Stenographisches Protokoll

651. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 18. März 1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

651. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 18. März 1999

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 18. März 1999: 9.03 – 15.58 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz geändert wird

2. Kooperationsübereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Italienischen Republik, dem Königreich Spanien, der Portugiesischen Republik, der Griechischen Republik, der Republik Österreich, dem Königreich Dänemark, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, Vertragsparteien des Schengener Übereinkommens und des Schengener Durchführungsübereinkommens sowie der Republik Island und dem Königreich Norwegen betreffend den Abbau der Personenkontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Erklärungen und Anlage

3. Protokoll zur Änderung der Artikel 40, 41 und 65 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985, unterzeichnet am 19. Juni 1990 in Schengen

4. Protokoll über den Beitritt der Regierung der Republik Finnland zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage

5. Übereinkommen über den Beitritt der Republik Finnland zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage

6. Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Dänemark zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage

7. Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 2

8. Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Schweden zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage

9. Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage

10. Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit und nach außergerichtlichem Tatausgleich (Diversion) in die Strafprozeßordnung eingefügt sowie das Jugendgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Strafvollzugsgesetz und das Bewährungshilfegesetz geändert werden (Strafprozeßnovelle 1999)

11. Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird

12. Bundesgesetz über die Errichtung des Bezirksgerichts Leopoldstadt und die Änderung der Zuständigkeiten der Bezirksgerichte Floridsdorf und Donaustadt (5. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien)

13. Bundesgesetz über Änderungen des Handelsgesetzbuchs, des Bankwesengesetzes, des Wertpapieraufsichtsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes betreffend die Anwendung international anerkannter Rechnungslegungsgrundsätze bei Konzernabschlüssen – Konzernabschlußgesetz (KonzaG)

14. Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird

15. Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Mexikanischen Staaten andererseits samt Anhang und Schlußakte

16. Bundesgesetz über die Wirtschaftstreuhandberufe (Wirtschaftstreuhandberufsgesetz – WTBG)

17. Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

18. Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird

19. Bundesgesetz, mit dem das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 – JWG geändert wird (Jugendwohlfahrtsgesetz-Novelle 1998)

20. Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird

*****

Bundesrat

Schreiben der Ersten Präsidentin des Wiener Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat 10

Angelobung des Bundesrates Dr. Ferdinand Maier 10

Mandatsverzicht der Bundesräte Ing. Walter Grasberger, Friedrich Hensler, Johann Ledolter, Engelbert Schaufler, Alfred Schöls und Mag. Karl Wilfing 10


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 3

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates 79

Angelobung der Bundesräte Engelbert Schaufler, Friedrich Hensler, Ing. Walter Grasberger, Mag. Karl Wilfing, Alfred Schöls und Johann Ledolter 80

Personalien

Entschuldigungen 10

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 43

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 42

Ausschüsse

Zuweisungen 43

Fragestunde

Bundesministerium für Landesverteidigung 11

Ludwig Bieringer (1009/M-BR/99); Ferdinand Gstöttner, Ernest Windholz

Dr. Michael Ludwig (1003/M-BR/99); Ulrike Haunschmid, Ilse Giesinger

Dr. Reinhard Eugen Bösch (1016/M-BR/99); Peter Rodek, Karl Drochter

Wolfram Vindl (1010/M-BR/99); Irene Crepaz, Dr. Paul Tremmel

Erhard Meier (1004/M-BR/99); Ulrike Haunschmid, Leopold Steinbichler

Dipl.-Ing. Hannes Missethon (1011/M-BR/99); Erhard Meier, Engelbert Weilharter

Mag. John Gudenus (1017/M-BR/99); Franz Richau, Johann Payer

Irene Crepaz (1005/M-BR/99); Dr. Paul Tremmel, Wolfram Vindl

Peter Rodek (1012/M-BR/99); Hedda Kainz, Monika Mühlwerth

Karl Drochter (1006/M-BR/99); Dr. Paul Tremmel, Ludwig Bieringer

Leopold Steinbichler (1013/M-BR/99); Erich Farthofer, Dr. André d’Aron

Ernest Windholz (1018/M-BR/99); Dr. Vincenz Liechtenstein, Erich Farthofer

Dr. Vincenz Liechtenstein (1014/M-BR/99); Johann Grillenberger, Mag. John Gudenus

Ferdinand Gstöttner (1007/M-BR/99); Dr. Peter Harring, Wolfram Vindl

Franz Richau (1015/M-BR/99); Hedda Kainz, Dr. Reinhard Eugen Bösch

Dr. Paul Tremmel (1019/M-BR/99); Mag. Michael Strugl, Albrecht Konecny

Verhandlungen


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 4

(1) Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wachbediensteten-Hilfeleistungsgesetz geändert wird (1591/NR sowie 5880/BR d. B.)

Berichterstatter: Peter Rodek 43

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ferdinand Gstöttner 44

Franz Richau 44

Ernest Windholz 45

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 45

Gemeinsame Beratung über

(2) Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Kooperationsübereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Italienischen Republik, dem Königreich Spanien, der Portugiesischen Republik, der Griechischen Republik, der Republik Österreich, dem Königreich Dänemark, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, Vertragsparteien des Schengener Übereinkommens und des Schengener Durchführungsübereinkommens sowie der Republik Island und dem Königreich Norwegen betreffend den Abbau der Personenkontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Erklärungen und Anlage (1420 und 1592/NR sowie 5881/BR d. B.)

(3) Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Protokoll zur Änderung der Artikel 40, 41 und 65 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985, unterzeichnet am 19. Juni 1990 in Schengen (1421 und 1593/NR sowie 5882/BR d. B.)

(4) Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Protokoll über den Beitritt der Regierung der Republik Finnland zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage (1422 und 1594/NR sowie 5883/BR d. B.)

(5) Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt der Republik Finnland zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage (1423 und 1595/NR sowie 5884/BR d. B.)

(6) Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Dänemark zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage (1424 und 1596/NR sowie 5885/BR d. B.)

(7) Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schritt


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 5

weisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage (1425 und 1597/NR sowie 5886/BR d. B.)

(8) Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Schweden zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage (1426 und 1598/NR sowie 5887/BR d. B.)

(9) Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage (1427 und 1599/NR sowie 5888/BR d. B.)

Berichterstatter: Peter Rodek 47

[Antrag, zu (2), (3), (4), (5), (6), (7), (8) und (9) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 48

Mag. Harald Repar 50

Dr. Vincenz Liechtenstein 51

Mag. John Gudenus 52

Dr. Paul Tremmel 54

Andreas Eisl 57

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2), (3), (4), (5), (6), (7), (8) und (9) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 58

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen betreffend weitere Entwicklung der Europäischen Union (Agenda 2000) 56

Ablehnung 59

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung 59

Gemeinsame Beratung über

(10) Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit und nach außergerichtlichem Tatausgleich (Diversion) in die Strafprozeßordnung eingefügt sowie das Jugendgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Strafvollzugsgesetz und das Bewährungshilfegesetz geändert werden (Strafprozeßnovelle 1999) (1581 und 1615/NR sowie 5875 und 5890/BR d. B.)

(11) Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird (1616/NR sowie 5876 und 5891/BR d. B.)

