Stenographisches Protokoll

650. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 19. Februar 1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

650. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 19. Februar 1999

Dauer der Sitzung

Freitag, 19. Februar 1999: 9.03 – 19.54 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz über die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen in Blutspendeeinrichtungen (Blutsicherheitsgesetz 1999 – BSG 1999)

2. Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz geändert wird

3. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste – MTF-SHD-G geändert wird

4. Kulturbericht 1997 der Bundesregierung

5. Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1997 (Grüner Bericht 1997)

6. Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1996

7. Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1999 gemäß § 9 Abs. 2 LWG

8. Wahl eines Ersatzmitgliedes Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

*****

Inhalt

Bundesrat

Erklärung des Präsidenten Gottfried Jaud anläßlich der 650. Sitzung des Bundesrates 9

Schreiben des Landtagsdirektors von Niederösterreich betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat 41

Einwendungen gegen die Tagesordnung

Verlangen auf Durchführung einer Debatte

Debatte:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 43


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 2

Antrag nach § 37 Abs. 4 auf Ergänzung der Tagesordnung um eine Erklärung zur aktuellen sicherheits- und europapolitischen Lage im Rahmen der Kurdenproteste 43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach 43

Verlangen auf Besprechung der Anfragebeantwortung 1445/AB-BR/99 64

Durchführung einer kurzen Debatte

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 145

Mag. John Gudenus 145

Ernest Windholz 147

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 149

Unterbrechung 44

Personalien

Krankmeldung 9

Entschuldigungen 9

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 42

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 42

Wahlen in Institutionen

Wahl eines Ersatzmitgliedes Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates 144

Ausschüsse

Zuweisungen 42

Fragestunde

Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales 10

Aloisia Fischer (986/M-BR/99); Karl Drochter, Helena Ramsbacher

Hedda Kainz (993/M-BR/99); Engelbert Weilharter, Engelbert Schaufler

Ulrike Haunschmid (999/M-BR/99); Therese Lukasser, Hedda Kainz

Engelbert Schaufler (987/M-BR/99); Karl Drochter, Monika Mühlwerth

Horst Freiberger (994/M-BR/99); Ernest Windholz, Wolfram Vindl

Alfred Schöls (988/M-BR/99); Johann Kraml, Andreas Eisl

Engelbert Weilharter (1000/M-BR/99); Mag. Karl Wilfing, Karl Drochter

Ernst Winter (995/M-BR/99); Monika Mühlwerth, Franz Wolfinger

Ilse Giesinger (989/M-BR/99); Hedda Keinz, Dr. Reinhard Eugen Bösch


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 3

Johann Payer (996/M-BR/99); DDr. Franz Werner Königshofer, Mag. Michael Strugl

Ing. Peter Polleruhs (990/M-BR/99); Johann Grillenberger, Engelbert Weilharter

Monika Mühlwerth (1001/M-BR/99); Friedrich Hensler, Erich Farthofer

Franz Wolfinger (991/M-BR/99); Dr. André d’Aron

Irene Crepaz (997/M-BR/99); DDr. Franz Werner Königshofer, Alfred Schöls

Dipl.-Ing. Hannes Missethon (992/M-BR/99); Helena Ramsbacher

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Helena Ramsbacher, Ulrike Haunschmid, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, Andreas Eisl und DDr. Franz Werner Königshofer an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Leistungen statt Wahlversprechen für Frauen und Familien (1572/J-BR/99)

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Helena Ramsbacher, Ulrike Haunschmid, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, Andreas Eisl und DDr. Franz Werner Königshofer an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Leistungen statt Wahlversprechen für Frauen und Familien (1573/J-BR/99)

Begründung: Monika Mühlwerth 102

Beantwortung: Bundesministerin Eleonora Hostasch 104

B>Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 108

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 114

Aloisia Fischer 115

Irene Crepaz 117

Helena Ramsbacher 119

Mag. Harald Himmer 122

Karl Drochter 124

Ulrike Haunschmid 126

Mag. John Gudenus 130

Erhard Meier 131

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 132

Dr. Paul Tremmel 133

Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Helena Ramsbacher, Ulrike Haunschmid, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, Andreas Eisl und DDr. Franz Werner Königshofer betreffend Einführung des Kinderbetreuungsschecks 120

Ablehnung 134

Entschließungsantrag der Bundesräte Ulrike Haunschmid, Monika Mühlwerth, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Helena Ramsbacher, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, Andreas Eisl und DDr. Franz Werner Königshofer betreffend angemessene pensionsrechtliche Berücksichtigung familiärer Verpflichtungen 129

Ablehnung 135


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 4

Verhandlungen

(1) Beschluß des Nationalrates vom 20. Jänner 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen in Blutspendeeinrichtungen (Blutsicherheitsgesetz 1999 – BSG 1999) (1430 und 1577/NR sowie 5867/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Drochter 45

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ing. Walter Grasberger 45

Johann Payer 47

Ernest Windholz 49

Erhard Meier 50

Bundesministerin Eleonora Hostasch 52


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 5

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 54

Entschließungsantrag der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen betreffend ausländische Blutkonserven und Blutprodukte – Patientensicherheit 49

Ablehnung 55

Gemeinsame Beratung über

(2) Beschluß des Nationalrates vom 20. Jänner 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz geändert wird (1554 und 1578/NR sowie 5868/BR d. B.)

(3) Beschluß des Nationalrates vom 20. Jänner 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste – MTF-SHD-G geändert wird (970/A und 1579/NR sowie 5869/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Drochter 55

[Antrag, zu (2) und (3) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 56

Mag. Günther Leichtfried 56

Engelbert Weilharter 57

Alfred Schöls 59

Horst Freiberger 60

Ulrike Haunschmid 61

Bundesministerin Eleonora Hostasch 62

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) keinen Einspruch zu erheben 64

Entschließungsantrag der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen betreffend Ausbildungsstandard und Berufsbild von Arzthelferinnen und Zahnarzthelferinnen 62

Ablehnung 64

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3) keinen Einspruch zu erheben 64

Entschließungsantrag der Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen betreffend Verbesserung der Ausbildung und Schaffung eines Berufsbildes für Rettungssanitäter 59

Ablehnung 64

(4) Kulturbericht 1997 der Bundesregierung (III-185 und 5873/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Schaufler 65

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Monika Mühlwerth 65

Herbert Thumpser 67

Therese Lukasser 68

Thomas Ram 69

Mag. John Gudenus 71

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof 72

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 75

Entschließungsantrag der Bundesräte Thomas Ram und Kollegen betreffend Denkmalschutz für historische Gärten und Parks 70

Ablehnung 75

Gemeinsame Beratung über

(5) Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1997 (Grüner Bericht 1997) (III-183 und 5870/BR d. B.)

(6) Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1996 (III-181 und 5871/BR d. B.)

(7) Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1999 gemäß § 9 Abs. 2 LWG (III-176 und 5872/BR d. B.)

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Hannes Missethon 76

[Antrag, zu (5), (6) und (7) die Berichte zur Kenntnis zu nehmen]

Redner:

Mag. John Gudenus 77

Mag. Günther Leichtfried 81

Peter Rodek 83

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 87 und 97

Andreas Eisl 88

Johann Kraml 90

Friedrich Hensler 92

Engelbert Weilharter 94

Ernst Winter 96

Dr. Vincenz Liechtenstein 135


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 6

Johann Grillenberger 137

Leopold Steinbichler 138

Engelbert Schaufler 142

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (5), (6) und (7) die Berichte zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 144

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Alfred Schöls, Engelbert Schaufler, Wolfram Vindl und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Belastung des nichtrichterlichen Personals bei den Gerichtshöfen 1. Instanz (1571/J-BR/99)

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Helena Ramsbacher, Ulrike Haunschmid, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, Andreas Eisl und DDr. Franz Werner Königshofer an die Bundesministerien für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Leistungen statt Wahlversprechen für Frauen und Familien (1572/J-BR/99)

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Helena Ramsbacher, Ulrike Haunschmid, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, Andreas Eisl und DDr. Franz Werner Königshofer an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Leistungen statt Wahlversprechen für Frauen und Familien (1573/J-BR/99)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundeskanzler betreffend Berücksichtigung von Stellungnahmen der Länder und Gemeinden zu Vorhaben der Europäischen Union (1574/J-BR/99)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundeskanzler betreffend Ausbau der Mitwirkung der Länder in EU-Angelegenheiten (1575/J-BR/99)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundesminister für Inneres betreffend Personal- und Raummangel der Gendarmerie in Vorarlberg (1576/J-BR/99)

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Überprüfung der Deutschkenntnisse im Zusammenhang mit dem Erwerb der Staatsbürgerschaft (1577/J-BR/99)

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Grenzüberwachungsposten Ebersdorf (1578/J-BR/99)

der Bundesräte Ernest Windholz, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend steigende Schleppertätigkeiten (1579/J-BR/99)

der Bundesräte Dr. André d’Aron, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Ulrike Haunschmid und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Förderung der Reisebüros (1580/J-BR/99)

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Wahrheitsgehalt der Anfragebeantwortung 1432/AB, Ausbau der Preßburgerbahn (1581/J-BR/99)


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 7

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Andreas Eisl und Engelbert Weilharter an den Bundesminister für Inneres betreffend Maßnahmen gegen den illegalen Waffenbesitz und -handel (1582/J-BR/99)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1428/AB-BR/99 zu 1543/J-BR/98)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Ing. Walter Grasberger und Kollegen (1429/AB-BR/99 zu 1537/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1430/AB-BR/99 zu 1541/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Harring und Kollegen (1431/AB-BR/99 zu 1542/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1432/AB-BR/99 zu 1548/J-BR/98)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1433/AB-BR/99 zu 1551/J-BR/99)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1434/AB-BR/99 zu 1550/J-BR/98)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1435/AB-BR/99 zu 1549/J-BR/98)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1436/AB-BR/99 zu 1545/J-BR/98)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1437/AB-BR/99 zu 1544/J-BR/98)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen (1438/AB-BR/99 zu 1552/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1439/AB-BR/99 zu 1540/J-BR/98)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Wolfram Vindl und Kollegen (1440/AB-BR/99 zu 1536/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Mag. Karl Wilfing und Kollegen (1441/AB-BR/99 zu 1553/J-BR/98)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1442/AB-BR/99 zu 1557/J-BR/98)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Alfred Gerstl und Kollegen (1443/AB-BR/99 zu 1554/J-BR/98)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Franz Richau und Kollegen (1444/AB-BR/99 zu 1555/J-BR/98)


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 8

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Mag. Harald Himmer und Kollegen (1445/AB-BR/99 zu 1563/J-BR/98)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen (1446/AB-BR/99 zu 1565/J-BR/98)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1447/AB-BR/99 zu 1558/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1448/AB-BR/99 zu 1567/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1449/AB-BR/99 zu 1568/J-BR/98)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Monika Mühlwerth und Mag. John Gudenus (1450/AB-BR/99 zu 1559/J-BR/98)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Johann Payer und Kollegen (1451/AB-BR/99 zu 1556/J-BR/98)


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Präsident Gottfried Jaud: Ich eröffne die 650. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 649. Sitzung des Bundesrates vom 14. Jänner 1999 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Josef Rauchenberger.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Dr. Michael Ludwig, Uta Barbara Pühringer, Mag. Scherb und Dr. Tremmel.

Meine sehr verehrten Kollegen! Es ist mir eine ganz besondere Freude, daß Herr Bundesrat Professor und Präsident Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof wieder genesen und unter uns ist. Ich heiße ihn in unserer Mitte recht herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Erklärung des Präsidenten Gottfried Jaud anläßlich der 650. Sitzung des Bundesrates

Präsident Gottfried Jaud: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die 650. Sitzung des Bundesrates bedeutet zwar kein großes Jubiläum, ich möchte sie aber nicht beginnen, ohne auf die runde Zahl hinzuweisen und ein paar Bemerkungen dazu zu machen.

Vor Weihnachten hielt der Bundesrat außerdem seine 200. Präsidialkonferenz ab – diese dient als Beratungsorgan des Bundesratspräsidenten, und ich möchte hier im Plenum einmal feststellen, daß diese Präsidialkonferenzen in einer sehr sachlichen und kollegialen Atmosphäre stattfinden. Es sind alle drei Fraktionen in der Präsidialkonferenz vertreten, und alle Mitglieder sind in dieser Atmosphäre um Klärung der anstehenden Probleme bemüht.

Am 19. Dezember 1945 um 15 Uhr fand die erste Bundesratssitzung der neuen Republik statt. Es findet also, über die Jahre gerechnet, genau jeden Monat eine Bundesratssitzung statt, das heißt, zwölfmal im Jahr.

Der Bundesratssitzungssaal muß nun im heurigen Sommer – ich möchte Sie darüber informieren – wegen baulicher Mängel renoviert werden. Es werden all jene Renovierungen vorgenommen, die sich zum einen wegen der baulichen Mängel am Stuck und auch sonst ergeben, zum anderen werden jene Erneuerungen durchgeführt, die zum klaglosen Ablauf einer Bundesratssitzung einfach notwendig sind.

Der heutige Sitzungssaal wurde in der Zweiten Republik erstmals am 15. Juni 1946 benützt. Seit einer Umgestaltung im Jahre 1961 wurden in diesem Sitzungssaal fast keine Veränderungen oder Erneuerungen getätigt – das bedeutet, unsere Tische und vor allem auch unsere Stühle sind fast 30 Jahre alt und entsprechen meiner Auffassung nach nicht mehr den heutigen Anforderungen. Deshalb ist es dringend notwendig, nicht nur die baulichen Mängel zu beheben, damit in diesem Sitzungssaal Sicherheit gewährleistet ist, sondern auch die Einrichtung den heutigen Bedürfnissen anzupassen. Wir haben in der gestrigen Präsidialsitzung bereits die Tische und die Stühle ausgesucht, sodaß die Renovierungsarbeiten rasch durchgeführt werden können.

Eine kleine Veränderung wurde im Jahr 1983 durchgeführt: Das Rednerpult in diesem Bundesratssitzungssaal war bis dahin von mir aus gesehen auf der linken Seite angeordnet. Der damalige Vorsitzende des Bundesrates Göschelbauer sagte am Beginn der Sitzung, man habe, damit niemand bevorzugt und niemand benachteiligt wird, die Mitte für das Rednerpult gewählt. Er gab gleichzeitig auch der Hoffnung Ausdruck, daß die hier geführten Debattenbeiträge und der Ausfluß der Reden, die hier gehalten werden, jene Mitte finden, die unserem Staat Österreich zum Vorteil gereichen. – Diesem Wunsch kann ich mich anläßlich der heutigen Sitzung nur anschließen.


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 10

Auch die Lautsprechereinrichtung wurde in dieser Zeit zur Verbesserung der Akustik erneuert. Jedes Pult hat heute eine Lautsprecheranlage – und das ist, bitte, die einzige Verstärkung hier in diesem Raum.

Die letzte bauliche Umgestaltung in diesen Räumlichkeiten des Bundesrates wurde 1994 durchgeführt. Sie betraf nicht den Sitzungssaal selbst, sondern nur die Ausgestaltung des Nebenraumes – heute "Salon des Bundesrates" genannt –, nämlich derart, daß dort auch Ausstellungen des Bundesrates stattfinden können.

Unter welch schwierigen Bedingungen am Beginn der Zweiten Republik Bundesräte ihrer Aufgabe als Volksvertreter nachgekommen sind, geht aus dem Stenographischen Protokoll der 15. Sitzung des Bundesrates vom 7. Februar 1947 hervor – offenbar war damals ein ähnlich tiefer Winter, wie wir ihn heute im Westen Österreichs haben. Der damalige Vorsitzende Populorum sagte bei der Eröffnung der Sitzung, nachdem er zuvor mehrere Bundesräte entschuldigt hatte: "Es war einigen dieser Bundesräte infolge der Verkehrsschwierigkeiten nicht möglich, zur Sitzung zu kommen. Erwähnenswert erscheint, daß der Herr Bundesrat Weinmayer den Weg von Poysdorf bis Wien, das sind" – meine sehr verehrten Damen und Herren, überlegen Sie sich das! – "60 km, zu Fuß zurücklegen mußte, weil keine Verkehrsmöglichkeit vorhanden war."

Er ist also sicher schon am Vorabend weggegangen, damit er am nächsten Tag hier sein konnte, denn für 60 Kilometer, und das noch dazu im tiefen Winter, braucht man einige Zeit. – Ich würde kurz sagen, meine Damen und Herren: Dient als Beispiel!

Für den Fall, daß der Bundesrat während der Renovierungsarbeiten, die im Sommer durchgeführt und im Herbst abgeschlossen werden sollen, eine Sitzung abhält, wird der Reichsratssitzungssaal eine ausreichende Möglichkeit bieten, daß der Bundesrat seine Sitzungen ordnungsgemäß durchführen kann.

Fragestunde

Präsident Gottfried Jaud: Meine Damen und Herren! Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde, soferne mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird, im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.10 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales

Präsident Gottfried Jaud: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage, 986/M, an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Aloisia Fischer, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Frau Bundesministerin! Am 25. August 1998 wurde die Aussage getätigt: Karenzgeld für alle, das wäre ein soziales Verbrechen.

986/M-BR/99

Sind Sie als Sozialministerin der Meinung, daß "Karenzgeld für alle" ein soziales Verbrechen ist?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, diese doch große Zahl von Fragen in einer einigermaßen zumutbaren Zeit zu bewältigen, und werde mich daher auch bemühen, möglichst kurz und präzise zu den einzelnen Fragen und Zusatzfragen Stellung zu nehmen, ich bitte aber um Verständnis dafür, daß ich gerade bei dieser ersten Frage auch ein bißchen etwas Grundsätzliches ausführe.


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 11

Zu Ihrer konkreten Frage, sehr geehrte Frau Bundesrätin, ob ein "Karenzgeld für alle" ein soziales Verbrechen ist, möchte ich vorerst feststellen, daß es meiner Diktion, meiner Wortwahl nicht entspricht, dann, wenn Sozialleistungen diskutiert und letztlich auch beschlossen werden, von sozialen Verbrechen zu reden. Ich glaube auch, daß es etwas unfair ist, eine aus dem Zusammenhang gerissene Aussage einer von mir sehr geschätzten Kollegin so polemisch und auch apodiktisch in den Raum zu stellen. Hinsichtlich der konkreten Frage noch einmal: Diese Wortwahl würde ich persönlich in diesem Zusammenhang nicht verwenden.

Erlauben Sie mir zum "Karenzgeld für alle" die grundsätzliche Bemerkung, daß man diese Frage in einer differenzierten Form anzugehen hat. Karenzgeld bedeutet, daß einer Leistung eine vorangegangene Erwerbstätigkeit zugrunde zu liegen hat und auch dementsprechend eine Begründung einer Änderung eines Erwerbsverhältnisses gegeben sein muß. Das ist in all jenen Fällen der Fall, in den wir derzeit bereits Karenzgeldregelungen haben, in unterschiedlicher Form.

Ich möchte nur die betroffenen Gruppen in Erinnerung rufen: Es geht dabei um Arbeiter, Angestellte, Vertragsbedienstete, Beamte. Wir konnten Regelungen für Bäuerinnen, Selbständige, Gewerbetreibende und freie Dienstverträge finden; ich könnte auch noch andere Gruppen aufzählen.

Wer von einer Karenzgeldregelung nicht betroffen sein kann, weil eben im Vorfeld keine Erwerbstätigkeit gegeben ist, sind zum Beispiel nie berufstätig gewesene Hausfrauen. Es können aber auch Mädchen, Frauen in Ausbildung sein, Studentinnen, Schülerinnen. Daher ist es, glaube ich, richtig, über die Frage nachzudenken: Gibt es in unserer Gesellschaft Gruppen von Frauen, die bei der Niederkunft eine Einkommenssituation vorfinden, die die Notwendigkeit mit sich bringt, die Einkommenssituation zu verbessern, weil das Familieneinkommen im Sinne eines ausgebauten Sozialstaates nicht adäquat ist.

Ich glaube, um die Lösung dieser Frage geht es jetzt, nämlich darum, eine ergänzende Geldleistung für diese Fälle zu formulieren und auch auszudiskutieren, wo entsprechender Bedarf gegeben ist. Daß ein "Karenzgeld für alle" im Sinne einer undifferenzierten Gießkannenprinzip-Leistung sozial- und verteilungspolitisch richtig ist, kann ich mir nicht vorstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Frau Bundesministerin! Der Herr Bundeskanzler hat die Aussage gemacht – ich stehe zu dieser Aussage –: Jedes Kind ist uns gleich viel wert. Im Steuerrecht ist es gelungen, die Kinder gleich zu bewerten. Sie haben in Ihrer Beantwortung jetzt anklingen lassen, daß es schon Überlegungen gibt. Haben Sie konkrete Vorschläge, jedes Kind auch bei der Familienförderung zu berücksichtigen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Sie wissen, daß wir in unserem gesamten Steuerrecht, Leistungsrecht der Sozialversicherung eine Fülle von Maßnahmen durchsetzen konnten, die Familien, Kindern, insbesondere auch Frauen speziell zugute kommen. Sie haben zu Recht das Steuerrecht angeführt. Ich verweise bespielsweise auch auf die sehr wichtige Leistung, die die österreichische Sozialversicherung den Familien bietet, indem nämlich durch beitragsfreie Mitversicherung eine komplette Familie versichert werden kann und auch bei Alleinverdienerhaushalten ein umfassender Krankenversicherungsschutz gegeben ist. Eine Leistung, deren enorme Bedeutung oft unterschätzt wird, auch was die andernfalls finanziellen Belastungen der Familien betrifft.

Worum es jetzt geht, ist – und das hat der Herr Bundeskanzler aus meiner Sicht vollkommen richtig dargestellt –, daß wir für jene Fälle, wo noch ein Bedarf besteht, weil die bisherigen Netze nicht ausreichend sind, eine adäquate Lösung für eine ergänzende Geldleistung finden. Die entsprechenden Gespräche und Berechnungen finden statt. Man muß natürlich eine vertretbare und verteilungspolitisch gerechte Form finden. Ich hoffe aber, daß die beiden Regierungs


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650. Sitzung / Seite 12

parteien in einer überschaubaren Zeit einen gemeinsamen Vorschlag entwickeln und dort, wo Bedarf gegeben ist, eine zusätzliche Leistung anbieten können.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Karl Drochter.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Der Wunsch nach "Karenzgeld für alle" veranlaßt mich zu folgender Zusatzfrage: Die Überschüsse im FLAF werden ab dem Jahr 2000 – also auch in den folgenden Jahren – etliche Milliarden Schilling ausmachen. Meine Frage lautet daher: Sehen Sie eine Möglichkeit, die durch die Budgetkonsolidierung ausgelösten Sparmaßnahmen – das Karenzgeld wurde seit dem Jahre 1996 nicht mehr erhöht, es gab soziale Härten wie die Kürzung für alleinstehende Mütter, die zeitliche Kürzung der Notstandshilfe, den erschwerten Zugang – wieder auszugleichen?

Präsident Gottfried Jaud: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich bin derselben Meinung wie Sie, glaube ich, nämlich daß es Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher besonders schwierig haben, und es daher erforderlich ist, dort Maßnahmen zu setzen, die die Situation der Betroffenen erleichtern. Wir müssen versuchen, für sie durch zusätzliche, ergänzende Kinderbetreuungseinrichtungen, die natürlich finanziert werden müssen, das Angebot zu erweitern, ihnen aber auch entsprechende finanzielle Hilfen geben.

Ich meine auch, daß es richtig ist, daß die Bundesregierung in Aussicht genommen hat, das Karenzgeld, das seit einiger Zeit nicht erhöht werden konnte – Sie haben zutreffend darauf verwiesen –, entsprechend anzuheben, damit die entsprechende Kaufkraft gewahrt bleibt und auch das Kriterium des Einkommensersatzes zu einem gewissen Teil sichergestellt ist.

Ich darf daran erinnern, daß die Bundesregierung im Jahre 1997 erklärt hat, daß insbesondere im Zusammenhang mit dem Pensionsrecht und den Ersatzzeiten, die wir in einer doch großzügigen Form, glaube ich, im Pensionsrecht für Frauen schaffen konnten – für jedes Kind werden vier Jahre Ersatzzeiten für die Pension angerechnet, sowohl als pensionsbegründend als auch als pensionserhöhend –, mit Größenkostenwahrheit vorzugehen ist, das heißt, daß adäquate Kompensationen zwischen dem Familienlastenausgleich und den Pensionsaufwendungen durchzuführen sind.

Ich glaube, wenn sich im Familienlastenausgleich Überschüsse ergeben, hat man daher zu berücksichtigen, daß diese Beiträge, die von der Arbeitgeberseite zu leisten sind, nicht zuletzt auch lohnbelastende Kosten sind. Wenn wir nun im Zusammenhang mit der Steuerreform auch diskutieren, daß der Kostenfaktor Arbeit entlastet werden sollte, dann sollten wir die Frage des Familienlastenausgleiches dabei nicht außer acht lassen.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher.

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Frau Ministerin! Sind Sie nicht auch der Meinung, daß es – und ich bleibe bei dieser Wortwahl – ein soziales Verbrechen ist, daß bereits Kleinstkinder in Kinderbetreuungseinrichtungen abgeschoben werden müssen, und zwar nur deshalb, weil es keine finanzielle Lebensgrundlage und somit auch keine Entscheidungsmöglichkeit für junge Mütter gibt?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Ich bin der Meinung, daß wir es in Österreich geschafft haben, in sehr vorbildlicher Form ein umfangreiches Angebot für Frauen, für Familien, insbesondere auch für solche mit Kleinstkindern und Kleinkindern zu erstellen. Das hat sicher nicht in allen Bundesländern die gleich große Qualität, und hier ist gerade der Bundesrat jenes politische Forum, das ich ansprechen und ersuchen möchte, uns bei den Bemühungen zu unterstützen, in allen Bun


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desländern ein möglichst großes, qualitativ gutes, ausreichendes, familiengerechtes Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen und auch Kleinstkinderbetreuungseinrichtungen zu gewährleisten, sodaß den Eltern eine echte Wahlfreiheit gegeben ist.

Wir haben auch in der Frage der ergänzenden Maßnahmen für Alleinerzieher oder Alleinerzieherinnen das eine oder andere zustande bringen können. Ich glaube daher, daß wir sehr stolz auf jene Familienleistungen sein können, die in Österreich für die Familien durchgesetzt werden konnten. (Beifall bei der SPÖ.)


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Präsident Gottfried Jaud:
Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 993/M, an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Hedda Kainz, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Der Tatsache, daß die Zahnambulatorien mit 1. 1. 1999 festsitzenden Zahnersatz anbieten dürfen, ist eine lange Diskussionsphase vorangegangen, und ich frage Sie jetzt in diesem durchaus positiven Zusammenhang:

993/M-BR/99

Ist dieses Angebot auch von der Bevölkerung angenommen worden und wird das – im Klartext – auch so genützt, wie wir es erwartet haben?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.


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Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch:
Geschätzte Frau Bundesrätin! Ich weiß, daß Sie aus dem Bundesland Oberösterreich kommen, und ich weiß, daß gerade Oberösterreich sehr initiativ und unterstützend gewesen ist, damit es gelingen konnte, im Nationalrat mit Zustimmung des Bundesrates eine gesetzliche Regelung für festsitzenden Zahnersatz im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz zu verankern.

Ich möchte aber nicht versäumen, hier zum Ausdruck zu bringen, daß ich es bedaure, daß es nicht gelungen ist, den Wunsch des Gesetzgebers zu realisieren, daß es in diesem Zusammenhang zu einem Gesamtvertrag mit der Ärztekammer, mit den Zahnärzten kommt, denn es war schon auch meine politische Intention, zu erreichen, daß diese Leistungen im Zusammenhang mit einem Gesamtvertrag, der alle Details regelt, dann österreichweit in gleicher Qualität und in gleichem Ausmaß den Versicherten angeboten werden können.

Ich bin aber darüber hinaus sehr froh, daß nun ab 1. 1. 1999 eine gesetzliche Regelung besteht, wonach in den bestehenden Ambulatorien der Krankenkassen der festsitzende Zahnersatz angeboten werden kann und auch angeboten wird.

Zu Ihrer konkreten Frage hat der Hauptverband Anfang Februar erhoben, wie im Jänner die Anmeldungen beziehungsweise Anfragen durch die Versicherten bei den einzelnen Krankenversicherungsträgern erfolgten, und es liegen folgende Zahlen vor: Es wurden im Jänner 135 festsitzende Zahnersätze angefertigt, es liegen 575 Anmeldungen vor und es gab 3 429 Anfragen.

Ich glaube, daraus ist schon erkennbar, daß doch in einer sehr zielorientierten – genau wie vom Gesetzgeber gewünscht – Form dieses Angebot von den Versicherten angenommen wird. Ich bin sehr froh, daß das Interesse der Bevölkerung an den Zahnersätzen in kasseneigenen Ambulatorien in dieser Anlaufphase schon dokumentiert werden kann.

Ich möchte aber gleichzeitig betonen, daß es die Zielrichtung der gesetzlichen Bestimmung ist, daß diese Angebote prioritär den Patienten der Ambulatorien zur Verfügung stehen. Es war ja der Wunsch des Gesetzgebers, vor allem die eigene Kundschaft mit festsitzendem Zahnersatz versorgen zu können, und ich bin sehr froh, daß gerade diese Leistung nun in den Kassen angeboten werden kann.

Ich möchte aber betonen und Sie auch bitten, überall darauf hinzuweisen: Es sind dies keine kostenfreien Leistungen, sondern es sind selbstverständlich die vereinbarten Richtpreise für die Selbstkosten, die die Kassen haben, zu leisten.

Präsident Gottfried Jaud:  Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Meine Zusatzfrage schließt sich jetzt eigentlich zwangsläufig an, gerade auch auf den Hinweis bezogen, daß es die Kassenpatienten sind, denen diese Leistungen angeboten werden. Zielsetzung nach unserer Ansicht muß aber natürlich sein, daß alle, die Kassenpatienten sein wollen, diese Leistung auch in Anspruch nehmen können. Und deshalb meine Frage: Sind die Kassenambulatorien auch in der Lage, diesen Bedürfnissen Rechnung zu tragen? Sind sie entsprechend ausgerüstet oder besteht hier noch ein Nachholbedarf?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Geschätzte Frau Bundesrätin! Es wurde im Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherung eine Arbeitsgruppe der Krankenkassen eingerichtet, die bereits im vergangenen Jahr die Grundlagen für die Umsetzung des gesetzlichen Auftrages erarbeitet hat. Und damit eben sichergestellt ist, daß die Leistungen den Versicherten angeboten werden können, wurde das Umsetzungskonzept am 14. Dezember des vergangenen Jahres im entsprechenden Gremium des Hauptverbandes verabschiedet, sodaß nun für alle Kassen die korrekten Unterlagen vorhanden sind, die Orientierungshilfen gegeben sind. Ich bin davon überzeugt, daß insbesondere unsere Gebietskrankenkassen in der bewährten Form im Rahmen ihres jeweiligen Versichertenstandes auch die Leistungen bieten werden, wie es für die Versicherten richtig ist.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Engelbert Weilharter.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Wird sich aufgrund der Möglichkeit, daß Zahnambulatorien diese Leistungen im Bereich der festen Technik durchführen, der sogenannte Behandlungstourismus, speziell nach Ungarn und Slowenien, reduzieren?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Eine der wichtigen Zielsetzungen meiner Bemühungen durch diese gesetzliche Bestimmung war, zu erreichen, daß der Zahntourismus – und jetzt sehe ich ihn nicht nur nach dem Osten, sondern auch nach dem Westen – eingedämmt wird und dementsprechend die Leistungen der österreichischen Zahnärzte, aber auch der österreichischen Ambulatorien prioritär von den Versicherten in Anspruch genommen werden. Ich bin überzeugt davon, daß durch diese doch kostenregulierende Wirkung der nun bestehenden Vereinbarung der Zahntourismus eingeschränkt werden wird.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Engelbert Schaufler.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Seit 1.1.1999 ist es den Zahnambulatorien erlaubt, unter gewissen Bedingungen feststehenden Zahnersatz zu erstellen. Diese Bedingung lautet auf Patienten mit ständigen medizinischen Indikationen sowie auf Patienten mit geringeren Einkommens- beziehungsweise Vermögensverhältnissen.

Ich entnehme den Medien eine Erklärung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, die lautet, daß jeder bei uns eine Krone bekommt, wenn sie nicht rein kosmetisch begründet ist.

Daher meine Frage: Was werden Sie als Aufsichtsbehörde unternehmen, um im Bereich der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse einen gesetzeskonformen Vollzug der Sozialversicherungsnovelle sicherzustellen, die eben ab 1.1.1999 in Kraft getreten ist?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich habe keine Informationen vorliegen, die mich daran zweifeln lassen, daß die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse oder irgendeine andere Kasse nicht im Sinne des gesetzlichen Auftrages handeln wird.

Meine Organe – wenn ich diese so bezeichnen darf – werden selbstverständlich in den entspre-chenden Gremien immer darauf achten, daß die Umsetzung im Sinne des Gesetzes erfolgt.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 999/M, an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Ich bitte Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid um Verlesung der Anfrage.

Erlauben Sie mir dazu eine kurze Bemerkung. Die Anfrage sollte möglichst wortgetreu verlesen werden, damit nicht eine Verfälschung der Anfrage zustande kommt und somit die Ausarbeitung der Antwort der Frau Ministerin dann nicht mehr stimmen würde. (Heiterkeit. – Ruf bei den Freiheitlichen: Warum sagen Sie das gerade der Kollegin Haunschmid? – Bundesrätin Haunschmid: Ich habe das eigentlich immer wortgetreu verlesen!)

Ich bitte nun die Frau Bundesrätin um die Verlesung.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! (Zwischenruf.) Warum? Ich habe das eigentlich immer vorgelesen.

Präsident Gottfried Jaud: Kollegin Haunschmid! Dieser Verweis hat nur damit zu tun, daß die Kollegin vor Ihnen die Anfrage nicht wortgetreu verlesen hat. Es gibt keinen anderen Grund.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (fortsetzend): Danke.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Frage lautet:

999/M-BR/99

Wann wird das Nachtarbeitsverbot für Frauen endlich in EU-konformer Weise durch eine geschlechtsneutrale Regelung ersetzt werden?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Im Beitrittsvertrag zur Europäischen Union wurde Österreich eine Übergangsfrist zur Umsetzung beziehungsweise Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes für Frauen bis zum Ablauf des Jahres 2001 zugestanden. Das war für mich eine wichtige Chance, durch die jetzt bestehende gesetzliche Regelung auszuloten und zu erkennen, in welche Richtung sich ein neues geschlechtsneutrales Nachtarbeitsgesetz entwickeln oder dann letztlich auch darstellen soll.

In dieser Kennenlern-Phase sind wir, und ich bin überzeugt davon, daß der Gesetzgeber absolut rechtzeitig – mein Ressort wird selbstverständlich hier initiativ sein – eine entsprechende gesetzliche Regelung zustande bringen wird.

Ich möchte nur festhalten: Wie es jetzt ist, ist es absolut EU-konform und gesetzeskonform.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte schön.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Ministerin! Letztes Jahr wurde in einer "Treffpunkt Oberösterreich"-Sendung eine Frau eingeladen, die sehr gerne bei der Firma Kreiner in Kremsmünster gearbeitet hätte. Leider war es aufgrund der gesetzlichen Regelung nicht möglich, dieser Frau diese Nachtarbeitsanstellung zu geben. Wir wissen aber, daß bei der Firma Spitz durch Herrn Bundesrat Walter Scherb die Nachtarbeit für Frauen möglich ist.


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Können Sie mir sagen, ob im Jahr 2001 dann auch diese kollektivvertragliche Unterschiedlichkeit geregelt wird?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Frau Bundesrätin! Ich kann den Intentionen des Gesetzgebers nicht vorgreifen und daher heute noch nicht von mir aus erklären, wie ich glaube, daß das Gesetz dann aussehen wird. Meiner Überzeugung nach ist es jedoch erforderlich, daß eine zukünftige Gesetzesregelung – so wie auch jetzt die Intention durch die Umsetzung durch Kollektivverträge gegeben ist – entsprechende Begleitmaßnahmen bei Nachtarbeit unbedingt vorsehen muß, weil wir alle wissen, daß Nachtarbeit sowohl für Männer als auch für Frauen eine besonders gesundheitsbelastende Tätigkeit ist. Daher sind flankierende Maßnahmen erforderlich, die dann auch in einem Gesetz Geltung haben sollten.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Frau Bundesrätin Therese Lukasser.

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben es gerade gesagt: Nachtarbeit stellt eine erhöhte psychische, physische und soziale Belastung dar.

Meine Frage: Wie hat sich die vor kurzem beschlossene Neuregelung des Nachtarbeitsverbotes für Frauen bewährt?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Aus allen Informationen, die ich habe, zeigt sich, daß die Kollektivvertragspartner in sehr verantwortungsbewußter Form mit dieser Regelung umgehen und sinnvolle und adäquate Regelungen in den Bereichen zustande gekommen sind, wo sie bisher gewünscht wurden.

Ich hatte selbst Gelegenheit, mich bei mehreren Betrieben zu erkundigen, mit den Betriebsräten, mit Betroffenen und der Unternehmensleitung zu diskutieren, inwieweit sich die Regelungen bewähren, und habe eigentlich eine Zustimmung dazu bekommen.

Ich glaube, entscheidend ist – auch in weiteren Überlegungen –, daß bei den flankierenden Maßnahmen besonders darauf geachtet wird, daß der Gesundheitsschutz berücksichtigt wird, daß aber auch erkannt wird, daß durch die besondere Belastung in der Nacht Arbeitszeit in der Nacht eine andere Wertigkeit hat als bei Tag. Ich meine hier, daß Nachtarbeit mit Zeitgutschriften versehen werden sollte.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Hedda Kainz.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Sie haben es in Ihrer Antwort jetzt angesprochen, daß eine Zielsetzung, die Priorität haben muß, die Zeitzuschläge sind. Läßt sich nach dem derzeitigen Verhandlungsstand abschätzen, ob einigermaßen die Hoffnung besteht, dieser Zielsetzung zum Durchbruch zu verhelfen? Gibt es Verständnis bei den Verhandlungspartnern, daß diese Zielsetzung die gesundheitlichen Nachteile der Nachtarbeit aufzufangen hat?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Ich würde mich freuen, wenn dieses Verständnis auf der Arbeitgeberseite stärker ausgeprägt wäre, als ich es derzeit immer wieder in Diskussionen erkenne. Ich hoffe aber, daß die einzelnen Beispiele, die wir haben, wonach in Betriebsvereinbarungen durch


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die kollektivvertraglichen Rahmenbedingungen verankert wird, daß Zeitguthaben alternativ zu Geldzuschlägen zu gewähren sind, doch Positivbeispiele sind, die entsprechend Anlaß geben werden, daß es in Zukunft zu einer umfassenderen Regelung in dieser Richtung kommen wird.

Präsident Gottfried Jaud: Wir kommen nun zur 4. Anfrage, 987/M, und ich bitte Herrn Bundesrat Engelbert Schaufler um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Die Arbeitslosenzahl ist in Österreich trotz vieler Anstrengungen bedauerlicherweise nicht rückläufig. Besonders besorgniserregend ist die Situation im Bundesland Wien. Daher meine Frage:

987/M-BR/99

Welche Ursachen hat Ihrer Auffassung nach die schlechte Arbeitsmarktlage in Wien?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich möchte nicht zu optimistisch klingen, aber doch meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, daß jene Entwicklung, die wir am österreichischen Arbeitsmarkt per Ende Jänner sehen konnten, wo der Zuwachs an Arbeitslosigkeit geringer gewesen ist als in all den vergangenen Jahren, wirklich jene Entwicklung einleitet, um die ich kämpfe und mit mir die gesamte Bundesregierung. Wir hoffen, daß wir künftig nicht nur mehr Beschäftigung in unserem Land verzeichnen können, sondern daß wir auch einen Rückgang in den Arbeitslosenziffern und damit der Zahl der betroffenen Arbeitsuchenden erreichen werden.

Zu der konkreten Situation in Wien darf ich Ihnen sagen, daß alle Metropolen, alle Großstädte gleiche Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben, weil der großstädtische Bereich durch eine besondere Gesamtproblematik gekennzeichnet ist. Im internationalen Vergleich steht Wien sogar günstiger da als die anderen Länder, was nur zum Teil erfreulich ist, nämlich insofern, als die Situation insgesamt als keine befriedigende gesehen werden kann.

Die Ursachen der Probleme, insbesondere auf dem Wiener Arbeitsmarkt, liegen darin, daß natürlich durch diese Konzentration auf die umliegenden Gebiete – ich meine die Regionen Niederösterreich, Burgenland bis in die Steiermark – auch ein entsprechender Zuzug aus anderen Bundesländern auf den Wiener Arbeitsmarkt in einem sehr starken Umfang anfällt, weil Wien als Arbeitsplatz, als Arbeitsort doch als attraktiv gesehen wird und daher auch eine sehr große Einpendlerquote gegeben ist. Daher müßte man die Gesamtarbeitsmarktsituation wahrscheinlich umfassender sehen und nicht nur fokussiert allein auf das Gebiet Wien.

Darüber hinaus hat natürlich auch Wien die Schwierigkeit, daß die Konzentration von großen Industrieunternehmungen mit ihren Verwaltungen auf Wien gegeben ist und es durch die Dezentralisierung auch zu einer Dezentralisierung von Arbeitsplätzen gekommen ist. Außerdem ist die Industriebeschäftigung insgesamt zurückgegangen, was in Wien ebenfalls merkbar wurde.

Dazu kommt, daß in Wien auch eine Konzentration großer Verwaltungseinheiten gegeben ist, so der Bereich des öffentlichen Dienstes, aber auch der Kreditinstitute, der Versicherungen, nicht zuletzt auch der Sozialversicherung, alles Bereiche, in denen in den letzten Jahren eine sehr restriktive Personalpolitik gemacht wurde, was bedeutet, daß keine Neueinstellungen vorgenommen werden und damit potentielle zusätzliche Arbeitskräfte keine Chance auf Beschäftigung bekommen.

Das erklärt auch eine gewisse schlechtere Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt in Wien, weil Arbeitsverhältnisse länger aufrechterhalten werden als in manch anderen Bundesländern, womit folglich für neue Beschäftigung nicht jene Flexibilität gegeben ist, wie wir sie in anderen Bereichen vormerken.

Insbesondere möchte ich aber betonen – und vielleicht nehme ich da etwas vorweg zu einer Frage, die noch kommen wird –, daß man gerade in Wien sehr bemüht ist, mittels des territo


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rialen Beschäftigungspaktes, der vor kurzem abgeschlossen werden konnte, den spezifischen Problemen des Wiener Arbeitsmarktes zu begegnen.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! In allen Gemeinden aller Bundesländer gibt es bedauerlicherweise Notstandshilfeempfänger. Wien hat jedoch vergleichsweise eine außergewöhnlich hohe Quote von Notstandshilfeempfängern zu verzeichnen. Daher meine Frage an Sie: Wieviel Geld erspart sich Wien durch den überproportionalen Anteil von Notstandshilfeempfängern?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Aus meiner Sicht kann man von keiner Ersparnis des Landes Wien reden, weil genauso wie alle anderen Arbeitsmarktservices auch das Wiener Arbeitsmarktservice veranlaßt ist, sich an die bundesweit geltenden Regelungen für Arbeitslosenunterstützung und Notstandshilfe zu halten, was auch dementsprechend geschieht.

Eine Erklärung für die Notstandshilfesituation finden Sie in meiner Begründung, die ich vorhin abgegeben habe, und zwar dahin gehend, daß in Wien durch die geringere Mobilität auf dem Arbeitsmarkt – ich meine damit nicht die Mobilität der Arbeitnehmer, sondern den schnellen, flexiblen Wechsel eines Arbeitsplatzes, die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses und den schnellen Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt, der in Wien nicht so leicht gegeben ist – bei Arbeitslosigkeit, aber vor allem bei Langzeitarbeitslosigkeit, eine größere potentielle Gefahr besteht, Notstandshilfeempfänger zu werden, als das in den anderen Bundesländern der Fall ist.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Karl Drochter um eine weitere Zusatzfrage.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Bürgermeister Häupl und Frau Stadträtin Ederer haben gestern, um der sensiblen Situation auf dem Wiener Arbeitsmarkt zu begegnen, eine Initiative angekündigt, und zwar 5 000 zusätzliche hochqualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen. Sehen Sie eine Möglichkeit, diese Initiative, die ja zu begrüßen ist, gemeinsam mit dem AMS auch zu unterstützen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich befinde mich derzeit in direkten intensiven Gesprächen mit Frau Stadträtin Ederer und auch mit dem Herrn Bürgermeister. Es hat auch Gespräche mit dem Herrn Bundeskanzler gegeben. Wir wissen, wie wichtig es ist, daß der Wiener Arbeitsmarkt stärker wird im Sinne von mehr Beschäftigung und geringerer Arbeitslosigkeit. Ich begrüße sehr die Bereitschaft von Wien, dafür zusätzliche budgetäre Mittel zur Verfügung zu stellen.

Die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice auf diesem Gebiet gestaltet sich sehr gut. Es werden gemeinsame Projekte finanziert. Ich erwarte mir, daß aufgrund des schon erwähnten "territorialen Beschäftigungspakts" etwa 8 500 von der Langzeitarbeitslosigkeit bedrohte Personen eine neue Chance bekommen werden.

Wir sehen in Wien auch in der Frage von Arbeitskräfteüberlassungsmodellen eine zusätzliche Chance. Nicht zuletzt wurde von meinem Ressort das Projekt "New Start" ins Leben gerufen. Auch da wird sich in Wien für den Bereich der sogenannten nicht marktfähigen Arbeit ein zusätzliches Potential eröffnen. Ich hoffe sehr, daß wir dabei jene Erfolge erzielen werden, die wir uns alle wünschen.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Frau Monika Mühlwerth. Ich bitte um die Zusatzfrage.


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Bundesrätin Monika Mühlwerth
(Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Bei der Klubklausur in Rust hat die Wiener SPÖ-Spitze festgestellt, daß es ein unhaltbarer Zustand sei, daß der Leiter des Wiener AMS bis Mitte 2000 im Amt bleibe. Die Stadträtin Ederer forderte die Bundesregierung und damit auch Sie auf, rasch zu handeln.

Ich frage Sie nun, Frau Bundesministerin: Was wird jetzt geschehen? In welcher Form werden Sie in dieser speziellen Frage handeln?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Frau Bundesrätin! Sie konnten sicher verschiedenen öffentlichen Aussagen meinerseits entnehmen, daß ich ein Interesse daran habe, daß im Zuge einer Strukturveränderung auf dem Wiener Arbeitsmarkt, sprich: einer organisatorischen Veränderung, einer Veränderung der Strukturen des Arbeitsmarktservice in Wien, auch entsprechende neue personelle Weichenstellungen vorgenommen werden sollen. Es hat diesbezüglich auch Gespräche im Arbeitsmarktservice Wien, aber auch auf Bundesebene gegeben. Es haben aber die zuständigen Organe – der Verwaltungsrat und die entsprechenden Landesdirektorien – die Meinung vertreten, daß der Zeitpunkt nicht günstig sei, jetzt auch eine personelle Veränderung vorzunehmen, sondern man sich voll auf die organisatorischen Maßnahmen, auf die Strukturveränderungen des Wiener Arbeitsmarktes und auf die Veränderungen der Struktur des Wiener Arbeitsmarktservice zu konzentrieren habe.

Ich habe diese Entscheidung zu respektieren und werde selbstverständlich die betroffenen Kolleginnen und Kollegen bei ihren Bemühungen, entsprechende neue, noch adäquatere Strukturen in Wien zum Zwecke der Umsetzung der wichtigen Arbeitsvermittlungsaufgabe, aber auch der Betreuung der Arbeitslosen und Arbeitssuchenden zu schaffen, unterstützen.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, 994/M, an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Ich bitte Herrn Bundesrat Horst Freiberger um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

994/M-BR/99

Welche konkreten Maßnahmen haben Sie im Bereich der schwierigen Situation behinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt bisher im Rahmen der Umsetzung des Nationalen Aktionsplanes für Beschäftigung gesetzt?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich bin nicht nur darüber sehr froh, daß wir im Rahmen der Umsetzung des Nationalen Aktionsplanes für Beschäftigung zusätzliche Impulse für die Beschäfti-gung behinderter Menschen setzen konnten, sondern insbesondere bin ich froh darüber, daß wir eine Neuordnung beim Behinderteneinstellungsgesetz vornehmen konnten. Darin konnte eine wesentliche Veränderung erreicht werden, und zwar dahin gehend, daß die bisher bestehenden Ausnahmen hinsichtlich der Zahl der einzustellenden behinderten Arbeitnehmer beseitigt werden. Dies betrifft den öffentlichen Bereich, aber schrittweise auch jene Bereiche in der Privatwirtschaft, welche von diesen Ausnahmen betroffen gewesen sind. Das bedeutet, daß wir für etwa 4 000 bis 5 000 behinderte Menschen zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen können, was ich als ganz wichtigen Schritt zur Verbesserung der Problemlage der Behinderten bezeichne.

Die konkreten darüber hinausgehenden Maßnahmen sind, daß zum Beispiel in der gemein-nützigen Arbeitskräfteüberlassung im Gesundheits- und Pflegebereich neue Arbeitsplätze für behinderte Menschen geschaffen werden. Es werden durch mein Ressort Fördermaßnahmen in


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Form von Lohnzuschüssen und auch Arbeitsplatzadaptierungen vorgenommen. Wir haben ein sehr bewährtes Modell, das auf der Ebene der Europäischen Union als "Best practice" anerkannt wurde, und zwar die Arbeitsassistenz, schon in verschiedenen Bereichen eingeführt und haben nun die Absicht, diese flächendeckend noch weiter auszubauen, denn gerade durch die Arbeitsassistenz kann sichergestellt werden, daß das Zusammenleben zwischen Arbeitgebern, Behinderten und der Kollegenschaft von Behinderten erleichtert wird und manche Hemmschwellen überwunden werden.

Wichtig ist, daß finanzielle Mittel dafür zur Verfügung stehen. Ich bin sehr froh darüber, daß wir aufgrund der Novelle des Behinderteneinstellungsgesetzes und der bisher schon bestehenden Rahmenbedingungen zirka eine Milliarde Schilling – inklusive der Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds – für Behinderte beziehungsweise deren Integration auf dem Arbeitsmarkt und deren Qualifizierung zur Verfügung haben.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte sehr.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesministerin! Sie haben die Frage der Arbeitsassistenz angesprochen. Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit der Arbeitsassistenz für behinderte Menschen gemacht?

Präsident Gottfried Jaud: Frau Bundesministerin, bitte.


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650. Sitzung / Seite 21

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch:
Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich kann das ganz einfach beantworten: Nur die besten, und daher werden wir dieses Modell auch weiter ausbauen. Ich glaube, daß es eine hervorragende Maßnahme für behinderte Menschen ist.


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 22

Präsident Gottfried Jaud:
Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Ernest Windholz um die weitere Zusatzfrage.

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Im Stellenplan für den öffentlichen Dienst findet sich eine Regelung für die Einstellung von Behinderten, welche einen Anhang zum Bundesfinanzgesetz darstellt. Darin ist im allgemeinen Teil unter Punkt 3 Absatz 3 vorgesehen, daß der Bundesminister für Finanzen bis zu 500 Planstellen zur Verfügung stellt. Wie stehen Sie zu der Forderung, diese 500 Planstellen bei nächster Gelegenheit direkt im jeweiligen Planstellenbereich der Ressorts festzulegen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.


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650. Sitzung / Seite 23

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch:
Ich begrüße jede Maßnahme, die es behinderten Menschen ermöglicht beziehungsweise ihnen eine neue Chance bietet, eine Beschäftigung zu bekommen und auch Qualifizierungsmaßnahmen zu erhalten. Daher war ich sehr froh darüber, daß es mir gelungen ist – was nicht leicht war –, auch die öffentlichen Bereiche davon zu überzeugen, daß die Ausnahmebestimmungen wegzufallen haben. Die konkrete Frage ist im Detail noch mit dem Finanzministerium zu diskutieren und zu beraten.

Aber noch einmal: Ich möchte jede zusätzliche Chance, die ich für behinderte Menschen sehe, ergreifen. Mein Ressort handelt da vorbildlich und übererfüllt, möchte ich zu Recht mit nur wenig Bescheidenheit sagen, bei weitem die gesetzlichen Voraussetzungen.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Wolfram Vindl.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie hat sich die Abschaffung der Privilegien für öffentliche Dienstgeber auf dem Arbeitsmarkt für Behinderte ausgewirkt?

Präsident Gottfried Jaud: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 24

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch:
Sehr geehrter Herr Bundesrat! Da diese Regelung erst mit 1. Jänner 1999 in Kraft getreten ist, liegen mir noch keine konkreten Zahlen über die tatsächlichen Auswirkungen vor. Aber ich werde mich selbstverständlich genau erkundigen, wie sich nun die geltende Rechtslage für Behinderte auswirken wird.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage, 988/M, an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Ich bitte Bundesrat Alfred Schöls um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

988/M-BR/99

Treten Sie für die Einstellung der Notstandshilfe ein, wenn ein Bezieher gemeinnützige Tätigkeiten nicht akzeptiert?

Präsident Gottfried Jaud: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Es ist im Arbeitslosenversicherungsgesetz eine sehr klare Festlegung enthalten, die besagt, daß die Notstandshilfe dann nicht länger gewährt wird, wenn die angebotene Beschäftigung die Berufslaufbahn nicht gefährdet. Ich kann, sollten Sie es wünschen, auch den genauen Text der Gesetzesformulierung vorlesen. Diese Vorgabe gilt natürlich auch für den Fall einer gemeinnützigen Beschäftigung. Da ist meiner Meinung nach eine klare rechtliche Vorgangsweise bei der Gewährung der Notstandshilfe vorgesehen, die dementsprechend zu vertreten und auch so zu handhaben ist.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Wieviel Geld steht in diesem Jahr für den sogenannten zweiten Arbeitsmarkt und für nicht marktfähige Arbeit zur Verfügung?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich tue mich jetzt sehr schwer, von den Gesamtmitteln für die aktive Arbeitsmarktpolitik genau zu spezifizieren, welcher Anteil für den "zweiten Arbeitsmarkt", wie Sie es formulieren, beziehungsweise für andere Qualifizierungsmaßnahmen zu deklarieren ist.

Insgesamt steht mir im heurigen Jahr für die aktive Arbeitsmarktpolitik die Rekordsumme von zirka 10,5 Milliarden Schilling zur Verfügung. Es ist mir in den letzten Jahren gelungen, den Betrag ständig zu erhöhen und damit etwas nachzuholen, was wir bisher in Österreich im Gegensatz zu anderen Ländern nicht hatten, nämlich noch mehr Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung zu stellen.

Was das konkrete Projekt "New start" betrifft – das möchte ich aber nicht in einen Zusammenhang mit dem "zweiten Arbeitsmarkt" stellen, denn dabei geht es nicht um Transitarbeitsplätze –, so geht es dabei darum, eine Starthilfe für Beschäftigungen zu liefern, die sich dann nach einem Jahr selbst tragen und marktfähig entwickeln.

Dafür haben wir ursprünglich 150 Millionen Schilling in Aussicht genommen. Aber es ist beabsichtigt, diesen Betrag zu verdoppeln, weil sich zeigt, daß die Nachfrage sehr groß ist und auch sehr interessante Projekte eingereicht wurden. Wir möchten erreichen, damit möglichst vielen vorgemerkten Arbeitssuchenden eine neue Chance zu geben.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Johann Kraml um die weitere Zusatzfrage.

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die Zuweisung einer sogenannten gemeinnützigen Tätigkeit kann ja nur eine Notmaßnahme sein. Welche zusätzlichen Schritte sind gesetzt worden, um schwer vermittelbare Arbeitsuchende wieder in Beschäftigung zu bringen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Die Erfahrungen zeigen, daß es Personen, die länger keinen Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden haben, besonders schwer haben, sich wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, und daß auch ihr Selbstwertgefühl massiv unter dem Umstand leidet, daß sie keine Zukunftschancen erkennen und erleben können. Daher setzen wir im Bereich des Arbeitsmarktservice sehr stark auf Motivierungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, um die einzelnen Persönlichkeiten wieder in die Lage zu versetzen, daß sie von sich aus die Chance aktivieren beziehungsweise bestrebt sind, einen adäquaten Arbeitsplatz zu bekommen. Wir haben dabei recht gute Erfolge. Unsere Bemühungen werden durch das Arbeitsmarktservice in Form von Orientierungskursen noch intensiviert. Das sind Beratungskurse, die darüber informieren, in welchen Berufen es in Zukunft Chancen geben könnte. Das sind Qualifikationsmaßnahmen, aber auch Motivationsmaßnahmen.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Andreas Eisl um die weitere Zusatzfrage.

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Frau Bundesministerin! Treten Sie dafür ein, daß Notstandshilfeempfänger bei Katastrophen in Einsatz gebracht werden?

Präsident Gottfried Jaud: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich glaube, auf eine Frage, die in solch einer undifferenzierten Form gestellt wurde, kann man nicht mit Ja oder mit Nein antworten. Es geht darum, sehr klar zu sehen, um welche Notsituationen es sich dabei handelt. Wenn es zum Beispiel Hochwasser gibt, so kann man sicherlich nicht davon ausgehen, daß vorgemerkte Arbeitslose zur Hilfe herangezogen werden sollen, denn sie haben keine dementsprechende Ausrüstung und Ausbildung und sind dafür auch nicht zuständig. Da sind vielmehr die zuständigen Bereiche aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zu ersetzen.

Ich bin dafür, Notstandshilfeempfängern all jene Beschäftigungen anzubieten, von denen ich schon gesprochen habe, damit sie möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können, aber von ihnen undifferenziert jede Form von Leistungen einzufordern, entspricht weder dem Gesetz noch meinen sozialpolitischen Intentionen. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 1000/M, an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Ich bitte Herrn Bundesrat Engelbert Weilharter um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1000/M-BR/99

Welche Entwicklung der Arbeitslosenzahlen ist im Jahr 1999 zu erwarten?

Präsident Gottfried Jaud: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hängt zu einem wesentlichen Teil von der Entwicklung der Wirtschaft ab, und zwar nicht nur der nationalen, sondern darüber hinaus auch der europäischen und, wie ich meine, in manchen Bereichen auch der Weltwirtschaft, und zwar vor allem im Bereich der Exportwirtschaft. Dieser Faktor wird bei uns sehr erfolgreich, wie ich meine, durch beschäftigungspolitische Maßnahmen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik ergänzt. Aber es ist immer sehr wichtig, daß beide Faktoren aufeinander abgestimmt sind, damit die Entwicklung eine erfolgreiche ist. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ganz konkret schätzt das Wirtschaftsforschungsinstitut – und wir im Ressort schließen uns diesen Einschätzungen an –, daß für das Jahr 1999 bei den vorgemerkten Arbeitslosen ein Rückgang von etwa 2000 Personen zu erwarten sein wird. Das würde bedeuten, daß wir im Schnitt etwa 236 000 Arbeitsuchende zu verzeichnen hätten. Für die Arbeitslosenquote, nach der österreichischen Berechnungsmethode errechnet, würde das bedeuten, daß sie sich von etwa 7,2 auf 7,1 Prozent, also um ein Zehntel, reduzieren würde.

Was die EUROSTAT-Arbeitslosenquote betrifft, die sich eigentlich zum Vergleich besser eignet, da wir uns ja mit anderen europäischen Ländern zu vergleichen haben, so können wir sehen, daß wir einen Rückgang von einem Zehntel zu verzeichnen haben.

Beim Arbeitskräftepotential, beim Zuwachs an Beschäftigung, gehen wir von zirka 19 000 plus aus, so daß wir im Durchschnitt ungefähr 3,3 Millionen Erwerbstätige als Arbeitskräftepotential vorfinden werden.

Ich glaube, daß es, wenn es zu keinen – und man muß das ehrlicherweise dazusagen – wirtschaftlichen Einbrüchen kommt, wenn wir weiterhin mit einem entsprechenden Wirtschaftswachstum rechnen können, im heurigen Jahr gelingen müßte, einen Durchbruch zu erzielen, eine Trendwende dahin gehend zu erreichen, daß wir nicht nur mehr Beschäftigung bekommen, sondern auch beginnen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wenn die von Ihnen genannten Ziele nicht erreicht werden, wenn die von Ihnen genannten Maßnahmen nicht greifen, würden Sie dann Ihre Position zur Verfügung stellen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich habe ein gesundes Selbstbewußtsein und bin völlig überzeugt davon, daß wir diese Ziele erreichen, und zwar nicht nur, weil ich es wünsche, erwarte und mich dafür einsetze, sondern auch die gesamte Bundesregierung, damit aber auch der überwiegende Teil der Österreicherinnen und Österreicher. Ich finde daher, daß jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist, darüber nachzudenken, eine weitere Entwicklung mit meiner Person in Verbindung zu stellen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eine Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Wilfing gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Meine Frage paßt auch gleich zur vorigen Frage. In Österreich stellt die Altersarbeitslosigkeit ein besonderes Problem dar, die Sie da ja treffen könnte. – Das habe ich jetzt scherzhaft gemeint. Im Ernst: Die Sozialpartner beraten derzeit ein Modell der Altersteilzeitbeschäftigung. Wie stehen Sie zu diesem Modell, und sehen Sie eine Möglichkeit, es noch im heurigen Jahr zu verwirklichen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Es hat ein Gespräch des Herrn Bundeskanzlers – gemeinsam mit Herrn Kollegen Fasslabend und mir – mit den Vertretern und den Präsidenten der Sozialpartner gegeben, in dem wir übereingekommen sind, daß im Februar versucht werden soll, zu einem gemeinsamen Konzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit der sogenannten älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu kommen.

Die Beratungen der Sozialpartner auf der Expertenebene wurden vor wenigen Tagen abgeschlossen. Es bedarf noch der endgültigen Abstimmung auch innerhalb der Sozialpartner darüber, welche der Positionen tatsächlich ein gemeinsamer Standpunkt der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind. Ich erwarte in den nächsten Tagen, also im Laufe der nächsten Woche, die offizielle Übergabe der Liste der Überlegungen der Sozialpartner im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an den Herrn Bundeskanzler.

Eine wichtige Frage ist jene von Ihnen angesprochene. Es gibt bereits jetzt im Rahmen der Förderungen des Arbeitsmarktservice gerade bei älteren Arbeitslosen, bei Langzeitarbeitslosen, die Möglichkeit – im Rahmen der Aktion "Comeback", einer besonderen Eingliederungsbeihilfe –, Lohnzuschüsse zu geben, und zwar bis zur Höhe des Arbeitslosengeldes, wenn diese Personen in einem Unternehmen beschäftigt werden.

Es wird derzeit überlegt, inwieweit dieses Modell noch weiter zielgruppenorientiert ausgebaut werden kann oder soll und welche Schwerpunkte zu setzen sind. Es gibt darüber hinaus auch Überlegungen, beim Bonus-Malus-System – zum Beispiel auch beim Solidaritätsprämiensystem, bei der Bildungskarenz und so weiter – Maßnahmen zu setzen, damit diese Modelle noch mehr greifen, und zwar besonders im Hinblick auf die älteren Arbeitslosen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Drochter gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Erfreulicherweise gehört Österreich zu jenen Ländern, die die geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa haben. Im vergangenen Jahr ist es durch gemeinsame Aktivitäten gelungen, auch für jedes junge Mädchen und jeden jungen Burschen, die die Schule verlassen haben, einen Ausbildungsplatz bereitzustellen. Auch das war beispielhaft im Vergleich mit anderen europäischen Ländern. Meine Frage lautet: Werden Sie diese Maßnahmen auch rechtzeitig für das Jahr 1999 veranlassen beziehungsweise die notwendigen Maßnahmen dafür treffen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich finde, wir können in Österreich wirklich sehr stolz darauf sein, daß es uns gelungen ist, durch ein umfangreiches Konzept, durch ein umfangreiches Paket, aber auch durch zusätzliche budgetäre Mittel zu erreichen, daß wir europaweit die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit haben. Das kommt nicht von selbst, und ich glaube, wir sollten diese große Leistung, die diese Republik Österreich zustande gebracht hat, doch sehr deutlich immer wieder herausstreichen.

Was die Frage der Finanzierung betrifft, so ist sichergestellt, daß jenes sogenannte Auffangnetz für bis zu zirka 4 000 Jugendliche auch für das laufende Jahr – und auch darüber hinaus, weil es ja übergreifende Angebote gibt, also über die Jahre 1999 und 2000 hinaus – sichergestellt ist. Insgesamt stehen für diese Auffangnetze etwa 2 Milliarden Schilling zur Verfügung.

Die Zusammenarbeit mit den Bundesländern bewährt sich sehr. Ich betone dies besonders hier im Bundesrat, weil ja gerade die Vertreter der Bundesländer oft sehr hautnah am Geschehen sind. Es hat sich gezeigt, daß die konkrete Umsetzung vor Ort durch die Einbindung der örtlichen Akteure für das erfolgreiche Einsetzen der sogenannten Auffangnetze ganz entscheidend


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ist. Ich habe daher sowohl durch Gesetzes-, als auch durch Budgetmaßnahmen sichergestellt, daß auch in weiterer Folge die Finanzierungen und die Umsetzung funktionieren werden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir kommen nun zur 8. Anfrage, 995/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Winter um die Verlesung der Anfrage.


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Bundesrat Ernst Winter
(SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

995/M-BR/99

Welche Schritte haben Sie ergriffen, um die Lebenssituation der mehr als 300 000 von Pflegebedürftigkeit betroffenen Menschen in Österreich zu verbessern?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Mit dem Bundespflegegeldgesetz hat Österreich eine europaweite Vorzeigeleistung erbracht. Es war für mein Ressort sehr wichtig, nach einigen Jahren des Bestehens dieses Gesetzes eine Evaluierung vorzunehmen. Die Studie, die Herr Professor Badelt diesbezüglich gemacht hat, war für mich auch eine wichtige Orientierungshilfe für die Weiterentwicklung dieses Gesetzes.

Diese Studie hat uns bescheinigt, daß wir mit diesem Gesetz eine sehr hohe Treffsicherheit erzielt haben und daß wir mit den Überlegungen, den Maßnahmen und dem Konzept dieses Gesetzes wirklich richtig liegen. Nichtsdestotrotz haben sich in der Umsetzung doch einige Probleme gezeigt, die ich versucht habe, durch die Novellierung des Bundespflegegeldgesetzes zu bereinigen.

Eine ganz wesentliche Änderung ist, daß wir bei den Leistungen insofern Verbesserungen machen konnten, als das Kriterium der Zuordnung zur Pflegestufe 4, das vorher 180 Stunden betragen hat, ab 1. 1. 1999 auf 160 Stunden reduziert werden konnte. Es hat sich in der Praxis gezeigt, daß die Zahl von 180 Stunden sozialpolitisch doch nicht sinnvoll war, sondern zu reduzieren ist. Davon profitieren etwa 15 000 Personen. Mit "profitieren" meine ich: Sie erhalten nun monatlich ein um etwa 3 000 S höheres Pflegegeld. Ich betrachte das als eine ganz wesentliche weitere Verbesserung der Leistungen.

Wir haben aber auch für die Pflegebedürftigen insoferne Verbesserungen schaffen können, als bei den Untersuchungen nun auch eine Vertrauensperson beigezogen werden kann. Es hat sich in der Praxis doch gezeigt, daß Pflegebedürftige oft nicht selbst in der Lage sind, ihre Interessen entsprechend zu artikulieren, sodaß sie sich in der Folge oft ungerechtfertigt betreut und behandelt fühlen. Durch das Beiziehen einer Vertrauensperson haben wir, wie ich meine, diesem Zustand erfolgreich abgeholfen.

Wir haben auch dafür gesorgt, daß in der Pflegedokumentation Verbesserungen gemacht werden, um wirklich die Qualität der Leistungen sicherzustellen.

Etwas, was mir auch noch wichtig erscheint, ist, daß bei einem stationären Aufenthalt eines Pflegegeldbeziehers kein Ruhen des Pflegegeldes eintritt, wenn die Pflegeperson als Begleitperson mit aufgenommen wird. Auch sonst haben wir beim Spitalsaufenthalt einige Verbesserungen zustande bringen können.

Es gibt noch eine Reihe von anderen Verbesserungen im Bundespflegegeldgesetz, die jetzt in Geltung getreten sind. Ich glaube, das waren aber die Kernpunkte, bei denen wirklich spürbar ist, daß etwas weiterentwickelt konnte. Darüber bin ich sehr froh.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Welche Maßnahmen haben Sie zur Entlastung der pflegenden Angehörigen ergriffen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich habe mich im vergangenen Jahr – und eigentlich auch schon 1997 – sehr darum bemüht, daß der Zugang zur begünstigten Weiterversicherung für pflegende Personen erleichtert wird.

Ich bin sehr froh, daß wir eine Regelung zustande bringen konnten, wonach Angehörige von Pfleglingen, die in der Stufe 5, 6 oder 7 gepflegt werden, die Möglichkeit der begünstigten Weiterversicherung nur mit dem Arbeitnehmerbeitrag zur Pensionsversicherung wahrnehmen können.

Das ist insbesondere für Frauen eine sehr, sehr wichtige Maßnahme, weil wir ja alle viele Fälle kennen, in denen Frauen ihre Berufstätigkeit unterbrechen, um eine im Haushalt pflegebedürftig gewordene Person zu betreuen, aber dann, wenn die Betreuungszeit endet, Probleme haben. Es geht dabei nicht nur um Probleme der Wiederintegration, sondern um den Verlust von Versicherungszeiten. Daher betrachte ich es als ganz großen sozialpolitischen Fortschritt – besonders für die Frauen –, daß wir mit dieser Maßnahme den eigenständigen Pensionsanspruch deutlich verbessert haben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Mühlwerth gewünscht. – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Welche Förderungen und besonderen Aktivitäten gibt es für Unternehmen, die pflegebedürftige Menschen mit Essen und Trinken versorgen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Die Förderung von entsprechenden Einrichtungen, Vereinen und Organisationen liegt in hohem Ausmaß in der Kompetenz der Bundesländer, und dementsprechend ist die Zusammenarbeit mit den einzelnen Bundesländern, also zwischen den Bundesländern und den einzelnen Sozialhilfeträgern, Vereinen und Organisationen eine sehr intensive.

Auch in meinem Ressort gibt es sehr enge Kontakte zu den einzelnen Einrichtungen, und die Finanzierungen erfolgen zum Teil durch Subventionen. Selbstverständlich dient das Pflegegeld dazu, daß – und das ist ja der Kern des Pflegegeldgesetzes – die Pflegebedürftigen sich die Leistungen zukaufen können. Das Pflegegeld ist ja eine zusätzliche einkommensunabhängige Geldleistung, es soll und muß zweckgebunden und qualitätsorientiert zum Einsatz kommen. Ich habe sehr großes Interesse daran, daß die Mittel des Pflegegeldes tatsächlich dafür verwendet werden, daß eine qualitätsorientierte umfassende Pflegesicherung und Pflegebetreuung gegeben ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Wolfinger. – Bitte.

