tageszeitungen, in Flugblättern, die Sie gedruckt und verteilt haben, diese Darstellungen verbreitet, und heute beklagen Sie, daß das ungeeignet und für die Leute eine Zumutung ist. (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Wir haben damals schon gesagt, daß wir es für völlig ungeeignet halten, das zum Gegenstand einer wahlpolitischen Auseinandersetzung zu machen, nur um ein Argument, ein Angriffsargu


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ment bei einer Wahl zu haben. Ich frage Sie: Wie paßt denn das mit dem zusammen, was Sie hier heute gesagt haben? – Sie haben zu Recht die Verbreitung kritisiert, doch im Zuge der Landtagswahl, als es alle Oberösterreicher sehen konnten, haben Sie es inseriert und in Flugblättern verbreitet.

Meine Damen und Herren von der freiheitlichen Fraktion! Ich kann mit so etwas überhaupt nichts anfangen, dafür fehlt mir das Verständnis. Ich lehne eine solche parteipolitisch motivierte Vorgangsweise bei solch einem sensiblen Thema auch entschieden ab! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.06

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Albrecht Konečny, Ludwig Bieringer und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Initiativen gegen Kinderpornographie im Internet vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Initiativen gegen Kinderpornographie im Internet ist daher angenommen. (E.160)

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte DDr. Königshofer und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Schutz unserer Kinder vor Kindesmißbrauch und Kinderpornographie vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag ist daher abgelehnt.

35. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend einen Auslieferungsvertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika (1083, Zu 1083 und 1343/NR sowie 5743/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 35. Punkt der Tagesordnung: Auslieferungsvertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika.


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Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Ferdinand Gstöttner: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Bericht des Justizausschusses liegt schriftlich vor, sodaß ich mich auf den Antrag beschränken kann.

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. – Bitte.

13.08

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Der heute zu behandelnde Auslieferungsvertrag zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika ersetzt den bisher geltenden von 1930, in der Fassung des Zusatzabkommens von 1934. Schon deshalb besteht gewiß kein Einwand dagegen, den Auslieferungsverkehr zwischen beiden Staaten auf neue Rechtsgrundlagen zu stellen, die den veränderten Erfordernissen der Gegenwart entsprechen.

Als aktueller Anlaß wird im Bericht des Justizausschusses die beträchtliche Zunahme der möglichen Auslieferungsfälle angeführt. Höchst pikant, ja fast skurril mutet es freilich an, wenn als Begründung dafür nicht nur der inzwischen sichtvermerkfreie Reiseverkehr zwischen beiden Staaten angegeben wird, sondern auch das niedrigere Preisniveau für Transatlantikflüge. Soll damit etwa ein beiderseitiger Kriminaltourismus zu Diskonttarifen angesprochen werden?

Was nun die Vorzüge des neuen Abkommens anlangt, die ich voll anerkenne, so hebe ich insbesondere die Vereinfachung der materiellen und der prozeduralen Voraussetzungen für die Auslieferung hervor. Der Verzicht auf besondere Beweiserfordernisse – die früheren waren zweifellos allzu formalistisch – ist freilich schon etwas ambivalenter zu beurteilen. Immerhin geht es dabei nicht allein um die möglichst unbürokratische Erledigung der wechselseitigen Auslieferungsbegehren der beiden Vertragspartner. Vielmehr muß zugleich auch das rechtsstaatliche Gebot beachtet werden, verfolgte Personen nicht ohne ausreichenden Tatverdacht der Auslieferung gegen ihren Willen zu unterwerfen. Allerdings ist das auch im vorliegenden Abkommen durchaus gewährleistet.

Aus ähnlichen Erwägungen erscheint aber der Verzicht auf eine taxative Aufzählung der auslieferungsfähigen Delikte nicht ganz unproblematisch. Zumindest hätte es genauerer Überlegungen bedurft, ob aus unserer Sicht nicht bestimmte Deliktstypen von einer Auslieferung hätten ausgenommen werden sollen. Gleiches wäre dann natürlich auch den USA zuzubilligen gewesen. Insbesondere die von der Auslieferung ausgeschlossenen politischen strafbaren Handlungen sind im Abkommen nicht ausreichend definiert.

Ferner ist zwar keine Vertragspartei verpflichtet, eigene Staatsbürger auszuliefern, jede von ihnen ist aber dazu berechtigt, wenn es nach ihrem Ermessen angebracht erscheint und nach ihrem Recht nicht ausgeschlossen ist. Diese Ermächtigung erscheint aus unserer Sicht bedenklich, wenn man sich das politische Gewicht der Vereinigten Staaten von Amerika als ersuchender Staat vor Augen hält. Ebenso vermag ich auch die Regelung zu akzeptieren, daß die Auslieferung wegen Verjährung der Strafverfolgung bloß dann zu versagen ist, wenn die Verjährung nach dem Recht des ersuchenden Staates eingetreten ist. Nach meiner Überzeugung dürfte es auch und gerade dann zu keiner Auslieferung kommen, wenn die Strafbarkeit im ersuchten Staat infolge Verjährung entfallen ist. Zumindest in bezug auf eigene Staatsbürger muß dieser Grundsatz unverbrüchlich gelten.


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Gleicherweise unvertretbar erscheint mir die Übergangsvorschrift, daß dieser Vertrag, der die Auslieferung künftig erheblich erleichtert, auch auf strafbare Handlungen Anwendung findet, die vor seinem Inkrafttreten begangen worden sind. Denn dies widerspricht dem international allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, daß es zu keiner rückwirkenden Verschlechterung der Rechtsposition des strafrechtlich Verfolgten kommen darf. War doch für den berühmten Strafrechtslehrer und Kriminalpolitiker Franz von Liszt die rechtsstaatliche Garantie des "nullum crimen et nulla poena sine lege" und das damit verbundene Verbot rückwirkender Strafgesetze die Magna Charta des Verbrechers.

Demgegenüber verdient es meines Erachtens wiederum uneingeschränkte Anerkennung, wenn unsere Vertragsverhandler im vorliegenden Abkommen eindeutig verankern konnten, daß bei einer Auslieferung durch Österreich sowohl die Verhängung der Todesstrafe als auch ihr Vollzug nach einem entsprechenden früheren Urteil in den USA ausgeschlossen ist. So selbstverständlich uns das als einem Land erscheinen mag, das seit Jahrzehnten auch international engagiert gegen die Todesstrafe auftritt, so schwierig war es – ich verkenne das nicht –, die Vereinigten Staaten von Amerika zu dieser Restriktion ihrer Strafgerichtsbarkeit zu bewegen.

Ungeachtet dieser überwiegend positiven Aspekte des neuen Auslieferungsabkommens muß jedoch zuletzt auf einen gravierenden Mangel aufmerksam gemacht werden. Trotz entsprechender Bemühungen von österreichischer Seite – ich erkenne auch das an – verstanden sich nämlich die USA leider nicht dazu, sich in diesem Abkommen zu verpflichten, keine völkerrechtswidrigen Mittel einzusetzen, um Straftäter gegen ihren Willen und unter Umgehung eines ordnungsgemäßen Auslieferungsverfahrens auf ihr eigenes Territorium zu verbringen. Das gibt zu ernsten Bedenken Anlaß:

Hat doch der Supreme Court im Jahre 1992 im Fall "United States versus Alvarez-Machain" ausgesprochen, daß auch die gewaltsame Entführung eines Beschuldigten in die Vereinigten Staaten kein Hindernis für die Strafverfolgung dieser Person darstellt. Ein Beschuldigter könne nur dann in den Vereinigten Staaten nicht verfolgt werden, wenn der anzuwendende Auslieferungsvertrag verletzt worden wäre. Wenn aber ein Auslieferungsvertrag die gewaltsame Entführung eines Beschuldigten nicht ausdrücklich verbiete, könne das amerikanische Gericht seine Gerichtsbarkeit über den Beschuldigten ausüben. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika habe nur zu beurteilen, ob der anzuwendende Auslieferungsvertrag verletzt worden sei, nicht jedoch, ob durch die gewaltsame Entführung allgemein anerkannte Grundsätze des Völkerrechts mißachtet worden wären. Auch könnten diese allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts nicht zur Auslegung eines Auslieferungsvertrages herangezogen werden.

Mit gutem Grund hat daher der Bundesminister für Justiz in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage von 1993 ausdrücklich festgehalten: "Von österreichischer Seite wird nunmehr im Hinblick auf die oben angeführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten von Amerika die Aufnahme einer Vertragsbestimmung in den neuen Auslieferungsvertrag verlangt werden, wonach die Entführung eines Beschuldigten durch Gewalt oder List in die Vereinigten Staaten zum Zwecke der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung eine Verletzung des Auslieferungsvertrages darstellt." – Eben diese Absicherung ist im vorliegenden Übereinkommen mit den USA leider nicht erreicht worden.

Es mutet daher vor diesem Hintergrund leicht zynisch an, wenn Abgeordneter Dr. Schwimmer im Nationalrat dazu erklärt hat, daß es völlig entbehrlich sei, einen Vertragspartner an die Einhaltung der Regeln des allgemeinen Völkerrechts zu binden. So leid es mir tut, kann ich auch insofern dem Herrn Bundesminister, der die zitierte Anfragebeantwortung erstattet hatte, darin nicht folgen, wenn er im Nationalrat dazu erklärt hat, daß eine entsprechende Bestimmung in einem Auslieferungsvertrag ganz unüblich sei. Denn das träfe ja nur dann zu, wenn sich das US-amerikanische Höchstgericht nicht gerade auf die konkrete Ausgestaltung des zu beurteilenden Auslieferungsvertrages berufen hätte.

Deshalb verstehe ich auch nicht, weshalb der Entschließungsantrag des Abgeordneten Dr. Ofner und anderer keine Mehrheit im Nationalrat gefunden hat. Denn dieser zielte doch lediglich


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darauf ab, anläßlich des Austausches der Ratifikationsurkunden in einer diplomatischen Note klarzustellen, daß Österreich beim Abschluß des Auslieferungsvertrages davon ausgeht, daß die Vereinigten Staaten von Amerika bei der Auslegung des Auslieferungsvertrages die Normen des Völkerrechtes uneingeschränkt beachten werden.

Ich fasse zusammen: Zwar erachte ich die erwähnte Rechtsprechung des Supreme Court schon vom Standpunkt des allgemeinen Völkerrechts aus für völlig verfehlt, in dessen Rahmen sich auch völkerrechtliche Vereinbarungen zu bewegen haben. Das ändert indes nichts daran, daß sich die USA nicht stets an diese Schranken des internationalen Rechtsverkehrs halten. Die erwähnte Entscheidung war nämlich durchaus kein Einzelfall. Deshalb wäre gerade eine solche vertragliche Klarstellung unerläßlich und unverzichtbar. Daß wir diese nicht nur im Interesse an der Respektierung unserer staatlichen Souveränität, sondern auch zur Wahrung einer rechtsstaatlichen Rechtspflege zwingend gebotene Garantie preisgegeben haben, ist mir unverständlich. Wir erachten dieses Defizit nicht zuletzt auch aus menschenrechtlicher Perspektive für so schwerwiegend, daß wir dem Abschluß dieses Staatsvertrages unsere Zustimmung versagen müssen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Franz Richau zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

13.18

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates über den Auslieferungsvertrag zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten stellt für mich eine wesentliche Verbesserung der Auslieferungsmöglichkeiten und auch der formellen Auslieferungsmodalitäten zwischen diesen beiden Staaten dar. Er entspricht jenem Standard, der schon längst hätte gelten sollen.

In diesem gegenseitigen Vertrag sind nicht nur die Verbesserungen im Bereich der Auslieferungsmöglichkeiten für mich wichtig. Es gibt keine taxative Aufzählung der Delikte mehr, sondern nur mehr die Bestimmung, daß jede strafbare Handlung, die mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr bedroht ist, beurteilt wird. Es wird auch sehr genau angegeben, wann und mit welcher Begründung einem Auslieferungsbegehren nicht stattgegeben werden muß – seien es die in den Artikeln 4 und 8 angeführten Bestimmungen im Bereich der politischen und militärischen strafbaren Handlungen oder sei es die Verhängung der Todesstrafe.

Meine Fraktion wird diesem Beschluß gerne die Zustimmung geben, weil er folgendes ermöglicht: Erstens wird festgehalten, daß österreichische Staatsbürger nicht ausgeliefert werden müssen. Zweitens wird festgehalten, daß kein Vertragsstaat verpflichtet ist, eine Auslieferung durchzuführen, wenn die Todesstrafe zum Einsatz kommt und auf deren Durchführung nicht verzichtet wird oder wenn diese bereits in Abwesenheit verhängt wurde und auf deren Vollziehung nicht verzichtet wird. Drittens – das scheint für mich als Exekutivbeamten besonders wichtig zu sein – ermöglicht er uns, der immer stärker um sich greifenden internationalen Kriminalität zumindest in Teilbereichen entgegenzutreten.

Hätte ein Gesetz mit ähnlichen Bestimmungen mit Brasilien Gültigkeit, würden wir heute eher wissen, was tatsächlich in der Causa des in U-Haft befindlichen Nationalrates Rosenstingl passiert ist. Dieser müßte dann nicht im Ausland über "News" Rede und Antwort stehen und müßte dann nicht den eventuellen russischen Machenschaften, die von Ihrer Partei der Bundesregierung vorgeworfen werden, entsprechen. Viele Probleme hätten wir nicht mehr.

Geschätzte Damen und Herren! Unser Verständnis von Menschenrechten und unsere konkrete Ablehnung der Todesstrafe stimmt mit diesen im Vertrag festgelegten Bestimmungen überein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)


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13.20

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster erteile ich Frau Bundesrätin Hedda Kainz das Wort. – Bitte.

13.20

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wie Sie den Erläuternden Bemerkungen zu diesem Vertrag entnehmen konnten, ist der Anlaß für diesen gewesen, daß der bereits bestehende und seit vielen Jahren angewandte Auslieferungsvertrag in der Durchführung Mängel mit sich gebracht und immer wieder zu Definitionsschwierigkeiten geführt hat. Der neu formulierte Vertrag wird diese Mängel nicht mehr aufweisen, sodaß eine Klarstellung gegeben ist.

Es ist hier schon darauf hingewiesen worden, daß die eindeutige Klarstellung, eigene Staatsbürger nicht auszuliefern, positiv zu sehen ist und der Hinweis auf die Situation in den USA bezüglich der Todesstrafe sehr klar formuliert ist. Ich mache kein Hehl daraus, daß gerade diese Passage mich dazu veranlaßt hat, mich zu Wort zu melden, weil ich Sie wieder einmal – ich habe das von dieser Stelle aus auch schon einmal in einem anderen Zusammenhang getan – mit der Situation der Todesstrafe in den USA konfrontieren möchte. Erlauben Sie mir, daß ich die diesbezüglichen Zahlen wiederhole.

Seit dem Jahr 1976 wurde in insgesamt 38 Staaten der USA die Todesstrafe wieder eingeführt. Es liegt mir sehr daran, darauf hinzuweisen, daß sich die diesbezügliche Situation bereits einmal verbessert hatte, es aber zurzeit dennoch wieder zu einer Verschlechterung gekommen ist. Denn die Todesstrafe ist im Rahmen des Strafausmaßes nicht nur wieder möglich, sie wird auch vollstreckt! Seit 1976 wurde die Todesstrafe 432mal exekutiert, auch an jugendlichen Straftätern. Doch möchte ich mir die Nennung von detaillierten Zahlen ersparen.

Meine Damen und Herren! Diese wenigen Hinweise auf die Situation im Zusammenhang mit der Todesstrafe und der allgemeinen Einstellung, daß die Todesstrafe ein angemessenes Strafmittel darstellt, sollten uns meiner Meinung nach zur einhelligen Meinung und zur gemeinsamen Auffassung bringen, daß die Todesstrafe auch angesichts noch so verabscheuungswürdiger Verbrechen kein angemessenes Strafmittel sein kann.

Gott sei Dank haben wir sowohl in Europa als auch in Österreich eine andere Auslegung von angemessenen Mitteln. Die Wiedereingliederung von Tätern, soweit sie aufgrund ihrer Straftaten möglich ist, ist ein Aspekt. Der Schutz der Opfer und die Prävention haben das zu sein, was uns als Rechtsmittel angemessen erscheint. In anderem Zusammenhang wurde dies heute auch schon ausgeführt. Meiner Meinung nach unterstützt die Passage im Auslieferungsvertrag mit Amerika bezüglich der Todesstrafe diese Meinung ganz klar und deutlich. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

36. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Zivilrecht begleitende Maßnahmen für die Einführung des Euro getroffen, das Handelsgesetzbuch, die 4. handelsrechtliche Einführungsverordnung, das Aktiengesetz, das Gesetz


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über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Kapitalberichtigungsgesetz, das Spaltungsgesetz, das Firmenbuchgesetz und das Preisauszeichnungsgesetz geändert sowie einige Bestimmungen über Fremdwährungs- und Goldklauseln aufgehoben werden (1. Euro-Justiz-Begleitgesetz – 1. Euro-JuBeG) (1203 und 1344/NR sowie 5744/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 36. Punkt der Tagesordnung: 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig übernommen. – Er ist aber nicht anwesend.

Ich bitte den Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn Bundesrat Josef Rauchenberger, den Bericht zu verlesen.

Berichterstatter Josef Rauchenberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Zivilrecht begleitende Maßnahmen für die Einführung des Euro getroffen werden, das Handelsgesetzbuch, die 4. handelsrechtliche Einführungsverordnung, das Aktiengesetz, das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Kapitalberichtigungsgesetz, das Spaltungsgesetz, das Firmenbuchgesetz und das Preisauszeichnungsgesetz geändert sowie einige Bestimmungen über Fremdwährungs- und Goldklauseln aufgehoben werden.

Der Bericht liegt schriftlich vor. Ich darf daher den Antrag stellen.

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Ich bitte um Verhandlung.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile es ihm.

13.26

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der letzten Sitzung vor wenigen Wochen haben wir das 1. Euro-Finanzbegleitgesetz beschlossen. Heute beschließen wir das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz. Ob wir es wollen oder nicht – die meisten hier im Saal wollen es –, ist dies ein weiterer wichtiger Schritt hin zur europäischen Einheitswährung, zum Euro.

Gleichzeitig – das sage ich mit einiger Wehmut – ist es ein weiterer Schritt hin zum Abschied vom Schilling: Der Schilling ist momentan 73 Jahre alt. Aber er ist weder senil noch kränklich (Bundesrat Prähauser: 73 Jahre mit Unterbrechung! Die Reichsmark war dazwischen!), sondern auch im siebenten Jahrzehnt noch kerngesund, kräftig und begehrt, also durchaus rüstig. – Mit Unterbrechungen! Wenn man das so sieht wie du, ist der Schilling 67 Jahre alt. Er ist also noch jünger und rüstiger.

Vielen wird es irgendwie schwer ums Herz, wenn sie daran denken, wie die Entwicklung seit 1945 verlaufen ist. Es war eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung: Aufbau der Republik, das erste Sparbuch, die erste Sparbüchse, Wohlstand, Sicherheit und Kontinuität. All das hängt mit dem österreichischen Schilling zusammen.

Die älteren Menschen in unserem Land haben in diesem Jahrhundert bis zu fünf Währungsumstellungen erlebt oder davon gelesen. In einer Situation, in der die österreichische Wirtschaft besonders gut funktioniert, gibt es nun eine weitere.


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643. Sitzung / Seite 210

Es ist auch vielen etwas schwer ums Herz, die unser Volksbegehren nicht unterschrieben haben. Meiner Meinung nach ist die Stimmung heute nämlich schon wesentlich anders, als sie während der Abhaltung des Volksbegehrens war. Wir können für uns in Anspruch nehmen, daß wir Freiheitliche die einzigen gewesen sind, die – zwar erfolglos, aber immerhin! – um den Schilling gekämpft haben. Unserem Präsidenten, der bei seiner Inaugurationsrede gesagt hat: "Jede Zeit hat ihre Wahrheit", stimme ich zu. Ich bin überzeugt davon, daß die Zahl der in dieser Angelegenheit mit uns Verbündeten ständig im Steigen begriffen ist.

Ich erwähne nur den Wegfall der Anonymität bei den Sparbüchern, der gewissermaßen vor der Tür steht. Es hat zwar eine Reihe von Erklärungen gegeben, daß dies nicht passieren wird. Wie Sie aber wissen, wird der Europäische Gerichtshof keine Gnade mit Österreich haben und die Anonymität der Sparbücher abschaffen. Gleichzeitig sollte es zu einer Verschärfung des Bankgeheimnisses kommen. Das ist aber noch nicht geschehen.

Es gibt also eine Reihe von Problemen. Die Österreicher sind nicht davon überzeugt, daß diese Entwicklung richtig ist. Ich erlebe fast täglich, daß man etwa folgendes gefragt wird: Was wird passieren, wenn es die Anonymität nicht mehr gibt? Soll ich dann vielleicht nach Liechtenstein oder sonst irgendwohin fahren? – Ich könnte mir ohne weiteres vorstellen, daß auch Kolleginnen und Kollegen solche Überlegungen anstellen. Doch nach außen hin wird behauptet, alles wäre in bester Ordnung und sozusagen "okay". (Präsident Gerstl übernimmt den Vorsitz.)

Was wirklich okay und in Ordnung ist und auch von Profis gemacht wurde, ist die heutige Regierungsvorlage. Ich muß dem Herrn Bundesminister und seinen Mitarbeitern wirklich gratulieren: Was den Aufbau betrifft und wie diese Regierungsvorlage insgesamt vorliegt, ist trotz intensiven Suchens – ich gebe das zu – nur wenig zu kritisieren. Denn die Regierungsvorlage ist einfach gut und deckt all das ab, was in der gegenwärtigen Situation von der rechtlichen Umstellung her abzudecken ist.

Bei der Ersetzung des Diskont- und Lombardsatzes ist vielleicht darin noch eine kleine Unsicherheit gegeben, daß die Bundesregierung zur Feststellung von Veränderungen mit dem Basis- und Referenzzinssatz – weil Lombard- und Diskontsatz wegfallen – ein neues Instrument schaffen wird. Diese Bestimmung könnte man als etwas verunsichernd kritisieren.

Der in § 2 genannte EURIBOR, dieser Zinssatz zur Bemessung des Geldmarktes, fällt ebenfalls weg.

In bezug auf § 2 ist festzustellen, daß der WIBOR – der Zinssatz zur Bemessung des Geldmarktes – ebenfalls wegfällt.

Man ist nicht sicher, daß sich die neue Rate, der EURIBOR, genauso stabil und langfristig richtig entwickeln wird.