Berichterstatter: Ferdinand Gstöttner 61

[Antrag, zu (10) und (11) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Peter Böhm 61


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 6

Dr. Günther Hummer 64

Dr. Michael Ludwig 66

Dr. Paul Tremmel 68

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 69

Wolfram Vindl 71

Hedda Kainz 73

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (10) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 74


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 7

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (11) keinen Einspruch zu erheben 74

(12) Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung des Bezirksgerichts Leopoldstadt und die Änderung der Zuständigkeiten der Bezirksgerichte Floridsdorf und Donaustadt (5. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien) (1478 und 1628/NR sowie 5892/BR d. B.)

Berichterstatterin: Hedda Kainz 74


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 8

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Michael Ludwig 75

Dr. Paul Tremmel 76

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 76

Erhard Meier 78

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 79

(13) Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz über Änderungen des Handelsgesetzbuchs, des Bankwesengesetzes, des Wertpapieraufsichtsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes betreffend die Anwendung international anerkannter Rechnungslegungsgrundsätze bei Konzernabschlüssen – Konzernabschlußgesetz (KonzaG) (1576 und 1629/NR sowie 5893/BR d. B.)

Berichterstatterin: Hedda Kainz 81

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Ferdinand Maier 81

Johann Kraml 83

Dr. André d’Aron 84

Dr. Peter Harring 84

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 86

(14) Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (1431 und 1605/NR sowie 5894/BR d. B.)

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Hannes Missethon 86

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 86

(15) Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Mexikanischen Staaten andererseits samt Anhang und Schlußakte (1482 und 1606/NR sowie 5895/BR d. B.)

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Hannes Missethon 87

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 87

Gemeinsame Beratung über

(16) Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Wirtschaftstreuhandberufe (Wirtschaftstreuhandberufsgesetz – WTBG) (1273 und 1635/NR sowie 5877/BR d. B.)

(17) Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (1636/NR sowie 5878/BR d. B.)

(18) Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird (1637/NR sowie 5874 und 5879/BR d. B.)

Berichterstatter: Friedrich Hensler 88

[Antrag, zu (16), der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, zu (17) und (18) keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. André d’Aron 88

Karl Drochter 89

Dr. Milan Linzer 90

Engelbert Weilharter 92

Ulrike Haunschmid 93

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (16), der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ,  gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 95

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (17) und (18) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 96

(19) Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 – JWG geändert wird (Jugendwohlfahrtsgesetz-Novelle 1998) (1556 und 1619/NR sowie 5896/BR d. B.)

Berichterstatter: Erhard Meier 96

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Monika Mühlwerth 96

Mag. Karl Wilfing 98

Wolfgang Hager 100

Jürgen Weiss 101

Mag. Günther Leichtfried 102

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 103

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 105

(20) Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (1568 und 1585/NR sowie 5897/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Vincenz Liechtenstein 105

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Erhard Meier 106

Uta Barbara Pühringer 107

Thomas Ram 108

Therese Lukasser 108

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 109

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 110

Eingebracht wurden

Antrag

der Bundesräte Alfred Gerstl, Ludwig Bieringer, Engelbert Schaufler, Dr. Günther Hummer, Gottfried Jaud und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Richterdienstgesetz, BGBl. Nr. 305/1961, geändert wird (114/A-BR/99)

Anfragen

der Bundesräte Mag. Karl Wilfing, Engelbert Schaufler, Alfred Schöls und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einstellung einer Nachtstreife im Bezirk Poysdorf (1583/J-BR/99)

der Bundesräte Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer und Gottfried Jaud an den Bundeskanzler betreffend bundesverfassungsgesetzliche Umsetzung der Vereinbarungen über den Konsultationsmechanismus und den Stabilitätspakt (1584/J-BR/99)

der Bundesräte Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer und Gottfried Jaud an den Bundesminister für Finanzen betreffend bundesverfassungsgesetzliche Umsetzung der Vereinbarungen über den Konsultationsmechanismus und den Stabilitätspakt (1585/J-BR/99)

der Bundesräte Ilse Giesinger und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend finanzielle Auswirkungen von Gesetzen (1586/J-BR/99)


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 9

der Bundesräte Mag. John Gudenus, Dr. Paul Tremmel, Andreas Eisl und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Auswirkungen der Agenda 2000 auf die Landwirtschaft und den ländlichen Raum Österreichs (1587/J-BR/99)

der Bundesräte Mag. John Gudenus, Dr. Paul Tremmel, Andreas Eisl und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auswirkungen der Agenda 2000 auf die Landwirtschaft und den ländlichen Raum Österreichs (1588/J-BR/99)

der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Ulrike Haunschmid und Kollegen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Spirit of Hanf (1589/J-BR/99)

der Bundesräte Mag. John Gudenus, Dr. Paul Tremmel, Andreas Eisl und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Auswirkungen der Agenda 2000 auf die Landwirtschaft und den ländlichen Raum Österreichs (1590/J-BR/99)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Ilse Giesinger und Kollegen (1452/AB-BR/99 zu 1564/J-BR/98)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen (1453/AB-BR/99 zu 1566/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Mag. Harald Himmer und Kollegen (1454/AB-BR/99 zu 1561/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Mag. Karl Wilfing und Kollegen (1455/AB-BR/99 zu 1562/J-BR/98)

 


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 10

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Präsident Gottfried Jaud: Ich eröffne die 651. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 650. Sitzung des Bundesrates vom 19. Februar 1999 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Mag. Harald Himmer, Stefan Prähauser, DDr. Franz Werner Königshofer und Mag. Walter Scherb.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Gottfried Jaud: Eingelangt ist ein Schreiben der Ersten Präsidentin des Wiener Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführerin um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Irene Crepaz: "Betrifft: Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof, Verzicht auf das Bundesrats-Mandat

Sehr geehrter Herr Präsident!

Das an zehnter Stelle gereihte Mitglied des Bundesrates Professor Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof hat mit 1. März 1999 sein Mandat zurückgelegt.

Die entsprechende Nachwahl für das nachrückende Ersatzmitglied Dr. Ferdinand Maier wird voraussichtlich in der nächsten Sitzung des Wiener Landtages stattfinden.

Mit vorzüglicher Hochachtung"

Präsident Gottfried Jaud: Herr Bundesrat Dr. Ferdinand Maier ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführerin wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführerin um Verlesung der Gelöbnisformel.

Schriftführerin Irene Crepaz: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Ich gelobe.

Präsident Gottfried Jaud: Ich begrüße Herrn Bundesrat Dr. Ferdinand Maier recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Die niederösterreichischen Bundesräte Ing. Walter Grasberger, Friedrich Hensler, Johann Ledolter, Engelbert Schaufler, Alfred Schöls und Mag. Karl Wilfing haben ihre Mandate im Bundesrat zurückgelegt. Dadurch soll eine Umreihung ermöglicht werden.

Der Niederösterreichische Landtag wird noch heute die Wahl der zu entsendenden Mitglieder in den Bundesrat durchführen.

Nach der diesbezüglichen Mitteilung des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages werde ich – sofern die Bundesräte anwesend sind – ihre Angelobung vornehmen.


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 11

Fragestunde

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde, sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird, im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.06 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Landesverteidigung

Präsident Gottfried Jaud: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage, 1009/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ludwig Bieringer, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich darf an Sie, Herr Bundesminister, folgende Frage richten:

1009/M-BR/99

Was sind die wesentlichen Inhalte des von Ihnen am 23. Februar 1999 dem Ministerrat vorgelegten Entwurfs betreffend ein Militärbefugnisgesetz?