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Können Sie schon sagen, welche Mehrkosten die Bundesgesetznovelle zum 1. Jänner 1999 verursachen wird?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich habe bei der Beschlußfassung des Gesetzes die Höhe dieser Kosten noch im Kopf gehabt. Wenn Sie mich aber jetzt so plötzlich danach fragen, kann ich sie Ihnen


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nicht unmittelbar sagen, aber ich bin überzeugt davon, Ihnen diesen Betrag noch im Laufe der heutigen Bundesratsitzung bekanntgeben zu können.


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Danke, Frau Bundesministerin.

Wir kommen nun zur 9. Anfrage, 989/M. Ich bitte Frau Bundesrätin Giesinger um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

989/M-BR/99

Wie weit sind die Verhandlungen für die Realisierung der Chip-Karte gediehen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Es wurde dem österreichischen Hauptverband der Sozialversicherungsträger die operative Umsetzung des Projektes der Chip-Karte – die ja durch einen Entschließungsantrag des Parlamentes auch als politischer Wille dokumentiert ist – übertragen, und dementsprechend laufen die Arbeiten zur Umsetzung diese Projektes im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Ich will nicht verhehlen, daß ich es bedauere, daß es bisher trotz verschiedener Signale seitens der österreichischen Ärztekammer zu keinem wirklich gemeinsamen Konzept der Umsetzung der Chip-Karte auch mit den niedergelassenen Ärzten und ihrer Interessenvertretung kommen konnte. Obwohl von den einzelnen Ärztevertretern immer wieder signalisiert wird, daß ein Interesse daran besteht, konnte in einer entscheidenden Sitzung im Dezember vergangenen Jahres, als ich gehofft hatte, daß die österreichische Ärztekammer sagen würde "Ja, wir gehen mit den Sozialversicherungsträgern den Weg der Chip-Karte!", diese Entscheidung nicht getroffen werden. Dies, obwohl der Hauptverband der Sozialversicherungsträger sehr große Zugeständnisse an die Wünsche der österreichischen Ärzteschaft gemacht hatte, und zwar sowohl, was die Kostenübernahme bei der Implementierung der entsprechenden EDV-Installation betrifft, als auch, was den Ersatz für Verwaltungskosten und Kosten des Handlings betrifft.

Ich sage das ein bißchen emotionell, weil ich nicht verstehen kann, daß ein derart innovatives und zukunftsorientiertes Modell, eine neue, adäquatere Form des Krankenscheines bisher keine Akzeptanz bei einem wichtigen Träger des Gesundheitswesens, nämlich bei den Ärzten, finden konnte. Ich kann dies nur darauf zurückführen, daß in den Ärztekammern die Wahlen vor der Türe stehen, und daß es in Wahlzeiten oft schwierig ist, zu einheitlichen Meinungen in allen Ländern zu kommen.

Konkret zu Ihrer Frage: Mein Ressort arbeitet derzeit gemeinsam mit dem Hauptverband – es finden natürlich auch politische Gespräche darüber statt – an einer gesetzlichen Regelung im Rahmen des ASVG, damit die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Einführung der Chip-Karte noch in der Frühjahrssession im Parlament beschlossen werden können, damit also die rechtlichen Grundlagen absolut sichergestellt sind. Wenn also die letzten offenen Punkte der Verhandlungen ausdiskutiert sind, dann kann die entsprechende Ausschreibung und Umsetzung unmittelbar im Anschluß daran erfolgen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Frau Bundesministerin! Seit Jahren wird ja schon versprochen, daß die Chip-Karte kommt, und es ist für mich unverständlich, daß sich die Verhandlungen darüber so lange hinausgezögert haben. Sie haben jetzt gesagt, Sie hoffen, daß im Frühjahr die rechtlichen Grundlagen kommen werden. Können Sie versprechen, daß die Chip-Karte ganz sicher noch in diesem Jahr ausgeschrieben werden wird?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Ich kann Ihnen versprechen, daß ich alles in meiner Macht liegende unternehmen werde, um sicherzustellen, daß wir die legistischen Grundlagen zur Einführung der Chip-Karte noch in der Frühjahrssession im Parlament durchbringen können. Ich werde auch alles dazu tun, daß sich auf der anderen Seite auch die Hauptakteure zu einem gemeinsamen Konzept – ich spreche dabei noch einmal speziell die österreichischen Ärztekammer an – zur Umsetzung der Chip-Karte bekennen.

Ich betrachte es als unverzichtbar, daß mit den Ärzten entsprechende Rahmenbedingungen konkret vereinbart werden, damit das System dann auch funktioniert. Es wäre nicht zu verantworten – obwohl wir die finanziellen Voraussetzungen bereits sichergestellt haben; es ist also alles im Talon –, etwas in Auftrag zu geben, ohne vorher sichergestellt zu haben, wie die Hauptakteure dann in der konkreten Umsetzung damit umgehen.

Ich bin aber trotz allem zuversichtlich, daß wir die entsprechenden Ergebnisse noch im Frühjahr erzielen werden. Es wird nicht zuletzt auch am Hohen Haus liegen, ob durch gesetzlichen Auftrag auch die letzten Hindernisse beseitigt werden können.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Kainz gewünscht. – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Sie haben soeben die Schwierigkeiten bei den Verhandlungen und die Widerstände der Ärztekammer angesprochen. In welchen Bereichen liegen in erster Linie diese Widerstände, und worin bestehen seitens der Ärzte die größten Bedenken, worin besteht die Unmöglichkeit aus ihrer Sicht, sich den unterbreiteten Vorschlägen anzuschließen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Ich kann nicht über alle Detailgespräche hier berichten, weil es dem Hauptverband übertragen wurde, diese Verträge auszuverhandeln beziehungsweise die Vereinbarungen mit der Ärztekammer zustande zu bringen.

Den Informationen, die ich habe, entnehme ich, daß seitens der österreichischen Ärztekammer doch erhebliche finanzielle Wünsche formuliert werden, daß auf der anderen Seite aber auch Wünsche formuliert werden, wie die Chip-Karte gehandhabt werden soll, Wünsche, die in dieser Form nicht vertretbar sind, weil damit der gesamte ökonomische Vorteil der Chip-Karte verloren ginge und alles, was dann in der Verwaltungspraxis als Einsparungseffekt erzielbar wäre, nicht gegeben wäre. Ich kann daher nur sagen: Es sind mir manche Argumente der Ärztekammer nicht erklärbar, aber ich hoffe doch, daß wir die letzten Hürden bald überwunden haben werden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Dr. Bösch. – Bitte.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Bundesministerin! Welche Verwaltungsvereinfachungen und Einsparungen erwarten Sie durch die Einführung der Chip-Karte?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Diese Chip-Karte ist ein neues technologisches Instrument, das in mehreren Stufen ausbaufähig ist. Die erste Stufe ist die simpelste. Sie bedeutet, daß der Krankenschein, wie wir ihn jetzt in Papierform haben, durch die Chip-Karte ersetzt wird, und daß


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damit der ganze fürchterliche Papieraufwand, den sowohl die Unternehmen als auch die Sozialversicherungsträger und nicht zuletzt auch die Patienten haben, beseitigt werden kann.

Ich glaube, es ist in einer Zeit, in der wir mit modernsten neuen Technologien in allen Bereichen arbeiten, nicht mehr adäquat, daß wir die Zettelwirtschaft im Sozialversicherungsbereich mit allen Mitteln aufrechterhalten. Das bedeutet im konkreten, daß erhebliche Einsparungen auf der Unternehmerseite zu erwarten sind, weil dieser ganze administrative Aufwand wegfällt. Das ist ja auch die Begründung dafür, daß sich die Unternehmerschaft direkt dazu bereit erklärt hat, einen Finanzierungsbeitrag für die Umsetzung des Projektes "Chip-Karte" zu leisten. Und nicht zuletzt für die Versicherten ist es einfacher, wenn sie nicht ununterbrochen mit allen "Papierln" durch die Gegend ziehen müssen. Das gilt aber auch für die Versicherungsträger selbst.

In den weiteren Ausbaustufen dieser Chip-Karte, auf der meiner Ansicht nach keine Gesundheitsdaten gespeichert sein sollen und dürfen, weil ich meine, daß Gesundheitsdaten zu den sensibelsten Daten von Personen gehören und daher vor jedem Zugriff zu sichern sind (Beifall der Bundesrätin Kainz ), sollen die Versicherten Zutritt zu allen Gesundheitseinrichtungen und Anspruch auf alle Gesundheitsleistungen haben. Das könnte, wenn man diesen Gedanken weiterspinnt, so weit gehen, daß man Leistungen in Apotheken in Anspruch nimmt sowie auf eigene Arztdokumente beziehungsweise auf eigene Befunde Zugriff hat. Da gäbe es noch sehr viele Ausbaumöglichkeiten.

Es soll auch die Möglichkeit geben, in weiterer Folge persönlich eine Zusatzkarte zu lösen, das heißt, selbst zu entscheiden, ob man eine eigene private Zusatzkarte haben möchte oder nicht, auf der Daten gespeichert werden könnten, die eben persönliche Gesundheitsinformationen, wie zum Beispiel Impfungen und dergleichen enthalten.

Ich wollte Ihnen anhand dieser Beispiele nur zeigen, daß wir mit diesem sehr zukunftsorientierten Modell der Chip-Karte neue Wege gehen. Entscheidend ist für mich jedoch bei der Primär-karte der Datenschutz und der Schutz der Gesundheitsdaten. (Bundesrat Dr. d’Aron: Konkrete Zahlen, bitte!)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir kommen zur 10. Anfrage, die Herr Bundesrat Payer stellen wird. – Bitte.

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

996/M-BR/99

Glauben Sie, daß das Drogenproblem in Österreich – nachdem die Zahl der Drogentoten in den letzten Jahren rückläufig ist – gebannt ist?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich möchte sehr hohe Ansprüche an mich und an uns stellen und sagen: Solange es überhaupt noch Drogentote gibt, solange wir erkennen müssen, daß Jugendliche zu Drogen greifen, daß Abhängigkeiten entstehen, solange kann man nicht von einer Ban-nung des Drogenproblems reden.

Trotzdem, so glaube ich, zeigt gerade der neueste Drogenbericht sehr deutlich, daß die österreichische Drogenpolitik eine erfolgreiche Politik ist. Die neuesten Daten haben ja ergeben, daß wir insbesondere – und das ist ein wichtiger Indikator – bei der Zahl der Drogentoten einen deutlichen weiteren Rückgang zu verzeichnen haben: Es gab im Jahre 1997 einen Rückgang von 230 Fällen auf 172 Fälle. Jeder dieser 172 Fälle ist zuviel, aber das ist doch eine sehr markante Entwicklung. Die Daten, die ich betreffend das Jahr 1998 kenne, scheinen zu zeigen, daß es 1998 einen noch weiteren Rückgang zu verzeichnen gab.


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Wir haben auch versucht zu erheben, wer wie oft sogenannte harte Drogen konsumiert. Dabei haben wir festgestellt, daß "nur" – nur unter Anführungszeichen – etwa 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung gelegentlich eine solche Substanz konsumiert haben, wobei, was solche einmalige Versuche von Erwachsenen betrifft, wir doch feststellen konnten, daß etwa 20 bis 30 Prozent der Erwachsenen einmal zu einer Droge gegriffen haben, ohne daß aber daraus eine Kontinuität, eine Abhängigkeit entstanden ist.

Ich glaube, daß wir anhand dieses Drogenberichts doch nachweisen können, daß wir international sehr erfolgreich sind.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie ist die Situation in Österreich im Zusammenhang mit den sogenannten neuen Designerdrogen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Nach den Erfahrungen, die wir haben, sind es vor allem Jugendliche, die Freizeit- und Partydrogen – diese sogenannten Designerdrogen – konsumieren. Hier ist in erster Linie Cannabis anzuführen; das ist die Droge schlechthin, wenn man das so bezeichnen will. In weit geringerem Ausmaß ist es Ecstasy.

Was Anlaß zur Sorge gibt, ist, daß wir Informationen haben, daß es eine nicht unbeträchtliche Zahl von Amphetaminen gibt, deren Konsum in der Jugendszene Platz greift. Demzufolge haben wir jetzt eine Studie in Auftrag gegeben, in der noch mehr an Erfahrungen erhoben werden sollen, was den jugendkulturellen Kontext betrifft, also die Jugendszene im Zusammenhang gesehen mit Designerdrogen. Ich erwarte mir ein Ergebnis aus dieser Studie im dritten Quartal des heurigen Jahres. Dann können wir abschätzen, inwieweit wir zusätzliche Maßnahmen zu setzen haben, um gerade in der Jugendszene eine Änderung des Verhaltens zu bewirken.

Insgesamt meine ich, daß wir zu Recht sagen können, daß wir alles gut im Griff haben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Dr. Königshofer. – Bitte.

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundes-ministerin! Ich möchte die Frage der Drogenproblematik auf eine allgemeine Suchtproblematik ausweiten.

Eine relativ neue Statistik besagt, daß im Jahre 1998 in Österreich rund 250 Menschen aufgrund des Mißbrauches von Opiaten, also klassischen Drogen, gestorben sind. 2 000 bis 2 500 Menschen in Österreich sind wegen des Mißbrauches von Alkohol und über 10 000 Menschen an den Folgewirkungen des Nikotinmißbrauches gestorben. Deshalb, Frau Ministerin, meine Frage an Sie: Werden Sie Ihre Drogen-Präventivmaßnahmen auch als Sucht-Präventivmaßnahmen in den Bereichen Alkohol- und Nikotinmißbrauch umsetzen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Die von Ihnen genannten Zahlen beziehungsweise Erhebungen sind mir in dieser Form nicht geläufig. Ich kann mich nur darauf beziehen, was im eigenen Haus erarbeitet wurde oder was ich an Informationen auch aus anderen Ressorts habe.

Was die allgemeine Politik bezüglich Suchtgifte und Suchtmittel betrifft, möchte ich auf das neue Suchtmittelgesetz verweisen, das ja von mir als eines der ersten Gesetze, seit ich das Gesundheitsressort übernommen habe, im Parlament eingebracht wurde und verabschiedet wer


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den konnte. Ich glaube, daß wir mit diesem Suchtmittelgesetz eine wichtige und richtige gesetzliche Grundlage haben, um zu handeln, und auch die Grundsätze des Suchtmittelgesetzes, nämlich helfen statt strafen, absolut richtig sind. Die Prävention und auch die Substitutionstherapien, die angesprochen wurden, sind ein ganz entscheidender und wichtiger Ansatz.

Was konkrete weitere Initiativen meines Ressorts betrifft, habe ich jetzt – beziehungsweise schon in den vergangenen Jahren – eine Kampagne innerhalb der Jugendszene initiiert, die erreichen soll, daß Jugendliche nicht zur Zigarette greifen. Die Erfahrungen zeigen, je früher man mit dem Rauchen beginnt, desto größer wird später die Abhängigkeit. Daher sind die Zielgruppe dieser Anti-Rauch-Kampagne die 10- bis 14jährigen, und ich erhoffe mir mit dieser einen konkreten Maßnahme schon eine Verbesserung im Rauchverhalten.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wird gewünscht. Herr Bundesrat Strugl, bitte.

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage bezieht sich auf die engere Drogenproblematik, wie sie in der Hauptfrage angesprochen wurde.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um die Substitutionsbehandlung in Österreich weiter auszubauen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich konnte schon auf das Suchtmittelgesetz verweisen, das uns auch den Rahmen dazu liefert und dementsprechend die gesundheitsbezogenen Maßnahmen mit einbezieht.

Was die Erfahrungen aus meinem Ressort betrifft – da sind natürlich die Erfahrungen der Mediziner stark mit eingebunden –, gilt Methadon weiterhin als Mittel der ersten Wahl bei der Substitutionstherapie. Ich möchte dabei auch betonen, daß wir noch mehr ein diesbezügliches Ver-ständnis in der Gesellschaft erreichen müssen.

Ich glaube, wir sind schon recht weit darin, zu erkennen, daß Sucht eine Krankheit ist, dementsprechend auch als Krankheit zu behandeln ist und dementsprechend die Behandlungsmethoden und auch die Behandlungsangebote zu entwickeln sind. Ich meine, daß wir im Vergleich mit Studien aus manch anderen Ländern beweisen können, daß der Einsatz von Heroin im Rahmen der Substitutionstherapie nicht jene durchschlagenden Erfolge gebracht hat, die man sich erwartet hat. Wir möchten daher bei unserem bewährten österreichischen Weg bleiben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir kommen zur 11. Anfrage, und ich bitte Herrn Bundesrat Polleruhs, die Frage zu verlesen.

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

990/M-BR/99

Welche Maßnahmen setzen Sie, um nach den ersten Erfahrungen mit der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung den niedergelassenen Bereich zu stärken?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Die positiven Auswirkungen des sogenannten LKF-Systems sind im sta-tionären Bereich deutlich erkennbar. Diese sind ja auch als Zielrichtung bei der Beschlußfassung aufgeschienen. Das LKF-System bezieht sich nicht auf den Bereich der niedergelassenen


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Ärzte. Es ist auch kein unmittelbarer Zusammenhang gegeben. Meiner Meinung nach ist es aber trotzdem sehr entscheidend, daß die Gestaltung der Schnittstelle – zwischen dem stationären Bereich und dem niedergelassenen Bereich – klaglos funktioniert. Diesbezüglich haben wir auch einige Initiativen im eigenen Ressort gesetzt.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Ich hätte in diesem Zusammenhang eine Zusatzfrage: Wann kommt der im Rahmen des Gesundheitsplanes angekündigte Niederlassungsplan?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich möchte sagen, er kommt sicher. Es wird daran gearbeitet, einen genauen Termin als solchen kann ich Ihnen noch nicht nennen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Grillenberger. – Bitte.

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Wie hat sich der Bereich der niedergelassenen Ärzte seit dem Inkrafttreten der Gesundheitsreform entwickelt?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich darf Ihnen diesbezüglich einige wenige Zahlen bekanntgeben. Die Ausgaben für die ärztliche Hilfe außerhalb der Spitäler sind nach der Umsetzung der Gesundheitsreform 1997 gegenüber dem Jahr 1996 um 3,7 Prozent gestiegen. Damit war die Steigerung der Aufwendungen für die niedergelassenen Ärzte deutlich höher als jene für die Krankenkassen, bei denen rund 2 Prozent zu verzeichnen waren. Ich betone das, weil oft auch gerade in letzter Zeit der Eindruck erweckt wird, daß die niedergelassenen Ärzte zu den benachteiligten Ärzten gehören. Dieser Prozentsatz beweist, daß der niedergelassene Bereich seit Inkrafttreten der Gesundheitsreform in Relation zum Spitalssektor finanziell gestärkt worden ist. Mir ist es wichtig, daß ich die Chance habe, diesen Umstand heute noch einmal in Erinnerung zu rufen.

Ich möchte Sie auch noch darüber informieren, daß alleine im Jahre 1997 200 niedergelassene Ärzte einen Kassenvertrag zusätzlich zu den bestehenden Vertragsärzten erhalten haben. Auch da geht manches Argument ins Leere, wenn den Krankenkassen vorgeworfen wird, keine Verträge abzuschließen, wenn doch bekannt ist, daß mit 200 Ärzten im Jahre 1997 zusätzlich ein Kassenvertrag abgeschlossen wurde.

Es stimmt auch nicht, wenn behauptet wird, daß wir in Österreich eine geringe Ärztedichte haben. Im Gegenteil: Wir liegen im internationalen Spitzenfeld, was die Ärztedichte betrifft. Es ist jedoch so, daß es in manchen Regionen nicht zu jener qualitativen Versorgung kommt, die ich mir wünschen würde, weil sich auch nicht immer Ärzte finden, die bereit dazu sind, ihre Praxis in bestimmte Regionen zu verlegen. Daher ist es meine Intention, in Gesprächen mit der Ärztekammer jene Versorgungslücken oder -mängel zu schließen und zu beseitigen, aber nicht dem Gießkannenprinzip folgend zu verlangen, es sollten ganz einfach mehr Verträge abgeschlossen werden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.


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Bundesrat Engelbert Weilharter
(Freiheitliche, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die hochbewerteten Leistungen werden von den Spitälern erbracht, und die sogenannten niedrigdotierten beziehungsweise kostenlosen Nachbehandlungen werden in den Praxen der niedergelassenen Ärzte durchgeführt. Betrachten Sie diese Situation als vertretbar?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich glaube, daß die Darstellung, wie Sie von Ihnen in etwas plakativer Form gewählt wurde, nicht mit den Fakten übereinstimmt, sondern es ganz einfach ein Faktum ist, daß ein niedergelassener Arzt Leistungen, die in der Chirurgie, die in der Spitzenmedizin erbracht werden, nicht erbringen wird können und es daher zu einer sinnvollen Aufgabenteilung zwischen dem Spitalsbereich und dem niedergelassenen Bereich zu kommen hat. Ich arbeite daran, daß da immer wieder ein entsprechend sinnvolles Gleichgewicht gegeben ist, aber ich glaube, es wäre schlecht, würde man einen Bereich gegen den anderen ausspielen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir kommen zur 12. Anfrage, die Frau Bundesrätin Mühlwerth stellen wird. Ich bitte um die Verlesung.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Frage lautet:

1001/M-BR/99

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um insbesondere angesichts der drohenden EU-Osterweiterung die Abwanderung österreichischer Betriebe in die östlichen Nachbarstaaten zu verhindern?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Damen und Herren! Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Ich habe es zu respektieren, wenn Sie die Fragestellung in dieser Form wählen und von einer "drohenden EU-Osterweiterung" sprechen. Ich glaube, wir sollten mit großem Verantwortungsbewußtsein an dieses politische Ziel der EU-Osterweiterung herangehen, die Gefahren rechtzeitig erkennen, aufarbeiten und dementsprechende Konzepte entwickeln, jedoch grundsätzlich eine positive Stellungnahme zu den Überlegungen einer Erweiterung der Europäischen Union abgeben. Ich sage es auch immer in dieser Form: Wir haben daran zu arbeiten – in der Verantwortung für unsere Bevölkerung –, daß die Europäische Union erweiterungsreif wird und daß auch die Beitrittskandidaten beitrittsfähig werden. Ich glaube, das sind die beiden Zielrichtungen, an denen zu arbeiten ist – auch natürlich bei Wahrung des sehr spezifischen regionalen Standortes Österreich. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Aus der Sicht meines Ressorts ist insbesondere die Frage der Freizügigkeit der Arbeitskräfte zu berücksichtigen. Aus diesem Grund vertrete ich, wie auch das Wirtschaftsforschungsinstitut – wenn ich insbesondere die Arbeitnehmer bei den Sozialpartnern anspreche –, die Auffassung, daß es in den Beitrittskandidatenländern entsprechende Vorbereitungen hinsichtlich der Erreichung des Einkommensniveaus und der sozialen Standards der EU-Länder geben muß, damit die Beitrittskandidatenländer auch adäquat im Sinne der dort lebenden Kolleginnen und Kollegen wahrgenommen werden können. Es sind daher auch Übergangsfristen und Begleitmaßnahmen erforderlich. Es wurden Wirtschaftsforschungsinstitute damit beauftragt, für alle Politikbereiche zu erheben, welche Auswirkungen in den einzelnen Bereichen zu erwarten wären, wenn es zu dieser schrittweisen Erweiterung kommt.

Was die Abwanderung von österreichischen Betrieben in andere Länder betrifft, so liegt es nicht unmittelbar in der Kompetenz meines Ressorts, dazu Äußerungen zu tätigen, sondern das ist


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doch prioritär eine Frage der Wirtschaftspolitik, und zwar einer effizienten Wirtschaftspolitik. Trotzdem möchte ich mich dazu nicht verschweigen.

Ich glaube, daß eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Standorten in Österreich und Standorten außerhalb Österreichs auch aus österreichischer Sicht unverzichtbar ist, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer hochqualifizierten und auch relativ teuren Arbeitskraft und Arbeitsleistung zu erhalten. Die Lohnkosten müssen erwirtschaftet werden, und aus diesem Mix können günstigere Produktionsbedingungen im Ausland auf der einen Seite und qualitativ hohe, aber doch teurere Leistungen in Österreich auf der anderen Seite miteinander in Einklang gebracht werden, um internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten.

Ich bin aber sehr froh darüber, daß gerade jetzt bei der Steuerreformdiskussion ein weiteres wichtiges Ziel diskutiert wird, nämlich die Entlastung des Faktors Arbeit, denn ich glaube, daß es falsch wäre, wenn Österreich und die anderen EU-Mitgliedstaaten, was Sozial- und Einkommensstandards betrifft, in einen Lohndumping-Wettbewerb eintreten wollten, sondern es hat für uns die Aufgabe zu gelten, die österreichischen, die europäischen Standards in der Union wei-ter auszuarbeiten und jene Länder, die beitreten wollen, bei der Erreichung jener Standards zu unterstützen, die für uns schon eine Selbstverständlichkeit geworden sind.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Ich darf den Kolleginnen und Kollegen mitteilen, daß nun auch die seitliche Tür geöffnet ist, sodaß sich niemand mehr vor der Kamera des ORF vorbeischwindeln muß, denn es ist für die Kollegen vom ORF durchaus unangenehm, wenn immer wieder jemand vor dem Objektiv steht. Bitte, beim Verlassen des Saales auch diese Tür zu verwenden. – Danke vielmals.

Frau Kollegin Mühlwerth, wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Frau Ministerin! Den österreichischen Arbeitnehmern ist es aber vor allem wichtig, daß für sie Arbeitsplätze hier im Land vorhanden sind. Ich höre schon sehr lange, daß der Faktor Arbeit entlastet werden soll, aber das Problem sind nicht nur die Kosten. In einer WIFO-Studie hat Michael Böheim vor kurzem festgestellt, daß auch mangelnde flexible Arbeitszeiten und eine ineffiziente Regulierung die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen erschwert.

Frau Ministerin, ich frage Sie daher: Was werden Sie im Rahmen Ihres Zuständigkeitsbereiches machen beziehungsweise werden Sie auf den Wirtschaftsminister einwirken, daß diese – unter Anführungszeichen – "Mißstände" beseitigt und Arbeitsplätze gesichert werden?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Ich weiß, daß der Herr Wirtschaftsminister – wir sitzen nicht nur im selben Haus, sondern arbeiten natürlich auch sehr eng zusammen – daran arbeitet, weitere Entbürokratisierungen vorzunehmen, auch daran arbeitet, den Wirtschaftsstandort Österreich für Firmenneugründungen, für Investitionen in Österreich noch weiter zu attraktivieren, Selbständigkeit zu unterstützen, und ich unterstütze ihn bei all diesen Bemühungen, weil damit auch österreichische Arbeitsplätze in Zukunft gesichert werden und der Wirtschaftsstandort Österreich noch zusätzlich gestärkt wird.

Ich möchte auch betonen, daß die Wirtschaftsverflechtung Österreichs mit den Ländern der Europäischen Union sehr eng ist: Etwa 90 Prozent unseres gesamten Außenhandels wird innerhalb der Europäischen Union abgewickelt – ein Faktum, das in diesem Zusammenhang wichtig ist, festzustellen.

Was die Flexibilität betrifft, sehr geschätzte Frau Bundesrätin, möchte ich mit Selbstbewußtsein für österreichische Arbeitnehmer sagen: Die Arbeitnehmer sind flexibel, und zwar so, wie ich es mir auch bei den Unternehmern manchmal wünsche. Wir haben zwar Gesetze, die wirklich eine Balance zwischen sozialem Schutz und entsprechender Flexibilität bieten, aber ich höre immer


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wieder, daß etwa gerade bei Arbeitszeitangeboten und -modellen von der Arbeitgeberseite nicht jene Kreativität entwickelt wird, die ich mir wünschen würde, damit die Arbeitszeit als ganz wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit allgemein, aber auch für Personen, die Beruf und Familie vereinbaren müssen oder Freizeitwünsche befriedigen wollen, so gestaltet werden, wie ich es mir vorstelle.

Von der gesetzlichen Seite her – um auf Ihre Frage zurückzukommen – haben wir, so glaube ich, was die Arbeitszeit betrifft, ausreichende, flexible Rahmenbedingungen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Hensler. – Bitte.

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich komme aus einem Grenzbezirk, und natürlich ist die Abwanderung dort eine sehr große Problematik. Auf der einen Seite liegt Ungarn, auf der anderen die Slowakei.

Meine Frage lautet: Werden Sie sich beim Finanzminister für die Senkung der Lohnnebenkosten einsetzen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich glaube, sagen zu können, daß ich sehr dafür eintrete, daß es bei den Lohnnebenkosten zu Entlastungen kommt. Insbesondere in den niedriger qualifizierten Be-reichen haben wir manchmal Probleme damit, und vor allem dafür sollten auch Lösungen gefunden werden.

Ich möchte auf die erste Frage des heutigen Tages zurückkommen, bei der wir etwa auch über den Familienlastenausgleich gesprochen haben. Denn wir sollten meiner Meinung nach kreativ und innovativ darüber nachdenken, in welchen Bereichen wir Spielräume zur Senkung von Lohnnebenkosten haben und diese auch nützen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

Ich kann nur hoffen, daß es uns im Rahmen der Steuerreformverhandlungen gelingen wird, ein gemeinsames, erfolgreiches Ergebnis zu bringen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Als nächster wünscht Herr Bundesrat Farthofer eine Zusatzfrage. – Bitte.

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Die Hauptanfragestellerin hat hinsichtlich der Ostöffnung von einer Drohung gesprochen. Ich bin wie mein Vorredner Mandatar eines Grenzbezirkes, und es dürfte der Öffentlichkeit entgangen sein, daß seit der eigentlichen Ostöffnung wesentlich mehr Arbeitsplätze in Österreich geschaffen wurden als letztlich abgewandert sind. (Bundesrat Eisl: Nur Fragen stellen, bitte!)

Ist seitens der Bundesregierung geplant – welche Pläne auch immer das sein mögen –, die Bevölkerung darüber zu informieren, daß die EU-Osterweiterung langfristig gesehen ein absoluter Vorteil für die Bevölkerung Österreichs ist?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich konnte schon berichten, daß die Bundesregierung mit den Wirtschaftsforschungsinstituten in engem Kontakt steht, um nicht nur politisch in jene Richtung, die Sie in Ihrer soeben abgegebenen Stellungnahme anklingen haben lassen, zu argumentieren, sondern auch aufgrund von Fakten und Expertenbewertungen. Und ich bin überzeugt davon, daß wir diese Informationsarbeit intensivieren werden.


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Ich glaube, entscheidend dabei ist, daß jene Diskussion permanent begleitet wird, die zwischen der Europäischen Kommission und den Beitrittskandidaten bezüglich der Strategie der Angleichung geführt wird, also vor allem die Erarbeitung dessen, wie es in den Beitrittskandidatenländern mit den Sozialstandards, dem Rechtsbestand, den Institutionen sowie dem Wachstum und dem, was sonst noch alles dazugehört, konkret ausschaut, um dann der Bevölkerung objektive, korrekte und faire Informationen zu geben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir kommen zur 13. Anfrage. Ich bitte Herrn Bundesrat Wolfinger um die Verlesung seiner Frage.

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

991/M-BR/99

Können Sie sich vorstellen, die soziale Krankenversicherung gesetzlich dazu anzuhalten, dem Fonds Gesundes Österreich, der seit dem vergangenen Jahr 100 Millionen Schilling für Vorsorgeprojekte erhält, weitere 100 Millionen zuzuschießen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Klar gesagt: Nein! Aber ich möchte es auch begründen.

Die österreichische soziale Krankenversicherung gibt im eigenen Verantwortungsbereich und gedeckt durch das allgemeine Sozialversicherungsrecht insgesamt 6 738 Millionen Schilling für Prävention und gesundheitsfördernde Maßnahmen aus. Wir haben also in diesem Bereich ein ungeheuer großes Finanzierungsvolumen zu verzeichnen, zu dem ich mich bekenne. Es ist dies ein großer Aufgabenbereich der gesetzlichen Sozialversicherung, den ich für besonders wichtig halte.

Zum Thema Fonds "Gesundes Österreich" und seinen 100 Millionen Schilling: Ich bin sehr froh darüber, daß wir durch das Gesundheitsförderungsgesetz eine eigene Rechtsgrundlage schaffen konnten, auf der der neugestaltete Fonds "Gesundes Österreich" nun seine Tätigkeit weiterentwickeln und in einer wesentlich umfangreicheren, wahrscheinlich auch wirkungsvolleren Form, als er es bisher konnte, arbeiten kann. Was jene 100 Millionen Schilling betrifft, ist zu sagen, daß diese Mittel aus der – unter Anführungszeichen – "Tabaksteuer" aufgebracht werden, weshalb auch die Länder miteingebunden sind, da, wie wir wissen, bei diesem Aufkommen auch ein Teilverzicht der Bundesländer mit dabei ist. Auch die Sozialversicherung ist im Fonds "Gesundes Österreich" vertreten, sodaß eine enge Vernetzung der Aktivitäten sichergestellt ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? (Bundesrat Wolfinger: Ja, ich möchte sie trotzdem stellen!)  – Bitte.

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Welche Projekte hat der FGÖ für das heurige Jahr in Aussicht genommen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Es wird im März eine Sitzung des Fonds "Gesundes Österreich" geben, bei der der Geschäftsführer des Fonds dem Kuratorium sein konkretes Einjahresprogramm beziehungsweise auch das Mehrjahres-, Dreijahresprogramm vorstellen wird. Es soll insbesondere für das Einjahresprogramm Schwerpunkte bei der Förderung der Gesundheit zum Beispiel der Frauen geben, es sollen aber auch noch andere Schwerpunkte entwickelt werden.


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Ich ersuche aber um Verständnis dafür, daß ich den Beschlüssen und den Beratungen des Kuratoriums heute nicht vorgreifen kann, weil ich mich diesem Organ verpflichtet fühle und daher den Bundesrat erst danach konkret informieren kann.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Dr. d’Aron. – Bitte.

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Bei Durchsicht des Gesundheitsförderungsgesetzes ergibt sich nicht eindeutig, wie die dem Fonds zur Verfügung gestellten Mittel tatsächlich und unmittelbar für die Patienten eingesetzt werden.

Daher lautet meine Frage: Wie quantifizieren Sie im Rahmen der bisherigen Fondstätigkeit den unmittelbaren Gesundheits- und Wohlfahrtseffekt für österreichische Patienten?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Als Ziel des Gesundheitsförderungsgesetzes ist sehr klar definiert, daß mit dem Fonds "Gesundes Österreich" ein umfassendes Netzwerk für Gesundheitsförderungsmaßnahmen aufgebaut werden soll, und zwar nicht unmittelbar bezogen auf eine bestimmte Patientin oder einen Patienten, sondern es soll versucht werden, zu den verschiedenen bereits bestehenden Initiativen ergänzende zu finden und diese wiederum in ein gemeinsames Konzept einzufügen. Es ist nicht daran gedacht, bereits Bestehendes durch Initiativen oder Projekte des Fonds "Gesundes Österreich" quasi zu ersetzen, es soll ergänzend gearbeitet werden!

Ich sehe in diesem Gesetzestext keine Bestimmung, die verlangt, daß Einzelmaßnahmen für einzelne Personen zu treffen sind, sondern es geht um allgemeine Konzepte zur Gesundheitsförderung – mit Zielgruppen, mit Schwerpunkten, mit verschiedenen Themen aus der Medizin, aber nicht unbedingt so, daß man den Nutzen für eine Einzelperson errechnen kann. Das wäre meiner Ansicht nach auch nicht möglich, schon gar nicht ein Vergleich zwischen dem, was der Fonds "Gesundes Österreich" mit einem Budget von 3,5 Millionen Schilling – oder wieviel auch immer er gehabt hat – im Vergleich zu einem Budget mit 100 Millionen Schilling wahrnehmen kann. Ich wäre also überfordert, eine Querverbindung herzustellen, was den Nutzen für den einzelnen betrifft. Das ist ja auch nicht Ziel des Gesetzes.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir kommen zur 14. Anfrage. Ich bitte Frau Bundesrätin Crepaz, Ihre Anfrage zu verlesen.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Bundesministerin! Es wird viel reformiert, unter anderen auch die Gesundheitsberufe.

Meine Frage lautet daher:

997/M-BR/99

Was sind die nächsten Vorhaben auf dem Gebiet der Reform der Gesundheitsberufe?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrat! Es gibt sie! Oberste Priorität hat für mich die Erstellung einer Regierungsvorlage zum Sanitätergesetz. Das Hohe Haus hat in Vorwegnahme eines wichtigen Schrittes des Sanitätergesetzes noch im vergangenen Jahr eine Bestimmung für die Defibrillation verabschiedet. Mit geht es nun darum, in den nächsten Wochen einen Abschluß der politischen Verhandlungen zum Sanitätergesetz zustande zu bringen, um dieses dem Hohen Haus noch im Frühjahr zuleiten zu können, damit es hier beschlossen werden kann.


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Ich möchte Sie, sehr geschätzte Damen und Herren, auch bitten, in der politischen Debatte zum Sanitätergesetz klarzustellen, daß es dabei in keiner Weise darum geht, Ehrenamtlichkeit zu erschweren oder in Frage zu stellen oder in irgendeiner Form zu behindern. Im Gegenteil, es geht darum, den Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen sowie den Organisationen im Sinne der Patienten eine ordentliche Rechtsgrundlage zu liefern, damit alle ihre Tätigkeit auch rechtlich abgesichert, qualitativ und mit entsprechender Ausbildung ausüben können. Den Eindruck zu erwecken, daß alle im Sanitätsdienst Tätigen ein Ausbildungsvolumen von 1 600 Stunden benötigen würden, ist eine bewußte Falschmeldung, eine bewußte Irritation. Diese sogenannten 1 600 Stunden bedeuten das maximale Ausmaß an Ausbildungsquantität für einen kleinen Prozentsatz, die hauptamtlich ganz spezifisch in diesem Bereich tätig sind.

Ich halte es für ein ganz wichtiges Gesetz und bitte Sie daher wirklich um Ihre Unterstützung dabei, die sachliche Diskussion so weiter zu führen, daß wir zu einem guten Ergebnis kommen können.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrätin des Bundesrates Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Ja! Meine Zusatzfrage geht in Richtung Arbeitsplätze.

Frau Ministerin! Welchen Stellenwert werden denn die Gesundheitsberufe in Zukunft, im Hinblick eben auf neue Arbeitsplätze haben?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich gehe wie auch andere Kolleginnen und Kollegen davon aus, daß die demographische Entwicklung in unserer Bevölkerung die Annahme zuläßt, daß gerade in den Gesundheitsberufen zusätzlicher Bedarf entstehen wird, und daher sehen wir dort zusätzliche Beschäftigungschancen. Man muß jedoch gerade bei Gesundheitsberufen darauf verweisen, daß jene Damen und Herren, die sich für einen derartigen Beruf entscheiden, auch die entsprechende Persönlichkeit, Charakter, auch Kraft und die innere Einstellung haben müssen, denn jeder, der schon einmal in diesem Bereich gearbeitet hat, weiß, was es bedeuten kann, andere zu pflegen, zu betreuen, mit aufgrund ihrer Verfassung schwierigen Personen zu Rande zu kommen. Dazu gehören nicht nur Idealismus, sondern auch die entsprechende Ausbildung und Eignung.

Auf den Punkt gebracht: Ich sehe zusätzliche Chancen, und wir haben auch eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die erarbeiten soll, welche Voraussetzungen wir zusätzlich zu schaffen haben, um diese neuen Berufschancen zu nützen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Dr. Königshofer gestellt. – Bitte.

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Im Bereich der Gesundheitsberufe herrscht die Tendenz zu immer höheren Qualifizierungen – siehe Sanitätergesetz, ich verweise auch auf das Hebammengesetz, eines der ersten Gesetze, welches ich hier im Bundesrat miterleben durfte und in dem verlangt wird, daß eine Hebamme mindestens Maturaniveau haben, eine dreijährige Hebammenakademie besuchen muß und so weiter. Diese Höherqualifizierung bedingt aber dann auch eine Verteuerung dieser Leistungen der qualifizierten Personen und führt zu Kostenerhöhungen für die Träger der Anstalten, die diese Leistungen zu bezahlen haben. Diese Höherqualifizierungen und Kostenerhöhungen werden von Fachleuten auch des öfteren in Frage gestellt.


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650. Sitzung / Seite 39

Deshalb lautet meine Frage an Sie: Halten Sie es in Zeiten von knapper werdenden Budgets für sinnvoll, derartige Höherqualifizierungen per Gesetz zu fordern und damit die künftigen Budgets im Gesundheitssektor weiter zu belasten?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätz-ter Herr Bundesrat! Ich gebe Ihnen darin recht, daß es immer wichtig ist, eine Balance zwischen vertretbaren Kosten auf der einen, aber auch Qualitätssicherung auf der anderen Seite zu finden. Und ich gestehe, daß ich als Gesundheitsministerin in erster Linie natürlich die Versorgungsqualität sowie die Absicherung der Patienten und Patientinnen im Auge habe und daher darauf Bedacht nehme, daß eine entsprechende Qualität durch die Ausbildung der in diesen Berufen tätigen Damen und Herren sichergestellt ist.

Wir haben uns bei der Regierungsklausur in Bad Aussee auch mit diesem Thema befaßt. Ich habe gemeinsam mit Frau Kollegin Gehrer, die durch die Ausbildungsfragen ebenfalls sehr intensiv mit diesem Bereich befaßt ist, beschlossen, in einer kleinen Arbeitsgruppe Grundlagen dafür aufzuarbeiten, wie wir zur Erreichung dieser Qualitätsstandards im Sinne der Patienten und im Sinne der Ausbildung in Zukunft in den Gesundheitsberufen vorgehen sollen und werden. Daher halte ich Ihren Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Kosten und Qualität für richtig.

Trotzdem muß ich betonen: Die Aufrechterhaltung beziehungsweise Wiederherstellung der Gesundheit hat eben seinen Preis. Und ich glaube, der Mensch muß im Zentrum stehen; aber auch jene, die die Gesundheitsberufe ergreifen, müssen eine faire Chance haben und jene Voraussetzungen vorfinden, die es ihnen ermöglichen, in diesen Berufen die zu Recht bestehenden Erwartungen der Patienten auch zu erfüllen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Weiters für eine Zusatzfrage zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schöls. – Bitte.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ich zähle auch den Beruf des Arztes zu den Gesundheitsberufen. Wir erleben, daß sehr viele ausgebildete Jungmediziner keine Chance haben, unterzukommen. Gerade in den letzten Monaten ist sehr kritisch das Vorzugspunktesystem der Ärztekammer diskutiert worden, mit welchem bestimmt wird, wer Kassenverträge bekommt. Dieses Vorzugspunktesystem führt in vielen Bereichen zu einer Unterversorgung mit Fachärzten.

Meine Frage an Sie: Werden Sie dieses Vorzugspunktesystem der Ärztekammer weiterhin akzeptieren oder politische Schritte einleiten, um durch eine Änderung in Richtung mehr Gerechtigkeit auch Jungmedizinern mehr Chancen zu geben?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Sie konnten aus meinen Antworten zu anderen Fragen heute schon erkennen, daß ich mit manchen Positionen, die die österreichische Ärztekammer vertritt, nicht einverstanden bin. Ich würde mir erwarten, daß gerade die Interessenvertretung Ärztekammer in der Frage Jungärzte und Zukunft dieser Gruppe konstruktivere Vorschläge auf den Tisch legt, als sie derzeit in Diskussion sind.

Ich habe mir vorgenommen, dieses Thema beim nächsten Zusammentreffen mit Vertretern der Ärztekammer anzudiskutieren. Ich hoffe, daß wir doch den einen oder anderen Fortschritt in diesbezüglichen Gesprächen erzielen werden. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 40

Wir kommen nun zur 15. Anfrage, die Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon stellen wird. Ich darf ihn um die Verlesung seiner Frage bitten.

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

992/M-BR/99

Werden Sie die gesetzliche Grundlage für künstliche Befruchtung auf Kassenkosten vorbereiten, damit 30 000 ungewollte Kinderlose bei dieser von der WHO als Krankheit eingestuften Belastung unterstützt werden?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
650. Sitzung / Seite 41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Aufgrund der österreichischen Rechtslage, auch durch sehr aktuelle oberstgerichtliche Entscheidungen des OGH dokumentiert, ist klargestellt, daß die In-vitro-Fertilisation nicht als Leistung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden kann, weil dieser laut ASVG beziehungsweise allgemeiner Gesetzeslage keine Krankheit zugrunde liegt.

Nichtsdestotrotz verstehe ich den Wunsch von Paaren, die Kinder haben wollen. Das ist auch der Grund, warum ich in den nächsten Wochen gemeinsam mit dem Regierungspartner Gespräche führen werde, inwieweit wir außerhalb einer Pflichtleistung der sozialen Krankenversicherung, weil diese durch Gesetz nicht gedeckt wäre und aus finanziellen Gründen auch nicht ohne weiteres der Krankenversicherung übertragen werden kann, Lösungen insbesondere in jenen Fällen finden können, bei denen soziale Bedürftigkeit gegeben und es eine finanzielle Frage ist, ob sich jemand die ergänzenden Behandlungen und auch Versuche leisten kann.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin. Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Heißt das, daß Sie sich zumindest einen Zuschuß vorstellen können?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Bundesrat! Ich möchte den Gesprächen nicht vorgreifen und kann mich nur auf die geltende Rechtslage beziehen, wonach die Krankenversicherung nicht berechtigt ist, eine derartige Leistung zu übernehmen.

Ich möchte aber schon sagen, daß bereits jetzt in den medizinischen Fällen, in denen eine künstliche Befruchtung durch den Arzt deshalb veranlaßt wird, weil diese zur Beseitigung anderer Krankheitsbilder erforderlich erscheint, die Kosten übernommen werden. Die Zielrichtung, die aber allgemein angesprochen ist, ist eine andere und daher vom Gesetz nicht gedeckt.

Ich habe jetzt in erster Linie die betroffenen Paare vor Augen und möchte versuchen, gemeinsam mit den Regierungskollegen eine Lösung insbesondere für die vorhin angesprochene Gruppe zu finden. Ich kann aber noch nicht sagen, in welche Richtung diese Lösung gehen wird.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Für eine Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Ramsbacher zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werden Sie sich in Österreich dafür einsetzen, daß das deutsche Modell zum Zuge kommen wird, welches vorsieht, daß die Kosten für vier Versuche von der Öffentlichkeit übernommen werden? Kommt es allerdings nach diesen zu keiner Schwangerschaft, werden keine weiteren Kosten refundiert. Werden Sie damit den betroffenen Frauen die seelischen und finanziellen Belastungen etwas abnehmen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Bundesrätin! Sie haben zu Recht die seelische Belastung der Frauen angesprochen. Ich möchte diese aber nicht nur auf die Frauen beschränken, sondern es kann durchaus auch den Männern in einer derartigen Situation sehr schlecht gehen. Das ist ein Faktor, der für mich ganz wichtig erscheint, nämlich daß keine Regelungen getroffen werden, die diesen psychischen Druck auf einen Teil des Paares noch mehr erhöhen.

Ich möchte aber betonen, daß Deutschland schon eine andere Rechtslage, aber auch eine andere Beitragssituation in den Kassen hat und daher nicht unbedingt mit der österreichischen Situation vergleichbar ist. Ich habe schon gesagt, wir werden in Kürze diesbezügliche Gespräche innerhalb der Koalitionsregierung aufnehmen, um eine österreichadäquate soziale Lösung zu finden. Ich kann Ihnen aber noch nicht sagen, in welche Richtung die Lösung gefunden werden wird.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir sind damit am Ende der auf immerhin 120 Minuten ausgedehnten Fragestunde. Ich danke noch einmal der Frau Bundesministerin, allen Kolleginnen und Kollegen für die Fragestellungen, die soweit als möglich auch relativ kurz gefaßt waren.

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Frau Präsidentin! Ich weiß Ihre Bemerkung zu deuten und werde mich in der nächsten Fragestunde doch mehr Ihrer Worte erinnern.

Darf ich nur noch einen Nachtrag bringen, weil ich Sie noch darüber informieren wollte, wie hoch die Kostenschätzung der Novelle zum Pflegegeldgesetz ist. Es sind 600 Millionen Schilling an Kosten, die durch diese Novelle verursacht werden. Diese sind budgetär in meinen Ressort gedeckt.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals, Frau Bundesministerin.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt sind zwei Schreiben des Landtagsdirektors von Niederösterreich betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben. – Bitte.

Schriftführerin Irene Crepaz:

"An die Kanzlei des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Bundesratsdirektor!

Herr Adolf Steiner hat in seinem Schreiben an den Landtagspräsidenten vom 20. 1. 1999 (eingelangt in der Landtagsdirektion am 25. 1. 1999) mitgeteilt, daß er sein Mandat als Ersatzmitglied des Bundesrates mit 27. Jänner 1999 zurücklegt.


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 42

Ich bitte um Kenntnisnahme."

Das zweite Schreiben, ebenfalls an die Kanzlei des Bundesrates gerichtet, lautet:

"Sehr geehrter Herr Bundesratsdirektor!

Die Ersatzmitglieder Margarete Aburumieh, Mag. Herbert Kullnig, Walter Mayr und Dr. Martin Michalitsch haben mitgeteilt, daß sie ihre Mandate als Ersatzmitglieder des Bundesrates mit 27. Jänner 1999 zurücklegen.

Ich bitte um Kenntnisnahme."

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Verlesung dieser beiden Schreiben, die zur Kenntnis dienen.

Eingelangt ist ferner ein Schreiben des Bundeskanzlers betreffend eine Ministervertretung. Auch hier ersuche ich wieder die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Irene Crepaz: "Der Herr Bundespräsident hat am 10. Februar 1999, Zl. 300.100/7-BEV, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Dr. Barbara Prammer am 13. Februar sowie innerhalb des Zeitraumes vom 20. bis 23. Februar den Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl und innerhalb des Zeitraumes vom 14. bis 19. Februar 1999 den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Verlesung des Schreibens des Bundeskanzleramtes.

Eingelangt sind weiters 24 Anfragebeantwortungen, nämlich 1428/AB bis 1451/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen.

Hinsichtlich der näheren Details darf ich auf die bereits verteilte Liste verweisen.

Weiters eingelangt ist ein Beschluß des Nationalrates vom 20. Jänner 1999 betreffend ein Bundesgesetz betreffend die Übernahme einer Garantie für eine von der Oesterreichischen Nationalbank gegenüber der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich einzugehende Haftung. Gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG unterliegt dieser Beschluß nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates. Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Den eingelangten 14. Sportbericht 1997 hat der Herr Präsident dem Ausschuß für Verfassung und Föderalismus zugewiesen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Der Herr Präsident hat diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über die bereits früher eingelangten und zugewiesenen Berichte der Bundesregierung und ihrer Mitglieder abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Der Herr Präsident hat all diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Abstandnahme von der 24stündigen Auflagefrist

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Gemäß § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates schlage ich vor, von der 24stündigen Auflagefrist der Ausschußberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit der Abstandnahme von der 24stündigen Auflagefrist der Ausschußberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 43

Der Vorschlag ist mit der nach der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Bitte, Herr Dr. Bösch.

Einwendungen gegen die Tagesordnung

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erhebe hiemit Einwendungen gegen die Tagesordnung und verlange die Durchführung einer Debatte hierüber.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Dr. Bösch.

11.12

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Ich danke, Frau Vizepräsidentin!

Meine Damen und Herren! Wir erleben in den letzten Tagen europaweit beängstigende Vorfälle im Rahmen der Auseinandersetzung des Volkes der Kurden mit der türkischen Republik. Auch Österreich war und ist laufend von diesen Unruhen und Übergriffen betroffen, und es hat sich gezeigt, daß die Sicherheitskräfte von den Ereignissen auf der ganzen Linie überrascht worden sind und sich die Lage von Tag zu Tag weiter verschärft.

Außerdem wird offensichtlich, daß die Europäische Union mit dem Beitrittskandidaten Türkei auch ein außenpolitisches Problem zu bewältigen hat und der Menschenrechtssituation in der Türkei im allgemeinen und der Lage der Kurden dort im besonderen mehr politisches Augenmerk wird widmen müssen.

Wir Freiheitlichen sind deshalb der Ansicht, daß die österreichische Öffentlichkeit von seiten der Bundesregierung über ihre Absichten und Möglichkeiten in dieser Richtung informiert werden muß.

Wir sind weiters der Ansicht, daß es der Bundesrat seinem Selbstverständnis als Teil des Parlamentes schuldig sein sollte, der Bundesregierung diese Plattform für diese Information zu bieten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir finden dies für den Bundesrat umso passender, als wir gestern nachmittag erfahren haben, daß der Herr Innenminister kommende Woche im Nationalrat zu diesen Vorfällen Stellung nehmen wird.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Ich ersuche Sie, den Herrn Bundesminister für Inneres und den Herrn Bundesminister für Äußeres einzuladen, nach § 37 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung vor dem Bundesrat Erklärungen zur aktuellen sicherheits- und europapolitischen Lage im Rahmen der Kurdenproteste abzugeben.

Ich erlaube mir, hiemit den Antrag zu stellen, diese Erklärungen als Tagesordnungspunkt 9 in die heutige Tagesordnung aufzunehmen.

Frau Vizepräsidentin beziehungsweise Herr Präsident! Ich ersuche Sie weiters, zur Besprechung der heutigen Tagesordnung, auch in bezug auf den Zeitpunkt des Aufrufes der dringlichen Anfragen der Freiheitlichen, die Sitzung zu unterbrechen und eine Präsidiale einzuberufen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Meine Damen und Herren! Die von Bundesrat Dr. Bösch erhobene Einwendung betreffend die Ergänzung der Tagesordnung um eine Erklärung gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates ist nicht zulässig, denn gemäß § 37 Abs. 4 sind die Mitglieder der Bundesregierung berechtigt, in den Sitzungen des Bundes


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650. Sitzung / Seite 44

rates auch zu nicht zur Verhandlung stehenden Gegenständen mündliche Erklärungen abzugeben. Die Abgabe einer solchen Erklärung kann also nicht vom Bundesrat beschlossen werden.

Daher ist eine solche Einwendung nach der Geschäftsordnung nicht zulässig, und es ist demnach darüber auch nicht abzustimmen.

Dem von Herrn Dr. Bösch vorgebrachten Ersuchen, die Sitzung zu unterbrechen, um kurzfristig eine Präsidiale einzuberufen, gebe ich gerne statt. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, daß nach § 37 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung ein Bericht eines Bundesministers zulässig ist, daß der Bundesrat aber diesen Bericht nicht verlangen kann.

Ich unterbreche die Sitzung zur Durchführung einer Präsidiale und bitte alle Kolleginnen und Kollegen, auf das Klingelzeichen zu achten, das anzeigt, wann wir die Sitzung weiter fortsetzen werden.

(Die Sitzung wird um 11.17 Uhr unterbrochen und um 11.38 Uhr wiederaufgenommen. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen zuerst einmal das Ergebnis der Besprechung der Präsidiale mitteilen. Es ist von seiten der Freiheitlichen Partei vorgeschlagen worden, daß dem Bundesrat eine Erklärung des Bundesministers für Inneres gegeben werden soll. – Der Bundesminister für Äußeres befindet sich nicht in Wien, daher ist von ihm keine Erklärung zu erwarten.

Wir haben uns dahin gehend geeinigt, daß wir versuchen werden, den Herrn Bundesminister für Inneres zu erreichen, und ihn ersuchen, wenn es ihm möglich ist, eine Erklärung über die Situation im Zusammenhang mit der Kurden-Frage abzugeben. Wir können leider noch nicht sagen, ob das möglich sein wird. Sobald wir wissen, ob der Herr Bundesminister für Inneres kommen kann, wird der Herr Präsident auch den Zeitpunkt dieser Erklärung festsetzen.

Ich hoffe, daß wir so allen Wünschen gerecht werden konnten, denn die Kurden-Frage beschäftigt uns alle, es ist damit menschliches Leid verknüpft, und wir möchten eigentlich alle gerne wissen, wie in dieser Frage weiter vorgegangen, wie das behandelt werden wird. Daher also: Wenn der Herr Bundesminister für Inneres kommen kann, wird er das sicherlich gerne tun, und wir werden Ihnen dann mitteilen, wann diese Erklärung erfolgen kann.

Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlags wird beabsichtigt, die Debatte über die Punkte 2 und 3 sowie 5 bis 7 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, daß ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mühlwerth und Genossen betreffend Leistungen statt Wahlversprechen für Frauen und Familien an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vorliegt.

Weiters liegt ein zweites Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mühlwerth und Genossen betreffend


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650. Sitzung / Seite 45

Leistungen statt Wahlversprechen für Frauen und Familien an den Herrn Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie vor.

Gemäß § 61 Abs. 6 der Geschäftsordnung ziehen wir die dringliche Behandlung der beiden Anfragen zusammen. Die Zustimmung der unterzeichneten Bundesräte dazu liegt vor.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung wird die Behandlung der beiden Anfragen an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus, verlegt.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Jänner 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen in Blutspendeeinrichtungen (Blutsicherheitsgesetz 1999 – BSG 1999) (1430 und 1577/NR sowie 5867/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen in Blutspendeeinrichtungen.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Drochter übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Karl Drochter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Hinsichtlich des Berichts des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Jänner 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen in Blutspendeeinrichtungen (Blutsicherheitsgesetz 1999) möchte ich darum ersuchen, auf die weitere Verlesung des Textes, der Ihnen vorliegt, verzichten und gleich den Antrag stellen zu dürfen.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Februar 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf um Eröffnung der Diskussion ersuchen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht beziehungsweise für den Antrag.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Grasberger. – Bitte.

11.43

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Alle in diesem Hohen Haus haben, so glaube ich, noch die Aufrufe der verschiedensten Radiosender – unter anderem selbstverständlich auch des ORF – im Gedächtnis, mit denen während der Energieferien dazu aufgerufen wurde, Blut zu spenden.

Übrigens war das auch schon eine erste Auswirkung des Regionalradiogesetzes, das wir vor wenigen Monaten beschlossen haben. Damit ist ermöglicht worden, daß auf Wunsch des Roten Kreuzes kostenlose Sendezeit für solche Aufrufe zur Verfügung gestellt wird.

Ich weiß nicht, ob es Ihnen ähnlich wie mir ergangen ist. Ich hatte in dieser Zeit subjektiv das Gefühl, daß möglicherweise zuwenig Blutkonserven in Österreich vorhanden sind, daß möglicherweise ein Mangel an Blutkonserven gegeben ist. Dem ist aber Gott sei Dank nicht so. Das Österreichische Rote Kreuz konstatiert ein in etwa gleichmäßiges Spendenaufkommen, obwohl interessanterweise weniger Spender zur Verfügung stehen. Aber die Anzahl der Spendeaktivitäten – diese ist im Zunehmen – gleicht dies deutlich aus.


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Auch die Qualität des gespendeten Blutes ist in den letzten Jahren gleichbleibend gut geblieben. Vertreter des Roten Kreuzes glauben, schon erkennen zu können, daß durch positiveren Lebensstil und gesundheitsbewußteres Leben die Blutqualität unter Umständen sogar noch verbessert werden kann. Statistisch ist das allerdings derzeit nicht nachweisbar oder vielleicht noch nicht nachweisbar.

Nun könnten wir hier im Bundesrat zu der Frage kommen: Warum hat sich dann der Nationalrat mit dem Thema Blutsicherheitsgesetz überhaupt beschäftigt?

Dazu muß man, so glaube ich, sehr deutlich sagen, daß dieses Blutsicherheitsgesetz im Kern – im Kern! – die Sicherheit für Spender und Empfänger von Blut sicherstellen soll. Letztlich soll das auch zu einer Erhöhung der Spendenbereitschaft führen, indem Angst genommen wird. Angst wurde in der jüngsten Vergangenheit insbesondere durch das Auftreten – wenn auch nur eines einzelnen Falles – einer HIV-positiven Blutkonserve transportiert.

Diese Angst muß genommen werden, und zwar auf verschiedenem Weg. Erstens soll das dadurch geschehen, daß der Spender einen sehr umfangreichen Fragenkatalog auszufüllen hat. Wer von Ihnen schon jemals Blut gespendet hat, der hat bemerkt, daß es sich dabei zum Teil um sehr diffizile Fragen handelt, auch um Fragen, die in den direkten Persönlichkeitsbereich des einzelnen gehen. Dieser Fragenkatalog, dieser Anamnesebogen wird erweitert werden, und das wird nicht nur Vorteile mit sich bringen. Diese Erweiterung wird unter anderem dazu führen, daß Menschen, die bereit sind, Blut zu spenden, unter Umständen etwa drei Minuten länger zum – ich sage es salopp – Zettelausfüllen brauchen werden. Aber es sei nochmals deutlich gemacht: Sicherheit hat dabei Vorrang gegenüber dem Zeitfaktor.

Ängste sollen auch dadurch genommen werden – das ist ganz neu in dieses Gesetz hineingeflossen –, daß Blutspendeeinrichtungen auch ein Betriebsanlagen-Bewilligungszeugnis brauchen, daß in den Ländern Amtsärzte sozusagen die Oberaufsicht oder die Kontrollfunktion über die Blutspendedurchführung übertragen bekommen. Damit wird es auch gelingen, daß dann eine Blutspendeeinrichtung irgendwo in einem "Jausenkammerl" eines größeren Betriebes – ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes hat es mir gegenüber einmal so dargestellt, daß es dies da oder dort noch geben soll – der Geschichte angehören wird.

In letzter Konsequenz soll Angst auch dadurch genommen werden, daß nunmehr ein einheitliches Gesetz über die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen in Blutspendeeinrichtungen – wie das Gesetz etwas langatmig heißt – hier in Österreich in Geltung tritt.

Zum Inkrafttreten habe ich eine Frage an die Frau Bundesministerin. Ich lese im Ausschußbericht des Gesundheitsausschusses des Nationalrates unter Zu Z 5: "Die Regierungsvorlage ist davon ausgegangen, daß das vorliegende Gesetz vor dem 1. Jänner 1999 im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden wird. Da dies nicht möglich war und ein rückwirkendes Inkrafttreten jedoch untunlich wäre, wird ein neuer Zeitpunkt für das Inkrafttreten festgelegt." Einige Seiten weiter hinten steht unter "§ 29 (1): Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 1999 in Kraft."

Ich lese da heraus, daß es – so hoffe ich zumindest – unser aller Bestreben ist, daß dieses Gesetz mit 1. Jänner 1999 in Kraft treten kann. Formal allerdings widersprechen sich eigentlich diese beiden Passus. Das ist mir aufgefallen, ich möchte es hier aber auch nicht überbewerten.

Letztlich soll es mit diesem Gesetz gelingen, daß freiwilliges Blutspenden in Österreich weiterhin gesellschaftlich hohes Ansehen bewirkt. Es sollte gelingen, daß der zunehmende Bedarf an Blutkonserven zum überwiegenden Teil selbst gedeckt werden kann, wie es schon jetzt der Fall ist. Der Blutspendedienst des Roten Kreuzes in Österreich hat 1997 518 000 Vollblut-, Eigenblut- und Thrombopheresespenden entgegennehmen können.

Wir hören tagtäglich so viel an Zahlen, aber dies kann vielleicht durch folgenden Hinweis verbildlicht werden: 95 Prozent des in Österreich verbrauchten Anteils an Blutkonserven werden dadurch aufgebracht.


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Das soll, glaube ich, auch ein besonderes Kompliment für das Österreichische Rote Kreuz darstellen. Ich freue mich, daß hier ein hochrangiger Vertreter des Österreichischen Roten Kreuzes anwesend ist, nämlich Herr Gerhard Swoboda, stellvertretender Direktor und Organisationsleiter der Blutspendezentrale. Kompliment für diese Leistung!

Der bestehende Trend einer erhöhten Bereitschaft, Blutspendemöglichkeiten wahrzunehmen, soll verstärkt werden. Ich freue mich, daß dieser Trend in Lilienfeld – dem Bezirk, aus dem ich komme – jetzt schon gegeben ist. Ich habe mir die entsprechenden Zahlen herausgeben lassen: Innerhalb der letzten vier Jahre ist bei einem Anstieg von 1 121 auf 1 618 Blutabnahmen eine Steigerung von rund 50 Prozent zu verzeichnen.

Abschließend möchte ich festhalten, daß den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den einzelnen Rot-Kreuz-Einrichtungen ein deutliches Verdienst zukommt. Denn wir können noch so gewissenhaft an der Ausarbeitung eines Gesetzestextes arbeiten, wesentlicher kommt es doch darauf an – es sei mir gestattet, das hier so offen zu sagen –, daß die Menschen vor Ort, also die Mitarbeiter in den Rot-Kreuz-Stationen, denjenigen Vertrauen einflößen, die bereit sind, Blut zu spenden. Das wirkt wesentlicher und stärker, und jeder, der selbst schon Blutspender war, weiß, daß einfach ein gewisses Kribbeln vorhanden ist, wenn man zum ersten Mal Blut spendet.

In diesem Sinne ist es eine Selbstverständlichkeit, daß die Vertreter der Volkspartei diesem Gesetz ihre Zustimmung geben werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Payer. – Bitte.

11.52

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Schon in Goethes "Faust" heißt es: Blut ist ein ganz besonderer Saft. – Wenn man in die Geschichte der Medizin zurückblickt, dann fällt einem sicherlich die Szene ein, daß der Bader im ehemaligen mittelalterlichen Schaffelbad den Patienten niedergeschnallt und zur Ader gelassen hat. (Bundesrat Dr. Böhm: Geschröpft!)

In der gestrigen Diskussion im Ausschuß über das vorliegende Blutsicherheitsgesetz bemerkte man, so glaube ich, die Wichtigkeit dieses Gesetzes. Man bemerkte die Betroffenheit jedes einzelnen, man merkte, wie sehr dieses Thema interessiert. Es fand dort – so glaube ich, sagen zu können – eine sehr anregende und gute Diskussion statt. Ich denke, das können die Teilnehmer dieses Ausschusses bestätigen.

Außerdem standen uns zwei hervorragende Auskunftspersonen seitens des Bundesministeriums zur Verfügung. Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich möchte Ihnen zu diesen beiden Mitarbeitern, nämlich Dr. Aigner und Dr. Kurz, gratulieren und den beiden Herren gleichzeitig für die Arbeit, die sie für das Zustandekommen dieses Gesetzes geleistet haben, recht herzlich danken.

Meine Damen und Herren! Es war sicherlich eine richtige Entscheidung, das reparaturbedürftige Plasmapheresegesetz aus den siebziger Jahren nicht mehr zu novellieren, sondern eine einheitliche, das gesamte Blutspendewesen umfassende Neuregelung zu schaffen, nämlich das vorliegende Blutsicherheitsgesetz.

Wir alle sind sehr froh über den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt in der Medizin. Vielen Menschen wird durch neue medizinische Geräte und durch besondere, innovative Operationstechniken das Leben gerettet beziehungsweise verlängert. Karl Landsteiner, der Entdecker der Blutgruppen, würde sich über die Weiterentwicklung seiner Entdeckung heute sehr wundern.

Es ist eine Tatsache, daß das Blut zu einem tragenden Element der modernen Medizin geworden ist. Daher müssen alle Maßnahmen getroffen werden, um die Gefahr einer Übertragung von Infektionserregern wie insbesondere HIV- oder Hepatitisviren zu verhindern. Es muß gewährleistet sein, daß für Spender und Empfänger alle nur möglichen Vorkehrungen zum Schutz ihrer


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Gesundheit getroffen werden. Das Blutsicherheitsgesetz ist daher von eminenter Wichtigkeit und wird zu einer weiteren Qualitätssteigerung im Transfusionswesen führen.

Drei Eckpfeiler bilden meiner Meinung nach den Schwerpunkt dieses Gesetzes. Erstens: Es muß die gesundheitliche Eignung des Spenders festgestellt werden; dazu gehören der Umfang und der zeitliche Abstand der Untersuchungen. Zweitens: Es werden in diesem Gesetz die Anforderungen an die Blutspendeeinrichtungen in bezug auf die personelle, bauliche und technische Ausstattung festgelegt. Drittens: Der Qualitätssicherung hinsichtlich des gewonnenen Blutes oder der gewonnenen Blutbestandteile kommt große Bedeutung zu.

Diese drei erwähnten Schwerpunkte bilden die Grundlage einer umfassenden Neuregelung, die das Blutspendewesen neu ordnet und, wie ich meine, auch optimiert. Dieses Gesetz ist ein Fortschritt sowohl für diejenigen, die Blut spenden, als auch für diejenigen, die Blut benötigen.

Für wichtig erachte ich es auch, daß exakte Aufzeichnungen geführt werden müssen, um jedes verabreichte Blutprodukt zurückverfolgen zu können. Diese notwendige und wichtige Dokumentation ist im § 11 genau geregelt.

Nachdem ich in meinen bisherigen Ausführungen das vorliegende Gesetz sehr gelobt habe – es wird die Zustimmung aller drei hier im Bundesrat vertretenen Fraktionen erhalten –, möchte ich auch darauf verweisen, daß es notwendig sein wird, die medizinische Entwicklung genau zu beobachten. Es wird notwendig sein, permanente Reformen und Anpassungen vorzunehmen. Einen Ansatzpunkt dafür sehe ich in dem schon erwähnten § 11, der die Dokumentation regelt. Leider gibt es in dieser Hinsicht keine bundesweite Vernetzung. Dabei ist mir völlig bewußt, daß gerade die Dokumentation eine Gratwanderung zwischen Datenschutz und medizinischer Sicherheit darstellt.

Meine Damen und Herren! Das Zusammenspiel verschiedener Gesetze, das Ineinandergreifen von Gesetzen ist sehr notwendig. Seine erste Bewährungsprobe hat das Privatradiogesetz – mein Vorredner, Kollege Grasberger, hat schon darauf hingewiesen – im Zusammenhang mit Blutspendeaufrufen bestanden. Es war richtig, daß wir beschlossen haben, daß Blutspendeaufrufe auch außerhalb von Katastrophenfällen im ORF und im Privatradio erfolgen können.

Einen Punkt dieses Gesetzes möchte ich noch besonders hervorheben: Es geht um die Bestimmung, in welcher festgelegt wird, daß einem Spender aus einer freiwilligen Blutspende kein finanzieller oder materieller Gewinn zuteil werden darf. Durch die Freiwilligkeit und die Unentgeltlichkeit wird gesundheitliche Ausbeutung vermieden. Zugleich wird das Infektionsrisiko für den Empfänger minimiert und die Rekrutierung von Spendern aus allen Bevölkerungsschichten sichergestellt. Damit wird dem Prinzip der Solidarität – Solidarität ist für ein demokratisches Staatswesen sehr wichtig – meiner Ansicht nach sehr gut Rechnung getragen.