Betreffend § 5 ist es verwunderlich, daß man in Abs. 3 einen Trick gefunden hat, und zwar im Zusammenhang mit den Eintragungen in das Grundbuch, daß die Währungsbezeichnungen im Antrag und im Grundbuch anzuführen sind. Die Eintragungen können auf Schilling lauten. Sie können aber auch auf alle anderen Währungen lauten, die im Euro zusammengefaßt sind, also auch auf Euro. Natürlich ist Vorsicht geboten, wenn man als Nachpfand-Gläubiger unaufmerksam ist, wenn keine Währung dabeisteht. Geht man bei Grundbuchseintragungen davon aus, daß das Schilling sind, Herr Bundesminister? (Bundesminister Dr. Michalek: Ja, wenn man sonst die Zigmillionen Umstellungen pro forma nimmt!) – Das ist organisatorisch durchaus logisch.

Daß in § 3 der komplette Europäische Wirtschaftsraum einbezogen wurde, da kann ich mir nur vorstellen, daß das ein Wunsch der Banken gewesen ist, daß auch die Schweizer-Franken-Kredite, die sehr oft nachgefragt werden, darin enthalten sind. Aber das ist in Österreich kein Problem, denn wenn die Banken einen Wunsch haben, dann ruft Generaldirektor Randa Herrn Bundeskanzler Klima an und sagt: Lieber Viktor, ich könnte mir das vorstellen, könntest du da nicht ... ! – Das passiert meistens. Das ist momentan Übung in Österreich. Interessanterweise sind Dollar oder Yen nicht darin enthalten.


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643. Sitzung / Seite 211

Völlig richtig und logisch ist, daß § 3 die "Angabe von Euro und Schilling in Verträgen" vorsieht. Für die Zeit nach dem 1. Jänner 2001 wird – momentan ist die Vorlage in Begutachtung – für einen gewissen Zeitraum eine doppelte Preisauszeichnung vorgesehen sein, auch das ist durchaus vernünftig und logisch.

Über den Zeitpunkt – so lobt sich natürlich der Herr Bundesminister und auch die leitenden Herren im Ministerium – kann man quasi selbst entscheiden, welchen man zwischen 1. Jänner 1999 und 31. Dezember 2001 wählt. Das kommt mir ungefähr so vor, als ob man auf einem Felsen stünde und sagen würde: Dort unten ist das dunkle Meer, und da habe ich hineinzuspringen. Den Zeitpunkt kann ich selbst auswählen: von 9 Uhr vormittags bis zum Dunkel-Werden. – Dann ist das kein Zwang, keine Behinderung, wie es in der Gesetzesvorlage steht, aber man muß springen. Das ist einmal sicher. (Bundesrat Prähauser: Schwimmen mußt du können!) Man muß in das unsichere Meer hinunterspringen, aber man kann dann von sich behaupten, man hätte keinen Zwang und keine Behinderung ausgeübt, sondern nur die Tatsache hat stattgefunden.

Ich sage das deshalb, weil dieser Zeitpunkt vor allem bei den kleineren und mittleren Unternehmen nicht ganz frei zu wählen ist. Die Großen werden wahrscheinlich sofort den 1. Jänner 1999 nehmen, weil eine Umstellung auf Euro Dynamik, Zukunftszugewandtheit, etwas Positives signalisiert. Die Kleinen werden sich nach ihren größeren Partnern richten müssen, was diese tun, wann diese umstellen, nach den wichtigsten Lieferanten, den wichtigsten Abnehmern, danach, wann es am vernünftigsten ist, die Bilanz umzustellen, die Zahlung von Schilling in Euro umzustellen.

Es gibt, so glaube ich, für die kleinen und mittelständischen Unternehmer, wenn es keine Banken gäbe – diese muß man auch einmal loben –, viel zuwenig Information und viel zuwenig greifbare Hinweise, wie man das tatsächlich angeht, wie das mit der EDV-Umstellung funktionieren soll.

Ich hätte fast den Euro-Bus vergessen, den es natürlich auch gegeben hat. Das war eine ganz tolle Geschichte. Dieser Bus ist durch alle österreichischen Bundesländer gefahren, Sie, meine Damen und Herren als fleißige Bundesräte, haben das sicherlich auch in Ihrer jeweiligen Landeshauptstadt gesehen. Da kommt der Euro-Bus, das wird groß angekündigt, auch der Herr Staatssekretär kommt. Er kommt mit einem großen Gefolge auf den jeweiligen Hauptplatz. Dort stehen zwei Schulklassen, die sich freuen, denn sie haben einen Tag schulfrei, das ist immer lustig. Dort stehen auch ein paar ältere Herren, Senioren, Pensionisten.

Der Herr Staatssekretär kommt natürlich in Mitternachtsblau mit roter Krawatte, damit er sich gleich vom Wähler abhebt – das ist logisch –, daß man gleich sieht, das ist etwas Besonderes. In seinem Gefolge kommen die lokalen Politiker. Ich habe das genau verfolgt, das war keine Information im Sinne von Information.

Der Herr Staatssekretär hat dort natürlich alle Hände zu schütteln – den Politikern, die er dort trifft, denn jeder Lokalpolitiker möchte gerne vom Herrn Staatssekretär begrüßt werden; für die Informationssuchenden hat es eher nicht gereicht, dazu gibt es keine Zeit.

Uns als Oppositionspolitikern geht es auch besser, denn uns übersieht der Staatssekretär bei so etwas sowieso immer. Das stört uns aber überhaupt nicht, weil wir statt dessen Zeit haben, uns mit den Wählern zu unterhalten und zu sagen: Da kommt jetzt der Euro, der kommt auf Sie zu.

Aber es ist interessant, wenn die Fotografen verschwinden und der letzte Fotograf ein Foto gemacht hat – am besten noch, wenn sich der Herr Staatssekretär mit einem Pensionisten unterhält und ihm erklärt, wie das mit dem Euro herrlich wird, und dieser dann Gott sei Dank keinen Schilling mehr hat. Dabei macht er das Foto, aber kaum ist der Fotograf verschwunden, sieht man auch den Staatssekretär nicht mehr. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist in Österreich so. Aber die ÖVP ist da natürlich auch sehr hilfreich, weil dann der Sektionsobmann der Kreditsektion kommt, der den Herrn Staatssekretär an der Hand nimmt, und dann gehen sie in das feinste Lokal in der Landeshauptstadt speisen. Und das war die tolle


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Information über den Euro! Wenn Sie am nächsten Tag die Lokalpresse aufschlagen, dann sieht man auf einem Foto den Herrn Staatssekretär – im Hintergrund der Bus, und die Schulklassen sammeln die Prospekte. Die Prospekte sind übrigens sehr schön, weil viele davon blau sind. Das wird dann gesammelt, das nehmen sie dann in die Schulklasse mit, und dann ist noch ein Foto in der Zeitung. Sie sagen: Jetzt haben wir für die Einführung des Euro wieder etwas Gutes gemacht. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Nein, Herr Kollege! Wenn Sie das verfolgen, stellen Sie fest: Es ist sehr viel "Alibi" dabei. Man hat zwar jetzt viel gemacht, einen Sternspritzer angezündet und eine Aktion gestartet, aber in Wirklichkeit – gehen Sie in die Betriebe, dann werden Sie es sehen – herrscht große Unsicherheit. (Bundesrat Steinbichler: Der Rosenstingl kennt sich bei Fremdwährungen gut aus!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Rest im Gesetz ist in Ordnung. Die Erhöhung, die Einführung der Stückaktie, die Kontinuität von Rechtsinstrumenten und Verträgen ist klar. Es ist ganz klar, daß es nicht hätte sein dürfen, wenn jetzt jemand kommt und sagt, ein wesentlicher Grund ist der Betrag oder die vereinbarte Summe – Pachtvertrag, längerfristiger Vertrag –, darin steht Schilling, jetzt gibt es keinen Schilling mehr, sodaß das jetzt ein Grund ist, den Vertrag zu kündigen. Natürlich steht im Gesetz, das ginge alles nicht. Das ist perfekt gemacht, da kann man nichts sagen.

Betreffend Kosten steht darin nur, daß für die öffentliche Hand relativ wenig Kosten entstehen. Was bei den Unternehmern passiert, steht hier nicht, das haben wir aber hier im Hohen Bundesrat den Herrn Bundesminister für Finanzen gefragt, der sehr indigniert war, als ich in der Fragestunde gefragt habe: Herr Bundesminister, gibt es kein Verursacherprinzip? – Da hat er mir und natürlich auch Ihnen allen gesagt, es gebe kein Verursacherprinzip, denn daß da Kosten entstehen, sei klar, das trägt natürlich jeder selbst, auch wenn man das nicht verursacht hat.

Es ist nicht vorgesehen, daß hier etwas abgenommen wird. Das einzige Positive steht drinnen: Um nicht weitere Kosten zu erhöhen, sind Anpassungen der Satzungen und Gesellschaftsverträge, Eintragungen ins Firmenbuch – dankenswerterweise, muß man sagen – von den Gerichtsgebühren befreit.

Betreffend Notariate hat der Herr Bundesminister in seiner Profession sicher ein bisserl nachgeholfen und gesagt: Liebe Freunde! Wir müssen auch von den Notariaten her etwas tun. – Diese haben am Delegiertentag vor zwei Jahren beschlossen, wenn es Beurkundungen gibt, die im Zusammenhang mit der Umstellung von Schilling auf Euro notwendig sind, werden die Herren Notare kein Honorar einfordern. Das ist dankenswerterweise – sie sollen auch hier gelobt werden – eine große Tat.

Die Weichen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für den Euro sind gestellt, ob es uns gefällt oder nicht. Sollte etwas schiefgehen, sollte etwas nicht klappen, werden uns die Damen und Herren der Regierungsparteien, der Bundesregierung bestimmt erklären, warum das so kommen mußte und daß ohnehin nichts passiert ist.

Wir Freiheitliche hoffen im Interesse aller Österreicherinnen und Österreicher, daß die Umstellung gutgeht. Wir sind nicht so, daß wir sagen, es solle nicht gutgehen, wir hoffen, daß das alles klappt. Die legistischen Voraussetzungen sind mit dieser Regierungsvorlage sicherlich erfüllt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.39

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer. Ich erteile ihm dieses.

13.39

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Kollege Harring! Es freut mich, daß Sie trotz gewisser Bedenken doch im Schlußsatz positive Aspekte hinsichtlich der Kosten gefunden haben, aber vor allem hinsichtlich des Bemühens des Justizmini


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steriums, ein legistisches Instrument zu schaffen, das die Einführung des Euro im Justizbereich, im Zivilrecht und im Handelsrecht zweifellos zu meistern hilft.

Meine Damen und Herren! Ich glaube aber, daß wir noch sehr viel Informationsarbeit zu verrichten haben werden. Darin gebe ich Ihnen völlig recht. Ich würde Sie auch gerne einladen, mit einer objektiven Darstellung der Sachverhalte dabei mitzuhelfen. Es gilt vor allem – und dazu dient diese Regierungsvorlage, dient auch die Übergangszeit, die am 1. Jänner 1999 beginnt und am 31. Dezember 2000 endet –, die legistischen Instrumente für diese Übergangszeit zu schaffen, sodaß die Handhabung der gemeinsamen Währung erleichtert und ermöglicht wird und Probleme sozusagen im Vorfeld bewältigt werden.

Es ist für den Konsumenten erfreulich, daß die doppelte Preisauszeichnung gekommen ist, man sich also im Vorfeld des Nationalratsbeschlusses darauf geeinigt hat. Auch über die Angaben von Beträgen jeweils in Euro und Schilling in den Verträgen, vor allem in den Langzeitverträgen, ist im Interesse einer Kontinuität eine Lösung gefunden worden, wobei immer wieder festzustellen ist, daß es keinerlei Änderungen der Wertverhältnisse gibt. Das ist überhaupt in dieser Diskussion an die Spitze zu stellen: Wir müssen vor allem den alten Menschen immer wieder sagen, daß es mit der Einführung des Euro keine wie immer geartete Änderung der inneren Kaufkraft gibt, daß dadurch keinerlei Verluste eintreten werden.

Bei den Unternehmern ist der Bedarf nach der raschen Verfügbarkeit des Euro im Gesellschafts- und im Handelsrecht verständlicherweise sehr groß. Das Gesetz sieht Regelungen für die Gründung von Kapitalgesellschaften in der Übergangsphase vor. Neu ist ein Basiszinssatz statt Lombard- und Diskontsatz, es gibt Bestimmungen über die Quotenaktie – das wurde hier schon angesprochen – und, wie gesagt, verschiedenes mehr. Das Gesetz ermöglicht entsprechende Rechtssicherheit im Gesellschaftsrecht und im Handelsrecht, Sicherheit, die unsere Unternehmen, unsere Wirtschaft benötigen.

Zweifellos wichtig ist der Aspekt der Kosten – Kollege Harring hat das schon angeführt. Es entstehen im Zuge der Anpassung der einzelnen Firmen und Gesellschaften bei den Gerichten und beim Grundbuch sowie beim Firmenbuch keinerlei zusätzliche Kosten. Die öffentliche Hand hat in diesem Bereich keinerlei Gebührenansprüche zu stellen.

Last but not least darf ich anführen, daß wir Notare auch gerne bereit waren, unseren Obolus beizutragen und im Sinne einer zukunftsorientierten Arbeit, die eine gute wirtschaftliche Basis für unsere Unternehmen ist, unsere Arbeit kostenlos zu verrichten.

Meine Damen und Herren! Ich denke, daß dieses Euro-Einführungsgesetz im Zivil- und Handelsrecht ein gutes Instrument ist, sodaß es für die Wirtschaft eine Basis gibt, diese Herausforderung, also die Euro-Einführung mit 1. Jänner 1999, zu meistern. Meine Fraktion wird diesem Beschluß gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.44

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Kraml. Ich erteile ihm dieses.

13.44

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn man ein Werbemittel einsetzt, dann weiß man bekanntlich nie, wie erfolgreich man letztendlich sein wird. Da Kollege Dr. Harring dem Euro-Bus so breiten Raum gewidmet hat, weiß ich jetzt, daß er erfolgreich war. (Bundesrat Dr. Harring: Zugehört hast du überhaupt nicht!)

Meine Damen und Herren! Die Einführung des Euro erfordert die Anpassung von Gesetzen und Rechtsvorschriften auch im Bereich der Justiz. Zum großen Teil handelt es sich um formale Adaptierungen, in einigen wenigen Bereichen gibt es Änderungen, und in gewissen Bereichen gibt es bereits zum 1. Jänner 1999 Handlungsbedarf.


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Wir schaffen mit dem 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz alle entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen im Gesellschafts- und Handelsrecht. Im Aktienrecht wurden auch die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen. Künftig wird die Ausgabe der nennwertlosen Aktie möglich sein. Die nennwertlose Aktie – bisher gab es nur die Nennbetragsaktie – stellt eine Systemänderung im geltenden Aktienrecht dar.

Während des Übergangszeitraums vom 1. Jänner 1999 bis zum 31. Dezember 2001 soll es der Wirtschaft grundsätzlich freigestellt sein, den Euro oder die nationale Währungseinheit zu verwenden. Um den Grundsatz dieser Wahlfreiheit zu verwirklichen, sind gesetzliche Änderungen notwendig, die wir mit diesem Gesetz beschließen.

Während des gesamten Übergangszeitraums soll es der Wirtschaft möglich sein, in Vorbereitung auf die endgültige Einführung des Euro Satzungen und Gesellschaftsverträge den neuen Bestimmungen anzupassen. Diese Übergangszeit ist sehr wichtig. Wir gehen sozusagen gleitend in die neue Währung.

Meine Damen und Herren! Die Währungsumstellung trifft aber nicht nur die Wirtschaft, das Aktienrecht, das Gesellschafts- und Handelsrecht, sondern sie schafft auch für die Konsumentinnen und Konsumenten eine gewaltige Veränderung. Wir alle werden uns erst an die neue Währung gewöhnen müssen, und zwar auch an die Größenordnung der neuen Währung.

Das Verlangen der Konsumentenschützer, zumindest drei Monate vor bis drei Monate nach der Umstellung die Preisauszeichnung doppelt durchzuführen, halte ich für unabdingbar. Die neue Währung muß verinnerlicht werden, wir müssen das richtige Gefühl dafür bekommen.

Meine Damen und Herren! Den bisherigen Währungsänderungen in unserem Land gingen jedesmal wirtschaftliche und politische Katastrophen voraus. Aber diesmal ist sie ein weiterer Baustein zum friedlichen Zusammenleben und zum Zusammenwachsen der EU. Die gemeinsame Währung fügt sich damit organisch in das Vorhaben zur Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes ein.

Meine Damen und Herren! Bei der Umstellung auf den Euro geht es neben all den technischen Abläufen vor allem um die Transparenz. Die Umstellung darf zu keinen versteckten Teuerungen oder zu allgemeinen Preiserhöhungen führen. Daher noch einmal: Den Konsumentinnen und Konsumenten muß die Möglichkeit des Vergleichs und der Kontrolle gegeben werden, und zwar in so einfacher Weise wie möglich.

Das vorliegende Gesetz liefert die Möglichkeit, die entsprechenden Vorbereitungsschritte zu setzen. Die SPÖ-Fraktion wird daher diesem Gesetz die Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.48

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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37. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 über ein Bundesgesetz betreffend Übernahmeangebote (Übernahmegesetz – ÜbG) sowie über Änderungen des Börsegesetzes und des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 (1276 und 1345/NR sowie 5745/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen zum 37. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz betreffend Übernahmeangebote sowie über Änderungen des Börsegesetzes und des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig übernommen.

Berichterstatter Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Justizausschusses zum Übernahmegesetz liegt schriftlich vor. Deshalb möchte ich mich auf die Antragsformel beschränken:

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile ihm dieses.

13.50

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das sogenannte Übernahmegesetz ist in Österreich schon seit längerer Zeit aufgrund mannigfacher Vorkommnisse fällig. Positiv daran ist, daß dadurch die Rechte der Kleinaktionäre bei Übernahme von bestimmenden Mehrheiten besser gewahrt werden sollen, als dies bisher der Fall war.

Gerade im Zusammenhang mit der Übernahme der Bundesanteile an der CA durch die Bank Austria wurde deutlich, wie Kleinaktionäre in solchen Fällen unter die Räder kommen können.

Ein durch eine solche Übernahme ausgelöster Kursverlust bei den an der Börse gehandelten Aktien führt regelmäßig zu größeren Vermögensverlusten bei den verbleibenden Kleinaktionären. Dieses Gesetz soll dafür sorgen, daß auch diese Kleinaktionäre entsprechende Anbote zum Verkauf ihrer Aktien erhalten, sodaß Vermögensverluste in entsprechender Größenordnung in Hinkunft nicht mehr eintreten.

Unsere Kritik richtet sich allerdings dagegen, daß es beim Anbot für Kleinaktionäre bis zu einem 15prozentigen Abschlag kommen kann. Wir sind der Meinung, daß man alle Aktionäre gleich behandeln sollte.

Die wesentliche Kritik unserer Fraktion an diesem Gesetz besteht aber an der Übernahmekommission beziehungsweise an ihrer Zusammensetzung. Die paritätische Besetzung durch Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer erinnert an den alten Proporzschacher und stellt unserer Meinung nach eine glatte Zumutung dar. Wir glauben, daß es besser wäre, wenn diese Übernahmekommission als unabhängiges und objektives Gremium gebildet werden würde.

Wir schlagen daher folgende Besetzung vor: ein Vorstandsmitglied, zwei stellvertretende Vorstandsmitglieder, drei weitere Mitglieder, die aus dem Richterstand kommen sollen, und darüber hinaus noch weitere fünf Mitglieder, wobei die Bestellung dieser Mitglieder nach einer öffentlichen Ausschreibung und nach einem öffentlichen Hearing erfolgen sollte, in dem die Kenntnisse der Bewerber im Wertpapierwesen, im Wertpapiergeschäft und in den entsprechenden Gesetzen getestet werden sollten. Als weiteres Mitglied dieser Übernahmekommission sollte der Leiter der Bundeswertpapieraufsicht kraft seines Amtes vom Bundesminister für Justiz für die Dauer seines Amtes bestellt werden. Ein so gebildetes und zusammengesetztes Gremium fände auch das Vertrauen der nationalen und internationalen Anlegerschaft in die österreichischen Wertpapiere.


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Meine Damen und Herren! Solange Sie sich dem verweigern und solange Sie dem sozialpartnerschaftlichen Proporz auch in diesem Bereich den Vorzug geben, werden wir Freiheitliche einem solchen Gesetz die Zustimmung nicht geben können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.53

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner. Ich erteile ihm dieses.

13.53

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Das Bundesgesetz betreffend Übernahmeangebote, das Übernahmegesetz, wird vielfach als ein gutes und zukunftsorientiertes Gesetz bezeichnet. Die Vorbereitungen dauerten relativ lange, es wurde aber ein recht brauchbares Ergebnis erzielt. Daß nun eine Behörde für ein verhältnismäßig breites Spektrum zuständig ist, halte ich für gut und für wirklich zielführend.

Wichtig war außerdem die Verbesserung der Kapitalmarktverhältnisse und die Erhöhung des Vertrauens für die ausländischen Anleger. Mit einem verbesserten Wettbewerb kann nun gerechnet werden. Jedenfalls haben wir jetzt ein zeitgemäßes Übernahmegesetz, das sich auch im europäischen Bereich sehen lassen kann und sich sicher positiv auswirken wird.

Unser Dank gilt dem Herrn Bundesminister und seinem Mitarbeiterstab.

Meine Fraktion wird gegen den Nationalratsbeschluß keinen Einwand erheben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.54

Präsident Alfred Gerstl : Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Minister.

13.54

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte keine allzu langen Ausführungen zu diesem Gesetz machen, aber doch einem Debattenbeitrag entgegentreten und sagen, daß ich es nicht so drastisch sehe, wie es gesagt wurde.

Wir haben diese Übernahmekommission im Hinblick darauf geschaffen, daß eine Reihe hoheitlicher Entscheidungen im Übernahmeverfahren vonnöten sind, die rasch erfolgen müssen. Wir haben eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag konzipiert. Das bietet die Vorteile, daß ihre Entscheidungen keinem weiteren ordentlichen Rechtszug unterliegen, daß sie als Tribunal im Sinne der Menschenrechtskonvention auch über zivilrechtliche Ansprüche entscheiden kann und daß durch die von uns zustande gebrachte entsprechende Zusammensetzung in ihr Fachwissen gebündelt werden kann, was in vielen Fällen Zeitaufwand und kostspielige Sachverständigengebühren erübrigen wird.

Man kann nicht verkürzt sagen, wie dies gemacht wurde, daß es sich um ein sozialpartnerschaftlich proporzmäßig zusammengesetztes Gremium handelt. Ich bitte Sie, zu beachten, daß es sich um zwölf Personen in vier Gruppen handelt, daß es neben den von Ihnen angeführten beiden Gruppen als dritte Gruppe drei Richter gibt und weiters als vierte Gruppe, nämlich den Vorsitzenden und seine beiden Stellvertreter, drei unabhängige Sachverständige, und daß der Vorsitzende jeweils in der Untergruppe und im Gesamtgremium ein Dirimierungsrecht hat. Dies geht doch weit über die verkürzte Aussage einer angeblich proporzmäßigen Zusammensetzung hinaus.