Präsident Gottfried Jaud: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Der Entwurf zum Militärbefugnisgesetz wurde in zweijähriger Projektarbeit, an der Spitzenbeamte und Spitzenjuristen aus allen wesentlichen Ministerien der Republik Österreich teilgenommen haben, auch unter Einbeziehung der Wissenschaft, erarbeitet. Er sieht eine Verrechtlichung und Neufassung von drei Hauptbereichen vor, die sich erstens insbesondere mit dem Wach- und Sicherungsdienst und den diesbezüglichen Aufgaben des Bundesheeres befassen, zweitens mit einer Verrechtlichung der Dienste und drittens mit einer Neufassung des Leistungsrechtes, das heißt der Rechte, die entstehen, wenn es einen Einsatz gibt.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Bundesminister! Sie haben auch vorgeschlagen, für die österreichischen Dienste einen Rechtsschutzbeauftragten einzurichten. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Es gibt bereits zur Kontrolle der Dienste einen parlamentarischen Unterausschuß, der regelmäßig zusammentritt, der sich mit allen Angelegenheiten, insbesondere auch mit einer Kontrolle der Dienste befaßt. Aufgrund einer eingehenden Erörterung auch in der Projektgruppe, die dieses Militärbefugnisgesetz ausgearbeitet hat, ist die Idee entstanden, einen zusätzlichen Kontrollmechanismus einzurichten, der volle Unabhängigkeit haben soll, der auch aus dem parteipolitischen Bereich oder auch aus Aspekten der Regierungspolitik und der Oppositionspolitik herausgehoben sein soll, somit ein Höchstmaß an Objektivität haben und als Rechtsschutzbeauftragter tätig werden soll.

Ich habe die Überlegungen dazu für sehr vernünftig gehalten und glaube, daß wir damit einen entscheidenden Schritt weiter in Richtung Objektivierung eines sicherlich sehr wichtigen, aber auch sensiblen Teiles unserer Regierungsgewalt setzen werden.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Gstöttner, bitte.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
651. Sitzung / Seite 12

Bundesrat Ferdinand Gstöttner
(SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wie werden Sie auf die negativen Stellungnahmen der verschiedenen Ressorts, insbesondere des Justizministeriums reagieren, beziehungsweise welche Maßnahmen beabsichtigen Sie zu setzen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir haben bereits darauf reagiert, weil es uns nicht darum geht, einen bestimmten Entwurf durchzubringen, sondern gerade eine Neuerarbeitung selbstverständlich bedarf, daß man möglichst auf alle aufgeworfenen Fragen Antworten gibt und diese berücksichtigt. Wir haben daher von all den in den Stellungnahmen gemachten Anregungen, die etwa aus dem Justizressort eingegangen sind, wahrscheinlich mehr als 85 Prozent nicht nur aufgenommen, sondern sogar positiv aufgenommen und sie bereits in den Entwurf eingearbeitet, der dadurch sicher ganz wesentlich an Qualität gewonnen und auch dazu geführt hat, daß das Justizministerium diesem Entwurf nicht ablehnend, sondern jetzt positiv gegenübersteht und auch dafür ist, daß er entsprechend durchgesetzt wird.

Präsident Gottfried Jaud: Gibt es weitere Zusatzfragen? – Bitte sehr, Herr Bundesrat Windholz.

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Geschätzter Herr Minister! Ist im Rahmen des Militärbefugnisgesetzes auch geplant, neben den Befugnissen im Rahmen des Assistenzeinsatzes an der Grenze auch jene im Rahmen des Assistenzeinsatzes im Inneren der Republik, Stichwort Raumschutzverfahren, zu regeln?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Es gibt Befugnisse im Bereich des Wach- und Sicherungsdienstes, die unabhängig von einer bestimmten Einsatzform ablaufen, die dem Eigenschutz des Bundesheeres, seiner Anlagen, etwa der Munitionslager, der Waffenlager, aber auch der Kasernen, dienen. Derartige Befugnisse gibt es auf der ganzen Welt in ähnlicher Form.

Darüber hinaus haben wir ein Leistungsrecht vorgesehen, wie es auch in den Katastrophengesetzen aller Bundesländer vorhanden ist, vom Burgenland bis Vorarlberg, das heißt, man nimmt in einem Katastrophenfall ganz einfach bestimmte Leistungen in Anspruch, weil es notwendig ist, so wie das etwa vor wenigen Wochen in Westösterreich passiert ist, wo man ein bestimmtes Stück der Autobahn sperren mußte, weil man einen Landeplatz für Hubschrauber benötigte. Es kann auch ein Betretungsverbot ausgesprochen werden. Es war etwa so, daß ins Paznauntal Journalisten generell nicht eingeflogen wurden, sondern es gab, um dort eine ordnungsgemäße Bergung durchzuführen, bestimmte Restriktionen. Es wurde für bestimmte Zeit ein Flugverbot ausgesprochen, und es war natürlich auch notwendig, bestimmte Geräte anzufordern, um Bergungsmaßnahmen durchführen zu können.

Das soll entsprechend verrechtlicht, das soll in das Militärbefugnisgesetz aufgenommen werden. Da geht es nicht um Sonderrechte, sondern um ganz normale Leistungsrechte, die etwa in den Katastrophengesetzen der Länder Burgenland, Wien, Niederösterreich, Tirol et cetera bereits vorhanden sind.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun mehr zur 2. Anfrage, 1003/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Michael Ludwig, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 13

1003/M-BR/99

Welche Kasernen beziehungsweise Liegenschaften des Bundesheeres sind zum Verkauf vorgesehen?


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 14

Präsident Gottfried Jaud:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir haben seit der Heeresgliederung-Neu einschließlich der Auflösung von externen Moblagern zirka 60 Liegenschaften mit 3 500 Hektar Grundfläche freigegeben. Wir haben weiters folgende Kasernen geräumt: die Troyer-Kaserne in Spittal an der Drau, den Kasernengrund in Völkermarkt, die Industriegründe in der Schwarzenberg-Kaserne in Salzburg, die Liegenschaft Pulverturm Innsbruck, die Kaserne Thalgauberg in Salzburg, die Innerkofler-Kaserne in Wörgl, die Liegenschaft in Simmering und auch die Struber-Kaserne in Salzburg, wobei zu sagen ist, daß diese bereits ausgeschrieben war, aber weil sie von der Gemeinde beziehungsweise vom Land nicht umgewidmet wurde, wieder zurückgenommen werden mußte. Darüber hinaus sind auch einige andere Kasernen nicht nur geräumt worden, sondern an andere Bundesdienststellen gegangen.

Weiters werden wir ab Jahresmitte 1999 einige weitere Kasernen räumen, etwa die Speckbacher-Kaserne in Hall, die Prinz Eugen-Kaserne in Stockerau, die Babenberger-Kaserne in Wöllersdorf und auch die Verdross-Kaserne in Imst, die uns gerade in den letzten Wochen bei der Bewältigung des Unglücks noch einen sehr guten Dienst erwiesen hat. Darüber hinaus werden wir ab dem Jahresende auch Gainfarn, die Carl-Kaserne in Wien und die Rhomberg-Kaserne in Lochau zum Verkauf freigeben. Darüber hinaus gibt es noch weitere Kasernen, deren Freigabe zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen ist.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Herr Minister! Können Sie abschätzen, welcher Verkaufserlös für die Liegenschaften und Kasernen zu erzielen sein wird?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Die einzelnen Kasernen sind genau bewertet. Es ist auch Gegenstand der Beschlußfassung durch das Parlament, daß ein geschätzter Kaufpreis vorliegt. Dieser wird allerdings nicht von uns ermittelt, sondern vom Finanzministerium und dann den Verkaufsverhandlungen zugrunde gelegt. Es würde zu weit führen, wenn ich jetzt auf alle einzelnen Kasernen einginge. Ich lasse Ihnen aber gerne die Unterlagen über die Schätzwerte zukommen, wenn Sie ein besonderes Interesse daran haben.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau "Ministerin" Ulrike Haunschmid. (Heiterkeit.)