An dieser Stelle möchte ich den jährlich Hunderttausenden Spenderinnen und Spendern aus ganz Österreich ein herzliches Dankeschön sagen und ihnen dafür danken, daß sie sich, ohne davon den geringsten eigenen Nutzen zu haben, in den Dienst der Nächsten stellen. Vielleicht sollten wir Bundesräte hier im Parlament ebenfalls eine Blutspendeaktion organisieren. Eine gewisse Vorbildwirkung wäre, so glaube ich, unbestreitbar. (Bundesrat Steinbichler: Wie wäre es, wenn Sie in Ihrer Heimatgemeinde Blut spenden? – Zwischenruf des Bundesrates Eisl. ) – Natürlich, aber ich hatte bei meinem Vorschlag die Vorbildwirkung im Auge. Vielleicht wäre das einmal eine Idee, ich möchte das nur anregen. (Präsident Jaud übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Österreich wird das erste Land sein, das die entsprechenden EU-Richtlinien und die entsprechenden Empfehlungen umsetzt. Das vorliegende Gesetz ist absolut notwendig, und es ist europaweit auf dem höchsten Stand. Österreich baut mit dieser umfassenden Neuregelung seine gesundheitspolitische Vorreiterrolle in der Europäischen Union weiter aus. Darauf können wir stolz sein!

Meine Fraktion wird diesem vorliegenden Gesetz gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.00


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 49

Präsident Gottfried Jaud:
Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ernest Windholz. Ich erteile ihm dieses.

12.01

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Hochgeschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Über das Bundesgesetz über die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen in Blutspendeeinrichtungen haben meine beiden Vorredner, die Kollegen Grasberger und Payer, treffend informiert und referiert. Ihren Ausführungen kann man nur beipflichten.

Blutspenden selbst ist etwas Edles. Blutspenden bedeutet nämlich Leben retten. Allerdings ist das nicht immer zutreffend – leider nicht immer zutreffend. Zum einen kann es vorkommen, daß jene, die Blut spenden, nicht wissen, daß sie krank sind, aber zum anderen – da gibt es derzeit zwei aktuelle Fälle – gibt es kriminelle Organisationen, die ein mieses Geschäft mit Blut machen. Mit diesen Fällen beschäftigen sich derzeit die Justizbehörden.

Ein Fall aus Oberösterreich: Im Sommer 1998 wurde ein Unternehmen im Mühlviertel unter die Lupe genommen, welches mit Blut handelte, und zwar wurde vorgegeben, daß es für Laborzwecke gebraucht würde. In diesem Fall wurde Blut aus Afrika billig eingekauft. Mittels Manipulationen gelangte dieses Blut jedoch in den Handel. Es wurde damit ein mieses Geschäft gemacht.

14 Jahre, also bereits sehr lange, zurück liegt ein Fall in Frankreich, im Rahmen dessen sich derzeit der Expremierminister vor Gericht zu verantworten hat. Die französische Transfusionszentrale CNTS hatte 85 Blutspenden abgegeben, obwohl sie wußte, daß diese HIV-verseucht waren. Hunderte von Franzosen sind seither deshalb gestorben, und sehr viele warten auf den baldigen Tod.

Daher ist dieses Gesetz, das wir heute beschließen, bei dem wir auch Vorreiter innerhalb der EU sind, ausgesprochen positiv.

Um ein höchstmögliches Maß an Sicherheit vor allem im Bereich des internationalen Handels mit Blut und Blutprodukten sicherzustellen, bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein.

Entschließungsantrag

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen betreffend ausländische Blutkonserven und Blutprodukte – Patientensicherheit

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht,

auf der Basis der Entschließung des Rates über eine Strategie für die Sicherheit von Blut und die Selbstversorgung mit Blut in der Europäischen Gemeinschaft die Durchsetzung höherer Qualitätsstandards in den EU-Mitgliedsländern, assoziierten Ländern und Beitrittswerbern zu beschleunigen

und bei den anstehenden WTO-Verhandlungen die Probleme des internationalen Handels mit Blut und Blutprodukten zu thematisieren und höhere Qualitätsstandards zur Bedingung zu machen."

*****

Abschließend darf auch ich mich namens der freiheitlichen Fraktion bei all jenen bedanken, die aktiv daran teilnehmen und selbst Blut spenden, damit anderen das Leben retten, und selbst


Bundesrat
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650. Sitzung / Seite 50

verständlich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Roten Kreuzes, die vorbildhaft agieren. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.05

Präsident Gottfried Jaud: Der von den Bundesräten Windholz und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend ausländische Blutkonserven und Blutprodukte – Patientensicherheit ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Erhard Meier. Ich erteile ihm dieses.

12.05

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Dieses Gesetz über die Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und die Sicherheit nach neuestem Stand der medizinischen Wissenschaft – auf dem Wege vom Spender über die sachgemäße Behandlung, Weiterleitung und Bereitstellung bis hin zum Empfänger – stellen wichtige Maßnahmen auf dem Gebiet der Gesetzgebung dar, um die großartigen Fortschritte der Medizin auf diesem Sektor nutzen und Fehlerquellen möglichst ausschließen zu können, die im medizinischen Bereich für die Betroffenen mit äußerst negativen Folgen verbunden sein können.

Obwohl dieses Gesetz nicht als Anlaßgesetzgebung zu bezeichnen ist, weil damit auch Richtlinien, Entschließungen und Empfehlungen des EU-Rates – die letzte stammt vom 29. Juni 1998 – sehr rasch entsprochen wird und Österreich eines der ersten EU-Länder ist, das diese Entschließungen umsetzt, erfordern gerade die Vorfälle der letzten Zeit – sie sind bereits erwähnt worden –, die negative Schlagzeilen und unverantwortliche Auswirkungen hervorgerufen haben, eine strikte und kontrollierbare gesetzliche Regelung.

Ich gehe nicht auf jenen Fall ein, der im Mühlviertel aufgeflogen ist und zu dem gerichtliche Vorerhebungen laufen, auch nicht auf die 14 Jahre zurückliegenden strittigen Ereignisse, die sich um HIV-verseuchtes Blut in der französischen Transfusionszentrale CNTS abgespielt haben, wo trotz dringenden Verdachts Blutkonserven abgegeben worden sein sollen, die den Patienten nicht Heilung, sondern den Tod brachten. Aber diese beiden Vorfälle zeigen doch deutlich auf, wie ernst und gewissenhaft die Frage der Bluttransfusionen und der lückenlosen Verfolgung des Weges vom Spender zum Empfänger sowohl aus medizinischer Sicht als auch auf administrativem Wege zu behandeln ist. Vor allem sollte es keine Geschäftemacherei auf Kosten der Gesundheit und des Risikos von betroffenen Menschen geben.

Daß Blut ein ganz besonderer Saft ist, ließ Goethe in der Paktszene in "Faust" Mephisto sagen – und hier Bundesratskollegen Payer –, und daß Wiener Blut besonders süß sei, wird in der Operette behauptet. Jedenfalls spielt Blut im Leben, im weitesten Sinne gesehen, eine wichtige Rolle, die durch die medizinische Forschung, über die Entdeckung der Blutgruppen durch Landsteiner bis hin zu den überaus verfeinerten Untersuchungen und Erkenntnissen, bis zum heutigen Tage weiterentwickelt wurde, vor allem auch, weil neben den neuen, besseren Erkenntnissen über das Blut neue Gefahren und noch nicht eingrenzbare Krankheiten aufgetreten sind: von den Gefahren der Hepatitisübertragung bis hin zur jetzt weitverbreiteten Geißel der HIV-Infektion und Aidsverbreitung.

Aus humanitären Gründen, aber auch aufgrund von Artikel 10 unserer Bundesverfassung sind wir als Gesetzgeber der Gesellschaft gegenüber dafür verantwortlich, die bestmögliche Sicherheit entsprechend dem letzten Stand der Medizin zu garantieren. Das heißt auch, daß wir parallel zur weiteren Entwicklung, die nicht stillstehen wird, rechtzeitig und begleitend die gesetzlichen Grundlagen schaffen und anpassen müssen. Da das Plasmapheresegesetz schon über 20 Jahre alt war, ist eine Anpassung zweifellos notwendig geworden.

Was sind nun die Hauptpunkte, die dieses Gesetz erreichen soll?

Erstens: die Eignung des Spenders, der Spenderin. Das Blut ist nach allerbesten Möglichkeiten medizinisch zu prüfen und zu sichern. Durch eingehende Untersuchungen sollen Fehlerquellen


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und krankheitsübertragende und krankheitserregende Elemente ausgeschlossen werden, was in Österreich ohnehin weitestgehend geschieht.

Zweitens: Anderes Blut als jenes, welches den höchsten medizinischen Standards entspricht, darf nicht in den Verkehr kommen. Am sichersten sind daher jene österreichischen oder europäischen Institutionen, die unter strengsten medizinischen und administrativen Kontrollen die Blutabnahme und spätere Überprüfung durchführen.

Das bedeutet drittens, daß alle notwendigen Anforderungen, die an die Blutspendeeinrichtungen zu stellen sind, voll überprüfbar und einzuhalten sind, ganz gleich, ob es sich um Krankenanstalten, Ambulatorien, gewerbliche Unternehmen oder die Einrichtungen des Österreichischen Roten Kreuzes mit seinen mobilen Blutspendeaktionen handelt.

Viertens: Das abgenommene Blut hat dann bis zur hilfreichen Abgabe an den Abnehmer unter Einhaltung der in diesem Gesetz vorgesehenen Grundsätze und der in Verordnung festzulegenden Bestimmungen kontrolliert aufbewahrt und verabreicht zu werden.

Fünftens: Daher ist es wirklich wichtig, daß die Leitungsfunktionen in Blutspendeeinrichtungen wegen der steigenden fachspezifischen und medizinisch-wissenschaftlichen Voraussetzungen und weiterer Entwicklungen von Fachärzten dieser Richtungen eingenommen werden.

Sechstens: Um den Ernst der Notwendigkeit einer gewissenhaften Einhaltung aufzuzeigen, sind im Anlaßfall die Strafbestimmungen anzuwenden, um Mißbräuche und Umgehungen möglichst hintanzuhalten.

Ich möchte diese Gelegenheit auch nicht vorübergehen lassen, ohne allen Einsatzorganisationen, darunter auch an vorderster Front dem Österreichischen Roten Kreuz, für das gesamte Blutspendewesen und alle damit verbundenen Bemühungen zu danken. Neben hauptamtlich Beschäftigten sind es bei vielen Blutspendeaktionen viele freiwillige Helfer und Helferinnen, die sich unentgeltlich in den Dienst der guten Sache stellen.

Ich darf aus dem Bundesland Steiermark – das gilt natürlich auch für alle anderen Bundesländer und die dort tätigen Organisationen und Mitarbeiter – einige Zahlen über das Blutspenden im vergangenen Jahr anführen, die mir Herr Direktor Schicker aus der Steiermark zur Verfügung gestellt hat.

Im Vorjahr gab es immerhin 726 Blutspendeaktionen mit 61 847 gewonnenen Konserven. Es ist zwar nicht genau bekannt, wie groß das Reservoir – in Zahlen ausgedrückt – jener Menschen ist, die sich freiwillig dem Blutspenden widmen, weil es diesbezüglich zu wenig Meldungen gibt, was ein weiterer Punkt in der Diskussion zu diesem Gesetz war, aber ungefähr 8 Prozent der spendenfähigen Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahren sind Blutspender im Bundesland Steiermark, das ich nur beispielhaft angeführt habe. Allen Spendern und Spenderinnen ist für diese Bereitschaft und das Opfer, das sie in zeitmäßiger Hinsicht auf sich nehmen, zu danken. Sie tun es, ohne bezahlt zu werden.

Österreich ist eines der wenigen Länder, in dem es keine Gegenleistung für das Spenden von Blut, die sich leider immer mehr durchsetzt, gibt. Daher ist die Freiwilligkeit weiter zu fördern. Aber ich glaube, die Blutspender bilden eine große Familie. Im allgemeinen ist es doch ein relativ gleichbleibender Kreis von Blutspendern, die sich für diese Aufgabe zusammenfinden. Im ländlichen Bereich ist der prozentuelle Anteil der Spender auch höher als im städtischen.

Erfreulich ist es auch, festzustellen, daß sich doch eine große Zahl jüngerer Menschen für das Blutspenden zur Verfügung stellt, sodaß die Blutspendefamilie erhalten bleibt und hoffentlich wächst.

Wichtig scheint mir der Schritt zu sein, sich zum erstenmal für eine Blutspende zu entscheiden. Daher sollten wir ständig werben, damit sich neue Blutspender zur Verfügung stellen. Jede Hilfe, die in diese Richtung geht, wie schon hier angeführt wurde, durch die Medien ist willkommen, aber auch die Schulen und das Bundesheer sind diesbezüglich ganz wichtig. Ich habe auch das


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erste Mal als Präsenzdiener beim Bundesheer Blut gespendet und das später einfach fortgesetzt.

Neben der Idee, anderen Menschen zu helfen, sei es bei Krankheiten, bei kleinerem Bedarf oder nach schweren Unfällen mit großem Sofortbedarf – ich habe erfahren, daß bei Verkehrsunfällen bis zu 100 Blutkonserven benötigt werden, das sind natürlich Extremfälle – oder gar bei aufwendigen Operationen zum Beispiel an der Leber, könnte sich jeder selbst die Frage stellen, ob er oder sie nicht aus irgendeinem Grunde selbst zum Empfänger, also zu jemandem, der dringend Blut benötigt, werden könnte. Außerdem bietet eine Blutabnahme gerade unter Zugrundelegung des Blutsicherheitsgesetzes auch für den Blutspender die Gewähr, daß sein oder ihr Blut nach verschiedensten Erkrankungen und Blutwerten untersucht wird, was für den gegebenen Aufwand als überaus nützliche Gegenleistung anzusehen ist.

Ich weiß schon, daß man dies nicht mit einer normalen Blutuntersuchung, bei der der Anteil an Triglyceriden und Cholesterin festgestellt wird, vergleichen darf, aber es erfolgt eine Untersuchung im Hinblick auf Erkrankungen infektiöser Art – eine Untersuchung, die, wie ich meine, für den Spender auch von großem Vorteil ist.

Ich glaube ferner, daß die bei der Diskussion zu diesem Gesetz gemachten Vorschläge, Beiträge und Ergänzungen in Zukunft auch noch diskussionswürdig sein werden. Da ging es um Fragen des Datenschutzes, und zwar darum, welche Daten, die der Erfassung von Merkmalen zur Sicherheit im Blutspendewesen dienen könnten, die Gefahr des Mißbrauches oder von Benachteiligung für betroffene Personen in sich bergen könnten. Mögliche Vor- und Nachteile wird man noch genau abwägen müssen.

Ein weiterer Punkt war die Frage, inwieweit Amtsärzte laut § 18 die zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden bei der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes tatsächlich als beigezogene Organe unterstützen können, da sie keine Fachärzte sind. Ich möchte dem hinzufügen, daß der Amtsarzt als administrativer Fachmann oder Fachfrau zu sehen ist, der gesetzliche Vorschriften zum Beispiel beim mobilen Blutspendedienst in der dem Amtsarzt möglichen Weise prüft. Der Amtsarzt hat auch andere Dinge zu beurteilen, für die er auch nicht immer gerade Fachmann ist.

Im gegebenen Fall können ohnehin weitere Sachverständige beigezogen werden. Dabei bleibt unbestritten, daß in allen Bereichen die jeweils bestmöglichen Sicherheitsstandards für Spender und Abnehmer, aber auch für die im Blutkonservengewinnungsprozeß Tätigen erreicht werden müssen.

Es ist erfreulich, daß wir uns über die grundsätzlichen Verbesserungen in diesem Gesetz einig sind und daß dieses Gesetz den Fortschritten dient, die die Medizin auf dem Gebiete der Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und der Anwendung zum Wohle der Empfänger gemacht hat.

Die sozialdemokratische Fraktion des Bundesrates wird daher dieses Gesetz befürworten und keinen Einspruch dagegen erheben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.16

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch. Ich erteile ihr dieses.

12.16

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, mich für Ihre Debatte zu bedanken, weil aus Ihren Ausführungen die Unterstützung für dieses wichtige Gesetz erkennbar ist und auch erkennbar gewesen ist, daß Sie die Einschätzung meines Ressorts teilen, daß es richtig war, das seit 1975 bestehende Plasmapheresegesetz durch dieses neue, modernste Gesetz zu ersetzen und damit auf das derzeit international gesehen nach den letzten medizinischen Erkenntnissen höchste Niveau zu bringen.


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Ich glaube, daß es ganz wichtig ist, daß wir nun die gesamte Transfusionskette erfassen und damit Sicherheit sowohl für die Spender als auch für die Empfänger, aber nicht zuletzt auch klare Voraussetzungen für alle Blutspendeeinrichtungen schaffen können, womit die Qualität in allen Bereichen umfassend gesichert ist.

Ich erlaube mir, mich Ihrem Dank an die Kolleginnen und Kollegen in unseren Blutspendeeinrichtungen, insbesondere auch beim Roten Kreuz, sehr herzlich anzuschließen, weil die Tätigkeit, die von diesen Kolleginnen und Kollegen immer wieder wahrgenommen wird, tatsächlich lebensrettend ist.

Herr Bundesrat Windholz hat zu Recht auf die internationale Bedeutung von Blutsicherheit verwiesen, und ich darf Sie informieren, daß es mir ein Anliegen war, während der österreichischen Präsidentschaft zur Europäischen Union dieses Thema sehr aktuell zu behandeln. Ich habe für Juli 1998 zu einer hochrangig besetzten Expertenkonferenz nach Baden bei Wien eingeladen, in deren Rahmen mit internationalen Fachexperten die gemeinsamen Aktivitäten der Kommission, des Rates, aber natürlich auch der Fachleute diskutiert wurden.

Thema dieses sehr beachteten Symposiums, dieser Konferenz war "Entwicklung und Anwendung von Kriterien für die Qualitätsbewertung in einer guten Praxis bei der Sammlung, der Verarbeitung und der Transfusion von Blut und Blutprodukten sowie von Verfahren zur weiteren Beobachtung der Patienten". Dieser Titel klingt vielleicht ein bißchen kompliziert, aber er umfaßt die gesamte Palette dessen, was bei Bluttransfusionen beziehungsweise bei der Frage der Blutsicherheit zu berücksichtigen ist.

Diese Initiative setzte sich zum Ziel, verbindliche Qualitätskriterien nicht nur für die Bereiche rund um die Spende selbst zu erhalten, sondern darüber hinaus auch weitere Schritte der Behandlung und der Aspekte des Qualitätsmanagements auf höchstem Niveau und unter Berücksichtigung der immer wieder neuen dynamischen Erkenntnisse auf diesem Gebiet zu setzen. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß Österreich national Qualitätssicherungssysteme wie jene der ISO-Zertifizierungen für die Herstellung und die weiteren Manipulationen innerhalb der Transfusionskette nicht nur erarbeitet, sondern auch schon anerkannt erhalten hat.

Wir werden weiter daran arbeiten. Einige Bluttransfusionsbanken in Österreich sind bereits nach diesem Qualitätsmanagementsystem zertifiziert. Das ist ein Beweis dafür, welch hohe Qualität da erbracht wird.

Ich darf kurz auf einige Punkte, die in der Diskussion angesprochen wurden, eingehen. Es wurde, soweit ich gehört habe, auch im Ausschuß über die Frage der Anzahl der Blutkomponenten beziehungsweise des Verwurfes, wie wir es bezeichnen, gesprochen. Ich darf Ihnen dazu die aktuellen Zahlen nennen, weil ich glaube, daß diese für Ihre weiteren Beratungen und auch Überlegungen doch sehr wichtig sind.

Was den sogenannten Verwurf betrifft, so ist zu unterscheiden, aus welchen Gründen Blutkonserven verworfen werden. Dies kann einerseits dadurch geschehen, weil das Blut bei der Abnahme nicht den medizinischen Qualitätskriterien entspricht; das trifft auf etwa 4 Prozent der Blutspenden zu. Der zweite Grund des Verwurfes kann sein, daß in der Spende Infektionsmarker gefunden werden, wobei dies auf etwa 6 Prozent der Blutspenden zutrifft. Hinsichtlich der gesamten Entwicklung ist zu sagen, daß wir 1993 einen Verwurf von 71 005 Blutkonserven und 1997 einen von 49 872 hatten. Sie sehen also eine deutlich rückläufige Tendenz, also eine Tendenz zu einem geringeren Verwurf. Im Jahre 1996 waren es noch 53 668 und in den Jahren davor noch mehr.

Hinsichtlich der Aufbringung möchte ich kurz die aktuellen Zahlen, die mir zur Verfügung stehen, zur Kenntnis bringen. Im Jahr 1989 hatten wir eine Aufbringung von 378 069 Blutkonserven, plus Spenden, und 1997 hatten wir 534 112 Aufbringungen, was nicht nur einer qualitativen Verbesserung entspricht, sondern auch einer anzahlmäßigen. 1993 waren es fast 500 000, im Jahr 1994 506 000, und bis 1997 hat es sich auf 534 112 gesteigert.


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Ich möchte mich daher bei allen Österreicherinnen und Österreichern, bei allen Spendern und Spenderinnen herzlich bedanken, daß sie durch ihre Spende anderen Menschen das Leben retten beziehungsweise Gesundheit bringen.

Ich darf mich auch auf die Ausführungen von Herrn Bundesrat Grasberger beziehen, der zu Recht auf einen Fehler, der passiert ist, verwiesen hat. Ich möchte das jetzt nicht von meinem Ressort und auch nicht vom Gesundheitsausschuß wegschieben, aber ich muß es tun. In der Regierungsvorlage war der Inkraftsetzungstermin mit 1. Jänner 1999 vorgesehen, weil ursprünglich die Annahme bestanden hat, daß wir noch im vergangenen Jahr das Blutsicherheitsgesetz im Plenum beschließen können. Dies war von der Tagesordnung her nicht möglich, sodaß der Gesundheitsausschuß, wie Sie auch aus dem Bericht des Gesundheitsausschusses erkennen können, bei seinen Beratungen davon ausgegangen ist – er hat auch einen Abänderungsantrag dazu eingebracht –, daß dieses Gesetz mit 1. März 1999 in Kraft treten und somit ein logischer Inkrafttretungstermin erfolgen wird. Zwischen den Beschlüssen des Ausschusses und den Plenumsberatungen und -beschlüssen ist dann ein Fehler passiert. Es wurde der Inhalt des Abänderungsantrages nicht in die Beschlußfassung im Plenum mitaufgenommen, sodaß das Gesetz de facto mit 1. Jänner 1999 in Kraft getreten ist.

Das ist jetzt nur für einen Bereich von Relevanz, und zwar für jene Entscheidungen, die die Bewilligungen für Blutspendeeinrichtungen mit sich bringen, weil dort eine Frist von sechs Monaten vorgesehen ist, innerhalb der die Entscheidungen zu treffen sind. Wir haben nun versucht, diesen Fehler, der nicht im eigenem Bereich gelegen ist, zu beseitigen oder zu bereinigen, indem wir davon ausgehen, daß wir diese Sechs-Monate-Frist nicht so eng sehen und es nicht nur formal auf diese sechs Monate, beginnend mit 1. Jänner 1999, beziehen, sondern entsprechende Toleranz in der Vorgangsweise üben werden, sodaß keine Beeinträchtigungen entstehen werden. Trotzdem ist es für das Gesetz, so glaube ich, wichtig, daß es nun mit 1. Jänner 1999 in Kraft treten kann und daß für diesen Bereich diese Lösung gefunden wurde.

Ich darf mich auch noch für die Gratulationen an zwei meiner Mitarbeiter, an Herrn Kollegen Dr. Aigner und auch an Herrn Dr. Kurz, bedanken. Ich möchte Ihnen, sehr geschätzte Damen und Herren, nur zum Amüsement sagen, daß Herr Dr. Kurz bei uns im Ressort Blutkurz heißt, weil er der europäische Experte im Bereich der Blutsicherheit ist. Ich bin sehr stolz, einen Mitarbeiter mit diesem Einsatz und der Qualifikation zu haben.

Ich möchte noch hinsichtlich der Firma Albovina folgendes klarstellen: Es wurden bei diesem kriminellen Vorgehen keine Blutprodukte in Österreich zur Verbreitung gebracht. Das Verfahren läuft, wie schon zu Recht von Ihnen darauf verwiesen wurde. In diesem Zusammenhang möchte ich auf unsere höchste Qualität in unserem Blutsicherheitssystem hinweisen und betonen, daß wir immer wieder diese zu verbessern versuchen. Mitte 1999 wird die PCR-Testung, werden also die letzten medizinischen Erkenntnisse eingeführt werden, sodaß wir damit wieder auf dem absolut letzten Stand sind – zur Sicherheit der Patienten, zur Sicherheit der Spender und Spenderinnen. – Ich bin sehr froh, daß wir dieses Gesetz auch im Bundesrat mit Ihrer Zustimmung verabschieden können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.27

Präsident Gottfried Jaud: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Es ist dies auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.


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Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Windholz und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend ausländische Blutkonserven und Blutprodukte – Patientensicherheit vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend ausländische Blutkonserven und Blutprodukte – Patientensicherheit ist daher abgelehnt .

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Jänner 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz geändert wird (1554 und 1578/NR sowie 5868/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. Jänner 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste – MTF-SHD-G geändert wird (970/A und 1579/NR sowie 5869/BR der Beilagen)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste – MTF-SHD-G geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 2 und 3 hat Herr Bundesrat Karl Drochter übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Karl Drochter: Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Die Berichte liegen Ihnen schriftlich vor. Ich darf daher für den Bericht betreffend das Dentistengesetz folgenden Antrag stellen:

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Februar 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Das gleiche gilt auch für den Bericht betreffend die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste. Auch hier darf ich folgenden Antrag stellen:

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Februar 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf ersuchen, die Debatte über die beiden Punkte zu eröffnen.

Präsident Gottfried Jaud: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon. Ich erteile ihm dieses.


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12.30

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Bevor ich mit meinem Debattenbeitrag über das Dentistengesetz beginne, möchte ich in Richtung Freiheitliche Partei eine kurze Randbemerkung zum Thema Kurden machen. Mich wundert, daß hier offensichtlich so in Eile gehandelt worden ist. Die Kurdenproblematik ist seit Tagen präsent. Mich wundert, daß nicht mit herkömmlichen Mitteln wie dringlicher Anfrage und so weiter agiert wird. (Bundesrat Dr. Bösch: Wollen Sie eine, Herr Kollege?) – Moment!

Was mich noch mehr wundert, ist, daß Sie als Bundesratsfraktion die Kurdenproblematik offenbar sehr wohl als dringend empfinden. Andererseits lese ich heute in der Früh in der Zeitung, daß Ihr Generalsekretär das offenbar als nicht so dringend empfindet. Er hat sich nämlich fürchterlich darüber aufgeregt, daß der ORF Herrn Öcalan Herrn Haider vorgezogen hat. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schöls: Habt ihr Koordinationsprobleme in der Fraktion?)

Nunmehr möchte ich auf das Dentistengesetz zurückkommen: Durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, das am 1. 1. 1994 in Kraft getreten ist, sowie durch den Beitritt zur EU mit 1. 1. 1995 wurde Österreich verpflichtet, den Beruf des Zahnarztes als eigenen Beruf zu reglementieren. Zum Zeitpunkt des EWR- und EU-Beitrittes war der Beruf des Zahnarztes nicht als eigener Beruf mit eigenem Studium geregelt, daher wurde eine Übergangsregelung zur Umsetzung der Richtlinie bis 1. 1. 1999 vereinbart. Im Rahmen des Universitäts-Studiengesetzes wurde die Basis für ein EU-konformes Zahnarztstudium geschaffen. Die Niederlassungsfreiheit der Zahnärzte wird auch in Österreich volle Gültigkeit haben. Das Ärztegesetz 1998 definiert den Zahnarzt als eigenständiges ärztliches Berufsbild.

Um nunmehr den österreichischen Dentisten eine Berufsausübung auch außerhalb Österreichs zu ermöglichen, sind mit der vorliegenden Novelle zum Dentistengesetz alle in Österreich ausgebildeten Dentisten den Zahnärzten gleichgestellt. Damit gelten auch für sie die Zahnärzterichtlinien, die Grundlage für eine Anerkennung in den anderen EWR-Staaten sind. Deutschland hat diese Gleichstellung bereits in den fünfziger Jahren vorgenommen. Es muß an dieser Stelle auch angemerkt werden, daß es überhaupt nur in Deutschland und Österreich den Beruf Dentist gibt.

Bei der Umsetzung der Zahnärzterichtlinien sind insbesondere auch die in Österreich ausgebildeten Südtiroler Dentisten zu berücksichtigen. Das ist auch wichtig aus der Sicht der Länder, von denen auch keinerlei Bedenken gegen das Dentistengesetz vorgebracht wurden: Es entstehen gegenüber der derzeitigen Rechtslage keine Mehrkosten.

Sehr geehrten Damen und Herren! In Österreich gab es Ende 1989 noch 450 Dentisten. Die gegenständliche Novelle betrifft nur noch zirka 260 Dentisten in Österreich. Da es keine Ausbildung mehr gibt, ist diese Berufsgruppe aussterbend. Da es mit der Novelle zum Dentistengesetz eine klare, EU-konforme Gesetzeslage gibt, stimmt die ÖVP-Fraktion dieser Novelle zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.34

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Mag. Günther Leichtfried. Ich erteile ihm dieses.

12.34

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte zunächst noch einige Bemerkungen zum Dentistengesetz machen. Wesentliches wurde bereits von meinem Vorredner gesagt. Es geht um eine rechtliche Gleichstellung der Dentistinnen und Dentisten mit den Zahnärztinnen und Zahnärzten. Wir berücksichtigen damit die Existenz einer aussterbenden Berufsgruppe und sorgen dafür, daß auf diesen Bereich die Zahnärzterichtlinie angewandt wird. Die SPÖ-Fraktion wird daher der vorgelegten Novelle die Zustimmung geben und keinen Einspruch dagegen erheben.

Im zweiten Teil meiner Wortmeldung möchte ich mich aber nun der Änderung des Bundesgesetzes über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfs


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dienste zuwenden. Im Begutachtungsverfahren zum Ministerialentwurf über die Neuregelung der Ausbildung der Sanitäter hat es heftige Diskussionen gegeben, ja manchmal den guten Geschmack vermissen lassende Untergriffe. Es wurde von einem Todesstoß für das Ehrenamt gesprochen, Ehrenamtlichkeit habe in Österreich keine Zukunft und so weiter. Besonders die beiden Landeshauptleute Pröll und Schausberger spielten sich als die Bewahrer und Retter der ehrenamtlich tätigen Menschen auf. Ich möchte für meine Fraktion klar und deutlich feststellen, daß eine Infragestellung der Ehrenamtlichkeit nie erfolgt ist und daß wir uns eine Unterstellung dieser Art auch von keiner anderen Fraktion gefallen lassen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wahrscheinlich haben sich die beiden Herren Landeshauptleute nicht ganz richtig informiert, denn ich nehme nicht an, daß absichtlich mit nicht richtigen Zahlen operiert wurde. Dieser vorliegende Entwurf, welcher im Begutachtungsverfahren war, galt nämlich zum Großteil nur für hauptberufliche Sanitäter und räumte für ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nur die Möglichkeit ein, eine erweiterte Ausbildung zu machen. Eine erhebliche Ausweitung der Ausbildungszeit hätte es nur für den neu zu schaffenden Notfallsanitäter gegeben, was allerdings nur rund 5 Prozent der ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Rettungsdienste betreffen würde.

Meine Damen und Herren! Unser aller Ziel ist das Wohl der Patienten. Wir alle wollen, daß rasche und kompetente Hilfe geleistet wird. Das österreichische Rettungswesen hat in der Vergangenheit gute, sehr gute Arbeit geleistet, auch oder vor allem auch wegen der vielen engagiert tätigen freiwilligen Helfer und Helferinnen. Tatsache ist aber auch, daß vor allem in der Notfallversorgung Österreich im internationalen Vergleich etwas aufzuholen hat. Vordringlich ist daher eine österreichweite einheitliche Versorgungsqualität, denn wer helfen will, muß auch fachgerechte Hilfe leisten können. Dazu braucht er die nötige Ausbildung. Durch eine verbesserte Ausbildung können sicherlich noch mehr Menschenleben gerettet werden. Falsche Behauptungen, wie die Ehrenamtlichkeit werde durch das Gesetz unmöglich gemacht, die Qualität der Versorgung werde gefährdet, sind dazu kein konstruktiver Beitrag. Die rasante Entwicklung vor allem in der Notfallmedizin stellt aber auch an die Sanitäter erhöhte Anforderungen.

Meine Damen und Herren! In der vorliegenden Materie geht es darum, daß die Verwendung der sogenannten Halbautomaten zum Zwecke der Reanimation durch Sanitätsgehilfen und ehrenamtlich tätige Personen mit gleicher Ausbildung legistisch geregelt wird. Dies findet die ungeteilte Zustimmung meiner Fraktion. Wir sind uns aber bewußt, daß dies nur ein Vorgriff auf eine umfassende Neuregelung der gesamten Problematik sein kann. (Beifall bei der SPÖ.)

12.39

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile ihm dieses.

12.39

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ein paar kurze Bemerkungen zum sogenannten Dentistengesetz. Diese Neuregelung ist deshalb erforderlich, weil Österreich der Europäischen Union angehört und – das wurde schon kurz angedeutet – diese Ausbildung zum Dentisten eben nur in Österreich und Deutschland möglich war.

Meine Damen und Herren! Die bisherige Regelung – so ist die vorherrschende Meinung –, würde im Widerspruch zum europäischen Recht, speziell im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit, stehen, obwohl – das sollte man in dieser Debatte auch bemerken – die bisherige Regelung bis jetzt in der Praxis gut funktioniert hat. Es ist aber notwendig, wie schon gesagt, diese berufliche Neudefinition vorzunehmen und für den sogenannten doctores medicine dentalis die Voraussetzung zu schaffen, um dem Recht auf Niederlassungsfreiheit, aber letztlich auch dem Recht auf Dienstleistungsfreiheit Genüge zu tun.

Meine Damen und Herren! Auch bei positiver Betrachtung dieser Änderung erhebt sich sehr wohl die Frage, wo die österreichische Nationalstaatlichkeit in diesen Bereichen bleibt. Wurde uns nicht vor dem EU-Beitritt immer wieder von der Bundesregierung erklärt, daß wir uns in der


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Union durchsetzen werden? – Ich meine, das ist wiederum ein Beweis, daß uns von Brüssel, von der Union etwas vorgegeben wird und sich Österreich wieder anpassen muß.

Meine Damen und Herren! Nun zum Bundesgesetz über den medizinisch-technischen Fachdienst und die Sanitätshilfsdienste. Es wird den Ländervertretern der Länderkammer sicherlich bekannt sein, daß es diesbezüglich schon mehrere Bemühungen auf Landesebene gegeben hat. So hat der Steiermärkische Landtag schon im Jahre 1996 und dann wieder im Juni 1998 einstimmig einen Antrag beschlossen, daß für diesen Bereich das Berufsbild neu zu ordnen und zu definieren sei. Dies gilt in erster Linie für die sogenannten Zahnarztassistentinnen, Ordinationshilfen, aber auch für den sogenannten Rettungssanitäter, für den Sanitätsdienst.

Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf wird zwar am Rande auf diese Forderung nach Schaffung eines klaren Berufsbildes eingegangen, aber es ist, so glaube ich, nicht präzise definiert. Meine Damen und Herren! Es sollte aber auch das Ziel sein, daß diese Bereiche bei der Schaffung eines sogenannten Berufsbildes als Lehrberufe geführt werden können. Das würde vorab einmal sicherlich 1 500 neue Lehrplätze schaffen und in der Folge, nachdem diese Berufe sehr frauenlastig sind, sicherlich eine Zahl von etwa 1 500 ganztägigen und halbtägigen Frauenarbeitsplätzen.

Meine Damen und Herren! Bevor ich auf den Inhalt dieses Gesetzes über Sanitätshilfsdienste Bezug nehme, möchte ich mich namens meiner Fraktion bei allen, die ehrenamtlich oder hauptamtlich in diesen Einsatzorganisationen tätig sind, bedanken, denn sie sind es, die das Rettungswesen in Österreich aufrechterhalten! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Beim vorliegenden Entwurf geht es darum, daß in Hinkunft eine Tätigkeit, die von Rettungshelfern, von Sanitätsgehilfen durchgeführt wird, auf eine Rechtsbasis gestellt, quasi legalisiert werden soll. Es geht – das wurde auch schon angesprochen – um die Handhabung der sogenannten Halbautomaten bei Reanimationen. Die Steiermark hat in diesem Bereich gute Vorarbeit geleistet. Dort wurde dies als Pilotprojekt getestet, und ich meine, auch die Ergebnisse sprechen eindeutig dafür, daß es zu einer bundesweiten Regelung kommt.

Es gab in der gesamten Diskussion natürlich auch einen Wermutstropfen, nämlich daß man bei Erkennen der Notwendigkeit dieser Thematik von seiten der Regierungsparteien einen, wie ich es bezeichnen würde, "politischen Vaterschaftsstreit" um dieses Thema geführt hat, und zwar unter dem Vorwand, es gehe um das Berufsbild, um die Qualifikation. In Wahrheit konnten sich die Regierungsparteien nicht einigen, und ursprünglich war diese Tätigkeit in der Regierungsvorlage nicht vorgesehen. Nachdem das im Ausschuß erkannt wurde, hat man sich mit der Qualifikation, mit dem Berufsbild auseinandergesetzt. Tatsächlich hatte man aber nicht den Mut gehabt. Im guten Glauben, in guter Hoffnung hat man das doch eingebracht, damit halt etwas passiert ist, und es wurde dann vom Ausschuß beziehungsweise im Haus eine Ergänzung angebracht.

Meine Damen und Herren! Die Diskussion insgesamt, wie sie geführt worden ist, war für meine Begriffe nicht ganz "sauber". Das haben die Sanitätshelfer nicht verdient. Ich würde Sie daher einladen – wenn Sie davon überzeugt sind, daß das Rettungswesen nur über diesen Bereich gehen kann –, einem Entschließungsantrag meiner Fraktion zuzustimmen. Denn es ist unbestritten: Der Bedarf ist gegeben, daß eine Regelung vorgenommen wird; es ist unbestritten, daß es positive Auswirkungen hat, und, meine Damen und Herren, die Sanitätshelfer wie auch alle anderen haben es verdient, daß es ein klares Berufsbild gibt.

Ich darf daher namens meiner Fraktion einen Entschließungsantrag einbringen. Dieser lautet:

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:


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"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Parlament bis spätestens 31. 3. 1999 eine Regierungsvorlage zur Verbesserung der Ausbildung und Schaffung eines Berufsbildes für Rettungssanitäter vorzulegen."

*****

Wenn Sie es ernst nehmen, meine Damen und Herren, stimmen Sie diesem Entschließungsantrag zu! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.46

Präsident Gottfried Jaud: Ich darf bekanntgeben, der von den Bundesräten Engelbert Weilharter und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Verbesserung der Ausbildung und Schaffung eines Berufsbildes für Rettungssanitäter ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich erteile ihm dieses.

12.47

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Weil es selten genug vorkommt, daß ich mit Teilen der Ausführungen des Kollegen Weilharter übereinstimme, möchte ich in bezug auf seinen Dank an die im Rettungssanitätsdienst tätigen Mitarbeiter diesen Dank auch im Namen meiner Fraktion allen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern aussprechen. (Das rote Licht auf dem Rednerpult beginnt zu leuchten.) – Das gilt aber jetzt noch nicht mir, denn so schnell vergeht die Zeit nicht, im Gegensatz zu Kollegen Leichtfried, der seiner Zeit voraus ist; ich werde dann auch noch sagen, warum. – Wir sollten nicht politisches Kleingeld daraus schlagen, sondern jenen danken, die tagein, tagaus an vorderster Front unterwegs sind.

Ich möchte auch an dieser Stelle, gerade weil es in den letzten Tagen aufgrund der Witterungsverhältnisse sehr oft notwendig war, daß Rettungssanitäter zum Einsatz gekommen sind, an die Autofahrer appellieren! Es nützt alles nichts, auch wenn die Autobahnen vierspurig, fünfspurig oder sechsspurig sind, wenn bei Glatteis mit 100 Stundenkilometern oder schneller gefahren wird! Da nützen auch die bestausgebildeten Rettungssanitäter nichts, um dann einzugreifen. Es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen, sich entsprechend anzupassen. – Daher mein Dank an die vielen hauptamtlichen und auch ehrenamtlichen Rettungssanitäter.

Kollege Leichtfried! Ich habe gesagt, du bist deiner Zeit voraus. Bei Betrachtung des Protokolls der heutigen Fragestunde, in der die Frau Bundesministerin auf den Punkt Bezug genommen hat, den du angesprochen und bei dem du vorschnell und zu früh das Pulver verschossen hast, nämlich als du Kritik am Landeshauptmann von Niederösterreich Dr. Pröll und auch am Landeshauptmann Dr. Schausberger geübt hast, stellt man fest, dem Parlament liegt diesbezüglich noch keine beschlußreife Vorlage vor, sondern es wird erst verhandelt, weil noch einige Dinge offen sind.

Wir von der Österreichischen Volkspartei wissen natürlich, daß es sehr wichtig ist, auch den ehrenamtlichen Rettungssanitätern eine qualifizierte Ausbildung zukommen zu lassen. Ein Kollege – die Frau Bundesministerin weiß das – aus meiner eigenen Gewerkschaftsfraktion hat als Gewerkschaftsfunktionär für die Gesundheitsberufe nach meinem Dafürhalten übers Ziel geschossen, als er davon gesprochen hat, daß es Hunderttausende Tote weniger geben würde, wenn die Ehrenamtlichen eine bessere Ausbildung hätten.

Ich bin der Meinung, daß die beste Ausbildung gerade gut genug ist, meine aber auch, daß wir auch den freiwilligen Rettungsorganisationen den entsprechenden Raum zum Überleben, zum organisatorischen Überleben lassen müssen.

Eine boshafte Bemerkung sei mir im Zusammenhang mit der Wortmeldung des Kollegen Leichtfried gestattet: Ich verstehe schon, wenn der Shootingstar in Niederösterreich noch immer bei 14 Prozent Zustimmung als Landeshauptmann liegt, während Dr. Pröll 66 Prozent hat, daß ihr


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nervös werdet. Aber bis zur nächsten Landtagswahl dauert es noch ein bißchen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Farthofer: Mach dir keine Sorgen! Du wirst es schon noch sehen! Mach dir keine Sorgen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Böhm: Ist das Wahlkampf?)

Da hat Kollege Schlögl noch Zeit, sich zu entscheiden. Denn Frau Landesrätin Votruba freut sich über die Novelle zum Kindergartengesetz, und Kollege Schlögl geht zwei Tage danach mit einem Inserat hinaus, in dem er seine eigene Landesrätin kritisiert. Aber das kommt von einem Halbtagsjob, Bundesminister und Landesparteiobmann. Aber was soll‘s?

Wir reden über die Verbesserung im Bereich der Sanitätshilfe, und hier geht es darum (Zwischenruf des Bundesrates Farthofer ), daß die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um auch die Ausbildung zur Defibrillation zu schaffen – das ist ein sehr schwieriges Wort.

Nachdem – auch das hat Kollege Weilharter angesprochen – das Pilotprojekt in der Steiermark mit sehr positiven Erfahrungen abgeschlossen wurde und das schon lange ein Anliegen der Gesundheitssprecher der Österreichischen Volkspartei war und nach wie vor ist, stimmen wir natürlich dieser vorliegenden Novelle, die nur ein kleiner Teil zur Verbesserung sein kann, zu. (Beifall bei der ÖVP.)

12.52

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Horst Freiberger. Ich erteile ihm dieses.

12.52

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Vorlage zum Dentistengesetz möchte ich mich nicht näher auseinandersetzen. Es handelt sich lediglich um eine Rechtsanpassung an das EU-System. Es werden Dentisten und Zahnärzte rechtlich gleichgestellt, sie erhalten damit die Grundlage für die Anerkennung in den anderen EWR-Mitgliedstaaten.

Nachdem es in Österreich keine Dentistenausbildung mehr gibt, betrifft diese Novelle eine auslaufende Berufsgruppe. Ein EU-konformes Zahnarztstudium wurde mit dem neuen Ärztegesetz 1998 bereits realisiert. Die SPÖ-Fraktion stimmt dieser Vorlage selbstverständlich zu.

Hohes Haus! Nun zur Änderung des MTF-SHD-Gesetzes: Es wird nun abgesegnet, daß Sanitäter mit einer entsprechenden Grundausbildung berechtigt werden, Defibrillationen mit halbautomatischen Geräten durchzuführen. Es ist dies ein Vorgriff auf das geplante Sanitätergesetz. Es ist richtig, daß dieser Beschluß heute gefaßt wird, denn damit können wahrscheinlich mehr Menschenleben gerettet werden. Wir könnten in dieser Angelegenheit jedoch schon viel weiter sein, wenn nicht von unserem Koalitionspartner ein unnötiger Wirbel inszeniert worden wäre.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundsätzlich wollen wir doch festhalten, daß eine Verbesserung der Ausbildung im Bereich der Notfallsanitäter ein wichtiges Anliegen ist, um die Patienten noch besser versorgen zu können. Dieser Gesetzentwurf, der zur Begutachtung ausgesandt wurde, ist vorher mit den betreffenden Hilfsorganisationen und den Gewerkschaften abgesprochen und akkordiert gewesen. Vom Roten Kreuz wurde dann dieser gemeinsam erarbeitete Entwurf hintertrieben – und einige ÖVPler haben sich gemüßigt gefühlt, Lobbyismus zu betreiben, und mit Falschinformationen wurden die Leute verunsichert.

Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf hat sich selbstverständlich nie gegen die Ehrenamtlichkeit in diesem System gerichtet – ganz im Gegenteil. Auf der anderen Seite müssen wir aber für die vielen hauptberuflichen Mitarbeiter im Rettungsdienst etwas tun, damit diese endlich einen Berufsschutz erreichen und mit ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit vom Status des Hilfsarbeiters wegkommen. Ich halte es für unerträglich, wenn man mit Panikmache versucht, politisches Kleingeld zu kassieren, und dabei einen wichtigen Reformschritt verzögert.

Meine Damen und Herren! Ich selbst war jahrelang freiwilliger Helfer beim Roten Kreuz. Ich habe auch meinen Zivildienst bei dieser Organisation abgeleistet. Ich weiß also sehr genau,


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welche Mängel in der Ausbildung für den Notfallsanitäter zum Teil noch herrschen. Es muß also unser gemeinsames Ziel sein, daß wir einen möglichst hohen Ausbildungsstand bei den ehrenamtlichen, aber vor allem bei den hauptberuflichen Mitarbeitern erreichen, um die Patientinnen und Patienten bestmöglich zu versorgen. Für die SPÖ ist der heutige Beschluß nur ein Vorgriff auf das Sanitätergesetz.

Hohes Haus! Ich bin davon überzeugt, daß die Verhandlungen für diesen wichtigen Reformschritt durch die Frau Bundesministerin zügig vorangetrieben werden, damit wir das Gesamtwerk in diesem Hause rasch diskutieren und beschließen können. Den heutigen Vorlagen werden die SPÖ-Bundesräte selbstverständlich zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.56

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich erteile ihr dieses.

12.56

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Es hat sich der Koalitionsstreit, wie in vielen Verhandlungsgegenständen zwischen Rot und Schwarz, zum Beispiel über das Gesetz betreffend Sanitätshilfsdienste monatelang ausgedehnt. Ich glaube, es war ein Wetteifern, wer das Gesetz durchbringt. Wie üblich gibt einer nach. Aber auch wir Freiheitlichen werden diesem Dentistengesetz und dem Sanitätshilfsdienste-Gesetz unsere Zustimmung geben, wenngleich wir gerade beim Dentistengesetz zu bedenken geben, daß es nach dem Zahnmedizinstudiengesetz den Dentisten gar nicht mehr möglich gewesen wäre, den Titel Dentist zu führen, weil er den Beruf nur mehr als Zahnarzt ausüben kann.

Doch meinen wir, daß gewährleistet sein muß, daß der Patient bereits am Titel des Zahnbehandlers erkennen soll, ob es sich um einen Arzt mit einem kompletten Zahnmedizinstudium oder um einen Dentisten handelt. Nur mit einer kleinen Änderung im Gesetz, nämlich mit dem kleinen Wort "hat" vor "zu führen" – also "hat zu führen" Zahnarzt, Dentist –, wäre dem Genüge getan gewesen und der sogenannte I-Punkt auf die gesetzliche Titulierung gesetzt worden. Aber wie immer wurde eine logische Abänderungsbitte, weil sie eben von den Freiheitlichen gekommen ist, abgelehnt.

Wir Freiheitlichen sind aber der Meinung, daß der Konsument auch das Recht hat, von Gehilfen mit bester Ausbildung betreut zu werden. Bis jetzt wird ein Zahnarzthelfer oder ein Ordinationsgehilfe, der wohl einen sehr verantwortungsvollen Beruf ausübt, nur in Kursen mit rund 120 bis 130 Stunden ausgebildet. Es ist nicht nur der ausdrückliche Wunsch der Gesellschaft für Allgemeinmedizin, daß auch dieser Beruf einer besseren Ausbildung und eines eigenen Berufsstandes bedarf. Wir sprechen schon monatelang von der Lehrlingsproblematik und von steigender Frauenarbeitslosigkeit, aber wir sollten auch handeln, wenn wir einen "Systemgastronomen" für Mc-Donald schaffen können, weil dieser verspricht, 200 Lehrlingsplätze zu schaffen, während wir genau wissen, daß das alles andere als der Ruf einer gehobenen Gastronomie in die Welt hinaus ist. Es ist für mich unerklärlich, daß damit nicht daran gedacht wird, einem notwendigen Berufsstand jenen Stellenwert zu geben, der ihm gebührt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Frau Ministerin! Trotz Ihrer Bemerkung, Sie hätten andere Prioritäten, und Sie hielten von diesem Lehrberuf nichts, mache ich Sie, meine Damen und Herren, darauf aufmerksam, daß Sie mit Ihrer Zustimmung zu dem Entschließungsantrag, den wir Freiheitlichen anschließend einbringen werden, dafür sorgen könnten, daß nicht nur für die Zahn- und Ordinationshilfe ein eigener Beruf mit einer soliden Berufsausbildung möglich wäre, daß wir schlagartig zirka 1 500 Lehrstellen schaffen könnten und daß wir Halbtagskräfte mobilisieren und Frauenarbeit schaffen könnten. Ich weise auch darauf hin, daß wir manchen Problemen wie mangelhafter Hygiene bei Instrumenten der Zahnmedizin, der Kieferchirurgie und so weiter vorbeugen könnten.


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Sie wissen, daß diese Problematik akut ist, und Sie alle sind sicher mit uns Freiheitlichen der Meinung, daß 120 bis 130 Stunden Ausbildung drei Jahre Lehrzeit mit solider Praxis und Schulbesuch nicht ersetzen können.

Ich erlaube mir daher, folgenden Entschließungsantrag von uns Freiheitlichen einzubringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen betreffend Ausbildungsstandard und Berufsbild von Arzthelferinnen und Zahnarzthelferinnen

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, bis 31. 3. 1999 für Arzt- und Zahnarzthelferinnen per Ministerialentwurf

das Berufsbild festzulegen,

das berufliche Aufgabengebiet exakt zu umschreiben,

einheitliche Aus- und Weiterbildungskriterien aufzustellen,

gemeinsam mit den zuständigen Standesvertretungen einen neuen Lehrberuf zu schaffen,

bereits praktizierenden Arzt- und Zahnarzthelferinnen die erworbene Berufserfahrung auf die Ausbildungserfordernisse anzurechnen."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Mitgliedern des Bundesrates Ulrike Haunschmid und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Ausbildungsstandard und Berufsbild von Arzthelferinnen und Zahnarzthelferinnen ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächster erteile ich Frau Bundesministerin Eleonora Hostasch das Wort. – Bitte.

13.01

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Nur wenige Bemerkungen aus meiner Sicht.

Es wurde im Zusammenhang mit dem Dentistengesetz von Herrn Bundesrat Freiberger schon erwähnt, daß die Dentisten – erlauben Sie mir diese saloppe Bemerkung – einer auslaufenden Berufsgruppe angehören, da seit Jahrzehnten keine Neuzulassungen mehr erfolgten. Diese Anpassung des Dentistengesetzes erfolgt daher praktisch nur für die jetzt tätigen Dentisten, es ist aber notwendig, die entsprechenden Regelungen zu schaffen, daß sie ihren Beruf auch im Rahmen der Europäischen Union ausüben können. Ich betrachte es daher als sehr wichtig, daß wir diese gesetzliche Bestimmung nun verankern können. Es handelt sich dabei um etwa 270 Personen, die aber doch eine wichtige Gruppe sind, auch wenn sie von der Zahl her im Vergleich zu allen Gesundheitsberufen oder auch dem ärztlichen Bereich nicht so groß ist. Ich bin daher froh, daß dieses Gesetz nun beschlossen werden kann.

Erlauben Sie mir noch eine kurze Bemerkung zum Sanitätergesetz beziehungsweise zur Regelung zur Defibrillation. Ich konnte heute schon in der Fragestunde in einer Anfragebeantwortung sehr ausführlich darauf Bezug nehmen und möchte daher nur noch unterstreichen, daß es sich bei diesen gesetzlichen Änderungen um eine Vorwegnahme eines Teilbereiches des Sanitä


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tergesetzes handelt, die möglich wurde, weil die Defibrillatoren durch die neuen Entwicklungen in diesem Bereich nun auch von nicht ärztlich ausgebildetem Personal angewendet werden können.

Ich meine, es ist richtig, daß die Politik schnell handelt, wenn sie die Chance sieht, für Patienten, für Verunfallte Lösungen anbieten zu können. Der Probebetrieb, der in der Steiermark durchgeführt wurde, hat bewiesen, daß wir so weit sind, diese Maßnahme quasi vorwegnehmen zu können. Trotzdem bin ich überzeugt davon und auch sehr bemüht darum, in Kürze das Gesamtgesetz – wie schon gesagt – dem Hohen Haus präsentieren zu können. Seit Monaten finden intensive Verhandlungen dazu statt. Die Verhandlungen sind mit sehr vielen Interessengruppen, die von diesem Gesetz direkt oder indirekt betroffen sind, zu führen.

Ich möchte nur erwähnen, daß es selbstverständlich alle Rettungsorganisationen sind, mit denen wir Gespräche führen, weiters die Interessenvertretungen der Arbeitnehmerseite, die zuständige Gewerkschaft, mit der wir die Verhandlungen zu führen haben, die Ärztekammer, die Apothekerkammer, das Innenministerium, das Landesverteidigungsministerium, die Verbindungsstelle der Bundesländer, die ein wichtiger Gesprächspartner ist, natürlich auch die Gesundheitssprecher und nicht zuletzt auch der Koalitionspartner. – Ich erwähne das deswegen, um die Palette zu vervollständigen und vielleicht doch auch zu illustrieren, daß in diesem Zusammenhang sehr viele unterschiedliche Schwerpunktinteressen unter einen Hut zu bringen sind.

Aus der Sicht des Gesundheitsministeriums und der zuständigen Ministerin liegt die Priorität beim Verunfallten, dem Patienten, der Patientin. Daher habe ich es für richtig erachtet, einen Entwurf zur Begutachtung zu geben, der diesem Interesse sehr umfassend Rechnung trägt. Eine Gesetzesbegutachtung dient eben dazu, daß von allen Stellen Positionen eingebracht werden, um dann auf Basis dieser Positionen zu einem Gesamtergebnis zu kommen. Ich habe es daher als nicht sehr fair empfunden, daß versucht wurde, in der öffentlichen Diskussion den Eindruck zu erwecken, daß mit diesem Gesetzentwurf die Ehrenamtlichkeit abgeschafft wird, daß er eine Verschlechterung der jetzigen Situation mit sich bringen wird. In wesentlichen Bereichen wurden sehr bewußt falsche Daten verwendet.

Ich sage das mit aller Deutlichkeit, weil ich weiß, daß ich jenen Personen, die mit falschen Daten an die Öffentlichkeit getreten sind, vorher die richtigen Daten direkt bekanntgegeben habe. Ich empfinde es nicht gerade als Fairneß in der Politik, so zu arbeiten.

Trotzdem: Wenn es einem um die Sache, um das Ergebnis geht, sollte man diese Dinge wegstecken und sagen: Leider gehört das manchmal auch zur Politik – ich hoffe, es ist nicht die Norm –, es geht um das Ergebnis. Ich hoffe, daß wir dieses in Kürze erzielen werden, daß wir damit den Verunfallten helfen und den im Rettungsdienst hauptamtlich Beschäftigten, insbesondere aber auch den ehrenamtlich Tätigen jene gesetzliche Grundlage bieten, auf der sie mit größtmöglicher Sicherheit arbeiten können. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Jänner 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz geändert wird.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Ausbildungsstandard und Berufsbild von Arzthelferinnen und Zahnarzthelferinnen vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenminderheit.

Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 20. Jänner 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Verbesserung der Ausbildung und Schaffung eines Berufsbildes für Rettungssanitäter vor.

Ich lasse über diesen Antrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag ist abgelehnt.

Verlangen auf Durchführung einer Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 1445/AB-BR/99

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bevor wir zum 4. Punkt der Tagesordnung kommen, gebe ich bekannt, daß ein gemäß § 60 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates gestelltes Verlangen der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen vorliegt, eine Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 1445/AB-BR/99 der Anfrage 1563/J-BR/98 an den Herrn Bundesminister für Inneres durchzuführen.

Im Sinne der Geschäftsordnung findet die Besprechung der Anfragebeantwortung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

4. Punkt

Kulturbericht 1997 der Bundesregierung (III-185 und 5873/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: Kulturbericht 1997 der Bundesregierung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wolfram Vindl übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht. – Der Herr Berichterstatter ist nicht anwesend, ich ersuche daher die Vorsitzende des Ausschusses um den Bericht. – Die Frau Vorsitzende ist auch nicht anwesend, daher bestimme ich Herrn Bundesrat Engelbert Schaufler zur Berichterstattung.


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Berichterstatter Engelbert Schaufler:
Geschätzter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend den Kulturbericht der Bundesregierung bringen.

Der Ausschußbericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich kann mich daher auf den Antrag beschränken.

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Februar 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte, in die Debatte einzugehen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

13.11

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nicht nur der Berichterstatter von der ÖVP nicht anwesend, es hat heute auch die Ministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales die Kultur übernommen – soll uns auch recht sein.

Der Kulturbericht über das Jahr 1997, der uns vorliegt, versucht eigentlich nur, den Eindruck zu erwecken, als stünde Kulturpolitik in Österreich hoch im Kurs. Aber der letzte Absatz des Vorworts des Kulturberichtes von Frau Bundesministerin Gehrer ist doch etwas ernüchternd.

Sie schreibt – ich lese es deshalb vor, weil es für den gesamten Bericht signifikant ist –:

Das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten präsentiert seinen Kulturbericht nunmehr zum dritten Mal. Dieser Bericht wird dem Nationalrat vorgelegt. – Kleine Anmerkung am Rande: auch dem Bundesrat. – Dies gibt meinem Ressort aber auch eine ausgezeichnete Möglichkeit, der Öffentlichkeit die zentralen Entwicklungen im Kulturbereich und die vielfältigen Aktivitäten unserer Bundesmuseen und vieler anderer bedeutender kultureller Einrichtungen in unserem Land in ansprechender und übersichtlicher Form darzustellen. Der Bericht vermittelt einen guten Eindruck über den Reichtum Österreichs an Kunst- und Kulturschätzen und schafft ein Bewußtsein über unsere große Verantwortung bei der Bewahrung dieses kulturellen Erbes und den zentralen Stellenwert dieser Aufgabe in der österreichischen Kulturpolitik. – An dieser Stelle darf ich die Frau Ministerin für Kultur begrüßen.

Das ist eine Wortspende zu diesem Kulturbericht, der eigentlich fast nichts mehr hinzuzufügen wäre; es zeigt sich, daß er ein reiner Verwaltungsbericht ist.

Natürlich möchte ich die Bedeutung der Museen nicht geringschätzen – sie haben eine Bedeutung, aber sie haben nicht die zentrale Bedeutung, die die Frau Ministerin in diesem Bericht auszudrücken versucht hat. Sollte dieser Bericht wirklich die zentralen Entwicklungen im Kulturbereich Österreichs enthalten, dann, so muß ich sagen, käme das einem Abschied vom Ziel einer zukunftsorientierten Kulturpolitik gleich.

Der Bericht selbst ist auch nicht wirklich aufregend, was die Entwicklungen der Besucher und der Einnahmen in den Museen anlangt. Bei der Zahl der Besucher ist im wesentlichen eine Stagnation angesagt. Die Ausgaben sind leicht rückläufig, die Einnahmen aber in den meisten Bereichen – nicht in allen – sogar sehr stark. Der einziger "Rausreißer" bei den Einnahmen war die Monet-Ausstellung – sie war aber schon 1996 und nicht 1997. Es ist das aber trotzdem interessant, denn allein daran kann man schon erkennen, daß man dann, wenn man das Richtige anbietet, auch zu mehr Einnahmen kommen kann. Es muß also nicht so sein, daß Museen immer im defizitären Bereich arbeiten, sondern sie können natürlich auch Geld erwirtschaften. – Sonst aber schaut es leider schlecht aus, das ist eines der ganz wenigen positiven Beispiele.


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Das Museum der modernen Kunst konnte im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit auch einige Einnahmen erzielen, dazu muß ich aber sagen, daß ich die Zahlen in diesem Bericht insgesamt bezweifle, denn schon vor der gestrigen Ausschußsitzung bin ich auf eine Differenz in der Höhe von immerhin 751 000 S gekommen. Wenn ich zusammenzähle, was das Museum der modernen Kunst an Einnahmen aus Sponsoring erzielte, und dann das anschaue, was vorne in der Übersicht angeführt ist, ergibt das eine Differenz in der Höhe von 751 000 S, von der mir der Beamte leider nicht erklären konnte, woher sie ist. Ich habe jetzt nicht alles nachgerechnet, aber ich denke, wenn das schon nicht stimmt, wird vielleicht auch das andere nicht alles stimmen, und ich frage mich, ob man das tatsächlich 1  :  1 übernehmen kann, was darin steht.

Wenn also für einige Museen doch – das gibt es tatsächlich – Einnahmen durch Sponsoren verzeichnet werden können, dann zeigt das, daß man sich in diesem Bereich besonders bemühen muß.

Es gibt kompetentere Leute als mich, die das schon versucht haben und zu dem Schluß gekommen sind, daß man Museen selbstverständlich auch aufgrund ökonomischer Gesichtspunkte führen kann. Die Firma Inter Connection und in dieser Herr Frederik Lehner haben sich eingehend damit befaßt und sind zu dem Schluß gekommen, daß man ein Museum selbstverständlich nach Management-Kriterien führen kann, ohne daß die Kultur darunter leiden muß. Herr Lehner meint, man müsse ein Produkt nur so nahe wie möglich an eine Zielgruppe heranführen, selbstverständlich mit begleitenden Instrumentarien. – Das geschieht in Österreich aber nicht einmal ansatzweise, geschweige denn, daß in diese Richtung tatsächlich einmal konkret nachgedacht wird.

Das hängt auch damit zusammen, daß in Österreich der Kulturbereich immer noch eine Art Feudalsystem darstellt, so wie wir es von den Medici gewöhnt sind, als den Kulturschaffenden nur bei entsprechendem Wohlverhalten – meistens einhergehend mit politischer Korrektheit und Anpassung am System – gnädigst Subventionen gewährt wurden.

Dann gibt es allerdings kein Halten mehr: Dann wird der Begriff der Kunst überstrapaziert, und alles ist völlig egal, man legt sich keinerlei Schranken mehr auf, egal, ob dabei beispielsweise die Würde des Menschen verletzt wird oder religiöse Institutionen verhöhnt werden.

Ich möchte jetzt nicht mißverstanden werden und mich nicht dem Vorwurf aussetzen, daß ich für Zensur bin. Wir Freiheitlichen treten immer und sind immer eingetreten für die Freiheit der Kunst, wir meinen allerdings, daß auch der Freiheit gewisse moralische Schranken auferlegt werden müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Spätestens dort, wo andere eingeschränkt oder deren Gefühle verletzt werden, muß die Freiheit enden.

Ein Beispiel dafür ist – auch wenn es jetzt nicht in den unmittelbaren Bereich von Frau Bundesministerin Gehrer fällt; ich erwähne es, weil ich eine Wiener Bundesrätin bin und das Bild empörend fand – die Ausstellung unter dem Titel "Zyklus Kind und Welt" – es ist schon öfter darüber berichtet worden. Ein Bild war besonders herausgenommen: der wehrlose, strampelnde Säugling, auf den ein eregierter Penis zufährt. Selbst "NEWS" hat dann, obwohl es versucht hat, unsere Kritik herunterzumachen, am Schluß festgestellt, daß es sich dabei um Pornographie handelt.

Ich glaube – ich nehme das jetzt nur als ein Beispiel –, daß es in unserer Gesellschaft – das ist nicht das einzige –, die mittlerweile Gott sei Dank, so muß ich sagen, bei Kindesmißbrauch sehr sensibel ist, nicht nötig ist – wir müssen auch nicht sagen, daß alles, was jemand als Kunst definiert, Kunst ist –, Gewalttätigkeiten in dieser Form auszustellen. Noch dazu werden dann Schulklassen durch diese Ausstellungen geführt, um sich diese sogenannte Kunst anzuschauen. – Ich meine, auch in Bildern sollte Gewalt nicht verherrlicht werden.

Diese Widerlichkeit – das möchte ich auch noch anmerken – ist immerhin mit 1,9 Millionen Schilling subventioniert worden. (Bundesrat Dr. Böhm: Ungeheuerlich!)

Frau Ministerin! Gerade die Kunsthalle bekommt in den nächsten drei Jahren 55 Millionen an Subventionen, und da heißt es im letzten Absatz lapidar: Dann, wenn die Ausstellungen nicht


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kostendeckend sind – sie erheben sowieso nicht den Anspruch, in irgendeiner Form wenigstens annähernd kostendeckend zu sein; die geschätzten Einnahmen und die Ausgaben klaffen meterweit auseinander –, wird die Differenz vom Bund gedeckt werden, jedenfalls nicht von der Stadt Wien. – Daher habe ich dieses erwähnt.

Ich möchte jetzt aber noch ein Beispiel bringen: Es ist auch so, daß im Museum moderner Kunst Otto Mühl ausstellen durfte  – immerhin ein rechtmäßig verurteilter Kinderschänder, auch wenn er seine Strafe abgesessen hat. Das macht es deswegen nicht besser, weil er dann im Burgtheater auch noch seinen Auftritt gehabt hat, bei dem er mit der Justiz abrechnen durfte und nichts bereut hat.

Ich glaube, Frau Ministerin, daß wir dieser Art von Kultur nicht befürwortend gegenüberstehen können, und ich glaube auch nicht, daß es sinnvoll ist, wenn eine kleine selbsternannte Kulturschickeria über Subventionen das Auslangen findet und wir das unter dem Begriff "Kultur" subsumieren. Das lehnen wir Freiheitlichen ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.22

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Herbert Thumpser. Ich erteile ihm das Wort.

13.22

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Kulturbericht 1997 liegt vor und unterliegt, wie nicht anders zu erwarten, unterschiedlichsten Interpretationen. Ich glaube doch, Kollegin Mühlwerth, daß Sie durchaus andere Berichte gelesen haben. Ich habe den Kulturbericht 1997 gelesen.

Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich jedoch anmerken, daß wir – das ist an Sie gerichtet, Frau Ministerin – jetzt im Februar 1999 den Kulturbericht 1997 diskutieren. Ich gebe schon zu, das ist ein Fortschritt gegenüber dem Bericht 1996, der im April 1998 diskutiert wurde, möchte aber trotzdem anmerken, daß mir die Zeiträume zur Erstellung der Berichte doch etwas lang erscheinen, da meiner Meinung nach gerade die budgetrelevanten Zahlen schneller zu eruieren sein müßten.

Das ist auch unter der Prämisse zu sehen, daß der Kulturbericht 1997 nicht nur ein Bericht sein soll, sondern auch – wie Sie in der Nationalratsdebatte im Jahre 1998 ausdrückten – eine Herausforderung ist, eine Museumskonzeption 2010 zu erstellen, und der dritte Kulturbericht – das ist dieser – wird bei diesen Zielsetzungen aufzeigen, was die einzelnen Museen vorbereitet beziehungsweise gemacht haben. Ich finde es daher schade, daß man 1999 über etwas, was vielleicht 1998 schon passiert ist, diskutieren muß.

Grundsätzlich möchte ich anfügen, daß mir bei einzelnen Museumsabschnitten die Perspektiven, die ich vorher angeführt habe, zum Teil fehlen. Mir fehlen sie nicht ganz, wie das Kollegin Mühlwerth zum Ausdruck gebracht hat, denn wenn Sie sich zum Beispiel nur den Bericht vom Museum der modernen Kunst durchlesen, so bemerken Sie, daß darin eine ganz genaue Zielbegriffsdefinition enthalten ist. Mir fehlen aber doch einige grundsätzliche Bemerkungen in einzelnen Abschnitten.

Ein Bereich, der Sie als Ministerin betrifft, ist jener der Zusammenarbeit mit den Schulen, die wesentlich intensiviert hätte werden sollen. Gerade in der Zeit der zunehmenden Computerisierung und Vernetzung wäre dies sicher ein Teilaspekt gewesen, dem in diesem Bericht 1997 wesentlich mehr Umfang hätte geschenkt werden können.

Positiv bewerten möchte ich, daß die einzelnen Abschnitte hinsichtlich der Aufgliederung als durchaus gelungen anzusehen sind und deshalb auch einiges an Aussagekraft beinhalten. Man kann einen Überblick gewinnen und diesen Bericht auch als informativ ansehen.

Besonders hervorheben möchte ich sicherlich, daß es der Österreichischen Nationalbibliothek gelungen ist, das Informationsangebot wesentlich auf die neuen Medien zu konzentrieren. Von


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Interesse wäre in diesem Zusammenhang allerdings nur, in welchem Umfang diese neuen Medien auch genützt werden. Im Bericht steht zwar, daß in den ersten Wochen 6 000 bis 10 000 Zugriffe täglich stattgefunden haben. Es wäre aber gerade bei der Beobachtung eines längeren Zeitraumes interessant, die Zugriffe auch über einen längeren Zeitraum zu eruieren.