Grundsätzlich möchte ich im Hinblick auf das sehr schwierige Zustandekommen dieses Gesetzes abschließend sagen: Ich schätze das Ergebnis so ein, daß wir uns mit dem vorliegenden Übernahmegesetz in das Spitzenfeld der europäischen Staaten mit einem ausgewogenen und ausgefeilten Übernahmerecht einreihen und daß dieses Gesetz ein neuer Meilenstein in der Entwicklung des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechtes ist. Es ist durchaus geeignet, den Bedürfnissen der Investoren nach Sicherheit und Fairneß zu entsprechen, und es wird die Kapitalauf


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bringung von österreichischen Unternehmen erleichtern. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.58

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

38. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreiches Schweden zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem Ersten und dem Zweiten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof (1232 und 1347/NR sowie 5746/BR der Beilagen)

39. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (1231 und 1347/NR sowie 5776/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu den Punkten 38 und 39 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreiches Schweden zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem Ersten und dem Zweiten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof sowie

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 38 und 39 hat Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig übernommen. Ich bitte um Berichterstattung.

Berichterstatter Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Beide Berichte liegen schriftlich auf. Ich stelle deshalb folgende Anträge:

Zum Tagesordnungspunkt 38:

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,


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643. Sitzung / Seite 218

2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 39:

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert Thumpser. – Bitte.

14.00

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden, ist die logische Folge beziehungsweise die logische Anpassung dieses Bereiches durch unseren Beitritt zur Europäischen Union beziehungsweise die Nachvollziehung des oben genannten Römer Übereinkommens von 1980.

Vor allem im Bereich des Konsumentenschutzes dienen diese neuen Bestimmungen dem Schutz des Verbrauchers, dem Schutz des Konsumenten oder der Konsumentin. Immer öfter wird gerade in diesem Bereich des Konsumentenschutzes über mißbräuchliche Vertragsklauseln in Verbraucherverträgen geklagt. Immer öfter wird dies von Konsumentenschützern aufgezeigt. Fast tagtäglich ist es in den Medien zu lesen, zu hören und zu sehen.

Mit diesem Gesetz werden auch wir die erforderlichen Maßnahmen treffen, durch die der Verbraucher den Schutz nicht verliert, auch nicht gegenüber einem Vertrag abgeschlossen in einem Drittland. Gegen mißbräuchliche Klauseln sind viele nicht gefeit. Was den Leuten jedoch gebührt, ist der größtmögliche Schutz, das logische Rechtsmittel dazu. Es liegt auch in unserem öffentlichen Interesse, daß auch Ausländerinnen und Ausländer, die sich etwa in Österreich im Urlaub befinden und hier Verträge abschließen, vor benachteiligenden Vertragspraktiken in- oder ausländischer Unternehmer geschützt sind. Da es sich bei diesem Gesetz auch um die Verbesserung des Konsumentenschutzes handelt, werden wir, die sozialdemokratische Fraktion, diesem Gesetzentwurf zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.02

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Peter Böhm. Ich erteile ihm dieses.

14.02

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Mit dem Römer Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980, in der Folge von mir kurz als EVÜ bezeichnet, soll für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf diesem Teilgebiet das internationale Privatrecht vereinheitlicht werden.

Diesem Vorhaben wird meine Fraktion nicht bloß aus dem formellen Grund zustimmen, daß sich Österreich schon in Artikel 4 Abs. 2 der Beitrittsakte dazu verpflichtet hat, diesen Vertrag zu ratifizieren. Vielmehr verstehen wir uns auch aus substantiellen Erwägungen dazu. Zum einen deshalb, weil die EU-weit einheitliche Beantwortung der Frage nach dem auf Schuldverträge anwendbaren Recht für den Wirtschaftsverkehr in einem integrierten Binnenmarkt gewiß unverzichtbar ist. Zum anderen vor allem deshalb, weil es sich dabei zweifellos um eine in der Sache höchst gelungene Regelung der kollisionsrechtlichen Problematik handelt.

Wenn ich dabei etwas bedauere, so nur eines: Damit werden wesentlichen Teile unseres Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht von 1978 obsolet. Diese elegische Reminiszenz sei mir deshalb gestattet, weil gerade dieses eines der wenigen Justizgesetze der letzten Jahr


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zehnte war, die man in der Fachwelt zu Recht als "großen Wurf" anerkannt hat. Es sei auch an dieser Stelle an die Verdienste von Professor Fritz Schwind(stimmt laut Redner) erinnert, der durch seinen Privatentwurf den entscheidenden Beitrag zu diesem Gesetz geleistet hat.

Dennoch stimme ich mit der rechtspolitischen Einschätzung der Legisten des Bundesministeriums für Justiz voll überein. Zwar hätte man an und für sich das IPR-Gesetz uneingeschränkt, also auch bezüglich der Schuldverhältnisse, aufrechterhalten können, weil das EVÜ ohnehin Anwendungsvorrang genießt. Dem stand aber der begründete Einwand entgegen, daß insoweit dem IPR-Gesetz nicht einmal ein restlicher Anwendungsbereich verbliebe. Man täusche sich nämlich nicht: Das IPRG wäre hinkünftig nicht einmal mehr gegenüber Drittstaaten anwendbar. Vielmehr bilden die Kollisionsnormen des EVÜ dann eben unser neues internationales Privatrecht auf dem Gebiet der vertraglichen Schuldverhältnisse. Mit anderen Worten: Es gelten diese Vorschriften, die bestimmen, welches Recht auf solche Schuldverträge mit Auslandsberührung anwendbar ist, fortan nicht nur im Verhältnis zu den Vertragspartnern, also den EU-Mitgliedern, sondern auch gegenüber allen anderen Staaten. Insofern sind die entsprechenden Regelungen unseres IPR-Gesetzes entbehrlich geworden. Ihre Beibehaltung könnte zumindest in der Übergangsphase die Praxis sogar verwirren und damit die Rechtssicherheit beeinträchtigen.

In diesem Sinne wird auch der Anwendungsbereich des zentralen § 35 IPRG, also die bei Schuldverhältnissen grundsätzlich zulässige Wahl des anwendbaren Rechts durch Vereinbarung der Vertragspartner, sachgerecht auf die vom EVÜ nicht erfaßten Sachverhalte eingeschränkt. Die Aufhebung der auf Schuldverhältnisse bezogenen Bestimmungen des 7. Abschnittes des IPRG eliminiert freilich auch § 41, das ist eben jene Vorschrift, die bisher den Verbraucherschutz im Kollisionsrecht gewährleistet hat. Dieses Manko wäre ja nicht allein aus österreichischer Sicht unannehmbar. Vielmehr fehlte es dann künftig auch an der gebotenen Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen.

Diese Schutzlücke soll daher durch § 13a Konsumentenschutzgesetz geschlossen werden, der künftig Verbraucherverträge mit Auslandsbezug regeln wird. Hat danach der Vertrag einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet eines EWR-Staates, so ist der Verbraucher vor den nachteiligen Folgen zu schützen, die sich aus der Wahl des Rechtes eines Drittstaates ergeben.

Zu begrüßen ist auch, daß mit § 13a Abs. 2 eine nach dem EVÜ zulässige Eingriffsnorm für solche Verträge geschaffen wird, die eine entsprechende Nähe zur österreichischen Rechtsordnung aufweisen. Die Schutzvorschrift des § 6 Konsumentenschutzgesetz und die sittenwidrige Klauseln betreffenden §§ 864a und 879 Abs. 3 ABGB sind zugunsten des Verbrauchers ohne Rücksicht darauf anzuwenden, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Dies immer dann, wenn der Vertrag im Zusammenhang mit einer in Österreich entfalteten, auf die Schließung solcher Verträge gerichteten Tätigkeit des Unternehmers oder der von ihm hierfür eingesetzten Personen zustande gekommen ist.

Den Legisten des Bundesministeriums für Justiz ist mit dieser – vom Nationalrat inzwischen einstimmig angenommenen – Regierungsvorlage eine so sachgerechte wie europarechtskonforme Regelung geglückt. Wir können ihr daher aus guten Gründen zustimmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

14.08

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des


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Königreiches Schweden zu dem am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem Ersten und dem Zweiten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

40. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof in der Fassung des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland des Übereinkommens über den Beitritt der Republik Griechenland und des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik samt Erklärung der Republik Österreich zu Artikel IV Abs. 2 des Protokolls zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (1285 und 1348/NR sowie 5747/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zum 40. Punkt der Tagesordnung: Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof in der Fassung des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland des Übereinkommens über den Beitritt der Republik Griechenland und des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik samt Erklärung der Republik Österreich zu Artikel IV Abs. 2 des Protokolls zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.


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643. Sitzung / Seite 221

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der gegenständliche Gesetzesbeschluß trägt dem Umstand Rechnung, daß sich zur Regelung der internationalen Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten in Zivil- und Handelssachen mit Auslandsberührung und zur wechselseitigen Anerkennung der so gefällten Entscheidungen die sechs Mitgliedstaaten der damaligen EWG im Jahr 1968 auf der Basis von Artikel 220 AGV das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zusammenschlossen.

Das EuGVÜ enthält im wesentlichen zwei Hauptteile, jenen, der die Zuständigkeit, und jenen, der die Anerkennung und Vollstreckung regelt.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Übereinkommens die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmeneinhelligkeit – und nicht, wie irrtümlich im schriftlichen Bericht angegeben wurde, mit Stimmenmehrheit – den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Josef Pfeifer. Ich erteile ihm dieses.

14.12

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Ihnen, geschätzte Damen und Herren, vorliegende und vom Berichterstatter erwähnte Bericht erläutert den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1998.

Der Beitritt zum EuGVÜ stellt einen Fortschritt gegenüber der derzeitigen Rechtslage dar und vollzieht sich durch die Ratifikation des 4. Beitrittsübereinkommens 1996 vom 15. Jänner 1997. Das EuGVÜ enthält zwei Hauptteile, die die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung regeln.

Die SPÖ-Fraktion wird gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch erheben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.13

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile ihm dieses.

14.13

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Heute steht die Ratifikation des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens, kurz EuGVÜ genannt, zur Debatte.

Auch für diese Vorlage gilt aus unserer Sicht: Wir werden ihr nicht allein deshalb zustimmen, weil sich Österreich anläßlich des EU-Beitritts zur Übernahme dieses Vertrages verpflichtet hat. Nein, wir sehen uns vielmehr deshalb dazu veranlaßt, weil mit diesem Übereinkommen die wechselseitige Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen im gesamten Rechtsraum der Europäischen Union gefördert wird; und dies unter Voraussetzungen, die sich auf dem gegenwärtigen Niveau des internationalen Zivilverfahrensrechtes bewegen.

Zudem entspricht das Brüsseler Übereinkommen, das EuGVÜ, inhaltlich nahezu völlig dem Übereinkommen von Lugano, kurz LGVÜ, das wir ja bereits 1996 ratifiziert haben. Diesen Vertrag haben wir aus freien Stücken abgeschlossen. Wir hätten ihn längst vor unserem EU-Beitritt


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ratifizieren können und wohl auch sollen. Sachfremde Erwägungen hatten uns zunächst davon abgehalten. Unsere zwischenzeitlich gemachten Erfahrungen mit dem LGVÜ sind durchaus positiv. Auch Rechtsprechung und Rechtslehre haben sich mit ihm bereits vertraut gemacht.

Keine Kritik will ich an dem Umstand üben, daß Österreich das EuGVÜ im wesentlichen ohne jede inhaltliche Änderung zu übernehmen hat. Denn zum einen liegt dies daran, daß es beim Beitritt neuer EU-Mitglieder grundsätzlich nur um technische Anpassungen geht. Und zum anderen steht demnächst ohnehin eine Revision des Brüsseler und des Luganer-Übereinkommens bevor. An den Verhandlungen zu dieser Revision nimmt Österreich bereits unter Einbringung eigenständiger und sachkompetenter Vorschläge aktiv teil.

Anders als bei substantiellen Veränderungen des Vertrages von Maastricht beziehungsweise von Amsterdam, bei denen es unverkennbar auch auf das realpolitische Gewicht der Kontrahenten ankommt, wird die Stimme Österreichs bei diesem justizpolitischen Reformvorhaben durchaus ernst genommen. Im übrigen ist den Anliegen, die Österreich schon bei den Verhandlungen über den Beitritt zum EuGVÜ vorgebracht hat, bis zu einem gewissen Ausmaß Rechnung getragen worden.

Die einzige echte Kritik – die ich, und das nicht erst heute – anbringe, bezieht sich gar nicht auf das Justizressort, sondern auf die Inkonsistenz der österreichischen Anti-Atompolitik. Von Anfang an war nämlich klar, daß sich jene EU-Staaten, die sich der Nutzung der Kernenergie verschrieben haben, auch im Rahmen des EuGVÜ abgesichert hatten. Dies dadurch, daß sie im Artikel 57 den Vorrang der von ihnen abgeschlossenen Spezialabkommen, so etwa auch der Atomhaftungskonventionen, verankert haben.

Was bedeutet das nun für Österreich konkret? – Der Wahlgerichtsstand des Artikels 5 Nr. 3 EuGVÜ sieht für Klagen wegen unerlaubter Handlungen, also auch etwa aus AKW-Unfällen, die Zuständigkeit der Gerichte jenes Staates vor, in dem der Schaden eingetreten ist. Der EuGH hat diese Bestimmung so ausgelegt, daß der Geschädigte bei grenzüberschreitenden Delikten oder Immissionen die Wahl hat, ob er das Gericht anruft, in dessen Sprengel das schadensverursachende Verhalten gesetzt worden ist, oder aber jenes, in dessen Sprengel sich der Schaden ausgewirkt hat, das heißt, eventuell auch ein Gericht im eigenen Land.

Nach diesem sogenannten Ubiquitätsprinzip könnte also ein österreichischer Geschädigter eine Klage gegen den ausländischen Schädiger durchaus auch vor einem österreichischen Gericht erheben. Das hätte neben dem eigenen Forum noch den weiteren Vorteil, daß dann das österreichische internationale Privatrecht und somit gegebenenfalls auch in der Sache österreichisches Atomhaftpflichtrecht anwendbar wäre.

Gemäß Artikel 57 EuGVÜ kann sich jedoch jeder andere Staat, der ein entsprechendes Spezialabkommen, hier: die Pariser Konvention, abgeschlossen hat, auf dessen Vorrang berufen. Da nun in der genannten Pariser Konvention eine ausschließliche internationale Zuständigkeit des Betreiberstaates vorgesehen ist, kann der eventuell ersatzpflichtige Betreiber dem Geschädigten durch eine negative Feststellungsklage an seinem eigenen Forum zuvorkommen. Diese würde – wieder nach der Rechtsprechung des EuGH – gegenüber einer späteren Leistungsklage des Geschädigten in seinem Land, also zum Beispiel in Österreich, das Prozeßhindernis der Rechtshängigkeit gemäß Artikel 21 EuGVÜ auslösen.

Aber noch schlimmer: Nach herrschender Meinung wäre sogar ein auf den Gerichtsstand des Artikels 5 Nr. 3 gegründetes Urteil eines österreichischen Gerichtes in den anderen Vertragsstaaten nicht anzuerkennen und zu vollstrecken, wenn sich diese auf ihre Mitgliedschaft zum betreffenden Spezialabkommen, zum Beispiel der Pariser Konvention, berufen können. Denn Österreich hätte sich dann über die ausschließliche Zuständigkeit des Betreiberstaates hinweggesetzt, die nach dem Spezialabkommen maßgeblich ist, dem der Vollstreckungsstaat angehört, obwohl dieses Spezialabkommen für Österreich gar nicht gilt. Es beraubt uns aber dennoch aller Rechte, die uns nach dem EuGVÜ an sich zustünden.

Wir müßten daher sogar das für den österreichischen Geschädigten ungünstige Urteil, das im Betreiberstaat ergangen ist, in Österreich anerkennen. Eben das hätte bisher nach dem LGVÜ


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nicht zugetroffen, weil sich die nicht der EU beigetretenen Vertragsstaaten zumindest dazu nicht verpflichten wollten. Auch dieser Vorbehalt entfällt jetzt mit der Ratifizierung des EuGVÜ.

Nach all dem zuletzt Gesagten erscheint es daher als bloße politische Symbolik, wenn in der Regierungsvorlage eines neuen Atomhaftpflichtgesetzes vorgesehen sein wird, daß die österreichischen Gerichte auch für Stör- oder Schadensfälle eines ausländischen AKW zuständig sein sollen.

Sofern nämlich die ausländische Betreibergesellschaft über kein Vermögen in Österreich verfügt, wir also nicht im Inland durchsetzen können, werden wir ein österreichisches Urteil in den anderen EU-Staaten nicht vollstrecken können. Und selbst außerhalb des Anwendungsbereiches des EuGVÜ wird eine solche österreichische Zuständigkeit bedeutungslos bleiben. Denn gerade mit jenen osteuropäischen Staaten, die AKWs betreiben, bestehen zurzeit überhaupt keine Vollstreckungsabkommen. Urteile österreichischer Gerichte gegen Betreiber aus solchen Staaten werden dann bloßes Papier bleiben.

So gesehen stellt sich die Anti-Atompolitik der österreichischen Bundesregierung als rein politische Kosmetik dar. Das gilt es klarzustellen, um die mit illusorischen Hoffnungen genährte österreichische Öffentlichkeit nicht irrezuführen!

Dieses Rechtsschutzdefizit, das natürlich nicht dem Justizressort anzulasten ist, sondern primär der auf diesem Gebiet gescheiterten Regierungs- und insbesondere Außenpolitik, bildet den Wermutstropfen dieser Vorlage. Dessenungeachtet werden wir aber der Ratifikation des Brüsseler Übereinkommens gerne unsere Zustimmung geben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

14.20


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Präsident Alfred Gerstl:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

41. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Änderung des Universitäts-Studiengesetzes (1229 und 1349/NR sowie 5757/BR der Beilagen)

42. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Universitätszentrums für Weiterbildung mit der Bezeichnung Donau-Universität Krems geändert wird (1350/NR sowie 5758/BR der Beilagen)

43. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste (KUOG) (1228 und 1352/NR sowie 5728 und 5759/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu den Punkten 41 bis 43 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Änderung des Universitäts-Studiengesetzes,

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Universitätszentrums für Weiterbildung mit der Bezeichnung Donau-Universität Krems geändert wird, sowie

ein Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste.

Die Berichterstattung über die Punkte 41 bis 43 hat Herr Bundesrat Horst Freiberger übernommen. Ich bitte um Berichterstattung.

Berichterstatter Horst Freiberger: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Verkehr über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Änderung des Universitäts-Studiengesetzes liegt Ihnen schriftlich vor.

Ich erspare mir deshalb die Verlesung und stelle nur den Beschlußantrag: Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Verkehr über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Universitätszentrums für Weiterbildung mit der Bezeichnung Donau-Universität Krems geändert wird, liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor.

Der Beschlußantrag lautet: Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Verkehr über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor.

Der Beschlußantrag lautet: Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Herr Präsident! Ich bitte, die Debatte zu eröffnen und abstimmen zu lassen.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte.

14.24

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Grundintention des Gesetzes, wonach die Kunsthochschulen in Kunstuniversitäten übergehen sollen, ist grundsätzlich in Ordnung. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen. So steht auch schon in den Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes, daß Wissenschaft, Forschung und Kunst als gleichrangig anzusehen sind. Dies ist etwas, dem wir uns durchaus anschließen.

Wieso sich aber gegenüber dem ursprünglichen Ministerialentwurf in der Regierungsvorlage bei den Kunstuniversitäten plötzlich eine Gliederung in Fakultäten wiederfindet, Herr Minister, werden Sie uns noch erklären müssen, und ich hoffe, Sie tun es auch.


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Gegen diese Fakultätsgliederung hat es massenhaft Kritik gegeben, noch dazu, da man anmerken muß, daß sie sich letztlich auf ein Einzelinteresse gegründet hat. Da geht es um einen gewissen Herrn Professor Bräunlich, der sich das offensichtlich gewünscht hat, unterstützt von der ÖVP. Das wird sie dann auch zu verantworten haben. Auch wenn er sich nicht ganz durchgesetzt hat und das Ding nicht ganz so gelaufen ist, wie er sich das vorgestellt hat, ist das nicht in Ordnung. Es ist deshalb nicht in Ordnung, weil man damit eines nicht erreicht, was eigentlich das Ziel sein sollte und auch ist: eine Verwaltungsvereinfachung.

Da muß man die Situation der Universitäten insgesamt beleuchten. In einer OECD-Studie von 1997 ist diesbezüglich ein Defizit festgestellt worden; ich darf wörtlich daraus zitieren: Die österreichischen Universitäten sind nicht besonders reformfreudig. Das bestehende System fördert diese Haltung noch, anstatt Initiativen und Innovationen zu belohnen. Die Finanzierung der Universitäten sollte enger mit den von ihnen wahrzunehmenden Aufgaben verknüpft werden. Außerdem müßte an eine grundlegende Reform der Funktionen des Lehrkörpers und der Besoldungsstrukturen im Hochschulbereich herangegangen werden.

Dies ist eine langjährige Forderung von uns. Dieser Kritik können wir uns nur anschließen. Alle Reformen, die bis jetzt im Bereich der Universitäten durchgeführt worden sind, betreffen nur Teilrechtsfähigkeiten.

Im Zusammenhang mit der Verwaltungsvereinfachung und auch mit der Kritik der OECD-Studie, was die finanziellen Mittel betrifft, komme ich gleich auf die Donau-Uni Krems zu sprechen.

Die Donau-Uni Krems ist, wie sie sich derzeit darstellt, ein Patient, der auf der Intensivstation liegt und kurz davor ist, sein Leben auszuhauchen. Die Erwartungen, die man seit 1994 in diese Uni gesetzt hat, sind nicht erfüllt worden. 1997/98 hat es an der Donau-Uni Krems lediglich 387 Studierende gegeben. Das heißt, die entsprechende Akzeptanz und das Interesse sind nicht vorhanden. Gleichzeitig braucht man aber, um diesen Betrieb für 387 Studierende aufrechtzuerhalten, ein Verwaltungspersonal im Ausmaß von 80 Personen. Verbraucht wird dafür ein Geldbetrag in der Höhe von 42 Millionen, die vom Bund kommen, und immerhin noch 15 Millionen steuert das Land bei. Es wird kolportiert, daß 1997 allein für diese 80 Mitarbeiter 45,5 Millionen Schilling an Personalkosten ausgegeben worden sind.

Im Vergleich dazu schauen die Einnahmen, wenn man den kolportierten Äußerungen Glauben schenken darf, sehr mager aus. Für Consulting-Dienstleistungen sind lediglich 200 000 S eingenommen worden, für Umsätze aus der Forschung im ersten halben Jahr 1997 1,4 Millionen. Vergleichbare MBA-Anbieter schaffen es mit wesentlich weniger Verwaltung und damit auch weniger Personal, mehr Erträge zu erwirtschaften.

So lese ich zum Beispiel im "trend" 4/98, daß die Webster University, getragen vom Bildungsverein für die Freunde der Webster University, 30 Millionen Schilling einnimmt, und das ohne Subventionen! Zwischen vier und fünfzehn Mitarbeitern müssen 400 Studenten managen. Noch ein zweiter Vergleich: Die Open University Business School hat durch Forschungsaufträge 12 Millionen Schilling verdient – bei einem Personalaufwand von fünf Personen.