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Danke schön. Das ist ein Wahnsinn. So schnell geht das.

Sehr geehrter Herr Minister! Würde der etwaige Verkauf von Liegenschaften – der Verkauf von welchen Liegenschaften ist geplant? – des Bundesheeres in Oberösterreich dem dringend notwendigen Aus- und Umbau der Heeresunteroffiziersakademie in Enns zugute kommen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir haben an sich eine Vereinbarung mit dem Finanzministerium getroffen, daß 70 Prozent der Erlöse im vergangenen Jahr und 100 Prozent der Erlöse im heurigen Jahr dem Bundesheer zugute kommen sollen. Das war auch mit ein Bestandteil bei der Beschlußfassung über das MECH-Paket, daß ein größerer Teil der Summe auch über Liegenschaftsverkäufe aufgebracht werden soll. Dem versuchen wir auch entsprechend Rechnung zu tragen.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte sehr, Frau Bundesrätin Ilse Giesinger.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Haben Ihres Wissens nach andere Ministerien auch Verkaufserlöse erzielt?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Meines Wissens nach haben auch andere Ministerien Verkaufserlöse erzielt. Ich kenne allerdings kein anderes Ministerium, das Liegenschaften in einem ähnlichen Umfang abgegeben hätte oder abgeben würde wie das Bundesministerium für Landesverteidigung und somit die entsprechenden Verkaufserlöse erzielen würde. Für uns war Rationalisierung immer ein wichtiger Bestandteil auch der Geschäftsführung, das gehört dazu, und ich glaube, daß man durchaus auch so vorgehen sollte.

Das einzige, was vielleicht dazu anzumerken ist, ist, daß man eigentlich an das Bundesheer immer die Frage stellt: Warum verkauft ihr nicht? – Wir verkaufen. Bei anderen wird gar nicht die Frage gestellt, ob man vielleicht etwas verkaufen könnte. Das, worum es geht, ist, daß manchmal ein etwas unterschiedlicher Maßstab angelegt wird. Insofern bedanke ich mich auch für diese Frage.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 1016/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1016/M-BR/99

Weshalb haben Sie bisher immer verschwiegen, daß das österreichische Bundesheer nicht über die ausreichenden Mittel verfügt, um seinen Aufträgen – insbesondere im Bereich der Lufttransportkapazität – nachzukommen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wie Ihnen wahrscheinlich bekannt ist, Herr Bundesrat, ist das Parlament beziehungsweise sind parlamentarische und Regierungseinrichtungen wie etwa der Landesverteidigungsrat mit dieser Frage mehrfach befaßt worden. Ich habe dort bereits vor zwei Jahren und auch im Vorjahr mit aller Deutlichkeit erklärt, was an zukünftigen Investitionen notwendig sein wird und in welchen Zeiträumen sie erfolgen sollen. Wir haben in einer der letzten Sitzungen des Landesverteidigungsrates im Vorjahr einen Beschluß gefaßt, daß bis Ende 1999 entsprechende Grundlagen etwa für den Luftbereich und auch die dazugehörigen Finanzierungsfragen erarbeitet werden sollen.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Wie wollen Sie sicherstellen, daß ausreichend Mittel für die dringend auch für den Katastrophenschutz notwendigen Transporthubschrauber zur Verfügung stehen werden?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ich glaube, daß ganz Österreich nicht nur die Leistungsfähigkeit des österreichischen Bundesheeres im Rahmen der Lawinenkatastrophe in Westösterreich vor wenigen Wochen sehen konnte, sondern daß man auch erkennen konnte, daß es notwendig ist, über eine entsprechende Transportkapazität zu


Bundesrat
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verfügen. Ich habe daher die Einberufung des Landesverteidigungsrates bewirkt, indem ich unmittelbar nach dieser Lawinenkatastrophe einen diesbezüglichen Brief an den Bundeskanzler geschrieben habe.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Peter Rodek.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist zwar schon einige Zeit her, aber anläßlich einer Waffenübung als Milizoffizier in Hörsching habe ich feststellen können, daß zwei Großraumhubschrauber vorhanden gewesen sind, und zwar Sikorsky-Hubschrauber. Warum sind diese eigentlich dann ausgemustert beziehungsweise meines Wissens nach nach Israel verkauft worden?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Es ist richtig, daß das österreichische Bundesheer über zwei Großraumhubschrauber verfügt hatte. Sie wurden Anfang der achtziger Jahre – ich glaube, es war 1982 – unter dem damaligen Verteidigungsminister Rösch an Israel verkauft. Grundlage dafür war insbesondere die Überlegung, daß ein relativ kleines System, das nur aus einem oder zwei Geräten besteht, für den Betrieb in einer Armee weniger gut geeignet ist. Man muß immer davon ausgehen, daß der Klarstand im Luftbereich im internationalen Durchschnitt mit zirka 60 Prozent anzusetzen ist. Das heißt, daß von zwei Geräten eines oder knapp mehr als eines immer verfügbar ist. Dazu ist aber das gesamte Materiallager, Ersatzteillager, der gesamte logistische Aufwand auch von der Technik her erforderlich. Das Gesamtsystem muß bestehen, und das bedingt einen relativ hohen Aufwand für ein derartiges System, sodaß die Schaffung derartiger Systeme natürlich immer in Frage zu stellen ist.

Das, was diskutiert wurde, nämlich, inwieweit der Verkauf an Israel zu Recht erfolgt ist oder ob das ein Verkauf in ein Krisengebiet war, ist eine Frage, die, wie ich meine, nicht in den Kompetenzbereich meines Ministeriums fällt.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Karl Drochter um die Zusatzfrage.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Es steht außer Zweifel, daß Ihr Ministerium selbst die Rangordnung der Investitionen bestimmen kann. Meine Frage geht dahin: Warum haben Sie vor einiger Zeit allen Warnungen zum Trotz ausrangierte ausländische Panzer gekauft und nicht die dringend notwendigen Transporthubschrauber angeschafft, obwohl bekannt ist, daß die österreichischen Hubschrauber schon seit Jahrzehnten in Betrieb sind? War das Ihrer Meinung nach ein Fehler?

Präsident Gottfried Jaud: Herr Bundesminister! Es sind zwei Fragen gestellt worden. Die zweite Frage lautete, ob ein Fehler gemacht wurde. Ich würde Ihnen, Herr Bundesminister, raten, nur die erste Frage zu beantworten. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ich gehe gerne und freiwillig auch auf die zweite Frage ein und möchte dazu folgendes sagen: Es erfolgte dies aufgrund eines Beschlusses des Landesverteidigungsrates und der Bundesregierung, und zwar aus der Notwendigkeit heraus, daß wir im mechanisierten Bereich militärisches Gerät ersetzen mußten. Ich weiß, daß das auch in den letzten Tagen von manchem Politiker in Österreich zur Diskussion gestellt wurde.