Für mich ist einer der wesentlichsten Aspekte der Bericht des Museums moderner Kunst, und zwar erstens deshalb, weil sich – da befinde ich mich im Widerspruch zur Kollegin Mühlwerth – die Besucherzahlen sehr positiv entwickelt haben (Bundesrätin Mühlwerth: Das steht aber nicht drinnen!) , wie in vielen Bereichen der Museen – ganz abgesehen von der Monet-Ausstellung; wenn Sie diese vom Jahre 1996 abrechnen, dann sieht es wesentlich anders aus –, und dies wahrscheinlich auch, weil es im Bereich des Museums moderner Kunst ein nachvollziehbares Marketingkonzept gibt, zweitens, weil das Museum moderner Kunst die museumspolitischen Ziele ganz klar definiert, und drittens, weil das Museum moderner Kunst sowohl über historische Positionen der Kunst des 20. Jahrhunderts als auch über aktuelle Entwicklungen informiert.

Wir könnten jetzt relativ lang über die Begriffe "Kunst" und "Kultur" diskutieren. Ich glaube, daß Kultur und Kunst im allgemeinen wesentliche Elemente der österreichischen Gesellschaft sind, die auch eine wesentliche Auswirkung auf den Tourismus in Österreich haben, und zwar nicht nur, was den innerösterreichischen Tourismus betrifft, sondern auch den Tourismus von ausländischen Besucherinnen und Besuchern.

Ein wesentlicher Aspekt wird wahrscheinlich im ganzen Bericht unterschätzt, nämlich jener Teil, in dem es darum geht, internationale Veranstaltungen sowohl im In- als auch im Ausland auszurichten, was ein unschätzbarer Werbefaktor für Österreich ist und auch ein Bild der österreichischen Kulturlandschaft zeigt. Ich glaube, daß es auch darum geht, im Kunst- und Kulturbereich die Stimmung nicht nur in Österreich, sondern auch über die Grenzen hinaus zu vermitteln und aufzuzeigen, welche Möglichkeiten wir als Österreicherinnen und Österreicher unseren Kunst- und Kulturschaffenden bieten und welches Umfeld diese Kunst- und Kulturschaffenden in Österreich vorfinden. Die Diskussionen des letzten Jahres – Sie haben es vorhin zitiert – machen gerade diese Tätigkeit umso wichtiger.

Abschließend kann man, so glaube ich, feststellen, daß der Kulturbericht 1997 – zwar mit gewissen Abstrichen, aber doch – durchaus gelungen ist, weshalb wir als sozialdemokratische Fraktion diesem zustimmen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Therese Lukasser das Wort. – Bitte.

13.28

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich darf nahtlos an die Ausführungen von Herrn Kollegen Thumpser anschließen: Kultur ist ein wichtiger, ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens. Unser ganzes Leben ist in ein künstlerisch-kulturelles Umfeld eingebettet. Die wichtigsten persönlichen Entscheidungen sind vom Zugang zur eigenen Kultur, zur Basis des sozialen Verhaltens geprägt.

Ich bin dankbar, daß ich nunmehr fast zehn Jahre in diesem Teil des Hohen Hauses eine politische Kultur erleben durfte, die mit den Ereignissen der letzten Tage in diesem Hause nichts gemeinsam hat. Ich bedaure zutiefst Stil und Ton, weil diese – durch die Medien in alle Haushalte getragen – geeignet sind, das Ansehen von Politik und Politikern zu beschädigen.

Meine Damen und Herren! Nun zum Kulturbericht 1997, der uns in dieser Form zum dritten Mal vorliegt: Die zentralen Entwicklungen im Kulturbereich und die vielfältigen Aktivitäten unserer Bundesmuseen und vieler anderer bedeutender Einrichtungen in unserem Land werden in übersichtlicher und ansprechender Form dargestellt. Im Kulturbereich war es, wie Sie, verehrte Frau Bundesministerin, in Ihrem Vorwort darlegen, in vieler Hinsicht ein wegweisendes und dynamisches Jahr. Den Bundesmuseen, der Österreichischen Nationalbibliothek, der Österreichischen Phonothek, der Hofmusikkapelle und dem Bundesdenkmalamt war die Aufgabe gestellt,


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eine Reihe bedeutsamer organisatorischer, juristischer und wirtschaftlicher Veränderungen vorzubereiten. Mit der Erarbeitung eines neuen Museumsgesetzes wurden die Voraussetzungen für die Vollrechtsfähigkeit, mehr Selbständigkeit und Freiraum für die Museen und damit die Rahmenbedingungen für eine internationale wettbewerbsfähige Museumslandschaft in Österreich geschaffen.

Ich halte es für sinnvoll – man kann es gar nicht oft genug betonen –, den Museumsdirektoren und Führungskräften im Kulturbereich mehr Spielraum und Handlungsfähigkeit einzuräumen, damit sie sich auch die nötigen finanziellen Mittel erwirtschaften können. Kultur ist auch ein Teil der Kreativität, und Kreativität braucht auch einen großen Teil einer gewissen Freiheit. Gerade verantwortliche Leute sollten sich in ihrer kreativen Tätigkeit auch frei bewegen können, wenn es darum geht, Effizienz zu erwirtschaften, um auch künftig die Menschen stärker in Richtung Kultur, zum Beispiel für Besuche in den Museen, zu motivieren. Ich halte es auch für unrealistisch, in Zukunft das normale Staatsbudget über Gebühr zu belasten. Das ist ein Faktum, das es zu bedenken gilt, wenn wir ernstlich und möglichst rasch die Umwandlung der Bundesmuseen zur vollen Rechtsfähigkeit vorantreiben wollen.

Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Rund ein Drittel des 200 Seiten starken Berichtes befaßt sich mit dem Denkmalschutz und der Denkmalpflege, und Sie werden mir gestatten, daß ich einige Anmerkungen aus Tiroler Sicht mache. Aus Tiroler Sicht fällt der Rückblick auf das Jahr 1997 durchaus positiv aus. Ich möchte einige Beispiele nennen: Wie jedes Jahr ist eine große Zahl von Kirchenrestaurierungen dokumentiert. In meinem Heimatbezirk Osttirol zum Beispiel wurden in 20 Gemeinden Maßnahmen gesetzt. Ein kulturgeschichtlich bemerkenswertes Projekt konnte abgeschlossen werden: die Freilegung und Festigung romanischer Fresken im Oberchor der St. Nikolaus-Kirche in meiner Heimatgemeinde Matrei in Osttirol.

Als Vorbereitung für die große Tiroler Landesausstellung auf Schloß Bruck in Lienz im Jahre 2000 wurde der sogenannte Görzer Altar in der Burgkapelle restauriert. Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, daher bereits heute zu der Tiroler Landesausstellung im Jahre 2000 ganz herzlich einladen, damit Sie den erzielten Gesamteindruck selbst sehen können!

Da ich heute den Herrn Landtagspräsidenten von Tirol begrüßen durfte, möchte ich als drittes Beispiel auch noch die herausragende kunstgeschichtliche Bedeutung der Restaurierung des Landtagssaales in Innsbruck nennen, dem bedeutendsten profanen Barockbau Tirols in der Maria-Theresien-Straße. Die Fresken wurde gereinigt, Stukkaturen freigelegt, und nach gründlicher Befundung wurde die Färbelung in den ursprünglichen Kalktönen erneuert.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich im Namen meiner Fraktion bei Ihnen, Frau Bundesministerin, und bei dem Team der Sektion IV unter der bewährten Leitung von Sektionschef Dr. Rudolf Wran sehr herzlich für Ihre Arbeit bedanken. Es ist Ihnen gelungen, einen umfassenden Eindruck über den Reichtum österreichischer Kultur- und Kunstschätze zu vermitteln.

Im Bewußtsein unserer großen Verantwortung bei der Bewahrung dieses kulturellen Erbes nehmen wir den Kulturbericht 1997 gerne und zustimmend zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.34

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Thomas Ram. – Bitte.

13.34

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wir haben uns schon in der letzten Bundesratssitzung eingehend mit der Kunst- und Kulturpolitik dieser Bundesregierung beschäftigt. Der zentrale Hauptkritikpunkt meiner Fraktion war die für uns Freiheitliche völlig unverständliche staatliche Unterstützung für Künstler vom Range eines Nitsch oder Mühl. Auch im vorliegenden Kulturbericht findet sich auf Seite 79 bei den Neuerwerbungen der Name Nitsch. Ebenso finden sich da Vorträge und Veranstaltungen dieses Skandalkünstlers wie auch solche des gerichtlich verurteilten Kinderschänders Otto Mühl.


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Ich möchte hier noch einmal betonen, daß für uns Freiheitliche solche Künstler und ihre Werke absolut nicht unterstützungs- und präsentationswürdig sind und auch in Zukunft nicht sein werden! In meiner Wortmeldung möchte ich mich aber weniger mit dieser Art von Kunst beschäftigen – darauf wird noch Kollege Gudenus eingehen –, sondern mehr mit dem Denkmalschutz und seinen verschiedenen Bereichen.

Die entscheidende Frage im Bereich des Denkmalschutzes ist: Wozu gibt es Denkmalschutz, und was bedeutet er? – Denkmalschutz bedeutet die Bewahrung historischer beweglicher und unbeweglicher Denkmäler unter dem Aspekt, sie der Bevölkerung zugänglich zu machen. Denkmalschutz macht wenig Sinn, wenn man die Denkmäler in dunklen und geschlossenen Kellern versteckt.

Eine heikle Frage ist der Denkmalschutz hinsichtlich beweglichen historischen Fahrbetriebsmaterials. So wissen wir zum Beispiel, daß dieses vor allem auf der Schiene fahrende Material nicht nur gut konserviert wurde, sondern auch den Menschen durch ausgewählte Fahrten nähergebracht wurde. Österreich ist diesbezüglich ein Pionierland, weil wir in diesem Bereich tatsächlich vom lebenden Denkmalschutz reden können.

Diese Entwicklung droht leider abzureißen. Aus Eisenbahnnostalgiekreisen erfahre ich, daß da ein Schwenk seitens des Ministeriums erfolgte. Wo finden zum Beispiel nun jene Fahrten statt, von denen sogar die Japaner im Eisenbahnnostalgiebereich schwärmen, jene Fahrten mit der Lok 310, für deren Sanierung sogar die private Firma Rocco eine Bausteinaktion durchgeführt hat? – Nach meinen Informationen, sehr geschätzte Frau Ministerin, hat Ihr Ministerium auf diese Mittel Zugriff, und ich frage mich, wann denn diese Sanierung jetzt endlich durchgeführt wird.

Hier muß man auch den Zusammenhang Denkmalschutz – Fremdenverkehr erkennen. Der Denkmalschutz bewirkt schließlich die Sicherstellung des Kulturtourismus und rechnet sich auf diese Weise oft auch finanziell durch die Tourismuseinnahmen. Das ist mit ein Grund, auch öffentliche Gärten und Parks in die Diskussion um den Denkmalschutz einzubringen.

In Österreich gibt es 1 600 historische Parks und Gärten in den verschiedensten Größen. Während in den meisten europäischen Ländern die Gärten der Renaissance, des Barocks oder die Landschaftsparks des vorigen Jahrhunderts Teil des Denkmalschutzes sind, hat es Österreich bisher verabsäumt, seine vielen einstmals prächtigen Gartenanlagen unter Schutz zu stellen und entsprechende Pflegerichtlinien zu erarbeiten. So wurde zum Beispiel das Schloß Schönbrunn vor einigen Jahren von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt, der Park, der mit der baulichen Anlage eine untrennbare Einheit bildet, steht jedoch nicht einmal unter Denkmalschutz.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir Freiheitlichen sind der Meinung, daß Österreichs historische Gärten und Parks geschützt werden sollten, und deshalb stelle ich folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Thomas Ram, Dr. Peter Böhm, Mag. John Gudenus, Monika Mühlwerth betreffend Denkmalschutz für historische Gärten und Parks

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wird im Sinne ihrer am 10. 9. 1997 öffentlich gemachten Zusage, die historischen Gärten und Parkanlagen als kulturelles Erbe Österreichs zu schützen, aufgefordert:

unbeschadet geltender naturschutz-, baumschutz-, landschaftsschutz- und forstgesetzlicher Regelungen für historische Gärten, Parkanlagen, Alleen und dergleichen Anlagen und Elemente der gestalteten Natur auch denkmalschutzrechtliche Vorkehrungen zu treffen,

im Rahmen des Bundesdenkmalamtes die fachliche Betreuung von Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen zu gewährleisten,


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vorhandene Dokumentationen, Kartierungen und andere Forschungsarbeiten auszuwerten und daraus einen Maßnahmenkatalog zu erstellen,

die Einbringung vernachlässigter Objekte aus privater und öffentlicher Hand in einen Nationalfonds nach Vorbild des National Trust zu prüfen,

im Zusammenwirken mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft den freien und unentgeltlichen Zugang in die österreichischen Bundesgärten für die Bürger weiterhin zu gewährleisten."

*****

Meine Damen und Herren! Wir bitten um die Unterstützung dieses Antrages. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Thomas Ram und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Denkmalschutz für historische Gärten und Parks ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus das Wort. – Bitte.

13.40

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede auf das Technische Museum sowie auf die Albertina mit einigen Überlegungen beziehungsweise Anregungen zu sprechen kommen. Vielleicht sind sie auch nur als Kritik aufzufassen.

Besonders die Albertina, die seit Jahren schon in einer Dependance ihre Schaustellungen dem Publikum öffentlich zugänglich macht, erscheint mir als ein finanzielles Faß ohne Boden, und in meinen Überlegungen, wann die Albertina wieder an der ursprünglichen Stätte dem Publikum zugänglich gemacht wird, scheinen noch einige Jahre vorbeizugehen, vielleicht auch einige Minister oder Ministerinnen zu wechseln.

Auch das Technische Museum steht nach Jahren einer eher chaotischen Planung und Durchführung, für die die Frau Bundesministerin aber sicher nichts kann, im öffentlichen Rampenlicht, und zwar nicht nur am Ende der Mariahilfer Straße, aber auch der Direktor des Museums übt ein wenig Kritik an der derzeitigen Politik.

Direktor Donhauser übt Kritik am "Budget der toten Hose", wie er es bezeichnet, weil dieses Budget für die zukünftigen Bedürfnisse anscheinend nicht ausreichend sei. Ist die Eröffnung, die Sie, Frau Bundesministerin, für den Frühsommer dieses Jahres angekündigt haben, auch tatsächlich gesichert?

Es ist erfreulich, daß durch diesen Fast-Neubau oder Erweiterungsbau des Technischen Museums viele Gegenstände gezeigt werden können, die bislang mit gestutzten Flügeln, zum Beispiel Flugzeuge, also nur unvollständig gezeigt werden konnten. Aber es scheint mir trotzdem fraglich zu sein, ob nicht die zum Beispiel von uns vor geraumer Zeit in einer Anfrage an Sie erwähnte Eisenbahnsammlung ordnungsgemäß oder auch publikumsansprechend gezeigt werden kann.

Sie erwähnten anläßlich einer an Sie gerichteten Anfrage letzten Jahres, daß im zweiten Obergeschoß des Technischen Museums die wichtigsten Ausstellungsstücke für drei bis vier Jahre öffentlich zugänglich gemacht werden sollten. Aber es gab damals auch eine Anfrage des Kollegen Himmer von der ÖVP, der ein Anbot von Wiener Neustadt ins Gespräch brachte, welches, wie Sie meinten, Ihnen bis zu diesem Zeitpunkt nur mündlich zugegangen ist.

Ich meine, daß das einige Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Technischen Museum sind, die, wie mir aus Mitarbeiterkreisen des Technischen Museums mitgeteilt worden ist, noch


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nicht sehr ausgereift erscheinen, und ich meine, daß Sie, Frau Bundesministerin, sich doch dieses Themas sehr annehmen sollten.

Sie haben sich aber eines anderen Themas sehr angenommen. Dieses betraf die Rückstellung von Kunstschätzen, die nach Ende der Arisierung teilweise in den Besitz der Republik übergegangen sind. Sie sind also für eine der größten Aktionen mitverantwortlich, welche mitbewirkt hat, Kunst außer Landes zu schaffen.

Frau Bundesministerin! Meine Frage an Sie: Inwieweit hatten Sie, bevor das diesbezügliche Gesetz vor wenigen Wochen hier beschlossen wurde, mit den Nachfolgern der Sammlungen – in diesem Fall Rothschild, demnächst Lederer und Bloch-Bauer – Gespräche dahin gehend geführt, ob sie nicht bereit wären, den Großteil der Sammlung, den sie nach dem Krieg außer Landes brachten, nach Österreich zurückzubringen, um so die Sammlung in Österreich wieder zusammenzustellen, privat in Österreich zu belassen und damit diese Kunstschätze, auf die Österreich stolz sein kann, in das österreichische Kulturerbe einzuverleiben?

Sie haben es wahrscheinlich mitzuverantworten, daß diese Gespräche nicht geführt worden sind. Ich frage mich, warum diese Gespräche nicht geführt wurden. Vielleicht hat das damit zu tun, daß immer die gleichen Hersteller der wenig anschaulichen Kunst, von Mühl bis Nitsch, sehr viel Arbeit für Sie schaffen. Das mag vielleicht der Grund dafür sein. Ist es aber richtig, daß Otto Mühl, gleich nachdem er aus dem Gefängnis entlassen worden war, eine Wohnung, ein Gästezimmer im Bereich des Museums für angewandte Kunst für geraume Zeit beziehen konnte? – Wenn dies der Fall war, würde ich das als Skandal empfingen. Es gibt sehr viele Österreicher, die im Gefängnis saßen und nicht die Möglichkeit hatten, in Gästezimmern eines Museums zu logieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vielleicht ist das nur ein böses Gerücht, das im Zusammenhang mit diesen Künstlern existiert. Es wäre aber vielleicht doch zweckmäßig, Künstler, die keine Subventionen erhalten, auch mehr zu fördern, sie zumindest namentlich zu erwähnen. Ich denke da an den Maler Stark in der Liliengasse oder an die Malerin Helga Pasch, gleich in der Nähe des Parlaments. Die Freiheit der Kunst, von der wir immer sprechen, enthält die Möglichkeit, entweder alle Künstler zu fördern – doch das geht nicht – oder keine Künstler zu fördern und den Markt darüber bestimmen zu lassen, wer von den Künstlern im Endeffekt durch die Marktkräfte gefördert wird.

Ich weiß, daß die Skandalisierung mancher Künstler die beste Werbung für diese ist. Ich bedauere, daß das Aufzeigen von uns Freiheitlichen und vielen Freunden dazu beiträgt, daß die Werke dieser Künstler im Wert steigen und zusätzlich noch von österreichischen Museen wertgesteigert angekauft werden. Ich meine, daß diese Überlegungen des wertgesteigerten Skandals nicht allzuviel Platz in Zukunft einnehmen sollten.

Frau Ministerin! Sie haben aufgrund der Teilrechtsfähigkeit wenig Möglichkeiten, das zu verhindern, aber Sie und Ihre Amtsnachfolger haben die Möglichkeit, bei der Auswahl von Direktionsposten darauf einzuwirken, daß nicht tagespolitisch opportune Künstler, vielfach auch als Schweinigln zu bezeichnen – ich erspare mir, die Zitate vorzulesen und Ihnen die Abbildungen zu zeigen, die ich hier mithabe –, österreichweit und über die Grenzen Österreichs hinaus bekanntgemacht werden. Österreich ist zu schön, als solchen Künstlern ein Forum zu geben, und Österreich hat so viele gute Künstler, daß ich sagen möchte: Beschränken wir uns auf die guten und nicht nur auf die Schweinigln! Das lohnt sich wirklich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.49

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof. Ich erteile es ihm.

13.49

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich darf mich kurz zu Wort melden und mich vorerst für den so freundlichen Willkommensgruß nach meiner mehrwöchigen Abwesenheit vom Bundesrat herzlich bedanken.


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Gerne möchte ich zum Kulturbericht einige Worte sagen. Er hat mich außerordentlich beeindruckt, und zwar ob der Vielfalt der gestellten Aufgaben, die, wie im Bericht zu lesen ist, bewältigt wurden.

Insbesondere möchte ich den Denkmalschutz hervorstreichen. Ich erinnere mich als Gründerpräsident des World Wildlife Funds in Österreich, wieviel der Naturschutz an Budgetmitteln, an Geld notwendig hat. Doch der Denkmalschutz benötigt ein Vielfaches davon. Es wird daher nie ein Budget geben, bei dem man wird sagen können: Das ist ausreichend, das ist genug!

Ich meine, all das, was in diesem Bericht ausgeführt wurde, ist beeindruckend, ist schön, ist wichtig für uns, und ich hoffe, daß wir es auch in Zukunft so halten werden.

Nur ein ganz kleines Beispiel dafür möchte ich hier schildern: Ich erinnere mich, daß ich einmal nach einem kleinen Konzert in Melk war und den dort zuständigen Benediktinerpater angesprochen und gemeint habe, daß es doch nicht leicht sein kann, die 1 000 Fenster alle zehn Jahre wieder frisch streichen zu lassen. Er hat mir geantwortet: Sie sagten, 1 000 Fenster? – Es sind 1 500 Fenster! – Also man kann sich vorstellen, was da alles notwendig ist.

So möchte ich das Beste hoffen, und ich weiß, daß dieses Ressort in deinen Händen, Frau Bundesministerin, in besten Händen ist.

Ich darf nun die Gelegenheit wahrnehmen, Ihnen mitzuteilen, daß dies heute meine letzte Teilnahme an einer Plenarsitzung des Bundesrats ist, da ich mein Mandat in die Hände meines Ersatzmannes und jüngeren Kollegen, Dr. Ferdinand Maier, übergeben möchte, weil ich glaube, daß dafür der richtige Zeitpunkt gegeben ist.

Ich möchte dem Präsidium des Bundesrates, der Bundesratsdirektion, allen Mitarbeitern im Hohen Hause und Ihnen, meine Damen und Herren aller Fraktionen, für die freundschaftliche Zusammenarbeit ganz besonders herzlich danken. Ganz besonders darf ich das unserem Klubobmann Bieringer sagen. Ich hoffe, daß wir hier auch weiterhin sehr erfolgreich tätig sein können.

Folgendes möchte ich noch anmerken: Für mich ist es eine besonders schöne Erinnerung – und sie wird es immer bleiben –, daß ich als Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses jenen Antrag unterschreiben durfte, der Österreichs Beitritt zur EU zum Inhalt hatte.

Ganz zum Schluß darf ich noch sagen: Ich glaube, daß die Einrichtung einer Länderkammer in einem Staatsgebilde wie dem unsrigen außerordentlich wichtig ist. Ich meine, daß, nachdem das neue Europa auch eine Zusammenführung von einzelnen Staaten ist, eine solche Länderkammer in der Zukunft vielleicht sehr viel Gutes bringen könnte, wie es Vorbilder in anderen Gegenden der Welt schon gezeigt haben.

In diesem Sinne darf ich mich nochmals sehr herzlich bei Ihnen bedanken und Ihnen versichern, daß ich natürlich die Arbeit des Bundesrats weiterhin mit großem Interesse gerne verfolgen werde. – Danke vielmals. (Langanhaltender allgemeiner Beifall. – Bundesrat Dr. h. c. Mautner Markhof erhebt sich von seinem Sitz und dankt mit einer Verbeugung.)

13.53

Vizepräsident Jürgen Weiss: Meine Damen und Herren! Die zweite Kammer der Bundesgesetzgebung trug früher die Bezeichnung Herrenhaus. Die Zeit ist darüber hinweggegangen, aber ich möchte doch sagen, daß uns mit Professor Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof heute ein Herr im allerbesten Sinne des Wortes verläßt. Nach fünfzehn Jahren Zugehörigkeit zu diesem Gremium – das ist bei uns eher ungewöhnlich – und nach einer Vielzahl von Verdiensten als Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses möchte dir im Namen der Kolleginnen und Kollegen für deine große Disziplin bei den Sitzungen – das ist vom Präsidium aus leichter wahrnehmbar als aus den Bankreihen – recht herzlich danken. Ich wünsche dir möglichst viele Jahre wiederhergestellter Gesundheit und anhaltender Lebensfreude. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Dr. h. c. Mautner Markhof erhebt sich abermals von seinem Sitz und drückt seinen Dank mit einer Verbeugung aus.)


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Als nächster Rednerin erteile ich nun Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer das Wort. – Bitte.

13.54

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich den Glückwünschen des Herrn Vorsitzenden anschließen und dir, lieber Herr Bundesrat, weiterhin alles Gute wünschen, daß du die kommende Zeit noch in Gesundheit genießen kannst. (Allgemeiner Beifall.)

Nun möchte ich auf einige Fragen eingehen, die aufgetaucht sind.

Frau Bundesrätin Mühlwerth hat nach den Zahlen, die die Einnahmen der Bundesmuseen im Bericht beziffern, gefragt. Dazu darf ich sagen: Dieser Bericht ist kein Rechenschaftsbericht in dem Sinne, daß der Rechnungsabschluß darin dargelegt wird, sondern darin werden Zahlen zur Veranschaulichung gebracht.

Es gibt Einnahmequellen verschiedenster Art: Es gibt Sponsoring, es gibt Teilrechtsfähigkeit, es gibt zweckgebundene Gebarung, und es gibt Eintrittsgelder. Es setzen sich die auf Seite 74 ausgewiesenen Einnahmen zusammen aus erzielten Gewinnen aus der Teilrechtsfähigkeit – das sind etwa 2 Millionen Schilling, die aus der Möglichkeit der Vermietung kommen –, aus Einnahmen, die durch den Kartenverkauf erzielt wurden, und aus Mitteln, die aus der zweckgebundenen Gebarung kommen, die ebenfalls Vermietung, aber auch Möglichkeiten zu Sponsoring umfaßt. Die Einnahmen stammen also nicht alle aus Eintrittsgeldern, sondern sie kommen aus verschiedenen Quellen.

Sie bemängelten auch, daß die Zahlen nicht übereinstimmen würden, daß es Unterschiede gebe. Dazu muß ich feststellen, daß auf Seite 80 die Erträge aus Sponsoring angeführt werden und daß damit nur ein Teil der Einnahmen aus der Teilrechtsfähigkeit beispielhaft aufgezählt wird. Das sind bloß Beispiele. Dieser Bericht ist kein Rechnungsabschluß. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat niemand gesagt!) Es werden darin bloß verschiedene Beispiele angeführt. Man kann daher diese verschiedenen Beispiele nicht einfach zusammenzählen.

Ich möchte schon auch festhalten, daß ich glaube, daß die Gelder, die wir für die Museen ausgeben, keine Gelder sind, die nur einer kleinen Kulturschickeria zugute kommen. Immerhin sind im Jahre 1998 in den Museen 3 049 307 Menschen gewesen, und diese kann man wahrscheinlich nicht als kleine Kulturschickeria bezeichnen. Die Besucherzahlen haben sich vom Jahr 1997 auf das Jahr 1998 um 10 Prozent erhöht. Von diesen Besuchern sind über 10 Prozent Jugendliche. Es sind 344 540 Schüler und Schülerinnen im Jahre 1998 in unseren Museen gewesen. Ich glaube, das zeigt doch die Wichtigkeit unserer Museen auf.

Bezüglich der Frage nach dem Verkehrsmuseum ist festzustellen, daß mit dem Eisenbahnmuseum in Straßhof eine Vereinbarung dahin gehend getroffen wurde, daß die wichtigsten Gegenstände aus diesem Bereich dort ausgestellt werden. Einige ganz besondere Highlights werden im zweiten Stock gezeigt werden. Es werden alle interessanten Objekte aus der Eisenbahngeschichte Österreichs den interessierten Bürgern und Bürgerinnen zugänglich gemacht.

Bezüglich des Antrages der freiheitlichen Fraktion betreffend die Unterschutzstellung von historischen Gärten möchte ich darauf hinweisen, daß diesbezüglich bereits eine Gesetzesvorlage vorliegt. Sie wurde auch schon in Begutachtung gegeben. Deren Anhang enthält eine Liste jener historischen Gärten, die unter Denkmalschutz gestellt werden sollen. Diese Liste wurde mit den Ländern bereits verhandelt. Die Begutachtung dieses Gesetz ist bereits abgeschlossen. Die Endausfertigung wird derzeit erarbeitet. Das Gesetz wird dann umgehend dem Ministerrat zugeleitet. Es ist also bereits so gut wie erledigt.

Zur Frage der Rückgabe von Kunstgegenständen erkläre ich folgendes, und zwar mit großem Ernst und auch mit großem Respekt vor jenen, denen Leid zugefügt wurde: Ich bin stolz darauf, daß es gelungen ist, gemeinsam ein Gesetz zu beschließen, das uns in die Lage versetzt hat, Kunstgegenstände, die während des Krieges geraubt, nach dem Krieg restituiert und aufgrund des Ausfuhrverbotsgesetzes zurückbehalten wurden, zurückzugeben. Der Gesamtumfang die


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ser Kunstgegenstände beträgt 0,01 Prozent unseres gesamten Museumsbestandes. Man darf also mit Fug und Recht sagen, daß unsere Museen in ihrem Stellenwert immer noch dieselben sein werden, auch wenn das eine oder andere Highlight verlorengehen sollte.

Ich glaube aber, daß es an der Zeit ist, daß wir in unserer Republik zu einem neuen Selbstverständnis kommen, nämlich daß wir einen kleinen Teil der großen Ungerechtigkeiten der Vergangenheit wiedergutmachen. Es ist ein Stück Gerechtigkeit, das wir mit dieser Rückgabe herstellen. Wir schaffen damit auch ein Bewußtsein für ein neues Signal.

Ich habe absichtlich – das sage ich ganz bewußt – keinerlei Art von Verhandlungen geführt, weil ich der Meinung war, daß auf keinen Fall der Eindruck entstehen darf, daß wieder darüber verhandelt wird, daß Kunstwerke in Österreich bleiben sollen, daß wir wieder Kunstgegenstände zurückbehalten wollen, daß wir wieder Wohlverhalten wünschen.

Wenn die eine oder andere Familie sich entschließt, etwas in Österreich zu lassen, um das Familienandenken zu bewahren, dann wird es mich freuen. Ich möchte aber auf keinen Fall den Anschein erwecken, daß irgendeine Art von Rückgabe mit irgendeiner Art von Verhandlung darüber, doch etwas da zu lassen, verbunden ist. Das halte ich für richtig, und das halte ich für ehrlich.

Meine Damen und Herren! Die Fortschritte im Museumsbereich sind überall zu sehen. Die Besucherzahlen steigen, und wir verzeichnen mehr jugendliche Besucher als früher. Das Technische Museum wird am 17. 6. 1999 eröffnet. Herr Direktor Donhauser fürchtet sich prophylaktisch, aber zu Unrecht. Er wird die notwendigen Mittel erhalten.

Für das Albertina-Studiengebäude wird am 22. 4. der Grundstein gelegt. Beim Völkerkundemuseum wird die Außenfassade renoviert. Der Baufortschritt im Museumsquartier geht zügig voran, sodaß es bald eröffnet werden kann.

Die Neuregelung des Denkmalschutzes ist in dem Stadium, in dem sie demnächst dem Ministerrat zugeleitet werden kann.

Ich finde, wir können mit Stolz sagen, daß unsere Museum europaweit Flaggschiffe sind. Wir können mit Stolz sagen, daß das Kunsthistorische Museum neben einem Prado, neben einem Louvre bestehen kann, und ich halte es für besonders wichtig, daß wir unser historisches Erbe, unsere Geschichte wissenschaftlich aufarbeiten, daß wir sie pflegen und bewahren. Denn nur, wer seine Vergangenheit kennt, hat auch Zukunft, und ich glaube, das ist für unsere Jugend ganz besonders wichtig. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Thomas Ram und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Denkmalschutz für historische Gärten und Parks vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen. Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit .


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Der Antrag ist abgelehnt.

5. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1997 (Grüner Bericht 1997) (III-183 und 5870/BR der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1996 (III-181 und 5871/BR der Beilagen)

7. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1999 gemäß § 9 Abs. 2 LWG (III-176 und 5872/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 5 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

Grüner Bericht 1997,

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1996 sowie

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1999 gemäß § 9 Abs. 2 LWG.

Die Berichterstattung über die Punkte 5 bis 7 hat Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Dipl.-Ing. Hannes Missethon: Herr Präsident! Zu Tagesordnungspunkt 5, Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft betreffend den Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1997. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher auf die Verlesung des Antrages.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Februar 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Zu Tagesordnungspunkt 6, Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft betreffend den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1996. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher wieder auf die Verlesung des Antrages.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Februar 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Zu Tagesordnungspunkt 7, Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft betreffend den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1999 gemäß § 9 Abs. 2 LWG. Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher wieder auf die Verlesung des Antrages.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Februar 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.


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Stenographisches Protokoll
650. Sitzung / Seite 77

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

14.05

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute drei Berichte. Als erstes möchte ich auf den Österreichischen Waldbericht 1996 eingehen.

Beim Waldbericht 1996 möchte ich erwähnen, daß unter anderem ein Grund unserer Ablehnung die sehr späte Einreichung hier ist, da wir es nicht als sehr zweckmäßig empfinden, historische Berichte hier im Parlament zu diskutieren, wo wir vor allem und in der Mehrzahl Aktualitäten zu behandeln haben.

Grundsätzlich muß ich sagen, daß alle drei Berichte sehr gut leserlich aufbereitet, gewissermaßen benützerfreundlich sind. Es stimmt mich ein bißchen wehmütig, wenn ich höre, Herr Bundesminister, daß der Waldbericht 1996 der letzte ist, der uns in dieser Form vorgelegt wird. Der Waldbericht 1997 kommt ins Internet und in CD-ROM. Vielleicht ist das auch mit ein Grund, warum wir diesem Bericht keine Zustimmung geben: weil wir diese Berichte doch sehr gerne als Vorlage schriftlich vorliegen haben. (Bundesrat Dr. Liechtenstein: Du stellst sie dir in die Bibliothek?)  – So ist es, das sammelt man ja. Die einen haben den Gotha, und ich habe den Waldbericht zu Hause!

Die Problematik der Forstwirtschaft ist erfreulicherweise – das ist das Problem am Waldbericht 1996; er ist überholt – gering. Die derzeitige Marktlage für die Holzbauern oder Holzerzeuger ist erfreulicherweise nicht schlecht. Ich behaupte nicht, daß sie gut ist, denn sie kann uns nie gut genug sein, Herr Bundesminister! Aber sie ist nicht schlecht, wohingegen das Jahr 1996 ein forstwirtschaftlich gedämpfter Zeitraum war, und das gibt der Waldbericht 1996 klarerweise wieder. Ich möchte Ihnen nun sagen, welche Punkte es sind, auf die Sie, Herr Bundesminister, vielleicht oder sicherlich einwirken können, damit die Situation für die Forstwirte besser wird.

Wir haben in den letzten Jahren diese Berichte immer wieder gehört, und es wurde über schrecklichen Wildverbiß und Umweltschäden berichtet. Bei genauer Durchsicht und Abklärung der verschiedensten Berichte und Überprüfungen kann man erkennen, daß manches auf diesem Gebiet besser geworden ist. Speziell die Verbißschäden sind geringer geworden. Die Naturverjüngung nimmt in weiten Bereichen leicht zu. Sogar Pflanzen, welche für Verbiß sehr anfällig sind, wie zum Beispiel die Tanne – die Weißtanne, wie man auch sagt –, erholen sich. Aber auch die Umweltschäden sind aufgrund der verschiedensten Abkommen und der technischen Einwirkungen auf die Abgasanlagen und so weiter geringer worden. Ich meine, dieses Thema oder diese Bereiche haben wir weitgehend im Griff.

Weniger im Griff haben die Forstwirte – das betrifft vermutlich auch das Ministerium – den im Endeffekt zu geringen Holzabsatz, und zwar insbesondere in den Jungholzarten, in den Durchforstungsholzarten. Da wird die Konkurrenz zum Altpapier sehr groß. So sehr man es einerseits begrüßen kann, daß die österreichische Sammlertätigkeit bei Altpapier ungebrochen stark ist, sosehr bedauere ich es auch als kleiner Holzbauer, daß diese Sammlertätigkeit so groß ist, weil man dadurch eben zuwenig Durchforstungsholz marktgerecht und preisgerecht auf den Markt bringen kann.

Die Überlegungen, ein Gütesiegel einzuführen, werden, wie ich höre, auch von Ihrem Ministerium sehr zurückhaltend betrachtet. Ich hoffe, ein Holzgütesiegel wird nicht eingeführt! Das würde nämlich heißen, daß die österreichische Forstwirtschaft in den letzten 50, vielleicht sogar 150 Jahren eine schlechte Forstwirtschaft war, und das ist etwas, was nicht einmal die Feinde der Waldbesitzer sagen können.

Dabei glaube ich, es gibt gar keine Feinde der Waldbesitzer, denn jeder schätzt den Wald. Es ist eine der romantischen Adern des Mitteleuropäers, den Wald nicht nur als Wirtschaftsbetrieb zu sehen, sondern ihn auch als Gesundheitsträger im Ökosystem zu sehen, sich der Artenvielfalt fast spielerisch hinzugeben und die Verbesserungen der Produktionsformen mitzubetreiben. Ich erwähne, wie Sie sehen, die wirtschaftlichen Bereiche des Waldes schon eher an letzter Stelle, obwohl sie auch für die Bevölkerung in weiten Bereichen soziale Auswirkungen haben, denen wir Waldbesitzer uns auch fast klaglos unterwerfen – Klammer auf: müssen – Klammer zu.


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Ein eigenes Gütesiegel für den österreichischen Wald zu schaffen, nur weil es einem Trend entspricht, wäre ein besonders starkes Mißtrauen der österreichischen Forstverwaltung staatlicher Art gegenüber. Ich meine, die Forstinspektionen Österreichs arbeiten überall sehr gut und tragen dazu bei, die Artenvielfalt und die Gesundung des Waldes mitzugarantieren. Daher bitte kein Gütesiegel! Das bringt nur Kosten und einen erhöhten Verwaltungsaufwand.

Nun zum landwirtschaftlichen Bereich, zum Grünen Bericht. In diesem Punkt kann ich den großen Optimismus, den man von Regierungsseite hier zwangsläufig ausstrahlt, nicht teilen. Herr Bundesminister! Zu vieles läuft in diesem Bereich schlecht. Es ist unbefriedigend, etwa zu hören, daß Amerika und die EU über den Agrarhandel hadern, daß einerseits die Europäer genötigt werden sollen, das Masthormon der amerikanischen Rinder bei uns zu akzeptieren und andererseits das Turbohormon BST und dessen Produkte auf dem europäischen und damit auch auf dem österreichischen Markt gutzuheißen. Ich meine, das sind die Fehlleitungen und Fehlleistungen der Internationalisierung eines Wirtschaftszweiges, der eben nicht der Internationalisierung unterliegen sollte. Darauf komme ich noch einmal zurück.

Wenn hier in Europa über die Agrarsubventionen diskutiert wird, dann kann man sagen, natürlich, diese Subventionen haben wir. Aber man muß auch hinzufügen, daß die Vereinigten Staaten keineswegs weniger Subventionen zahlen. Die USA subventionieren ihre Landwirtschaft sogar viel stärker als die Europäische Union, aber das kommt immer zu wenig heraus. Wir Österreicher werden immer damit geschockt, daß man die enormen Subventionen für die Landwirtschaft anprangert. In Wahrheit hat die EU-Landwirtschaft einen Budgetanteil von nur 2,5 Prozent – und nicht 50 Prozent und mehr, wie man immer behauptet. Die Gesamtbudgets müssen nämlich zusammengefaßt werden, und die Landwirtschaft ist der einzige bislang vergemeinschaftete Wirtschaftsbereich. Dies geschieht – davon bin ich überzeugt – beim falschen Produkt oder in der falschen Sparte.

Die nationale Gewerbeordnung, ein undurchdringliches Bollwerk von Industrie und Patentschutz, und auch die strengen Arbeitsmarktregeln sind für die europäische Landwirtschaft ein sehr großes Problem.

Wir stellen fest, daß sich der Bauernprotest gegen die EU-Agrarpolitik durch eine große Demonstration am 22. Februar in Brüssel sehr stark ausdrückt. Ich hoffe sehr, Herr Bundesminister, Sie werden dort als österreichischer Bauernvertreter mit dabei sein und demonstrieren mit! Das wäre sehr erfolgreich, denn es würde zeigen, daß Sie die Sorgen der österreichischen Landwirte ernst nehmen. Der Bauernzorn kommt sonst über Sie! Das meine ich jetzt nicht direkt persönlich, aber der Bauernzorn ist vorhanden.

So lauten verschiedene Schlagzeilen: "Die Bauern blockieren Europas Grenzen." – Gut, die spanischen und französischen Bauern sind einander schon immer an der Grenze begegnet. Jetzt sind aber sogar schon die polnischen Bauern an den Grenzen und sind gegenüber der Einfuhr von Agrarprodukten sehr sensibilisiert.

Es wird sogar schon davon gesprochen, daß von Kommissar Fischler eine Art Psychoterror gegenüber den Ministern ausgeübt wird. So ist es zumindest in der "Presse" vom 17. Februar kurz zu lesen. Ich meine, wenn das tatsächlich der Fall wäre, dann sollte man sich dagegen wehren! Herr Bundesminister! Wir Freiheitlichen würden Sie dabei unterstützen. Seien Sie standhaft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sind vor wenigen Wochen hier im Bundesrat gewesen und haben sich sehr stark für das Einstimmigkeitsprinzip im Rat ausgesprochen. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Molterer. ) Das stimmt, wir haben damals über das Thema Wasser gesprochen, aber an und für sich über das Einstimmigkeitsprinzip.

Wenn ich dann aber lese, daß unser Herr Vizekanzler – leider auch unserer! – davon spricht, daß im Ministerrat künftig Mehrheits abstimmungen zur Regel werden müßten, dann frage ich Sie: Wer ist stärker bei diesem Stoß-mich-zieh-mich-Spiel, Herr Bundesminister? (Der Redner hält einen Zeitungsartikel mit einer großen Portraitaufnahme des Vizekanzlers in die Höhe.) – Hier in der "Frankfurter Allgemeinen" ist sogar ein Foto des Herrn Vizekanzlers und Bundesmini


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sters abgebildet, der sich heute weigert, hierher zu kommen, um mit uns ein gewisses Problem zu besprechen. Er weigert sich, aber ich habe ihn mitgebracht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch Herr Präsident Schwarzböck hat eher düstere Prognosen für die Landwirtschaft entworfen. Er sagt, die von der EU vorgeschlagenen Preissenkungen für Agrarprodukte kommen nicht beim Konsumenten an! – Ich frage mich wirklich: Was ist das für eine Agrarpolitik, die sowohl die Konsumenten als auch die Produzenten schädigt? – Nur das, was dazwischen liegt, nämlich die Nahrungsmittelindustrie, verdient sich anscheinend goldene Nasen.

Es darf doch nicht wahr sein, daß einerseits die Raiffeisen-Organisation bei der Abnahme der Produkte von den Bauern versagt und daß andererseits vor einigen Jahren der Konsum kaputtgemacht worden ist, welcher eigentlich für die Konsumenten da gewesen ist. Damit sind zwei wesentliche Säulen der österreichischen Agrarwirtschaft kaputtgemacht worden, in dem einen Fall sogar eine Säule der Sozialdemokratie. Die Sozialdemokratie steht also nur noch auf beiden Beinen und nicht auf dreien wie ehedem. Daher wackelt sie auch manchmal! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie selbst haben das Ausmaß der Preisreduktionen kritisiert und einen Einkommensausgleich für Bauern sowie die Mengensteuerung gefordert. Ich hoffe, Sie werden recht bekommen, aber hoffentlich sind es nicht nur Halbherzigkeiten, die man unternimmt. Man darf doch den Bauern nicht mit Halbherzigkeiten Reformen für die Zukunft verbauen! Ich frage Sie daher: Was sind das für Reformen, und wie arg wären diese Reformen, wenn sie ganzherzig wären? – Denn bereits bei diesen halbherzigen Reformen scheinen mir die Bauern vielfach zu verhungern!

Auch Herr Präsident Krennthaler kritisiert das Versagen der AMA. Der AMA wird seit Jahren Geld zugeführt. Die Produzenten selbst führen das Geld der AMA zu, aber diese ist unfähig, die Werbetrommel in dem Sinne zu rühren, daß die Konsumenten mehr von diesen Produkten essen! Irgend etwas muß falsch laufen, zumindest das, daß dort Geld kassiert wird, ohne daß eine Leistung vorhanden ist.

Herr Bundesminister! Der Kompromiß, den man jetzt in Brüssel anscheinend sucht, kann nicht darin liegen, daß die Preise gesenkt und nur Prämien gezahlt werden. Die französischen Bauern klagen darüber. Sie verlangen: "Nous voulons des prix et pas des primes!", "Wir wollen Preise und keine Prämien!" – Es ist eine Verachtung des Bauernstandes, daß er nur noch Prämien bekommen soll und seine Produzentenpreise nicht mehr richtig überwälzen kann. Ich meine, diese Möglichkeit müssen Sie wahrnehmen! Schützen Sie den österreichischen Bauern vor dem Ungemach aus Brüssel! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Behaupten Sie nicht, daß es für die Bauern auch ohne Brüssel schlecht gekommen wäre! Diese Behauptung können wir nicht widerlegen, den Gegenbeweis können wir nicht antreten, Sie allerdings den Beweis auch nicht. Ich meine, die Bauern – sowohl die Produktion wie der Absatz ihrer Produkte – müßten wieder soweit wie möglich innerstaatlich geschützt werden. Man kann keine Weltkartellbehörde errichten, wie es manchmal gefordert wird.

Universitätsprofessor Anton Schöpf – Sie kennen diese Aussage sicherlich – meint, daß die EU-Osterweiterung die Fehler der derzeitigen Landwirtschaftspolitik noch verstärken wird. Er glaubt auch, daß es für die mittel- und osteuropäischen Staaten besser wäre, eine Freihandelszone zu errichten, als den derzeitigen Weg fortzuschreiten, wie es die österreichische Bundesregierung tut.

Schöpf bezeichnet die Landwirtschaft und den freien Markt als fundamentalen Gegensatz. – Ich kann nur sagen: Wie wahr! Herr Bundesminister! Man kann die Landwirtschaft nicht brutal dem freien Markt aussetzen. Sie sagen jedoch, der Weg in die Zukunft sei ein europäischer. Herr Bundesminister! Das betrachte ich fast als eine Drohung. Denn eine rein europäische Agrarwirtschaft ist schon deshalb nicht möglich, weil wir uns der WTO anschließen mußten, und das war nicht der Wunsch der Bauern. Die Bauern wollen keine WTO. Sie werden nie den Feinkostladen haben, der plötzlich ihre schönen Würstchen und Saumaisen in Chicago verkaufen kann. Das ist schlichtweg unmöglich! Dieses Ansinnen sollte man den Bauern gar nicht zumuten.


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Die Europäische Union sowie die Welthandelsorganisation sind für die Landwirtschaft, aber auch für die Menschen insgesamt unangemessen. Der Mensch wird in solch einer Vermassungsgesellschaft als Rohstoff betrachtet, den man schlichtweg hin und her manipulieren kann. Dekuvrierend dazu war, daß der Herr Bundeskanzler selbst letztes Jahr anläßlich der Feier "80 Jahre Republik Österreich" den Menschen als wertvollsten Rohstoff der Republik bezeichnet hat. – Er hat sich nie für diesen Ausdruck entschuldigt. Das ist solch eine materialistische Auffassung des Menschen, daß ich mich fragen muß: Wie kann dieser Mensch, dieser Rohstoff, als Bundeskanzler solche Zustimmungsraten haben? – Zumindest sagen das immer die Medien. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Rechtsphilosophisch möchte ich zum Abschluß noch folgendes sagen: Die stufenweise voranschreitenden universalen Entgrenzungen, die vorgenommen wurden und werden, bedeuten, soweit sie reichen, die Zuerkennung ungehemmter potentieller Machtausdehnung für die so freigesetzten Kräfte und Interessen. Sie negieren insoweit zugleich die Eigenständigkeit und Subjektstellung kulturgeprägter Wirtschafts- und Lebensräume, auch der Staaten, die ihrerseits miteinander in Beziehung treten, Handel und Austausch miteinander vereinbaren und – auch Grenzen setzend – regulieren. Statt dessen wird die Welt als einheitlicher Wirtschafts- und Handelsraum konzipiert, wenngleich sie ein solcher angesichts der vorhandenen strukturellen Verschiedenheiten nicht ist.

Auf diese Weise werden sowohl die Fungibilität des Kapitals mit seiner Suche nach Rentabilität als auch die Konkurrenz der Märkte als antreibender Motor wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen immer weiter freigesetzt. Grenzenlose Freisetzung bedeutet aber in dem Maß, in dem sie geschieht, die Begründung einer alleinigen Subjektstellung für diejenige Kraft oder Verhaltensweise, die so freigesetzt wird. Betrifft sie das Kapital, so wird es mit seiner Suche nach Rentabilität zu dem maßlosen Subjekt; es vermag, soweit seine Freisetzung reicht, alles andere sich unterzuordnen und seinen Funktionsbedingungen zu unterwerfen.

Überkommene Lebensformen, kulturell und geographisch bestimmte Existenzbedingungen, die begrenzte Mobilität der Arbeitskräfte, weil sie in der übergroßen Mehrzahl bestehenden Siedlungsräumen verhaftet sind – also der Heimat –, vermögen demgegenüber keinen Eigenstand, keine Subjektqualität zu gewinnen – es sei denn, das Recht verschafft sie ihnen durch Grenzziehungen und Zuordnungen. Wir brauchen Grenzen, Herr Bundesminister, und nicht die grenzenlose Landwirtschaft.

Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Die Bedingungen landwirtschaftlicher Erzeugung und die daraus herrührenden Produktivitäts- und Ertragsaussichten sind weltweit sehr unterschiedlich. Im Sinne reiner Marktökonomie und globalen Wettbewerbs sind die Nahrungsgüter, deren die Menschen weltweit bedürfen, dort zu produzieren, wo dies am kostengünstigsten geschehen kann. Daß für Millionen Menschen eine auch weniger produktive Landwirtschaft Existenzgrundlage und kulturelle Lebensform bietet, daß ein einheitlicher Produktivitätsstandard wegen der unterschiedlichen geographischen Bedingungen, Bodenqualität und Witterungsgegebenheiten nicht herstellbar ist, daß andererseits das Brachliegen weiter Flächen zu Verkarstung, zur Verarmung und Entvölkerung weiter Landstriche führt, spielt nach dem Marktprinzip keine Rolle.

Die Menschen müssen sich, damit Fehlallokationen vermieden werden, nach den markt- und wettbewerbsbestimmten Arbeitsmöglichkeiten und Arbeitsstandorten richten, sich gegebenenfalls umschulen, auch mehrfach umschulen, oder auswandern, Lebenswelt und Kulturraum verlassen. Wollen wir das, Herr Bundesminister?

Nimmt das Recht hier nicht Grenzziehungen und Zuordnungen vor, verlieren die erwähnten Faktoren und insbesondere die Menschen, für die die Wirtschaft doch dasein sollte, gegenüber dem reinen Marktprinzip Eigenstand und Subjektqualität? – Sie werden dann unter die Funktionalität und Fungibilität von Kapitalverkehr, Daten- und Know-how-Transfer, Produktionskosten, Gewinnerwartungen und wirtschaftlichen Wachstumschancen subsumiert, ohne demgegenüber eine Widerständigkeit durchhalten zu können.


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Schon die Sprache ist bezeichnend und verräterisch. In der Marktökonomie erscheinen Menschen als Humanressourcen oder Humankapital oder wertvollster Rohstoff für den Wirtschaftsprozeß. Ihr Wert ist an den Grad ihrer Nützlichkeit und ihren Beitrag zu Produktivität, Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit gebunden. Um sich das Recht auf Arbeit zu bewahren, müssen Humanressourcen billig, flexibel, ständig auf der Höhe der Zeit und rezyklierbar sein.

Entsprechendes gilt für den Umgang mit der Tierwelt, insbesondere der wirtschaftlich nutzbaren Tiere, und den natürlichen Ressourcen. Die Vergemeinschaftung, sehr geehrter Herr Bundesminister, ist ein Sündenfall, der meines Erachtens nicht oder kaum mehr gutzumachen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Trotzdem, Herr Bundesminister, möchte ich Ihnen symbolisch für die landwirtschaftlichen Preise drei sehr ordentliche, von einer Bäuerin – ihr Mann ist Schweinezüchter – hergestellte, kleine Nutscherl geben. Sie verkauft diese hier in Wien in einem Zuckerlgeschäft. (Der Redner überreicht Bundesminister Mag. Molterer drei kleine Schokoladeschweinchen.) Ich sage Ihnen jetzt, wieviel diese drei kleinen Nutscherl kosten. Ein Geschenk preist man sonst nicht mit der Nennung des Preises an. Sie kosten pro Stück 20 S. Sie wissen, was ein Kilo Schweinefleisch beim Bauern kostet, wenn er eine Sau verkauft: ungefähr 10 S. (Allgemeine Heiterkeit.) Sie wissen auch, was ein Kilo Rindfleisch kostet. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie wissen, wieviel Verluste die Bauern diesbezüglich einstecken müssen.

Herr Bundesminister! Die Schere zwischen Erzeugerpreis und Konsumentenpreis klafft derart weit auseinander, daß es ein Skandal ist. Unternehmen Sie etwas! Schützen Sie die Bauern, schützen Sie aber auch die Konsumenten! Meine Sympathien gelten nicht der Agrarindustrie. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwiegespräch zwischen Bundesrat Mag. Gudenus und Bundesminister Mag. Molterer, der dem Redner einen Geldschein zur Bezahlung der Schokoladeschweinchen geben möchte. – Bundesrat Mag. Gudenus: Die Bäuerin habe ich bezahlt! – Bundesminister Mag. Molterer: Ach so, danke! – Bundesrat Mag. Gudenus: Haben Sie gedacht, ich raube die Bäuerin aus? – Bundesrat Steinbichler: Was sind die Vorschläge der Freiheitlichen zur Lösung der Problematik?)  – Kommen Sie heraus, wir werden darüber diskutieren! Sie sehen ja das rote Licht. Meine Redezeit ist vorbei. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

14.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Günther Leichtfried das Wort. – Bitte.

14.28

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Herr Kollege Gudenus, es sei Ihnen natürlich unbenommen, sich über die Stabilität der Sozialdemokratie Gedanken zu machen. Ich möchte aber festhalten, daß die Sozialdemokratie stabiler als je zuvor ist, dies nicht nur in Österreich, sondern europaweit, und ich würde Ihnen empfehlen, selber bei der FPÖ die Beine, die Sie bei uns vermissen, zu suchen.

Um ein wenig zeitökonomischer vorzugehen, als es mein Vorredner getan hat, hat sich meine Fraktion dazu entschlossen, die Besprechung der natürlich sehr umfassend zu diskutierenden Berichte, Grüner Bericht und Waldbericht, zu teilen. Mein Part wird jetzt der Waldbericht sein. Kollege Kraml wird sich dann den Grünen Bericht vornehmen.

Von meinem Vorredner wurde bemerkt, daß er eher zu einem historischen Bericht aus dem Jahre 1996 spreche. Wir wissen, weshalb dieser Bericht erst jetzt fertiggestellt werden konnte. Man muß berücksichtigen – ich glaube, es ist sehr wichtig, daß das so erfolgt ist –, daß die Waldinventur, die von 1991 bis 1996 vorgenommen wurde, eben in umfassender Art und Weise in diesen Bericht eingearbeitet wurde. Daß dieser Bericht vielleicht trotzdem ein bißchen schneller hätte erstellt werden können, lag aber nicht nur im Verantwortungsbereich des Landwirtschaftsministeriums, sondern auch in anderen Bereichen.

Nun konkret zum Waldbericht 1996: Die Wälder sind weltweit in Gefahr. Saurer Regen zerstört die Wälder. Das Wild frißt den Wald kaputt. – Das waren die Slogans in den frühen achtziger


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Jahren, welche den Bürger sehr nachdenklich gestimmt und die auch die Politik dazu veranlaßt haben, Maßnahmen zur Verbesserung des Waldzustandes einzuleiten. (Präsident Jaud übernimmt den Vorsitz.)

Viele Menschen haben zum Wald eine ganz besondere Beziehung, was wahrscheinlich mit dem Wissen zusammenhängt, daß der Schutz des Waldes Erholung und auch Einkommen bietet und daß der Wald unser Wohlbefinden ganz wesentlich beeinflußt.

Führt man nun eine einigermaßen seriöse Analyse durch, jenseits von apokalyptischen Vorhersagen, jenseits auch von Schönfärbereien – solch eine seriöse Darstellung wurde im Waldbericht 1996 gemacht –, so kann man folgendes festhalten:

Erstens: Man kann mit dem Zustand unseres Waldes nicht hundertprozentig zufrieden sein. Man muß zur Kenntnis nehmen, daß es Probleme gibt, daß aber auch das Horrorszenario der achtziger Jahre Gott sei Dank nicht eingetreten ist.

Zweitens: Die Waldflächen und die Holzvorräte sind im Zunehmen begriffen. 46,8 Prozent unseres Bundesgebietes sind bewaldet, 75 Prozent davon sind reiner Wirtschaftswald, knapp unter 20 Prozent sind Schutzwald.

Drittens: Ein immer größeres Augenmerk wird auf die Aufforstung von Laub- und Mischwäldern gerichtet.

Viertens: Die Stabilität des Waldes ist durch permanent wirkende Luftverunreinigungen und durch Stamm- und Verbißschäden nach wie vor gefährdet.

Meine Damen und Herren! Positiv herausstreichen möchte ich, daß die Baumartenverteilung im Wald durch die forstliche Bewirtschaftung wieder standortgerechter durchgeführt wird. Wurde in der Vergangenheit aus rein wirtschaftlichen Gründen auch in tiefen Lagen, vor allem durch Einbringung von Fichte und Kiefer, der Anteil an Nadelbäumen vermehrt und damit auch eine Überschreitung der ökologischen Toleranz der Standorte in Kauf genommen, was vermehrtes Schädlingsauftreten, Bodenverschlechterung und stärkere Sturm- und Schneeschäden zur Folge hatte, so wird in den letzten Jahren der Anteil an standortgemäßen Laubbaumarten stark forciert.

Leider – das wurde schon von meinem Vorredner festgestellt – konnte der Rückgang der ökologisch wertvollen, stabilisierend wirkenden Mischbaumart Tanne noch nicht abgefangen werden. Wesentliche Ursache für den Rückgang der Tanne ist der übermäßige Wildverbiß in der Jugend des Baumwuchses. Dies stellt eine besondere Gefahr für unsere Schutzwälder dar. Ohne begleitende jagdliche Maßnahmen zur Verminderung des selektiven Verbisses ist die Aufzucht naturnaher Mischbestände daher vielfach aussichtslos.

Die Ergebnisse der österreichischen Waldinventur zeigen deutlich den hohen Verbißdruck in den österreichischen Wäldern. 85 Prozent der Waldflächen mit notwendiger Verjüngung weisen eine Beeinflussung durch Wildverbiß auf. In nur 33 Prozent der österreichischen Waldgebiete herrscht ein Gleichgewicht zwischen Wald, Wild und Weidevieh.

Die Ursachen dieser Entwicklung sind vielfältig: Das Großraubwild als natürlicher Konkurrent ist nicht mehr vorhanden und kann aufgrund veränderter Biotopverhältnisse und vieler anderer Gründe nicht mehr heimisch gemacht werden. Die selektiv wirkenden strengen Winter werden durch Wildfütterung entschärft, und Abschußpläne werden zum Teil sehr großzügig ausgelegt. Aus Pansenanalysen weiß man, daß das Schalenwild vor allem Tannen und Laubhölzer als Nahrung bevorzugt. Es selektiert daher aus den forstlichen Verjüngungsflächen gerade jene Baumarten heraus, die für die Stabilität des künftigen Waldbestandes von entscheidender Bedeutung sind.

An der Zunahme der Schälschäden sind aber auch, meine Damen und Herren, Tourismus, exzessive Besiedlung, Verkehr und vieles mehr mitbeteiligt. Der Lebensraum des Wildes wird immer stärker eingeengt und sogenannte Wildballungszentren werden gebildet, in denen ein be


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sonderer Druck auf die aufwachsenden Jungbäume entsteht. Es wird daher notwendig sein, falsch verstandene "Bambi-Mentalität", subjektiven Naturschutz und nachteilige Interessenprioritäten zurückzudrängen, um im Kampf um mehr Vielfalt in unserem Waldbaumbestand erfolgreich zu sein.

Zusammenfassend kann daher folgendes festgestellt werden: In unserem Wald gibt es Probleme; Probleme, die uns fordern, die aber auch in gemeinsamer Anstrengung zu lösen sind. Unser Wald ist nicht tot, unser Wald lebt und läßt sich herzeigen!

Ich möchte mich im Namen meiner Fraktion bei den Beamten und Beamtinnen, die an der Erarbeitung dieses wissenschaftlich qualifizierten Berichtes beteiligt gewesen sind, bedanken. Die SPÖ-Fraktion wird dem Waldbericht 1996 daher ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.36

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Rodek. Ich erteile ihm dieses.

14.36

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich darauf aufmerksam machen, daß ich mit der Redezeit von zehn Minuten unter Umständen nicht das Auslangen finden werde; noch dazu, weil es mich drängt, zu den Bemerkungen des Bundesratskollegen Gudenus betreffend Grüner Bericht – jetzt ist er weggegangen (Bundesrat Farthofer: Der ist in den Wald gefahren! – Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ), er ist offensichtlich in den Wald gegangen – doch einige Repliken zu machen.

Für mich ist es unverständlich, daß Sie sich hier auf diese Art und Weise für die Schweinebauern einsetzen, deren Situation wirklich sehr ernst ist. (Bundesrat Mag. Gudenus betritt den Sitzungssaal.) Herr Kollege Gudenus! Ich rede gerade von Ihnen und über die Lage der Schweinebauern, für die Sie sich nach meinem Dafürhalten in polemischer Art und Weise eingesetzt haben. Das Verhalten der Freiheitlichen ist absolut kontraproduktiv zu dem, was eigentlich erreicht werden soll.

Ich brauche nur die Diskussion in der Nationalratssitzung vom 27. November 1998 über die Sitzung des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft herzunehmen, in der über Antrag unseres Bundesministers durch das Budgetüberschreitungsgesetz 1998 überhaupt erst eine Hilfe in der Höhe von 150 Millionen Schilling für die Schweinebauern ermöglicht wurde. Wenn man noch den Länderanteil dazunimmt, so sind es 300 Millionen Schilling, die auf diese Art und Weise den Schweinebauern gerettet werden konnten. Sie haben damals dagegengestimmt. Das funktioniert aber nicht durch solche polemischen Aktionen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte gleich dazusagen: Sie haben auch einen Antrag eingebracht, und zwar einen Antrag mit dem Inhalt, 150 Millionen Schilling an Interventionsmittel für den Schweinesektor bereitzustellen, obwohl Sie wissen hätten müssen – oder Sie haben es nicht gewußt, dann haben Sie es falsch gemacht –, daß gemäß der EU-Marktordnung unter den Mitgliedstaaten keine Eingriffe in den Markt gemacht werden dürfen und Ihr Antrag daher an und für sich von Haus aus schon gesetzwidrig gewesen ist. Also Ihre Hilfe ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie sagen, wie schlecht die EU für die Bauern ist! Sie haben innerstaatlich gar nichts gemacht für die Bauern! Man kann gar nichts mehr machen auf innerstaatlichem Gebiet!)  – Doch, aber Sie, Herr Kollege, waren nicht anwesend. Die Bereitstellung dieser 300 Millionen Schilling wurde ermöglicht, und zwar mit dem richtigen Antrag. Sie haben einen falschen Antrag gestellt, weil Sie die Gesetzeslage nicht gekannt haben. Das ist das eine.

Das andere ist, daß Sie erstaunlicherweise sagen, daß Sie für diese Subventionen eintreten. Sie bezeichnen sie als Subventionen, ich bezeichne sie als Ausgleichszahlungen für berechtigte Leistungen, die die Landwirtschaft gegenüber der Allgemeinheit erbringt. Sie setzen sich auf der einen Seite dafür ein, aber Ihr Chef, Herr Haider, fordert auf der anderen Seite deren Abbau.

Ich brauche nur eine Meldung vom 18. Jänner dieses Jahres heranzuziehen, in der er überhaupt die Einstellung der Nettozahlungen Österreichs an die EU verlangt. – Sie wissen aber sehr


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genau, daß da sehr viel Geld wieder aus Brüssel zurückkommt (Bundesrat Mag. Gudenus: ... gleich hier auszahlen!) und diese rückfließenden Mittel wieder überwiegend der Landwirtschaft in Österreich zugute kommen. Das heißt, wenn man die Auszahlung dieser Mittel einstellt ... (Bundesrat Weilharter: Warum der Umweg über Brüssel? – Bundesrat Mag. Gudenus: Gleich direkt an den Bauern zahlen!)  – Aber bitte, die Nettozahlungen haben nicht unbedingt etwas mit Landwirtschaft zu tun. Die Landwirtschaft profitiert jedoch sehr stark von diesen Zahlungen. (Bundesrat Weilharter: Da hinkt Ihr Vergleich! Ihr Beispiel hinkt!)

Aber ich kann Ihnen, Herr Kollege Weilharter, sagen, daß auch andere Forderungen von seiten des Herrn Haider zu hören sind. In der Sendung "Pressestunde" hat er zum Beispiel am 5. Februar 1995 wörtlich erklärt:

Zum Zweiten würden wir verlangen, daß man die derzeitigen Subventionen um 50 Prozent streicht. Das tut niemandem weh, nicht einmal der Landwirtschaft. – Zitatende.

Also da wird eine Kürzung von Haus aus verlangt. Das sind österreichische und nicht EU-Angelegenheiten. Genau dasselbe gilt für Ihr "hervorragendes" Steuermodell, dieses Flat-Tax-Modell, und zwar für den Vorschlag, 20 Milliarden Schilling durch den Abbau von Subventionen einzusparen. Sie wissen genau, daß das sehr wohl und in erster Linie aufgrund der geltenden Marktordnungsregelungen wahrscheinlich auch die Landwirtschaft treffen wird, auch wenn Sie es noch so sehr abstreiten.

Es gibt noch viele andere Dinge, die ich Ihnen dazu sagen würde, aber ich habe Kollegen, die sich ebenfalls gerne dazu äußern möchten. Daher werde ich mich ab jetzt auf den Grünen Bericht beschränken. Zunächst möchte ich lobend hervorheben, daß mit diesem Bericht eine ausführliche Darstellung der Landwirtschaft im dritten Beitrittsjahr zur Europäischen Union vorliegt. Der Grüne Bericht – das möchte ich als besonders lobenswert erwähnen, Herr Bundesminister – wurde in den letzten Jahren immer professioneller und ist uns ein hervorragendes Spiegelbild der Entwicklung der Landwirtschaft.

Aus diesem Bericht sind grundsätzlich folgende Tendenzen abzuleiten: Erstens hat die Förderung der Zielgebiete im gesamten ländlichen Raum zusätzliche Impulse gegeben, und zweitens ist es erfreulich, daß das Umweltprogramm von den österreichischen Bauern so gut angenommen worden ist, die Zahl der geförderten Betriebe immer noch steigt und Österreich innerhalb der Europäischen Union somit eine Vorbildfunktion zukommt (Bundesrat Mag. Gudenus: Sterbende Vorbilder!)  – wir haben bessere Vorbilder als Sie, Herr Kollege! –, und drittens ist daraus zu ersehen, daß sich – langsam aber sicher – mittlerweile marktwirtschaftliches Denken unter den Bauern durchgesetzt hat. Und ich glaube, das ist gut so, denn die alleinige Produktion von Fleisch, Milch, Getreide, also eine reine Rohstoffproduktion, befriedigt zwar die Grundbedürfnisse, also die Sicherung der Ernährung, deren Bedeutung aber seit 1945 sicherlich weitestgehend abgenommen hat, denn die Menschen in Mitteleuropa plagt ja nicht mehr der Hunger, sondern eher der Wohlstandsspeck. (Bundesrat Mag. Gudenus: Seit wann hat es abgenommen?)

Herr Kollege! Sie plagt nicht der Wohlstandsspeck, mich schon ein bißchen. Die Erzeugung von sogenannten intelligenten Produkten ist daher angesagt. Da bin ich ganz bei Ihnen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Ja, wann?) Ich denke dabei in erster Linie an die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen als Baustoff und Energieträger und möchte in diesem Zusammenhang dir, sehr geehrter Herr Bundesminister, gratulieren, daß es dir gelungen ist, die Beimengung von 2 Prozent Biodiesel ab dem Jahre 2000 durchzusetzen.

Ein erfreulicher Ansatz ist aber auch die Absicht der Stadt Wien, den gesamten Dienstwagenfuhrpark auf Biodiesel umzustellen. Dabei ist anzumerken, daß zum Beispiel aus Rapsöl auch andere Produkte erzeugt werden können, etwa – wie von dir angeregt – Druckfarben aus Pflanzenöl oder eine ganz neue Innovation unserer Braunauer Firma Vialit, die dem Asphalt Rapsöl beimischt und damit hervorragende Ergebnisse erzielen kann. Durch all diese Innovationen ist es sicherlich möglich, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Man spricht davon, daß die mögliche Anzahl unter Umständen in einer Dimension von 30 000 bis 40 000 liegt.


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Nun zur Einkommenssituation des Grünen Berichtes. Es ist richtig, daß die realen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gegenüber dem Jahre 1996 um knapp 4 Prozent zurückgegangen sind. (Bundesrat Mag. Gudenus: Freuen Sie sich darüber?) Dabei ist jedoch festzuhalten, daß das nicht für alle Betriebe gilt, Herr Kollege, sondern daß dies je nach Betriebsform und Lage unterschiedlich ist, daß das nur ein Durchschnittsergebnis ist und eigentlich unterschiedliche Ergebnisse erzielt worden sind. (Bundesrat Mag. Gudenus: Was machen Sie dagegen? – Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. ) Betriebe in Gunstlagen zum Beispiel oder jene mit einem hohen Forstanteil konnten durchaus Gewinne erwirtschaften, während in erster Linie bei den Futterbaubetrieben Verluste festzustellen gewesen sind, was auch damit zusammenhängt, daß die degressiven Beiträge etwas zurückgegangen sind. (Bundesrat Mag. Gudenus: Machen Sie etwas dagegen!) Das war auch ein Beschluß.

Aber generell ist zur Einkommenssituation zu sagen, daß sie nach wie vor sehr kritisch ist, Herr Kollege Weilharter, darin gebe ich Ihnen völlig recht. (Bundesrat Mag. Gudenus: Deswegen stimmen Sie zu!) Die Bauern stehen laut dem Parlamentsbericht am Schluß der Einkommensskala. Tatsache ist auch, daß die Bauern nur von dem, was sie über die Marktpreise erzielen, nicht leben können. Es muß daher Vorsorge getroffen werden, daß ein großer Teil ihres Einkommens aus dem Arbeitseinsatz erzielt werden kann. Ich glaube, das gehört zum Selbstverständnis jedes Menschen.