Herr Minister! Über das sollte man einmal nachdenken, denn ich glaube nicht, daß es richtig ist, daß man mit einem "Subventionstropf" den Patienten Donau-Universität weiter am Leben erhalten soll. Entweder schafft man es in Zukunft, diese Uni auf ordentliche Beine zu stellen, oder man läßt den Patienten in Ruhe sterben. Aber ganz sicherlich nicht kann man das als Reform der Uni-Gesetze, ob es jetzt die Universitäten allgemein oder nur diese eine betrifft, bezeichnen. Daher werden wir diesen Vorlagen auch nicht unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.30

Präsident Alfred Gerstl: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Michael Strugl. – Bitte.

14.30

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Novellierung des Universitäts-Studiengesetzes und das neue Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste führen zu einer


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Reform der Hochschulen künstlerischer Richtung, sie werden damit zu Universitäten. Im Koalitionsübereinkommen vom 11. März 1996 wurde unter anderem für den Wissenschaftsbereich vereinbart, daß das Kunsthochschulrecht an das neue Universitätsrecht anzupassen ist.

Somit werden jetzt zwei verschiedene Studienrechtssysteme in eine Materie zusammengeführt und das Organisationsrecht nach den Prinzipien der Autonomie und Deregulierung angepaßt. Dies ist ein logischer Schritt, weil sich schon bisher die Kunsthochschul-Studiengesetze am Studienrecht der Universitäten orientiert haben. Das gilt auch für die Organisationsstruktur der Kunsthochschulen. Es erfolgt also eine Angleichung an das UOG, mit einer weiteren Dezentralisierung und einer Stärkung der Autonomie.

Es geht also bei dieser Reform zum einen um die Gleichwertigkeit von Wissenschaft und Kunst und zum anderen um die Sicherung einer hohen Qualität der künstlerischen und musikalischen Ausbildung sowie um die Eröffnung neuer Perspektiven für die künftigen Absolventen. Insbesondere werden für die Universitäten mehr Freiräume durch eine stärkere Autonomie geschaffen.

Was wird mit den beiden Gesetzen konkret erreicht? – Erstens: Die bisherigen Hochschulen für Kunst werden Kunst- und Musikuniversitäten und damit den wissenschaftlichen Universitäten gleichgestellt. Weiters kommt es zu einer Verwaltungsvereinfachung, und es werden zahlreiche Verwaltungsvereinfachungen durch diese Novelle bewirkt, allein schon deshalb, um nur ein Beispiel zu nennen, weil es bisher an den Kunsthochschulen zwei Studiengesetze gegeben hat, nämlich für Lehramtsstudien und Architektur einerseits und für die künstlerischen Studienrichtungen andererseits.

Es bringt die Novelle eine effizientere Organisationsstruktur und wie bei den Universitäten mehr Autonomie, damit auch mehr personelle Verantwortung, Autonomie bei Berufungen, bei Studienplänen oder bei der Einrichtung von Instituten, bei Geldmittelzuweisungen, bei den Zuweisungen für Planstellen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Es wird die Autonomie der Studienkommissionen gestärkt, es werden Studienrichtungen zum Teil zusammengefaßt. Es kommt zu einer Straffung der Studienpläne und zu einer Verkürzung der gesetzlichen Studiendauer. – All das sind Maßnahmen, die auf mehr Effizienz in diesem Bereich abzielen und die letztlich dann auch den Absolventen zugute kommen werden.

Es wird die Teilrechtsfähigkeit der künstlerischen Institute genau so eingerichtet wie an den wissenschaftlichen Universitäten. Es wird im Gesetz Tirol als ein weiterer Standort für eine Universität der Künste vorgesehen. Es wird sichergestellt, daß auch die positiven dienstrechtlichen Konsequenzen aus dem Übergang vom Hochschullehrer- zum Universitätslehrerstatus rasch umgesetzt werden. Und es kommt zu einer Reduktion der postgradualen Lehrgänge und zu einer Reduktion der Semesterwochenstunden.

Ein Wort noch zu der von meiner Vorrednerin angesprochenen Frage der Möglichkeit, Fakultäten an künstlerischen Universitäten einzurichten. Sie, Frau Bundesrätin Mühlwerth, haben in einem anderen Zusammenhang in Ihrer Rede gesagt: "...wenn man dem Glauben schenken darf, was kolportiert wird." Das Argument, das Sie verwenden, kolportieren Sie auch, nämlich daß es hier um die Verfolgung von Einzelinteressen gegangen ist. Ich frage Sie: Was spricht denn dagegen, daß auch für diese Universitäten Fakultäten vorgesehen werden können? (Bundesrätin Mühlwerth: Das sehen aber die von der Musikhochschule zum Beispiel nicht so! Das sehen Sie und Herr Professor Bräunlich so!) Es gibt an den wissenschaftlichen Universitäten auch Fakultäten. Wir reden hier von einer Gleichstellung und von einer Angleichung, und daher halte ich es für richtig, daß auch diese Möglichkeit im Gesetz eingeräumt wird.

Es gibt nicht nur kleine Kunsthochschulen, es gibt auch große, etwa in Wien und in Salzburg. (Bundesrätin Mühlwerth: Dann hätten die das verlangt! Die wollten das aber gar nicht!) Ich glaube nicht, daß etwas dagegen spricht, wenn es aufgrund des lokalen Bedarfes, wenn es aus der Sicht der Universität sinnvoll erscheint, im Hinblick auf die Ausbildung und die Weiterentwicklung der Kunst Fakultäten zu errichten, daß diese Möglichkeit auch gegeben ist. Ich halte das für eine flexible Regelung, und ich glaube, daß das besser ist, als wenn man den Universitäten diese Möglichkeit einfach im Gesetz nimmt. Es ist ohnehin so, daß dann, wenn man zu


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dieser Ansicht gelangt, daß das gemacht werden soll, darüber zu entscheiden ist. Aber die Möglichkeit wird eingeräumt, und das halte ich grundsätzlich für richtig.

Ein Punkt noch, der aus der Sicht der Länder – insbesondere, weil es auch ein Anliegen Oberösterreichs war – erfreulich ist, ist die Tatsache, daß die Ausbildung in Instrumental- und Gesangspädagogik als eigenständige Studienrichtung weitergeführt wird. Es hat auch Überlegungen gegeben, die Instrumental- und Gesangspädagogik als eigenes Studienfach aufzulassen, und das hätte unserer Meinung nach zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen und zu einer Verschlechterung für die Musikschulwerke der Länder geführt. Es geht uns hiebei vor allem darum, daß die pädagogische Ausbildung gesichert wird. Es ist ja so, daß derzeit im ersten Studienabschnitt acht Semester Pädagogik unterrichtet werden und im zweiten Studienabschnitt dann der künstlerische Aspekt zum Tragen kommt.

Eine gemeinsame Studienrichtung Instrumentalausbildung hätte zwangsläufig zu einer Verringerung der Semesteranzahl bei der Pädagogik auf fünf oder sechs Semester geführt. Das wäre aus unserer Sicht auch im Hinblick auf die Qualität der Ausbildung – insbesondere im Hinblick auf die Musikschulen – zuwenig gewesen. Es wäre ein Rückschritt gewesen. Ich darf daran erinnern, daß es Anfang der achtziger Jahre Oberösterreich und Wien waren, die darauf gedrängt haben, daß dieses Fach Instrumental- und Gesangspädagogik eingerichtet wird. Das hat auch dazu geführt, daß wir heute hochqualifizierte Musikschullehrer haben, die sowohl pädagogisch als auch künstlerisch über eine exzellente Ausbildung verfügen. Wäre das weggefallen, dann hätten wir, so glaube ich, die Qualität nicht halten können, und letztlich wären es wieder die Schüler gewesen, die darunter gelitten hätten.

Es gibt auch einen Beschluß der Konferenz der Landesmusikschulen, von einer derartigen Auflösung Abstand zu nehmen. Ich möchte daher ausdrücklich dem Herrn Bundesminister dafür danken, daß er diesen Einwendungen Rechnung getragen hat. Es wird dazu führen, daß auch im Wege der Musikschulwerke Kultur auf breiter Basis angeboten werden kann und daß die hohe Qualität der Musikschulen erhalten wird.

Zusammenfassend: Es kommt zu einer Emanzipation der Kunst gegenüber der Wissenschaft. Durch das neue Gesetz und durch die Angleichung an das Universitäts-Studiengesetz erhalten jetzt die Kunstuniversitäten mehr Autonomie und können Dinge selbst gestalten. Das, glaube ich, ist im Sinne einer Deregulierung und auch der Subsidiarität, und deshalb werden wir die Zustimmung gerne geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.40

Präsident Alfred Gerstl: Nächste Rednerin ist Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach. – Bitte.

14.40

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Verehrte Damen und Herren! Die uns vorliegenden Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates sind die konsequente Fortsetzung des in den siebziger Jahren mit Nachdruck begonnenen Bemühens, Wissenschaft und Forschung Möglichkeiten einer der Zeit angepaßten Weiterentwicklung und Entfaltung zu geben.

Am Anfang stand das Öffnen eines weitestgehenden Bildungsweges für alle, die die nötige Eignung mitbringen – unabhängig von ihrer persönlichen sozioökonomischen Situation. Bald darauf wurde damit begonnen, verkrustete Strukturen an den Hohen Schulen aufzubrechen, vor allem wurden weitere und neue universitäre Einrichtungen geschaffen. All das im Rahmen des heute schon zitierten Staatsgrundgesetzes, nämlich des Artikels 17, in dem nicht nur der allseits bekannte Satz "Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei" steht, sondern in dem auch in der – durchaus verschnörkelten – Sprache des 19. Jahrhunderts festgehalten ist – ich zitiere –: Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu ertheilen – mit "th" geschrieben –, ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat. – Weiters heißt es: Dem Staate steht rücksichtlich des gesamten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu.


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Nach etwas mehr als 100 Jahren kam dann der längst überfällige Artikel 17a dazu, der da lautet: "Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei."

Meine Damen und Herren! Kollege Jaud hat gestern in seinen Debattenbeiträgen offen seine Freude darüber ausgedrückt, daß in den von ihm besprochenen Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates deutlich das Wollen der ÖVP zu erkennen ist. Ich nehme daher für mich in Anspruch, zu sagen: Die Verankerung des Artikels 17a im Staatsgrundgesetz war nur durch das entschiedene Bekenntnis der Sozialdemokraten möglich.

Meine Damen und Herren! Wenn man die Entwicklung der Universitäten und künstlerischen Hochschulen betrachtet, dann sieht man, wie in zirka einem Vierteljahrhundert das zentralistische Regelungs- und Lenkungswesen hin zu dezentralen und eigenverantwortlichen Entscheidungsmöglichkeiten geändert wurde. Auch die heute vorliegenden Gesetzesbeschlüsse sind von folgenden Grundsätzen getragen: der Weiterentwicklung von Eigenverantwortlichkeit, der Verbesserung des Studienangebotes, der Beachtung der Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten aller Universitätsangehörigen und dem Bemühen nach Effizienzsteigerung, verbunden mit entsprechenden Überprüfungs- und Bewertungsmöglichkeiten.

Unbestritten – auch das ist schon erwähnt worden – war der Reformbedarf, gerade im künstlerischen Ausbildungsbereich. Defizite wurden sowohl im pädagogischen als auch im künstlerischen Bereich spürbar. Daher ist es begrüßenswert, daß nach einem relativ langen, sehr ausführlichen Diskussionsprozeß das Reformwerk Universitäten der Künste und die damit verbundene Änderung des Universitäts-Studiengesetzes nun beschlußreif vorliegt.

Österreich hat gerade wegen seiner künstlerischen und kulturellen Leistungen einen guten Ruf, den es zu wahren gilt. Der Einsatz beim Zustandekommen dieser Vorlagen hat sich gelohnt, denn durch das Organisationsgesetz für die Universitäten der Künste – ich zitiere jetzt Ewald Nowotny – geht es darum, die Kunst als Kunst gegenüber der Wissenschaft zu emanzipieren.

Wie bei Reformwerken üblich, vor allen Dingen üblich seitens der Opposition, gibt es Kritik. Die einen kritisieren die Möglichkeit der Einrichtung von Fakultäten, auch das hat der Kollege schon hervorgehoben, andere wieder finden – das war zwar heute nicht der Fall, aber in der Debatte war es zu hören –, daß an den zu verleihenden akademischen Graden etwas auszusetzen ist; die Titel passen angeblich nicht, in Linz wäre etwas anderes gescheiter gewesen und so weiter und so fort. Die Kritik, die zu hören ist, ist meines Erachtens eine Kritik, die sich schon irgendwo im Bereich der Haarspalterei abspielt.

Aber, meine Damen und Herren, es ist eben so: Bei demokratischen Meinungsfindungsprozessen kommt nur ein Kompromiß zustande.

Im Fall des Universitäts-Studiengesetzes und des Gesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste ist ein gutes Ganzes entstanden, das Möglichkeiten bietet, die heute unverzichtbar sind. Ein Beispiel dafür ist die Möglichkeit, Lehrveranstaltungen in einer Fremdsprache abzuhalten und auch in der Fremdsprache zu prüfen, wie das im §10 Abs. 1 und 2 vorgesehen ist. Das ist zeitgemäß und sinnvoll, gerade für die Internationalisierung unserer Universitäten. Es ermöglicht die Mobilität der Lehrenden und auch der Lernenden. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß gerade hochangesehene und berühmte Künstler, die für eine Lehrtätigkeit gewonnen werden können, nicht immer Deutsch als Muttersprache haben.

Alle drei zur Debatte stehenden Gesetzesbeschlüsse haben miteinander gemeinsam, daß Studierende, vor allem aber die Absolventen, beste Grundlagen für ihr späteres Leben bekommen. Gleichstellung zwischen den Studierenden an den Universitäten und den Studierenden an den Hochschulen künstlerischer Richtung wurde seit langem gefordert, jetzt können wir sie garantieren.

Autonomieregelungen, die bisher nur für die Universitäten gegolten haben, können nun auf die Universitäten der Künste ausgedehnt werden. Etwas, so glaube ich, ist auch sehr wichtig, und es sollte hier betont werden: Dem Ziel der Durchflutung der Universitätsstrukturen mit mehr Demokratie kommt es zum Beispiel entgegen, wie nun Wahlen in Leitungsfunktionen geregelt sind.


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Meine Damen und Herren! Aufgrund dieser Gesetze wird es nun an den Universitäten selbst liegen, wie sie die gegebenen Möglichkeiten zu nutzen verstehen werden: zum Besseren der Lehre, zum Besseren der universitären Verwaltungsabläufe, zum Besseren der Berufschancen der Absolventen in einer zugegeben immer enger zusammenwachsenden Welt.

Kunst und Kultur sind untrennbar verbunden mit Lebensqualität, nicht nur im Freizeitbereich, sondern in hohem und steigendem Maße mit der Qualität des Arbeitslebens. Meine Damen und Herren! Meine Fraktion freut sich daher über das Erreichte und wird allen drei Anträgen, keinen Einspruch zu erheben, wirklich gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.49

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile dieses.

14.49

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Als Kremser liegt mir natürlich die Donau-Universität Krems besonders am Herzen. Ich habe mir daher erlaubt, einige Punkte zu diesem Gesetz anzumerken.

Mit der heutigen Novellierung des Bundesgesetzes aus dem Jahr 1994, welches die Gründung eines Universitätszentrums für Weiterbildung mit der Bezeichnung Donau-Universität in Krems ermöglicht hat, wird versucht, die Konsequenzen aus der Tatsache zu ziehen, daß das Präsidium der Kremser Universität seit 1. Mai 1995 nur mehr über zwei Präsidenten und seit 1. Oktober 1996 nur mehr über eine geschäftsführende Präsidentin verfügt, obwohl das Kuratorium der Universität mehrfach entsprechende Ausschreibungen der vakanten Posten verlangt hatte.

Mit der heutigen Novelle wird das Studiengesetz für die Donau-Universität Krems dem Universitäts-Studiengesetz angepaßt. In § 3 Abs. 2 des Kremser Donau-Universitätsgesetzes sind unter den vorgesehenen gesetzlichen Aufgaben genannt: Erweiterungsstudien, Aufbaustudien, internationale Studienprogramme, Ergänzungsstudien für ausländische Studenten. Durch das neue Universitäts-Studiengesetz fallen diese Aufgaben weg, weil sie auch von anderen Universitäten und Kunsthochschulen übernommen beziehungsweise angeboten werden können.

Im März vergangenen Jahres habe ich Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, in einer parlamentarischen Anfrage über die Weiterentwicklung der Donau-Universität befragt. Sie haben damals gemeint, daß man im Lichte der Tatsache, daß durch das Universitäts-Studiengesetz wesentliche Änderungen stattgefunden haben, die Rolle der Donau-Universität mit ihren gesetzlichen Vorgaben im Zusammenhang mit der österreichischen Universitätslandschaft neu überdenken muß. Sie haben damit den Fortbestand der Donau-Universität in Frage gestellt, und es hat auch eine rege Diskussion zwischen dem Land Niederösterreich und Ihnen gegeben. Das hat sowohl zur Verunsicherung der Bediensteten an der Universität geführt als auch der Stadt Krems selbst, da für uns die Universität Krems einen besonders wichtigen Wirtschaftsfaktor darstellt.

Herr Bundesminister! Ich bin Ihnen daher sehr dankbar dafür, daß es in einem Vier-Augen-Gespräch mit dem Herrn Landeshauptmann nunmehr möglich war, den Fortbestand der Donau-Universität abzusichern; es wurde auch zugesagt, den Aufgabenkreis der Donau-Universität neu zu überdenken beziehungsweise neue Aufgabenbereiche zu erschließen.

Es ist sicherlich richtig, daß die heutigen Verwaltungskosten an der Donau-Universität Krems in keinem Verhältnis zur Anzahl der Studierenden und in keinem Verhältnis zwischen Präsidium und Abteilungen dieser Universität standen, obwohl das Kuratorium laufend Einsparungen erreichte und obwohl vierteljährlich entsprechende Berichte erstellt wurden. So betrugen die Kosten für das Präsidium der Donau-Universität im vergangenen Jahr 31,8 Millionen Schilling, die Kosten für die Abteilungen 50 Millionen Schilling; das heißt, 40 Prozent Overhead-Kosten – das ist auch für ein privates Unternehmen viel zu hoch.


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Im Gesetz ist von 4 Millionen Schilling an Einsparungen durch den Wegfall der Posten der Vizepräsidenten die Rede. Ich ersuche, daß diese Ersparnis der Universität zugute kommt und nicht künftig dem Bundesbudget zum Opfer fällt. Ich muß folgendes zitieren, um ... (Bundesminister Dr. Einem schüttelt den Kopf.)  – Das steht in den Erläuternden Bemerkungen zu diesem Gesetz: 4,4 Millionen Ersparnis. Daraus kann man natürlich schließen, daß die 4,4 Millionen Schilling nicht der Donau-Universität, sondern dem allgemeinen Budget zugute kommen.

Ich möchte aber zur Ehrenrettung der Donau-Universität folgendes sagen, Frau Kollegin Mühlwerth: 40 Millionen Schilling hat die Donau-Universität aus Drittmitteln selbst erbracht. Diese 40 Millionen hat sie selbst erwirtschaftet, nicht die paar 100 000 S, die Sie zuerst erwähnt haben. (Bundesrat Mag. Gudenus: 41!) Das heißt, fast 40 Prozent konnten von der Donau-Universität selbst aufgebracht werden. Für manche andere Universität wäre das ein gutes Beispiel dafür, auch so betriebswirtschaftlich zu arbeiten.

Was die Zahl der Studierenden an der Donau-Universität betrifft, möchte ich klarstellen: Krems hat im Durchschnitt 400 Studenten, diese Zahl ist aber steigend – es wird immer von 387 gesprochen, heuer waren es aber 428, also um 40 mehr, und die Zahl ist steigend. Dazu kommen im Jahresschnitt 2 500 bis 5 000 Studenten für Kurzseminare, für Kurzstudien, die immer wieder vergessen werden.

Ein Kostenvergleich zu den Studierenden an der TU Graz zeigt, daß dort der Abschluß eines Studenten 1 Million Schilling kostet, während die Kosten für einen Studenten an der Donau-Universität ungefähr 121 000 S betragen. Ich möchte da keine Neidkomplexe zwischen den Universitäten hervorrufen, sondern nur feststellen, daß an der Donau-Universität kostengünstig und betriebswirtschaftlich sehr ordentlich gearbeitet wurde, was auch vom Bundesminister im Nationalrat entsprechend erwähnt wurde.

Ich möchte nur auf einen Umstand hinweisen: Landesrat Bauer hat in einer Presseaussendung des SPÖ-Pressedienstes die nunmehrige Novelle hochgejubelt und gemeint, daß dadurch die wichtigen personellen Weichenstellungen gestellt werden. Er hat besonders hervorgehoben, daß eine Arbeitsgemeinschaft zwischen Bund und Land eingesetzt wird, eine Arbeitsgemeinschaft, die es eigentlich schon immer gegeben hat.

Ich glaube, Niederösterreich hat durchaus das Recht, eine Universität zu haben und eine Volluniversität zu erhalten. Man sollte, so glaube ich, seitens des Wissenschaftsministeriums einmal ehrlich feststellen: Will man dort ein zweites Standbein, eine Volluniversität errichten, oder will man quasi die Außenseiterrolle der Donau-Universität weiter erhalten? – Diese Außenseiterrolle geht ja so weit, daß die Donau-Universität nicht einmal in der österreichischen Rektorenkonferenz vertreten ist.

Ich glaube, es wird notwendig sein, in dieser Arbeitsgruppe, die bereits vorhanden ist und die jetzt anscheinend entsprechend aktiv werden soll, entsprechende Vorschläge zur Verbesserung beziehungsweise zur Erstellung eines zweiten wissenschaftlichen Standbeines für die Universität zu machen.

Frau Kollegin Mühlbachler hat vorhin die Webster Universität erwähnt. (Bundesrätin Mühlwerth: Mühlwerth heiße ich!)  – Mühlwerth, ja; Mühlbachler ist jemand anderer.

Sie haben die Webster Universität erwähnt. Dazu möchte ich Ihnen sagen: Nicht jede amerikanische Universität hat ein gutes Ranking. Ich möchte nur daran erinnern, daß Prüfungen, die an der Webster Universität abgelegt wurden, zum Beispiel an der TU nicht anerkannt werden. Man sollte sich daher schon genau überlegen, welche Universitäten man zitiert.