Welch große Unwissenheit dahintersteht, kann man vielleicht daran ersehen, daß genau zum selben Zeitpunkt hinsichtlich der Frage, ob man ein derartiges Gerät braucht oder nicht, die deutsche Bundesregierung unter einen rot-grünen Koalition beschlossen hat, daß man genau mit diesem Gerät in den nächsten Einsatz in den Kosovo geht, und zwar aus der Verantwortung für die Sicherheit der Soldaten heraus. Es ist undenkbar, daß man eine Landarmee hat, die über keinen Kampfpanzer verfügt, und selbstverständlich wird man mit dem besten Gerät in einen


Bundesrat
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Einsatz gehen. Das, was für die deutsche Bundeswehr unter einem Bundeskanzler Schröder und auch unter einem Verteidigungsminister Scharping, der gleichzeitig auch der Vorsitzende der Sozialistischen Internationale ist, gut und richtig ist, werden Sie hoffentlich auch mir zubilligen. (Bundesrat
Konecny: Stimmt nicht! Das ist eine sachlich unrichtige Aussage! Sozialdemokratische Partei Europas!)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, 1010/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Wolfram Vindl, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1010/M-BR/99

Wie viele Kräfte des österreichischen Bundesheeres wurden im Rahmen der Assistenzleistung aus Anlaß der Schneekatastrophe in Westösterreich eingesetzt?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesrat
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Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend:
Ich möchte zuerst Herrn Kollegen Konecny sagen: Ich bin leider, was die sozialistischen beziehungsweise sozialdemokratischen Gremien in Europa betrifft, nicht so gut informiert, daß ich so genau differenzieren kann. (Bundesrat Konecny: Sollten Sie aber langsam lernen!) Tatsache ist – ich schätze das besonders und möchte daher noch einmal darauf zurückkommen –, daß Scharping eben nicht nur Verteidigungsminister, sondern auch der Vorsitzende der Sozialdemokraten Europas ist, was vielleicht die Seriosität seiner Vorgangsweise, seines Handelns und auch den dazugehörigen Analogieschluß für mein Handeln noch zusätzlich bestärkt.

Was die Frage des Assistenzeinsatzes in Westösterreich betrifft, so waren bei dieser Lawinenkatastrophe, die nicht nur das Paznauntal, sondern auch Teile Vorarlbergs betroffen hat, insgesamt 1 500 Soldaten im Einsatz, mit 47 Luftfahrzeugen wurden über 18 000 Menschen heraustransportiert. Es wurde unter schwersten Bedingungen eine ungeheuer wertvolle Arbeit geleistet, die auch von Idealismus getragen war. Dies gilt auch für die Grundwehrdiener, die sich, als sie abgelöst werden sollten, trotz schwerster Bedingungen nicht ablösen lassen wollten, weil sie den Menschen helfen wollten. Sie haben mit großem Geschick organisiert. Ich habe mich selbst davon überzeugt. Ich bin mit dem Autobus mit den auszufliegenden deutschen Touristen dorthin gefahren und habe mir nicht nur die Kaserne in Landegg, sondern auch jene in Imst angesehen und habe festgestellt, daß alles mehr als hervorragend organisiert war. Das wurde von den Leuten auch so kommentiert.

Die Touristen wurden nicht nur in bester Weise herausgebracht, sondern die Abfolge zwischen Hubschraubertransport und den Bustransporten, die Unterbringung in der Kaserne, die Verpflegung, die Information wurden innerhalb kürzester Zeit perfekt organisiert. Es wurde in drei Sprachen informiert. Jeder wurde sofort mit einer entsprechenden Verpflegung et cetera ausgestattet. Es wurde der Rückflug entsprechend organisiert. Man kann also tatsächlich sagen: Es war eine ganz hervorragende Leistung, die Gott sei Dank auch ohne Unfall abgegangen ist. Man muß nämlich dabei auch bedenken, daß Angehörige mehrerer Armeen zusammengearbeitet haben. Es wurde insgesamt zweifellos ein ganz wichtiger Beitrag zur Linderung dieser größten Lawinenkatastrophe in Österreich in den letzten Jahrzehnten geleistet.


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 18

Präsident Gottfried Jaud:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Herr Bundesminister! Aus Anlaß dieser Schneekatastrophe wurden auch ausländische Hubschrauber angefordert. Hat sich die Anforderung dieser ausländischen Hubschrauber bewährt?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
651. Sitzung / Seite 19

Präsident Gottfried Jaud:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ja, das kann man durchaus sagen. Wir wären ohne die Hilfestellung befreundeter Armeen nicht in der Lage gewesen, dieses Problem in seinem ganzen Umfang zu lösen, weil es eine Transportkapazität erfordert hat, die weit über unsere Möglichkeiten hinausgegangen ist. Besonders geschätzt habe ich, daß wir unmittelbar nach dem Niedergang der Lawinen, bereits wenige Stunden später, nachdem wir mit den befreundeten Armeen Kontakt aufgenommen hatten, von den Deutschen, von den Amerikanern, von den Franzosen und auch von den Schweizern Zusagen erhalten haben. Ich habe es großartig gefunden, daß sie schon am nächsten Tag da und bereit waren, bei dieser Katastrophe zu helfen.

Besonders gefreut hat mich, daß das Zusammenspiel hervorragend organisiert war. Man muß sich vorstellen, daß es nicht nur darum gegangen ist, Piloten, die aus verschiedensprachigen Ländern kamen, zu einer gemeinsamen Vorgangsweise zusammenzuschließen, sondern auch darum, unterschiedliche Führungssysteme – es war sehr klar erkennbar, daß es unterschiedliche Führungssysteme bei den einzelnen Armeen gibt – miteinander so zu verknüpfen, daß daraus eine Einheit entstanden ist. Das war zweifellos auch eine gewaltige Führungsleistung des von uns eingesetzten Militärs.

Ich möchte aber nicht nur die befreundeten Armeen hervorheben, sondern insbesondere auch die vielen freiwilligen Helfer aus Österreich, Tausende Menschen, die in verschiedenen Funktionen freiwillig geholfen haben, angefangen von der Bergrettung über Exekutivkräfte und Feuerwehren. Sie alle haben in einem wirklich selbstlosen Einsatz das Beste gegeben und eine gewaltige Leistung vollbracht.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Frau Bundesrätin Irene Crepaz um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, 1 500 Soldaten seien im Katastrophengebiet tätig gewesen, und Sie haben dabei die Führung besonders gelobt. Meine konkrete Frage lautet: Gibt es eine spezielle Ausbildung für Katastrophenfälle für unsere Jungmänner beim Bundesheer? – Ich glaube nicht, daß es genügt, wenn sie eine Schaufel in der Hand halten können.

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ja selbstverständlich. Wir haben in Katastrophenfällen eigens dafür ausgebildete Lawinensuchzüge eingesetzt. Das sind Mannschaften und Grundwehrdiener, die eigens dafür ausgebildet worden sind.

Aber das ist oft gar nicht so leicht. Wir hatten etwa in Vorarlberg die Situation, daß das dort beheimatete Jägerregiment 9 zu diesem Zeitpunkt gerade einen Turnus im Burgenland absolvieren sollte. Natürlich haben sehr viele Vorarlberger gemeint: Warum schickt man sie jetzt ins Burgenland?