Ein lebensfähiger Bauernstand braucht für die Zukunft aber auch stabile und verläßliche Rahmenbedingungen, denn die Landwirtschaft ist nach wie vor der Motor des ländlichen Raumes. Es gilt daher, alles zu unternehmen, um die bäuerlichen Betriebe mit ihren multifunktionellen Aufgaben zu stärken. Es müssen alle bäuerlichen Leistungen, die zwar einerseits von der Allgemeinheit gefordert werden, wie zum Beispiel die Einhaltung bestimmter Umweltauflagen oder Hygienestandards, andererseits aber nicht honoriert werden, von der Gesellschaft über Förderungen, Herr Kollege Gudenus, abgegolten werden.

Natürlich darf man dabei nicht vergessen, daß höheres Einkommen nicht nur durch Ertragssteigerungen und Ausgleichszahlungen erwirtschaftet werden kann, sondern auch durch Kostenentlastung auf der Produktionsseite. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das stimmt!) Ich kritisiere durchaus, daß die Betriebsmittel in Österreich noch weit höher sind als in anderen vergleichbaren Ländern der Europäische Union. (Bundesrat Mag. Gudenus: Also tun Sie etwas dagegen!) Dabei denke ich vor allem an die Treibstoffpreise, die für unsere Landwirtschaft die höchsten innerhalb der europäischen Gemeinschaft bedeuten. Ich unterstütze daher die Forderung des Bauernbundes, "Heizöl leicht" verwenden zu dürfen, wie es bereits in Frankreich, Belgien, Finnland und Irland möglich ist.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Empfehlungen der §7-Kommission. Dazu wird auch Kollege Schaufler noch etwas sagen. Durch eine Erfassung und Darstellung des Arbeitseinsatzes in der Landwirtschaft, so wie es in der Schweiz und in Deutschland schon gang und gäbe ist, werden Aufschlüsse über die Belastungssituation der einzelnen Betriebe möglich.

Aufrechterhalten möchte ich auf jeden Fall die Forderung an den Finanzminister nach Anhebung des Vorsteuerpauschales von 10 auf 12 Prozent. Diese Forderung ist mehr als gerechtfertigt, denn durch den Preisverfall bei landwirtschaftlichen Produkten seit dem EU-Beitritt und der unveränderten Preissituation – ich habe es schon erwähnt – auf dem Betriebsmittelsektor gibt es keinen gerechten Vorsteuerausgleich mehr. Damit verstößt die derzeitige Umsatzsteuerpauschalierung sogar gegen das Recht der Europäischen Union, nach diesem ist nämlich die Höhe des Pauschalausgleiches anhand der marktökonomischen Daten der vergangenen drei Jahre festzulegen. In Österreich – so hat das WIFO errechnet – beträgt durch diese systemwidrige Umsatzsteuerbelastung der jährliche Verlust für die Landwirtschaft 1,5 Milliarden Schilling. Das Finanzministerium bestreitet das auch gar nicht. Und ich freue mich, Herr Bundesminister, jetzt zu hören, daß offensichtlich im Zuge der Steuerreform diesen berechtigten Anliegen der Landwirtschaft tatsächlich Rechnung getragen wird. (Bundesrat Eisl: Aber ihr seid schon noch Mitglied der Bundesregierung?) Gut Ding braucht Weile! (Bundesrat Eisl: Das dauert aber schon sehr lange!) Herr Kollege Eisl, darf ich Ihnen etwas sagen? – Wir haben wenigstens


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Vorschläge, und wir wissen, daß etwas durchzusetzen ist. (Bundesrat Eisl: Bis jetzt hat es noch nichts genützt! – Bundesrat Hensler: Wir werden uns schon noch durchsetzen!)

Ich darf Ihnen ein kleines Beispiel aus meinem Bezirk bringen. Ich bin in meiner Eigenschaft als Bauernbundsekretär viel am Lande unterwegs und habe mit den Problemen der Landwirtschaft sehr viel zu tun – vielleicht mehr als Sie, denn ich werde dauernd mit diesen Problemen konfrontiert. Eines Tages kommt ein mir sehr gut bekannter Landwirt zu mir und sagt: Du wirst dich jetzt wundern, daß ich bei dir bin! – Er war nämlich der Obmann der Freiheitlichen Partei. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) Ich antworte: Ja, da wundere ich mich schon!

Daraufhin sagt er: Erstens einmal kennst du dich im Steuer- und Sozialrecht aus – da haben wir überhaupt niemanden in unserer Partei, der mir darüber eine Auskunft geben könnte (Heiterkeit bei der ÖVP – demonstrativer Beifall des Bundesrates Hensler )  –, und zweitens geht mir das Ganze fürchterlich auf die Nerven. Bei jeder Sitzung in Linz wird nur darüber diskutiert, wie wir die Bauernschaft, wie wir die Regierung angreifen können, wie wir sie schädigen können, und es wird nie ein konstruktiver Vorschlag eingebracht. Und das geht mir so auf die Nerven, und das habe ich ihnen dort auch gesagt, darauf haben sie gesagt, dann gehst du halt, du mußt ja nicht da sein. Und bevor sie mich ausgeschlossen haben, habe ich freiwillig die Freiheitliche Partei verlassen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Haselbach: Ja, so sind sie!)

Das sind die Vorschläge Ihrer Seite! Außerdem, gar so ernst dürften Sie das ohnehin nicht nehmen, denn wenn ich mich im Bundesrat umschaue, so sehe ich, daß von freiheitlicher Seite kein einziger aktiver Bauer mehr hier sitzt, während die ÖVP immerhin noch drei aktive Bauern entsendet hat.

Zurück zum Grünen Bericht. Erfreulich – das darf ich Ihnen sagen – war für die Wirtschaft auch, daß kein Rückgang bei den landwirtschaftlichen Investitionen festzustellen gewesen ist. Österreichs Bauern investieren rund 90 Milliarden Schilling. In Oberösterreich – so ist zu lesen gewesen – sind im Vorjahr von der Landwirtschaft 30 Prozent mehr Investitionen getätigt worden. So schlecht kann die Agrarpolitik also doch nicht gewesen sein, sonst wären diese Investitionen gar nicht möglich gewesen. Aber – darin gebe ich Ihnen recht – ein Bauer weniger bedeutet drei Arbeitsplätze in der Gesamtwirtschaft weniger, denn jeder Bauer sichert Arbeitsplätze im vor- und auch im nachgelagerten Bereich. Deutlich wurde das durch jene 100 Kündigungen bei der Steyr Antriebstechnik, im Zuge derer auch offen zugegeben wurde, daß die nicht gerade rosige Lage der Landwirtschaft für diese Kündigungen verantwortlich ist. Das muß natürlich zu denken geben!

Natürlich muß man auf der anderen Seite zugeben, daß es schon immer einen gewissen Strukturwandel gegeben hat und nicht die Agrarpolitik die Ursache ist. Vielleicht ist dieser Strukturwandel durch den EU-Beitritt etwas beschleunigt worden. Dabei ist die Anzahl der Kleinstbetriebe unter zwei Hektar am meisten gesunken, es sind dies natürlich Betriebe, die kaum oder nur sehr wenig Produktion gehabt haben, und jene Flächen, die mit deren Aufgabe frei geworden sind, wurden von den Vollerwerbsbauern – die Fläche ist nicht weniger geworden – im Pachtwege übernommen und haben dort zur Standortfestigung sicherlich beigetragen. Eine Reduzierung dieser Betriebe, werte Kolleginnen und Kollegen, bedeutet also nicht zwangsläufig eine Minderung der Produktion, sondern ganz im Gegenteil: Durch den rationellen Einsatz von Maschinen und Arbeitskraft ist eine Ausweitung bei fast allen landwirtschaftlichen Erzeugnissen festzustellen, und das nicht nur in Österreich.

Darin liegt eben auch die Problematik, denn im Jahre 1999 läuft die geltende Marktordnung der Europäischen Union aus. Es ist daher zwingend notwendig, daß sich die europäische Agrarpolitik auf neue gemeinsame Grundlinien einigt. Andernfalls kommt der Weltmarkt gleichsam automatisch durch die Hintertür, aber nur wenige Regionen in Europa haben Weltmarktbedingungen und können zu diesen Weltmarktbedingungen produzieren, Österreich schon gar nicht!

Nicht nur die Agrarminister, sondern auch die Staats- und Regierungschefs bekannten sich daher im Jahre 1997 zum Modell der Europäischen Landwirtschaft. Die für die Landwirtschaft entscheidende Frage wird aber ihre Finanzierung sein, denn bei einer vorgesehenen Senkung der


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Erzeugerpreise in der Höhe von 15 bis 30 Prozent müssen durch konkrete Direktmaßnahmen die Einkommensverluste ausgeglichen werden. Hier aber scheiden sich die Geister, denn während der Vorschlag der EU-Kommission vorsieht, die Agrarleitlinie beizubehalten – das heißt, die Mittel für die Europäische Landwirtschaft wachsen entsprechend dem Wirtschaftswachstum der Europäischen Union –, brachten leider Gottes unser Finanzminister Edlinger, aber auch Finanzminister Lafontaine, Vorschläge ein, die das Einfrieren der Agrarmittel vorsehen und nach denen nur mehr die Inflation abgegolten werden soll.

Vorgeschlagen wird in diesem Zusammenhang eine zeitlich degressive Prämienkürzung, die aber dazu führen würde, daß auch die Ausgleichszahlungen dauerhaft nicht mehr gesichert werden könnten – und das kann es doch nicht sein! Ich begrüße daher deinen Vorschlag, sehr geehrter Herr Bundesminister, eine Einschleifregelung für die Agrarförderung nach der Größe der Betriebe zu schaffen. Damit würde vor allem auf die kleinstrukturierte Landwirtschaft Rücksicht genommen. In Wahrheit sind es also die ... (Einige Bundesräte der SPÖ nicken.) Das Nicken wird gleich aus sein, denn in Wahrheit sind es die mehrheitlich sozialistischen Finanzminister der Europäischen Union, die den Bauern den Teppich unter den Füßen wegziehen. (Bundesrat Payer: Irgendwo muß eine Grenze sein!)

Aber, liebe Freunde, auch in der öffentlichen Meinung in Österreich ist eine gewisse Zwiespältigkeit zu bemerken: Einerseits herrscht grundsätzliches Einverständnis darüber, daß die Art von Landwirtschaft, wie sie derzeit in Österreich von Österreichs Bauern betrieben wird – also keine Massentierhaltung, sauberes Wasser, Genfreiheit der Nahrungsmittel und so weiter –, unbedingt beibehalten werden muß, geht es aber um konkrete Förderungsmaßnahmen, wie zuletzt beim Maßnahmenpaket für die Schweinebauern – ich habe es schon erwähnt –, werden die Bauern als Subventionsempfänger und Abkassierer beschimpft.

Ich verlange daher von jenen, die unsere umweltgerechte und flächendeckende Landwirtschaft mit unseren bäuerlichen Familienbetrieben als selbstverständlich ansehen, mehr Realitätssinn in bezug auf bäuerliche Anliegen.

Ich danke aber besonders dir, Herr Bundesminister, für deinen permanenten und kompetenten Einsatz für Österreichs Landwirtschaft, und ich bitte dich gerade im Hinblick auf die Beschlußfassung der Agenda 2000 und auf die bevorstehende Erweiterung der Europäischen Union, deine ganze Kraft – und du hast sehr viel davon – zum Wohle der österreichischen Bauernschaft einzusetzen. – Meine Fraktion wird den Grünen Bericht 1997 selbstverständlich zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.55

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer. Ich erteile ihm dieses.

14.55

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte mich nur ganz kurz zu Wort melden. Herr Bundesrat Gudenus! Ich gehe davon aus, daß Schweinchen ein Symbol des Glücks sind und als Glücksbringer gelten. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das brauchen Sie, Herr Minister!) Ob ich daraus ableiten kann, daß die FPÖ mir Glück wünscht, bezweifle ich – es wäre zumindest etwas anderes, als ich bisher gewohnt bin. (Bundesrat Mag. Gudenus: Von Mensch zu Mensch! – Bundesrat Dr. Böhm: Für die Landwirtschaft schon!)

Herr Bundesrat! Es ist an sich nicht üblich, daß man einem geschenkten Gaul ins Maul sieht, aber manchmal ist es gut. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist ein Schweinderl!) Herr Bundesrat, auf dem Schwein ist hinten ein Zetterl drauf, auf dem steht erstens 15. 12. 1999 als Ablaufdatum – ist okay, das ist also ein für eine längere Nutzung vorgesehenes Schwein. Es steht aber zweitens auf diesem Zetterl: Hergestellt von der Baur Chocolat GmbH&Co in Warthausen, Germany! (Lebhafte Rufe bei ÖVP und SPÖ.)

Und, Herr Bundesrat Gudenus, weiters steht da: Hergestellt mit GVO-Erzeugnis – das heißt genmodifiziertem Organismus – Vanillin. (Neuerliche Rufe bei ÖVP und SPÖ.) Ich gehe daher


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davon aus, daß es nicht eine Bäuerin war, die dieses Schweinchen produziert hat, denn Bauern produzieren in Österreich ohne genmodifizierte Produkte.

Seien Sie bei der Auswahl der Geschenke vorsichtiger! (Lebhafter Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.57

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Andreas Eisl. Ich erteile ihm dieses. (Weitere Rufe bei ÖVP und SPÖ.)

14.57

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Herr Bundesminister! (Ruf bei der SPÖ: Wo war die Bäuerin?) Es ist ja kein Wunder, wenn die Genmanipulation jeden Tag in aller Munde ist (Bundesrat Konecny: In unserem Munde soll sie ja nicht sein!) und auch schon die Großmärkte klarstellen – vor nicht allzu langer Zeit im Fernsehen die Firma Spar –, daß es in Zukunft kaum mehr möglich sein wird, wirklich genfreie Produkte in den Regalen der Märkte vorzufinden.

Also hat Ihnen, Herr Bundesminister, Herr Gudenus in weiser Voraussicht, natürlich bis Ende 1999, schon das präsentiert, was in den kommenden Jahren für uns Konsumenten in den Supermärkten zu erwarten ist. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.  – Bundesrat Winter: Wo wohnt die Bäuerin? – Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Die österreichische Agrarpolitik hat einen langen Weg hinter sich: War es im Jahre 1950 noch so, daß ein normaler Arbeiter die Hälfte seines Gehaltes für Lebensmittel ausgegeben hat, so hat sich bis zu den siebziger Jahren das Blatt gewendet. In den Siebzigern kam dann durch den Einsatz von Spritzmitteln, Kunstdünger und neuer Techniken die Zeit der Überproduktion. Österreich war – was anfangs befürchtet worden war – in der Lage, sein eigenes Volk zu ernähren.

In diesen Jahren wurden in nahezu jedem Dorf Verarbeitungsbetriebe aufgestellt. Aber in den achtziger Jahren mußten kleine Molkereibetriebe wegen Rationalisierung wieder zugesperrt werden. In jener Region, in der ich zu Hause bin, gab es 16 Käsereibetriebe – im Flachgau, Herr Kollege Bieringer (Bundesrat Bieringer: Jawohl!), du wirst mir das bestätigen –, heute gibt es noch zwei oder drei, glaube ich, und diese wahrscheinlich auch nicht mehr allzu lange. So läuft die Entwicklung! (Bundesrat Steinbichler: Wann hast du denn aufgehört, Milch zu liefern?) Wir liefern heute noch! Wir liefern heute noch! Mein Betrieb hat 80 000 Liter Kontingent und liefert heute noch alles außer dem, was er im Bio-Markt selbst vermarktet. Das ist meinem Sohn überlassen, wie er das macht, ich werde ihm nicht dreinreden.

Wir haben nicht aufgehört, Milch zu liefern, bis heute nicht! Unsere Region ist geographisch zu nichts anderem geeignet, es gibt zu hohe Niederschläge. Das ist kein Getreidegebiet, man kann keine Futtermittel produzieren, das wäre unrentabel!

Bei uns ist das Grünlandgebiet vorherrschend, und das kann man auch nicht ändern, wenn es vielleicht auch in anderen Bereichen möglicherweise höhere Einnahmen zu erwarten gilt.

In den Jahren 1980 bis 1990 ging auch die Diskussion immer darum, Betriebe zu rationalisieren. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß man damals in den achtziger Jahren, als die Freiheitlichen in der Regierung waren, nämlich von 1983 bis 1986, immer Schuldige gesucht hat, wenn eine Molkerei zugesperrt wurde. Schuld waren immer die Roten und die Freiheitlichen, die diese Reform gemacht haben. In Wahrheit hat es vom Milchwirtschaftsfonds eine schwarze Liste gegeben, mit der klargestellt wurde, welche Betriebe in Zukunft keine Abschreibungen mehr bekommen. Diese Betriebe sind dann mit anderen fusioniert worden. Ich denke jetzt an die Fusion Lungau mit Pongau und dergleichen mehr. Zu dieser Zeit war sogar mein damaliger Landwirtschaftskammerrat, Hans Habersatter, im Aufsichtsrat der Molkerei in Bischofshofen. Natürlich kann sich auch diese Region einem Wandel nicht verschließen.

1995 erfolgte dann der Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft. Dieses Europa bietet uns viele Möglichkeiten, eine neue Herausforderung, abgesehen von den vielen zusätzlichen Arbeitsplät


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zen, die uns der Beitritt bringen wird. Auch die Landwirtschaft steht vor einer neuen Herausforderung.

Im ersten Jahr gab es laut Bericht Mehreinnahmen im Ausmaß von 22 Prozent, in den Jahren 1995 bis 1997 sind die Einnahmen jeweils wieder um 4 Prozent zurückgegangen, weil die Mittel laufend gekürzt worden sind.

Das Wirtschaftsinstitut hat auch für 1998 keine rosigen Zeiten vorausgesagt. Nach dem Einbruch im Jahre 1996 – der Bericht bezieht sich auf 1997, für 1998 wird man auch schon einen gewissen Überblick haben – haben wir auch für 1998 nichts zu erwarten.

Beispielsweise wurden im Jahre 1995 zusätzlich 7 Milliarden an Zuwendungen ausgeschüttet. 1996 waren es nur mehr 3,9 Milliarden, 1997 2,6 Milliarden, und 1998 werden es nur mehr 1,1 Milliarden sein. Die Zahl für 1999 kann man jetzt noch nicht absehen, aber wahrscheinlich wird sie null betragen.

Die Grundlagen für den Grünen Bericht 1997 wurden von 2 400 Testbetrieben geschaffen, die die Buchführung durchführen. Es handelt sich um landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe und Zuerwerbsbetriebe. Es gibt hier ein Minus von nominell 2,8 Prozent. Im südlichen Flach- und Hügelland sind es minus 12 Prozent, im Voralpengebiet minus 9 Prozent und im Alpenvorland minus 6 Prozent. Das ist die Bilanz für 1997.

Betrug Anfang der neunziger Jahre der Anteil der öffentlichen Gelder am gesamten Einkommen zirka 10 Prozent, so hat sich die Situation im Jahre 1997 gewendet: Jetzt machen die öffentlichen Zuwendungen 67 Prozent der gesamten Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe aus. Natürlich sind die öffentlichen Gelder auf die Gebiete aufgeteilt. Es gibt laut Grünem Bericht acht Gebiete. Die Betriebe mit hohem Forstanteil haben 53,4 Prozent Zuwendungen, die Betriebe in den Futterbaugebieten haben 86,2 Prozent, die Betriebe mit mittlerem Forstanteil, also kleine Waldbauern, haben 68,2 Prozent, und die landwirtschaftlichen Mischbetriebe haben 65,1 Prozent. Betriebe in Marktfruchtgebieten haben 80 Prozent und damit den höchsten Anteil der Zuwendungen. Diese Betriebe sind die arbeitsintensivsten Betriebe überhaupt und brauchen deshalb auch die höchsten Zuwendungen.

Das heißt im Klartext: Wenn diese Mittel gekürzt werden oder es sie womöglich gar nicht mehr gibt, kann kein landwirtschaftlicher Betrieb mehr überleben. Bei einem Anteil von 67 Prozent öffentlicher Mittel am Gesamteinkommen ist dann kein Bauer mehr in der Lage, zu überleben, weil ihm dann einfach die Lebensgrundlage völlig entzogen ist. Da kann er noch so vif, noch so gescheit und so fleißig sein.

Das schlägt sich auch in der derzeitigen agrarpolitischen Diskussion nieder. Sie wissen ganz genau, daß am Montag eine Demonstration in Brüssel vorgesehen ist, die bereits, wie ich gerade erfahren habe, abgesagt wurde, wenn es stimmt; ich habe das auch schriftlich bekommen. Es fliegen ungefähr 200 österreichische Bauern nach Brüssel. (Ruf bei der ÖVP: Wenn es abgesagt worden ist!) – So ist es organisiert gewesen, die Demonstration ist aber, soweit ich informiert bin, abgesagt worden.

"Die Mißwirtschaft in der EU geht weiter", hat die "Krone" am 22. Jänner geschrieben. In diesem Artikel steht ganz eindeutig, daß das Europäische Parlament nicht in der Lage ist, diesbezüglich Klarheit zu schaffen. Der Fall mit den 59 Milliarden Schilling ist bekannt, wurde damals in der Europäischen Gemeinschaft aufgedeckt, und es wurde bekannt, daß bei der Vergabe von Förderungsmitteln unzureichend recherchiert worden ist. Der Mißtrauensantrag wurde dann vom Parlament zurückgestellt, wurde nicht abgestimmt. Es haben sich aber auch Abgeordnete aus den sozialistischen Reihen – der Vorarlberger Abgeordnete Bösch ist namentlich angeführt – zu Wort gemeldet, also nicht nur Freiheitliche, und gemeint, daß dieser Zustand unerträglich sei.

In diesem Artikel in der "Kronen Zeitung" wird auch geschrieben, welche Gehälter auf EU-Ebene gezahlt werden. Ich will jetzt nicht alle auflisten, aber zum Beispiel werden 35 000 S für Büroboten und dergleichen bezahlt. Man kann sich also vorstellen, was dort auf diesem Gebiete los ist. – Das ist genau das, was wir immer befürchtet haben: Dieses gemeinsame Europa mit die


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sem Zentralismus ist nicht überschaubar, ist nicht führbar und wird auf Sicht gesehen auch Schiffbruch erleiden.

Schon in den achtziger Jahren hat mir der deutsche Landwirtschaftsminister, der ein großer Befürworter der EU war, wortwörtlich gesagt: Solange die Bundesrepublik Deutschland zahlen kann, wird es einigermaßen funktionieren. Von Wollen ist heute keine Rede mehr. Die Situation hat sich mehr als 15 Jahre später wesentlich verschlechtert.

Herr Bundesminister! Sie wissen selbst, welche Schwierigkeiten in der Europäischen Gemeinschaft bestehen, und jetzt haben Sie diese Demonstration so gefürchtet, daß Sie alles abgesagt haben ... (Bundesrat Dr. Böhm: Das Parlament! – Bundesminister Mag. Molterer: Ich bin ja nicht das Parlament! Der Rat der Landwirtschaftsminister tagt am Montag in Brüssel!) – Ja, das ist schon klar.

Für kommenden Montag, den 22. Februar 1999, ist eine große Manifestation der europäischen Bauern geplant. Raschhofer hat mir einen Brief geschickt, in dem sie schreibt, daß sie sehr erstaunt ist, daß sie nicht einmal in das Parlament darf. Das ist gesperrt worden, es haben einige einen Sonderausweis erhalten, sie persönlich keinen, weil man diese Demonstration fürchtet. Aufrechtzuerhalten sind nur die Rezeption, die Telefonzentrale, und natürlich sind auch Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.

Dies ist für mich und uns ein Beweis, daß diese Europäische Gemeinschaft mit der Agenda 2000 am Ende ist. Das ist nicht mehr finanzierbar. Von den 15 europäischen Mitgliedsländern stellen 13 sozialistische Finanzminister, aber das bringt uns nicht weiter. Tatsache ist, daß diese nicht mehr bereit sind, wenn sie es auch bestreiten, 50 Prozent der Agrarquote zu finanzieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist Tatsache, daß dann, wenn das Ganze unfinanzierbar wird, das Ende für die Bauern kommen wird. Wir werden mit unseren Strukturen nicht in der Lage sein, mit Dänemark, Holland und jenen, die Milchkontingente weit über unsere Maße hinaus besitzen, die unsere Bauern an die Wand drücken, mithalten zu können. Dies wird sich nicht abspielen! Da können wir noch so viele Beratungsstellen schaffen, das nützt nichts, die Beratung allein wird das Einkommen in der Landwirtschaft nicht sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

15.10

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Grünen Bericht – ein bißchen spät, wie bereits Kollege Leichtfried gesagt hat. Mir kommt das so vor, als ob ein Bauer 1997 ein schlechtes Jahr hat und er dann 1999 draufkommt, daß er Maßnahmen setzen muß, daß er etwas tun muß. Ich weiß schon, daß in solch einen Bericht die verschiedensten Zahlen hineingehören, aber es müßte doch möglich sein, daß man ihn noch im Nachfolgejahr diskutiert.

Der Grüne Bericht ist ein umfassendes und kompaktes Werk über die Situation der österreichischen Landwirtschaft. Die Daten und Schlüsse, die aus diesem Bericht gezogen werden können, können auch zu entsprechenden Änderungen führen.

Wenn der oberösterreichische Landeshauptmann zum Beispiel in der Landeszeitung schreibt, daß kein Bauer weniger bekommen soll, dann gebe ich ihm recht. Ich gebe ihm aber nicht mehr recht, wenn er meint, daß dazu zusätzliche Förderungen notwendig sind. Das hieße für mich nichts anderes, als an der Förderspirale weiterzudrehen, und das kann nicht der Weisheit letzter Schluß sein.


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Ich weiß schon, daß dem ganzen Problem der Landwirtschaft nicht leicht beizukommen ist. Kollege Rodek hat aber bereits auf neue Initiativen wie Biodiesel und so weiter verwiesen; diese können mit Sicherheit zu zusätzlichen Einnahmen in der Landwirtschaft führen.

Insgesamt gesehen ist die Situation in der Landwirtschaft schwierig. Die Umstellung durch den Beitritt zur EU hat zum Teil tiefgreifende Veränderungen zur Folge. Geschützte Preise und Märkte sind weggebrochen, und die Erschließung neuer Märkte geht nicht von heute auf morgen und vor allem nicht mit jenen Produktpreisen, die man bisher gewohnt war. Mit diesem Strukturwandel ist der Bauer konfrontiert, und da immer die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt zu treffen, ist mit Sicherheit nicht sehr leicht.

Die Beratungen der Landwirte durch ihre Kammern sind sicher sehr wichtig. Ich kann mich aber manchmal des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Beratungen nicht immer – ich formuliere es einmal so – ganz glücklich sind.

Der freie Markt reagiert überall auf Angebot und Nachfrage, und in einen vollen Markt, wie zum Beispiel den Schweinefleisch-Markt, zu investieren, kann nicht gutgehen; die derzeitigen Preise zeigen das auch.

Der Agrarsektor konnte 1997 seinen Rohertrag sowohl dem Volumen nach als auch dem Wert nach leicht steigern. Der Wert der Endproduktion der Land- und Forstwirtschaft stieg um 2,3 Prozent auf 63 Milliarden Schilling. Höhere Erträge gab es laut Bericht durchwegs beim Pflanzenbau, die Tierhaltung stagnierte, wobei sich die Zahlen für 1998 in diesem Bereich noch verschlechtern werden.

Meine Damen und Herren! Das EU-Budget umfaßt zirka 1,15 Billionen Schilling, davon sind rund 560 Milliarden Schilling für die Landwirtschaft reserviert. Das ist der größte Finanzposten im EU-Haushalt. Für Strukturmaßnahmen sind 400 Milliarden Schilling budgetiert, und auch aus diesem Bereich wandert ein Teil der Finanzmittel beispielsweise in die 5-B-Programme oder über Förderungsmaßnahmen für Ziel-1-Gebiete, also ebenfalls in den Agrarbereich.

Meine Damen und Herren! Nun soll die Agrarpolitik der EU im Rahmen der Agenda 2000 reformiert und der Zukunft angepaßt werden. Derzeit wird in den Mitgliedsländern noch heftig darüber diskutiert, wie die Reform aussehen soll. Der "Kurier" hat in der Mittwoch-Ausgabe von einem Highnoon für die Landwirtschaft geschrieben.

Kommissar Fischler hat im vorigen Jahr zwei Studien vorgestellt, die besagen, daß die Reform in den nächsten Jahren zu einer Verbesserung der Bauerneinkommen führen soll, allerdings nur dann – das geht aus den Studien auch hervor –, wenn die Zahl der Landwirte um rund 30 Prozent abnimmt und sich die restlichen Betriebe mit ihren Produkten stärker am Weltmarkt orientieren. Meiner Meinung nach zerstört man aber mit Dumpingpreisen und ruinösen Konkurrenzierungen sehr viel. Es drängt sich da auch die Frage auf, ob es nicht besser wäre, das Hauptaugenmerk mehr auf den EU-Binnenmarkt zu richten, als großen Weltmarktambitionen nachzurennen.

Meine Damen und Herren! Es stellt sich die Frage, ob nach diesem gewaltigen Strukturbereinigungsprozeß der Verdrängungswettbewerb beendet werden kann. Auf alle Fälle muß aber das Dogma der ungerechten Verteilung der Förderungen fallen. Viele namhafte Wissenschaftler haben in den letzten Jahren in ihren Studien immer wieder darauf hingewiesen, daß rund 80 Prozent der Fördermittel nur den 20 Prozent größten und damit reichsten Bauern zu fließen.

Auch im vorliegenden Bericht gibt es diese Tendenz, wenn auch gegenüber der EU etwas abgeschwächt. Ich zitiere hier noch einmal den "Kurier": "Der eine ist Großgrundbesitzer und sonnt sich in seinem Haus auf Mallorca, der andere ist Bergbauer im Kärntner Lesachtal und trägt das Heu auf dem Rücken in den Stall. Der eine bekommt für seinen Besitz 22 Millionen Schilling Fördergelder, der andere für 20 Milchkühe gerade 20 000 S." – Zitatende.

Das ist sicher etwas überspitzt formuliert, sagt aber auch aus, daß der Förderungsbereich auf falschen Schienen läuft und da Änderungen unbedingt erfolgen müssen.


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Zurzeit setzen wir immer mehr Finanzmittel ein, und die Einkommen der Bauern sinken in weiten Bereichen. Wenn es nach den derzeitigen Plänen geht, dann soll der Getreidepreis um 20 Prozent, der Preis von Milch und Rindfleisch sogar um 30 Prozent gesenkt werden. Das ist unfair, solange es weder die gleichen Ökologie- und Qualitätsstandards noch ähnliche Sozialstandards gibt. Das hat meiner Meinung nach auch für die EU-Erweiterung zu gelten. Die Genossenschaften in den neuen Beitrittsländern sind nämlich um ein Vielfaches größer als der durchschnittliche österreichische Hof.

Es hat zwar sehr lange gedauert, jetzt aber, so glaube ich, beginnt man umzudenken. Es ist einfach ungerecht, den Förderungen die Fläche oder die Tierzahl zum Beispiel zugrunde zu legen. Flächenmäßig eher kleine Betriebe, zum Beispiel mit Sonderkulturen, sind wesentlich aufwendiger zu bearbeiten. Das findet aber im derzeitigen System keine oder nur eine etwas schwache Abgeltung. Meiner Meinung nach ist eine gerechte Verteilung der Förderungsmittel vielleicht auch eine Chance, mehr bäuerliche Kleinbetriebe am Leben zu erhalten und damit auch eine sinnvolle Siedlungspolitik im ländlichen Raum zu garantieren.

Meine Damen und Herren! Keine Agrarpolitik ist für sich alleine in der Lage, funktionierende ländliche Räume zu erhalten beziehungsweise zu schaffen. Wir brauchen hiezu selbstverständlich auch eine Regionalpolitik, die sich um alle Wirtschaftsbereiche kümmert und somit den Menschen Einkommens- und Lebensperspektiven gibt. Der Oberösterreichische Landtag hat es zum Beispiel mit seiner Raum- und Bauordnung ermöglicht, in den bäuerlichen Betrieben Kleingewerbebetriebe oder Wohnungen einzubauen. Es ist dies ein Versuch, dort, wo es keine Betriebsnachfolger gibt, die Objekte sinnvoll zu nutzen und weiter zu erhalten.

Meine Damen und Herren! Die Landwirtschaft wird nie ohne Förderungen auskommen, das ist mir klar. Es sollten aber Mittel und Wege gefunden werden, daß die von den Bauern erzeugten Produkte auch jenen Preis erzielen, der es den Bauern ermöglicht, davon leben zu können, wie wir das auch für uns selbst in Anspruch nehmen.

Meine Damen und Herren! Die SPÖ-Fraktion wird dem Grünen Bericht die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

15.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Hensler. – Bitte.

15.19

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Abgeordnete zum Bundesrat! Ich möchte vorausschicken, ich bin praktizierender Bauer, und ich bin stolz darauf, daß ich heute die Möglichkeit habe ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Bravo!) – Von wo? Ich komme aus Niederösterreich. (Bundesrat Mag. Gudenus: "Bravo" habe ich gesagt! Ich freue mich!)

Ich bin also praktizierender Bauer und wirklich stolz darauf, daß ich heute die Möglichkeit habe, vom Standpunkt eines Bauern aus, der sehr wohl um die Problematik in der heutigen Zeit weiß, einige Sätze hier zu sagen.

Wir haben diesen Grünen Bericht auf der heutigen Tagesordnung, und ich sage ohne Emotionen in diese oder jene Richtung, es ist ein guter Bericht, aber ich verhehle nicht, daß es ein nicht erfreulicher Bericht ist.

Zweifelsohne ist unbestritten, daß die Bauern Probleme haben und die Herausforderung an unseren Berufsstand größer wird. Der Bericht zeigt 4 Prozent weniger Einkommen in der Landwirtschaft auf. Das ist ein Faktum, das zweifelsohne in absehbarer Zeit gelöst werden muß, um zu gewährleisten, daß es in den nächsten Jahren einen positiven Bericht gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auf etwas zu sprechen kommen, was mir sehr am Herzen liegt. Wir alle neigen dazu, zu glauben, daß Politik alles organisieren, alles gestalten kann. Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nicht so. Politik ist ganz


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einfach dazu da, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß die einzelnen Berufszweige existieren können. Genau so ist es, wenn man hört, die Politiker gewährleisten sichere Arbeitsplätze. – Nein, es ist nicht so, gute Betriebe sichern die Arbeitsplätze!

Genauso ist es in der Landwirtschaft. Die Politik kann keinen Bauernhof retten, sondern es bedarf konstruktiver Arbeit, Engagement und entsprechender Rahmenbedingungen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte danke schön sagen. Du hast dich bis zum heutigen Tag in einer schwierigen Zeit wirklich redlich bemüht, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, daß wir Bauern in Österreich mit Optimismus in die Zukunft schauen können, und zwar voll Zuversicht und mit Engagement. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie sind ein bißchen ein Masochist, kommt mir vor!)

Herr Kollege Gudenus! Ich wollte absichtlich nicht darauf eingehen, aber jetzt mache ich es doch, und ich weiß, wovon ich spreche. Vertreter anderer politischer Couleurs sprechen immer wieder polemisch über die Bauern. Es werden auch gewisse Argumente gebracht, die in die Richtung gehen, daß einem Minister sozusagen etwas geschenkt wird.

Wir wissen, wir haben Probleme. Aber wo sind Ihre Vorschläge? – Einfach zu sagen, dieses und jenes hat der Minister falsch gemacht, ist zu wenig. Da kann ich nur sagen: Die Freiheitliche Partei hat bis zum heutigen Tag noch keine konstruktiven Vorschläge gemacht. (Bundesrat Eisl: Ihr wolltet die EU, und jetzt habt ihr die Probleme! Die Agenda wollt ihr auch!)

Einige Punkte im Hinblick auf die Zukunft der Bauern: Herr Bundesminister! Die Agenda – das wurde schon von meinem Kollegen Rodek festgestellt – ist sicher eine wichtige Voraussetzung für die Zukunft der Bauern in Europa. (Bundesrat Mag. Gudenus: Für wie viele Bauern?) Ich möchte auch nicht verhehlen, daß es gewisse Reformen geben soll und auch geben muß. Die Art und Weise, wie sie heute präsentiert wird, ist meiner Ansicht nach nicht akzeptabel. Deshalb bin ich sehr stolz darauf, daß gerade die österreichische Bundesregierung, der Bauernbund und die Kammern sehr wohl konstruktive Vorschläge gemacht haben, um diese Reform zielführend zu organisieren. (Bundesrat Mag. Gudenus: Wie viele Bauern müssen noch sterben, müssen noch vom Hof?)

Einige Sätze zum ÖPUL: Meine sehr geehrten Damen und Herren! ÖPUL 2000 ist eine großartige Errungenschaft der Österreicherinnen und Österreicher, sprich jener, die im politischen, im bäuerlichen Bereich Verantwortung tragen. Dieses ÖPUL-Programm ist einmalig in den 15 Ländern der EU. Es schafft einen nationalen Spielraum, und der nationale Spielraum ist enorm wichtig, um den Bauern in Österreich die Möglichkeit geben zu können, etwas dazuzuverdienen.

Wir wissen aber ohne Zweifel auch, daß 50 Prozent des ÖPUL von der EU kommen. Das ist sicher unbestritten. Zwei Punkte sind es, die mir beim ÖPUL sehr wichtig zu sein scheinen. Der erste Punkt ist die Möglichkeit eines zusätzlichen Einkommens, das die Bauern unbestrittenermaßen brauchen. Der zweite wichtige Punkt, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, betrifft das umweltbewußte Wirtschaften. Das heißt Schonung der Umwelt für die Generation, die heute lebt, und auch für die folgende Generation. Dazu leisten die Bauern sicher einen gewaltigen Beitrag, und darauf bin ich stolz.

Drittens möchte ich noch die Steuerreform anschneiden, die derzeit ausführlich diskutiert wird. Die Medienberichte für oder wider sind sonder Zahl. Ich möchte dazu folgendes sagen: Wir von der Interessengemeinschaft der Bauern fordern – ich sage das klar und deutlich – die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes auf 12 Prozent.

Sie alle wissen, die Mehrwertsteuer ist eine Verbrauchersteuer, die generell niemanden belastet. Eine Anhebung des Mehrwertsteuersatzes wäre aber zum Vorteil der Bauern. Es wären, wie Experten berechnen, nahezu 1,3 Milliarden Schilling, die den Bauern in diesem Bereich zur Verfügung gestellt werden könnten.


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Dieses Thema wurde bereits von meinem Kollegen Rodek angeschnitten, aber ich möchte es noch einmal unterstreichen: die Beimischung von biogenen Komponenten, etwa von Rapsöl zu Diesel. Herr Bundesminister! Ich glaube, das ist für die Bauern ein zusätzliches Einkommen und bringt unbestritten Arbeitsplätze. Hier bietet sich eine Möglichkeit.

Zum Dieselpreis: Es stimmt, wir haben den höchsten Dieselpreis in Europa. Es wäre zielführend und zweckmäßig, wenn die Bauern die Möglichkeit bekämen, im Hinblick auf Heizöl etwas weiterzubringen.

Für die Umsetzung aller Forderungen im Rahmen der Steuerreform – ich habe versucht, Ihnen die entsprechenden Argumente kurz zu präsentieren – benötigen wir die Unterstützung von Finanzminister Edlinger. Daher meine Bitte an die sozialistischen Kollegen: Bitte, tragen Sie dazu bei, daß diese gerechten Forderungen der Bauern akzeptiert werden! Bitte, sprechen Sie mir Ihrem Finanzminister! Ich bin überzeugt davon, unser Bundesminister Molterer wird gerne dafür eintreten, daß diese wichtige Aktivität im Interesse der Bauern gesetzt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es freut mich, daß Sie applaudieren. (Bundesrat Mag. Gudenus: Wenn schon Ihre Kollegen nicht klatschen, kann man Sie doch nicht im Regen stehen lassen!)

Ich möchte weiters auf das Thema Mechanisierung in der Landwirtschaft zu sprechen kommen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bemerkenswert, daß in den letzten Jahren die Mechanisierung in der Landwirtschaft um 6 Prozent zugenommen hat. Ich als Landesobmann der Maschinenringe von Niederösterreich sehe dies natürlich nicht sehr gerne. Da bedarf es tatsächlich eines Umdenkens in der Landwirtschaft. Wir müssen uns im klaren sein, der Maschinenring bietet uns die Möglichkeit, durch konstruktive, überbetriebliche Zusammenarbeit Kosten zu reduzieren und einzusparen.

Ich möchte nur erwähnen, daß 75 000 Bauern bis zum heutigen Tag beim Maschinenring sind. Wir werden uns bemühen, diese Organisation auch in Zukunft vehement voranzutreiben. Ein Dankeschön ergeht dabei an den Herrn Bundesminister. Ich habe heute die Aufgabe, dir in diesem Plenum im Namen der Maschinenringe Österreichs für deine Unterstützung in jeder Hinsicht in der Öffentlichkeit zu danken. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich etwas sagen, was mir wirklich sehr am Herzen liegt: Bauernbetriebe müssen auch in der Agenda ihren Platz haben. Das ist keine dahergesagte Floskel, das ist Realität, also Wirklichkeit. Das ist erstens für den Konsumenten und zweitens für den Produzenten wichtig.

Ich bin weiters unserem Bundesminister sehr dankbar dafür, daß er es auch in dieser schwierigen Phase versteht, die Probleme der Bauernschaft sachlich und kompetent zu vertreten. Aus diesem Grunde werden wir den Bericht gerne zur Kenntnis nehmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

15.29

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich darf auf die Ausführungen des Kollegen Rodek noch einmal kurz replizieren, und zwar hat er sinngemäß gemeint, daß die Agrarpolitik davon abhängt, wie viele Bauern innerhalb einer Fraktion sind.

Herr Kollege Rodek! Es gibt eine alte steirische Bauernweisheit, die sagt: Die größten Kühe geben nicht immer die beste Milch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Vielleicht auch eine kleine Replik auf Ihre Feststellung, daß diese Schokoladeschweinchen nicht von österreichischen Bauern produziert worden sind. Faktum ist, in der Landwirtschaft Österreichs gibt es eben keine Schokoladeproduzenten. Da Sie, Herr Bundes


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minister, aber ein solch begeisterter Europäer sind, wird es Sie, so meine ich, nicht stören, wenn diese Schokolade aus Deutschland kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nun zu der von Vorrednern bereits erwähnten Demonstration am 22. 2. in Brüssel. Hiezu ist auch kurz zu bemerken, daß eben, wie schon gesagt, das Parlament gesperrt ist, daß die Kommissare, darunter auch der zuständige Kommissar, nicht anwesend sein werden, daß quasi die Sorgen der Bauern ignoriert werden. Meine Damen und Herren! Ist das die europäische Demokratie, die Sie so oft herbeisehnen? Ist das die Bürgernähe der Union, oder ist das die europäische Agrarpolitik, die Sie von den Regierungsparteien immer wollen?

Meine Damen und Herren! Auch zu den Ausführungen von Kollegen Hensler eine Klarstellung: Er hat bemängelt, daß von der Opposition nur Kritik kommt. Herr Kollege Hensler! Nennen wir die Dinge beim Namen. Seit über 40 Jahren ist die Agrarpolitik auf Landesebene beinahe uneingeschränkt in Händen der ÖVP. Im Bund gab es eine kleine Unterbrechung. Herr Kollege Hensler! Für Ihre jahrzehntelang fehlgeleitete, verfehlte Politik können Sie uns nicht verantwortlich machen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Eisl: 40 Jahre seid ihr am Werk! Darum schaut die Politik so aus! Das ist die Bilanz von 40 Jahren!)

Meine Damen und Herren! Nun zum Grünen Bericht oder zur Lage der Landwirtschaft 1997: Es geht aus dem Bericht hervor, daß der Rohertrag 1997 leicht gestiegen ist, und diese Steigerung resultiert in erster Linie aus der pflanzlichen Produktion. In der Tierhaltung war keine Rohertragssteigerung zu erzielen, sondern da war die Situation eher stagnierend. Es wird auch in diesem Bericht auf die Ursache hingewiesen, die darin liegt, daß eben die degressiven Ausgleichszahlungen zurückgenommen worden sind. Natürlich hat, wie ich meine, auch die Verschärfung am Markt dazu beigetragen.

Ich erinnere nur an folgendes: Der sogenannte Rindfleischkrimi à la Prammer im Jahre 1998 hat sicherlich der Landwirtschaft in Österreich nicht gedient, und zwar weder der Ertragsentwicklung noch der Entwicklung des agrarischen Marktes. Herr Bundesminister! Gerade in dieser Frage hätten wir uns eine klare Distanzierung von der Aussage der Frau Konsumentenministerin anstatt dieser millionenteuren Inlandsmarktwerbung erwartet, denn der Schaden ist über das Inland hinaus entstanden. Meine Damen und Herren! Die Reaktion des zuständigen Ressortverantwortlichen, also des Bundesministers, war in diesem Fall nicht unbedingt klar erkennbar.

Meine Damen und Herren! Es geht aber auch aus diesem Bericht hervor, daß sich die agrarische Handelsbilanz im Jahre 1997 gegenüber 1996 weiter verschlechtert hat, und zwar um rund 10 Prozent. Es geht aus diesem Bericht auch hervor, daß sich die Einkommenssituation der Bauern, in der Landwirtschaft, gegenüber 1996 wiederum verschlechtert hat. Es wurde von einem Vorredner der ÖVP schon gesagt, es handle sich um eine beinahe zu vernachlässigende Größenordnung von durchschnittlich 4 Prozent. Ich meine, kein Einkommensverlust ist zu vernachlässigen, sondern dies verschärft in Wahrheit die finanzielle Situation innerhalb der Landwirtschaft und trägt weiterhin zum Abwandern aus der Landwirtschaft, zum sogenannten Bauernsterben bei.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie haben bereits seit mehr als vier Jahrzehnten die Kompetenz im Agrarbereich. Es wird der Landwirtschaft nicht dienen, wenn Sie seit über vier Jahrzehnten die Bauern zu Tode jammern, wenn Sie die Schwierigkeiten am Weltmarkt beklagen. Es wird der Landwirtschaft nicht dienen, wenn Sie davon sprechen, daß sich die Marktsituation verschärft hat, daß die Lage auf dem Markt schwieriger geworden ist.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Es ist bekannt, daß es eine Verschärfung und Veränderung auf dem Markt gibt. Diese Situation ist bitte bekannt und wird in der gesamten Marktwirtschaft immer miteinkalkuliert. Aber Sie haben in Ihrer Agrarpolitik diese bekannten Faktoren nicht miteinkalkuliert, und deshalb haben wir in der Landwirtschaft das sogenannte Bauernsterben und die großen Einkommensverluste.

Ich belege Ihnen dies anhand eines Beispieles. Der Milchmarkt wurde in Österreich durch Ihre Agrarpolitik zu Tode reguliert. Sie erinnern sich sicher noch daran, als die Milchmarktordnung


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sehr streng ausgelegt wurde und es eine Reihe von Belastungen für milchproduzierende Landwirte gab. Ich sage nur ein paar Stichworte dazu: Selbstvermarktungsverbot beziehungsweise Absatzförderungsabgaben et cetera. Es gab damals viele Schikanen. (Bundesrat Steinbichler: Vermarktungsverbot? Wie hat das ausgeschaut? Ich bin 27 Jahre praktizierender Milchbauer, und ich kann mich nicht daran erinnern, daß es jemals ein Marktverbot gegeben hat!)

Herr Kollege! Der Abhofverkauf ist zu jenem Zeitpunkt liberalisiert worden, als der Markt insgesamt verloren war. Genau am Beispiel der Milchmarktentwicklung läßt sich Ihre Agrarpolitik nachvollziehen. Als der Markt, also der Absatz, vorhanden war, haben Sie streng reguliert. Da haben Sie viele Schikanen eingebaut – ich habe Beispiele genannt –, Sie haben in Form von Abzügen und Förderungsbeiträgen mitpartizipiert. Als dann der Markt nicht mehr gegeben war, als sich der Wiederverkäufer und der Konsument anders orientiert, sich selbst ihren Markt gesucht haben, dann haben Sie liberalisiert. Meine Damen und Herren! Das ist immer das verspätete Reagieren in der Agrarpolitik. Sie müssen im vorhinein agieren. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Herr Kollege! Dieses Beispiel läßt sich auf alle Bereiche der Landwirtschaft, für die Sie seit vier Jahrzehnten die Verantwortung übernehmen, übertragen. Beim Schweinepreisverfall zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. Die Entwicklung auf dem Rindermarkt ist ähnlich. Herr Kollege! In Wahrheit war Ihr agrarpolitisches Bestreben immer eine Zentralisierung mit Abhängigkeiten. Sie haben mit dem Beitritt in die Europäische Union einen gut Teil der agrarischen Verantwortung delegiert. Faktum ist, daß als Ausrede für alle unangenehmen Maßnahmen immer Brüssel herhalten muß. Faktum ist, daß aber die Agrar- oder die Landwirtschaftsangelegenheiten in erster Linie auch Ländersache sind. Herr Kollege! Da stellt sich die Frage, inwieweit es in einer solchen Situation noch gerechtfertigt ist, ein Landwirtschaftsministerium überhaupt noch aufrechtzuerhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Leisten wir uns weiterhin den Luxus oder nicht? – Herr Kollege! Diese Frage wird in Hinkunft die Politik zu entscheiden haben. (Zwischenrufe.) Meine Damen und Herren! Herr Kollege! Es geht nicht an, eine Kompetenz vorzugeben, aber die Verantwortung immer woanders zu hinterfragen. Es geht nicht an, jedes Jahr einen sogenannten Grünen Bericht, eine Agrarbilanz vorzulegen, wenn sich die Situation der betroffenen Landwirte weiterhin permanent verschlechtert. Es ist nicht einsichtig, daß Sie uns immer wieder einen Bericht vorlegen, aus dem permanent hervorgeht, daß das Bauernsterben weiter fortschreitet.

Meine Damen und Herren von der ÖVP, im speziellen aber auch von der SPÖ als Regierungspartner! Sie werden Verständnis haben, daß wir, die freiheitliche Fraktion, eine solche Agrarpolitik nicht mittragen können. Daher lehnen wir den Grünen Bericht 1997 ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.40

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winter. – Bitte.

15.40

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! "Schokonutscherl von österreichischer Bäuerin erzeugt und am Stand um 20 S gekauft" – mit diesen Worten hat uns, so glaube ich, die F-Bewegung wieder einmal ihr wahres Gesicht gezeigt! (Heiterkeit des Bundesrates Eisl. )

Kollege Gudenus! Ja, du hast es gezeigt: Ein Blauer wurde rot bis hinter die Ohren. (Bundesrat Eisl: Wir haben nichts zu verstecken! Es muß euch ja freuen!) Kollege Gudenus! Gab es dazu wirklich einen Grund? – Wir alle kennen, so glaube ich, aus dem Radio den Ausspruch: "Aha, Schurke!" Das haben wir schon oft gehört. Ich denke, eine Richtigstellung oder eine Erklärung wäre angebracht, Kollege Gudenus, aber bitte keine schweinische. (Bundesrat Mag. Gudenus: Für was denn?) – Zu den "Schokonutscherln von der Bäuerin erzeugt". (Heiterkeit der Bundesräte Mag. Gudenus und Eisl. )


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Beginn meines Debattenbeitrages möchte ich den Beamtinnen und Beamten aus dem Landwirtschaftsministerium ein Dankeschön sagen und ein Kompliment machen. Wir behandeln hier im Hohen Haus viele Berichte, und der Grüne Bericht gehört sicherlich zu den besten, die unserem Haus vorgelegt werden. Wie kaum ein anderer Bericht gibt der Grüne Bericht authentisch und realistisch im Text, aber auch in Zahlen, Daten und Fakten die Realität quasi als Befund über die österreichische Landwirtschaft wieder. Ich ersuche auch die Autoren des Grünen Berichtes, weiterhin in ihren Bemühungen zur kontinuierlichen Verbesserung beizutragen.

Zur Hauptaussage, nämlich zur negativen Einkommensentwicklung, möchte ich anmerken, daß der Vergleich von 1997 zu 1996 weitaus zu kurz greift. Man muß, um eine seriöse Aussage treffen zu können, einen längeren Zeitraum heranziehen, um ein realistisches Bild zeichnen zu können. Tatsache ist, daß die Einkommensentwicklung – mit einigen wenigen Einschränkungen, das gebe ich zu – besser als vor dem EU-Beitritt war. Im Berichtszeitraum 1997 haben die Direktförderungen nach wie vor sehr gut gegriffen.

Nicht unerwähnt aber möchte ich lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß es nach wie vor eine sehr große Ungleichheit bei der Verteilung der Förderung gibt. Dies ist uns Sozialdemokraten ein besonderer Dorn im Auge. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf das Regierungsübereinkommen verweisen, worin ausdrücklich festgehalten ist, daß die Verteilung der Subventionsgelder in der Landwirtschaft verstärkt nach sozialen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dafür ist sicherlich noch einiges zu tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon vieles gesagt worden, aber abschließend darf ich daran erinnern, daß wir aus diesem Grund für einen sozialen, ökologischen Umbau in diesem Bereich eintreten. Die Förderungspolitik muß im Sinne einer sozial gerechteren Verteilung in erster Linie auf den Faktor Arbeitskraft abgestimmt werden. Dem sind daher die bisherigen Bestimmungsfaktoren Fläche oder Anzahl der Rinder unterzuordnen.

Weiters treten wir für eine Ausweitung der sozialen Staffelung – das ist in den ersten wichtigen Ansätzen im österreichischen Umweltprogramm für die Landwirtschaft bereits umgesetzt – mit einem Sockelbetrag für Kleinbetriebe und einer Obergrenze für Großbetriebe ein.

Ich möchte – um das heute nicht unerwähnt zu lassen – auf ganz aktuelle Ereignisse in Brüssel Bezug nehmen. Wie auch täglich den Medien zu entnehmen war und ist, ist es in den Agenda-Verhandlungen zu einem entscheidenden Kurswechsel gekommen. Es zeichnet sich eine Mehrheit für den Vorschlag der Kommission beziehungsweise ein Eintreten der Agrarausgaben ab. Der österreichische Landwirtschaftsminister schlägt dazu – wir werden ihn dabei tatkräftig unterstützen – Obergrenzen für die Subventionsvergabe an Großbetriebe vor. Wir hoffen, er wird damit eine mutige soziale Staffelung in Brüssel durchbringen. Dies wäre ein sehr positives Ergebnis für unsere kleinstrukturierten Berg- und Biobauern in Österreich.

Im großen und ganzen nochmals herzlichen Dank! Selbstverständlich wird die sozialdemokratische Fraktion den Bericht gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.45

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zuerst aus meiner Sicht zum Waldbericht Stellung nehmen. Ich darf mich für die sehr korrekte Darstellung der Situation, wie sie in der bisherigen Debatte gezeigt worden ist, bedanken.

Tatsächlich ist es so, daß wir hinsichtlich des Zustandes des Waldes nicht von einer Entwarnung sprechen können. Aber gleichzeitig müssen wir sagen, daß sich der Zustand des Waldes zumindest stabilisiert und in einzelnen Bereichen ins Positive entwickelt. Ich denke, daß dabei beispielsweise die Schadstoffreduktion – insbesondere von SO2 – wesentlich geholfen hat. Die


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Schadstoffsituation zeigt aber gleichzeitig, wo tatsächlich zusätzlicher Handlungsbedarf gegeben ist, nämlich im grenzüberschreitenden Handeln gegen Schadstoffe, weil Schadstoffe an der Grenze nicht haltmachen. Wir sehen die spezifische Problematik von NOx in manchen exponierten Lagen des österreichischen Waldes.

Ein zweites Beispiel: Der Mischwaldanteil hat im österreichischen Wald tatsächlich zugenommen. Das halte ich für eine absolut positive Tendenz, und es zeigt – darauf sollten wir alle besonders stolz sein –, daß die österreichische Waldwirtschaft, daß die österreichischen Waldbauern richtig reagieren.

Gleichzeitig ist aber auch klar, daß wir Probleme haben, die nicht geleugnet werden sollen. Die Frage der Sanierung der Schutzwälder ist ein permanentes Thema, das uns für die nächsten Jahre und Jahrzehnte beschäftigen wird. Das ist kein Programm, das von heute auf morgen bewältigt werden könnte, sondern eine permanente Aufgabe.

Wir haben ebenfalls regional – das müssen wir ganz deutlich sagen – Probleme mit dem Wildverbiß. Nur muß man dabei meiner Ansicht nach die Kirche im Dorf lassen. Die Problematik ist in besonderer Weise dort gegeben, wo intensive Siedlungstätigkeit und intensive touristische Nutzung in Regionen konzentriert sind. Die Beschäftigung mit dieser Problematik, wie wir in dieser spezifisch regionalen Situation mit dem Problem Wald – Wild umgehen, ist in besonderer Weise auf Landesebene erforderlich. Denn ich bekenne mich dazu, daß die Jagdgesetze nach wie vor Landesgesetze bleiben sollen. Ich sage aber dazu: Meine Erfahrung ist, daß sich auch in dieser Hinsicht die vernünftige Kooperation zwischen Wald und Jagd auf Landesebene in den letzten Jahren sehr stark verbessert hat.

Insgesamt denke ich daher, daß der Waldbericht, so wie er vorliegt, eine ordentliche Grundlage ist. Dafür möchte auch ich mich aufrichtig bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken.

Hinsichtlich der Frage der Vorlage des Waldberichtes ist es richtig – darauf wurde schon hingewiesen –, daß wir ihn deshalb etwas später als geplant vorgelegt haben, weil wir die Forstinventur 1992 bis 1996 zur Gänze – da er aktuell sein sollte – in dem Waldbericht festhalten wollten.

Wir werden es tatsächlich so halten, Herr Bundesrat Gudenus, daß die im § 16 vorgesehene Berichtslegung an das österreichische Parlament in der Frage Wald – Wild jährlich in schriftlicher Form erfolgen wird und daß wir den schriftlichen, umfassenden Waldbericht nur alle zwei Jahre zur Verfügung stellen werden. In den Jahren dazwischen werden wir die modernen Technologien, die sich früher oder später für jeden als selbstverständlich herausstellen werden, tatsächlich zur Anwendung bringen. Ich sage Ihnen auch: Angesichts der durchschnittlichen Lebensdauer eines Baumes, bis er zur Nutzung reif ist, möchte ich meinen, daß eine Zweijährigkeit des Waldberichtes durchaus gerechtfertigt ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Gerade in bezug auf den Waldbereich möchte ich darauf hinweisen – das habe ich auch schon mit einem Satz getan –, daß die Frage der internationalen Kooperation von besonderer Bedeutung ist. Ich bin daher froh, daß es uns gelungen ist, während unserer Präsidentschaft in der Europäischen Union einen einstimmigen Beschluß für eine gemeinsame Forststrategie der EU und ihrer Mitgliedstaaten zu bekommen, die insbesondere die Ziele der nachhaltigen Nutzung der Wälder sowie der Schutzfunktion, der Sozialfunktion und vor allem auch der ökologischen Funktion der Wälder außer Streit stellt. Dies ist eine gute Grundlage für weitere internationale Arbeiten. Österreich hat für die nächsten vier Jahre den Vorsitz beim gesamteuropäischen Forstprozeß, und das ist eine für uns ganz herausragende Verantwortung, die wir ernst nehmen werden.

Auch in der Europäischen Union ist etwa mit der neuen Konzeption der ländlichen Entwicklung durchaus Positives für die Forstwirtschaft zu erwarten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe davon aus, daß die sehr dynamische wirtschaftliche Entwicklung in der Forstwirtschaft der Jahre 1997 und 1998 auch im Jahr 1999 an


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halten wird. Es ist richtig, daß wir zusätzliche Impulse für die wirtschaftliche Nutzung von Wald geben müssen. In Österreich nutzen wir nur etwa zwei Drittel des jährlichen Zuwachses. Wir können daher den Wald nutzen, ohne das Kapital anzugreifen.

Es ist daher derzeit eine Strategie in Vorbereitung, aufbauend auf den Waldwirtschaftsgemeinschaften, von deren Konzeption ich sehr viel halte, zu überbetrieblicher Bewirtschaftung auch im Wald einen nächsten Schritt zu gehen, der überbetriebliche Vermarktungsstrategie heißt. Es wird von mir gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft geprüft, inwieweit wir gemeinsam etwa mit der Zellstoffindustrie, der Papierindustrie und der Sägeindustrie zu längerfristigen Lieferbeziehungen zwischen Forstwirtschaft und Nutzungsseite kommen können. Beide Seiten hätten etwas davon. Ich weiß, daß nach anfänglichen Widerständen der Wirtschaft in der Zwischenzeit auch dort die Frage der vertraglichen Bindung zwischen Produzenten und abnehmender Hand als sehr interessante Perspektive gesehen wird. Dazu brauchen wir aber die Zusammenarbeit der Waldbesitzer, denn der einzelne Waldbesitzer, der in Österreich eine durchschnittliche Größe von 5, 6 oder 7 Hektar zur Verfügung hat, kann dieser Nachfragesituation nicht gerecht werden. Das geht nur mit überbetrieblicher Kooperation.

Meine Damen und Herren! Zum Grünen Bericht möchte ich zuerst festhalten, daß er gemäß Landwirtschaftsgesetz dem Hohen Haus zeitgerecht vorgelegt wurde. Die Frist dafür ist im Landwirtschaftsgesetz mit 15. September des Folgejahres geregelt. Es ist eine Aufgabe der Präsidiale des Hohen Hauses, über die Behandlung auf der Tagesordnung beider Häuser des Parlamentes zu entscheiden, nicht aber meine Aufgabe.

Zweitens gibt der Grüne Bericht – darauf lege ich Wert – in sehr realer, in realistischer und offener Weise wieder, wie die Situation in der Landwirtschaft ist. Er leugnet und beschönigt die Probleme nicht, aber er sagt auch klar, welche Perspektiven wir haben. Insofern wird der Grüne Bericht aus meiner Sicht auch in Zukunft eine wichtige Grundlage sein, damit wir agrarpolitische Entscheidungen, die in den nächsten Jahren notwendig sein werden, tatsächlich auch von deren Auswirkungen her beurteilen können.

Vielleicht einige Sätze zu angesprochenen Fragen, zunächst hinsichtlich der Agenda. Ich sage Ihnen ganz klar – ich habe das dieser Tage auch im Hauptausschuß klar gesagt –: Es wird eine Entscheidung über die Agenda 2000 geben. Ich gehe davon aus, daß sie im Laufe des März endgültig getroffen werden wird. Ich halte es auch für notwendig, der Landwirtschaft Klarheit darüber zu geben, auf welcher Grundlage in den nächsten Jahren gewirtschaftet werden kann. Es ist für die Bauern unbefriedigend, ständig nur eine Reformdiskussion zu haben, von der niemand ein Ergebnis kennt. Das trägt zur Verunsicherung bei.

Mir ist bewußt, daß die Einschätzung der Landwirtschaft gegenüber der Agenda sehr kritisch ist. Dies ist teilweise berechtigt. Verschärft wurde diese kritische Einstellung durch die neuen Budgetvorschläge. Es muß klar gesagt werden, daß das unter anderem damit zu tun hat, daß wir nun in der Präsidentschaft eine Regierung haben, die rot-grün ist, und Rot-grün – das muß ich hier deutlich sagen – hat in den letzten Monaten gezeigt, daß das nicht die ideale Farbkombination für eine bäuerliche Landwirtschaft ist. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Eisl: Aber sehr frisch!)

Weiter verschärft wird diese Diskussion dadurch, daß nun Vorschläge zur zeitlichen Degression der Marktordnungsprämien auf den Tisch gekommen sind. Das sind Vorschläge, die nicht meine Zustimmung finden. Ich habe daher bewußt als Alternativmodell eine größenabhängige Degression der Marktordnungsprämien vorgeschlagen, weil ich denke, daß es notwendig ist – wenn wir das europäische Modell ernst nehmen –, tatsächlich etwas für die bäuerliche Landwirtschaft zu tun. Ich habe meinen Freunden aus den größeren österreichischen Betrieben auch gesagt, daß ich es für richtig halte, diese Degressionsdebatte jetzt zu führen, weil als Alternative dazu von anderen mittelfristig offensichtlich der gänzliche Abbau der Marktordnungsprämien gemeint ist. Es ist vernünftiger, dazu ein sinnvolles politisches Konzept vorzulegen.

Ich sage Ihnen auch, daß es eine aggressive Ablehnung dieses meines Vorstoßes von einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gibt. An die Abgeordneten der sozialdemokratischen


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Bundesratsfraktion gerichtet: Es ist für mich interessant, daß die aggressivste Ablehnung dieses meines Vorschlages von den Regierungen kommt, die unter sozialdemokratischer Führung in Europa stehen, nämlich von Großbritannien, Frankreich und von Deutschland. So gesehen stimmt es ... (Bundesrat
Konecny: Es sind ein bißchen mehr, die unter sozialdemokratischer Regierung stehen!)

Ich habe ja gesagt: in besonderer Weise aggressiv. Ich könnte die Schweden und andere noch hinzunehmen, Herr Bundesrat Konecny, und so gesehen stimmt es doch. Es gibt ein Zitat, das Ihnen nicht ganz fremd sein wird, Herr Bundesrat Konecny: Das Sein bestimmt das Bewußtsein. (Bundesrat Konecny: Richtig!)

Ich teile die Einschätzung, daß wir uns in der Agenda im Marktordnungsbereich zusätzliche, für Österreich wichtige Verbesserungen herausverhandeln müssen. Ich denke, es ist etwa die Frage der Milchquote für Österreichs Landwirtschaft eine Schlüsselfrage. Ich denke, daß etwa die Frage der nachwachsenden Rohstoffe für Österreich und für die europäische Landwirtschaft wichtig ist, und in besonderer Weise auch die Berggebietslandwirtschaft. Es ist für mich auch erfreulich, festzustellen, daß im Rahmen der Agenda die ländliche Entwicklung – das heißt das, was wir mit Umweltprogrammen machen können, und das, was wir für die Bergbauern machen können – in der Zwischenzeit außer Streit steht.

Ich unterstütze auch die heute ebenfalls bereits zur Sprache gebrachten Anliegen der österreichischen Landwirtschaft im Rahmen der Steuerreform. Ich denke, daß etwa die Frage der pauschalierten Umsatzsteuer im Rahmen der Steuerreform einer Lösung zugeführt werden muß. Mir ist auch die Bedeutung eines Umweltprogrammes ab dem Jahr 2000 klar. Ich halte daher fest, daß meine Strategie lautet: in der Agenda, soweit es möglich ist, für Österreich vernünftige Lösungen zustande zu bringen und in Österreich – parallel dazu – die notwendigen politischen Entscheidungen zu treffen.

Nur ganz kurz zu einigen angesprochenen Fragen: Herr Bundesrat Eisl! Ich kann Sie beruhigen. Die Demonstration am Montag wird stattfinden. Der Agrarministerrat am Montag wird in Brüssel stattfinden. Ich kann Sie auch in folgender Hinsicht beruhigen: Morgen um 17 Uhr ist vom Vorsitzenden des Rates Landwirtschaft – das ist so üblich – und vom Kommissar vorgesehen, eine Delegation der Demonstranten zu empfangen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist aber nett!) Die Landwirtschaftsminister halten den Dialog mit jenen aufrecht, für die sie Verantwortung tragen. Das ist auch mein selbstverständlicher Zugang. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Gudenus: Die sollten mitdemonstrieren)

Herr Bundesrat Gudenus! Es ist meine Aufgabe, im Rat Landwirtschaft für Österreich zu kämpfen. Das kann ich nur tun, wenn ich dort bin. Wissen Sie, es wäre gefährlich, in einer Entscheidungssituation nicht im Zimmer zu sein. Meine Erfahrung ist, daß man dann da sein muß, wenn es ernst wird. Dann soll man nicht flüchten. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundesrat Gudenus! Ich glaube, daß es notwendig ist, klarzumachen, daß es europäische Perspektiven für die Landwirtschaft gibt. Die von Ihnen zitierte WTO existiert im übrigen seit dem Jahr 1948, nur hat sie damals nicht "WTO", sondern "GATT" geheißen. Ich bin davon überzeugt, daß wir dort nur durch eine einstimmige europäische Position unsere Interessen vertreten können. Denn dort sind 130 Länder Mitglieder, und dort geht es darum, daß eine starke, gemeinsame europäische Sprache gesprochen wird.

Nur mit einer gemeinsamen, starken europäischen Sprache können wir auch die Erweiterung und die Risiken, die dort gegeben sind und die kein Mensch leugnet, tatsächlich so behandeln, daß die Erweiterung für uns Sinn macht.

Oder etwa die in der letzten Diskussion schon angesprochenen Standards können wir nur auf europäischer Ebene verbessern. Ich denke in Richtung Ökologie beispielsweise an die Nitratrichtlinien. Auch hier ein offenes Wort: Ich bin für die Einstimmigkeit dort, wo sie unbedingt notwendig ist, etwa bei der Frage Wasser.


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Wir müssen uns aber die Frage stellen, ob die Einstimmigkeit überall richtig ist. Nehmen Sie zum Beispiel den Tierschutz her: Da heißt Einstimmigkeit, daß wir keine Verbesserung in Europa zustande bringen, weil es immer jemanden geben wird, der gegen Tierschutz auftritt. Wenn wir es in Europa mit der Nitratrichtlinie zum Beispiel ernst meinen, dann können wir nicht warten, bis der letzte auf den Zug aufspringt, sondern dann müssen wir vorne sein. Das heißt, dort, wo es notwendig und sinnvoll ist, bin ich klarerweise für die Einstimmigkeit, also dort, wo es um existentielle Fragen geht. Wir müssen uns aber sehr wohl überlegen, ob die Einstimmigkeit in allen Bereichen Sinn macht, weil sie zur Blockadepolitik führen und zum Beispiel sinnvolle ökologische Verbesserungen verhindern könnte.

Vorletzter Satz: Es wird von der FPÖ offensichtlich für notwendig und richtig gehalten, Herr Bundesrat Weilharter, das Landwirtschaftsministerium abzuschaffen. Es ist Ihr gutes Recht, über die Zukunft der Ministerienstruktur in Österreich eigene Vorstellungen zu entwickeln, ich bezweifle aber, daß Sie den Bauern in dieser Situation einen guten Dienst erweisen. Das Landwirtschaftsministerium ist etwa in seiner Vertretungsaufgabe gegenüber Brüssel aus meiner Sicht unverzichtbar. Wollen Sie vielleicht die Frage der Landwirtschaft dem Finanzminister in den Agenden dazugeben? (Bundesrat Mag. Gudenus: Hilfe! Hilfe!) – Ich nicht.