Die Donau-Universität liegt mit dem MBA-Programm nicht so schlecht. Ich weise in diesem Zusammenhang nur auf den Umstand hin, daß es bereits mehr als 100 Graduierte gibt, daß die Steinbeis-Stiftung in Deutschland das gesamte MBA-Programm von Krems übernommen hat und im Herbst ein MBA-Programm mit chinesischen Teilnehmern in Krems abgewickelt wird. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)


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Meine Damen und Herren! Wir sind stolz darauf, in Niederösterreich diese Universität zu haben. Sie ist die erste Universität mit postgradualer Weiterbildung, sie umfaßt derzeit fünf Abteilungen: für Umwelt und Biomedizin, für Kulturwissenschaften, für Europäische Integration, für Wirtschaft und Managementwissenschaften und für Telekommunikation. Wir haben im Schnitt 400 Studenten und mehr als 5 000 Studenten bei Kurzseminaren – das ist durchaus im internationalen Gleichklang.

Ich hoffe, daß Sie, Herr Minister, die Ankündigung wahr machen, daß wir in absehbarer Zeit in Krems ein zusätzliches wissenschaftliches Standbein für die Universität erhalten und daß wir in absehbarer Zeit eine Volluniversität haben werden. – Meine Fraktion wird gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Lukasser. – Bitte.

15.00

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich möchte als Tirolerin in aller Kürze zum Bundesgesetz über die Änderung des Universitäts-Studiengesetzes und zum Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste Stellung nehmen.

Ziel dieser Novellen – das wurde bereits mehrfach ausgeführt – war die Reform der Hochschulen in künstlerischer Richtung. Diese werden nun zu Universitäten. Im Vordergrund stand hiebei jedoch nicht das Bestreben, Wissenschaft und Kunst gleichzumachen, sondern es ging darum, Wissenschaft und Kunst als gleichwertig aufzuzeigen.

Es ging auch darum, die hohe Qualität der künstlerischen und musikalischen Ausbildung zu sichern, neue Perspektiven für die künftigen Absolventen der neuen Universitäten der Künste zu eröffnen sowie das kreative Potential und das positive künstlerische Klima in Österreich zu stärken.

Folgende wichtige Vorhaben können mit diesen beiden Gesetzen nun realisiert werden: Die bisherigen Hochschulen für Kunst werden Kunst- und Musikuniversitäten und damit den wissenschaftlichen Universitäten gleichgestellt. In Zukunft können neben den Instituten auch Fakultäten an künstlerischen Universitäten errichtet werden. Außerdem wird unsere international hoch anerkannte Ausbildung in Instrumental- und Gesangspädagogik nun als eigenständige Studienrichtung weitergeführt.

Besonders hervorheben möchte ich – deswegen auch meine Wortmeldung – : In Tirol wird für eine Universität der Künste ein weiterer Standort vorgesehen, was mich naturgemäß besonders freut, und wofür ich Ihnen, Herr Bundesminister, und den Abgeordneten Lukesch und Khol ganz besonders danken möchte! Sie haben sich sehr dafür engagiert, daß es in Tirol nun auch eine Universität der Künste geben wird, für welche es schon seit zehn Jahren Pläne gegeben hat. Das ist für mich eine große Beruhigung, denn Tirol war vom 15. bis zum 18. Jahrhundert der Mittelpunkt des Kulturlebens in Österreich und in Europa. (Bundesrätin Schicker: Auch heute noch!) – Danke!

Mit diesen Reformschritten im Universitätsbereich bekennt sich die ÖVP zur Gleichstellung der Kunst- und Musikuniversitäten mit den wissenschaftlichen Universitäten sowie zu einer Organisationsstruktur mit hoher Autonomie und personaler Verantwortung. Es fällt uns daher leicht, dieser Vorlage zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.03

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.03

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Es wird Sie vielleicht ein bißchen erstaunen, daß ich Ihren Dank, der mir heute aus


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gesprochen wurde, zwar gerne entgegennehme, zu dem einen oder anderen Dankeswort jedoch sagen muß, daß es nicht ganz zu Recht an mich gerichtet wurde.

Frau Bundesrätin Lukasser hat mir gerade jetzt für mein Engagement in Sachen Gründung einer Universität der Künste in Innsbruck gedankt. – Frau Bundesrätin! Ich bekenne mich insoweit zu Ihrem Dank, als ich mich auch dazu bekennen kann, daß wir im Prozeß der demokratischen Willensbildung Kompromisse zu schließen haben. Wie Sie wissen, ist Tirol in Sachen Wissenschaft im Parlament sehr stark vertreten und hat sich daher in der Diskussion um die Frage der Gründung einer eigenständigen Universität der Künste in Innsbruck letztlich im Kompromißwege durchgesetzt. Ich verhehle nicht, daß ich deutlich machen mußte und deutlich machen muß, daß mir dieser Wunsch zwar durchaus verständlich erscheint, daß ich allerdings nicht ohne weiteres Mittel habe, um diese Universität der Künste sofort ins Leben treten zu lassen. Ich denke, das sollte ehrlicherweise an einem solchen Tag gesagt werden, denn ich möchte mich nicht mit Lorbeeren schmücken, die mir in dieser Form jedenfalls nicht in vollem Umfang zustehen. – Gleiches gilt auch für einen zweiten Punkt, auf den ich noch zurückkommen möchte.

Frau Bundesrätin Mühlwerth hat die Frage an mich gerichtet, ob ich erklären könnte, warum jetzt plötzlich eine Fakultätsgliederung bei den Universitäten der Künste vorgesehen sei, und zwar als optionale oder noch besser: fakultativ zu nutzende Möglichkeit, Fakultäten einzurichten. – Ich beantworte diese Frage gerne: Tatsächlich haben auch über diese Fragen Verhandlungen stattgefunden, und tatsächlich war es der Vertreter der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Sektion Hochschullehrer, den Sie namentlich genannt haben, der diese Forderung sehr vehement vertreten hat, weil er sie für die sachlich richtigere und bessere gehalten hat.

Ich habe diese zu keinem Zeitpunkt für sachlich richtig und gut gehalten, habe mich aber auch in diesem Punkt bereit gefunden, einer Lösung zuzustimmen, die gewährleistet, daß diese Möglichkeit gegeben ist, und zwar dann, wenn erstens ein Gutachten des Universitätenkuratoriums dafür vorliegt, daß das die wirtschaftlich und effizienzorientiert bessere Lösung ist, und wenn zweitens der Hauptausschuß des Nationalrates und der Bundesminister für Wissenschaft dem ihre Zustimmung erteilen.

Ich halte das für eine durchaus tragbare Kompromißlösung: Ich bin nicht gezwungen, Fakultäten einzurichten, und ich habe schon gesagt, daß ich gemäß meinem Kenntnis- und Überzeugungsstand diese Absicht nicht habe. Wir haben uns also dazu gefunden, eine Möglichkeit zu eröffnen, von der ich nicht Gebrauch machen möchte. (Beifall des Bundesrates Dr. Böhm. )

Zweiter Punkt – IGP-Absolventen: Herr Bundesrat Strugl hat darauf hingewiesen, daß aufgrund der Verhinderung des "heimtückischen Anschlages" auf das IGP-Studium nunmehr den Musikschulen in den Ländern Lehrkräfte mit entsprechender Ausbildungsqualität zur Verfügung stehen werden. – Ich denke, auch in diesem Zusammenhang ist Nüchternheit in der Beurteilung am Platze.

Denn wir haben das Projekt durchgeführt, zumindest in einem Bundesland flächendeckend herauszufinden, wie die heute dort gelebte und anerkannte Qualität der Musikschulen zustande kommt. Wir haben festgestellt, daß diese zustande kommt, obwohl 65 Prozent der an diesen Schulen tätigen Lehrer kein IGP-Studium absolviert haben. Jetzt muß man sagen: Das IGP-Studium ist ein spezielles Studium, das für diesen Zweck geeignet ist und das wir auch aufrechterhalten: Aber wir sollten nicht so tun, als ob es die Grundlage der Qualität der Musikschulen in Österreich wäre. Denn dem ist nicht so!

Es ist leider Gottes noch eine Spur schlimmer: Ich entnehme Berichten von Absolventen der IGP-Studien, daß die Musikschulen in den Ländern mittlerweile gar nicht mehr bereit sind, Absolventen dieses Studienzweiges aufzunehmen, weil sie nämlich auch billigeres Lehrpersonal bekommen können. Hiebei handelt es sich in der Regel um Personen, die ein Studium des Konzertfaches absolviert haben, die Karriere, die ihnen vorgeschwebt ist, jedoch nicht einschlagen konnten und daher sozusagen in das Lehrfach an Musikschulen ausgewichen sind. – Das, Hoher Bundesrat, halte ich für nicht ideal! In diesem Zusammenhang sollten wir in den Ländern meines Erachtens nicht für ein Ideal eintreten und eine andere Praxis leben. Ich bin zuletzt dafür


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eingetreten, daß wir die Möglichkeit eines spezifischen, auf die pädagogische Aufgabe in Musikschulen vorbereitenden Studiums aufrechterhalten, daher appelliere ich jetzt an die Länder, sich dieser qualifizierten Absolventen auch zu bedienen!

Wir sollten uns darüber im klaren sein, daß der Ruf des Musiklandes Österreich unter anderem auch daran hängt, daß es uns gelingt, junge Menschen beziehungsweise im wesentlichen Kinder früh in qualifizierter Weise auf Musikberufe vorzubereiten. Denn derzeit besteht das Manko, das wir haben – welches auch im internationalen Wettbewerb Probleme bereitet –, darin, daß bei uns die Kinder zu spät und nicht qualifiziert genug herangebildet werden. Die Konsequenz ist, daß dann überlange Studien an den Musikhochschulen vorgesehen werden müssen, die vielfach aber zu spät einsetzen. Denn bei einem jungen Menschen, der etwa Violine im Konzertfach studieren möchte, muß die technische Ausbildung in Wahrheit im Alter von 18 bis 20 Jahren abgeschlossen sein. Diese Ausbildung kann nicht an der Hochschule nachgeholt werden. Kurz: Dieses in der Praxis bestehende Problem sollten und müssen wir noch lösen!

Bundesrat Kaufmann hat das Gespenst der Vernichtung der Donau-Universität an die Wand gemalt. Herr Bundesrat! Wir sollten nicht Gespenster erfinden, um nachher sozusagen den Helden auftreten lassen zu können, diesfalls in Gestalt des Herrn Landeshauptmanns Pröll, der dieses Gespenst mannhaft besiegt und damit das Weiterleben einer florierenden Donau-Universität ermöglicht. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. )

Herr Bundesrat! Ich habe die Existenz der Donau-Universität Krems zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt! Wenn Sie mir das hier und heute unterstellen, dann liefern Sie bitte einen einzigen Beweis dafür! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. ) Ich habe zu keinem Zeitpunkt die Existenz der Donau-Universität in Frage gestellt! Ich habe zu jedem Zeitpunkt auf die verdienstvollen Leistungen der Donau-Universität hingewiesen! Ich habe allerdings zugleich auf das Strukturproblem im Zusammenhang mit der Donau-Universität hingewiesen, das ein doppeltes ist: Erstens ist mit der ursprünglichen gesetzlichen Konzeption anläßlich der Einrichtung der Donau-Universität eine Organisationsweise gewählt worden, bei welcher für jedes Fach, das dort gelehrt wird, die Gründung einer eigenen Abteilung vorgesehen ist. Das hat zu einer administrativen Hypertrophie geführt. Das ist für eine so kleine Universität zu teuer und auch nicht zweckmäßig.

Zweitens ist es bedauerlicherweise – meiner Meinung nach ist das aber kein Fehler der Donau-Universität Krems – nicht gelungen, daß die Donau-Universität Krems im Bewußtsein der anderen 18 Universitäten als ein Institut zur Fortbildung im postgradualen Sektor akzeptiert und unterstützt wird. Es ist zwar durchaus möglich, daß Universitätsprofessoren von anderen Universitäten in Krems unterrichten, aber ansonsten sind die übrigen Universitäten gegen Krems. Und das kann so nicht weitergehen! Daher haben wir uns vorgenommen, in einer Übergangsperiode, die mit der Beschlußfassung über dieses Gesetz beginnt, entweder zu erreichen, daß die anderen Universitäten Krems als ihr Fortbildungsinstitut akzeptieren und unterstützen, oder die Donau-Universität Krems in eine Volluniversität umzuwandeln, die dann vermutlich eine wirtschaftsorientierte Volluniversität werden wird. Auch das halte ich für ein durchaus reizvolles Unterfangen, das am Standort Krems Chancen hat.

Ich möchte noch etwas betonen – und auch in diesem Punkt sollten wir meines Erachtens offen miteinander reden – : Einen Anspruch eines Bundeslandes auf die Einrichtung einer Universität gibt es nicht und kann es auch nicht geben. Es ist sinnvoll, daß wir unsere Universitätslandschaft entsprechend den Bedürfnissen der Menschen in Österreich weiterentwickeln. Das ist aber kein Bundesländeranspruch, sondern ein Anspruch, der dem Zweck dient, daß die jungen Menschen qualifiziert in den Bereichen ausgebildet werden können, in denen sie dann auch Chancen vorfinden. Und das ist nicht primär eine Standortfrage. Niederösterreich ist sehr gut ausgestattet mit hochkarätigen Bildungseinrichtungen. Niederösterreich behält die Donau-Universität in Krems, die entweder eine Fortbildungsuniversität bleiben oder eine Volluniversität des Wirtschaftsbereichs werden wird. Aber einen Anspruch von Bundesländern auf Universitäten kann es nicht geben. Das wäre wirklich nicht sinnvoll! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. )


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Lassen Sie mich damit zugleich auch enden: Den Dank, der an mich in Sachen IGP-Studium gerichtet wurde, war zu relativieren, und ich habe ihn relativiert. Ich denke, wir sollten in einen friedlichen Sommer auch im Bereich der Wissenschaftspolitik gehen! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.13

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse erfolgt getrennt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Änderung des Universitäts-Studiengesetzes.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung des Universitätszentrums für Weiterbildung mit der Bezeichnung Donau-Universität Krems geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

44. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die bauliche Erweiterung der Universität Klagenfurt unter finanzieller Beteiligung des Landes Kärnten und der Landeshauptstadt Klagenfurt (809/A und 1353/NR sowie 5760/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 44. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die bauliche Erweiterung der Universität Klagenfurt unter finanzieller Beteiligung des Landes Kärnten und der Landeshauptstadt Klagenfurt.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Gudenus übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.


Bundesrat
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Berichterstatter Mag. John Gudenus:
Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Verkehr liegt Ihnen – so hoffe ich zumindest – vor. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Uns immer, Herr Kollege!) Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht und dessen Ausschmückung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Richau. – Bitte.

15.15

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der uns vorliegende Beschluß des Nationalrates über die bauliche Erweiterung der Universität Klagenfurt ist nicht nur ein Ereignis der besonderen Art für die Uni selbst, welche sich seit ihrer Errichtung im Jahr 1970 im stetigen Aufwind befindet, sondern bedeutet für Kärnten auch einen wichtigen Impuls aus bildungspolitischer Sicht für unsere jungen und – vor allem – lernwilligen Menschen.

War in den Anfangsjahren für die Hochschule und später die Uni Klagenfurt die Aufnahme von zirka 1 200 Studentinnen und Studenten vorgesehen, so hat sich bald herausgestellt, daß der Bildungs- und Wissensdurst unserer jungen Menschen kraß unterschätzt worden war. Der ständig steigenden Zahl von inskribierenden HörerInnen an unserer Uni – derzeit sind es zirka 4 500 Personen – konnte in den letzten Jahren eine leider immer geringer werdende Kapazität an erforderlichen Lehr- und Forschungsstätten zur Verfügung gestellt werden. Die erforderlichen Arbeitsbedingungen sowohl für das Personal als auch für die Studenten entsprachen nicht mehr den Erfordernissen. Diese steigende Raumnot hat vor allem durch Anmietung anderer Betriebsräume auch zu ständig steigenden Betriebskosten geführt.

Aufgrund der positiven Entwicklung der Universität Klagenfurt mit ihrem hervorragenden Lehrpersonal, das über die Grenzen des Landes hinaus bekannt ist, sowie der raschen Weiterentwicklung an Bildungsangeboten und vor allem auch des Bildungswillens im allgemeinen ist der Ausbau der Uni Klagenfurt nicht nur aus wirtschaftlichen und pädagogischen Gründen als sinnvoll anzusehen, sondern unter dem Gesichtspunkt moderner Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitsdurchführung auch unbedingt erforderlich. – Meine Fraktion wird diesem Beschluß als Investition in das wichtigste und beste Kapital, als Investition in unsere Jugend, mit Freude die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfeifer. – Bitte.

15.18

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Die Universität Klagenfurt ist in allen Rankings der österreichischen Universitäten in den letzten Jahren immer an der Spitze gelegen und verdient daher diesen Ausbau, zumal die bisherige Hochschule für Bildungswissenschaften, wie sie bei der Gründung im Jahre 1970 geheißen hat, auf einen Stand von 1 200 Studierenden – wie wir schon gehört haben – ausgelegt war, wobei die Stadt Klagenfurt und das Land Kärnten schon damals je 150 Millionen Schilling für Bauvorhaben beziehungsweise Grundstücksbeschaffung aufgebracht haben. Im laufenden Studienjahr beträgt die Gesamtzahl der inskribierten Hörer über 4 500, das heißt, es hat fast eine Vervierfachung der Hörerzahl gegeben.

Wir haben auch gehört, daß die Universität bereits Anmietungen teilweise auch außerhalb der Stadt vornehmen mußte, um sich behelfen und so den Lehr- und Studienbetrieb einigermaßen aufrechterhalten zu können. Daher ist mit Beschluß des Stadtsenates beziehungsweise des


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Landes Kärnten die Entscheidung gefallen, dieses Projekt mit 180 Millionen Schilling zu fördern. Die Gesamterrichtungskosten werden sich auf etwa 300 Millionen Schilling belaufen, wobei als Fertigstellungstermin Mitte 2000 in Aussicht genommen wird. Zu diesen Kosten werden auch noch Ausstattungskosten in der Höhe von 30 bis 35 Millionen Schilling kommen, womit die Universität den ihr zustehenden Stand erreichen wird, um den Lehr- und Studienbetrieb in erweitertem Ausmaß, nachdem auch die Fakultäten ausgeweitet wurden, auch in Zukunft in zufriedenstellender Form fortsetzen zu können.

Ich meine, daß die Entscheidung aller damaligen Verantwortlichen, insbesondere des damaligen Bürgermeisters von Klagenfurt, Ausserwinkler, sowie des Präsidenten und Vizebürgermeisters Romauch, goldrichtig war.

Die SPÖ-Fraktion wird daher dem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Ramsbacher. – Bitte.

15.21

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Vieles haben meine beiden Kollegen aus Kärnten bereits vorweggenommen; es gab selten eine solche Einigkeit für ein gemeinsames Projekt zwischen allen Parteien in Kärnten.

Auch wir von den Freiheitlichen werden selbstverständlich unsere Zustimmung für die bauliche Erweiterung der Universität Klagenfurt geben. Ich möchte Sie nicht noch einmal mit den Zahlen der Hörer und so weiter – man kann fast sagen – belästigen. Wir kennen sie und haben sie bereits gehört.

Vieles wurde allerdings bereits während der laufenden Sanierungsmaßnahmen in die Wege geleitet, wie zum Beispiel die Teilfertigstellung des Parkplatzes. Man wird es nicht glauben, aber eines der größten Probleme der Uni Klagenfurt war der große Parkplatzmangel, wozu mein Kollege Harring vorhin meinte, zu seiner Studienzeit hätte es dieses Problem nicht gegeben, weil damals Fahrradständer gereicht hätten.

Auf jeden Fall freut es uns, daß die Uni Klagenfurt von ihrer anfänglich eher belächelten Stellung unter den Universitäten Österreichs weggekommen ist und nun eine tolle Situation erreicht hat.

Wir freuen uns, daß auch wir die Zustimmung zu diesem Projekt geben können, sowie auf die Fertigstellung und auf viele Studenten. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

15.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Offensichtlich nicht.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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643. Sitzung / Seite 237

45. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (805/A und 1334/NR sowie 5761/BR der Beilagen)

46. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (1209 und 1335/NR sowie 5762/BR der Beilagen)

47. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gefahrgutbeförderungsgesetz erlassen wird sowie das Kraftfahrgesetz 1967 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden (1275 und 1336/NR sowie 5763/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 45 bis 47 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem ein Gefahrgutbeförderungsgesetz erlassen wird sowie das Kraftfahrgesetz 1967 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 45 bis 47 hat Herr Bundesrat Freiberger übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Horst Freiberger: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Die Berichte liegen schriftlich vor. Ich erspare mir daher in allen drei Fällen die Verlesung.

Zum Tagesordnungspunkt 45 stelle ich folgenden Beschlußantrag: Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Bericht zum Tagesordnungspunkt 46 des Ausschusses für Wissenschaft und Verkehr über den Beschluß des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird:

Der Beschlußantrag lautet: Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Tagesordnungspunkt 47 ist der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Verkehr über den Beschluß des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz erlassen wird sowie das Kraftfahrgesetz 1967 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden.

Hier lautet der Beschlußantrag: Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.


Bundesrat
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643. Sitzung / Seite 238

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

15.25

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zu den drei Tagesordnungspunkten 45 – Kraftfahrgesetz –, 46 – Luftfahrtgesetz – und 47 – Straßenverkehrsordnung – ein paar Bemerkungen, die mir aber sehr wesentlich erscheinen.

Ich möchte in umgekehrter Reihenfolge mit der Novelle zur Straßenverkehrsordnung beginnen, mit der in Hinkunft eine Neuregelung betreffend die Gefahrguttransporte getroffen werden soll. Hier handelt es sich in erster Linie natürlich um eine reine EU-Anpassung und vor allem um Mehrkosten, die einerseits vom Bund, andererseits aber auch von den Ländern zu tragen sind.

Es ist auch zu bemerken, daß bei dieser Novelle in Hinkunft für die Ausbildung Gelder zur Verfügung stehen müssen, wobei nicht klar ist, wer diese Ausbildung für den Gefahrgutbeauftragten bezahlen wird. Weiters ist zu bemerken, daß bei dieser Novelle im § 2 der Hinweis auf Normen in anderen Staatssprachen, das heißt, in diesem Fall in englischer Sprache, gegeben ist; und das scheint mir verfassungsrechtlich bedenklich zu sein. Denn in der Bundesverfassung ist im Artikel 8 geregelt, daß Verordnungen und Gesetze in der Staatssprache auszuführen sind. Dies ist keine Feststellung meinerseits, sondern das hat auch das Bundeskanzleramt erkannt und spricht von einer Verletzung des Publizitätsgebotes, da die Normen nicht greifbar sind. Ich meine daher, es wird eine rechtlich sehr wackelige Novelle. Aber wenn sie dazu dient, die Straßen- und Gefahrguttransporte sicherer zu machen, dann werden wir unsere Zustimmung geben.