Der Grund ist folgender: Wir handeln da nicht einfach nach dem Regionalprinzip, das heißt, daß derjenige, der gerade vor der Kaserne steht, genommen und zusammengefaßt wird, sondern wir gehen nach dem Professionalitätsprinzip vor, das heißt, daß die für den jeweiligen Einsatz bestens vorbereiteten Truppen eingesetzt werden. Das haben wir auch so gemacht. Das heißt, daß wir speziell ausgebildete Lawinensuchzüge und speziell ausgebildete Einheiten auch aus dem Pionierbereich dafür eingesetzt und bereitgestellt haben.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel um die Stellung der Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Das österreichische Wehrbudget ist mit 0,8 Prozent des BIP, also rund 20 Milliarden Schilling, das niedrigste Budget in Europa. Haben Sie einen Antrag auf Kostenersatz für diesen Assistenzeinsatz gestellt?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Jawohl, ich habe einen Antrag auf Kostenersatz für diesen Einsatz gestellt. Er beläuft sich auf zirka 30 Millionen Schilling und ist auch bereits genehmigt worden. Das heißt, daß wir ebenso wie für Sondereinsätze, die wir im Ausland durchführen, wie etwa den Albanien-Einsatz oder einen allfällig geplanten Kosovo-Einsatz oder den in der Vergangenheit geplanten MINURSO-Einsatz, auch für diesen Assistenzeinsatz eine entsprechende Abgeltung erhalten werden.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage, 1004/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Erhard Meier, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1004/M-BR/99

Wann werden die am Ende ihrer Einsatztauglichkeit stehenden Transporthubschrauber der Type AB 204 des Fliegerregiments 3 in Linz-Hörsching durch neue Transporthubschrauber ersetzt?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Die Transporthubschrauber des Types AB 204 werden im Laufe dieses Jahres und des nächsten Jahres außer Dienst gestellt. Gleichzeitig haben wir in der Planung für das heurige Jahr den gesamten Luftbereich vorgesehen: die Erarbeitung der Grundlagen für Grundsatzentscheidungen für alle Bereiche. Wir haben angesichts der politischen Aktualität der Frage der Beschaffung von Hubschraubern durch den Lawineneinsatz dieses Vorhaben insofern vorgezogen, als wir es bereits in den nächsten Wochen einer Befassung des Landesverteidigungsrates zuführen werden, und zwar aus der Erkenntnis heraus, daß es notwendig ist, eine entsprechende Kapazität zu haben. Diese sind daher auch möglichst rasch zu besorgen.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Welche Prioritäten setzen Sie grundsätzlich bei der Neuanschaffung von notwendigen Geräten – von Hubschraubern, Panzern, Transportfahrzeugen, Abfangjägern – und bei anderen Einrichtungen, zum Beispiel der Unterbringung der Soldaten?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Es gibt eine ganze Reihe von wichtigen Projekten, die wir durchzuführen haben. Es würde jetzt zu weit führen, die ganze Prioritätenliste auszuführen. Selbstverständlich beginnt das bei der Führungsfähigkeit, geht in den Transportbereich, geht in all die Bereiche, in welchen Modernisierungen notwendig sind, wie etwa im Luftbereich und im Landbereich – da sind wir gerade mitten drin –, es geht bis in den Bereich der Mannesausrüstung.

Zweifelsohne kann man sagen, daß wir dabei versuchen, den zukünftigen Aufgabenstellungen bestmöglich gerecht zu werden. Das bedeutet etwa im Hubschrauberbereich, daß wir uns nicht auf einen einseitig auf Kampfeinsätze ausgerichteten Hubschraubertyp konzentrieren, sondern einen Hubschraubertyp anschaffen wollen, der allen Transportaufgaben auch im zivilen Bereich gerecht werden kann und der auch den militärischen Erfordernissen entsprechend gerecht wird. Das heißt, daß aus einer derartigen Anschaffung eine möglichst hohe Nutzenserwartung resultieren soll. Es soll dadurch ein möglichst großer Nutzen für die österreichische Bevölkerung – sei es bei einem militärischen Einsatz, sei es bei einem Assistenzeinsatz oder sei es insbesondere bei einem Katastropheneinsatz – gegeben sein.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Wie stellen Sie sicher, daß, so wie von Ihnen in der Nationalratssitzung vom 5. November 1998 versprochen, der Ersatz der außer Dienst zu stellenden Staffel, also der betroffenen Flugzeuge, so rechtzeitig erfolgt, daß die Staffel unmittelbar von einem Gerät auf das andere umgestellt werden kann, wenn die Beschaffung und Ausbildung mindestens zwei Jahre dauern und der Einsatz der Hubschrauber 1999 ausläuft?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Selbstverständlich haben wir für all jene Fälle, in welchen von einem Gerät auf das nächste kein unmittelbarer Übergang möglich oder sinnvoll ist, entsprechende Ersatzmaßnahmen nicht nur geplant, sondern auch vorbereitet. Das erfolgt in der Weise, daß wir beispielsweise in der Frage der Luftraumüberwachung zurzeit österreichische Piloten in Schweden ausbilden, und zwar auf den Viggen, um ihnen die Erfahrung in einer nächsten Generation zu geben und um ihnen damit auch die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Fähigkeiten entsprechend trainieren zu können. Das erfolgt zweifellos auch im Hubschrauberbereich.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Leopold Steinbichler.

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Bei der Katastrophe in Galtür, aber auch bei anderen Naturkatastrophen – ich denke da etwa an Hochwasser – kam klar zum Ausdruck, wie wichtig und unabkömmlich der Einsatz des Bundesheeres in solchen Krisensituationen ist. Bei diesen Notfällen sind meistens sehr widrige Witterungsverhältnisse gegeben. Wie hoch ist die Qualifikation unserer Hubschrauberpiloten?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Gerade im Alpinbereich haben wir, kann man sagen, wahrscheinlich die bestausgebildeten Hubschrauberpiloten, die man sich überhaupt vorstellen kann. Es ist so, daß alle großen Armeen Europas, aber auch jene der Vereinigten Staaten ihre Hubschrauberpiloten zur Alpinausbildung nach Österreich senden, weil sie bei uns nicht nur bestmögliche Bedingungen, sondern auch höchstes Know-how vorfinden.

Das können wir bei allen internationalen Übungen, aber auch bei internationalen Katastropheneinsätzen in Vergleichen sehen. So war zum Beispiel im Sommer des letzten Jahres eine Hubschrauberstaffel des österreichischen Bundesheeres an der dalmatinischen Küste im Einsatz, und das auf einem Gebiet, das von der Einsatzpriorität her nicht zu den bevorzugten Gebieten Österreichs gehört, nämlich auf dem Gebiet der Brandbekämpfung. Wir haben dort gemeinsam mit französischen Einheiten nicht nur gute Dienste geleistet, sondern höchste Anerkennung für den hervorragenden Einsatz unserer Piloten bekommen, die, wie ich meine, über ein ganz großes Ausmaß an Erfahrung und Praxis verfügen, aber auch von ihrer Einsatzflexibilität vielen anderen Armeen deutlich überlegen sind.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage, 1011/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 20

1011M/BR-99

Ist der Bestand des Munitionslagers in Hieflau inklusive Verwaltung auch weiterhin gesichert?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
651. Sitzung / Seite 21

Präsident Gottfried Jaud:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Das Munitionslager in Hieflau gehört zu den größten und bedeutendsten Munitionslagern in Österreich, und selbstverständlich ist der Bestand dieses Munitionslagers in keiner Weise in Frage gestellt, sondern es wird auch in Zukunft eine zentrale Bedeutung für das österreichische Bundesheer und auch einen entsprechenden Stellenwert haben.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Wie lautet konkret der Vorschlag von Divisionär Becker für die Umstrukturierung beziehungsweise Zusammenlegung der Munitionslager?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir haben für den Verwaltungsbereich des gesamten Heeres-Materialamtes Planungsgruppen und Projektgruppen, die eine Rationalisierung der Abläufe vorsehen. Dazu werden bestimmte Papiere und Vorschläge ausgearbeitet, es gibt allerdings noch kein entscheidungsreifes Papier, das eine bestimmte Maßnahme – auch was jetzt Hieflau betrifft – nahelegen würde, sondern da werden verschiedene Varianten in der Verwaltung diskutiert.