Wollen Sie, Herr Bundesrat Weilharter, beispielsweise, daß etwa andere Fragestellungen, die für die Landwirtschaft substantiell sind, von anderen verhandelt werden? – Ich gehe davon aus, daß in einer Zeit wie dieser die Bauern das Landwirtschaftsministerium in besonderer Weise brauchen – unabhängig davon, wer es führt. Vielleicht gilt für Sie derselbe Satz, den ich auch Kollegen Konecny gesagt habe: Das Sein bestimmt das Bewußtsein.

Sie haben auch – das habe ich heute relativ häufig gehört, sowohl von Herrn Bundesrat Eisl als auch von anderen – vom Ende der Landwirtschaft gesprochen. Ich bin seit Beginn der achtziger Jahre indirekt und direkt im agrarpolitischen Bereich tätig. Ich höre seit Beginn der achtziger Jahre von der Opposition, das Ende der Landwirtschaft stehe kurz bevor. Diese Argumentation wurde nur in drei Jahren nicht verwendet, nämlich in den Jahren 1983 bis 1986. Da war alles plötzlich ganz anders, das war die Zeit, als die FPÖ den Staatssekretär gestellt hat. – Für die Bauern war es nicht anders, aber in der Außendarstellung war es anders.

Tatsache ist, daß wir die Probleme nicht verleugnen sollten. Tatsache ist, daß wir die Sorgen der Bauern respektieren sollten. Tatsache ist aber genauso, daß wir den Bauern Zuversicht geben und nicht künstlich ein Ende herbeireden sollten, das nicht bevorsteht, meine Damen und Herren! Die Bauern haben Lebenswillen und Lebenskraft, und die Politik hat die Verpflichtung, sie zu unterstützen und nicht madig zu machen. Darum bitte ich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.03

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich unterbreche nun die Verhandlungen zur Tagesordnung.

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Helena Ramsbacher, Ulrike Haunschmid, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, Andreas Eisl und DDr. Franz Werner Königshofer an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Leistungen statt Wahlversprechen für Frauen und Familien (1572/J-BR/99)

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Helena Ramsbacher, Ulrike Haunschmid, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, Andreas Eisl und DDr. Franz Werner Königshofer an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Leistungen statt Wahlversprechen für Frauen und Familien (1573/J-BR/99)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringlichen Anfragen der Bundesräte Mühlwerth und Genossen an die Frau Bundesministerin für


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Arbeit, Gesundheit und Soziales und an den Herrn Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie.

Da diese beiden Anfragen inzwischen allen Bundesräten zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Mühlwerth als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfragen das Wort.

16.04

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als die Freiheitlichen 1992 den Kinderbetreuungsscheck gefordert haben, der den Familien unabhängig vom finanziellen Druck die Betreuung ihrer Kinder organisieren helfen sollte, ist diese Idee, wie wir das gewöhnt sind, nahezu reflexartig auf Ablehnung von ÖVP und SPÖ gestoßen. Nicht finanzierbar!, hat es von seiten der ÖVP geheißen, und die SPÖ hat natürlich, ihrem alten Muster folgend, gesagt: Wir wollen nichts anderes, als die Frauen zurück an den Herd zu drängen.

Voriges Jahr haben dann die Mitglieder der ÖVP von Oberösterreich den ersten Schwenk gemacht. Man hat gesagt, so schlecht sei diese Idee des Kinderbetreuungsschecks nicht, vielleicht sollte man ihr nähertreten. Nachdem auch letztes Jahr schon hinlänglich bekannt war, daß heuer wieder Wahlen stattfinden werden, ist dann letzten Endes die gesamte ÖVP auf diesen Zug aufgesprungen. Nachdem das aber natürlich nicht "Kinderbetreuungsscheck", wie wir es genannt haben, heißen konnte, hat man sich etwas eigenes einfallen lassen und hat ein "Karenzgeld für alle" gefordert.

Da ist natürlich prompt die SPÖ auf den Plan getreten und hat es zurückgewiesen. Keine sinnvolle Idee!, hat es geheißen, von der Mütterprämie ist gesprochen worden, Irmgard Schmidleithner hat sogar von einem sozialen Verbrechen an den berufstätigen Frauen gesprochen. "Völlig unzumutbar!", "Steinzeitliches Frauenbild!" und "Zurück ins 19. Jahrhundert!" hat es geheißen, und ähnliches mehr.

Das muß man natürlich auch unter der Prämisse sehen, daß gerade die SPÖ diejenige ist, die immer sagt: Es ist ganz wichtig, daß Beruf und Familie vereinbar sind, und daß möglichst alle Frauen berufstätig sein sollten.

Wie schaut aber die Berufstätigkeit der Frauen im allgemeinen aus? – Wir sprechen nicht von denjenigen, die Karriere machen, die gut verdienen. Das ist eine Minderheit, das ist nicht unbedingt die Mehrheit. Wir sprechen vom ungleicher Lohn – das geben Sie selbst immer wieder zu. Auch bei Ihrer letzten Klubklausur ist von den SPÖ-Frauen dieses Thema wieder angesprochen worden. Trotz 30jähriger Regierung ist es Ihnen nicht gelungen, diesbezüglich irgend etwas zu verbessern. Es sind oft minderqualifizierte Tätigkeiten, die Frauen ausüben, und sie sind daher natürlich auch schlecht bezahlt. All das geht einher mit einer Doppelbelastung der Frauen – Beruf und Familie –, weil auch im häuslichen Verband die Hauptlast nach wie vor von den Frauen getragen wird.

Immer mehr Familien sind unter Ihrer Regierungspolitik, sehr geehrte Damen und Herren von ÖVP und SPÖ, an die Armutsgrenze oder unter die Armutsgrenze gerutscht. 420 000 Personen werden als "arm" definiert, sagt der "Bericht zur sozialen Lage" von 1997. Davon müssen 27 Prozent, also mehr als ein Viertel, mit einem Pro-Kopf-Einkommen von unter 5 000 S ihr Auslangen finden. 60 Prozent derer, die als "arm" definiert sind, nämlich der Kinder, müssen mit einem Pro-Kopf-Einkommen in der Höhe von unter 6 000 S leben.

Diese Zahlen zeigen sehr deutlich, daß es nicht immer so ist, daß die Frauen arbeiten wollen. Es gibt viele, die es wollen. Ich will das überhaupt nicht bestreiten, und ich möchte ihnen das auch gar nicht nehmen, aber die Zahlen zeigen schon, daß es notwendig ist, daß die Frau auch mitverdient, weil die Familie sonst nicht das Auslangen finden kann. Es hat immer wieder Umfragen gegeben, bei denen eine deutliche Mehrheit der Frauen auf die Frage: Würden Sie zu Hause bleiben wollen, wenn Sie es sich leisten könnten?, gesagt hat: Ja, wenn ich es mir leisten


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könnte, würde ich zumindest für einige Zeit, und zwar eine längere, schon sehr gerne zu Hause bleiben. (Bundesrat Freiberger: Das kann man mich auch fragen! – Heiterkeit.) – Na bitte, da haben wir auch schon einen Mann, der gerne zu Hause bleiben würde!

Die Familie, egal, ob jetzt Männer oder Frauen zu Hause bleiben, ist nun einmal die Keimzelle der Gesellschaft. Sie ist aber durch die Regierungspolitik einem systematischen Erosionsprozeß ausgesetzt. Es hat noch nie so viel Freiheit für den einzelnen wie heute gegeben, und gleichzeitig hat es noch nie so viel Gewalt wie heute gegeben. Ich meine, es wäre einmal an der Zeit, darüber nachzudenken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das soziale Verhalten wird nach wie vor zuerst in den Familien gelernt. Es manifestiert sich dann auch im Kindergarten, in der Schule, bei den Freunden et cetera, aber der Grundstein wird in der Familie gelegt. Wenn aber schon die Kleinstkinder in die Kinderkrippen abgeschoben werden, weil man den Frauen einredet, daß sie nur dann etwas wert sind, wenn sie auch außer Haus berufstätig sind, dann fehlt dieser soziale Halt; es gibt genügend Sozialstudien, die das belegen. Das Ergebnis, sehr geehrte Damen und Herren, bekommen wir alle aber zu spüren. Das Ergebnis bekommt die Gesellschaft zu spüren.

Dabei ist eines nicht einzusehen – das ist etwas, was mir völlig unverständlich ist –: Wenn die Kindergärtnerin oder die Horterzieherin oder die Erzieherin oder Betreuerin in der Krippe die Kinder betreut – das findet außerhäuslich statt und wird bezahlt –, dann ist es ein wichtiger Dienst an der Gesellschaft, ist es etwas ganz Wesentliches – was es auch tatsächlich ist! Wird dasselbe von Frauen zu Hause ohne Bezahlung, für die eigenen Kinder, für die eigene Familie, gemacht, ist es plötzlich nicht mehr so toll. Dann hat es einfach nicht mehr denselben Stellenwert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren – und das richtet sich vor allem an die SPÖ: Diesen Unterschied muß mir wirklich einmal jemand erklären, noch dazu, da in diesen Berufen vorwiegend Frauen beschäftigt sind. Es kann daher nicht so schlimm sein, Kinder zu betreuen, zu erziehen und zu begleiten.

Wir Freiheitlichen sind immer für die Wahlfreiheit eingetreten. Wir haben immer gesagt, die Frauen, die berufstätig sein wollen – außer Haus natürlich –, sollen das auch machen können, es soll ihnen kein Stein in den Weg gelegt werden. Es kann aber nicht so sein, daß die Frauen, die zu Hause bleiben, immer diffamiert und als Heimchen am Herd hingestellt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

So war auch immer unser Kinderbetreuungsscheck zu verstehen, der in Wirklichkeit wesentlich weiter geht als das Karenzgeld für alle, das sich die ÖVP jetzt hat einfallen lassen, so quasi als ihre eigene Idee, denn da gibt es nur die Karenzzeit, und dann ist es aus. Der Kinderbetreuungsscheck geht wesentlich weiter, weil man dabei wählen kann: Bleibe ich zu Hause, mache ich es selbst, oder gehe ich doch wieder arbeiten und nehme diesen Scheck für die Kinderbetreuungseinrichtungen in Anspruch?

Ich möchte aber trotzdem nicht verhehlen, daß dieses Karenzgeld für alle natürlich ein Schritt in unsere Richtung und daher zu begrüßen ist.

Wie ernst man es mit diesen Kinderbetreuungseinrichtungen nimmt, möchte ich Ihnen nun anhand eines kurzen Beispiels erläutern.

Es heißt immer, daß es so wenig Kinderbetreuungseinrichtungen gibt, daß es mehr sein sollten, daß sie flexibler sein sollten et cetera. In Wien war es immer üblich, daß, wenn ein Kind krank war, die Zeit, während der dieses Kind nicht im Kindergarten oder im Hort war, nicht bezahlt werden mußte. Die Wiener SPÖ hat sich da aber etwas einfallen lassen: Seit September 1998 müssen auch die Zeiten, zu denen das Kind, beispielsweise wegen Krankheit, nicht im Kindergarten oder Hort sein kann, bezahlt werden. Das bedeutet natürlich eine zusätzliche Belastung für die Familien, denen es ohnehin nicht so gutgeht. Das ist also der SPÖ Wien zu den Kinderbetreuungseinrichtungen eingefallen.


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Es geht uns aber nicht nur um die Betreuung der Kinder, es geht uns auch um die pensionsrechtliche Berücksichtigung der Frauen, die zu Hause bleiben. Derzeit ist es aber niemandem möglich – es sind meistens Frauen; ich habe noch von keinem Mann gehört –, allein aufgrund von Kindererziehungszeiten eine Pension zu begründen. (Widerspruch bei Bundesministerin Hostasch. ) – Auch wenn man gearbeitet hat und es nur wenige Jahre waren, ist es nicht möglich, Frau Ministerin! Aber Sie können dann sagen, daß es nicht so ist.

Erstens einmal muß eine Frau, um die vier Jahre zu bekommen, im Abstand von vier Jahren ihre Kinder bekommen, und zweitens kommen diese Kindererziehungszeiten erst dann zum Tragen, wenn sie schon 15 Jahre gearbeitet hat. Ich glaube, das ist den Frauen gegenüber unfair, die durch die Kindererziehung einen wertvollen Dienst an der Gesellschaft leisten.

Wir, sehr geehrte Damen und Herren, treten dafür ein, daß der Arbeitsplatz Familie den gleichen Stellenwert hat wie eine außerhäusliche Berufstätigkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abschließend möchte ich Ihnen noch etwas zum Nachdenken mitgeben, was Frau Dr. Noelle-Neumann, die immerhin die Grande Dame der deutschen Sozialforschung ist, gesagt hat. Sie meint: Der Stolz auf unsere Arbeit, auf die Familie, unsere Kinder und unser Land ist ein positives Gefühl, das Menschen mit ihrer Umwelt verbindet und sie zur Selbstlosigkeit befähigt. – Ein Phänomen, das uns heute oft abgeht. – Menschen, die zum Stolz auf Eigenes fähig sind, haben mehr Vertrauen zu anderen Menschen, auch Vertrauen zum Staat und seinen Institutionen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke doch, daß wir uns einig darüber sind, daß wir dafür Sorge tragen sollen, daß wir auf unsere Jugend und auch auf unser Land stolz sein können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich zunächst die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.16

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Werter Ministerkollege! Sehr geschätzte Damen und Herren! Die zentrale und auch prioritäre Zielsetzung der Familienpolitik der österreichischen Bundesregierung liegt unter anderem in einer sozial gerechten Gestaltung der familienpolitischen Leistungen, insbesondere durch die systematische Förderung der Vereinbarkeit von familiären Betreuungspflichten und auch Erwerbstätigkeit sowie die Unterstützung, die finanzielle Entlastung im Zusammenhang mit Versorgungs- und Betreuungspflichten gegenüber Kindern und die Förderung für Kinder, damit sie eine langfristige, stabile und persönlich befriedigende Berufskarriere ermöglicht bekommen.

Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung ist das System der Familienförderung in Österreich weltweit vorbildhaft. Rund 11 Prozent der Sozialausgaben in Österreich gehen an Familien, im Durchschnitt der Europäischen Union sind es nur 8 Prozent. Ich glaube also, die Sozialausgaben in Österreich sind eine sehr bemerkenswerte Größe! (Beifall bei der SPÖ.)

Mit einem Anteil von 3,3 Prozent am Bruttoinlandsprodukt steht Österreich an vorderster Stelle. Ich möchte auch daran erinnern, daß anfangs der neunziger Jahre bezüglich der Aufwendungen für Familien eine Steigerung um 55 Prozent vorgenommen wurde, und ich darf Sie nur an die wichtigsten Errungenschaften dieser Epoche erinnern, die in den verschiedenen Leistungskategorien vorgenommen wurden: bei den Familienbeihilfen, beim Wochengeld, bei den Geburtenbeihilfen, beim Karenzgeld, bei Betreuungsplätzen in Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen, bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten im Pensionsrecht. Aber es ist seinerzeit mit der Steuerreform auch eine Reihe von Maßnahmen im Steuerrecht vorgenommen worden.

Weiters ist festzuhalten, daß eine Reihe von Maßnahmen ebenfalls unmittelbar oder mittelbar den Familien zugute kommt: Ich meine da die umfassende, beitragsfreie Mitversicherung von Angehörigen. Es sind dies in der Krankenversicherung 34 Prozent, was einen Leistungsaufwand


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in der Höhe von rund 20 Milliarden Schilling bedeutet. Ich bitte, sich dieser Größenordnung bewußt zu sein: Das ist eine Leistung für die Familien in der Höhe von 20 Milliarden Schilling!

Darüber hinaus gibt es spezifische arbeitsmarktpolitische Programme zum beruflichen Erst- und Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt bei gleichzeitiger Kinderbetreuung, aber auch finanzielle Unterstützung, wie zum Beispiel durch die Kinderbetreuungsbeihilfe, also Leistungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, im Bereich des Arbeitsmarktservice.

Ich möchte auch diverse steuerliche Maßnahmen in Erinnerung rufen, die getroffen wurden. Ich möchte auch darauf verweisen, daß bereits mit 1. Jänner 2000 das große Familienpaket in Kraft treten wird, das ein Gesamtvolumen von über 12 Milliarden Schilling aufweist.

Ich wollte diese Maßnahmen nur in Erinnerung rufen, um zu dokumentieren, daß da nicht nur von Worten und Aussagen die Rede ist, sondern daß dahinter Fakten und auch entsprechende betragliche Volumina stehen, die den Familien, die den Kindern unmittelbar zugute kommen; und diese Politik läßt sich auch durchaus nachvollziehen.

Wenn man zu dem, was schon geschehen ist und auch schon beschlossen wurde, noch die Ergebnisse der Vereinbarungen auf Regierungsebene in Bad Aussee dazunimmt, dann kann davon ausgegangen werden, daß Österreich seine herausragende, zukunftsorientierte familienpolitische Strategie qualitativ weiterentwickeln und dementsprechend diese Vorreiterrolle auch in Zukunft beibehalten wird. In diesem Zusammenhang gehe ich davon aus, daß – wie wir das in der Regierungsklausur in Bad Aussee festgehalten haben – in Zukunft unterschiedliche materielle, soziale und persönliche Situationen in der Familienpolitik auch Berücksichtigung finden werden, daß aber natürlich auch materielle Verbesserungen im jeweiligen budgetären Rahmen Bedeckung zu finden haben.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, in gebotener Kürze auf die verschiedenen Fragen Antwort zu geben. Ich möchte mir erlauben, auch einige Fragen zusammenzuziehen, da sie zusammenfassend beantwortet werden können.

Ich möchte zu den Fragen 1 bis 3 und 21 kurz Stellung nehmen.

Ich habe im wesentlichen vor – diesbezüglich gibt es sowohl mit dem Koalitionspartner als auch mit den Sozialpartnern Gespräche –, die Anspruchsvoraussetzungen für das Karenzgeld bei der Teilzeitkarenz zu vereinfachen, eine flexiblere Gestaltung bei der Karenzzeit zu ermöglichen, einen originären Karenzanspruch für Väter einzuführen, eine Flexibilisierung bei der Teilung des Karenzanspruches möglich zu machen, die Mindestdauer des Karenzurlaubes von drei Monaten auch im Fall der Adoption eines Kindes kurz vor dem Ablauf des zweiten Lebensjahres zu ermöglichen, flexiblere Meldefristen für die Inanspruchnahme von Karenzurlauben einzuführen, das Recht der karenzierten Beschäftigten auf Information über wichtige Betriebsgeschehnisse zu ermöglichen und weiters die Möglichkeit zu schaffen, daß aus Anlaß des erstmaligen Wechsels der Betreuungsperson Karenzurlaub in der Dauer von einem Monat gleichzeitig – was jetzt nicht möglich ist – sowohl vom Vater als auch von der Mutter in Anspruch genommen werden kann, ohne daß sich die Erhöhung des bisherigen gesetzlichen Anspruches auf Karenzurlaub daraus ergibt. Ich glaube, daß das eine wichtige Maßnahme für Eltern ist, wenn sie ein derartiges Bedürfnis haben.

Andererseits möchte ich aber auch erreichen, daß ein Anspruch auf Verhinderungskarenzurlaub des Vaters bei Wegfall der überwiegenden Betreuung durch die Mutter gegeben ist – etwas, das in der derzeitigen Regelung noch nicht möglich ist –, darüber hinaus soll Elternkarenzurlaub in der Gesamtdauer von sechs Monaten für den Fall der Adoption eines Kindes zwischen dem zweiten Lebensjahr und dem Schuleintritt eines Kindes gewährt werden, und nicht zuletzt habe ich Überlegungen zur Flexibilisierung bei der Teilzeitkarenz angestellt.

Es ist dies ein sehr umfangreiches arbeitsrechtliches Paket, das weiterentwickelt werden soll und zu einer flexibleren, vereinfachten Inanspruchnahme des Karenzurlaubes führen und damit auch eine bedarfsgerechte Karenzregelung für Eltern ermöglichen soll, die natürlich auch mit den betrieblichen Erfordernissen in Einklang zu bringen ist. Aber ich erwarte mir doch, daß mit


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den Sozialpartnern jene Einigung gefunden werden wird, die wir auf Regierungsebene bereits in Aussicht genommen haben.

Erlauben Sie mir zu den Fragen 4, 5, 8, 9, 14, 15, 16, 17, 18, 20 und 29 Stellung zu nehmen.

Hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Fragen hat mein Haus aufgrund der schon erwähnten Gespräche in Bad Aussee Gesetzentwürfe erarbeitet, die, wie erwähnt, bereits mit den Sozialpartnern verhandelt werden. Darüber hinausgehende Überlegungen, die materielle Auswirkungen haben, sind im Rahmen der Steuerreform zu verhandeln. Ich trete entschieden dafür ein, daß es dazu kommt, daß das derzeitige Karenzgeld mit 1. 1. 2000 angehoben wird, und ich stelle mir dabei eine Anhebung auf etwa 6 000 S vor.

Zur Frage 6: Das Karenzgeld als Versicherungsleistung ermöglicht erwerbstätigen Müttern beziehungsweise Vätern die vorübergehende Karenzierung beziehungsweise Freistellung von der Arbeit zur Betreuung eines Kleinkindes. Das ist der entscheidende Grundsatz und der Hintergrund einer Karenzregelung. In diesem Zusammenhang ist das Karenzgeld als Versicherungsleistung an den Erwerb eines Anspruches aus einer vorangegangenen Erwerbstätigkeit gebunden. Ich glaube, daß bei der Karenz von diesem Grundsatz nicht abgegangen werden sollte.

Zur Frage 7: Die Möglichkeit, während des Leistungsbezuges einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, halte ich für wichtig und sinnvoll, da dadurch die Integration in die Berufs- und Arbeitswelt – zum Beispiel auch in den eigenen Betrieb – nicht verloren geht und damit die Wiederintegration nach Beendigung der Karenzzeit erleichtert wird. Aus diesem Grund – ich habe mich seinerzeit sehr stark dafür verwendet, daß wir diese Lösung finden konnten – gibt es bereits derzeit die Möglichkeit, während des Leitungsbezuges einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen zu können, ohne daß es zu einer Kürzung des Karenzgeldes kommt. Weiters besteht schon derzeit die Möglichkeit, Teilkarenz und Teilkarenzgeld zu beanspruchen, während einer Teilzeitbeschäftigung nachgegangen wird.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Aus meiner Sicht ist es aber sehr wichtig, daß bei einer Zuverdienstmöglichkeit der Grundgedanke der Karenzregelung nicht konterkariert wird, also der Grundgedanke, daß die Karenz dazu dient, daß die Eltern, der Vater oder die Mutter, genügend Zeit und Möglichkeit haben, die Betreuung des Kindes vornehmen zu können.

Ich möchte zu den Fragen 10, 12, und 19 Stellung nehmen.

Das Karenzgeld als Versicherungsleistung ist ein Teilersatz des wegfallenden Familieneinkommens und bewirkt daher eine gewisse materielle und finanzielle Unabhängigkeit in den ersten Lebensjahren des Kindes. Ich sage dies insbesondere aus der Sicht der Frau.

Zielrichtung ist dabei die existentielle individuelle Unabhängigkeit. Demgegenüber hätte die Einführung eines Kinderbetreuungsschecks aus meiner Einschätzung geradezu gegenteilige Auswirkungen, da eine derartige Leistung nur dann einen positiven Effekt bewirken würde, wenn die für die Kinderbetreuung notwendigen Betreuungsleistungen auch tatsächlich in vollem Ausmaß zur Verfügung stehen – etwas, was derzeit nicht gegeben ist. Ich hingegen verfolge die Forderung nach einer Bereitstellung geeigneter Betreuungseinrichtungen in qualitativer und quantitativer Form, wie wir dies – es ist dies auch die Auffassung der Bundesregierung – durch die Kindergartenmilliarde oder auch im Bereich der Arbeitsmarktpolitik durch Wiedereinsteigerinnenprogramme in Verbindung mit der Kinderbetreuungsbeihilfe forcieren.

Soziale Bedürftigkeiten von Familien beziehungsweise Frauen mit Kleinkindern – die gibt es – sind nach meiner Überzeugung mittels anderer Instrumente, wie zum Beispiel durch die Kleinkindbeihilfe – es kann auch eine andere Bezeichnung haben, auf jeden Fall andere als dem Karenzgeld –, zu berücksichtigen. Über derartige Lösungen gibt es bereits Gespräche, die, so hoffe ich, letztlich auch zu guten Ergebnissen führen werden.

Ich möchte auf die Frage 11 Bezug nehmen, wobei ich hoffe, daß ich sie richtig verstehe: keine Folgen. Ich hoffe, ich habe diese Frage richtig interpretiert.


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Zur Frage 13: Ja. 30 Prozent der Aufwendungen werden nach wie vor aus Beiträgen der Arbeitslosenversicherung im Rahmen der Gebarung Arbeitsmarktpolitik aufgebracht. Darüber hinaus ist eine entscheidende Zugangsvoraussetzung zum Karenzgeld der Erwerb von Ansprüchen im Rahmen der Arbeitslosenversicherung bei unselbständiger Erwerbstätigkeit.

Ich möchte kurz zu den Fragen 22 und 28 Stellung nehmen.

Wie ich bereits mehrfach ausgeführt habe, sehe ich zur Verbesserung der Situation der Frauen am Arbeitsmarkt aktive Unterstützungsmaßnahmen als vordringlich an, die die Vereinbarkeit von Beruf und familiären Verpflichtungen fördern. Dazu zählen der Ausbau und die Bereitstellung von beschäftigungsgerechten Betreuungseinrichtungen von Kindern als auch das umfassende Maßnahmenpaket zur Arbeitsmarktintegration von Frauen, das die Bundesregierung im Rahmen des Nationalen Aktionsplans für Beschäftigung vorgelegt hat, sowie die schon von mir erwähnten arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich darf Sie noch daran erinnern, daß es gerade während der österreichischen Präsidentschaft gelungen ist, jenen Teil der Nationalen Aktionspläne für Beschäftigung, die sich mit der Frage der Chancengleichheit und mit der spezifischen Rolle der Frau in unserer Gesellschaft und in unserer Arbeitswelt befassen, qualitativ deutlich zu verbessern. Wir haben damit nicht nur für Österreich, sondern europaweit neue Impulse gegeben. (Präsident Jaud übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte noch zu den Fragen 23 und 27 Stellung nehmen.

Was die Verbesserung der Anrechnung der Kindererziehungszeiten betrifft, so wurde bereits durch das ASRÄG, das Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 1997, eine höhere Bewertung der Kindererziehungszeiten ab dem Jahr 2000 festgelegt. Diese Maßnahme ist also bereits geltendes Recht. Ab diesem Zeitpunkt ist die Bemessungsgrundlage für die Kindererziehungszeiten an den Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende gebunden, was also eine deutliche Erhöhung der Bemessungsgrundlage bedeutet.

Durch diese deutliche Erhöhung der Bemessungsgrundlage wird auch eine wesentliche Verbesserung und Erhöhung der Frauenpensionen bewirkt. Dies ist ein gemeinsames familienpolitisches, frauenpolitisches und sozialpolitisches Anliegen, das wir bereits vor einiger Zeit realisieren konnten und das nun in Kraft tritt.

Auch im Bereich des Bundes-Pflegegeldgesetzes sind durch das von mir erwähnte Gesetz bereits Voraussetzungen geschaffen worden. Es ist dies die beitragssubventionierte Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Personen, die die Pflege von Pflegebedürftigen der Stufe 5, 6 und 7 übernehmen. Auch diese Bestimmung ist bereits geltendes Recht und ist sicher in sehr vielen Fällen eine Erleichterung für den Erwerb eines eigenständigen Pensionsanspruches, insbesondere für Frauen.

In bezug auf die Gleichsetzung von Kindererziehungszeiten mit Beitragszeiten ist folgendes zu sagen: Zu unterscheiden ist die Wirkung von Kindererziehungszeiten beziehungsweise Beitragszeiten dahin gehend, ob sie einen Anspruch auf Pension mit sich bringen und/oder die Pension erhöhen – es sind dies zwei qualitative Auswirkungen.

Hinsichtlich der Leistungsberechnung – das heißt der Pensionshöhe – sind Kindererziehungszeiten Beitragszeiten voll gleichgestellt, da für Kindererziehungszeiten eine eigene Bemessungsgrundlage bereits vorgesehen ist, und hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen – das heißt zur Begründung eines Pensionsanspruches – sind Kindererziehungszeiten bei der Prüfung der ewigen Anwartschaft ebenfalls zu berücksichtigen.

Die Bewertung der Kindererziehungszeit mit einer einheitlichen Bemessungsgrundlage halte ich für gerechtfertigt. Würden wir das nämlich nicht tun, dann hätten insbesondere Frauen mit kleinen oder sehr niedrigen Einkommen kaum Vorteile von dieser Regelung, und das war auch der Grund, warum ich mich seinerzeit massiv für diese Maßnahme eingesetzt habe.


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Daß für den Erwerb eines eigenständigen Pensionsanspruches auch eigene Beitragszeiten im Sinne einer eigenen Erwerbstätigkeit notwendig und sozialpolitisch gerechtfertigt sind, das möchte ich aus meiner Sicht betonen. Ich glaube aber, daß doch auch im Pensionsrecht Maßnahmen gesetzt werden konnten, die deutlich die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft als Mutter unterstützen, und daß dementsprechend die Kindererziehungszeiten qualitativ und quantitativ sehr stark berücksichtigt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.33

Präsident Gottfried Jaud: Ich erteile nunmehr Herrn Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein zur weiteren Beantwortung das Wort. – Bitte.

16.33

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte mich einleitend in vielem – vielleicht nicht in allem, aber in vielem – den Äußerungen von Frau Kollegin Hostasch anschließen, insbesondere wenn es darum geht, daß Österreich stolz sein kann auf das, was an Familienförderung in diesem Land heute schon möglich ist, und stolz sein kann auf das, was durch das Familienpaket bereits geltendes Recht ist und in zwei Teilen – zum 1. 1. 1999 und zum 1. 1. 2000 – umgesetzt wird.

Ich möchte Ihnen das noch einmal materiell vor Augen führen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir investieren nicht weniger als 12 Milliarden Schilling in diese Familiensteuerreform. Ich glaube, es handelt sich um ein gutes Investment, es handelt sich aber auch um eine erkleckliche Erhöhung der finanziellen Transferleistungen zugunsten unserer Familien. 12 Milliarden Schilling auf einer Basis von derzeit 42 Milliarden Schilling bringen eine Erhöhung der Transferleistungen um mehr als 25 Prozent.

Auch auf die einzelne Familie bezogen ist das eine wesentliche Verbesserung, und zwar ganz egal, ob man mit AlleinerzieherInnen spricht, ob man mit – meist – Müttern von mehreren Kindern spricht: Die Verbesserungen schlagen sich zu Buche, das ist eine echte Hilfe. Vielen Familien, die es bis jetzt finanziell besonders schwierig hatten, geht es in Zukunft etwas besser. Es ist nicht so, daß der Staat alles, was an Belastungen durch die Erziehung von Kindern vorhanden ist, wegnehmen und ausgleichen könnte, aber einen Teil dessen schaffen wir mit dieser Familiensteuerreform.

Wir sind damit dem Ziel, das familienfreundlichste Land Europas zu werden, ohne Zweifel nähergerückt, zumindest was die finanziellen Transferleistungen anlangt. Auf etwas anderes, was zur Familienpolitik mindestens ebenso beiträgt, komme ich dann später noch kurz zu sprechen.

Lassen Sie mich aber mit einem Seitenblick auf ein Erkenntnis der deutschen Verfassungsrichter in Karlsruhe sagen, daß mir dieses Volumen der Familiensteuerreform in der Höhe von 12 Milliarden Schilling – von manchen als viel zu hoch bezeichnet – im Vergleich zu dem, was die deutschen Verfassungsrichter einfordern, als durchaus angemessen erscheint. Die deutschen Verfassungsrichter geben dem deutschen Gesetzgeber vor, eine Familiensteuerreform mit einem Volumen von zumindest 22 Milliarden D-Mark auszufinanzieren und zu beschließen – also 155, 156 Milliarden Schilling. Selbst wenn man den üblichen Faktor 10 zwischen Österreich und Deutschland zum Ansatz bringt, liegen wir mit unserer Familiensteuerreform durchaus in einer vergleichbaren Größenordnung.

Gut zu sein und stolz darauf zu sein, was man bereits erreicht hat, soll uns aber natürlich nicht davon abhalten, darüber nachzudenken, besser zu werden. Das Karenzgeld für alle ist auch eine zentrale Fragestellung in dieser dringlichen Anfrage der Freiheitlichen, die von Frau Bundesrätin Mühlwerth eingebracht und vorgetragen wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich ist dieses Karenzgeld für alle etwas, was ich als sozial gerecht und als familienpolitisch für notwendig erachte, weil es aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar ist, wenn 11 Prozent der Eltern Österreichs – in Wirklichkeit betrifft das zu fast


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99 Prozent der Fälle die Frauen und Mütter Österreichs – keinen Anspruch auf Karenzgeld haben, während 89 Prozent diesen Anspruch sehr wohl haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In Zahlen ausgedrückt sind das auf der Basis der Karenzgeldbezieher des Jahres 1997 10 000 Eltern und im Jahre 2000 aufgrund des leider Gottes sehr rasch vor sich gehenden Geburtenrückganges rund 8 500 Eltern, die nach derzeitiger Rechtslage keinen oder nur den halben Karenzgeldanspruch haben. Es handelt sich dabei um Bevölkerungsgruppen, die sicherlich nicht zu den sehr gutgestellten gehören, was den materiellen Hintergrund anlangt. – Denken Sie an Schülerinnen, denken Sie an Studentinnen, denken Sie an Bezieherinnen von geringfügigen Einkommen – 3 899 S ist die neue Grenze für ein geringfügiges Einkommen.

Allein im Dezember letzten Jahres waren 132 000 Frauen gemeldet, die ein solches geringfügiges Einkommen beziehen. Jetzt weiß ich schon, daß nicht alle Frauen nur dieses geringfügige Einkommen beziehen – das kann dazuverdient werden und und und –, aber ich gehe davon aus, daß Zehntausende Frauen mit diesen 3 899 S auskommen müssen, und angesichts dessen sollte es doch, so glaube ich, vor allem auch aus sozialer Rücksichtnahme diesen Karenzgeldanspruch geben.

Ich glaube auch, daß man bei Unternehmerinnen und Bäuerinnen nicht davon ausgehen kann, daß das eine Frau Flick oder wen auch immer trifft. Das mag in Einzelfällen denkbar sein, aber der Regelfall ist, daß es sich durchschnittlich um eher schwächergestellte Frauengruppen, Elterngruppen handelt.

Ich kann nicht nachvollziehen, warum Herr Kollege Edlinger mit einer heutigen Schlagzeile mitteilt, daß die Mehrkosten dieses Karenzgeldes für alle 7 Milliarden Schilling betragen sollen. Ich bedauere, Ihnen mitteilen zu müssen, daß das für mich nicht nachvollziehbar ist; denn ich gehe von Mehrkosten in der Höhe von 800 Millionen Schilling – dies als Obergrenze – aus. 800 Millionen Schilling sind viel Geld, aber im Hinblick auf die zu erwartenden Überschüsse im FLAF verantwortbar. Das ist machbar, das ist finanzierbar.

Ich spreche mich auch klar dafür aus, nicht neuerlich unterschiedliche Leistungen zu strukturieren und einem Teil der Mütter Karenzgeld zu geben, einem anderen Teil der Mütter eine andere Leistung zukommen zu lassen. Ich bin für Karenzgeld für alle Mütter – ausgehend vom Anspruch des Kindes. Ein Kind, das in Österreich seinen Aufenthalt hat, ist heute schon Ausgangspunkt für die Familienleistung Familienbeihilfe und soll in Zukunft auch Ausgang sein für die Familienleistung Karenzgeld. Das ist klar, das ist transparent, das ist übersichtlich und würde zirka 8 500 Eltern oder Kinder betreffen. Hochgerechnet auf das Jahr 2000 würde dies, wie gesagt, Mehrkosten in der Höhe von 800 Millionen Schilling verursachen.

Daß man über eine Valorisierung des Karenzgeldes zu sprechen hat – ich komme in meiner Anfragebeantwortung noch konkret darauf zu sprechen –, ist klar. Frau Kollegin Hostasch hat auch eine Zahl genannt. Diese Zahl ist de facto zwischen den Koalitionspartnern paktiert. Dieser Wert ist allerdings erst nachvollziehbar, wenn man diese Valorisierung in Verbindung mit anderen Valorisierungen beschließt. Die Valorisierung ist jedenfalls bereits klargestellt. Sie ist aber ganz sicher nicht unter dem Begriff "Karenzgeld für alle" zu fassen und daher auch nicht im Betrag von 7 Milliarden Schilling enthalten.

Familienpolitik umfaßt aber sicherlich mehr. Ich habe daher mit Finanzminister Edlinger, mit Frau Kollegin Mag. Prammer und anderen ziemlich genau vor Jahresfrist ein Familienpaket 2000 vereinbart. Es beinhaltet wichtige Verbesserungen im Bereich des Karenzgeldes, unter anderem die besprochene Valorisierung, aber – dies sei fairerweise angemerkt – nicht das Karenzgeld für alle, das ist in diesem Familienpaket 2000 nicht enthalten gewesen. Es beinhaltet weiters – das ist gerade für Mitglieder des Bundesrates, die per definitionem aus den Bundesländern kommen, wichtig –, daß wir im Bereich der Schülerfreifahrt Verbesserungen anstreben. So sollen die Mindestentfernung gerade für jüngere Schüler von zwei auf einen Kilometer gesenkt und die Schülerfreifahrt auch auf Internatsschüler und Lehrlinge, die in die Berufsschule


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gehen, ausgeweitet werden. All das sind Maßnahmen, die jede für sich einen dreistelligen Millionenbetrag erfordert, deren Umsetzung aber, so glaube ich, doch wichtig ist. Auch hiefür ist die Finanzierung aus dem FLAF nach seiner derzeit absehbaren Entwicklung gesichert.

Das "Bad Ausseer Familienpaket" ist von Frau Ministerin Hostasch schon erwähnt worden. Auch dabei sind einige wichtige Maßnahmen enthalten. Ich glaube, daß uns insbesondere der gewonnene Spielraum bei der Familienberatung, aber auch bei der Elternbildung viele Möglichkeiten bieten werden, die derzeit nicht gegeben sind. Familienberatung wird in Österreich in über 300 Beratungsstellen geboten. Für Zehntausende Familien, Eltern und Frauen sind sie dann eine wichtige Anlaufstelle, wenn es nicht mehr weiter geht. Ursprünglich, also vor 25 Jahren, wurden sie als Begleitmaßnahme für die Beratung von Schwangeren gegründet. Jetzt ist dies eine der wichtigsten, aber keineswegs die einzige Aufgabe, die dort erfüllt wird. Es ist wichtig, die Elternbildung zu forcieren, und zwar keinesfalls als Verpflichtung, sondern dadurch, daß sie vom Staat prinzipiell einmal als förderfähig eingestuft wird.

Ich glaube, daß die familienpolitische Diskussion der letzten Monate oder, wenn Sie so wollen, die Streitigkeiten, ganz egal, ob in Landtagswahlkämpfen oder auf Wiener Boden, den Familien mehr genützt als geschadet haben. Sie sind im Mittelpunkt des Interesses, und das im übrigen nicht nur in Österreich. Ich darf die weder christlich noch konservativ orientierte deutsche Wochenzeitung "Zeit" zitieren, die vor zwei Wochen einen großen Artikel zur Familienpolitik gebracht hat. In diesem Artikel hat sie der deutschen Regierung in der abschließenden Conclusio gewissermaßen verordnet, eine Politik unter dem Slogan "Familie zuerst" zu betreiben.

Wenn eine bekannte und hervorragende linksliberale Publikation wie die "Zeit" in Deutschland zu diesem Schluß kommt und unter anderem formuliert, daß endlich anerkannt werden muß, daß Familien für die Zukunft des Staates mehr leisten als Singles oder kinderlose Paare, weil eben das Kinder-Haben und Kinder-Erziehen eine wichtige Leistung auch im Sinne des Staates ist und die Zukunft dieser Gesellschaft sichert (allgemeiner Beifall), dann können auch wir in Österreich sagen, daß eine familienpolitische Diskussion, die den Stellenwert der Familie in unserem Land wieder erhöhen, wieder verbessern, wieder besser sichtbar machen soll, unseren Familien guttut. Eine solche Aufwertung stellt letztlich auch den Dank der Gesellschaft für die Leistungen, die in den Familien erbracht werden, dar, denn finanziell oder anders ist das ohnehin nicht ausreichend, wenn überhaupt bedankt.

Ich merke an – Frau Kollegin Hostasch hat die Bedeutung auch schon unterstrichen –, daß es ganz wichtig sein wird, neben allem Finanziellen, Materiellen, das seitens der öffentlichen Hand geleistet werden kann, Familie und Beruf besser vereinbar zu machen.

Dazu gehört natürlich die Bereitstellung vernünftiger Infrastruktureinrichtungen. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die meinen, es sei für die Kinder am gescheitesten, da die Familien ohnehin so schwach und so unfähig geworden sind und Gewalt und sexueller Mißbrauch so überhandgenommen haben, sie so rasch wie möglich aus der Familie in eine staatliche Kinderbetreuungseinrichtung zu geben. Das kann es nicht sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich gehöre aber zu denjenigen, die sagen, daß für Kinder von vier bis sechs, vielleicht sogar von drei bis sechs Jahren der Kindergarten nicht nur eine hervorragende Kinderbetreuungseinrichtung, sondern auch Sozialisierungs- und Bildungseinrichtung ist. Nicht zufällig hat gerade dieses deutsche Wort als eines der ganz wenigen in den englischen Sprachgebrauch Eingang gefunden. Ich gehöre aber auch zu denjenigen, die sagen, daß, während wir im Bereich der Kinderbetreuungseinrichtung "Kindergarten" zufrieden sagen können und grosso modo für jedes Kind in Österreich im entsprechenden Alter ein Kindergartenplatz vorhanden ist, wir qualitativ doch noch einiges tun müssen.

Es haben nicht jede Mutter und auch nicht jeder Vater im Sommer neun Wochen Ferien. Es ist auch mit einem Halbtagskindergarten nicht immer das Auslangen zu finden. Natürlich muß man die finanzielle Kapazität der Gemeinde und die Wünsche der Eltern miteinander abstimmen, aber hier ist qualitativ sicher noch einiges an Verbesserung wünschenswert. Es ist natürlich auch denjenigen Familien, vielleicht Alleinerzieherinnen, die eine Kinderbetreuungseinrichtung


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für kleinere Kinder unbedingt brauchen, weil es sonst nicht geht, weil es finanziell sonst nicht möglich ist, durchzukommen, sehr wohl eine Kinderbetreuungseinrichtung – aus meiner Sicht vorzugsweise Tagesmütter – zur Verfügung zu stellen.

Frau Kollegin Hostasch hat schon gesagt, eine Kindergarten-Milliarde und zweimal 600 Millionen vom Bund stehen zur Verfügung. Das wird von den Ländern noch ergänzt respektive ist im ersten Fall bereits ergänzt worden. Wir haben also insgesamt 2,4 Milliarden Schilling zur Verfügung. Das ist eine gute Sache, aber nur ein Teil der Problematik, Beruf und Familie besser vereinbar zu machen. Denn in diesem Zusammenhang müssen wir unseren Appell vor allem an Österreichs Arbeitgeber richten. Wo immer sie sitzen mögen – in der Parlamentsdirektion, in Österreichs Unternehmungen, in Verbänden, wo immer die Arbeitgeber sitzen –, muß klargemacht werden, daß die Flexibilisierung der Arbeitswelt nicht nur kapazitätsorientiert, sondern auch familienorientiert vor sich gehen muß und daß man die Interessen junger Eltern – ich sage jetzt einmal realistischerweise: vor allem junger Mütter – stärker als bisher berücksichtigen muß.

Daß das möglich ist, zeigt die Realität. Es bedarf im geringsten Ausmaß gesetzlicher Vorgaben wie etwa "Recht auf..." und so weiter, es bedarf eines Know-how-Transfers und der Überzeugung der Arbeitgeber, daß sich Familienfreundlichkeit auszahlt, daß sich das rechnet, und zwar durch zufriedenere Eltern und Mütter im Unternehmen, durch weniger Fluktuation, durch bessere Motivation. Große, hervorragende Unternehmungen machen vor, daß Familienfreundlichkeit und unternehmerischer Erfolg gut vereinbar sind.

Damit möchte ich auch schon zur konkreten Beantwortung der Anfragen kommen, die die freiheitliche Fraktion, die Frau Bundesrätin Mühlwerth gestellt hat.

Zur Frage 1: Ich darf Ihnen mitteilen, daß es bekannt ist – ich habe das gesagt –, daß ich ein Karenzgeld für alle anstrebe. Ein solches Karenzgeld für alle ist aus meiner Sicht als Regierungsvorlage zu planen; selbstverständlich sind daher Details mit dem Koalitionspartner auszu-verhandeln. Wenn ein solcher Konsens vorliegt, dann wird dem Hohen Haus eine entsprechende Regierungsvorlage zugeleitet werden.

Zur Frage 2, zur Frage der Finanzierung: Ich habe die finanziellen Auswirkungen mit 800 Millionen Schilling bemessen. Es wird der Familienlastenausgleichsfonds FLAF bereits im Jahre 1999 nach Rückzahlung seiner Schulden an den Bund, also gewissermaßen an das Budget, Überschüsse haben, und es wird daher die Finanzierung aus dem FLAF zu leisten sein.

Zur Frage 3: Zur Frage der Zuverdienstmöglichkeit, zu einer Erwerbstätigkeit während der Karenz meine ich, daß grundsätzlich ein Dazuverdienen weiter möglich sein soll. Die Betreuung der Kinder soll aber während des Bezuges von Karenzgeld nach wie vor im Vordergrund stehen.

Eine Lockerung der derzeit bestehenden Zuverdienstgrenzen scheint mir aber sinnvoll zu sein, vor allem in Richtung Durchrechnung über die Gesamtdauer des Leistungsbezuges. Es sollen Urlaubsvertretungen und Teilzeitvarianten ermöglicht werden, ohne daß das Karenzgeld gekürzt wird, sodaß der Kontakt zum Betrieb aufrechterhalten und so dem Bedarf nach einer verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegengekommen werden kann. Frau Kollegin Hostasch! Sie haben das ähnlich formuliert: Der Wiedereinstieg soll letztlich erleichtert, keinesfalls erschwert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die geltende Rechtslage erlaubt beim Karenzgeldbezug ein Dazuverdienen bis zur Geringfügigkeitsgrenze. Ich habe diese 3 899 S schon erwähnt; darüber hinaus gibt es Anrechnungsbestimmungen. Diese Anrechnungsbestimmungen sind allerdings, um es höflich zu formulieren, nicht sehr transparent und wahrscheinlich einem breiteren Teil der Karenzgeldbezieher Österreichs nicht bekannt. Neben dem Bezug von Teilzeitbeihilfe für unselbständige Bäuerinnen und Gewerbetreibende kann derzeit unbegrenzt dazuverdient werden.


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Zur Frage 4, ob das Karenzgeld aus meiner Sicht noch als Versicherungsleistung zu bezeichnen ist, obwohl es bereits zu 70 Prozent aus dem FLAF bezahlt wird: Es wird Sie nicht überraschen, wenn meine Antwort ein wenig von der der Frau Kollegin Hostasch abweicht. Nein, ich bin nicht dieser Auffassung. Die Höhe des Karenzgeldes ist nämlich weder von der Höhe der Beiträge abhängig noch ist sie zum Großteil über Versicherungsbeträge finanziert. Daher ist es keine Versicherungsleistung.

Zu den 70 Prozent, die Sie in Ihrer Anfrage erwähnt haben, kann ich folgendes sagen: Wenn man die Versicherungszahlungen auch noch dazurechnet, dann verteilt sich die Zahlungsleistung zu 75 Prozent auf den FLAF und nur zu 25 Prozent auf die Arbeitslosenversicherung. Ich meine daher, daß es sich beim Karenzgeld lediglich um die Abgeltung eines erhöhten Finanzierungsbedarfes für die ersten Lebensmonate eines Kindes handelt.

Zur Frage 5: In logischer Konsequenz, wenn es eine familienpolitische Leistung ist, die allen gleichermaßen zugute kommt, soll die Finanzierung zu 100 Prozent und nicht nur zu 70 oder 75 Prozent aus dem FLAF erfolgen.

Zur Frage 6: Die Finanzierung des Karenzgeldes für alle ist, wie ich das bereits angeführt habe, gesichert. Eine Aufhebung der Selbstträgerschaft steht derzeit nicht zur Debatte. Ich rege eine derartige aber durchaus an, beispielsweise für die Finanzausgleichsverhandlungen des Jahres 2000. Jetzt ist das realpolitisch kein Thema, aber ich darf dem Hohen Bundesrat schon sagen, daß solch eine Summe in Milliardenhöhe – allerdings in einstelliger und sehr niedriger Milliardenhöhe – dem Familienlastenausgleichsfonds dadurch gewissermaßen vorenthalten wird, weil eben die Selbstträgerschaft einerseits dazu führt, daß manche Familienbeihilfe aus dem FLAF bezahlt wird, obwohl ein Teil der Eltern bei einer Gebietskörperschaft tätig ist, und zum anderen zum Beispiel das Schulbuch überhaupt keinerlei Gegenfinanzierung seitens der Gebietskörperschaften hat.

Zur Frage 7: Grundlage für ein Karenzgeld für alle ist letztendlich die Tatsache, daß eine Abgeltung für Betreuungsleistungen erfolgen soll. Wer das, meine Damen und Herren, so sehen will, daß das Karenzgeld für alle eine Vorstufe in Richtung eines Kinderbetreuungsschecks sein könnte, dem würde ich nicht widersprechen. Das ist nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten ausbaubar. Jetzt halte ich ein Karenzgeld für alle für einen Zeitraum von 18 Monaten für finanzierbar und daher für verantwortbar. Über alles andere sollte man dann sprechen, wenn weitere Finanzierungsmöglichkeiten gegeben sind.

Ich meine daher, daß es zu keiner Differenzierung bei der Leistungshöhe kommen sollte, weil für mich alle Kinder, aber auch alle Mütter in diesem Lande gleich viel wert sind.

Zur Frage 8, meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates, und zur Frage des Verwaltungsaufwandes: Bereits jetzt wird eine Einkommensüberprüfung vorgenommen, wenn ein Zuschuß zum Karenzgeld beantragt wird. Solange das Karenzgeld vom Arbeitsmarktservice administriert wurde, betrug der jährliche Kostenaufwand 60 Millionen Schilling, und zwar Personal- und Arbeitsplatzkosten. Das blieb auch mit der Mitte 1997 erfolgten Aufgabenübertragung an die Krankenkassen aufrecht. Dort sind zirka 50 Personen mit der Administration beschäftigt. Eine Einkommensüberprüfung für alle würde den Administrationsaufwand natürlich vervielfachen. Man muß sich überlegen, ob sich das rentiert.

Zur Frage 9 verweise ich auf meine Ausführungen zu Punkt 2.

Zur Frage 10: Karenzgeld für alle ermöglicht es Frauen, besser als bisher den kontinuierlichen Kontakt mit dem Arbeitgeber durch – wie ich schon gesagt habe – Urlaubsvertretungen, Teilzeitvarianten und ähnliches während der Karenzzeit zu pflegen, ohne daß es dadurch zu einer Kürzung des Karenzgeldes kommt. Darüber hinaus ermöglicht ein Karenzgeld für alle aber auch Studentinnen, ihr Studium trotz Kind weiterzuführen und später einen qualifizierten Beruf zu ergreifen.


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Zu den Fragen 11 und 12: Dazu möchte ich sagen, daß ich glaube, das bereits zu den Fragen 7 und 10 erläutert zu haben. Zum Ausdruck "soziales Verbrechen" möchte ich in der Sache nicht Stellung nehmen, weil sich diese Bezeichnung nach meiner Auffassung von selbst disqualifiziert.

Zu Frage 13: Mein Bestreben ist es, grundsätzlich eine verbesserte Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der Pensionsversicherung zu erreichen. Ein erster Schritt – das hat Frau Ministerin Hostasch ausgeführt – ist bereits bei der Pensionsreform erfolgt. Man muß sich über eine Tatsache im klaren sein, nämlich daß jede aus meiner Sicht wünschenswerte Umwandlung von Ersatzzeiten in Beitragszeiten sehr hohe Aufwendungen erfordert. Das ist nur mit sehr hohen Beträgen zu machen und finanziell nicht leicht darstellbar, auch wenn es aus meiner Sicht ein visionäres Fernziel bleiben sollte, Verbesserungen zu erzielen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das führt mich zur Beantwortung von Frage 14: Die Frage der Finanzierung stellt sich, egal ob diese aus dem FLAF oder aus einem anderen Budget erfolgt. Die diesbezügliche Kostenentwicklung hängt von vielen Faktoren wie der Arbeitsmarktlage, den generellen Pensionsbestimmungen, natürlich auch den demographischen Eckdaten und nicht alleine von der Umwandlung der Kindererziehungszeiten in Beitragszeiten ab. Aber ich habe mir den Hinweis schon erlaubt, daß all das erhebliche Kostenauswirkungen nach sich zieht.

Zur Frage 15: Es entspricht der Gerechtigkeit, daß Zeiten der Kinderbetreuung auch in der Pensionsversicherung nicht individuell unterschiedlich behandelt werden. Wir haben im Rahmen der Pensionsreform 2000, wie Frau Ministerin Hostasch schon gesagt hat, eine Anhebung der Bemessungsgrundlage für Kindererziehungszeiten erreicht, wodurch sich die monatliche Pension pro Kind von 480 S auf 650 S respektive der Betrag, der zur Pension aus Beitragszeiten dazukommt, erhöht hat. Dies ist sehr erfreulich, jedoch noch nicht das endgültige Ziel.

Aus familienpolitischer Sicht ist es sinnvoll, Zeiten der Kindererziehung hinsichtlich ihrer Bewertung an die durchschnittliche Bemessungsgrundlage aller Erwerbstätigen schrittweise heranzuführen, wenn auch diese Anhebung der Bemessungsgrundlage sicher ein wichtiger erster Schritt war. Erst dann ist eine pensionsrechtliche Gleichbehandlung von in- und außerfamilialer Arbeit erreicht, und ich sage Ihnen gerne, daß ich mich weiter dafür einsetzen möchte. Die Frage der Finanzierung kann aber nicht alleine Angelegenheit des FLAF sein.

Zur Frage 16: Diese Frage stellt sich aus meiner Sicht nicht.

Zur Frage 17: Ich darf Ihnen mitteilen, daß ich mit Frauenministerin Prammer im Rahmen des Familienpaketes 2000 die schon angeschnittene Anhebung des Karenzgeldes auf 6 000 S und die Anhebung der Teilzeitbeihilfe auf 3 000 S in Aussicht genommen habe, wir dazu aber noch die Akkordierung innerhalb der Regierung brauchen. Ich habe dazu schon ausgeführt, auf welchem Wege wir wann dazu kommen sollten. Die Kosten dafür, meine Damen und Herren, betragen insgesamt 635 Millionen Schilling pro Jahr.

Zur Frage 18: Unter der Annahme, daß das Karenzgeld 80 Prozent des Letzteinkommens ausmacht, könnten die Kosten dafür – bis zu einer Verdoppelung der derzeitigen Kosten – rund 10 Milliarden Schilling betragen. Das heißt, es könnte eine derartige Maßnahme nach Schätzung meines Hauses einen Mehraufwand von bis zu 10 Milliarden Schilling ausmachen. Nicht alles, was wünschenswert ist, ist finanzierbar. Gerade für eine derartige Maßnahme, für einen derartigen Vorschlag würde ich das jedenfalls gelten lassen, denn 10 Milliarden Schilling Mehraufwand halte ich nicht für seriös finanzierbar.

Zur Frage 19: Nachdem die Gründe des massiven Geburtenrückgangs während der letzten beiden Jahre ohne Zweifel bisher nicht ausreichend erhoben worden sind, hat die Bundesregierung in Bad Aussee beschlossen, dafür und zur Ergründung der Ursachen eine umfangreiche Studie in Auftrag zu geben. Eine der wichtigsten Maßnahmen im familienpolitischen Bereich ist jedenfalls die bessere Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und ich habe dazu schon Stellung genommen.


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Mein Ministerium setzt mit dem Audit Familie und Beruf wichtige Schritte. Gerade dort sagen wir Österreichs Arbeitgebern, wie sie es besser machen können, ohne dabei selbst Schaden zu erleiden – ganz im Gegenteil, um Vorteile daraus zu ziehen. Es sind aber auch bedarfsorientierte Kinderbetreuungseinrichtungen zu fördern. Dazu habe ich schon Stellung genommen. Die Bundesregierung hat das mit insgesamt 1,2 Milliarden Schilling bereits massiv unterstützt.

Zur Frage 20, und damit zur letzten Frage, meine Damen und Herren des Bundesrates: In der jetzigen Legislaturperiode ist bereits im Rahmen der Pensionsreform 2000 die Bemessungsgrundlage für Kindererziehungszeiten um 35 Prozent erhöht worden und tritt mit 1. 1. 2000 in Kraft.

Herr Präsident! Ich danke für die Erteilung des Wortes. (Allgemeiner Beifall.)

17.00

Präsident Gottfried Jaud: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile ihm dieses.

17.01

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Bundesminister! Ich bedanke mich im Namen meiner Fraktion für die Beantwortung unserer dringlichen Anfragen. Sie haben diese umfangreichen Fragen sehr genau beantwortet, sodaß ich mir fast schwertue, eine tatsächliche Antwort herauszufinden, nämlich in den zentralen Fragen, wie sich die Bundesregierung nunmehr in der Frage Karenzgeld für alle verhalten wird und wie in Zukunft die Bemessungsgrundlage betreffend die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Pension von dieser Bundesregierung gehandhabt wird.

Wir Freiheitlichen – meine Kollegin Mühlwerth ist schon darauf eingegangen – verlangen seit 1992 die Einführung eines sogenannten Kinderbetreuungsschecks. Diese Forderung hat in den Wahlkämpfen in den vergangenen Monaten eine Bedeutung erlangt, die für unsere Seite eher überraschend war. Wir Freiheitlichen haben diese Forderung aufgestellt, und es hat nach einigen Wochen des Diffamierens dieser Idee plötzlich einen Wettbewerb im Rahmen dieser Idee gegeben – einen Wettbewerb, den wir nunmehr in aller Öffentlichkeit und auch auf Regierungsebene verfolgen können.

Herr Bundesminister! Ihr Vorschlag, Karenzgeld für alle einzuführen, wurde von uns im Rahmen unserer politischen Linie durchaus mit Sympathie verfolgt, Sie waren jedoch nach Einbringung dieses Vorschlages einer Diffamierungskampagne von seiten Ihres Regierungspartners ausgesetzt. Meine Kollegin Mühlwerth hat das in Ansätzen schon zitiert, es war "von keiner sinnvollen Idee" die Rede, "von sozialen Verbrechen an den berufstätigen Frauen", von "völlig unzumutbar", von "steinzeitlichen Frauenbildern", von "Zurück ins 19. Jahrhundert!". – All diese Diffamierungen Ihrer Idee, Herr Bundesminister, haben zur Eskalierung dieser Debatte in der Öffentlichkeit geführt.

Diese Diskussion auf der zweiten Ebene wurde durch eine Diskussion an der ersten Stelle abgelöst – Sie, Herr Bundesminister, haben das Beispiel dazu schon geliefert –: Ihr Parteiobmann, der Herr Vizekanzler, hat im Rahmen der Forderung des Karenzgeldes für alle die Summe von 800 Millionen Schilling in der Öffentlichkeit genannt – Sie haben diese Zahl hier und heute wiederholt –, während Ihr Koalitionspartner von 2 Milliarden und – Sie haben auch dieses Beispiel gebracht – in jüngster Zeit sogar von 7 Milliarden Kosten für die Umsetzung dieser Ihrer Idee spricht.

Meine Damen und Herren der Regierungsparteien! Ich würde vorschlagen, daß Sie einmal einige Rechnungen anstellen, damit die Öffentlichkeit in unserer Republik weiß, welche Kosten durch die Umsetzung dieser Vorschläge tatsächlich zu erwarten sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Neben der finanziellen Absicherung während der Kinderbetreuung ist derzeit – diesbezüglich wurde in diesen dringlichen Anfragen auch nachgefragt – die pensionsrechtliche Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Pflegezeiten noch immer unbefriedigend. Eine Pensionierung allein aufgrund von Kindererziehungszeiten ist aufgrund der überzogenen und unrealistischen Voraussetzungen kaum möglich.

Sie beide haben in Ihren Anfragebeantwortungen angekündigt, daß es wohl Verbesserungen geben werde, daß die Bemessungsgrundlage erleichtert wird und daß der Zugang zu Pensionsleistungen ab dem Jahr 2000 leichter möglich sein wird.

Frau Ministerin! Herr Bundesminister! Ihre Beantwortungen unserer dringlichen Anfragen haben uns gezeigt, daß die Bundesregierung nach wie vor nicht in der Lage ist, im Rahmen der notwendigen Familienpolitik klare und konkrete Vorschläge zur Lösung der bisher von Ihnen widersprüchlich öffentlich dargelegten Punkte anzubieten. Die wichtigsten Bereiche sind Karenzgeld für alle und die Pensionsbegründung von Kindererziehungszeiten.

Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Sie sollten, so glaube ich, weniger Wahlkampf als vielmehr Politik für die Menschen dieses Landes machen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.06

Präsident Gottfried Jaud: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Frau Bundesrätin Aloisia Fischer. Ich erteile ihr dieses.

17.06

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Familien erbringen unverzichtbare Leistungen für unsere Gesellschaft – Leistungen, deren wirtschaftliches Gewicht aber durchaus meßbar ist. Sie umfassen zum Beispiel Kindererziehung, Hausarbeit und in vielen Bereichen auch die Betreuung unserer älteren Menschen.

Die Familienpolitik muß Rahmenbedingungen schaffen, die Familie lebbar machen und davor schützen, daß Mehrkinderfamilien in die Armutsgefährdung kommen. Familien sind daher ideell und finanziell zu unterstützen. Familien sind unverzichtbare, wertvolle Partner bei der Gestaltung unserer Gesellschaft.

Sie, Frau Bundesministerin, haben gesagt: Väter und Mütter brauchen entscheidende Zeit für die Erziehung der Kinder.

Der unermüdliche Einsatz unseres Familienministers hat sich gelohnt. Für die österreichischen Familien wurde durch die Familiensteuerreform eine Einkommensverbesserung von insgesamt 12,6 Milliarden Schilling erzielt. Es verwundert mich – ich darf das hier sagen –, daß ich in der "Parlamentskorrespondenz" vom 30. 4. 1998 lese, daß sich der Budgetausschuß unter dem Vorsitz des Obmanns Mag. Mühlbachler weiteren budgetären Großvorhaben zugewandt hat, in erster Linie dem Budgetbegleitgesetz 1998 mit dem Familienpaket. Dieses Familienpaket ist mit den Stimmen der SPÖ und der ÖVP beschlossen worden – die FPÖ hat dieses Familienpaket abgelehnt, diese 12,6 Milliarden Schilling für unsere österreichischen Familien! (Bundesrat Bieringer: Ach so?!)

Sie haben sich vorhin in der Diskussion um den Grünen Bericht Sorgen um die bäuerlichen Familien gemacht, daher muß ich Ihnen sagen: Diese Ablehnung des Familienpaketes würde die bäuerlichen Familien 1,5 Milliarden Schilling kosten. In der derzeitigen Situation der Landwirtschaft zählt jeder Schilling beziehungsweise braucht die bäuerliche Familie jeden Schilling ihres Einkommens – auch diese 1,5 Milliarden Schilling, die durch den Beschluß der Regierungsparteien Gott sei Dank zustande gekommen sind. Die FPÖ hat dieses Familienpaket abgelehnt! (Bundesrat Dr. Böhm: Weil wir für mehr waren! – Bundesrat Mag. Gudenus: Warum eigentlich?) – Das fragen Sie Ihre Kollegen! (Bundesrat Eisl: Das wollen wir aber schon wissen!)


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Die ÖVP anerkennt die Leistungen der Familien für unsere Gesellschaft. Deshalb liegt Österreich bei Familienleistungen an der Spitze. Die Transferleistungen für Familien sind nirgendwo in Europa so hoch wie in Österreich. Vom Familienpaket profitieren 1,8 Millionen Kinder und deren Eltern. Wir haben in Österreich die längsten Karenzzeiten – 18 Monate beziehungsweise 24 Monate –, davon kann man sonst überall nur träumen. Für die kostenlosen Schulen und Universitäten wendet außer Deutschland und den USA niemand mehr Geld pro Schüler auf als Österreich. (Bundesrat Dr. Tremmel: In Rußland hat es das früher gegeben, nur hat es dort nichts geholfen!)

Die Anrechnung der Kindererziehungszeiten – auch das ist ein Schwerpunkt in Ihrer Anfrage – wurde – darauf ist hingewiesen worden – bei der Pensionsreform um 35 Prozent erhöht. Es ist aber sicher notwendig, diesen so wichtigen Schritt der begründenden Anrechnung der Kindererziehungszeiten in Zukunft zu verbessern.

Frau Bundesrätin Mühlwert ist momentan nicht im Raum, richten Sie ihr daher bitte folgendes aus: Es gibt sehr wohl Frauen, die aufgrund von Kindererziehungszeiten eine Pension erhalten. Es gibt Bäuerinnen, die aufgrund der Kinderzahl eine eigene Pension erhalten, obwohl sie keine Beitragsleistungen eingebracht haben. (Bundesrat Dr. Bösch: Das haben wir nicht bestritten, Frau Kollegin! Es ist nur sehr selten!)  – Doch, Ihre Kollegin hat gesagt, daß es das nicht gibt. (Ruf bei den Freiheitlichen: 15 Jahre Pflichtversicherung, sonst nicht!) Sagen Sie ihr, daß es diese Regelung doch gibt und daß diese Frauen, die nie damit gerechnet haben, einen eigenen Pensionsanspruch erwerben zu können, aufgrund dieser pensionsbegründenden Anrechnung eine Pension bekommen. Diese Frauen freuen sich darüber und sind dankbar. – Bitte, Herr Kollege Eisl, richten Sie das aus! (Bundesrat Eisl: Ich werde es ihr sagen, ich verbürge mich dafür! Positive Anregungen nehmen wir gerne auf!)

Es ist aber sicher notwendig, wie du, Herr Bundesminister, ausgeführt hast, Kindererziehungszeiten von Ersatzzeiten in Beitragszeiten umzuwidmen, was zwar sehr viel Geld kostet, aber ein Ziel für die Zukunft ist. Dies könnte ein erster Schritt dafür sein, daß die Wartezeit für die Anspruchsvoraussetzung von 25 Jahren herabgesetzt wird, damit Frauen, die aufgrund der Kindererziehungszeiten nur weniger Beitragszeiten leisten können, in einem vertretbaren Alter einen Pensionsanspruch erreichen. Ich bitte Sie, daran zu arbeiten, die Wartezeiten zu verkürzen.

Eine weitere sehr positive Absicherung für die Familien Österreichs ist – Sie, Frau Ministerin, haben heute vormittag in einer Fragebeantwortung darauf hingewiesen – die beitragsfreie Mitversicherung in der Sozialversicherung für nichtberufstätige Familienangehörige.

Es ist die Aufgabe der Familienpolitik, in geeigneter Weise auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Auf das Familienpaket 2000 als Zusatzpaket zur Familiensteuerreform sind Sie, Herr Bundesminister, eingegangen, ich brauche daher nicht mehr darüber zu referieren.

Geänderte Bedingungen gibt es aber auch hinsichtlich der Finanzierung des Karenzgelds aus dem Familienlastenausgleichsfonds. 1979 mit einem Anteil von 25 Prozent eingeführt, liegt heute diese Finanzierung vom FLAF bei 70 Prozent, und 30 Prozent kommen aus der Arbeitslosenversicherung.

Aus budgetärer Sicht – auch darauf ist der Herr Bundesminister eingegangen – hat sich das Karenzgeld längst von einer Versicherungsleistung zu einer Familienleistung gewandelt. Lediglich von der Anspruchsberechtigung her hat sich nichts wesentlich geändert. Auch Ehegatten von Hausfrauen, die berufstätig sind, zahlen in die Arbeitslosenversicherung Beiträge ein, doch die Hausfrauen haben keinen Anspruch auf Karenzgeld.

Der Vorschlag Karenzgeld für alle stellt daher aufgrund der Finanzierung einen logischen Schritt dar. Die krasse Benachteiligung von Hausfrauen, Studentinnen, Bäuerinnen, selbständigen Frauen in der Wirtschaft, geringfügig beschäftigten Frauen mit Kindern, die derzeit keinen oder den halben Karenzgeldanspruch haben, wäre damit beseitigt.


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650. Sitzung / Seite 117

Der vorliegende Vorschlag ist ein wichtiger Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und er wäre aus Mitteln des Familienlastenausgleichsfonds zu finanzieren. Diese Mittel, dieses Geld steht den Familien zur Verfügung, und dieses Geld ist nicht für andere Zwecke zu verwenden.

Der ÖVP liegt das Wohl aller Mütter und Väter am Herzen. Wir wollen einbinden statt ausgrenzen. Eine Unterscheidung in arme Mütter und reiche Mütter bedeutet meiner Meinung nach einen gesellschaftspolitischen Rückschritt. Wer bei der Familie spart, spart am falschen Platz, denn in der Familie liegt unsere Zukunft. (Allgemeiner Beifall.)

17.15

Präsident Gottfried Jaud: Es hat sich weiters Frau Bundesrätin Irene Crepaz zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.

17.15

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Wenn ich davon ausgehe oder annehme, daß der ÖVP beim Karenzgeld oder beim Kinderbetreuungsscheck das Wohl der Frauen und Kinder am Herzen liegt, dann verstehe ich nicht, wie sie den Frauen Modelle wie den Kinderbetreuungsscheck als besonders erstrebenswert einreden kann, denn ich glaube, auch sie muß die Nachteile, die mit einer solchen Einführung den Frauen "blühen", erkennen.

Wenn Sie von der ÖVP allerdings wollen, daß sich die Frauen, wie Sie sagen, der natürlichen Bestimmung stellen sollten, also Kinder bekommen und zu Hause bleiben sollten, Dienstmädchen für den Mann und den Rest der Familie spielen und vielleicht ein bißchen schwarz arbeiten, zum Beispiel putzen sollten, dann wäre es ehrlicher, Sie würden das zugeben. Denn genau das würde passieren, würde man diesem Modell des Kinderbetreuungsschecks nähertreten.