Zum Luftfahrtgesetz ein paar Bemerkungen: Damit ist ein Schritt in die richtige Richtung gemacht worden, und zwar in der Form, daß daran gedacht wurde, die Doppelnutzung von Militärflughäfen einerseits für militärische Zwecke und andererseits für die Zivilluftfahrt zu ermöglichen. Hier möchte ich nur aus steirischer Sicht die Bitte anknüpfen: Es ist eine steirische Uraltforderung, daß Militärflughäfen – und im speziellen Zeltweg – auch für zivile Zwecke geöffnet werden. Hier hätten wir uns eine ganzheitliche Lösung vorgestellt. Die Wirtschaft, die Region, der Sport – alle brauchen diese Infrastruktur. Wir hoffen aber, daß in Zukunft auch hier eine Lösung, eine ganzheitliche Lösung getroffen wird. (Beifall der Bundesrätin Schicker.  – Bundesrätin Schicker: Wir brauchen das, Herr Minister!)

Zum dritten Punkt, zur gemeinsamen Beratung zur KFG-Novelle, auch in aller Kürze: Es handelt sich um das sogenannte Handy- oder Telefonierverbot während der Fahrt. Hier vertreten wir Freiheitliche eine völlig andere Auffassung, denn es ist durch nichts belegt, daß es dadurch zur Anhebung der Verkehrssicherheit kommt. Es gibt für die Begründung, daß das Telefonieren während der Fahrt eine Beeinträchtigung darstellt, nur theoretische Annahmen. Es ist auch bewiesen, daß nicht das Telefonieren die Beeinträchtigung darstellt, sondern eigentlich das Gespräch.

Ergo erhebt sich natürlich auch die Frage, inwieweit es sinnvoll ist, während der Fahrt Gespräche zu führen. Wir meinen, dies ist sicherlich eine Problematik, die sich mit dieser Regelung nicht lösen läßt. (Bundesrat Prähauser: Er darf überhaupt nicht sprechen! Auch nicht die Beifahrer!) Denn die Ablenkungstätigkeiten, Herr Kollege Prähauser, waren bisher schon geregelt, und es ist auch bekannt, wenn kausal ein Zusammenhang bei einem Unfall gegeben ist, daß es daraus auch Konsequenzen gibt. Daher sind wir der Meinung, daß diese Regelung in dieser Form nicht notwendig ist, da dieses Gesetz selbstverständlich für administrative Bereiche Probleme bringen wird. Es wird für die Exekutive sehr schwierig sein, diesen Tatbestand festzustellen.

Es ist in dieser Frage auch bezeichnend, daß bisher der ÖVP-Standpunkt ein völlig anderer war. Ich will nicht sagen, daß die ÖVP in dieser Frage umgefallen ist, denn ich meine, wenn jemand liegt, kann er nicht mehr umfallen. Das ist aber bezeichnend für die Haltung der ÖVP, weil niemand geringerer als der ihr nahestehende Kraftfahrzeugklub, keine andere Organisation als der ÖAMTC in einer umfassenden Stellungnahme festgestellt hat, daß mit dieser Novelle zum KFG kein Problem gelöst wird.


Bundesrat
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643. Sitzung / Seite 239

Ich zitiere daraus in aller Kürze nur einen Satz. Der ÖAMTC bezieht dazu Stellung und meint: Der vorliegende Gesetzesvorschlag will eine Materie regeln, die bereits derzeit, wie wir glauben, im wesentlichen ausreichend durch die StVO definiert wird. Es liegen dem ÖAMTC eine Reihe von Entscheidungen der unabhängigen Verwaltungssenate vor, mit denen Kraftfahrer wegen Telefonierens im Auto gemäß § 58 StVO bestraft wurden. – Zitatende.

Das stammt nicht von einem verdächtigen, bösen Freiheitlichen, sondern das hat der der ÖVP nahestehende ÖAMTC festgestellt. Daher bin ich über die Haltung der ÖVP in dieser Frage verwundert. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. )

Es erhebt sich deshalb abschließend bei diesem Punkt die Frage, Kollege Kaufmann – vor allem mit Ihrer Zustimmung, da doch Ihre Organisation jene Feststellung getroffen hat, die ich zitiert habe –: Warum schaffen Sie dieses Telefonierverbot, wenn es doch funktionierende Regelungen gibt? – Ich meine, Sie schaffen diese Regelung deshalb, weil Sie wieder bei den Autofahrern abkassieren, weil Sie der Exekutive die Arbeit erschweren und der Bevölkerung falsche Hoffnungen im Hinblick auf Verkehrssicherheit geben wollen.

Diesen Bereich betreffend werden wir Freiheitliche uns nicht für eine solche Vorgehensweise hergeben. Wir werden daher die Zustimmung verweigern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Richau. – Bitte.

15.31

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Auf deinen Debattenbeitrag, Kollege Weilharter, könnte man jetzt antworten: In der FPÖ gibt es eine Krise, weil der Chef wieder im Ausland weilt, und meistens gibt es dann Krisen bei euch, nicht wahr? – Das könnte man als Gegenantwort geben.

Aber ich glaube, die Materie ist sehr ernst, und es wundert mich, daß in der Diskussion und in den Debattenbeiträgen im Nationalrat das Handy-Verbot und der Wildwuchs von Sendemasten eigentlich mehr Aufmerksamkeit gefunden haben als der Transport gefährlicher Güter auf der Straße. Wenn man bedenkt, wie viele rollende "Bomben" täglich auf unseren Straße vorzufinden sind, so darf ich vorweg sagen, daß dieses Gesetz in vielen Bereichen ein Versuch und auch eine Möglichkeit ist, diese rollenden Bomben zu verhindern.

Geschätzte Damen und Herren! Wenn man gerade in letzter Zeit ständig die Medienberichte – sei es die Sendung "Report" oder andere – verfolgt und wenn man weiß, welche Probleme bei der Kontrolle von gefährlichen Gütern aufgrund falscher, mangelnder oder ungenauer Deklaration auftreten, so kann man nur froh sein, daß es zu diesem gegenständlichen Gesetz gekommen ist.

Meiner Meinung nach sind die wichtigsten Punkte die rechtlichen Regelungen im Bereich der einheitlichen Bezeichnung und die Festlegung der einzelnen Verantwortungsträger wie Verpacker und Beförderer; gerade hier ist ein wichtiger Schritt im Hinblick darauf gesetzt worden, was in den letzten Jahren sehr schwer bis gar nicht kontrollierbar war. Ein wichtiger Teil sind auch die Erweiterung des Gesetzes und die kurzfristigen Möglichkeiten im Bereich des kombinierten Verkehrs. Hiezu sind die Bestimmungen eindeutig festgelegt.

Für mich als Exekutivorgan ist das ausdrückliche Zurückweisungsrecht an der Außengrenze ein sehr wichtiger Punkt, weil damit zumindest die Möglichkeit geboten wird und auch gesichert ist, daß man Gefahrguttransporte zurückweisen darf. Aber ich nehme in dieses Gesetz nicht nur den Gefahrguttransport hinein, sondern auch das Fahren mit gefährlichen Fahrzeugen, das gerade in letzter Zeit aus Oststaaten überhandgenommen hat.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der in anderen Gesetzen vielfach nachgeholt werden muß, sind meiner Meinung nach – Herr Bundesminister, Sie haben das in Ihrem früheren Ressort immer wieder feststellen müssen – die Probleme der Kompetenzaufteilung zwischen der Exekutive und


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643. Sitzung / Seite 240

der Zollwache. Ich glaube, durch die jetzige sehr genaue Regelung wird auch hier ein weiterer Streitpunkt beigelegt; vor allem war in der Vergangenheit die Zusammenarbeit gut, und sie wird und soll auch in Zukunft immer zwischen diesen beiden Einheiten bestehen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Abschließend wünsche ich mir, daß neben der nun aufliegenden gesetzlichen Grundlage auch das notwendige Personal und die erforderlichen technischen Materialien zur Verfügung stehen werden, denn erst im Zusammenhang mit diesen beiden Gegebenheiten sind genaue Kontrollen möglich, um Gefahren zu verhindern und um den Menschen auf den Straßen Sicherheit zu geben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Pfeifer. – Bitte.

15.35

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Herr Bundesminister! Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Die Änderung des Kraftfahrgesetzes 1967 ist mehr ein Ge bot als ein Verbot, wenn es nämlich darum geht, während des Fahrens zu telefonieren, und wenn es um die Maßnahmen geht, die diesbezüglich gesetzt werden.

Warum kommt es zu einer Änderung? – Laut Kuratorium für Verkehrssicherheit sind 90 Prozent der Verkehrsunfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen. Deswegen ist die Aufmerksamkeit des Lenkers von größter Bedeutung. Das wissen wir alle. Besonders in komplexen Verkehrssituationen kann die Aufmerksamkeit, die dem Telefonieren gewidmet wird, nicht rasch genug wieder auf die Straßenverkehrssituation gerichtet werden.

In einer Untersuchung der Universität München wurde die Ablenkung durch das Telefonieren am Steuer gemessen. Visuelle und akustische Reize der Umwelt müßten um 60 Prozent stärker ausgeprägt sein, damit sie der telefonierende Fahrer wahrnehmen kann. Ich möchte jetzt diese Studie nicht noch weiter erläutern; nur eine Bemerkung dazu – und das stimmt –: Der Fahrer selbst – ich auch – ist davon überzeugt, daß er fehlerfrei fährt. Ich gebe es zu, ich habe das schon alles selbst erlebt, speziell dann, wenn der Empfang miserabel war, denn dann habe ich mich noch mehr geärgert und mich wahrscheinlich noch weniger konzentriert.

Ich meine, es ist wichtig, daß die Anforderungen der Produktsicherheitsbestimmungen für Fernsprecheinrichtungen durch Vorschriften und Verordnungen von Bundesminister Einem vorgelegt werden. Die Übergangsregelung bis 1. Juli 1999 ist ebenso wichtig, damit sich die Autofahrer tatsächlich darauf einstellen können. Ich hoffe auch, daß sich die Autoproduktion auf diese Regelung einstellen wird und daß bei neuen Fahrzeugen eine Mindestausstattung im Bereich der Freisprechanlagen zur Grundausstattung eines Autos gehört und im Auto vorhanden sein muß.

Kollege Weilharter! Hätten Sie den ARBÖ gefragt, dann hätte die FPÖ der Gesetzesnovelle ganz sicher zustimmen können. Sie hätten dort nämlich eine ausreichende Antwort und Begründung für diese Maßnahme bekommen. Wir von der SPÖ stimmen dieser Neuregelung zu, dient sie doch der eigenen Sicherheit und Konzentration. In diesem Gesetz wird eine Minimalforderung im Sinne von mehr Verkehrssicherheit und zum Schutz aller Verkehrsteilnehmer umgesetzt.

Was das Luftfahrtgesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 betrifft, bin ich derselben Meinung, die hier bereits kundgetan wurde: Es herrscht auch in diesen Punkten Einstimmigkeit.

Ich möchte noch dem Herrn Bundesminister und seinen Mitarbeitern für die Umsetzung aller drei Gesetze recht herzlich danken. Wir werden hiezu die Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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643. Sitzung / Seite 241

15.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Rieser. – Bitte.

15.38

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben heute drei Gesetzesnovellen betreffend Verkehr zu beraten, die eigentlich – das haben meine Vorredner auch schon gesagt – sehr wenig miteinander zu tun haben. Wir müssen sie aber aus Zeitgründen gemeinsam behandeln. Ich werde deshalb nicht auf alle eingehen, sondern ich werde mich erstens auf die StVO-Novelle betreffs des Handy-Verbots beim Autofahren und zweitens – natürlich auf dich zurückkommend, lieber Kollege Engelbert Weilharter – auch auf das Luftfahrtgesetz beschränken.

Am meisten betroffen von dem sogenannten Handy-Verbot sind sicherlich die Autofahrer. Der Handy-Boom übertrifft alle Erwartungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden 430 000 neue Teilnehmer registriert.

Mit Stichtag 30. Juni 1998 gab es in Österreich insgesamt rund 1,57 Millionen Mobilfunkbenützer. Wir können in diesem Bereich ein steigendes Tempo feststellen. Das hat natürlich auch massive Auswirkungen auf den Autoverkehr und die Verkehrssicherheit. Genau bei der Verkehrssicherheit unterscheidet sich aber das Telefonieren mit dem Handy von anderen ablenkenden Tätigkeiten. Da Hunderttausende Autofahrer über ein Handy verfügen, ist es auch selbstverständlich, daß während der Fahrt telefoniert wird. Natürlich gibt es auch andere Ablenkungskriterien wie etwa das Radiohören, das Sendereinstellen, das Kassettenwechseln, das Zigarettenanzünden und anderes mehr.

Das Handy im Auto führt zur Ablenkung jener, die ohne Freisprechanlage telefonieren, und ich halte deshalb fest: Man wird ablenkende Tätigkeit beim Autofahren – wie schon erwähnt: Zigarettenanzünden, Radioeinstellen et cetera – nicht abstellen können (Bundesrat Eisl: Händchenhalten!)  – auch Handyhalten, auch Sprechen mit der Partnerin –, jedoch – und das hat mein Vorredner auch gesagt – ist die Verkehrssicherheit gerade beim Telefonieren etwas Besonderes.

Die Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt bei jedem einzelnen. Das haben alle Untersuchungen gezeigt. Deshalb stimmen wir dieser Regelung zu.

Die ÖVP-Fraktion war gegen eine überfallsartige Regelung – das ist richtig –, deshalb haben sich auch unsere Kollegen im Nationalrat dagegen gewehrt, daß ein Verbot schon mittels Initiativantrag bei der letzten Novelle der Straßenverkehrsordnung beziehungsweise des KFG beschlossen worden ist, und sie haben erreicht, daß zumindest eine Kurzbegutachtung vorgenommen wurde, und zwar gerade deshalb, weil so viele Autofahrer von dieser Maßnahme betroffen sind, weil sie den Autofahrer natürlich auch etwas kostet und weil sie in Europa erst in wenigen Staaten eingeführt ist.

Lieber Kollege Weilharter! Ich stimme dir insoweit zu, daß es eine kritische Äußerung des ÖAMTC gegeben hat. Der ÖAMTC hat eine kritische Stellungnahme verfaßt und gemeint, daß Freisprechanlagen nicht der Weisheit letzter Schluß seien. Ich unterstütze das absolut. Was aber hat der ÖAMTC als Konsequenz gefordert? – Er hat gesagt, daß man beim Autofahren am besten überhaupt nicht telefoniert. Aber wer macht das schon? – Du, lieber Kollege Engelbert, sicherlich auch nicht. Davon bin ich überzeugt.

Auch das Telefonieren mit einer Freisprechanlage kann eine grob fahrlässige Handlung mit allen rechtlichen Konsequenzen sein – das muß uns, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, klar sein –, denn die Straßenverkehrsordnung verbietet dort, wo es konkrete Gefahrenumstände gibt, ablenkende Tätigkeit. Das gilt für das Handy ebenso wie für das Wechseln einer Kassette und das Anzünden einer Zigarette.

Daher ist eine Freisprechanlage auch keineswegs ein Freibrief zum Telefonieren. Das muß beachtet werden. Aber es gibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine sinnvollere Alternative dazu.

Zum Luftfahrtgesetz möchte ich erwähnen, daß im Interesse eines sicheren und ordnungsgemäßen Zivilflugplatzbetriebes auf dem Militärflugplatz zwei Ministerien, nämlich Wissenschaft und Verkehr sowie Landesverteidigung, zusammenarbeiten müssen.


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In diesem Zusammenhang möchte ich eine alte Forderung zur Öffnung des Militärflughafens Zeltweg für den Zivilluftfahrtverkehr wiederholen. (Bundesrätin Schicker  – Beifall spendend –: Jetzt muß ich klatschen, denn es wäre unfair, wenn ich nur Kollegen Weilharter applaudiere!) Ich sage schon noch etwas dazu! Ich werde noch etwas dazu sagen. Daß dies möglich ist, liebe Kollegin, zeigt die Tatsache, daß gegenwärtig viele Luftfahrzeuge aus allen Nationen anläßlich des Formel-1-Grand-Prix in Zeltweg landen. Der Herr Bundesminister für Landesverteidigung, Werner Fasslabend, hat in Aussicht gestellt, im Bedarfsfall unbürokratisch Genehmigungen zu erteilen.

Ich bitte, dazu ein sehr offenes Wort hier aussprechen zu dürfen: Leider zeigt uns die Realität, daß die Bürokratie in diesem Zusammenhang ein großer Hemmschuh ist. Vor sechs Wochen wollte Bernie Ecclestone an einem Samstag vormittag zur Vorbesprechung von London kommend in Zeltweg landen. Eine Genehmigung war binnen vier Tagen nicht zu erreichen, und man teilte mir telefonisch mit, daß an einem Samstag Überstunden notwendig wären. Hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind auch wirtschaftliche Einnahmen entgangen. (Bundesrätin Schicker: Dafür muß der Flughafen nicht geöffnet werden!) Bitte? (Bundesrätin Schicker: Wir brauchen die Öffnung von Zeltweg für andere wirtschaftliche Dinge! Das sind nicht unsere Probleme!) Nein, ich nenne das nur als Beispiel, weil er direkt in Zeltweg landen wollte wegen einer Besprechung mit den Technikern. Das war einfach nicht möglich.

Aber gleich in diesem Zusammenhang eines, liebe Kollegin Schicker: Die Wirtschaftskammer Steiermark hat im Jänner bei Unternehmer ab 50 Beschäftigten in den obersteirischen Bezirken – auch in Leoben, Kollegin Schicker – eine Befragung durchgeführt, inwieweit sie ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der Öffnung des Militärflughafens Zeltweg für zivilen Geschäftsflugverkehr haben. Das Ergebnis dieser Befragung ist eigentlich sehr interessant: 20 größere Betriebe haben sich spontan dafür ausgesprochen, daß sie gerne mit firmeneigenen Flugzeugen in Zeltweg landen würden und auch von Zeltweg aus Warentransporte hinaus in die Welt durchführen würden. Andererseits wurden von den Mitarbeitern dieser Unternehmen rund 1 900 internationale Flüge ab Graz und Wien durchgeführt. Aus diesem Potential könnten die von den Unternehmen gewünschten Zubringerflüge nach Graz und Wien durch ein Privatflugunternehmen bedient werden. Das wäre wieder eine Möglichkeit für ein neues Unternehmen. Die Unternehmen geben als Begründung für ihr Interesse den Kostengewinn hinsichtlich Zeit, kalkulierter Autokosten, ersparter Hotelkosten und Parkgebühren an.

Ich fordere daher in diesem Zusammenhang von der Bundesregierung, man möge der ehemaligen Krisenregion und heutigen Zukunftsregion diese Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Die Obersteiermark war einst als Flaggschiff der österreichischen Schwerindustrie beneidet, dann als Krisenregion bemitleidet und hat heute aufgrund neuer Betriebsformen eine Zukunft. – Wir werden daher diese Anträge voll unterstützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir abschließend noch ein paar Sätze zu meiner Person, in eigener Sache. Jeder von uns hat die Möglichkeit, für sein Bundesland eine bestimmte Zeit hier im Hohen Haus zu wirken. Für den einen ist die Zeit länger, für den anderen ist die Zeit kürzer. Für mich waren es 30 Monate, und ich danke allen aufrichtig. Für mich ist es heute das letzte Mal, daß ich hier stehe, daß ich zu euch sprechen darf, weil ich mit 22. September im Landtag angelobt werden werde.

Für mich waren diese Monate geistig ein großer Gewinn, und ich möchte keine Minute, die ich in diesem Haus tätig sein durfte, missen. Freundschaften wurden geschlossen, auch über Parteigrenzen hinweg, und ich hoffe, daß diese auch über die Tätigkeit im Bundesrat hinaus anhalten.

Ich danke Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, für die Kameradschaft und für die gelebte Solidarität.

Namentlich möchte ich mich bei Herrn Präsidenten Kommerzialrat Alfred Gerstl für die väterliche Freundschaft, die ich erfahren durfte, bedanken. Deine Ratschläge, lieber Alfred, werden mich auch in Zukunft bei meiner politischen Aufgabe begleiten.


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643. Sitzung / Seite 243

Ich danke Frau Vizepräsidentin Haselbach, und ich danke besonders auch Herrn Vizepräsidenten Jürgen Weiss für den Beistand, den ich oft beansprucht habe.

Ein "Vergelt’s Gott!" möchte ich auch gegenüber meinem Fraktionsvorsitzenden, dir, lieber Herr Präsident Ludwig Bieringer, zum Ausdruck bringen für das Vertrauen, aber auch für die Möglichkeit, daß ich mich entfalten konnte.

Ich danke allen Bediensteten und allen Beamten in diesem Haus, besonders aber auch allen Mitarbeitern im ÖVP-Klub.

Abschließend bitte ich Sie, meinen Nachfolger, Herrn Dipl.-Ing. Missethon, der bei der nächsten Sitzung angelobt werden wird, mit gleicher Wärme aufzunehmen, wie ich sie hier erfahren durfte.

Hoher Bundesrat! Dieses Gremium, der Bundesrat, ist so stark, wie der einzelne Mandatar seine Aufgabe wahrnimmt. Ich wünsche Ihnen dafür viel Erfolg und Gottes Segen und verabschiede mich mit einem steirischen "Glück auf!". Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

15.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Rieser! Ich möchte Ihnen ganz herzlich für Ihre freundlichen Worte danken. Sie waren ein lieber und sehr geschätzter Kollege in unserer Mitte. Wir wünschen Ihnen aus ganzem Herzen für die Zukunft alles Gute! Viel Erfolg in Ihrer neuen Funktion! (Allgemeiner Beifall.)

Eine weitere Wortmeldung habe ich von Herrn Bundesrat Windholz. – Ich darf ihn bitten.

15.52

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich noch kurz zum Gefahrgutbeförderungsgesetz zu Wort melden und darf gleich zu Beginn Kollegen Richau zu seinem Debattenbeitrag gratulieren. Er hat treffend formuliert, worum es hier geht. Es ist mit dieser Änderung ein Mehr an Sicherheit in Zukunft gegeben.

Als Zollwachebeamter freut es mich ganz besonders, diesem Gesetz meine Zustimmung geben zu dürfen, obgleich ich nicht verhehlen möchte, daß diese Beschlußfassung relativ spät erfolgt. Es hat sehr lange gedauert. 2 350 Zollwachebeamtinnen und -beamte werden mit Freude zur Kenntnis nehmen, daß ihr Status als Exekutivbeamte im Finanzministerium tatsächlich zur Kenntnis genommen wird und daß jenen, die gemeint haben, man müsse 2 350 Planstellen vom Finanzministerium in das Innenministerium verlegen, was mit zwangsweisen Versetzungen, mit einer Eingliederung in die Bundesgendarmerie und in die Grenzgendarmerie verbunden gewesen wäre, eine Absage erteilt wurde.

Ich freue mich darüber, und ich werde mit Freude diesem Gesetz meine Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? (Berichterstatter Freiberger: Nein, danke! Wird nicht gewünscht!) – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung. Über die vorliegenden Beschlüsse wird getrennt abgestimmt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird.


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643. Sitzung / Seite 244

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gefahrgutbeförderungsgesetz erlassen wird sowie das Kraftfahrgesetz 1967 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

48. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998) (1283 und 1320/NR sowie 5769/BR der Beilagen)

49. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Europäisches Übereinkommen über Staatsangehörigkeit samt Vorbehalten und Erklärungen der Republik Österreich (1089 und 1319/NR sowie 5770/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 48 und 49 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird, und

ein Europäisches Übereinkommen über Staatsangehörigkeit samt Vorbehalten und Erklärungen der Republik Österreich.