Jedenfalls ist zu sagen, daß das für das Munitionslager Hieflau zweifellos keine einschneidende Bedeutung haben wird, sondern das ist eines der Munitionslager, das wir in der Zukunft noch mehr benötigen werden, als das in der Vergangenheit der Fall war. Da selbstverständlich die Sicherheitsanforderungen ständig steigen, da auch die eingelagerten Munitionsarten immer komplexer werden, werden wir gerade ein solch hochtechnisches Lager wie Hieflau dringend benötigen.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Erhard Meier um die Verlesung der Zusatzfrage.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Herr Minister! Gibt es sonst für den Bereich der Steiermark, insbesondere der Obersteiermark – Beispiel Zeltweg, St. Michael, Aigen mit Liezen – Absichten, Reduzierungen von Einrichtungen und damit Personalständen vorzunehmen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Es gibt keine Überlegungen, die mir dazu bekannt wären, das heißt, keine Überlegungen, die in irgendeiner Form in einer entscheidungsrelevanten Phase wären.

Grundsätzliche Rationalisierungsüberlegungen werden immer angestellt, müssen auch angestellt werden, wenn man einen Betrieb gut führen will. Und das versuchen wir, weil wir einfach mit dem Geld sorgsam umgehen müssen, weil wir natürlich sparen müssen. Aber Sie können sicher sein, daß wir dabei auch auf alle regionalen Umstände und auf alle regionalen Fragen Rücksicht nehmen.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Engelbert Weilharter.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Werden die Ergebnisse der sogenannten Strukturreform bezüglich derartiger Standorte noch vor der nächsten Personalvertretungswahl bekanntgegeben werden?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Die sind alle bekannt! Es gibt keine Garnison, die nicht wüßte, was für die Zukunft geplant ist. Wir haben versucht, vorweg ein möglichst hohes Ausmaß an Sicherheit zu geben. Das heißt, es ist für alle Garnisonen festgelegt, wann und ab welchen Zeitpunkten welche Einheiten dort verfügbar oder vorhanden sein werden, und daher ergibt sich daraus kein zusätzlicher Informationsbedarf, kein zusätzliches Kommunikationserfordernis.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 1017/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus, die Frage zu formulieren.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet:

1017/M-BR/99

Sind Sie dafür, dem Bundesheer die Wahrnehmung der Grenzüberwachung abseits kontrollierter Grenzübergänge als eigenständige Aufgabe im Rahmen der Bundesverfassung und des Wehrgesetzes zu übertragen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Das österreichische Bundesheer führt insbesondere an der burgenländischen Grenze sowie auch an einem kleineren Abschnitt im niederösterreichischen Bereich die Überwachung der Grünen Grenze durch, und zwar, wie ich glaube, mit großem Erfolg, was den Nutzen betrifft, weil es dadurch zweifellos eine Anzahl von Aufgriffen gibt, die sonst nicht erzielt werden könnten, und damit dem illegalen Schlepperwesen Einhalt geboten wird. Dies geschieht aber auch zu einem Kostenfaktor, der ansonsten mit den Mitteln der österreichischen Verwaltung nicht erzielbar wäre, sodaß der Kosten-Nutzen-Effekt zweifellos besonders hoch ist.

Es ist auch vorgesehen, daß das Bundesheer diese Tätigkeit in den nächsten Jahren ausführen soll. Es geschieht das teilweise auch in Zusammenarbeit mit der Grenzgendarmerie und der Zollwache.

Ich glaube, daß man darüber hinausgehende grundsätzliche kompetenzrechtliche Fragen nicht einseitig von einem Ressort beantworten kann, sondern daß das Fragen sind, die der grundsätzlichen Überlegungen bedürfen, die aber zurzeit nicht in diese Richtung gehen.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Sie erwähnten die Kosten. Weshalb haben Sie bisher nie einen Kostenersatz für den Assistenzeinsatz, der sich ungefähr in der Größenordnung von 3,1 Milliarden, vielleicht sogar bis gegen 4,5 Milliarden Schilling bewegt, in Form einer Budgeterhöhung gefordert, obwohl Sie bereits seit neun Jahren das Amt führen und dieser Grenzeinsatz auch schon annähernd so lange dauert?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Der Grenzeinsatz hat bereits vor meiner Amtszeit begonnen, und unter diesen Bedingungen habe ich ihn auch weitergeführt. Selbstverständlich bedeutet er angesichts eines sehr knappen Landesverteidigungsbudgets, daß wir mit den Mitteln zusätzlich extrem haushalten müssen, und er bedeutet für unser Budget selbstverständlich auch eine Belastung, die über die Jahre hinaus etliche Milliarden Schilling ausmacht.


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Das hat dazu geführt, daß weitere Ausweitungen beziehungsweise zusätzliche Aktivitäten von uns unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, daß wir selbstverständlich die Bereitschaft haben, miteinander Sparbudgets durchzubringen und zu tragen, aber daß wir uns veranlaßt sehen, darauf hinzuweisen, daß, wenn es zusätzliche Aufgabenstellungen und Leistungen gibt, dafür auch entsprechend finanziell vorgesorgt werden muß. Das heißt, für eine allfällige Ausweitung des Assistenzeinsatzes wäre entsprechend vorzusehen, für andere Aufgabenstellungen ist durch die Bereitstellung entsprechender finanzieller Mittel vorzusehen.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Franz Richau um die Zusatzfrage.

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Sehr verehrter Herr Bundesminister! Wie hoch ist die Anzahl der illegalen Grenzgänger in Prozenten, die durch das Bundesheer im Burgenland aufgegriffen wurden?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir hatten mit Ende des letzten Jahres über 37 000 illegale Grenzgänger aufgegriffen. Das sind ungefähr zwei Drittel sämtlicher Aufgriffe an der burgenländischen Grenze. Das heißt, zwei Drittel der Aufgriffe erfolgten durch das Bundesheer, ein Drittel durch die Grenzgendarmerie und die Zollwache.