Für mich ergäbe sich ein erschreckendes Szenario: Es wird den Mädchen und jungen Frauen suggeriert, daß sie ohne besondere Ausbildung zu schnellem Geld vom Staat kommen, wenn sie Kinder bekommen – und das sechs Jahr lang, also jeweils bis zum sechsten Lebensjahr des jüngsten Kindes. Bei günstiger Einteilung könnte eine Frau mit zwei Kindern zwölf Jahre zu Hause bleiben und wäre dann zwischen 30 und 35 Jahre alt, hätte keine Ausbildung oder wäre schon lange aus dem kurzen Berufsleben gedrängt, und die Decke fiele ihr zu Hause auf den Kopf. Daß es für die Frauen immer schwieriger würde, eine eigenständige Alterssicherung, eine Pension zu erreichen, brauchen wir in diesem Zusammenhang gar nicht zu betonen. Auch die Wirtschaft wartet nicht auf solch wenig ausgebildete Frauen.

Jede dritte Ehe wird geschieden, und die Armutsfalle schnappt dann gerade für jene Frauen zu, die geglaubt haben, im Kinder-Bekommen und Zuhause-Bleiben liege ihr Lebensglück.

Meine Damen und Herren! Wenn wir etwas erreicht haben, auf das wir stolz sein können, so ist das der Bildungsstand bei den Mädchen. Vor 100 Jahren erst durften die ersten Frauen studieren. Heute wissen wir – das war erst vor kurzem zu lesen –, daß die Mädchen die besseren Schülerinnen sind. Auch in den technischen Ausbildungen sind sie besser als ihre männlichen Kollegen. Mädchen lernen leichter, studieren besser und sind fleißiger. Wir können stolz sein auf unsere Mädchen!

Ich möchte nicht, daß den Mädchen und Frauen wegen einer solch rückschrittlichen Steinzeitpolitik die Ausbildung erschwert wird. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Denn ich höre jetzt schon wieder die nicht ausrottbaren Argumente, daß es sich nicht rentiert, Mädchen eine bessere Ausbildung zu gewähren, weil sie sowieso heiraten und bei den Kindern zu Hause bleiben. Wir Sozialdemokraten wollen solch ein Szenario nicht, wir wollen, daß den Frauen die gleichen Chancen eröffnet werden wie den Männern, die in der gesamten Kinderbetreuungsdebatte abgemeldet und zu reinen Samenspendern mutiert sind. Dieses wollen wir nicht. Kein Mensch redet von Partnerschaft. (Bundesrat Weilharter: Das ist eine sexistische Aussage ...! – Ruf bei der ÖVP: Das ist Ihre Wahrheit!) – Nein, das ist die Wahrheit, meine, unsere Wahrheit, die sich bewähren wird.


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Wir wollen, daß Familie und Arbeit vereinbar sind. Unser Familienbild heißt nicht, wie Haider schon am 7. 10. 1994 im "Kurier" festgestellt hat – ich zitiere –: Die heutige Form des Zusammenlebens ist denaturiert. Das ist kein Ideal im nationalen Sinn. Partnerschaft besteht doch aus zwei Funktionen, dem dienenden und dem führenden Teil. So ist das. – Zitat Ende. Das ist wirklich nicht jenes Familienbild, mit dem wir uns zufriedengeben können. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine fortschrittliche Familienpolitik bedeutet für uns, Arbeit und Familie vereinbaren zu können, ohne daß den Frauen ein schlechtes Gewissen gemacht wird oder ihnen eingeredet wird, daß sie Rabenmütter sind, weil sie ihr Kind außerhäuslich betreuen lassen, wenn sie arbeiten gehen wollen oder zum Großteil arbeiten gehen müssen.

Zur derzeitigen Familiendebatte und zum Karenzgeld für alle (Bundesrat Mag. Himmer: Sie wollen ja, daß alle arbeiten gehen!): Auch ein Karenzgeld für alle ist nicht gerecht. (Bundesrat Mag. Himmer: Sie wollen ja, daß sie gehen! Jetzt sagen Sie, sie müssen! Sie wollen ja, daß sie gehen! – Bundesrat Mag. Leichtfried: Wer sagt denn das? So ein Blödsinn!) Wir wollen, daß jene, die wollen, ohne schlechtes Gewissen arbeiten gehen können, und jene, die müssen, eben auch.

Auch das Modell Karenzgeld für alle finde ich und finden wir nicht gerecht. Wir alle wissen, daß das Karenzgeld eine Versicherungsleistung ist. Das heißt, daß eine Frau, die berufstätig war und ein Kind bekommt, 18 Monate zu Hause bleiben kann und in dieser Zeit Geld erhält. Das heißt, daß das Familieneinkommen sinkt, denn wenn sie zum Beispiel zuerst 12 000 S gehabt hat, bekommt sie dann mindestens um die Hälfte weniger. Eine Hausfrau, die zu Hause ist und nichts verdient hat, würde nach diesem Modell jetzt Geld bekommen, und das Familieneinkommen würde sich erhöhen. – Jetzt habe ich ganz bestimmt keinen Neidkomplex, aber ich möchte nur sagen, daß auch dieses Modell nicht gerecht ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Auch wir setzen uns dafür ein, daß es Familienleistungen für Familien geben soll, für auszubildende, für studierende Frauen, für all die freien Dienstnehmerinnen, für die sich jetzt die Dienstgeber praktisch Sozialleistungen ersparen. In bezug auf all diese Frauen bin ich sicher dafür, daß wir Familienleistungen, aber kein Karenzgeld geben. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Denn nur für das Kinder-Bekommen zu zahlen, dafür kann ich mich sicher nicht erwärmen.

Nur ein kurzes Beispiel dafür, daß bei uns in Tirol Beruf und Familie nicht vereinbar sind: Bei uns sind zurzeit nur 57 Prozent der Frauen in Beschäftigung – das ist die niedrigste Frauenerwerbsquote in Österreich –, denn die Situation in bezug auf die Kinderbetreuungseinrichtungen ist total unbefriedigend. Nur 7 Prozent aller Kinderbetreuungseinrichtungen haben einen Mittagstisch, und viele Frauen wissen nicht, wohin mit den Kindern. Besonders schwierig ist die Situation für 26 000 Alleinerzieherinnen.

Im Vergleich dazu haben in Wien 75 Prozent aller Kinderbetreuungseinrichtungen einen Mittagstisch, und auch in Kärnten sind es schon 55 Prozent aller Kinderbetreuungseinrichtungen. In Tirol gibt es vier Bezirke, die überhaupt keinen Kindergarten mit Mittagstisch haben.

Mehr Geburten werden nicht durch das Motto "Zurück an den Herd" erreicht, denn wir wissen, daß in Ländern mit genügend Kinderbetreuungseinrichtungen erstens die Erwerbsquote der Frauen, aber zweitens auch die Geburtenrate am höchsten sind. Also ist der Zusammenhang, daß Frauen, wenn sie zu Hause sind, mehr Kinder bekommen, auch wenn sie Geld dafür bekommen, sicher nicht gegeben.

Bei der Debatte um das Karenzgeld und bei der Verhandlung zu dem neuen Familienpaket müssen wir darauf achten, daß erstens das Karenzgeld eine Versicherungsleistung bleiben muß (lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), daß es zur Wiedereinführung des vierten Karenzhalbjahres für berufstätige Frauen kommt, und auch eine massive Erhöhung des Karenzgeldes für Berufstätige ist, wie schon erwähnt worden ist, sicherlich notwendig.


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Notwendig wäre für mich auch die Verlängerung der Behaltefrist auf 26 Wochen für Berufstätige und ein gesetzlicher Anspruch auf Teilzeit mit dem Rückkehrrecht auf einen Vollzeitarbeitsplatz und das Recht auf einen Kinderbetreuungsplatz für jedes Kind.

Kinderbetreuungsplätze oder der Kindergarten sollten zum Nulltarif angeboten werden, denn Kindergärten haben einen großen sozialen und auch einen Bildungsauftrag. (Bundesrat Ing. Grasberger: Beispiel Niederösterreich! Da gibt es den Nulltarif!) Ich sage, es ist nicht einzusehen, daß Schule und Studium so gut wie gratis sind, aber der Kindergarten immer von den Eltern bezahlt werden muß.

Abschließend zu dieser Debatte möchte ich sagen: Mehr Chancen für Familien und eine eigenständige Altersabsicherung für Frauen können wir sicher nicht erreichen, wenn wir die Frauen nach Hause schicken. Wir brauchen vertrauensbildende Maßnahmen, um eine vernünftige Lebensplanung zu gestalten, wir brauchen Vertrauen in die Politik, und wir brauchen eine Familienpolitik, so wie wir sie uns vorstellen, und das heißt: Nicht zurück an den Herd! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf: Sie haben Mut!)

17.25

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher. Ich erteile ihr dieses.

17.25

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst natürlich auf meine Vorrednerin, Frau Bundesrätin Crepaz, eingehen. Ich habe von ihren Schlußsätzen im Ohr, wir wollten alle Frauen nach Hause schicken. Ich glaube, das möchte weder die freiheitliche Fraktion, geschweige denn die ÖVP (Beifall bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP), sondern wir wollen einfach einmal festhalten, daß es eine Wahlfreiheit geben muß, und diese wäre sehr wohl mit unserem Kinderbetreuungsscheck, aber auch, wie ich glaube, mit dem Karenzgeld für alle gegeben.

Ich möchte noch einmal auf die Ausführungen von Frau Crepaz eingehen und meine, ich kann mich wohl nur verhört haben, wenn ich gehört habe, bei 55 Prozent der Kinderbetreuungseinrichtungen wären ein Mittagstisch und so weiter vorhanden. Jetzt werde ich Ihnen als Beispiel einmal die tatsächlichen Zahlen von Kärnten nennen:

Seit Jahren versprechen die Politiker Kindergartenplätze, allerdings gibt es nur für 4 Prozent der Kärntner Kinder unter vier Jahren eine Unterbringungsmöglichkeit in Kindergärten. Für 12 000 zwei- bis dreijährige Kinder in Kärnten gibt es 567 Ganztageskinderbetreuungsplätze, lediglich 379 Halbtageskinderbetreuungsplätze, und nur 400 Kinder haben eine Tagesmutter.

Die plakatierte Forderung der SPÖ, daß alle Kinder zwischen einem Jahr und 15 Jahren einen Betreuungsplatz erhalten sollen, ist nämlich das einzige, was budgetpolitisch absolut unmöglich und unfinanzierbar ist. Das würde nämlich mehr als nur die 2-Milliarden-Schilling-Grenze sprengen. – Das nur zu den vorhandenen Kinderbetreuungseinrichtungen und zu der Aussage, wir würden alle Frauen an den Herd zurückschicken. – Dagegen verwehren wir uns! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Mehrheit der Frauen erachtet das derzeitige Karenzsystem einfach als unzureichend. Immer mehr Frauen werden arbeitslos, vor allem die jungen Mütter sind betroffen, und immer mehr Frauen geraten deshalb in den Konflikt zwischen Arbeitsplatz und Familie. Bäuerinnen, Studentinnen und Hausfrauen sind noch immer Mütter zweiter Klasse und erhalten kein Karenzgeld. Armut und sozialer Abstieg treffen vorwiegend Frauen und Mütter. Zudem sind sie einer bedrückenden Doppel- und Dreifachbelastung ausgesetzt. Mit der Kindererziehung erbringen sie – wie auch schon Vorredner von der ÖVP und von uns bereits erwähnt haben – eine unermeßliche gesellschaftspolitische Grundleistung, werden aber mit all den großen Sorgen rund um die Kinder, rund um die Familie und rund um den beruflichen Wiedereinstieg völlig alleingelassen.


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Der Kinderbetreuungsscheck wäre eine monatliche Geldleistung in der Höhe von 5 700 S, und so schlecht kann das auch die dritte Fraktion hier im Hause, die ÖVP, gar nicht finden, denn sie hat es akzeptiert oder, sagen wir, kopiert mit einer identischen Forderung wie der freiheitliche Kinderbetreuungsscheck. In "Unsere Familie, unsere Zukunft" fordert die ÖVP genau das gleiche wie die FPÖ. Da sagt die ÖVP: "Als weiteren Schritt fordert die Kärntner Volkspartei das Kinderbetreuungsgeld" – sie sagt allerdings, für jedes Kind soll es monatlich 5 000 S geben –, "unabhängig von der Verwendung und unabhängig vom Einkommen." Der Vorteil dieses Vorschlages wäre einfach die Wahlmöglichkeit. – Das ist genau das, was wir gefordert haben.

Der Kinderbetreuungsscheck bringt nämlich erstmals eine erhebliche finanzielle Entlastung für die Mütter, sorgt für eine sozialrechtliche Grundsicherung und ermöglicht weiters den Erwerb von Pensionsansprüchen. Bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes erhalten diese Mütter eben diese 5 700 S und können nun erstmals selbst wählen. Darum geht es, Frau Kollegin Crepaz! Es geht darum, daß ich mich unabhängig entscheiden kann, ob ich meine Kinder selbst beaufsichtigen möchte oder ob andere mein Kind erziehen sollen, ob ich es einer Tagesmutter anvertrauen möchte oder in einen Kindergarten schicke oder eben eine andere Lösung wähle. Wichtig ist einfach die Entscheidungsfreiheit.

Jetzt kommen wir vielleicht zu dem von der SPÖ am meisten kritisierten Punkt, nämlich zur Finanzierbarkeit. Ich glaube, daß die Finanzierbarkeit gegeben ist. Das heißt, ich glaube es nicht nur, sondern ich kann es auch nachweisen und bestätigen, weil Studien erhoben wurden. Die Finanzierbarkeit des Kinderschecks ist für Kärnten und ganz Österreich berechnet und vom Institut für Familienforschung bestätigt worden. Bedeutende Länder Nordeuropas, so zum Beispiel auch Norwegen, haben den Kinderbetreuungsscheck bereits eingeführt und damit auch für Frauen, Mütter und Kinder soziale Gerechtigkeit verwirklicht.

Jetzt werde ich Ihnen noch sagen, wie diese Finanzierbarkeit zustande kommen sollte, und zwar wieder einmal auf Kärnten bezogen, da ich eine Kärntnerin bin.

Kärnten gibt im bundesweiten Vergleich zu wenig Geld für Familientransferleistungen aus. Somit erhalten die Kärntner Familien nur 28 Prozent des Landesbudgets, während in Tirol, Vorarlberg und sogar im Burgenland immerhin mehr als 35 Prozent des Landesbudgets für Familienleistungen bereitgestellt werden. Diese Schlußlichtposition Kärntens bestätigt den familienpolitischen Aufholbedarf, der sich in einer finanziellen Besserstellung der Familie niederschlagen muß. Kärnten müßte also mindestens 4 Prozent zusätzlich vom Landesbudget für Familienleistungen aufwenden. Das Landesbudget beträgt 25,1 Milliarden Schilling, 4 Prozent davon wären rund 1 Milliarde Schilling.

Unser garantierter Familienscheck verursacht also jährliche Kosten in der Höhe von 1,4 Milliarden Schilling. Dieser Finanzierungsbedarf kann leicht bereitgestellt werden, wenn die politische Schwerpunktsetzung unter anderem auf die Familien und Alleinerzieherinnen konzentriert wird. Wohnbauförderungsdarlehen in der Höhe von 24 Milliarden Schilling stehen zum Verkauf bereit und ermöglichen die Einrichtung eines Forschungsfonds, eines Familienfonds und auch die deutliche Reduktion vieler Landesschulden. Die ÖVP ist diesbezüglich anscheinend sowieso unserer Meinung. Sie propagiert im Kärntner Wahlkampf bekanntlich genau dasselbe wie wir, nämlich 5 700 S monatlich für jedes Kind. Somit hat Sie anscheinend die gleichen Finanzierungsvorstellungen wie wir auch.

Deshalb bringe ich nun folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Helena Ramsbacher, Ulrike Haunschmid, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, Andreas Eisl, DDr. Franz Werner Königshofer

Die Frage der Kinderbetreuung, nach wie vor eine weitreichende und verantwortungsvolle Entscheidung für Eltern ab dem Zeitpunkt, da beide Elternteile nach der Kinderpause an den


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Arbeitsplatz zurückkehren wollen, hat nach wie vor nichts an Aktualität verloren. Während dieser Zeit müssen die Kinder einer außerhäuslichen Betreuung anvertraut werden, wobei es hier nach wie vor große Lücken zwischen Angebot und Nachfrage sowie hinsichtlich flexibler Betreuungszeiten, die" – Herr Minister, mir hat Ihr Vorschlag an die Wirtschaft sehr gut gefallen, daß man es einfach nur flexibler gestalten müßte – "den beruflichen und zeitlichen Anforderungen der Eltern entsprechen, gibt. Nicht zuletzt diese Probleme, aber auch die Angst vor finanzieller Not durch eine Berufspause wegen der Betreuung eines oder mehrerer Kinder machen bereits einen deutlichen Geburtenrückgang spürbar: 1997 wurden um 4,5 Prozent weniger Kinder als im Jahr zuvor geboren. Dieser Trend setzte sich 1998 mit einem Rückgang um weitere 4 Prozent gegenüber dem geburtenschwachen Jahr 1997 fort. Die Zahl der Geburten nimmt damit in Österreich stärker ab als in den meisten anderen EU-Ländern. Das bedeutet, daß jede dritte Österreicherin zwischen 20 und 39 kinderlos ist, obwohl eigentlich nur jede 20. kein Kind haben will. Diese Zahlen belegen eindeutig, daß der Wunsch nach Kindern vorhanden ist, jedoch die Hindernisse bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für berufstätige Eltern noch immer nicht beseitigt sind.

Das freiheitliche Modell des Kinderbetreuungsschecks vermag dem Problem einer optimalen und kindgerechten Betreuung Abhilfe zu schaffen. Die Vorteile liegen auf der Hand:

Wahlfreiheit der Eltern in der Kinderbetreuung.

Gesellschaftliche Anerkennung der familiären Betreuung.

Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch individuelle Betreuungsformen und -zeiten.

Kinderbetreuung wird unabhängig vom elterlichen Einkommen für alle Eltern finanzierbar.

Abschaffung der sozialen Staffelung der Kindergartentarife.

Anspruchsberechtigung auf den Kinderbetreuungsscheck unabhängig von Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes und unabhängig vom Einkommen.

Erleichterung beim beruflichen Wiedereinstieg der Frau nach der Karenz.

Mehrkindstaffelung: Sollte bis zum 4. Lebensjahr eines Kindes ein weiteres geboren werden, erhöht sich der Kinderbetreuungsscheck im Überschneidungszeitraum um 50 Prozent des Vollbetrages." – Also auch das mit den zwölf Jahren, wie Sie das vorher gesagt haben, Frau Kollegin Crepaz, ist nicht richtig.

"Möglichkeit des Erwerbs eigenständiger Pensionszeiten durch eine freiwillige Weiterversicherung nach der Karenz.

Maßnahme, um die Armutsgefährdung von Alleinerziehenden und Mehrkindfamilien hintanzuhalten.

Aufbau eines Betreuungsmarktes (zum Beispiel Tagesmutter als neues sozialrechtlich abgesichertes Berufsbild).

Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß sich ab diesem Jahr ein ständig steigender Budgetüberschuß im Familienlastenausgleichsfonds ergeben wird, sollte dieser Betrag wieder zur Gänze an die Familien selbst zurückfließen, sodaß eine zweckgebundene Widmung des FLAF-Überschusses für die Finanzierung des Kinderbetreuungsschecks aus der Sicht der unterzeichneten Abgeordneten sinnvoll erscheint. Sollte dieser Überschuß aber noch wesentlich höher ausfallen, sollten die Verantwortlichen konkrete Maßnahmen zur Aufhebung der Selbstträgerschaft setzen und darüber hinaus die Beträge aus der Rückforderung des Karenzgeldzuschusses von Vätern unehelicher Kinder und die nicht unerheblichen Beträge aus der De-facto-Verkürzung des Karenzurlaubes auf 18 Monate miteinrechnen.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen in diesem Zusammenhang den nachstehenden


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Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie wird ersucht, dem Parlament einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der im Familienlastenausgleichsgesetz

die Schaffung eines Kinderbetreuungsschecks bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes für alle österreichischen Familien und

als Vorstufe zum Kinderbetreuungsscheck ein Karenzgeld für alle vorsieht, das aus den schon vorhandenen Überschüssen des FLAF ab 1. Juli 1998 an die Personen ausbezahlt werden soll, die keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Karenzgeldgesetz haben."

*****

Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.37

Präsident Gottfried Jaud: Der von den Bundesräten Ramsbacher und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Einführung des Kinderbetreuungsschecks ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile ihm dieses.

17.37

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Kollegin Crepaz hat mich sehr inspiriert, hier doch eine Stellungnahme abzugeben. Ich bin vor allem immer wieder darüber verwundert, wofür applaudiert wird. Man hat an sich, wenn man längere Zeit hier sitzt, automatische Reflexe, wann man applaudiert. Da geht es jedem von uns so, daß er vielleicht nicht immer jedes Detail der Rede, zu der er applaudiert hat, weiß, aber manchmal, so muß ich sagen, wundere ich mich schon ganz gewaltig, wofür es in diesem Hohen Haus Applaus gibt, und zwar auch noch geschlossen von einer Fraktion.

Frau Bundesrätin Crepaz hat gesagt: Fürs Kinder-Bekommen Geld zu bekommen, sieht sie nicht ein. – Dafür gibt es Applaus! Ich muß schon sagen, der Level dieser Rede, das Niveau, der Stil waren schon sehr tief, Frau Kollegin! Denn von wem reden wir? – Wir reden zum Beispiel von Studentinnen. Dann kommt eine, die mit 19, 20 Jahren schwanger ist, und dann gehen Sie als verantwortungsvolle Politikerin zu ihr hin und sagen: Das ist zwar eine blöde Situation für dich, aber weißt du was, fürs Kinder-Bekommen Geld zu bekommen, sehe ich nicht ein! Tschüs, baba und fall nicht! – Das ist Ihre Einstellung. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Ein weiterer Gipfelpunkt Ihrer Ausführungen war, daß Sie beklagen, daß Frauen arbeiten gehen müssen – Frauen, die arbeiten gehen müssen, die gar nicht wollen und dann vielleicht auch noch schlimme, unterqualifizierte Jobs haben! – Das ist vielleicht auch die 18-, 19jährige, die gerade mit der Handelsakademie, mit der Handelsschule oder was auch immer fertig geworden ist. Dann passiert es, sie wird schwanger, und Sie sagen: Du gehst jetzt und machst einen unterqualifizierten Job, denn fürs Kinder-Bekommen Geld zu bekommen, das sehe ich nicht ein. – Das heißt, auch eine solche junge Frau kann sich dann an Sie wenden und bekommt von Ihnen Ihre zynische Lösung angeboten.

Der nächste Punkt, nämlich daß Sie sagen: "Frauen zurück an den Herd!", stört mich nicht, weil neben dem Herd nämlich die Kinder sind. (Bundesrat Konecny: Im Herd?) Das ist nämlich das Thema! Niemand spricht davon, daß die Frauen, wenn es heißt: "Frauen zurück an den Herd!" – der sich physisch meistens tatsächlich in der Wohnung befindet –, bei ihren Kindern sind.


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Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich selbst bin in einer Familie aufgewachsen, in der mein Vater viel zu früh verstorben ist, nämlich als ich vier Jahre alt war. Meine Mutter mußte immer arbeiten. Ich habe immer eine Mutter gehabt, es war auch diese Situation bewältigbar, aber schöner wäre es gewesen, wenn wir nicht in diese Situation gekommen wären.

Heute bin ich selbst stolzer Vater, habe eine 11 Monate alte Tochter, die mir sehr viel Freude bereitet, und wir sind eine klassische, für Sie "ekelerregende" Familie, ganz schrecklich: Frau zu Hause beim Kind. Aber ich sage Ihnen: Meiner Frau gefällt es, meinem Kind gefällt es, und mir gefällt es. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Geld habt ihr auch genug?)

Unter denjenigen, die Sie in diesem Zusammenhang kritisieren, ist auch Ihr Herr Bundeskanzler, denn der Herr Bundeskanzler, der gemeinsam mit dem Bundesgeschäftsführer Rudas täglich über den Meinungsumfragen sitzt, hat schon gesagt: Na ja, wenn Bartenstein sagt, Karenzgeld soll es für alle Mütter geben, wie nehmen wir denn da die Kurve, denn es ist ungewöhnlich, daß die Bevölkerung dem auch noch zustimmt? Sagen wir: Karenzgeld für alle, die es brauchen! Wann braucht man es denn? Na ja, sagen wir: Dann, wenn man bis zu 1 Million Schilling Jahreseinkommen hat!

Dazu sage ich: Okay! Die Realisierung dieses Vorschlages wird an der Volkspartei nicht scheitern! Vor allem fühle ich mich selbst auch gleich frei davon, denn davon bin ich auch betroffen. Wir bekommen jetzt ein Karenzgeld. Mir ist das Kinder-Bekommen noch nicht "vergangen", ich möchte noch weitere Kinder haben, und dann werde ich dieses Karenzgeld für alle nicht bekommen. Es ist mir egal, wenn ich zu jenem Prozentsatz gehöre, der das dann nicht in Anspruch nehmen kann.

Noch etwas möchte ich Ihnen sagen: Ich glaube, daß wir alle hier aus Familien stammen und daß wir alle wissen, daß es nicht in allen Familien immer harmonisch zugeht, daß nicht immer alle Partnerschaften zur Zufriedenheit funktionieren. Daran besteht doch überhaupt kein Zweifel. Gerade Ihr großes Vorbild, die sozialdemokratische Regierung in Deutschland, Lafontaine und Schröder, haben gemeinsam sieben Ex-Frauen. (Beifall bei ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Es soll auch Bundespräsidenten geben, die Sie zu dieser Kategorie zählen müssen!) Ja, freilich. Sieben sind es nicht! Eine und nicht sieben. Das ist ein Unterschied von sechs! (Bundesrat Meier: Das kann noch werden! Aber das gehört nicht her, was Sie da sagen! Das ist eine reine Privatangelegenheit!) Ja, das ist eine Privatangelegenheit. Ich sage ja: Das kann passieren! (Bundesrat Meier: Dann sagen Sie es nicht!) Ich zeige gar nicht mit dem Finger darauf! Entschuldigung! Das will ich gar nicht tun.

Ich sage: Partnerschaften können aus beiderseitigem Verschulden oder aus mehr oder weniger einseitigem Verschulden scheitern. Meistens ist es ein Gemisch daraus. Die Leidtragenden sind immer die Kinder. Diese Problematik kennen wir alle. Niemand leugnet diese Problematik. Aber den politischen Ansatz, weil die Familie als Lebensgemeinschaft scheitern kann, weil Partnerschaften in Bruch gehen können, weil Familienglück zerbrechen kann, Menschen gleich zu sagen: Geht dieses Experiment gar nicht ein, bleibt an eurem Arbeitsplatz, nehmt das Kind, "verpackt" es und steckt es in den Kindergarten, haltet euch am Arbeitsplatz fest und glaubt nicht an dieses "böse" System, an die stockkonservative Familie neben dem grauslichen Herd, neben dem die Kinder sind, all das ist eine ganz schlimme Sache!, lehne ich strikt ab. (Beifall bei ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich finde es "toll", daß man noch solch eine Rede halten kann, wie sie Frau Crepaz hier im Hohen Hause gehalten hat, und dafür den geschlossenen Applaus der SPÖ-Fraktion bekommt. Ich möchte dazu nur folgendes sagen: Die Aussagen, die Sie hier getätigt haben, sind Nuggets, Diamanten, Goldstücke für einen Wahlkampf im Jahr 1999! Das, was Sie hier gesagt haben, traue ich mich zu zitieren. Ich traue mich zu zeigen, mit welch desillusionierendem Bild Sie an dieses Thema herangehen.

Das Experiment, eine Familie zu gründen, kann natürlich scheitern, aber die Antwort der Politik, diese Illusion gleich a priori zu zerstören, indem man sagt: Laßt euch darauf erst gar nicht ein!,


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ist das Schlimmste und Rückschrittlichste, was man überhaupt tun kann. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

17.45

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile ihm dieses.

17.45

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich bereue es eigentlich nicht, heute, an einem Freitag, noch spät am Nachmittag hier zu sein, denn wenn der eine oder die andere aufgrund des Zeitdruckes oder der vorgeschrittenen Woche die Beherrschung verliert, ist es eigentlich ganz gut, das auch einmal mitzuerleben, denn dann kann man nämlich den Menschen, wenn er einmal unbewußt unter Druck kommt, auch einschätzen.

Ich glaube, daß Kollegin Crepaz nicht damit gerechnet hat, daß sich Herr Kollege Himmer von ihr "inspiriert" fühlt. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. ) Ich bin auch über die Oberlehrer-Mentalität überrascht, die er an den Tag gelegt hat.

Er hat sich auch über das Niveau beklagt, auf welchem in diesem Hohen Haus diskutiert wird. Ihr Niveau, Herr Bundesrat, war um keine Stufe höher. Man kann darüber streiten: Vielleicht war es um eine halbe Stufe höher oder um zwei Stufen tiefer. Aber ich nehme solche Wertungen nicht vor. Ich darf nur soviel sagen: Ich habe mir aus Ihrem Munde etwas anderes erwartet. Ich habe Sie – einen jungen Demokraten, einen jungen, überzeugten ÖVPler – anders eingeschätzt. Aber natürlich, wenn man unter Zeitdruck steht, einer Belastung ausgesetzt ist oder vor Konflikten steht, die man nicht lösen kann, weil die eigene Partei keine ordentliche, geradlinige Politik macht, hat man es schwer. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kollege Himmer kann leicht reden, er kann hier vollmundig agieren, denn er lebt in einem Bundesland, in dem die Sozialdemokratie die Sozialpolitik sehr wesentlich mitbestimmt. Studentinnen bekommen in Wien vom Land bis zu 9 000 S Unterstützung. (Bundesrat Mag. Himmer: Aber nicht dafür, weil sie ein Kind haben!) Ich hätte von ihm, als einem ehrlichen, jungen ÖVPler erwartet, daß er sich hier herstellt und jene Bundesländer aufzählt, in denen Studentinnen keine solch großzügige Förderung bekommen. (Bundesrat Mag. Himmer: Das ist absurd! Für das Studium bekommen sie die Unterstützung!) Das könnte ein Vorbild für jene Bundesländer sein, die von der ÖVP, manche sogar mit absoluter Mehrheit, regiert werden und wo es eine solche Unterstützung für Studentinnen nicht gibt. Das möchte ich nur am Rande erwähnt haben, Kollege Himmer!

Nun auch eine Bemerkung zu den Ausführungen der Kollegin Ramser. (Bundesrätin Ramsbacher: Ramsbacher!) Ramsbacher! Entschuldigung! Sie hat natürlich pflichtgemäß den "Haiderschen Kinderbetreuungsscheck" positiv zu verkaufen versucht. Heute wissen alle – Sie sind wahrscheinlich die einzige Kärntnerin, die es nicht weiß –, daß das eigentlich eine Mogelpackung ist (Ruf bei den Freiheitlichen: Worin besteht der Mogel? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), wie so viele Ankündigungen von der Freiheitlichen Partei. Sie haben sich schon ein bißchen der Wahrheit genähert: Ihr Parteivorsitzender hat noch vor Monaten behauptet, daß der "Kärntner Kinderbetreuungsscheck" nicht mehr als 600 Millionen Schilling kosten würde. (Zwischenruf der Bundesrätin Ramsbacher. ) Sie haben schon nachgelassen: Bei Ihnen kostet das Ganze schon 1,4 Milliarden Schilling. Aber ich kann Ihnen sagen, daß für die 22 600 Familien mit einem Kind in Kärnten ein Aufwand von 1,6 Milliarden Schilling notwendig ist, für die 6 300 Familien mit 2 Kindern ein solcher von 650 Millionen Schilling und für die 877 Mehrkinderfamilien ein solcher von rund 120 000 S. Wenn Sie das summieren, dann kommen Sie auf 2,3 Milliarden Schilling.

Die einzige Zahl, die Sie in Ihrem Beitrag richtig erwähnt haben, war jene, daß das Landesbudget in Kärnten insgesamt 25 Milliarden Schilling ausmacht. Für die weitere Diskussion darf ich Ihnen mit nach Hause geben, daß die 2,3 Milliarden Schilling soviel ausmachen, wie die gesamte jährliche Wohnbauförderung samt Wohnbeihilfe in Kärnten. Das ist zirka der Aufwand für 90 Prozent der Landesbediensteten und für rund 80 Prozent der Landespflichtschullehrer.


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Aber auch Herr Bundesminister Bartenstein hat gemeint, daß die Umsetzung seines Vorschlages nur 800 Millionen Schilling kosten würde beziehungsweise dafür ein solcher Aufwand notwendig wäre.

Er hat uns aber nicht gesagt – vielleicht hat er es vergessen; ich will Ihnen, Herr Bundesminister, nicht unterstellen, daß Sie uns bewußt Ihre Berechnung nicht mitgeteilt haben –, wie viele Familien aufgrund seines Modells zusätzlich ein Karenzgeld bekommen würden und ob in den 800 Millionen Schilling auch die Krankenversicherung und die Pensionsversicherung mitenthalten sind. Nach unseren Berechnungen kommen wir, wenn wir davon ausgehen, daß ungefähr 10 000 zusätzliche Karenzgeldbezüge ausbezahlt würden und daß die 5 600 S bei der Berechnung noch Gültigkeit haben, inklusive der Pensionsversicherung und der Krankenversicherung auf zirka 1,8 Milliarden bis 2 Milliarden Schilling. Aber vielleicht können Sie uns bei einer nachfolgenden Wortmeldung Ihrerseits dann Ihre Berechnung und Ihre Zahlen bekanntgeben.

Ich glaube, daß es auch notwendig ist, daß man einmal kurz darstellt, von wem und aus welchen Mitteln der FLAF finanziert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage das jetzt leidenschaftslos: zumindest zu 70 Prozent von den Betrieben durch 4,5 Prozent der Lohnsumme, die die Arbeitgeber abführen. Zu dieser Möglichkeit ist es gekommen, weil die Arbeitnehmer in den fünfziger Jahren bereit waren, auf Lohn zu verzichten, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich muß ganz ehrlich sagen: Wenn man schon ein Karenzgeld für alle haben will – ich kann mir das politisch ohne weiteres vorstellen –, dann muß man andere Finanzierungsmethoden wählen oder -vorschläge einbringen. Ich kann mir beispielsweise vorstellen – ich möchte das gar nicht von der Hand weisen –, daß man eine Finanzierung aus dem Budget oder durch die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe vorsieht. Die Arbeitnehmer und die Wirtschaft wären froh, wenn man die Lohnnebenkosten um diese 4,5 Prozent entlasten könnte.

Sie, Herr Bundesminister Bartenstein, haben etwas süffisant – ich habe es so empfunden; ich gebe zu, daß ich ein bisserl sensibel bin –, auf die deutsche Wochenzeitschrift "Die Zeit" hingewiesen und wollten damit der Sozialdemokratie eine "leichte Dachtel" geben, wie man es bei uns zu Hause so schön sagt. Ich glaube, daß Sie gar nicht so weit zu schauen brauchen. Sie sollten sich heute einmal die APA zur Hand nehmen. Darin merkt ein Ihnen sicherlich nicht unbekannter Redakteur oder Herausgeber vom "WirtschaftsBlatt" oder beides, nämlich Jens Tschebull, folgendes an – ich zitiere einen Absatz –:

"Karenzgeld ist daher eine in sich widersprüchliche Wertschöpfung des Vorsorgestaates, die je nach Lust und Laune als Müttergehalt, als Fürsorgezahlung oder Versicherungsleistung interpretiert wird. Praktisch ist es ein vom Sozialstaat bezahlter teilweiser Ersatz für den durch die Karenz, den Lohnverzicht, entstandenen Verdienstentgang während der Babypause. Deshalb ist die Gewerkschaftsstellungnahme gegen das Karenzgeld für alle eines der wenigen logischen Argumente, nur wer einen Lohnausfall durch Karenz erleidet, kann einen Ersatz dafür auch bekommen." – Zitat Ende.

Man kann mir, einem Sozialdemokraten, mit Sicherheit nicht unterstellen, daß Herr Tschebull ein Mitglied der österreichischen Gewerkschaftsbewegung oder sogar Mitglied der Sozialdemokratischen Partei ist.

Es wurde heute auch viel argumentiert im Zusammenhang mit Fragen wie: Müssen Frauen arbeiten gehen? Gehen sie gerne arbeiten? Wollen sie arbeiten gehen? – Ich erlaube mir dazu nur einen Hinweis: Wir haben in Österreich derzeit rund 3 050 000 Beschäftigte – die Frau Bundesministerin wird mich korrigieren, wenn ich mich um 10 000 oder 20 000 Personen geirrt habe –, und von diesen Beschäftigten sind über 43 Prozent Frauen. Wenn wir uns die Altersstruktur ansehen, dann können wir feststellen – das wissen wir auch aus der Arbeitslosenstatistik –, daß Frauen ab dem 40. Lebensjahr fast überhaupt keine Chance mehr haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, und schwerwiegende Einschränkungen hinnehmen müssen, um einen Arbeitsplatz behalten zu können.


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Die Schlußfolgerung daraus ist, daß nicht ausgeschlossen ist, daß der Großteil der beschäftigten Frauen – bei den Männern ist es nicht viel anders – in einem Lebensabschnitt ist, in dem sie Kinder bekommen sollen, wofür wir eintreten. Daher ist es für die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, aber auch für die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter – das geht über Parteigrenzen hinweg – ganz besonders wichtig, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen. Es ist wichtig, daß wir alle gemeinsam für die berufstätigen Frauen, ob sie freiwillig arbeiten gehen oder aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation dazu gezwungen sind, was meiner Meinung nach keinen Unterschied macht, dieses Ziel anstreben. Wir als politisch Verantwortliche sind aufgerufen, ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die freiwillige oder die aus sozialen oder wirtschaftlichen Gründen erzwungene Berufstätigkeit zu erleichtern.

Sie kennen die damit verbundenen Mißstände vielleicht nicht aus persönlichen Erlebnissen, aber ich komme aus einer Arbeitnehmerfamilie, lebe heute noch mitten im Kreis von Arbeitnehmern und bin auch täglich mit ihren Sorgen konfrontiert. Das ist für mich keine Belastung, denn es ist bei meiner politischen Tätigkeit in der Sozialdemokratie und in der Gewerkschaftsbewegung eine unverzichtbare Notwendigkeit, immer ein Ohr für die Anliegen meiner Kolleginnen und Kollegen – der aktiven, aber auch der Pensionisten –, zu haben.

Mehr möchte ich dazu nicht sagen, nur soviel noch: Ich glaube, daß in dieser wichtigen Frage doch die Vernunft Vorrang haben muß. Wir kommen sicherlich keinen Schritt weiter, wenn wir auf dem Rücken der Betroffenen – das geschah bisher bei dieser Diskussion am späten Nachmittag – politische Konflikte austragen. Das ist sicherlich nicht in ihrem Sinne.

Ich würde mir wünschen, daß heute vielleicht 20 oder 30 jüngere und auch ältere Frauen im Zuschauerraum wären (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), egal, ob sie freiwillig arbeiten oder ob sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation einer Berufstätigkeit nachkommen müssen. Sie können sich das meistens gar nicht aussuchen, sondern müssen jene Tätigkeit annehmen, die ihnen angeboten wird, oder Tätigkeiten, bei denen sie rechtzeitig auf ihrem Arbeitsplatz sein und auch rechtzeitig nach Hause kommen können, um dort ihre Kinder zu versorgen. Des weiteren darf man nicht vergessen, daß berufstätige Frauen auch noch eine übergeordnete Aufgabe in der Familie zu erfüllen haben, bei der die Männer ihrer Verpflichtung noch nicht nachgekommen sind, nämlich die Pflege und Fürsorge für die älteren Familienangehörigen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.00

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich erteile ihr dieses.

18.00

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! "Es ist keine Skandalierung, sondern eine Tatsache, daß der Familienlastenausgleichsfonds nach wie vor fast ausschließlich von unselbständig Erwerbstätigen über den Weg von Gehältern finanziert wird. Diese Überschüsse nun mittels Gießkannenprinzip, ohne die soziale Notwendigkeit zu prüfen, verteilen zu wollen, sei ein soziales Verbrechen" – so die Worte der Vizepräsidentin des Österreichischen Gewerkschaftsbundes Schmidleithner zur Forderung der ÖVP nach dem Karenzgeld für alle und zur Forderung der Freiheitlichen betreffend Kinderbetreuungsscheck.

Das ist aber, so glaube ich, nicht nur ihre Meinung, sondern es ist, wie wir jetzt aus den Worten von Herrn Kollegen Drochter, von Frau Kollegin Crepaz und so weiter gehört haben, die Meinung der Sozialistischen Partei und leider auch ihrer Minister: ein Nein zum Karenzgeld für alle und natürlich auch ein Nein zum Kinderbetreuungsscheck der Freiheitlichen! Gerade die Forderung der Freiheitlichen nach einem Kinderbetreuungsscheck ist ein Schritt, der dem Wohl der Familie dient, und er wurde auch von der ÖVP auf ihre Fahnen geheftet – vielleicht als Wahlzuckerl, aber auch wohlüberlegt. Wie dem auch sei: Seien wir froh, daß wir einen Schritt gemeinsam gehen können! (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Was die Meinung von Frau Ministerin Prammer betrifft, so haben Sie vermutlich auch gehört, was sie kürzlich in einem Interview kundgetan hat: Sie erklärte, es war überhaupt kein Problem,


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650. Sitzung / Seite 127

als Frau Haushalt, Kinderbetreuung und Beruf unter einen Hut zu bringen. Sie hat das gelebt. Sie hat sich damit gebrüstet.

Es ist in meinen Augen lobenswert, wenn sie das ohne Hilfe geschafft hat. Soll dies nun aber das Ziel einer familienfreundlichen und familienfördernden Politik sein, all das – die Gleichstellung von Mann und Frau, Karenzzeit für beide und so weiter – gesetzlich verpflichtend vorzusehen? – Ich bin der Meinung, daß ich alleine für mein Leben verantwortlich bin, und ich will selbst entscheiden, ob ich teilweise arbeite, ob ich alleine zu Hause bleibe, ob ich mein Kind allein erziehe. Die einzige, die es sich tatsächlich nicht aussuchen kann, ist die Unternehmerin oder die Bäuerin, die Verpflichtung, Arbeit, Haushalt und Kindererziehung unter einen Hut bringen muß. Wer bei all dem nicht das Opfer sein soll, das sind einerseits die Kinder und andererseits auch die Personen, die diesen Kindern das Leben geschenkt haben und die ihnen gerade in den ersten Lebensjahren die Nestwärme geben sollen, die die Früchte für das weitere Leben bringt, nämlich die Fähigkeit, in dieser harten und bestimmt nicht leichter werdenden Welt bestehen zu können.

Daher soll diese Vorsorge für alle gelten. Das freiheitliche Modell des Kinderbetreuungsschecks – nennen Sie, werte Kollegen von der ÖVP, es ruhig Karenzgeld für alle – soll dies ermöglichen.

Im Mittelpunkt einer familienfreundlichen Förderung muß unbedingt das Kind stehen, und es muß das gleiche Recht für Arbeitnehmer, Unternehmerinnen, Bäuerinnen, Studentinnen und geringfügig Beschäftigte gelten. Hat die Vizepräsidentin des Gewerkschaftsbundes bei ihren unüberlegten Äußerungen, mit denen sie die Unternehmerinnen und Bäuerinnen ausgrenzt, überhaupt daran gedacht, daß zirka 80 Prozent der Arbeitnehmerinnen ohne Arbeit wären, wenn es die Kleinunternehmer nicht gäbe? Hat sie daran gedacht, daß auch der Unternehmer über Lohn und Gehalt, über den Arbeitgeberbeitrag, einen Beitrag zum FLAF und zu dessen Überschuß leistet, daß jeder Unternehmer und Bauer für die Sicherung des Arbeitsplatzes tätig ist? – Meinen Damen und Herren! Frau Ministerin! Kennen Sie das Leben einer Unternehmerin, einer Bäuerin? – Den Aussagen von Ihnen allen und Ihren Genossen nach können und wollen Sie es nicht kennen! Denn um über Selbständige reden und urteilen zu können, muß man erst einmal selbständig gewesen sein. Jeder andere Vergleich ist falsch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich zitiere Ihnen nur ein paar Worte aus einem glanzvollen Leben einer Unternehmerin, die Sie, Frau Ministerin, fragt: Haben Sie Kinder? – Sie fragt Frau Schmidleithner, die ÖGB-Vizepräsidentin: Waren Sie schon selbständig? Mit welchem Recht gestehen Sie manchen Frauen Karenzgeld zu und anderen nicht? – Es scheint mir, daß Sie Unternehmerinnen nur als reiche Luxusgeschöpfe aus den "Seitenblicken" kennen und sich deren Leben auch so vorstellen, sonst wüßten Sie, daß die Realität der eigenverantwortlichen Selbständigen meist ganz anders und sehr viel weniger glänzend aussieht. Auch ohne Familie hat eine Unternehmerin eine Arbeitszeit, die Sie als Gewerkschafterin auf die Barrikaden treiben müßte. Mit Familie sieht das dann so aus, daß es ohne ehrenamtliche Kindermädchen – nämlich die Großeltern oder andere bezahlte oder unbezahlte Helfer – nicht gehen würde. Und wo findet man schon ein Kindermädchen um 2 500 S im Monat? – Das macht nämlich das Karenzgeld aus, das die Selbständigen und Bäuerinnen für das Kind bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Kinder von Kleingewerbetreibenden und Geschäftsfrauen wachsen daher zumeist "hinter der Budel" oder in der Werkstatt auf, so wie manche von unseren Kindern. Da uns Frau Ministerin Prammer ganz deutlich gesagt hat, daß die Unternehmerinnen kein Karenzgeld brauchen, weil es schließlich irgendein "Kammerl" gebe – das waren ihre eigenen Worte! –, in dem sie nebenbei die Kinder betreuen können, und da sie sich zweitens gegen die Vorstellung verwehrt, daß es bei Kindern von Arbeitnehmerinnen nicht in Ordnung sei, wenn ihre Mütter nebenbei arbeiten gehen, möchte ich Ihnen dazu ebenso deutlich sagen: Auch die Kinder von Unternehmerinnen und Bäuerinnen sind in Ordnung, aber sie leben natürlich unter den schwersten Bedingungen. Es ist mir persönlich in meiner Kindheit auch nicht anders ergangen, und für mein Kind habe ich zur damaligen Zeit überhaupt kein Karenzgeld bekommen – jetzt wären es 2 500 S.


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Die bereits oben zitierte Unternehmerin schreibt weiters: Daß mittlerweile in ganzen Straßenzügen die Geschäfte leer stehen, weil sich immer weniger Menschen dazu bereit erklären, eine 60-Stunden-Woche unterbezahlt und mit allen Konsequenzen und Auflagen auf sich zu nehmen, scheint Ihnen, liebe Sozialistische Partei, überhaupt noch nicht aufgefallen zu sein! – Zum Großteil wurden diese Geschäfte nämlich zur Nahversorgung von Frauen geführt, die dann zu arbeiten aufhörten. Damit sind aber viele Arbeitsplätze zugrunde gegangen.

Das eine muß ich Ihnen noch vorlesen: Populistische Phrasen – so schreibt meine Kollegin –, die auf Kosten einer unverzichtbaren Minderheit gehen, rächen sich bald wirtschaftlich und zeugen außerdem von einem mangelnden Demokratieverständnis.

Meine Damen und Herren! Können Sie mir sagen, wie sich die Jungunternehmerförderung mit dieser unternehmerfeindlichen Politik der Sozialistischen Partei vereinbaren läßt? – Genau so, wie es die aus der Zeitung zitierten Worte meiner Kollegin beschreiben, ist das wirkliche Leben von Unternehmerinnen und Bäuerinnen. Ich verwehre mich dagegen, daß Jungunternehmer zwar gefördert werden, daß wir dabei aber außer acht lassen, daß nur 8 Prozent der 20- bis 39jährigen Frauen kinderlos bleiben wollen. Auch die Unternehmerinnen und die Bäuerinnen haben daher das Recht, für ihre Kinder sorgen zu können!

Auch was jetzt vom Familienministerium gefordert wird, läuft auf eine Ungleichheit hinaus. Das setzt klare Akzente in eine Richtung, nämlich in die von Familie und Firma. Man beginnt langsam, auf die Lebensumstände von Vätern und Müttern zu reagieren. Es werden Zertifikate gewürdigt. Herr Minister! Die Vorteile für Unternehmer liegen auf der Hand: Kostenintensive Personalfluktuationen werden reduziert, Fehlzeiten sinken, die Motivation steigt – all das stimmt. Doch gerade weil diese Firmen für Familienfreundlichkeit ausgezeichnet werden und weil der Unternehmer alles unternehmen soll, um familienfreundliche Arbeitszeitmodelle zu schaffen, sehe ich nicht ein, daß die Frauen als Unternehmerinnen nicht mit allen anderen Frauen gleichberechtigt sein sollen! Das sehe ich überhaupt nicht ein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Freiheitlichen wollten bereits am 24. Jänner 1990 im Nationalrat die Nachteile der Karenzgeldregelung abschaffen und verlangten den Anspruch auch für Bäuerinnen und Gewerbetreibende. Frau Kollegin Fischer! Ich muß Ihre Aussage leider richtigstellen. Ich habe mir das genau angesehen: Wir waren im Ausschuß dagegen – nur im Ausschuß –, und zwar nicht aus inhaltlichen Gründen (Bundesrat Eisl: Na, schau! – Zwischenruf der Bundesrätin Fischer) , sondern deshalb, weil uns die Abänderungen kurzfristig vorgelegt wurden.

Wir waren aber im Plenum einstimmig dafür, Frau Kollegin Fischer! Im Plenum wurde einstimmig mit Ja gestimmt – auch die Freiheitlichen haben dafür gestimmt. (Bundesrat Eisl: ... So unseriös könnte ein Freiheitlicher nie sein!)  – Ich möchte Ihnen das nur sagen, und Sie wissen es genau: Wir waren im Plenum dafür, Frau Kollegin! Ich bitte Sie, schauen Sie nach! (Zwischenruf der Bundesrätin Fischer. )

Was unsere Haltung im Ausschuß betrifft, so begründe ich jetzt, warum sie so war – es wurde auch damals ausdrücklich so festgehalten –: weil die Vorlage sehr kurzfristig eingebracht wurde – also nur aus bürokratischen (Bundesrat Dr. Tremmel: Aus formalen Gründen!) , aus formalen Gründen und nicht aus inhaltlichen Gründen; ich betone das noch einmal. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber im Gegensatz zu unserer damaligen Haltung im Juni 1990 waren die ÖVP und die SPÖ am 24. Jänner 1990, als wir die Nachteile der Karenzgeldregelung abschaffen wollten, einstimmig dagegen (Bundesrat Dr. Böhm: Aha!) und zeigten sich damals familienfeindlich, indem sie es abgelehnt haben, den Antrag zu unterstützen. – In Zeiten, in denen Wahlen bevorstehen, hat nun offenbar auch die ÖVP die gravierenden Nachteile der geltenden Karenzregelung erkannt und will sie nun beseitigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gerade für die Inhaberin eines Kleinbetriebes wäre das Karenzgeld für alle beziehungsweise der Kinderbetreuungsscheck besonders wichtig. Damit könnte sich nämlich diese Gewerbetreibende eine Aushilfskraft leisten – denn so rosig stehen unsere Kleinbetriebe sicherlich nicht da –, die sie während der Karenzzeit vertritt, sodaß sie ihr Kind auch ordentlich versorgen kann.


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Keinen Nutzen aus der geteilten Karenzzeit können Eltern, die beide berufstätig sind, wohl dann ziehen, wenn ein Elternteil einer selbständigen und der andere einer unselbständigen Beschäftigung nachgeht. Denn in Ihrem Streit um den Karenzgeldanspruch, meine Damen und Herren von der SPÖ und ÖVP, haben Sie übersehen, daß jene Eltern, die einerseits selbständig und andererseits unselbständig erwerbstätig sind, auch beim Teilen der Karenzzeit Nachteile haben. Das Karenzgeld für alle könnte auch diesbezüglich Abhilfe schaffen.

Da Elternteile, die auf selbständiger Basis einen Beruf ausüben, von dieser familienfördernden Maßnahme ausgeschlossen sind, können sie sich auch nicht mit ihrem karenzgeldbeziehenden Partner die Karenzzeit teilen, ohne dabei die finanziellen Nachteile zu erleiden.

Besonders trügerisch scheint mir aber der Umstand zu sein, daß die SPÖ das Karenzgeld für Teile der Bevölkerung – nur für Teile – fordert, sich aber nicht auf die Anspruchsvoraussetzungen festlegt. Damit laufen nämlich die Gewerbetreibenden Gefahr, neuerlich Opfer der verfehlten sozialdemokratischen Familien- und Wirtschaftspolitik zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Angesichts dieser Situation frage ich mich: Wo bleibt der Aufschrei der Wirtschaftskammer? Wo bleibt der Aufschrei der Wirtschaftspartei, der Österreichischen Volkspartei?

So wie seinerzeit die Durchsetzung des Wahlrechtes für Frauen richtig und gerechtfertigt war, so ist es auch gerechtfertigt, daß in einem familienfreundlichen Staat – ich glaube, wir alle wollen, daß Österreich ein solcher ist – die Kinder, unser wertvollstes Gut, gleich behandelt werden. Deswegen ein Ja zum Kinderbetreuungsscheck!

Darüber hinaus erlaube ich mir, einen Entschließungsantrag einzubringen (Rufe bei SPÖ und ÖVP: Noch einen!) , der sich mit der Pensionsproblematik befaßt. Auch hier ist die Gleichbehandlung anzustreben. Dies gilt umso mehr, als die Reform in bezug auf Gleitpension und Altersteilzeit fix ist – sollten Sie es noch nicht gehört haben –, nächste Woche von der Regierung präsentiert werden soll und auch bei dieser Reform Unternehmer und Bauern wieder ausgeschlossen sind, wobei dieselben Unternehmer aber zum Durchführen der Gleitpension benutzt werden.

Ich bringe daher den Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Ulrike Haunschmid, Monika Mühlwerth, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Helena Ramsbacher, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, Andreas Eisl, DDr. Franz Werner Königshofer betreffend angemessene pensionsrechtliche Berücksichtigung familiärer Verpflichtungen

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, dem Parlament einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der

eine pensionsbegründende und kostenlose Anrechnung der Kindererziehungszeiten bis zum Schuleintritt der Kinder wie Beitragszeiten, wobei die Bemessungsgrundlage aus der Zeit vor der Karenz oder – mangels einer solchen – die durchschnittliche Bemessungsgrundlage von Frauen heranzuziehen ist, und

eine pensionsbegründende und kostenlose Anrechnung der Zeiten häuslicher Pflege von pflegebedürftigen Personen in Relation zum Pflegeaufwand

vorsieht."

*****

Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.15


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650. Sitzung / Seite 130

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Der von den Bundesräten Haunschmid und anderen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend angemessene pensionsrechtliche Berücksichtigung familiärer Verpflichtungen ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus das Wort. – Bitte.

18.15

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich glaube, wir werden die Familie wiederentdecken (Bundesrat Bieringer: Was?)  – und zwar nicht nur formell –, weil sie in unserer Gesellschaft an erster Stelle stehen muß. Es ist wirklich ein Glück, daß der Herr Bundesminister hier sitzt und Anliegen der Freiheitlichen Partei so vehement vertritt (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Schaufler ) und sich damit in einen Gegensatz zu Frau Bundesministerin Hostasch und ihren Gesinnungsfreunden bringt. (Bundesministerin Hostasch: Und zu Ihnen!)

Frau Bundesministerin! Sie haben jetzt noch Zeit, auf den fahrenden Wagen des Schutzes der Familie aufzuspringen. Schwimmen Sie weiter, Frau Ministerin! Schwimmen ist gesund! (Heiterkeit der Bundesministerin Hostasch. ) Bei der Familie müssen Sie zahlen, aber nicht schwimmen! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Fasching ist zu Ende! (Demonstrative Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Das Thema ist zu ernst, Frau Ministerin! Ihnen ist vielleicht nicht bekannt, daß der Schutz der Familie in der Verfassung vorgesehen ist. Nehmen Sie das ernst!

Mit 250 S im Monat, wie es ab Januar vorgesehen ist, ist das ein Bettel, eine Verächtlich-machung der Familie, das sage ich Ihnen! Ab Neujahr 1999 250 S mehr – das kann doch nicht die Wahrheit sein! – Und es ist doch die Wahrheit, und Sie tragen dazu bei und möchten hier im Saal Schwimmkurse abhalten! (Heiterkeit des Bundesrates Eisl. )

Da lobe ich mir noch das alte Einkommensteuergesetz ex 1971 (Bundesministerin Hostasch: Mit Steuergruppe A und B?) , welches drei Klassen vorsah: die unterschiedliche Steuerpflicht für Ledige, für Verheiratete ohne Kinder und für Verheiratete mit Kindern. Das wurde langsam weggeschliffen. Bei uns haben die Politiker den stillen Verfassungsbruch betrieben, und Sie waren daran mitbeteiligt, Frau Bundesministerin! (Bundesministerin Hostasch: Gott sei Dank, ja!) – Gott sei Dank?! – Mit Gott hat das, bitte, nichts zu tun! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesministerin Hostasch: ... weil es jetzt ein gerechteres Steuersystem ist!)

Frau Bundesministerin! Ich sage Ihnen: Es ist ein unseliger Kampf, den Sie führen, indem Sie den Klassenkampf auf dem Rücken der Mütter und der Kinder weiter betreiben. Lassen Sie das bleiben! (Heiterkeit des Bundesrates Eisl.  – Bundesrat Meier: Das ist kein Ton, Herr Bundesrat!)

Bei Ihrer Politik und der Ihrer Genossin und Kollegin Prammer hat man den Eindruck, daß Frauen mit Kindern und ohne Arbeit Minderwertigkeitskomplexe haben müßten. Das ist nicht notwendig! Sie tragen sehr viel zu unserem Staat bei – nicht Sie als Ministerin! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Leichtfried. )

Vielleicht ist Ihr politisches Agieren der stille Schrei der Frustrierten – das ist möglich, mehr kann ich dazu nicht sagen.

Frau Bundesministerin! Treten Sie für Frau, Kind und Familie ein und nicht für abstruse gesellschaftliche Vorbilder, die Schiffbruch erlitten haben! Es lebe die Familie! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Heiterkeit des Bundesrates Eisl. )

18.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Meier. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrat Mag. Gudenus: Jetzt geht er hinaus und schimpft auf mich! – Ich bin aber wirklich in Rage gekommen! Meine ganze Rede habe ich verwerfen können!)


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18.19

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Hoher Bundesrat! Ich möchte mich zuerst in aller Sachlichkeit dagegen verwahren, daß man Scheidungsprobleme, die Probleme der jeweils Betroffenen sind, mit diesem Thema verquickt – wen immer es trifft.

Herr Mag. Himmer! Das hat damit nichts zu tun, und ich möchte es in dieser Debatte – vor allem in der Form, in der Sie es dargestellt haben: daß sozusagen nur die einen die nicht so Ordentlichen seien – nicht miteinbezogen haben.

Ich möchte auch zu Herrn Bundesrat Gudenus etwas sagen. Ich finde, es ist keine Art, eine Frau Ministerin in der Art und Weise, wie Sie es getan haben, anzusprechen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: Dann soll sie hier keine Schwimmübungen machen, sondern ins Amalienbad gehen! – Bundesrätin Mühlwerth: Dann soll sie uns nicht lächerlich machen!) – Es kann jeder Redner, jeder Bundesrat seine Meinung zu den Problemen höflich ausdrücken, auch wenn sie gegensätzlicher Art ist. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. )

Zur Sozialdemokratischen Partei möchte ich sagen, daß man uns nicht vorwerfen kann, daß wir gegen die Familie seien, so wie das hier angeklungen ist. (Bundesrat Mag. Gudenus: Für die Familie sind Sie aber nicht, Kollege Meier!)  – Wir sind auch für die Familie. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sieht man aber nicht!)

Frau Kollegin! Ich fange bei mir selbst an: Ich heiße Erhard Meier, bin Hauptschullehrer, habe drei Kinder – das darf man auch sagen. Meine Frau war zu Hause, hat für diese drei Kinder gesorgt, hat also keine öffentlichen Mittel gebraucht. In den Kindergarten sind sie ab vier, fünf Jahren gegangen, wie das so üblich ist. Glücklicherweise konnte ich mir all das leisten, auch die Ausbildung der älteren Tochter. Das konnte ich mir leisten. (Bundesrätin Mühlwerth: Leisten! Genau darum geht es!)

Herr Mag. Himmer! Sie werden sich das Gott sei Dank auch leisten können. Ich kenne Ihre Verhältnisse nicht, ich meine das nur ganz allgemein. Auch Herr Minister Bartenstein kann es sich Gott sei Dank leisten. (Bundesrat Mag. Himmer: Wir reden nicht von uns! – Bundesrätin Mühlwerth: Wir reden von denen, die es sich nicht leisten können!)  – Jawohl, über diese reden wir auch.

Bei all den sozialen Errungenschaften – Sie werden doch nicht abstreiten, daß die Sozialdemokratie seit ihrem Bestehen sehr viel zur Verbesserung der sozialen Situation beigetragen hat (Bundesrätin Mühlwerth: Das bestreite ich aber schon!)  – will man nun jedem sozusagen alles geben, was er sich wünscht.

Ich nenne ein Beispiel: Herr Landtagsabgeordneter Schützenhöfer in der Steiermark hat mindestens 1 000 Euro – weil das eine schöne Zahl ist – als Mindestlohn gefordert. Ich stimme ihm sofort zu, 13 000 S sind ohnehin sehr wenig, aber es muß eben jemand bezahlen. Wenn wir unsere gesellschaftlichen Schichten betrachten, wenn wir das Gewerbe, die Industrie betrachten, dann muß man sich fragen: Wer zahlt den FLAF? – Jeder jammert darüber, daß er ihn bezahlt.

Gott sei Dank haben wir jetzt einen Überschuß, und da erhebt sich die Frage, was mit diesem Geld geschehen kann. Von mir aus kann man soundso viel Ecu Mindestlohn und soundso viel Mindestarbeitslosengeld zahlen und für ein Kind mindestens soundso viel tausend Schilling, egal, ob mit Scheck, in bar oder sonst irgendwie, aber wir müssen einsehen: Wir, die Gesellschaft, müssen das bezahlen und dürfen nicht immer jammern und verlangen, daß jeweils der andere das zahlen soll.

Es heißt zwar, der Staat soll das zahlen, aber wir wollen ihm auf der anderen Seite weniger Steuern geben, damit dieses Geld in der Wirtschaft und damit im Umlauf bleibt. Auf diesen Punkt muß die Diskussion ausgerichtet sein.


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Eine Vorwahlzeit ist sicher keine gute Zeit, um dieses Thema zu behandeln. Aber auch ich kann mich, wenn ich populistisch sein will, in die Reihe jener stellen, die auf den verschiedensten Gebieten einfach alles fordern. Meine Damen und Herren! Auch wir wollen, daß die Landwirtschaft mehr bekommt, auch wir wollen dem Bundesheer mehr geben! Wir wollen ... (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. ) – Ja, überall, Herr Kollege Missethon!

Wenn ich mich jetzt bei all diesen Forderungen sozusagen hinten anstelle und sie bejahe, dann werden Sie sagen: Herr Bundesrat Meier! All das auf einmal zu erfüllen, ist nicht möglich! – Daher muß auch gerade die Diskussion beim Karenzgeld um diesen Punkt gehen. Ich sehe durchaus ein, daß auch eine Bäuerin, eine Studentin oder eine Angehörige einer anderen Gruppe, die jetzt aufgrund des geschichtlichen Entstehens des bisherigen Karenzgeldes eben kein Karenzgeld bekommt, ein solches bekommen soll. Aber sind Sie nicht sehr oft auch der Meinung und stellen die Forderung auf, daß wir als Staat nicht jedem gleichviel geben sollten, etwa auch jenen nichts geben sollten, die es nicht unbedingt brauchen?! (Bundesrat Dr. Tremmel: Da geraten die Kinder unter die Räder, Herr Kollege Meier!)

Ich meine, in dieser Richtung müssen wir eine Lösung finden, und dazu ist die Politik aufgerufen, das gilt es zu verwirklichen. Regierende Parteien werden eine andere Meinung dazu haben als Oppositionsparteien, aber hier so zu tun, als ob die einen die schlechteren Familienunterstützer wären und die anderen sozusagen die besseren, ist nicht richtig. Das stimmt nämlich nicht!

Die Frau soll die Möglichkeit haben, ihren Arbeitsplatz einzunehmen. Viele gerade der Weniger-Verdienenden brauchen das, um ihren Lebensstandard überhaupt erhalten zu können, und sie werden wahrscheinlich früher eine Kinderbetreuungseinrichtung oder eine Tagesmutter in Anspruch nehmen müssen als jemand anderer. In diesem Bereich muß man also eine Lösung finden.

Glauben Sie nicht auch, daß wir, wenn wir über dieses Thema sprechen, überlegen sollten, ob wirklich jeder diese 6 000 S – ich möchte damit nur eine Zahl, die gerade in Diskussion steht, nennen – braucht? – Denken Sie bei der Erfüllung berechtigter sozialer Forderungen bitte auch daran, wie wir die Mittel gerecht aufteilen können, wie wir den Ärmsten, denen, die es am dringendsten brauchen, helfen können und wie wir all das im Hinblick auf das Staatsganze finanzieren können.

Dies sind die Kriterien, um die es in dieser Diskussion gehen sollte, und ich hoffe, daß wir trotz der teilweise aggressiven Stimmung, die hier aufgetreten ist, einen Weg finden, um uns diesen Kriterien – aber es gibt sicherlich auch noch andere wichtige – anzunähern und zu einer zufriedenstellenden Lösung zu kommen! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.26

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Martin Bartenstein das Wort. – Bitte.

18.26

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Herr Bundesrat Drochter hat eine konkrete Frage an mich gerichtet respektive von mir genannte Zahlen in Zweifel gezogen. Zum einen, sehr geehrter Herr Bundesrat: Ich habe ... (Bundesrat Drochter: Nicht in Zweifel gezogen, sondern ...!)

Ich habe hier ausdrücklich gesagt, daß auf Basis des Standes 1997 weniger als 10 000 Kinder respektive ihre Eltern keinen oder nur einen teilweisen Karenzgeldanspruch hatten und daß es nach heutiger Einschätzung im Jahre 2000 – darauf bezieht sich die Berechnung für das Karenzgeld für alle – maximal 8 500 solcher Kinder respektive deren Eltern in Österreich sein werden.

Diese Zahl ist eine Obergrenze. Ich rechne, daß wir eher darunter liegen werden, weil der Geburtenrückgang der Jahre 1997 und 1998 weit über den Erwartungen liegt. Es ist innerhalb


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dieser beiden letzten Jahre mit einem Geburtenrückgang von 10 Prozent zu rechnen, und das hat natürlich Auswirkungen auf die dann fälligen Karenzgeldzahlungen.

Diese Zahlen habe ich genannt. Herr Bundesrat Drochter! Ich möchte Ihnen eine weitere Zahl nennen. Vielleicht ist diese Zahl nicht nur für Sie, sondern auch für andere Kollegen und anderen Stellen in Wien von Interesse. Man kommt bei einer durchschnittlichen Karenzgeldzahlung in der Höhe von 5 600 S pro Monat und einer tatsächlichen Karenzgeldzahlungsfrist von 16 Monaten – weil zwei Monate, teilweise sogar etwas mehr, unter die Wochengeldzahlung fallen; das wird gemeinhin vergessen – und unter Hinzurechnung eines 40prozentigen Sozialversicherungszuschlages – selbstverständlich haben wir das miteinberechnet, Herr Bundesrat, das können Sie mir schon glauben! – auf Kosten in der Höhe von insgesamt 125 000 S brutto pro Karenzgeldbezieherin. Ich wiederhole: 125 000 S!

Jetzt aber zu Ihnen, Herr Bundesrat. Sie selbst haben davon gesprochen, daß zusätzlich 10 000 Elternteile einen Karenzgeldanspruch bekommen würden und daß Sie dabei auf eine Zahl von 1,8 oder 2 Milliarden Schilling kommen. – Das kann nicht stimmen, weil sogar 10 000 mal 125 000 nur einen Betrag von 1,25 Milliarden ergäbe.

Das ist aber nicht die einzige Zahl, die heute ungeklärt im Raume steht. Der Herr Finanzminister kommt nämlich – zumindest nach Aussage des "Standard", und das wurde heute nicht dementiert – beim Karenzgeld für alle in der derzeitigen Höhe, also ohne eingerechnete Valorisierung, gleich auf Mehrkosten von 2,7 Milliarden Schilling. – Also ich bitte doch, konsistent zu bleiben und nachvollziehbare Zahlen auf den Tisch zu legen! Für mich sind diese Zahlen im Moment nicht nachvollziehbar. – Ich bedanke mich, Herr Präsident! (Beifall bei der ÖVP.)

18.30

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel das Wort. – Bitte.

18.30

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wenn man die Debatten Revue passieren läßt, die Argumente pro und kontra hört, dann müßte man eigentlich der Meinung sein, daß es in Österreich tatsächlich ein sehr famlienfreundliches Klima gibt.

Ich möchte aber nun die Realität darstellen. Daß die Nettoreproduktionsrate 1,4 Kinder auf 1 000 beträgt und der Bevölkerungsrückgang nur dadurch wettgemacht wird, daß die Lebenserwartung – Gott sei Dank – höher geworden ist, daß wir eine erhebliche Zuwanderung haben und die Bevölkerungszahl nur so gehalten werden kann, ist die eine Seite.

Die andere Seite, die heute nicht angeklungen ist, ist die Tatsache, auf die etwa Caritas-Präsident Küberl aufmerksam macht. Er sagt, 1,2 Millionen Menschen in Österreich, vor allem Familien mit Kindern, leben unterhalb der Armutsgrenze! (Bundesrat Dr. Böhm: Beschämend!)

Meine Damen und Herren! Das ist konträr zu dem sogenannten familienfreundlichen Klima! Es stimmen in diesem Bereich die Parameter nicht, auch wenn man es so darstellt. Sie stimmen einfach nicht, wenn man die Gegensätze betrachtet. Hauptpunkt: Die Koalition kann sich nicht auf ein Modell einigen, das zum Inhalt hätte, endlich die Gleichbehandlung herbeizuführen. Jedes Kind soll doch gleichviel wert sein, soll uns das höchste Gut sein, das unser Staat hat!

Eine Kollegin von mir hat hier das Frauenwahlrecht angeschnitten und erzählt, wie das seinerzeit erkämpft worden ist. Dieses Recht ist auch für alle gleich. Da hat es auch keine Differenzierung gegeben. So sollten wir es auch in diesem Punkt halten. (Bundesrat Meier: Das ist nicht vergleichbar!)