Die Berichterstattung über die Punkte 48 und 49 hat Herr Bundesrat Rodek übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Peter Rodek: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten zu Punkt 48 der Tagesordnung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird. Dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

In gleicher Weise bringe ich den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten zu Punkt 49 der Tagesordnung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend


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643. Sitzung / Seite 245

ein Europäisches Übereinkommen über Staatsangehörigkeit samt Vorbehalten und Erklärungen der Republik Österreich. Dieser Bericht liegt ebenfalls schriftlich vor. Auch hier werde ich mich nur auf die Antragstellung beschränken.

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Juli 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

15.58

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute zu Ende der Tagesordnung mit den Staatsbürgerschaftsgesetzen ein zugegeben heikles, aber doch, so glaube ich, sehr wichtiges Thema. Wir diskutieren heute über die Einwanderungspraxis der sozialistischen Bundesregierungen der vergangenen Jahre einerseits und müssen andererseits beleuchten, ob mit diesem Gesetz, das heute zur Beschlußfassung vorliegt, eine Verbesserung eintreten kann. Und Verbesserung, meine Damen und Herren, kann für uns Freiheitliche nur heißen, daß diese Bundesregierung endlich das hohe Gut der Staatsbürgerschaft erkennt und es nicht verschleudert.

Daß die Gefahr groß ist und daß Sie das in der Vergangenheit auch getan haben, beweist, meine Damen und Herren – das brauche ich Ihnen nicht zu raten –, ein Spaziergang durch verschiedenste Teile von Wien oder allein der Versuch der Kommunikation mit manchen Diensten vom Tag im österreichischen Bundesheer hier in einer Wiener Kaserne, ein Versuch, meine Damen und Herren, der fehlschlägt, weil diese Leute nicht einmal des Deutschen mächtig sind.

Derzeit sind von den 8,1 Millionen Einwohnern in Österreich 750 000 Ausländer, 330 000 davon aus dem ehemaligen Jugoslawien, 140 000 aus der Türkei. Etwas mehr als 100 000 Menschen wurde in den letzten zehn Jahren die Staatsbürgerschaft verliehen. Allein im Jahre 1997 waren es 16 274 Personen, 8 600 davon in Wien. 20 davon haben die Staatsbürgerschaft vorzeitig verliehen bekommen. – Herr Minister! Ich berufe mich hier auf Ihre Zahlen, die Sie in Ihren Beiträgen verwenden.

Herr Minister! Wir wissen schon, daß sich unter Ihrem Regime die Verhältnisse leicht verbessern, aber es geht auch darum (Bundesrat Konečny: Eine Sprache ist das! – Bundesrätin Schicker: Das ist wirklich abzulehnen!), daß mit diesem Gesetz zum einen die Sünden der vergangenen Einwanderungspolitik vor allem hier in Wien korrigiert und zum anderen Gefahren für die Zukunft abgewendet werden. Dabei ist – und da können Sie Ihre Empörung noch so laut zum Ausdruck bringen, meine Damen und Herren von der SPÖ – auch die Kriminalität ein Aspekt.

Ich weiß schon, daß Sie sich, Herr Minister, bemühen, in Ihrer Statistik die Kriminalität von Ausländern unter der von Inländern zu halten. Sie weisen ja auch immer darauf hin. Ich möchte das auch gar nicht in Frage stellen. Sie werden aber doch nicht den Konnex zwischen geborenen Ausländern – jenen, denen die Staatsbürgerschaft verliehen worden ist –, Ausländern, die hier wohnen, und Fremden, die hier nur kurz Aufenthalt nehmen, bestreiten wollen. Wir debattieren doch jährlich Ihren Sicherheitsbericht, der sowohl bei der organisierten Kriminalität als auch bei einzelnen Deliktbereichen horrende Anteile von Fremden aufweist.

Herr Minister! In Ihrem Sicherheitsbericht 1996 beträgt der Anteil der organisierten Kriminalität an der Gesamtkriminalität bereits 35 Prozent. Wir können bei jeder Debatte darauf hinweisen.


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643. Sitzung / Seite 246

Während der Anteil von Fremden an der Gesamtkriminalität 1975 noch 9,4 Prozent betrug, ist er 1996 auf 19,5 Prozent gestiegen. Beim Anteil an allen strafbaren Delikten war im Jahre 1996 bei bewaffnetem, gewerbsmäßigem und Bandendiebstahl ein Anteil von 52,1 Prozent Fremder ausgewiesen. Bei räuberischem Diebstahl waren es 36,6 Prozent, bei Diebstahl von Kraftwagen 59,3 Prozent – und so weiter. (Bundesrat Konečny: Hat das etwas mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft zu tun?)

Herr Kollege Konečny! Wir kennen schon den Unterschied zwischen Fremden- und Ausländerkriminalität – Sie weisen in Ihren Beiträgen ja darauf hin –, wir möchten das gar nicht bestreiten. Meine Damen und Herren der SPÖ! Sie bestreiten jedoch den Zusammenhang zwischen Ausländer- und Fremdenkriminalität. Wir behaupten, es gibt diesen Zusammenhang. Es gibt ein Netzwerk zwischen Fremden und österreichischen Staatsbürgern, die vor kurzem noch Fremde und Ausländer waren.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In Dornbirn, der größten Stadt Vorarlbergs, versuchte kürzlich eine radikale türkische Gruppierung, ein islamisches Zentrum zu errichten. Als die Gemeinde – auch die SPÖ-Abgeordneten der Stadtvertretung – sich dagegen zur Wehr gesetzt hat, haben sich sofort geborene Türken als Strohmänner zur Verfügung gestellt – geborene Türken, die nunmehr die Staatsbürgerschaft verliehen bekommen haben –, und die Gemeinde und das Land sind dadurch über weite Strecken machtlos geworden, die Installierung dieser radikalen islamischen Einrichtung zu verhindern.

Meine Damen und Herren! Gegen solche Vernetzungen, die ich jetzt an einem relativ harmlosen Beispiel geschildert habe – in der organisierten Kriminalität sind diese Zusammenhänge genau dieselben, nur umso gravierender –, gegen diese Verhältnisse wird der Rechtsstaat zunehmend machtlos. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da hilft es auch nichts, meine Damen und Herren vor allem von der SPÖ, wenn Sie das Wort "Integration" in diesem Zusammenhang strapazieren. Integration setzt vor allem den Willen der Betroffenen voraus, integriert zu werden. Dieser Wille ist bei vielen, denen die Staatsbürgerschaft schon verliehen worden ist, nicht vorhanden. Das führt zur Gefahr der Überfremdung, zur langfristigen Gettoisierung und auch dazu, daß sich die autochthonen Bürger als Fremde im eigenen Land fühlen. Das kann doch nicht das Ziel einer verantwortungsvollen Politik sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Einwanderungspolitik der vergangenen Jahre in dieser Richtung war verhängnisvoll und auch verantwortungslos. Mit dem heute zu beschließenden Gesetz, meine Damen und Herren, wird diese Politik nicht ausreichend korrigiert. Die Fristen bleiben weich und dehnbar, und die deutsche Sprachprüfung, die Sie einführen wollen, ist zu vage geregelt, als daß man eine wirkliche Hürde erkennen könnte. Wir werden deshalb diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schicker. – Bitte.

16.05

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 wird künftig sicherstellen, daß die österreichische Staatsbürgerschaft nur jene Fremden erhalten, die integrationsfähig und integrationswillig sind. Aus diesem Grund soll in Hinkunft in das Einbürgerungsverfahren eine gewisse Sprachbeherrschung miteinbezogen werden. Weiters wird in der vorliegenden Gesetzesnovelle verankert, daß eine Bestrafung mit mehr als dreimonatiger Freiheitsstrafe als umfassendes Verleihungshindernis gilt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist durchaus verständlich, daß schon im Vorfeld der heutigen Beschlußfassung – in der Gesetzwerdung im Nationalrat, in den Ausschüssen, im Plenum – die Wogen hochgegangen sind, weil es eben wie überall einen unterschiedlichen Zugang zu dieser sensiblen Materie gibt. Ich glaube aber doch – ich möchte fast sagen, ich bin


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643. Sitzung / Seite 247

überzeugt davon –, daß die uns vorliegenden Regelungen mit entsprechendem Augenmaß abgesteckt wurden. Ich darf Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister, und den Beamten Ihres Ressorts dafür wirklich Dank aussprechen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Gerade was die vielzitierten Deutschkenntnisse betrifft, muß ich sagen, daß die Forderung nach einer diesbezüglichen Prüfung sicher gerechtfertigt ist und wir zu einem wirklich guten Kompromiß gefunden haben. Ich finde es auch nicht richtig, daß es weder eine Prüfung in Staatsbürgerkunde gibt noch die deutsche Sprache geprüft wird. Ich hoffe nur, daß sich die Beamten in den jeweiligen Ländern – da hat es bis jetzt schon gewisse Unterschiede gegeben, ohne etwas unterstellen zu wollen – nicht irgendwelche eigenen Prüfverfahren ausdenken, die diese gewünschte Integration wieder erschweren.

Meine Damen und Herren! Viele von uns haben in den verschiedensten Krankenhäusern wahrscheinlich schon die Erfahrung gemacht, von nicht in Österreich geborenen Ärzten beziehungsweise Krankenschwestern behandelt worden zu sein. Ich kann gar nicht sagen, ob sie zu diesem Zeitpunkt bereits österreichische Staatsbürger waren oder nicht. Sie haben aber alle in einer Zeit ihren Arbeitsplatz bei uns in Österreich erhalten, in der wir einen eklatanten Mangel an Ärzten und Diplomkrankenschwestern hatten und sehr froh waren, daß diese Menschen in unser Land gekommen sind und die Versorgung von Kranken übernommen haben. Wir haben, glaube ich, auch gerne zur Kenntnis genommen, daß dieses Betreuungspersonal in den Krankenhäusern nicht immer akzentfreies Deutsch gesprochen hat, beziehungsweise haben wir uns vielleicht auch das eine oder andere Mal über den ungewohnten Akzent amüsiert.

Wir haben uns aber bemüht, sie zu verstehen. Dieses Recht, so meine ich, soll auch für jene Fremden gelten, die nicht aus dieser berufsspezifischen Gesellschaftsschicht kommen. Ich möchte damit sagen, daß mit allen fremden Menschen in unserem Land respektvoll und fair umgegangen werden soll – egal, ob es sich um einen Arzt handelt, um einen bosnischen Flüchtling ohne Arbeit oder um eine Hausfrau und Ehegattin eines türkischen Mitbürgers.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich hoffe auch, daß jene bosnischen Flüchtlinge, die aus den bekannten Gründen nicht mehr in ihr ursprüngliches Heimatland zurückkehren können beziehungsweise vielleicht arbeitsmäßig auch schon voll integriert sind, ebenfalls in die Ausnahmeregelung der zehnjährigen Wartefrist aufgenommen werden. Gerade sie sind noch des öfteren benachteiligt, unter anderem bei der Wohnraumbeschaffung. Als nichtösterreichische Staatsbürger können sie, obwohl sie in den Gemeinden voll integriert sind, oft auch sogar bei Gemeinden beschäftigt sind, nicht in den Genuß einer Gemeindewohnung kommen, solange sie Ausländer sind, weil das eben in den meisten Gemeinden so üblich ist. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz, daß Ausländer keine Gemeindewohnung bekommen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zusammenfassend darf ich feststellen, daß diese Novelle zum Staatsbürgerschaftsgesetz wirklich ein gelungener Kompromiß zwischen den Interessen und Bedürfnissen der Länder und des Bundes ist. Es wird damit sichergestellt, daß ausländische Mitbürger und Mitbürgerinnen in den nächsten Jahren einen gerechteren Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft haben. Meine Fraktion wird hierzu gerne ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Grasberger. – Bitte.

16.10

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daß die österreichische Staatsbürgerschaft ein kostbares Gut ist und das auch bleiben soll, haben meine beiden Vorredner sehr deutlich durchklingen lassen. Ich meine, daß wir ihren Wert wie so vieles, das wir schon von Geburt an mitbekommen haben, nicht so richtig eingeschätzt haben und einschätzen konnten. Dieser Wert wird einem erst dann bewußt, wenn man ihn plötzlich nicht mehr oder noch nicht hat.


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643. Sitzung / Seite 248

Erst wenn man die österreichische Staatsbürgerschaft nicht hat und in unserem Land lebt und arbeitet, wird einem dieser Mangel so richtig bewußt. Wir als Mandatare sind immer wieder in Gesprächen mit Bürgern befaßt, die die österreichische Staatsbürgerschaft als sehr wertvolles Gut ansehen und sie erwerben möchten. Der Gesetzgeber hat schon in der Vergangenheit – wenn auch nicht in ausreichendem Maße, aber meiner Meinung nach doch restriktiv – den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft geregelt.

Auch mit dieser Novelle bleibt das Grundmaß von 30 respektive 15 Jahren – in bestimmten Fällen – an Wartezeit aufrecht, die man erreichen muß, um einen Rechtsanspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft zu haben. Ich sagte schon: Die Regelung war restriktiv, aber doch nicht in dem Maße, wie es heute erforderlich ist. Es gab in der Vergangenheit eine Fülle von Fällen, in denen die österreichische Staatsbürgerschaft, ich möchte sagen, beinahe im Vorbeigehen legal erworben werden konnte.

Eine dieser Möglichkeiten, die sehr häufig praktiziert wurde, war, daß man einen österreichischen Staatsbürger heiratete und damit relativ leicht die begehrte Staatsbürgerschaft erreichen konnte. Typische Scheinehen eines österreichischen Staatsbürgers mit einem fremden Partner – aber das wurde, wie gesagt, schon früher abgestellt – sahen so aus, daß sich die Ehepartner erst am Standesamt kennengelernt haben und beim Verlassen des Standesamtes wieder völlig getrennte Wege gegangen sind, ganz zu schweigen von der Aufnahme eines gemeinsamen Wohnsitzes. Das wurde richtigerweise vom Gesetzgeber abgestellt.

Ich kenne auch aus eigenem Erleben Zeitungsinserate, in denen eine österreichische Ehe angeboten wurde, einfach mit dem im Hintergrund stehenden Zweck, daß man für einen Betrag von etwa 20 000 S – offenbar ein Wertmaßstab für die österreichische Staatsbürgerschaft – eine Ehe einging mit einem Partner, der die österreichische Staatsbürgerschaft in der Folge erwerben wollte.

Eine weitere Mißbrauchsmöglichkeit – und wir haben das auch in der Ausschußsitzung sehr intensiv debattiert – wird mit dieser Novelle jetzt abgestellt werden, die, so haben uns die zuständigen Beamten berichtet, zunehmend stärker genutzt worden ist: Ehepartner, die eingewandert sind, ließen sich scheiden, sind dann eine Ehe mit einem österreichischen Ehepartner eingegangen, um in der Folge wieder den ursprünglichen Ehepartner zu heiraten und somit die österreichische Staatsbürgerschaft relativ einfach zu erlangen. Das ist ein ganz konkreter Punkt in dieser Novelle, mit dem Mißbrauchsmöglichkeiten hintangestellt werden.

Eine bekannte Forderung der ÖVP-Fraktion – ich möchte sagen, eine schon seit langem gestellte Forderung meiner Fraktion – hat auch Eingang in diese Novelle gefunden, nämlich daß zumindest Grundkenntnisse unserer deutschen Muttersprache verlangt werden. Wenn auch der Kollege von der FPÖ, Dr. Bösch, hier gemeint hat, daß das nicht ausreichend abgeprüft wird, so ist es, glaube ich, doch wichtig, daß erstmals diese Forderung, daß Grundkenntnisse unserer deutschen Muttersprache zur Erreichung der österreichischen Staatsbürgerschaft verlangt werden, durchgebracht wurde und daß das jetzt erstmals auch gesetzlich geregelt ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Sie geben sich immer mit dem Minimum zufrieden!)

Nun, man kann da selbstverständlich unterschiedlicher Meinung sein, Frau Kollegin Mühlwerth, aber wenn Sie mir vorwerfen, daß ich mich mit dem Minimum zufriedengebe, muß ich schon sagen: Die FPÖ hätte da durchaus konstruktivere Beiträge liefern können. Wir sind zu einem Ergebnis gekommen, das diesem Grunderfordernis Rechnung trägt. Ich bin sicher, daß das auch noch ausbaufähig ist. Wenn Sie sich umschauen: In einigen europäischen Ländern werden ebenfalls – wie bei uns jetzt mit dieser Novelle – Kenntnisse der Landessprache verlangt. Und das ist meines Erachtens der richtige Weg.

Ein sehr konstruktiver Vorschlag, um dessen Umsetzung sich unsere Frau Bundesministerin Gehrer sehr bemüht, ist, daß Volksschulkinder verstärkt andere Sprachen lernen sollen. Ich glaube also, daß es auch beim Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zumindest Grundkenntnisse der deutschen Sprache geben sollte.


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643. Sitzung / Seite 249

Ich möchte Ihnen abschließend noch ein Beispiel aus meinem persönlichen Erfahrungsbereich bringen – vielleicht haben Sie auch schon ähnliche Erfahrungen gemacht –, daß sich nämlich häufig Österreicherinnen und Österreicher bemühen, einem ihnen Bekannten dabei behilflich zu sein, die österreichische Staatsbürgerschaft erreichen zu können. Ich bemerke, daß dann fast entschuldigend in etwa folgender Originalton kommt: Ich setze mich wirklich nicht für Ausländer ein, aber dieser Mann und diese Frau haben es verdient, daß sie österreichische Staatsbürger werden, weil zum Beispiel – und diese Beispiele gibt es wirklich – der Sahri Zorlu aus der Türkei ein braver Arbeiter in der VA-Stahl Traisen ist oder weil die Mexmeth Kurti aus dem Kosovo so liebe Kinder und ein geordnetes Familienleben hat, sich redlich bemüht, mitzuwirken, und auch in der Gemeinde versucht, ihr Bestes zu geben. Und dann kommt immer der Satz: Aber bitte, daß Sie mich nicht mißverstehen, ich bin wirklich nicht für die Ausländer!

Ich möchte jetzt zum Schluß kommen. Wenn einem Fremdes bekannt wird – das ist der Schluß, den ich aus diesen Dingen ziehe –, ist es auf einmal nicht mehr gefährlich. Das gilt auch für Menschen. So gesehen ist dieser Widerspruch auch leicht zu erklären. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß wir von der ÖVP-Fraktion dieser Staatsbürgerschaftsgesetznovelle zustimmen werden. Sie führt letztlich zu einer noch geordneteren Regelung dieser wichtigen Grundfrage in unserem Gemeinwesen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

16.19

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Die zur Debatte stehende Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes bringt zweifellos Verbesserungen auf dem bisher unzulänglich geregelten Gebiet des Erwerbs der Staatsbürgerschaft. Ich verkenne das nicht und stelle mit Freude fest, daß sich die ÖVP den langjährigen Forderungen der Freiheitlichen Partei spät, aber doch angeschlossen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Neugestaltung begegnet zugleich aber auch schweren Bedenken. So lehnen wir, wie bereits von meinem Kollegen Dr. Bösch ausgeführt, insbesondere die Herabsetzung der Wartefrist für die Verleihung der Staatsbürgerschaft von zehn Jahren auf sechs Jahre, unter Umständen sogar auf vier Jahre, ab. Gleiches gilt für die unzureichende Senkung der Obergrenze einer gerichtlich verhängten Strafe als Hindernis für den Erwerb der Staatsbürgerschaft.

Aber lassen Sie mich in der Folge auf den meines Erachtens grundlegendsten Einwand näher eingehen.

Das zentrale Anliegen des Reformvorhabens war erklärtermaßen das – vom Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 noch gar nicht angestrebte – rechtspolitische Ziel, die Integration einbürgerungswilliger Ausländer in die österreichische Gesellschaft tatsächlich sicherzustellen. Ebendieses Ziel läßt sich jedoch zweifellos nicht allein durch normative Vorgaben erreichen. Dabei darf aber nicht verkannt und verschwiegen werden, daß uns die Aufnahme und die Eingliederung der nach 1945, aber insbesondere ab 1956 und 1968 aus Gründen politischer Verfolgung geflüchteten Personen und selbst der bosnischen Kriegsflüchtlinge in jüngster Zeit insofern vor keine unlösbaren Probleme gestellt haben, als die angesprochenen Volksgruppen unserem eigenen – ob enger oder weiter gezogenen – Kulturkreis entstammten. Sie waren, kurz gesagt, mehr oder weniger leicht zu integrieren.

Die Einwanderungsbewegung der achtziger und der neunziger Jahre werfen demgegenüber ganz andere, weit komplexere Probleme auf. Heute sind wir – das muß offen ausgesprochen werden – in erheblichem Ausmaß auch mit solchen Fremden konfrontiert, die sich zum Teil nicht integrieren wollen und das zum Teil auch nicht können. Ich will das gar nicht bewerten. Aber die gerade in diesem Zusammenhang oft propagierte Lösung einer Doppelstaatsbürgerschaft lehnen wir entschieden ab, weil sie sowohl für die Betroffenen als auch für das Aufnahmeland zu bedenklichen Loyalitätskonflikten führen könnte!


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Umso drängender erhebt sich aber dann die neuralgische Frage, welche Anforderungen an die Möglichkeit und an die Bereitschaft zur Integration von Ausländern konkret zu stellen sind. Das gilt vor allem dann, wenn es um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft geht; denn diese – das wurde schon gesagt – kann und soll ja nicht in inflationärer Art und Dimension erfolgen. Wäre dies doch sonst das falsche Signal, nämlich daß wir uns als echtes Einwanderungsland verstehen, was wir nicht sind und auch nicht werden wollen! Vielmehr muß daher die Staatsbürgerschaft gerade dann, wenn sie sich nicht aus der natürlichen Generationenfolge innerhalb der autochthonen Bevölkerung, das heißt des Mehrheitsvolkes und der traditionellen Minderheiten, ergibt, von einem zureichenden Ausmaß an Identifikation mit Österreich, seinem Gemeinwesen und seiner Kultur abhängig gemacht werden.

Welches Merkmal eignet sich aber mehr zur Beurteilung einer solchen Identifikation als die angemessene Beherrschung der Landessprache? – Lehnt man zu Recht die primäre Anknüpfung an die ethnische Herkunft oder gar an das religiöse Bekenntnis ab, so bietet sich eben allein die Einbindung in die Sprachgemeinschaft als sozio-kulturelles Kriterium der Identifikation mit der Staatsnation an. Darin folgen wir vornehmlich dem Vorbild Frankreichs und der USA! Insofern liegt es nahe und ist es auch der durchaus richtige Ansatz, daß die vorliegende Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes als Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache vorsieht.