Bitte nehmen Sie doch Abschied von diesen Kasterln, davon, die Förderungswürdigkeit sozusagen in unterschiedliche Kasterln einzuteilen! Ein Kind wird gefördert, eine Familie wird gefördert, ein anderes Kind, eine andere Frau wird nicht gefördert, weil sie möglicherweise mitarbeitende Unternehmersgattin ist. Das ist zutiefst ungerecht! Die Sozialdemokratie – ich muß diesen


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Appell vor allem an Sie richten –, die in vielen Bereichen für die Gleichbehandlung eingetreten ist, tritt hier für eine Differenzierung ein, die nicht gerechtfertigt ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deswegen ist es wohl der erste und wichtigste Schritt in Richtung Gleichbehandlung, zu sagen: Karenzgeld für alle. Der nächste Schritt sollte sein: Kinderbetreuungsscheck für alle, die darauf Anspruch haben. Das wäre einer der Parameter, die man festschreiben sollte.

Meine Damen und Herren! Das nächste: Es ist auch über die Pensionswürdigkeit gesprochen worden. Es ist doch zum Beispiel selbstverständlich, daß eine Kindergärtnerin, die Kinder erzieht, eine Pension bekommt. Auch das wurde schon von Kollegin Mühlwerth gesagt. Wenn die Kindererziehung außer Haus geschieht, dann ist der Anspruch selbstverständlich. Nur wenn man es zu Hause macht, dann hat das weniger großen Wert. Auch das wäre anzupassen.

Ein weiterer Schritt, Frau Bundesministerin, wäre, zu überlegen, was man tut, wenn heute eine Mutter etwa sagt: Ich nehme zu meinen drei Kindern vielleicht noch eines dazu, um es zu Hause zu erziehen, im "Nest" zu erziehen, damit es die Familienfreundlichkeit kennenlernt. Das wäre vielleicht auch eine Möglichkeit.

Es wurde weiters davon gesprochen – ich halte das hier ausdrücklich fest –, daß die Familie sehr wohl hochgehalten wird. Ich frage Sie: Wie fühlt sich die Familie? – Ich bin auch Familienvater. Ich darf auch sagen, daß ich drei Kinder habe und daß meine Frau die Kinder erzogen hat. Arbeiten mußte sie auch. Ich habe große Achtung vor ihr, weil sie wahrscheinlich doppelt so viel geleistet hat wie ich, weil sie ihren Beruf ausgeübt hat, daneben auch noch als Hausfrau tätig war und die Kinder großgezogen hat.

Aber wenn ich zum Begriff Familie komme, Herr Kollege Meier, dann muß ich sagen, natürlich ist viel geschehen, aber überlegen Sie doch auch, wie man sich als Familie fühlt, wenn beliebige Lebensgemeinschaften der Familie gleichgesetzt werden. Ich möchte diese Gemeinschaften – Homosexuellen-Ehen oder dergleichen (Bundesrat Meier: Das steht nicht zur Diskussion!)  – nicht diskriminieren, aber bitte fragen Sie sich doch: Wie fühlt sich eine Familie angesichts dessen? Wie fühlt sich eine Frau, die Kinder aufzieht, wenn sie mit diesen Bereichen gleichgestellt wird?

Die Wertigkeit der Familie muß doch in jedem Bereich – egal, ob steuerlich, sozial oder ökonomisch – in den Vordergrund gestellt werden! Es muß wieder Freude machen, Kinder zu haben. Es muß wieder Freude machen, Kinder aufziehen zu können – für uns alle, für den gesamten Staat. Dann ist Österreich wieder familienfreundlich.

Meine Damen und Herren! Diese Parameter vermisse ich. Ich vermisse im Vorschlag der Koalition – darin geht es eher um steuerliche Details – etwa auch, daß die Wertigkeit der Familie richtig herausgestellt wird. Das wäre unsere Aufgabe, dann würden wir auch wieder genügend Kinder in unserem Land haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ramsbacher und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Einführung des Kinderbetreuungsschecks vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag ist abgelehnt.


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Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Haunschmid und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend angemessene pensionsrechtliche Berücksichtigung familiärer Verpflichtungen vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit.

Der Antrag ist abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme nun die Verhandlung zur Tagesordnung wieder auf.

Wir setzen die Verhandlungen über die Tagesordnungpunkte 5, 6 und 7 fort.

Zu Wort gelangt als erster Redner Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. – Bitte.

18.37

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich komme jetzt zu Punkt 6 der Tagesordnung zurück und werde zum Waldbericht 1996 sprechen.

Der nunmehr für das Jahr 1996 vorliegende Waldbericht dokumentiert die große Bedeutung des Waldes für unser Land. Der Wald in Österreich sichert vielen Menschen direkt und indirekt ihr Einkommen. Er produziert den natürlichen Zukunftsrohstoff Holz, er bietet Schutz vor Lawinen, Hochwasser, Steinschlag, Erdrutschen und anderen Gefahren. Er ist die grüne Lunge unseres Landes. Er ist unser wichtigster Erholungsraum und ist mitverantwortlich für die gute Qualität unseres Trinkwassers. Gerade in diesem Bereich sind wir in Europa auch führend.

Unserem Herrn Bundesminister Mag. Molterer und seinem Team ist es wieder gelungen, einen umfassenden Bericht über den Zustand des österreichischen Waldes, über die wirtschaftliche Lage der Forst- und Holzwirtschaft, über die Wildbach- und Lawinenverbauung, über die forstliche Raumplanung, über die internationalen Agenden der heimischen Forstwirtschaft und über die Beeinträchtigung des Waldes durch Wild- und Weidevieh vorzulegen. Es wurde heute schon etliches darüber gesagt.

Der sehr informative Textteil des Waldberichtes wird durch eine umfangreiche Tabellensammlung unterstützt. Der österreichischen Forstwirtschaft steht durch die österreichische Waldinventur ein gutes Instrument zur Kontrolle des Waldzustandes zur Verfügung. Diese Waldinventur wird im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft durch die Forstliche Bundesversuchsanstalt durchgeführt. Auch das muß heute erwähnt werden. Weltweit werden wir um die Güte dieses wichtigen Kontroll- und Informationsinstruments beneidet.

Die Ergebnisse der letzten Waldinventur 1992 bis 1996 zeigen, daß Österreich mit einer Waldfläche von 3 924 Millionen Hektar – das sind rund 46,8 Prozent unserer Landesfläche – nach Slowenien das am dichtesten bewaldete Land in Mitteleuropa ist. Im Schnitt der letzten Jahre hat die Waldfläche jährlich um rund 7 700 Hektar zugenommen, und zwar durch die natürliche Wiederbewaldung und die Aufforstung im Schutzwald und auf ehemalig landwirtschaftlich genutzten Flächen. Auf diesen Waldflächen werden laut Waldinventur jährlich rund 19,5 Millionen Vorratsfestmeter Holz genutzt. Das sind nur 71 Prozent des jährlichen Zuwachses von 27,3 Millionen Vorratsfestmetern und nur rund 2 Prozent des stehenden Holzvorrates.

Die Nachhaltigkeit der Holzproduktion ist somit im österreichischen Wald zweifelsfrei gegeben. Die Zahlen zeigen auch, daß die Nutzung des Holzes im österreichischen Wald durchaus noch gesteigert werden könnte, ohne daß damit die Nachhaltigkeit gefährdet wäre.


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Durch die Nutzung dieses zusätzlichen Holzpotentials könnten die Rundholzimporte der heimischen Holzwirtschaft eingeschränkt werden und die Stellung von Holz als natürlicher Energieträger verbessert werden. Für die energetische Nutzung des Holzes könnten vor allem die Durchforstungsreserven von 64,5 Millionen Vorratsfestmetern verwendet werden.

Die österreichische Forstwirtschaft arbeitet auch kleinflächiger und naturnäher, als allgemein angenommen wird. Mehr als zwei Drittel der Holznutzungen entfallen auf Verjüngungs- und Pflegehiebe, Räumungen sowie kleinflächige Nutzungen.

Im österreichischen Wald ist der Anteil der Nadelbäume wegen des Überwiegens der Bergregionen schon von Natur aus entsprechend hoch. Nachdem in der Vergangenheit der Nadelholzanteil durch das Einbringen von Fichten und Kiefern erhöht wurde, wurden seit den siebziger Jahren der Anteil der Mischbaumarten und der Anteil der natürlichen Verjüngung kontinuierlich erhöht. Die österreichische Forstpolitik wird sich weiter bemühen, Anreize zur Fortsetzung dieses für den heimischen Wald so positiven Trends zu schaffen. Auch die zukünftigen Förderungsmodelle der EU werden hier wichtige Impulse setzen.

Positiv ist, daß in den letzten Jahren seitens der Bundesregierung schon große Anstrengungen zur Sanierung der Schutzwälder getätigt wurden. So wurden im Berichtsjahr 1996 für die Stabilisierung der Schutzwälder insgesamt 328 Millionen Schilling, davon beinahe zwei Drittel aus Bundesmitteln, aufgewendet. Ein Großteil der Geldmittel wird dabei für sogenannte Integralprojekte – das sind flächenwirtschaftliche Projekte – eingesetzt, die österreichweit 20 800 Hektar Schutzwald sowie angrenzende, den Schutzwald beeinträchtigende Gebiete umfassen.

Wirtschaftlich gesehen war das Berichtsjahr 1996 kein gutes Jahr für die österreichische Forst- und Holzwirtschaft. Niedrige Holzpreise zu Beginn des Jahres und hohe Schadholzmengen infolge massiver Schneebrüche haben eine ungünstige Ausgleichssituation geschaffen. Durch diese Rahmenbedingungen konnte der Durchschnitt der österreichischen Forstbetriebe trotz vermehrter Anstrengungen zur Kostenrationalisierung in jenem Jahr keine schwarzen Zahlen schreiben.

Erfreulicherweise hat sich die wirtschaftliche Situation im Folgejahr 1997 wieder etwas entspannt. Durch die verbesserte Absatzsituation auf den internationalen Schnittholzmärkten, durch die Erschließung neuer Märkte für unser Holz – so gingen im Jahre 1997 fast 10 Prozent der Schnittholzexporte nach Japan – und durch den nach wie vor steigenden Inlandsabsatz konnte das Preisniveau für Sägerundholz angehoben werden.

Gute Holzpreise sind eine wichtige Basis für erfolgreiches Wirtschaften im österreichischen Wald. Die österreichischen Forstbetriebe selbst haben in den letzten Jahren vermehrte Anstrengungen zur Senkung ihrer Kosten und im Marketingbereich unternommen und somit das Ihrige zur Zukunftssicherung beigetragen. Nur wirtschaftlich gesunde und in geeigneten Rahmenbedingungen arbeitende Forstbetriebe und Bauernwälder – wobei ich aber auch die Österreichische Bundesforste AG als Forstbetrieb bezeichnen möchte – sind ein Garant für die Erhaltung des Waldes mit all seinen positiven Wirkungen.

Es ist ein Irrglaube, daß durch eine großflächige Außernutzungstellung des österreichischen Waldes positive Effekte für den Wald und die Volkswirtschaft entstehen. Nur der von den Eigentümern und deren Mitarbeitern bewirtschaftete Wald, verbunden mit der Nutzung des Rohstoffes Holz, kann in Zukunft alle Waldfunktionen erfüllen. Für bestimmte Teilbereiche kann Bewirtschaftung auch Außernutzungstellen heißen. Ich möchte dabei auf das großartige Naturwaldzellen-Projekt von Minister Molterer hinweisen, bei dem unter Einbeziehung der Grundeigentümer besonders wertvolle Waldgesellschaften nachhaltig geschützt werden.

Holz ist ein bedeutender Rohstoff in Österreich und in Europa. Er ist der Baustoff schlechthin und einer der Energieträger der Zukunft. Zusätzliche Potentiale liegen noch in Österreich und Europa. Dies hat uns für Österreich der vorliegende Waldbericht aufgezeigt. Ohne Gefährdung der Nachhaltigkeit der Wälder ist genug Holz vorhanden.


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Die Forst- und Holzwirtschaft ist nach dem Fremdenverkehr die zweitwichtigste Devisenbringerin für unser Land. Die Forst- und Holzwirtschaft sichert vor allem strukturschwachen Gebieten wichtige Arbeitsplätze. Durch den vermehrten Einsatz von Holz im Baubereich und als Energieträger können weitere Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen ist auch eines der wichtigsten Ziele der Europäischen Union. Dabei dürfen wir die Arbeit nicht als ein teilbares Gut sehen. Es ist ein Irrglaube, daß vorhandene Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung auf mehrere Arbeitskräfte aufgeteilt werden kann. Diese Rechnung funktioniert in der Praxis nicht.

Wir müssen vielmehr Arbeit und damit auch Einkommen als ein vermehrbares Gut sehen. Der Wald mit seinen vielfältigen Wirkungsbereichen und die damit verbundenen Wirtschaftszweige, Holzwirtschaft, Energiewirtschaft und Tourismus, könnten beispielgebend für diese neuen Überlegungen der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik sein. Im Sog eines wirtschaftlichen und ökologisch gesunden Waldes können bei entsprechenden Rahmenbedingungen neue Arbeitsplätze in den beschriebenen Wirtschaftszweigen entstehen, und die Wirtschafts- und Lebenskraft im ländlichen Raum können gestärkt werden.

Wir von der Politik sind aufgerufen, dem Wald und dessen Eigentümern, der Wirtschaft und den Arbeitnehmern die entsprechenden Rahmenbedingungen zur Umsetzung dieser ehrgeizigen Ziele zu geben.

Wir stimmen dem Waldbericht 1996 mit Freude zu. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

18.47

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Johann Grillenberger das Wort. – Bitte.

18.47

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn wir diese drei Berichte der heutigen Tagesordnung diskutieren, so muß ich sagen, es handelt sich, wie ich meine, um eine hervorragende und übersichtliche Zusammenstellung von Zahlen und Vergleichen, die von Ihrem Ressort, Herr Bundesminister, gut aufbereitet wurde. Ein Kompliment Ihren Mitarbeitern!

Der Grüne Bericht gibt einen sehr detaillierten Überblick über die Entwicklung der Agrar- und Ernährungswirtschaft, er analysiert die Produktions- und Marktverhältnisse. Wie man diesem Bericht entnehmen kann, ist das Einkommensniveau unserer Landwirte in den letzten Jahren nicht gestiegen. Es hat stagniert, und im Vorwort zum Grünen Bericht, Herr Minister, beschreiben Sie die Einkommensentwicklung als angespannt.

Meine Damen und Herren! Aus dem Bericht geht auch hervor, wie die Verteilung der Agrarfördermittel, die notwendig sind, um eine flächendeckende Landwirtschaft in den unterschiedlichsten Strukturen in unserem Land zu erhalten und zu gewährleisten, abgewickelt werden kann. Ich glaube, man sollte bei der Agrarförderung nicht nur die Flächenförderung forcieren, sondern auch die Arbeitsmarktsituation der Arbeitskräfte und die Anzahl der Beschäftigten in den bäuerlichen Betrieben berücksichtigen und vielleicht die Förderung dementsprechend auf die Beschäftigungszahl abstimmen.

Es wird in dem Bericht auch ansatzweise die zukünftige Entwicklung der Agrarwirtschaft mit vielen Perspektiven und Alternativen angesprochen. Die derzeitige Diskussion um die Agenda 2000 ist eine Chance für die Zukunft der Landwirtschaft, wenn man mit den Betroffenen einige Korrekturen in der Agenda vornimmt. Ich glaube, diese stehen zurzeit in Verhandlung, und dann wird es tatsächlich eine Chance für die Landwirtschaft geben.

Meine Damen und Herren! Der Waldbericht spiegelt einen Zustandsbericht wider, der allerdings schon älter als zwei Jahre ist – das wurde heute schon des öfteren angesprochen –, und zeigt sich in der Situation wie in den Jahren zuvor, nämlich mit zunehmenden Waldflächen und zunehmenden Holzvorräten, die meiner Meinung nach auch eine Chance für die zukünftige


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Waldbewirtschaftung und für neue Erwerbsquellen für unsere Forstbauern sein werden und sein können.

Es gibt doch neue innovative und technologische Bereiche, in denen man auch die Energienutzungsmöglichkeiten punkto unseres Waldes sehr nutzen kann. Ich glaube, das wird sehr forciert und ist auch für die Zukunft eine große Chance für unsere Waldbauern.

Dennoch zeichnet dieser Waldbericht kein positives Bild des Gesamtzustandes des Waldes – das wurde heute auch schon von Ihnen, Herr Minister, angesprochen. Die Problematik der Luftverunreinigung ist noch immer nicht zufriedenstellend gelöst. Auch das Problem Wildverbißschäden, das in allen Bundesländern vorherrscht und das in diesem Bericht sehr ausführlich aufgezeigt wird, konnte nicht hinreichend gelöst werden.

Der Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1999 zeigt eine Möglichkeit eines Weges auf, der unsere Landwirtschaft in das nächste Jahrtausend weisen kann.

Meine Fraktion wird allen drei Berichten die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall der Bundesräte Dr. Liechtenstein und Lukasser. )

18.52

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Leopold Steinbichler das Wort. – Bitte.

18.52

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zu Beginn meiner kurzen Rede zum Grünen Bericht den Dank an die freiwillig buchführenden Bauern richten, die die Grunddaten für diesen hervorragenden Bericht zur Verfügung gestellt haben. Mein Dank geht auch an die Beamten des Landwirtschaftsministeriums, die diesen Bericht – wie schon öfters erwähnt – sehr übersichtlich gestaltet haben.

Natürlich wäre es besser, wenn er zu einem aktuelleren Zeitpunkt diskutiert hätte werden können beziehungsweise es möglich gewesen wäre, ihn zeitgerechter zu diskutieren. Herr Minister! Aber du hast heute schon erklärt, daß dieser Wunsch an die Präsidiale zu richten wäre.

Auf die Ergebnisse werde ich später noch zu sprechen kommen. Ich darf aber vorweg vielleicht die Einlage des Herrn Kollegen Gudenus, diesem Mißgeschick, das ihm mit angeblich handgefertigten Schokoladeschweinchen einer Bäuerin, die eigentlich aus industrieller Produktion stammten, passiert ist, ein weiteres Beispiel hinzufügen. Ähnlich ergeht es immer wieder der AK, der Arbeiterkammer, bei Kontrollen auf Bauernmärkten. Medial werden immer wieder "großartige" Ergebnisse präsentiert, wenn man aber Rückfrage hält, bei welchen Bauernmärkten die Proben genommen wurden, kommt man bald drauf, daß es meistens ganz übliche Handelsmärkte und Wochenmärkte gewesen sind, bei denen sich Händler mit dem Federchen "Bauernmarkt" auf dem Hut einen Preisvorteil erkaufen beziehungsweise einen solchen erringen wollten.

Ich glaube, sehr wesentlich bei dieser Diskussion – ich höre bei Versammlungen sehr oft einen sehr billigen Vergleich hinsichtlich der Bedeutung der Landwirtschaft – ist folgendes: Da sehr oft über die Bedeutungslosigkeit des offenbar nur noch 4,5 bis 5 Prozent hohen Anteils der bäuerlichen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung gesprochen wird, verwende ich gerne den Vergleich mit einem Getriebe.

In einem Getriebe ist es egal, wie groß das Zahnrad ist, das bricht. Auch wenn das kleinste bricht, dann kommt das Getriebe zum Stillstand. Ich bin nicht der Meinung, daß die Landwirtschaft das kleinste Zahnrad ist, aber ich bin der Überzeugung, daß sie eines der wichtigsten Zahnräder ist. Wenn man mit durchschnittlich 154 000 Beschäftigten die Kaufkraft, die in der Landwirtschaft besonders für den ländlichen Raum eine große Bedeutung hat, in den Mittelpunkt stellt, dann wird einem diese Bedeutung schon bewußter.


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Manche haben in den vergangenen Tagen über den neuen Euro-Manager Stronach geschimpft, weil er betreffend Steyr-Werke anscheinend einige Versprechen nicht eingehalten hat. Ich denke, es sind weniger die Versprechen des Herrn Stronach, die dort zu Kündigungen führen, sondern es sind die ersten Ansätze der schlechten Preissituation in der Landwirtschaft. Hoffentlich bleibt es bei den Ansätzen, und es bedarf keiner weiteren Beispiele.

Ich weiß, was es heißt, wenn Bauern bei ihren Investitionen zu überlegen beginnen. Es gab in letzter Zeit sehr oft sogar Witze darüber, daß die Bauern übermechanisiert seien. Sie wurden von Leuten beschimpft, die gar nicht wußten, daß die Bauern mit ihrer Übermechanisierung ihren Arbeitsplatz gesichert haben. Für mich persönlich macht es einen Unterschied, wenn ein Bauer einen Traktor erwirbt, diesen selbst bezahlen muß, dafür hart arbeitet und damit die heimische Wirtschaft unterstützt. Das ist mir lieber, als er würde als Arbeitnehmer in den Urlaub ins Ausland fliegen.

Ich denke, das sind die wesentlichen Ansätze, die man berücksichtigen muß, wenn man über Subventionen schimpft, die keine sind, sondern die Ausgleichszahlungen sind, die die Bauern für Preisverluste, die sie in den letzten Jahren erlitten haben, bekommen. Ich glaube, das ist der wesentliche Unterschied in der Diskussion, der manchmal bewußt fälschlich dargestellt wird. Wenn man das Geld, das die Bauern bekommen, als Ausgleich in der Investitionskraft berücksichtigt, dann kann man sagen, es gibt genug Zahlenmaterial – diesbezüglich könnte man einige Statistiken anführen –, das belegt, welche Wirkung dieses Geld in der regionalen Wirtschaft, in den vor- und nachgelagerten Bereichen tatsächlich hat.

Die schwierige Preissituation wurde bereits einige Male angesprochen. Ich möchte auf das sehr aussagekräftige Beispiel mit der Wurstsemmel verweisen. Eine Wurstsemmel kostet zwar mehr als ein Kilogramm Schweinefleisch, aber ich darf doch auch anmerken, daß man hinsichtlich der aktuellen Krise auf dem Schweinemarkt nicht vergessen darf, daß im Rinderbereich durch die BSE-Krise nach wie vor starke "Nachwehen" gegeben sind. Auch im Rinderbereich – der Preis für ein Kilo Rindfleisch macht aktuell 13 S aus – stellt sich die Situation nicht so rosig dar, wie sie manchmal sogar von Branchenkollegen dargestellt wird. Ich glaube, da ist Fairneß geboten, und auch dort sind die wirtschaftlichen Voraussetzungen nach wie vor sehr hart.

Ein paar Worte zur Agenda 2000: Es ist sehr wesentlich, daß es, wenn es im Zuge der Agenda-Verhandlungen zu Preiskürzungen kommt, zu garantierten Ausgleichszahlungen derselben kommt, weil wir aus den oben angeführten Gründen diese Ausgleichszahlungen nicht nur zur Sicherung der bäuerlichen regionalen Landwirtschaft, sondern auch zur Sicherung der Wirtschaftskraft des ländlichen Raumes benötigen.

Eines möchte ich schon festhalten: Es wird oft über Abschaffung der Milchkontigentierung diskutiert. Ich glaube, wir als österreichischer Staat – und Minister Molterer an der Spitze – sind Vorreiter, die sich für eine Beibehaltung der Milchkontigentierung, der Milchquote einsetzen. Wir sollten auch überlegen, in allen anderen Produktionsbereichen und Produktionssparten ebenfalls Mengenreglements zum Schutz der bäuerlichen Landwirtschaft einzuführen. Es gibt diese zum Teil bei den Rinderprämien, und für den Schweinebereich wäre sicherlich die Anwendung der Nitratrichtlinie ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Es wurde heute noch gar nicht angesprochen – es wurde aber manchmal in den Zeitungen schon vorweg heftige Kritik geübt –, daß der EU-Vorsitz Österreichs nicht genutzt worden wäre. Ich möchte auch hier Gegenteiliges behaupten. Im Zuge des Agrarministertreffens in St. Wolfgang fand eine Exkursion statt. Einer der Besichtigungspunkte mit den Agrarministern war der Bezirk, in dem ich wohne, nämlich der Gerichtsbezirk Mondsee. Dort konnte Minister Molterer seinen Agrarministerkollegen aus den 14 anderen EU-Staaten und den Journalisten – ich glaube, das ist das Wesentliche, denn es war ein informeller Agrarministerrat – auf dem Hof der Familie Leireuther ein eindrucksvolles Bild dieser alpinen österreichischen, bäuerlichen Landwirtschaft vermitteln. In den Gesichtszügen der Agrarminister und Journalisten konnte man ablesen, daß diese von den gebotenen Bildern tief beeindruckt waren, als sie sahen, daß in dieser herrlichen Landschaft am Mondsee, an diesen steilen Hängen ein Hof derart bewirtschaftet wird wie von der Familie Leireuther, nämlich Viehhaltung in Kombination mit Urlaub auf


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dem Bauernhof. Das ist ein ganz wesentlicher Zweig in der bäuerlichen Vermarktung, weil nicht nur Quartiere vermietet werden, sondern auch sehr viel Direktvermarktung in Form von besten Qualitätsprodukten im Lebensmittelangebot betrieben wird.

Eines – das muß ich sagen – hat mich äußerst betroffen gemacht und schmerzlich berührt. Ich bin dafür, daß man eine wohldosierte Tierschutzdebatte führt. Als ich aber beim Agrarministertreffen in Mondsee die Proteste gesehen und gehört habe, habe ich geglaubt, ich habe schlecht geschlafen, oder ich träumte. Auch dort, in dieser herrlich unberührten Naturlandschaft, sind die Berufsdemonstrierer um Herrn Tierarzt Plank aufgetreten und haben gegen Massentierhaltung demonstriert.

Sie haben als Beruf Tierschützer angegeben. Gerade diese Berufsdemonstranten mißbrauchen meiner Ansicht nach dieses wichtige Diskussionsforum des Tierschutzes und diffamieren durch diesen Medienpopulismus meine Berufskollegen, die in einer bäuerlichen Landwirtschaft täglich ihren Mann und ihre Frau stellen, auf das ärgste. Ich fürchte, daß diese Leute der Sache insgesamt einen ganz schlechten Dienst erweisen und zur Demotivation besonders der jungen Hofübernehmer und der jungen Bäuerinnen und Bauern sehr beitragen.

Ich darf in diesem Zusammenhang den Begriff ÖPUL einmal buchstabieren und erklären, da diese Schlagwörter, die wir immer gebrauchen, für viele Kolleginnen und Kollegen vielleicht gar nicht das aussagen, was wir hinüberbringen wollen. Er bedeutet: Österreichische Programme für Umweltleistungen. Ihre Erfolge wurden schon von meinen Vorrednern erwähnt. Ich darf darauf hinweisen, daß in Folge des ÖPUL-Programmes zirka ein Drittel der Mineraldünger eingespart wurde und daß die Stichprobenmessungen – auch die in Oberösterreich von Wasser-Landesrat Achatz – tatsächlich spürbare Verbesserungen nachweisen. Diese Erfolge sollten unbedingt in den Vordergrund gestellt werden, da gerade das Wasser – ich habe darüber schon einmal gesprochen – ein Zukunftsthema ist, um das wir uns in unserem Bezirk durch die Einrichtung einer Fachhochschule verstärkt bemühen wollen, weil es gerade in unserem Bezirk sehr viele Firmen und Industrieunternehmen gibt, die sich schon seit Jahren mit diesem Thema beschäftigen.

Ich darf noch einen kurzen Seitenblick auf die Arbeit der Landwirtschaftskammern werfen. Als Kammerobmann möchte ich ebenfalls ein Beispiel aus der Praxis einbringen, Herr Kollege Rodek hat heute bereits von einem reumütigen F-Obmann erzählt. Ich kann folgendes berichten: Diese fachlich gute und qualifizierte Arbeit der Kammern wird generell anerkannt. Wir werden nur manchmal von den Kollegen der Opposition, besonders von den Freiheitlichen natürlich, sehr kritisiert. Wenn dann allerdings am nächsten Morgen derselbe, der des Nachts in der Sitzung noch sehr kritisiert hat, einer der ersten ist, der sich beraten läßt, dann bestätigt mir das, daß die Kritik eher populistisch und nicht fachlich war. Ich bin überzeugt davon, daß die Bauern diese fachliche Beratung, diese fachliche Unterstützung, die sie täglich in Anspruch nehmen können, tatsächlich zu schätzen wissen. Wir sind gut beraten, diese auch weiterhin zum Schutz unserer Bauern zu forcieren.

Ein Punkt, der heute schon angesprochen wurde, ist das Konsumverhalten. Herr Kollege Gudenus hat darauf hingewiesen. Ich darf jedoch darauf verweisen, daß zwar das Konsumverhalten natürlich entscheidend ist, ich bin aber überzeugt davon, daß man es in der Diskussion nicht in einen falschen Zusammenhang bringen darf, nämlich als würden die Bauern nicht ohnehin schon Qualität produzieren. Wir haben gerade auch in der Bio-Nische Vermarktungsprobleme, es wird dort bereits mehr produziert, als wir letztlich vermarkten können. Ich bin der Meinung, daß wir einmal Studien über das Konsumverhalten in Auftrag geben sollten – diesbezüglich wäre die Frau Konsumentenschutzministerin gefordert –, wie sich zum Beispiel das Konsumverhalten der Pflichtschüler verändert. Gehen Sie einmal zur Mittagszeit in einen Supermarkt, und schauen Sie, was die Schüler zu Mittag konsumieren. Erdäpfelchips und Cola waren früher nicht die "Mittagsmahlzeit" unserer Kids.

Da wäre meiner Ansicht nach bei vernünftiger Ernährung anzusetzen. Ich darf auch meinen Aufruf, den ich schon anläßlich des Berichtes zur Tourismus- und Freizeitwirtschaft gemacht habe, wiederholen: Wir müssen besonders beim Konsumverhalten auch die Partnerschaft der


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Gastronomie einfordern, damit in erster Linie regional produzierte Qualitätsprodukte verarbeitet und angeboten werden.

Noch etwas zur Sozial- und Urlaubssituation in den bäuerlichen Betrieben mit Viehhaltung. Wir haben in den letzten Tagen einige – unter Anführungszeichen – "tragische" Bilder von eingeschneiten Urlaubern gesehen, die uns der ORF präsentiert hat. Mein Mitleid hat sich in Grenzen gehalten, denn man wird es schon aushalten, nach 14 Tagen Urlaub noch drei Tage auf das Nach-Hause-Fahren zu warten. Aber es hat noch niemand dargestellt, was es heißt, wenn man Viehhaltung betreibt, bei diesen Witterungsbedingungen, bei diesen Temperaturen täglich frisches Futter zu bereiten, bei diesen Voraussetzungen und diesen Temperaturen täglich dafür zu sorgen, daß die Wasserleitungen nicht zufrieren, daß die Tiere frisches Wasser bekommen, und dann noch die tägliche Arbeit zu leisten – all das nicht fünf Tage in der Woche, sondern sieben Tage in der Woche, und zwar den ganzen Winter lang. Im Sommer ist es bei den umgekehrten Temperaturen dasselbe. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall der Bundesrätin Haunschmid. )

Ich glaube, man müßte auch von seiten der offiziellen Berichterstattung, des ORF, neben dem großen "Urlauberleid" auch manchmal den Blick auf die Realität in der Land- und Forstwirtschaft richten! Für die Schneeräumdienste ist es gemacht worden.

Ich darf noch auf die Punkte der § 7-Kommission hinweisen – erneuerbare Energie, Vorsteuerpauschale, Sockelbetrag –, die an und für sich alle schon angesprochen wurden. Sehr interessant ist auch die Empfehlung für das Jahr 1998 betreffend Erfassung und Darstellung des Arbeitseinsatzes in der Land- und Forstwirtschaft. Ich denke, das sind sehr interessante Punkte, die bereits agrarpolitisch eingefordert wurden.

Ganz kurz noch einige Anmerkungen zum Waldbericht. Herr Kollege Liechtenstein hat schon das Wesentliche gesagt. Zu den Umweltschäden, den Verbißschäden ist zu sagen, daß es gerade mit der Festlegung der Abschußpläne durch die regionalen Bezirksjagdausschußkommissionen gelungen ist, eine sehr gute Verbindung zur Praxis herzustellen und damit sehr praxisgerechte Abschußpläne zu erstellen, da mit den Weiserflächen vor Ort die praktische Kontrolle möglich ist. Ich denke, das hat sich in der Praxis sehr gut bewährt. Aber es ist unfair, bei Verbißproblemen, bei Schälproblemen, bei Fegeproblemen stets sofort immer nur von zu hohem Wildbestand und nicht über die Wildbeunruhigung zu sprechen, die durch vermehrte Freizeittätigkeiten immer häufiger verursacht wird.

Eine kurze Anmerkung zur Situation bei den Tannen: Natürlich ist hauptsächlich die Tanne durch die Verbißschäden gefährdet. Es muß aber auch erwähnt werden, daß es ein Riesenproblem bei der Vermarktung der Tanne gibt. Man müßte einmal dafür sorgen, daß der Preis der Tanne mit jenem der Fichte gleichzieht. Sie ist beim Verkauf nach wie vor um zirka 100 bis 150 S billiger als die Fichte. Ich glaube, auch das ist ein großes Handikap.

Außerdem ist noch die Gmundner Resolution zu erwähnen, welche anläßlich einer hervorragenden internationalen Tagung in Gmunden unter der Leitung unseres Landwirtschaftsministers erfreulicherweise beschlossen wurde. In dieser wurde die Förderung der nachwachsenden Energie festgeschrieben und eine 2prozentige Beimischrate von Biosprit vorgeschlagen. Ebenfalls sollte man überlegen, die Durchforstungsrückstände, die in den Wäldern vorhanden sind, über die zusätzliche Errichtung von Hackschnitzelheizungen verstärkt zu vermarkten, sodaß sinnvolle Energiekreisläufe geschlossen werden.

Zuletzt möchte ich noch sagen: Wir sollten, wie heute vom Minister bereits erwähnt wurde, nicht immer vom Ende der Landwirtschaft reden – mir kommt das so vor wie bei einigen "Propheten" im Sektenbereich, die immer wieder vom Weltuntergang sprechen, der regelmäßig oder unregelmäßig alle zehn Jahre stattfindet (Bundesminister Mag. Molterer: Und nie kommt!) und nie kommt –, sondern unseren Bauern Mut für die Zukunft machen. Das ist kein Zweckoptimismus, da ich davon überzeugt bin, daß eine funktionierende Landwirtschaft einen wesentlichen Bestandteil einer funktionierenden Volkswirtschaft darstellt. Die österreichischen Bauern decken für


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die Österreicher und Österreicherinnen täglich den Tisch, deshalb hat die Gesellschaft auch dafür zu sorgen, daß unsere Bauern eine gesicherte Zukunft vor sich haben.

Unter diesen Voraussetzungen werden wir, wie gesagt, diesem vorliegenden Bericht seitens unserer Fraktion die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.09

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile ihm das Wort.

19.09

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Verehrte Damen, geschätzte Herren! Es liegt nun bereits der dritte Grüne Bericht nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union vor. Angesichts der Tatsache, daß ein Jahr vor dem Beitritt noch darüber diskutiert wurde, ob es den Grünen Bericht nachher noch geben werde, darf es den Herrn Minister und seinen Stab sehr freuen, daß der Grüne Bericht drei Jahre danach von allen Fraktionen so positiv bewertet wird. Denn die Lage der Landwirtschaft alljährlich in Zahlen und Worten darzustellen, ist Aufgabe der Politik und des Ministeriums, da der Standort bestimmt werden muß. Wer nicht weiß, wo er steht, der weiß auch nicht, wo er herkommt, und der weiß schon gar nicht, wo er hin will.

Der Grüne Bericht ist daher jetzt nach dem Beitritt genauso wichtig wie vor dem Beitritt zur Union. Wer wie ich, obwohl nicht stimmberechtigt, seit Jahren in der § 7-Kommission, die den Grünen Bericht erstellt, sitzt, weiß, welch ungeheures Pensum an Arbeit die Beamten dort leisten, um die nach dem Gesetz rechtzeitige Vorlage des Grünen Berichtes jährlich zu gewährleisten. Vor allem – das muß ich sagen – gebührt Herrn Ministerialrat Dr. Gerhard Poschacher, dem Vorsitzenden der § 7-Kommission, Dank und Anerkennung. Er hat eine ungeheure Aufgabe, fast Sisyphusarbeit, zu bewältigen, nämlich alle Vertreter aller Parteien, die im Parlament sitzen, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, und ich weiß, das ist eine schwere Aufgabe.

Eine besonders schwere Aufgabe ist es auch, den jeweiligen Vertreter der Freiheitlichen zur Zustimmung zu bewegen. Daher überrascht es mich heute, daß die Freiheitlichen diesen Grünen Bericht ablehnen, obwohl ihr Vertreter in dieser Kommission, der sehr viel Zeit in Anspruch nimmt und ein heftiger und kräftiger Diskutant ist – das soll auch so sein –, dem Grünen Bericht in seinen Absätzen zugestimmt hat. Hier aber bleibt diesem Gesamtwerk aller Parteien die Zustimmung von einer Fraktion versagt. Das finde ich doch ein bißchen eigenartig.

Wir haben in der Landwirtschaft – das ist unbestritten – viele Probleme. Ich möchte nur eine Schiene aufzeigen, nämlich den Biolandbau. 20 000 und mehr Betriebe haben diese Schiene angenommen, diverse Unterstützungsprogramme sind vorhanden. Eine Frage steht aber im Raum: Kann dieser Bereich noch wachsen? – Schön langsam kristallisiert sich eine klare Antwort heraus: Bedauerlicherweise nein! – Denn wenn die Nachfrage ausbleibt, produziert man in diesem Bereich am Markt vorbei. Und wenn es nicht möglich ist, die höheren Kosten im Biolandbau auch durch höhere Preise hereinzubringen, ist die Antwort darauf schon gegeben.

Zweitens, so glaube ich, steckt auch dahinter, daß die Qualität aller österreichischen landwirtschaftlichen Produkte, auch jener, die nach herkömmlichen Methoden erzeugt werden, außergewöhnlich hoch ist. Wir haben im Ausschuß auf meine Frage hin darüber diskutiert, welche Möglichkeiten es gäbe und welche Maßnahmen Österreich setzen könnte, um landwirtschaftliche Produkte, die vor allem aus dem Osten und Süden, aber auch aus Übersee importiert werden, auf Pflanzenschutzmittelrückstände und ähnliches zu kontrollieren und nötigenfalls auch zurückzuweisen. Die Antwort, die ich bekommen habe, war für mich und für alle anderen Anwesenden sehr ernüchternd, denn in Wirklichkeit muß man sich auf die Angabe der Herkunftsländer und der Kontrolle der Zollbehörden beschränken.

Was wir tatsächlich tun können und was bleibt, ist, den Konsumenten stets und ständig auf die höchste Qualität österreichischer landwirtschaftlicher Produkte aufmerksam zu machen.


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Weiters möchte ich, ohne die Zeit allzu lange in Anspruch zu nehmen, noch auf folgendes hinweisen: Heute wurde mehrmals angesprochen, daß das bäuerliche Einkommen bereits zu 67 Prozent aus öffentlichen Mitteln, aus Ausgleichszahlungen, aus Förderungsmitteln der Ökologisierung und von Umweltprogrammen zustande kommt. Das Problem, das ich darin sehe, ist, daß die Schere zwischen Subventions- und Förderungsmitteln einerseits und den Markterträgen andererseits noch weiter aufgeht, schlußendlich die Öffentlichkeit die Akzeptanz versagen könnte und die Gesellschaft auseinanderbricht. Meines Erachtens ist jene Zeit vorbei, als Leistungen der Land- und Forstwirtschaft vom Rest der Gesellschaft gratis, das heißt umsonst, in Anspruch genommen werden konnten.

Ich denke, Sie alle wissen, wovon ich spreche. Gepflegte Kulturlandschaften, gesundes Wasser, saubere Erholungsräume sind wir gewohnt. Aber welche Leistungen erbringt die Gesellschaft demjenigen, der sie herstellt?

Programme wie ÖPUL 1995 und auch das kommende Programm 2000 bedeuten Ansätze und beste Voraussetzungen dafür, daß unsere Landschaft gepflegt bleibt. In vielen Punkten des ÖPUL 2000 besteht bereits Einhelligkeit, ihr eigentliches Ziel ist es, die Effizienz des Programmes aus 1995 noch zu steigern. Dennoch ist noch eine Reihe von Punkten offen. Ich möchte an die sozialdemokratische Fraktion appellieren, in jenen Bereichen, für die die Zustimmung noch aussteht, dafür zu sorgen, damit dieses Programm insgesamt beschlossen werden kann. Es fehlt auch noch die Finanzierungszusage, es gibt noch keinen Konsens bei der Spreizung der Prämien im Bio-Bereich und dergleichen mehr. Dieses Programm muß rasch beschlossen und dann umgesetzt werden.

Nun zu den Empfehlungen der §-7-Kommission. Seit 1995/1996 wurden die Empfehlungen immer wiederholt. Zum vorliegenden Bericht hat es eine heftige Debatte darüber gegeben, ob diese alten Empfehlungen noch einmal einhellig beschlossen werden könnten. Es wurde intensiv diskutiert, und die Empfehlungen wurden Gott sei Dank wieder beschlossen. Denn es ist eine berechtigte Forderung der Land- und Forstwirtschaft, den pauschalierten Mehrwertsteuersatz von 10 auf 12 Prozent anzuheben. Wenn der ländliche Raum, wenn die Land- und Forstwirtschaft in Österreich eine Zukunft haben soll, dann müssen wir die Produktion erneuerbarer Energien vorantreiben – Sie wissen, was ich darunter verstehe – und den gesamten Bereich abdecken. Es gilt auch, über die Frage der bäuerlichen Sozialversicherung nachzudenken. All dies sind alte Empfehlungen aller in der Kommission vertretenen Parteien – denn alle Parteien, die im Parlament vertreten sind, haben in der §-7-Kommission Sitz und Stimme. Daher frage ich mich, warum es in der Umsetzung oft so lange dauert. Ich meine, wir sollten diesbezüglich ein bißchen schneller arbeiten.

Ein weiteres Problem, das ich unbedingt ansprechen möchte, ist die Situation in den vor- und nachgelagerten Betrieben – der Fleischverarbeitung, der Milchverarbeitung, in den landwirtschaftlichen Genossenschaften. Wir finden derzeit die Situation vor, daß dort viele unselbständige Arbeitsplätze vernichtet werden, weil sich die Strukturen und Rahmenbedingungen ganz gewaltig geändert haben. Es ist an der Zeit, diese Frage in Angriff zu nehmen und ihr mehr Augenmerk zu widmen. Damit muß auch gesichert werden, daß der gesamte ländliche Raum, der zum Teil auch der strukturschwächere Raum ist, nicht ausblutet. Denn eine zunehmende Urbanisierung schafft nur neue Probleme in Hinsicht auf Verkehr und ähnlichem und kostet Geld. Daher ist es besser und vernünftiger, diese Finanzmittel vorher in den ländlichen Raum zu investieren.

Da ich nun einige Probleme erwähnt habe, möchte ich auch noch auf etwas Positives hinweisen, und zwar auf die Situation der Weinwirtschaft. Dort ist es besser gelaufen, als vor dem EU-Beitritt gedacht wurde. Wir sollten trotz der gegenwärtigen Tendenz zur Selbstvermarktung die Winzergenossenschaften nicht vergessen, denn sie sind der Bogen, der sich über die vielen kleinen Betriebe spannt. Diesen sollten wir die Kellerwirtschaft abnehmen, sodaß wir höchste Qualität in großen Mengen auf den internationalen Märkten anbieten und damit in diesem Bereich im internationalen Wettbewerb bestehen können.


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Darum geht es schlußendlich in der gesamten Wirtschaft und auch in der Land- und Forstwirtschaft. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

19.19

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Berichte erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1997, Grüner Bericht 1997.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1996.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1999 gemäß § 9 Abs. 2 Landwirtschaftsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

8. Punkt

Wahl eines Ersatzmitgliedes Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung: Wahl eines Ersatzmitgliedes Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates.

Vom Bundesrat ist anstelle des bisherigen Ersatzmitgliedes Frau Dr. Susanne Riess-Passer ein Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates zu wählen.

Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch lautet. Da nur ein Wahlvorschlag vorliegt, hat gemäß § 56 Abs. 1 der Geschäftsordnung die Abstimmung durch Handzeichen oder Aufstehen zu erfolgen, wenn nicht die Durchführung der Wahl mittels Stimmzettel verlangt wird.

Wird die Durchführung der Wahl mittels Stimmzettel verlangt? – Dies ist nicht der Fall.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem von mir bekanntgegebenen Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.


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Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch ist somit als Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates gewählt. – Ich wünsche Ihnen, Herr Bundesrat, für diese Aufgabe viel Erfolg.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Besprechung der Anfragebeantwortung 1445/AB

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zur Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 1445/AB an den Herrn Bundesminister für Inneres auf die Anfrage 1563/J.

Die Anfrage und die dazu gehörende Anfragebeantwortung sind allen Bundesräten zugegangen.

Bevor ich das Wort erteile, mache ich darauf aufmerksam, daß gemäß § 60 Abs. 5 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile es ihm.

19.22

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Wir haben die Durchführung einer Besprechung Ihrer schriftlichen Anfragebeantwortung 1445/AB-BR/99 verlangt, um die darin angefragte Überwachung der linksextremen Szene dazu zu verwenden, Sie über einen konkreten Bereich, nämlich die PKK und deren politische Aktionen in den letzten Tagen, zu fragen und Sie, Herr Minister, zu ersuchen, Ihre politische Beurteilung der Lage darzulegen. – Wir haben dies heute im Rahmen der Tagesordnung leider schon vergeblich versucht.

Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir erleben in den letzten Tagen europaweit beängstigende Vorfälle im Rahmen der Auseinandersetzung der Kurden mit der türkischen Republik. Auch Österreich war und ist laufend von diesen Unruhen und Übergriffen betroffen, und es hat sich gezeigt, daß Ihre Sicherheitskräfte, Herr Bundesminister, durch die Ereignisse eigentlich auf der ganzen Linie überrascht worden sind und daß sich die Lage von Tag zu Tag zunehmend verschärft.

Diese europaweiten Übergriffe, Herr Bundesminister, kurdischer Gruppen haben uns gezeigt, daß wir es hier mit einer durchorganisierten, klar hierarchisch gegliederten und eigentlich kampfkräftigen Truppe zu tun haben, der die Sicherheitskräfte europaweit augenscheinlich über weite Strecken hilflos gegenüberstehen, beziehungsweise – das ist auch ein Eindruck, den man hat – scheinen Sie gar nicht die Absicht zu haben, energisch durchzugreifen.

Wie kann es denn sein, Herr Minister, daß ein Großteil dieser Aktivisten nach Beendigung ihrer Aktionen quasi unbehelligt bleibt, obgleich es hier auch zu Delikten wie Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Nötigung und ähnlichem gekommen ist? Wie kann es, Herr Bundesminister, dazu kommen, daß sich ein Abgeordneter der Grünen in die Amtshandlungen der Behörde einmischt? Welche Beziehung, Herr Bundesminister, hat Ihre Partei, die SPÖ, zur PKK, deren Geschäftsstellen eine besondere Anziehungskraft auf diese radikale Gruppe auszuüben scheinen? (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Herr Minister! Meine letzte Frage: Welche Maßnahmen planen Sie als zuständiger Ressortminister, um der zu erwartenden Eskalierung des Kurdenproblems wirkungsvoll entgegenzutreten? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus zu Wort gemeldet. – Bitte.

19.25

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mein Vorredner und Klubobmann hat die Fragen gestellt. Wir Freiheitlichen sind einigermaßen


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beunruhigt – umso mehr, als eine schriftliche Anfrage des ÖVP-Bundesrates Himmer betreffend Überwachung der linksextremen Szene vorliegt.

Es wird in der Beantwortung dieser Anfrage auf das "TATblatt" und das Druckwerk "Akin" hingewiesen und festgestellt, daß die endgültige Beurteilung hinsichtlich der strafrechtlichen Relevanz den Justizbehörden obliegt. Mit dieser Feststellung ist der Beantwortung natürlich ein bißchen ausgewichen worden, da ich davon überzeugt bin, daß Vertreter des Innenministeriums und auch Ihres Ministeriums hie und da miteinander sprechen, auch wenn es keine Anfrage gibt. Ich hoffe es zumindest.

Für uns ist jedoch aus Unterlagen erkennbar, daß die kurdischen Probleme, die es in Österreich und in Deutschland gibt, schon einen längeren Vorlauf haben. Es ist erstaunlich, daß die PKK in Deutschland verboten ist und das Zeigen ihrer Symbole auch unter Strafdrohung fällt.

Was uns auffällt, Herr Bundesminister, ist, daß Teile der Sozialdemokratie Österreichs enge Beziehungen zu kurdischen Gruppierungen haben. Es ist das einmal der internationale Sekretär der Sozialistischen Partei Österreichs, Karl Schramek, der öfters mit Vertretern der PKK zusammentraf. (Bundesrat Payer: Zweimal!)  – Wie oft? Zweimal? Wenn ich die Liste aufzähle ... (Bundesrat Konecny: Außerdem ist er Botschafter bei der OSZE seit zwei Jahren, aber das macht nichts!) – Auch Sie, Herr Kollege, sind ein Vertreter, der mit der PKK oder mit Kurdenvertretern zusammenkommt.

Es ist auffällig, daß eben jener Schramek mit der ERNK, einem Teil der PKK, und deren Vertreter Kani Yilmaz zusammentraf und internationale Gespräche geführt wurden. 1995 zum Beispiel hat sich Schramek im Rahmen der Sozialistischen Internationale gleich mit dem Führer der PKK Abdullah Öcalan getroffen. Weiters traf er sich mit Herrn Faysal Dunlayici, der mit anderem Namen auch Yilmaz heißt.

Wir erkennen, daß die PKK und die Kurden im zentral- und mitteleuropäischen Bereich ihre in der Türkei nicht mögliche Auseinandersetzung mit den türkischen Landsleuten fortsetzen. Das Glück ist für uns Österreicher, daß diese Auseinandersetzung hier nicht mit der Vehemenz stattfindet wie in der Bundesrepublik Deutschland. (Bundesrat Konecny: Warum?) – Möglicherweise, weil Sie und Schramek mit PKK-Personen vorher verhandelt haben. Wollen Sie das ausschließen? (Bundesrat Konecny: Nein, weil wir anders mit ihnen umgehen! Das ist eine Tatsache!)

Tatsache ist, daß sie hier nicht so gewalttätig waren, Tatsache ist aber weiters, daß diese Gewalttätigkeit vor wenigen ... (Bundesrat Konecny: Tut Ihnen das leid, oder was wollen Sie argumentieren?) Tatsache ist, daß diese Gewalttätigkeit trotzdem vor wenigen Tagen im Rahmen der Besetzung von einigen Botschaften auf Wiener Boden stattgefunden hat und hiemit sowohl das Gastrecht durch die PKK mißbraucht wurde als auch das Gastrecht der ausländischen Botschaften, die dem Schutz der Republik unterstellt sind, in Frage gestellt worden ist.

Ich weiß nicht, warum gerade Ihre Freunde von der PKK in die Bundeszentralstelle der SPÖ in die Löwelstraße eindrangen und Ihnen eine Demarche, einen Forderungskatalog überbrachten. Ich weiß auch nicht, warum die Exekutive mit den Demonstranten und den gewaltbereiten Eindringlingen, das heißt Hausfriedensbrechern, sehr nachsichtig umgegangen ist. (Bundesrat Payer: Sollen Sie miteinander raufen?)

In Deutschland wurde ebenfalls ein Parlamentarier der Grünen als Mittelsmann zwischen der Exekutive und den Kurden eingesetzt. Es ist auch in Deutschland festgestellt worden – ich bin überzeugt, Herr Bundesminister, Ihnen sind die deutschen Berichterstattungen geläufig –, daß übertriebene Aufmerksamkeit, Verständnis und Nachsicht und das Nicht-Anwenden der Gesetze für die Rechtssicherheit in einer Demokratie und in einem Staat wie der Republik Österreich besonders nachteilig sind.

Es ist mir unbegreiflich, warum die Anführer der PKK und deren Gliedergruppen so überraschend ausländisches Territorium innerhalb der Republik Österreich besetzen konnten, ohne


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daß die Staatspolizei wußte, wann diese Vorkommnisse stattfinden sollten – diese Staatspolizei, die sehr wohl genau weiß, welcher Österreicher hier im Saal die "Aula" oder den "Falter" liest, die also durchaus politisch motiviert ist, Österreicher gegen Österreicher auszuspielen, aber nicht in der Lage ist, ihre primäre Aufgabe zu erfüllen, nämlich ausländische Umtriebe von, gelinde gesagt, wenig demokratisch organisierten Ausländern zu überwachen. Das ist die erste Aufgabe der Staatspolizei: ausländische Organisationen ab einer gewissen Größenordnung, wenn sie sich schon fast als parastaatliche Organisation darstellen, zu überwachen.

Ich habe kein Verständnis für ausländische Organisationen in Österreich, die sich in Botschaften oder in anderen Parteilokalen grob eindringend gütlich tun, ebensowenig wie ich Verständnis dafür habe, daß an einem Freitag oder Samstag mittag die Opernkreuzung von den gleichen Organisationen nur deshalb für eine Demonstration mißbraucht wird, weil einer ihrer Gesinnungsfreunde in Innsbruck wegen Rauschgifthandels einsitzt. Das war vor wenigen Jahren.

Ich habe aber großes Verständnis für das Anliegen der Kurden in der Türkei, und ich verstehe nicht, daß der Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten heute nicht hierhergekommen ist und sich nicht dieser Aussprache gestellt hat. Denn die Aufgabe des Bundesministers für Äußeres wäre es, einen zukünftigen EU-Staat darauf hinzuweisen, daß Minderheiten in einem angeblich demokratisch geführten Staat einen gewissen Minderheitenschutz haben müssen, der sich zumindest in einer kulturellen und sprachlichen Autonomie ausdrückt und nicht dadurch, indem man leugnet, überhaupt ein Kurdenproblem zu haben.

Wir konnten vor wenigen Tagen in den Abendnachrichten kraft aktueller Geschehnisse hören, daß 3 000 kurdische Ortschaften in der Türkei vom Militär zerstört worden sind, daß dieses Militär zu einem Drittel nur zum Einsatz gegen eine innerstaatliche vermeintliche Bedrohung eingesetzt wird. Angesichts dessen wäre es nötig gewesen, die Meinung des ehemaligen Vorsitzenden des Europäischen Rates, des Außenministers Schüssel, zu diesem Thema hier zu hören. Es wäre interessant gewesen zu hören, was er diesbezüglich gemacht hat, ob er seinem türkischen Kollegen gesagt oder vielleicht nicht gesagt hat, daß Demokratie etwas anderes ist, als Leute, die nach Anerkennung lechzen, mit Panzern niederzuwalzen. Das ist ein Mißverstehen von Demokratie, welches noch lange nicht in der Europäischen Gemeinschaft Platz haben wird. Wir werden sehr dagegen auftreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Windholz. – Bitte.

19.35

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Geschätzter Herr Innenminister! Genau heute vor drei Monaten haben wir auch aufgrund einer dringlichen Anfrage der Freiheitlichen im Zusammenhang mit der Verhaftung Abdullah Öcalans in Italien über dieses Thema debattiert. Ich habe damals wortwörtlich gesagt: Aufgrund der Verhaftung des PKK-Führers Öcalan in Italien wird auf Österreich und besonders auf die Exekutivbeamten in Zukunft einiges zukommen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Leider ist all das in einem Umfang eingetroffen, der ausgesprochen besorgniserregend ist. (Bundesrat Konecny: Kollege Himmer! Sie stellen mir lange keine Anfrage mehr, wenn Sie so etwas auslösen!) Wenn Kollege Gudenus auch über die Behandlung der Kurden in der Türkei gesprochen hat, so darf auch ich hier klar feststellen: Wie die Türken mit Menschen, mit Minderheiten umgehen, das ist durch absolut nichts zu rechtfertigen. Man sollte jedoch nicht dem Trugschluß unterliegen, die PKK in irgendeiner Form zu verharmlosen oder zu verniedlichen.

Ich würde jedem empfehlen, sich den Staatsschutzbericht genau anzusehen. Dort ist angeführt, welche Ziele die PKK verfolgt. Im Jahre 1986 wurde das Manifest in deutscher Sprache herausgegeben. Ich zitiere daraus: Revolutionäre Gewalt muß sich in bewaffnetem Kampf, also militärischem Widerstand, ausdrücken. Unter der Führung einer politischen Organisation muß eine Volksarmee mit Frontausrichtung aus Arbeitern, Bauern, Handwerkern, Jugend und Frauen organisatorisch entwickelt werden. Illegale Strukturen sind aufgrund der Frontorientierung zwingend notwendig. Zur Verwirklichung ihrer Ziele baute die Partei einen streng hierarchisch


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gegliederten Organisationsapparat auf. Abdullah Öcalan ist unumschränkter Führer der PKK. – Zitatende.

Es werden dann auch Zahlen von 400 Aktivisten und 4 000 Sympathisanten in Österreich genannt.

Es gab schon einmal eine Terrorwelle. Es wurde am 4. November 1993 europaweit zeitgleich eine Anschlagswelle durchgeführt. In Wien wurden eine türkische Bank und in Innsbruck ein türkisches Reisebüro verwüstet. Die Täter wurden damals ausgeforscht, und es konnte festgestellt werden, daß die Organisation, welche sich unter anderem durch jährliche Spendenkampagnen finanziert, im Zuge dieser Geldbeschaffungsaktionen auch vor gewaltsamer Geldeintreibung und Erpressung nicht zurückschreckt.

In diesem Staatsschutzbericht ist auf Seite 15 unter dem Titel Linksextremismus zu lesen: In Österreich werden vor allem türkisch-kurdische Gruppen zumindest logistisch, vor allem im Computerbereich, unterstützt. Es kommt zur gegenseitigen Unterstützung bei Veranstaltungen. Gleich daneben ist auch das "TATblatt" zu sehen.

Herr Minister! Ich darf noch einige Jahre zurückgehen, weil ich glaube, daß damals falsch reagiert wurde. Am 18. Oktober 1994 stellte der Oberste Gerichtshof fest, daß es sich bei der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, und deren Unterorganisationen gemäß § 278a Abs. 1 Strafgesetzbuch um eine kriminelle Organisation handelt.

In Würdigung dieses Erkenntnisses des OGH wies in einer Information für den Innenminister der zuständige Ministerialbeamte des Innenministeriums darauf hin, daß am 16. März 1995 eine Unterorganisation der PKK, die ERNK, der politische Arm in Wien, ein Büro eröffnet habe. In diesem Zusammenhang muß darauf verwiesen werden, daß es sich bei der ERNK nach Ansicht des OGH um eine kriminelle Vereinigung nach § 278a Strafgesetzbuch handelt.

Aufgrund der starken politischen Komponente dieses Themas und den zahlreichen Verbindungen zu politischen Parteien und Funktionären wurde um eine Weisung im Gegenstand beziehungsweise eine Absprache des weiteren Vorgehens ersucht.

Ihr Amtsvorgänger, der damalige Innenminister Caspar Einem, hat am 21. April 1995 entschieden, daß hinsichtlich der ERNK keine Konsequenzen zu ziehen sind – erst dann, wenn es zu weiteren Anschlägen komme, die auf dieses Büro zurückgeführt werden könnten.

Ich glaube, das war ein gravierender Irrtum, eine gravierende Fehlleistung. Die Angehörigen der PKK haben sich offensichtlich für diese Weisung auch alljährlich bedankt, vor allem am 1. Mai beim Maiaufmarsch der SPÖ.

Wenn man sich jetzt vor Augen hält, wie hier reagiert wurde, dann muß man sagen, daß unsere Sicherheitsbehörden hintennachgehinkt sind, und zwar hinter dem grünen Abgeordneten Peter Pilz, der anscheinend weit früher informiert war, oder dem ERNK-Sprecher Polat.

Ich habe hier eine APA-Meldung vom 16. Februar 1999. Nach Angaben des ERNK-Sprechers Polat handelt es sich "um eine konzertierte Aktion, die von Kurden in ganz Europa rasch koordiniert worden war. ...

‚Die Kurden waren ja (am Montag) ab elf Uhr abend in ihren Vereinen‘, erläuterte Polat. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Nachricht von der Festnahme Öcalans in Kenia bereits herumgesprochen. ‚Sie haben die Planung in kürzester Zeit gemacht.‘"

Dienstag früh ging es los: dramatische Szenen in ganz Europa. Gegen 5 Uhr früh drangen 32 Aktivisten in die unbewachte griechische Botschaft in der Argentinierstraße ein, nahmen Botschafter Yennimatas, seine Frau und drei weitere Mitarbeiter als Geiseln. Wenig später belagerten bereits die Wega und zahlreiche andere Polizeikräfte, die teilweise für den Besuch des griechischen Staatspräsidenten abgestellt waren, die griechische Vertretung. Da es sich um


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exterritoriales Gebiet handelt, konnten die Beamten nicht zugreifen. Zwei kurdische "Beobachter" – unter Anführungszeichen – wurden aber festgenommen.

Dann stürmten um etwa 8.20 Uhr Kurden in das unbesetzte kenianische Konsulat in Wien Landstraße ein. Sie verschütteten Benzin im zweiten Stock, stapelten Autoreifen und drohten, das Gebäude anzuzünden.

Weiters kam es dann zur Besetzung mehrerer Parteizentralen. Wie Kollegen bereits ausgeführt haben, gibt es anscheinend einen Drang zu den SPÖ-Zentralen.

Der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Mag. Sika wurde von den "Salzburger Nachrichten" in etwa befragt: Werden die kurdischen Vereine beobachtet beziehungsweise überwacht? – Antwort: Ja, die Staatspolizei überwacht laufend.

Herr Minister! Wir können das nicht ganz glauben. Wir glauben eher, daß die Staatspolizei in diesem Land die Falschen überwacht – zum Beispiel "Aula"-Bezieher, über die man sehr genau Bescheid weiß, rechtschaffene Bürger, die von der Staatspolizei überwacht werden. Sie sollten jene überwachen, bei denen es sich im Hinblick auf Sicherheit lohnt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man hat hier schon des öfteren von Lauschangriff gehört. Polizeisprecher Major Bernhard Stiedry: "Die Exekutive ging davon aus, daß die Besetzer in der griechischen und der kenianischen Botschaft untereinander in Kontakt stehen. Sie könnten sich mit Handys verständigen, so Stiedry. Abgehört würden etwaige Gespräche aber nicht." – Ich frage mich: Warum?

Mittlerweile gibt es schon den ersten Exekutivbeamten, der auch beträchtlich verletzt wurde, und zwar als 70 PKK-Aktivisten in die UNO-City eindrangen. Ein Beamter der EBT – das ist die Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus –, der sich auf dem Areal aufhielt, wurde niedergetrampelt. Der Exekutivbeamte erlitt eine Gehirnerschütterung, Hautabschürfungen und Prellungen. Er wurde ins AKH eingeliefert. (Bundesminister Mag. Schlögl: Und eine Schulterluxation haben Sie vergessen!) Und eine Schulterluxation. Der Minister weiß Bescheid, wie es seinen Beamten geht.

Es wird jetzt die Frage sein, Herr Minister, wie Sie in Zukunft gegen solche Terroristen vorgehen. Wenn ich höre, daß die Konsequenz daraus ist, daß Haftverschonung gewährt wird, da in keinem Fall – als Begründung – Waffen gefunden wurden, und daß man mit einer Anzeige wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch zu rechnen hat, dann, so glaube ich, ist das die falsche Antwort. Das wäre ein Kniefall vor PKK-Terroristen. Das, was hier gemacht wurde, ist jedenfalls Freiheitsberaubung, und wir erwarten uns dagegen härtestes Vorgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

19.45

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesrat Mag. Himmer, dem ich heute diese Anfragebesprechung verdanke! Ich darf berichten, daß ich mich bemüht habe, gemeinsam mit meinen Beamten diese Anfrage des Herrn Bundesrates Himmer sehr ernsthaft, gewissenhaft und genau zu beantworten. Ich darf nochmals versichern, daß die österreichische Sicherheitsexekutive, die österreichische Staatspolizei mit ganzer Kraft und mit großem Augenmerk bemüht ist, die diversen Publikationen ständig zu beobachten und zu analysieren. Wir legen dabei sämtliche möglicherweise strafrechtlichen Passagen und Inhalte, die wir in den diversen Publikationen vorfinden, den Justizbehörden zur Beurteilung vor. Ich glaube, daß dies notwendig und wichtig ist.

Wir beobachten aber nicht nur die Publikationen, sondern die österreichische Sicherheitsexekutive beobachtet laufend sowohl die links- als auch die rechtsextremistische Szene in


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Österreich. Ich glaube, daß der Staatsschutzbericht 1997, der erstmals vorgelegt worden ist, auch sehr eindeutig und klar dokumentiert, daß die Exekutive gegen jede Form von extremistischen Entwicklungen und gegen jede Gewalttat mit Entschiedenheit vorgeht.

Die Analyse hat gezeigt, daß das Ziel linksextremistischer Gruppierungen offensichtlich die Beseitigung demokratischer Einrichtungen und die Durchsetzung und Verwirklichung einer anarchistisch geprägten Gesellschaft ist. Zur Verwirklichung ihrer Ziele setzen sie auch Gewaltakte gegen Personen und Sachen.

In Österreich konnten im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten bisher keine gezielten Anschläge gegen Personen festgestellt werden. Gewaltbereitschaft ist aber trotzdem auch bei einigen Demonstrationen, Kundgebungen und Aufrufen unter Beweis gestellt worden. Dabei richten sich die Aggressionen vor allem in den Publikationen gegen die österreichische Exekutive. Durch das besonnene und geschickte Vorgehen der österreichischen Exekutive konnte aber erreicht werden, daß es bei den bisherigen Aktivitäten zu keinen Gewaltakten größeren Ausmaßes gekommen ist.

Ich darf Ihnen versichern, daß wir auch in Zukunft alles daransetzen werden, daß durch die Arbeitsweise und durch den Einsatz der österreichischen Sicherheitsexekutive in schwierigen Situationen eine Deeskalation eingeleitet wird. Wir tun alles, um einen Gewaltverzicht zu erreichen, daß es zu keiner Spirale der Gewalt in unserem Lande kommt.

Wir lassen aber – das ist mir auch sehr wichtig, Herr Bundesrat Himmer – keinen Zweifel daran offen, daß Rechtsbrüche und besonders Gewaltakte mit allen demokratischen Mitteln des Rechtsstaates entschieden verfolgt und geahndet werden.

Österreich ist ein sicheres Land, und wir werden alles daransetzen, daß das demokratische Recht auf Versammlungsfreiheit auch in Zukunft gewahrt bleibt. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Dieses demokratische Recht auf Versammlungsfreiheit darf allerdings nicht in gewalttätige Ausschreitungen münden, und unsere Aufgabe als Sicherheitsexekutive und meine als verantwortlicher Innenminister ist es, alles zu tun, um Auslöser von Eskalation zu verhindern, alles zu tun, um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen. – Genau das, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir auch bei den aktuellen Ereignissen der letzten Tage in Österreich zu erreichen versucht.

Ich glaube, daß dieser Weg, den wir gegangen sind, ein Weg, der in der österreichischen Bundesregierung zwischen dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler und Außenminister, dem Innenminister und dem Justizminister abgesprochen worden ist, richtig war. Ich glaube, daß es falsch gewesen wäre, wenn wir diese beiden Botschaftsbesetzungen, aber auch kurzfristige Aufenthalte im ORF-Landesstudio Oberösterreich, in diversen Parteizentralen der SPÖ und der ÖVP zum Anlaß genommen hätten, um mit aller Schärfe und Härte vorzugehen.

Ich glaube, daß es richtig gewesen ist, von seiten der österreichischen Sicherheitsexekutive die Deeskalation in den Vordergrund zu stellen und nicht die Auseinandersetzung und den Versuch, in diesem Fall mit gewalttätigen Mitteln diese Besetzungen zu verhindern beziehungsweise entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Ich möchte aber auch klar sagen, daß die österreichische Sicherheitsexekutive auch in Zukunft bereit ist, diesen Weg, diesen Versuch der friedlichen Lösung der Besetzungen fortzusetzen, daß es aber gleichzeitig nicht möglich sein wird, daß wir weitere illegale Aktionen von kurdischen Aktivisten, von kurdischen Gruppierungen in Österreich dulden.

Wir haben uns bemüht, in den letzten Tagen die Probleme in Österreich mit diesen kurdischen Gruppierungen auf friedlichem Weg zu lösen. Unsere Bereitschaft, unsere Toleranz müssen aber auch Grenzen haben. Deshalb ist von der Seite der österreichischen Sicherheitsexekutive, aber auch von meiner Seite als Innenminister diesen Gruppierungen sehr klar mitgeteilt worden,


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daß wir in Zukunft nur mehr friedliche Demonstrationen, aber keine gewalttätigen Besetzungen oder Auseinandersetzungen akzeptieren und mit der notwendigen Härte und Konsequenz dagegen vorgehen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Trotz der Toleranz, die wir geübt haben, ist aber klar, daß Straftaten, die bei den beiden Botschaftsbesetzungen vor zwei Tagen begangen worden sind, von der österreichischen Sicherheitsexekutive auch den Justizbehörden angezeigt werden müssen. Wir haben das bereits getan. Am 17. Februar ist gegen 24 Personen wegen der Besetzung der Botschaft von Kenia eine Anzeige wegen des Verdachtes des Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung erfolgt, und am 17. Februar ist gegen 41 Personen wegen Verdachtes des Hausfriedensbruchs, der Sachbeschädigung und der Nötigung wegen der Besetzung der griechischen Botschaft Strafanzeige erstattet worden. Es ist nun Sache der österreichischen Gerichte, der österreichischen Justiz, die entsprechenden Ermittlungsschritte einzuleiten, allfällige Prozesse durchzuführen und allfällige Verurteilungen auszusprechen.

Ich kann Ihnen sagen, daß die österreichische Exekutive in den letzten Tagen besonnen und richtig gehandelt hat. Damit sind uns Auseinandersetzungen wie in vielen anderen europäischen Hauptstädten erspart geblieben, damit sind uns Tote erspart geblieben, damit sind uns Straßenschlachten zwischen der österreichischen Exekutive und Demonstranten erspart geblieben. Ich hoffe, daß dieser Weg richtig war und daß dieser Weg von der österreichischen Bevölkerung auch akzeptiert wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt elf Anfragen, 1571/J bis 1582/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 18. März 1999, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen neben der Wahl eines Ordners für den Rest des ersten Halbjahres 1999 jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, 16. März 1999, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 19.54 Uhr