Die Novelle beschreitet diesen Weg allerdings nicht konsequent genug – und daran üben wir Kritik; denn das erwähnte Erfordernis ist in mehrfacher Hinsicht allzu vage und unbestimmt geblieben. Weder ist damit näher umschrieben, was unter "entsprechenden Kenntnissen" zu verstehen ist, noch ist geklärt, wer die gebotene Beherrschung der deutschen Sprache zu überprüfen hat beziehungsweise auf welche Weise dies geschehen soll: durch ein informatives Gespräch, durch einen schriftlichen Sprachtest oder wie auch sonst. Jedenfalls bringt der neugeschaffene § 10a implizit zum Ausdruck, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft erst den Schlußpunkt einer erfolgreichen sozialen und kulturellen Integration in Österreich darstellen soll.

Nochmals ist zu betonen, daß das wesentliche Indiz dafür die Kenntnis der deutschen Sprache bilden muß – das durchaus nicht perfekt und auch nicht akzentfrei! Ich persönlich höre – um nur ein Beispiel zu nennen – den ungarischen Akzent überaus gerne. Wenn aber das heute zu beschließende Gesetz in bezug darauf abschwächend und relativierend auf die Lebensumstände des Betroffenen abstellt, ist dies zu unbestimmt und eröffnet der Behörde allzu weiten Beurteilungsspielraum. Dieses Ermessen ist nicht nur vom rechtsstaatlichen Standpunkt her fragwürdig, sondern gefährdet sowohl die Rechtssicherheit – auch für die Betroffenen – als auch eine wünschenswerte bundeseinheitliche Praxis. Das kritisieren wir Freiheitliche ebenso wie die beiden anderen im Nationalrat vertretenen Oppositionsparteien. Diesen freilich ist das Gesetz zu restriktiv, während es unserer Auffassung nach hingegen zu lax und dehnbar formuliert ist.

Meine Fraktion nimmt das im Gesetz angelegte Konzept, daß sich die Einbürgerung nicht als politisches Steuerungsinstrument, sondern als die letzte Stufe der Integration versteht, sehr ernst. Da dieser Verleihungsakt den Ausländer zum österreichischen Staatsbürger und damit zum Träger aller – insbesondere auch der politischen – Rechte und Pflichten eines Inländers macht, sollte er nicht bloß als rein administrative Routineübung oder gar als bloß gutgemeinter Akt der Billigkeit und Humanität betrachtet werden. Der Erwerb der Staatsbürgerschaft wäre vielmehr bezüglich der kommunikativen Kompetenz in der Staatssprache von einer entsprechenden Überprüfung durch die Behörde abhängig zu machen. Auch die Wohnverhältnisse und die Möglichkeit der familiären Zusammenführung hätten einen Faktor der Beurteilung für eine gelungene Integration zu bilden.

Darüber hinaus müßte die soziale Einbindung einbürgerungswilliger Ausländer auch in ausreichender Akzeptanz der angestammten Bevölkerung zum Ausdruck kommen. Darin sehe ich durchaus keine illiberale Anforderung. So vertritt etwa Michael Walzer, ein höchst renommierter US-amerikanischer Gesellschaftstheoretiker und Politikwissenschaftler, dezidiert die Ansicht, daß über das Ob und das Wie jeder Einwanderung und umso mehr der Einbürgerung von Ausländern die einheimische Bevölkerung zu befinden habe. Die gleiche Einstellung liegt bekanntermaßen der Aufnahme Fremder in die Schweizer Landgemeinden zugrunde.


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In diesem Sinne könnten auch wir uns vorstellen, daß die Gemeinden beziehungsweise die Bezirke in Städten wie Graz und Wien in die Entscheidung über die allfällige Einbürgerung miteinbezogen werden. Das würde auch für die schon heute vorgesehene Stellungnahme der Bezirksvorstehung eine breitere Beurteilungsgrundlage schaffen. In Betracht käme hierzu die persönliche Vorstellung der die Staatsbürgerschaft anstrebenden Ausländer in der Hauptwohnsitzgemeinde beim Bezirksrat beziehungsweise mangels eines solchen beim Gemeinderat.

Dieses Vorgehen könnte zwei Funktionen zugleich erfüllen, die meines Erachtens im letzten sogar nur zwei Seiten derselben Medaille bilden: Zum einen wäre es lebendiger Ausdruck einer gelungenen Integration in die angestammte Wohnbevölkerung, und zum anderen trüge es auch deren demokratiepolitisch begründbarem Anspruch auf Mitwirkung an der Verleihung der Staatsbürgerschaft Rechnung.

Nur dann entstünde erst gar nicht der prekäre Eindruck einer obrigkeitlich aufgezwungenen Überfremdung, die das Recht der autochthonen Bevölkerung, sich in der eigenen Heimat zu fühlen, beschneidet. Da die Staatsbürgerschaftsgesetznovelle in der Frage, wie geglückte Integration zu beurteilen ist, völlig unbestimmt und unzulänglich bleibt, können wir ihr unsere Zustimmung nicht geben. Vielmehr hat meine Fraktion beschlossen, den folgenden Entschließungsantrag zu stellen, den ich hiemit in die Verhandlung einbringe.

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Dr. Paul Tremmel, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Andreas Eisl, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, Ulrike Haunschmid, DDr. Franz Werner Königshofer, Monika Mühlwerth, Thomas Ram, Mag. Walter Scherb, Engelbert Weilharter und Ernest Windholz betreffend Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes

"Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, die jüngste Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes dahin gehend zu ändern, daß

1. genau definiert wird, was unter entsprechenden Kenntnissen der deutschen Sprache zu verstehen ist,

2. ein Kriterienkatalog ausgearbeitet wird, der eine bundeseinheitliche Überprüfung der Deutschkenntnisse ermöglicht, und

3. den Gemeinden und den Bezirken der Städte Wien und Graz ein Mitwirkungsrecht bei der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, wie in der Begründung näher ausgeführt, eingeräumt wird."

*****

Ich lade Sie ein, sehr geehrte Damen und Herren, diesem von uns eingebrachten Entschließungsantrag beizutreten, und danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Dr. Böhm und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Hummer. – Bitte.

16.30

Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Nationalratsbeschluß betreffend die Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 beruht auf dem Bedürfnis, Fremde, die in besonderer Weise integriert sind, bei der Erlangung der


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Staatsbürgerschaft zu bevorzugen, also zu favorisieren, hingegen die Latte dort höher zu legen, wo eine echte Integration nicht oder nur schwer zu erwarten ist. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

In diesem Sinne wurde zunächst § 10 des geltenden Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 geändert, der die Verleihung der Staatsbürgerschaft an eine Reihe gesetzlicher Voraussetzungen bindet, insgesamt aber die Verleihung der Staatsbürgerschaft in das pflichtgemäße Ermessen der Behörde – das ist die Landesregierung – stellt. Es bleibt zwar grundsätzlich die zehnjährige Frist als bindende Voraussetzung aufrecht, einige der weiteren Voraussetzungen werden aber verschärft oder ausgeweitet. So soll in Zukunft schon eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten – bisher von sechs Monaten – ausreichen, die Verleihung der Staatsbürgerschaft auszuschließen. Nicht nur ein bestehendes Aufenthaltsverbot, sondern auch ein eingeleitetes Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung soll in Zukunft zur Versagung der Verleihung führen können.

Von der zehnjährigen Frist kann in Zukunft abgesehen werden, wenn ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund vorliegt und wenn es sich entweder um einen Minderjährigen handelt, der seinen Hauptwohnsitz seit mindestens vier Jahren im Bundesgebiet hat, oder sonst einen Fremden, der seinen Hauptwohnsitz seit mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet hat.

Als solche besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne des § 10 des Staatsbürgerschaftsgesetzes zählt Abs. 5 auf: Verlust der Staatsbürgerschaft anders als durch Entziehung, bereits erbrachte oder zu erwartende besondere Leistungen auf wissenschaftlichem, wirtschaftlichem, künstlerischem oder sportlichem Gebiet, Nachweis nachhaltiger persönlicher oder beruflicher Integration, Gewährung von Asyl nach einer Wohnsitzdauer von vier Jahren, Besitz der Staatsangehörigkeit eines EWR-Staates und die Geburt im Bundesgebiet.

Die Verfassungsbestimmung des § 10 Abs. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz wird dahin gehend verschärft, daß die außerordentlichen Leistungen nicht nur im bloßen Interesse der Republik gelegen sein müssen, sondern in deren besonderem Interesse.

Auch an der dreißigjährigen Frist, nach der ein Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gesetzlich begründet ist, hält der Gesetzesbeschluß des Nationalrates fest. Aber es genügt ein mindestens fünfzehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn der Staatsbürgerschaftswerber seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachweist.

Die Einfügung des § 10a verfolgt den Zweck, entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache zu verlangen. Es heißt da: "Voraussetzungen jeglicher Verleihung sind unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden jedenfalls entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache."

Diese Bestimmung ist gewiß sehr allgemein gehalten, und so mancher wird einwenden, daß die Praxis der Behörden in die Richtung gehen wird, solche entsprechenden Sprachkenntnisse schlechthin einfach anzunehmen. Andererseits würde die Prüfung der Sprachkenntnisse fast notwendig zu unbilligen Härten führen – zu dieser Einsicht gelangt man, wenn man weiterdenkt –, denn das, was der Beruf an Sprachkenntnissen erfordert, wird bereits vorhanden sein, das aber, was der Beruf an Sprachkenntnissen nicht erfordert, zu verlangen, würde letzten Endes zu Unbilligkeiten führen und wieder nur Interventionen Tür und Tor öffnen.

Ich glaube, daß der vorliegende Entwurf der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle entsprechend dem Beschluß des Nationalrates ausgewogen ist und unter den gegebenen Voraussetzungen ein Optimum darstellt. Es wird sich, wie immer bei gesetzlichen Bestimmungen, in Zukunft weisen, ob sie das angestrebte Ziel – dort, wo Integration gegeben ist, die Staatsbürgerschaft leichter zu verleihen, und dort, wo Integration nicht zu erwarten ist, strenger zu sein – auch tatsächlich erreicht.

In diesem Sinne ersuche ich Sie, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates die Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.36


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643. Sitzung / Seite 253

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus das Wort. – Bitte.

16.36

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kollegen und Kolleginnen! Jetzt, zum Schluß der Sitzung, behandeln wir eine, wie die vorangegangenen Gesetzesvorlagen, wichtige, eigentlich zwei wichtige Gesetzesvorlagen. Aber auch diese Gesetzesvorlage enthebt uns nicht der berechtigten Sorgen um die Gesetzesvorlage, um die Umsetzung der Gesetzesvorlage.

Schon mein Vorredner Kollege Schicker hegt Zweifel, ob die Beamten mit dem Gesetz zurechtkommen. Er erkennt den Mangel an akzentfreiem Sprechen ... (Ruf bei der ÖVP: Ist sie ein Mann geworden?) Bitte? (Bundesrat Konečny: Die Kollegin Schicker haben Sie gerade umgewandelt!) Kollegin Schicker erkennt den Mangel, der durch nicht akzentfreies Sprechen hervorgerufen wird. Wahrlich ein richtiges Kriterium! Wenn wir Professor Lendvai im Rundfunk oder Fernsehen hören, wissen wir, was akzentfreies Deutsch ist. Daran kann es also wirklich nicht scheitern. Ein solches billiges Kriterium wie akzentfreies Sprechen ist keine gute Forderung, Frau Kollegin Schicker!

Kollege Grasberger bezeichnet die österreichische Staatsbürgerschaft als ein kostbares Gut. Aber wir wollen dieses kostbare Gut, die österreichische Staatsbürgerschaft, auch wertvoll behandelt wissen, Herr Kollege Grasberger! Kein Billigangebot, keine erdribbelte Staatsbürgerschaft und auch keine Jux-Ehen-Staatsbürgerschaft, Herr Kollege Grasberger! Die Staatsbürgerschaft ist ein wertvolles Gut!

Die Staatsbürgerschaft jemandem nur deshalb zu verleihen, weil er sehr tüchtig ist oder weil er brav verheiratet ist, ist zuwenig. Die Staatsbürgerschaft ist nämlich keine Tauschware!

Wer Deutsch nicht lernen will und sich darum nicht bemüht, dem gebührt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, dem gehören vielleicht sogar die sozialen Beihilfen gekürzt. (Bundesrätin Kainz: Das ist ungeheuerlich!) Wer für den islamischen Unterricht ist, wer für die Fremdsprachigkeit in Österreich ist, die hier nicht autochthon ist, der stellt den christlichen Kulturbereich Österreichs nachhaltig in Frage. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wer sich als Ausländer unseren Sitten nicht anpassen will ... (Bundesrat Konečny: Ihren Sitten, um Himmels willen!)  – Ihren Sitten, um Teufels willen, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen – Heiterkeit bei der SPÖ) –, der soll dort hingehen, woher er kommt.

Diese Zitate, auf Österreich abgewandelt, sind jene des der Reichshälfte der ÖVP angeblich nahestehenden CDU-Innensenators von Berlin, Schönbohm. Aber vielleicht ist durch fünfzigjährige Koalition mit den Sozialdemokraten – den Gutmenschen – die Auffassung in Verlust geraten, daß man noch für seinen Staat eintreten kann. (Rufe bei der ÖVP: Oh! – Heiterkeit. – Bundesrat Konečny: Das Rechnen soll man auch in die Prüfung aufnehmen!)

"Multikulturalität" ist der letzte Kampfbegriff der dogmatisierten Linken. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Die Immigranten werden als Manövriermasse verwendet, sie werden gegen die nationale Identitätsfindung der von diesen Linken minder geschätzten Heimat verwendet. Ich warne vor solchen Gutmenschen, Herr Kollege Konečny!

Wir wissen, daß unsere Staatsbürgerschaft viel zu wertvoll ist, als daß sie einem gewissen Spieltrieb, der in jedem Menschen mehr oder minder stark vorhanden ist, aufgeopfert werden sollte. Es darf keinen gleichberechtigten Wettbewerb der Kulturen im Gastland geben! Hier gibt es nur unsere Kultur, und diese müssen die Einwanderer annehmen! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Auch das sagt Innensenator Schönbohm. Lachen Sie darüber – macht nichts! Wir nehmen das ernst.

Es ist dies keine Blut- und Boden-Ideologie (Bundesrat Payer: Das ist Deutschtümelei!), und es hat dies auch gar nichts mit Ethnomorphose zu tun, Herr Kollege!


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Ähnlich auch die CSU-Delegierten. (In Richtung ÖVP:) Diese stehen Ihnen wahrscheinlich näher als der SPÖ. (Bundesrat Konečny: Ja!) Das wird wohl der Fall sein. (Bundesrat Prähauser: Aber nur wenig! – Bundesrat Konečny: Wo Kollege Gudenus recht hat, muß man ihm recht geben! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Ich danke vielmals für das Lob am Abend.

Die CSU-Delegierten beschlossen vor wenigen Wochen, daß Deutschland nicht als Einwanderungsland betrachtet werden dürfe und die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft abzulehnen sei. Das wurde von Vorrednern auch schon begründet.

Gauweiler (Bundesrat Prähauser: Das ist ein Besonderer! – Bundesrat Eisl: Gehört auch zur CSU!), fast im Originalzitat: Wir sind darauf bedacht, mit den Ausländern zusammenzuleben. Damit das aber einigermaßen reibungslos und zur beiderseitigen Zufriedenheit geschehen könne, dürfe der Anteil der Ausländer an der Gesamtbevölkerung nicht größer werden. Durch schnelle Einbürgerung darf das auch nicht hervorgetrickst werden. (Bundesrat Prähauser: Das ist der gleiche, der einen Aids-Test für Österreicher bei der Einreise nach Deutschland gefordert hat! Das ist derselbe! – Weitere Zwischenrufe.)

Wir wollen keine Staatsbürgerschaft für das Herz, und wir wollen auch keine Staatsbürgerschaft für den Geldbeutel. Das sind die doppelten Staatsbürgerschaften, die kritisiert werden.

Unbestritten – auch wenn Kollege Konečny vor Gram das Haupt in seine Hände legt (allgemeine Heiterkeit – Bundesrat Konečny: Nein, vor Verständnislosigkeit!)  – existieren erfreulicherweise viele Freundschaften, Liebschaften und Ehen sowie Geschäftspartnerschaften mit Ausländern und naturalisierten Ausländern. Das ist alles prima, aber bitte: Machen wir keinen Kult daraus, daß wir um jeden Preis jeden Ausländer, der hier ist, zum Österreicher machen! Wir akzeptieren, wir schätzen und lieben den arbeitenden, steuerzahlenden, am Handel und Wandel dieses Staates offensichtlich beteiligten, kurzum: den integrierten und den zur Integration bereiten Ausländer. Jawohl, diese Ausländer unterstützen wir!

Was ist Ausländerfeindlichkeit, Herr Kollege Konečny, der Sie noch immer Ihr Haupt in Ihren Händen bergen und nicht wissen, wie Sie das verhindern sollen? (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Konečny: Das nennt man fromme Demut, Herr Kollege!) Ich freue mich darüber, daß auch spät noch jemand zu Kreuze kriecht. (Allgemeine Heiterkeit.)

Was ist Ausländerfeindlichkeit? – Meine Damen und Herren! Ich glaube, diese gibt es nicht, oder es gibt sie nur sehr vereinzelt. Aber wir müssen als Österreicher – und insbesondere als Gesetzgeber – dem Problem kritisch gegenüberstehen, nachdem wir die Zahlen gehört haben, die der Herr Bundesminister vor geraumer Zeit hier in diesem Haus vorgetragen hat. (Bundesrat Prähauser: Dankenswerterweise!) Soweit ich mich erinnere, sind 800 000 Ausländer in Österreich. Diese Zahl haben Sie, so glaube ich, genannt ... (Bundesminister Mag. Schlögl: 750 000!) Pardon, 750 000! Da kommt die Dunkelziffer hinzu. Diese haben Sie, so glaube ich, nicht darin. (Allgemeine Heiterkeit.)

Unsere Kritik, unsere Reserve ist auf jene Personen gerichtet, die sich für die automatisch fälligen Sozialleistungen mehr interessieren als für die Gegenleistung – das heißt: hier am Sozialprodukt mitzuwirken, meine Damen und Herren! – und die im Grunde genommen auf die Integration pfeifen. Diese wollen nur den bei uns erreichbaren Vorteil haben, und das ist Ihnen, meine Herren, meine Damen, verehrte Freunde, sehr wohl bewußt!

Wir müssen dies ausdrücken. Wir wollen es auch ausdrücken und sagen es hiemit!

Wieviel Diskussion und wie viele Finanzmittel werden für die Wiederherstellung der natürlichen Umwelt aufgewendet! Zur natürlichen Umwelt gehört der autochthone Österreicher genauso (Heiterkeit bei Bundesrat Payer ), Herr Kollege, auch wenn Sie jetzt vor Heiterkeit fast zu zerplatzen scheinen – leider nur fast. (Heiterkeit. – "Oh!"-Rufe bei der SPÖ.)

Intellektueller Hochmut, der nicht wahrhaben will, daß auf lange Sicht nur die bewußte Assimilierung fremder Kulturen dem friedlichen Zusammenleben in Österreich mit den Migranten dienlich sein kann, ist nicht von unserer Marschrichtung. (Bundesrat Payer  – mit Heiterkeit –: Marschrichtung! Ah! – Zwischenruf des Bundesrates Konečny.  – Bundesrätin Haunschmid: Stimmt ja,


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das ist ein deutsches Wort, Herr Konečny!) Die Homogenität unseres Gemeinwesens ist bedroht. Nicht nur die Rechtsordnung und die Rechtstradition sind zu wahren, sondern auch die Grundüberzeugungen und Gewohnheiten – auch die des Kollegen Konečny! (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich warne, so wie Innensenator Schönbohm – ich wiederhole: Ein Großteil der Zitate stammen von Schönbohm und Gauweiler –, davor, eventuellen Schutz- und Förderungsansprüchen der neuen Kulturen nachzugeben. Diese sollen nicht als Teil unserer Nationalkultur anerkannt werden.

Auch das ist wichtig: Jeder, der sich hier als Österreicher integrieren will, muß sich zu einer der hier in Österreich ansässigen Volksgruppen bekennen. Wir haben genügend Volksgruppen, Herr Kollege! Es ist dies keine Bevorzugung der hier von uns als "deutsche Volksgruppe" Bezeichneten, es gibt auch andere Volksgruppen. (Bundesrat Prähauser: Salzburger! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich warne davor, eventuell diesen Schutz auszudehnen. Ich warne auch vor staatlich geförderter Fremdkörperbildung, gefördert durch Gutmenschen und Naive, möglicherweise aber auch durch andere. In der Literatur ist von "Volksfeinden" die Rede, aber letztere gibt es wirklich nur in der Literatur.

Nehmen wir uns ein Beispiel an der Schweiz, an Kanada, an den Vereinigten Staaten von Amerika und an den baltischen Staaten. Wir wollen Österreicher mit einem echten Österreicherbewußtsein! Wird das durch dieses Gesetz ermöglicht, meine Damen und Herren?

Wenn wir schon Zweifel daran haben, daß möglicherweise die Sprachkenntnisse überprüft werden sollen: Wie können wir dann Österreicher mit echtem Österreicherbewußtsein haben? (Bundesrat Prähauser: Warum ist Kanada ein Vorbild, bitte?) Werden Sie einmal kanadischer Staatsbürger! Versuchen Sie das! (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischenruf des Bundesrates Prähauser. ) Ja, aber Sie sind auch wieder zurückgekommen. Diese behalten Sie gar nicht dort. (Bundesrat Bieringer: Herr Kollege Gudenus! Wenn Sie alle hinübergehen, dann ist kana da!) So ist es, Herr Kollege!

Wir wollen Österreicher, die die österreichische Hymne mit einem fast metaphysischen Gehalt singen können. Wir wollen Österreicher, die wissen, daß Österreich mehr ist als die Geschichte der letzten 20 Jahre! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.48

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall. (Unruhe im Saal. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird, Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Böhm und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes vor. Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung ... (Unruhe im Saal. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) Ich bitte, sich zu beruhigen, damit die Abstimmung korrekt und dem Willen der Abstimmung entsprechend vollzogen werden kann.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1998 betreffend ein Europäisches Übereinkommen über Staatsangehörigkeit samt Vorbehalten und Erklärungen der Republik Österreich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Ich bitte weiters jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten Sitzung insgesamt 49 Anfragen – 1417/J bis 1465/J – eingebracht wurden.

Weiters wurde von den Bundesräten Dr. Bösch und Kollegen ein Entschließungsantrag betreffend Nutzung des Palais Epstein für Zwecke des Parlaments eingebracht. Dieser wird dem Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten zugewiesen.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 1. Oktober 1998, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Diese Sitzung beginnt mit einer Fragestunde.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 29. September 1998, ab 14 Uhr vorgesehen.

Bevor ich die Sitzung formell schließe, möchte ich Ihnen allen eine erholsame Sommerpause wünschen und einen herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses richten, die in den letzten Tagen und Wochen ein erhebliches Arbeitspensum zu bewältigen hatten. (Allgemeiner Beifall.)

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 16.52 Uhr