Es ist das nur dadurch möglich, daß der Einsatz wirklich äußerst konsequent durchgeführt wird, das heißt, daß versucht wird, mit allen möglichen Mitteln und Methoden – von der Instrumentalausstattung bis eben zur Einsatzplanung – sehr konsequent vorzugehen, um den illegalen Schleppern auch tatsächlich rechtzeitig auf die Schliche zu kommen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu setzen. Das heißt, daß man auf der einen Seite der Abhaltewirkung, die durch zirka zwei Drittel aller Aufgriffe an diesem Grenzabschnitt erzielt wird, zweifellos ihre Bedeutung nicht absprechen kann, auf der anderen Seite aber auch davon ausgehen muß, daß zusätzlich noch eine Präventivwirkung entsteht, die in viele Zehntausende hineingeht. Man muß sich nur vorstellen, was tatsächlich passieren würde, wenn das Bundesheer die Grenze nicht in dieser Dichte des Einsatzes abschirmen würde. Eigentlich wäre das unvorstellbar.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Johann Payer um die Zusatzfrage.

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Als Burgenländer könnte ich sehr viel Positives über den Grenzeinsatz, über den Assistenzeinsatz berichten, aber ich komme zu meiner Frage:

Herr Bundesminister! Ich finde es absurd und obsolet, im Vorfeld einer zukünftigen Osterweiterung – die derzeitige doppelte Grenzsicherung wird dann nicht notwendig sein – solch eine Forderung, wie sie Kollege Gudenus in seiner Frage aufgeworfen hat, zu stellen. Sind Sie ebenfalls dieser Meinung?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ich habe bereits meine Meinung dazu zum Ausdruck gebracht. Grundsätzlich muß man davon ausgehen, daß die Ereignisse und die Phänomene, mit denen wir an der Ostgrenze zurzeit konfrontiert sind, Folge des Falles des Eisernen Vorhanges und des Zusammenbrechens eines Systems sind, das fast die Hälfte der Welt oder zumindest Europas umfaßt hat und das natürlich in politischer Hinsicht, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht ungeheure Belastungen für die Menschen dort darstellt.

Nach menschlichem Ermessen muß man davon ausgehen, daß es noch einige Jahre dauern wird, diese krisenhafte Szene und diese krisenhafte Erscheinung in der Folge des Zusammenbruchs des sowjetischen Imperiums bewältigen zu können. Es ist davon auszugehen, daß insbesondere mit der Stabilisierung Ostmitteleuropas, mit der weiteren Stabilisierung insbesondere Ungarns, aber auch der Tschechischen Republik, wie sie gerade jetzt etwa durch den NATO-


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Beitritt erfolgt, in Zukunft hier mehr Stabilität herrscht und daß längerfristig damit diese Länder selbst in der Lage sein werden, entsprechende Sicherheitsleistungen zu vollbringen.

Inwieweit sich daraus verfassungsrechtliche oder kompetenzrechtliche Änderungen ableiten lassen, das bleibt jedem selbst überlassen. Ich habe bereits ausgeführt: Zielorientierte Überlegungen in diese Richtung oder Gespräche gibt es zurzeit nicht.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 1005/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Irene Crepaz, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1005/M-BR/99

In welchem Ausmaß gibt es eine finanzielle Vorbelastung des Landesverteidigungsbudgets durch bereits getätigte Rüstungskäufe?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Die Verkäufe bei Bundesheergeräten erfolgen so, daß sich der Beschaffungszeitraum üblicherweise über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckt; zumindest ist das bei allen Hauptsystemen der Fall. Das heißt, es ist nicht so wie im normalen privaten Leben, daß man in den Supermarkt geht und das kauft, sondern üblicherweise dauert es einige Jahre, bis das Gesamtsortiment tatsächlich erzeugt wird, lieferbar ist und zur Verfügung gestellt werden kann. Demgemäß werden üblicherweise auch die Zahlungspläne aufgeteilt, das heißt, sie erstrecken sich in der Regel auf mehrere Jahre.

Wir haben daher zurzeit auch Vormerkungen beziehungsweise abgeschlossene Verpflichtungen aus diesen Verträgen von 1999 bis 2007 in einem Ausmaß von 6,7 Milliarden Schilling.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Im "FORMAT" und im "NEWS" hat man, peinlichst aufgelistet, über alle Käufe und Schulden lesen können. Wie wollen Sie den Schuldenberg in der Höhe von 10 Milliarden Schilling – damit sind wir bis weit ins dritte Jahrtausend hinein verschuldet – irgendwann einmal abbauen und finanzieren? Womit wollen Sie zum Beispiel nur die notwendigen Transporthubschrauber finanzieren?

Präsident Gottfried Jaud: Dies sind nun wiederum zwei Fragen. Herr Bundesminister! Ich überlasse es Ihrer Beurteilung, welche Frage von den beiden Sie beantworten wollen.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Frau Bundesrätin! Ich gehe gerne darauf ein. Auch Sie werden mir kaufmännisch folgen können, wenn ich sage, es wäre absolut unwirtschaftlich, etwas bereits zu zahlen, wenn man es noch gar nicht hat. Daher ergibt sich bei der Beschaffung eines Systems, bei dem der Zulauf über mehrere Jahre erfolgt, daß auch die Zahlungspläne darauf abgestimmt sind, daß man etwa, wie es üblich ist, bei der Anzahlung ein Drittel bezahlt, daß man ein weiteres Drittel während der Anlieferung zahlt und das letzte Drittel am Schluß bezahlt. Das ist die übliche kaufmännische Vorgangsweise, wie sie auch vom Finanzministerium, das all diese Kaufverträge nicht nur überprüft, sondern sozusagen auch genehmigen muß, gehandhabt wird.

Das heißt, es wird hier so vorgegangen, daß es selbstverständlich entsprechend dem Zulauf der Geräte längerfristige Zahlungspläne geben muß, sonst würden wir taxfrei das Geld auf den Tisch legen, noch bevor wir die Ware haben. Es gibt einen alten Grundsatz: Zuerst die Ware, dann das Geld! Das ist auch hier entsprechend aufgeteilt, und daraus ergibt sich das.


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Sonst würde es bedeuten, daß man einfach gar keine längerfristigen Projekte haben könnte oder daß man sozusagen jeweils eben nur um den Betrag, der gerade in der Tasche ist, irgend etwas, was sich irgendwo gerade zufällig anbietet, kaufen könnte.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wie ein roter Faden – das ist wörtlich zu nehmen – zieht sich die Budgetknappheit des Bundesheeres hier durch die Debatte.

Haben Sie eine Erhöhung des Budgets für das Heer auch unter Androhung äußerster Schritte, nämlich eines Rücktrittes Ihrerseits, bereits einmal gefordert?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Herr Bundesrat! Ich habe mich immer dazu bekannt, daß das österreichische Bundesheer auf der einen Seite bereit sein muß, einen allgemeinen Sparkurs mitzutragen, auf der anderen Seite aber auf das, was es benötigt, nicht nur Anspruch hat, sondern dies auch tatsächlich bekommen muß, wenn man möchte, daß es in der Lage ist, seinen Auftrag auch entsprechend zu erfüllen. Das war die Vorgangsweise.

Selbstverständlich gibt es dann bei derartigen Verhandlungen, gibt es bei Budgetverhandlungen auch sehr harte Situationen bis zum letzten Augenblick. Die Frage, wo man den Konsens findet, ist sicherlich nicht immer ganz leicht zu beantworten. Ich jedenfalls freue mich über jede Unterstützung, die ich dabei bekomme.

Eines möchte ich daher in aller Deutlichkeit sagen: Auf der einen Seite ist es notwendig, daß wir alle zusammenhelfen, um entsprechende Sparpläne auch durchzuhalten, sonst würden wir bestimmte Kriterien, wie etwa einen Abbau der Schulden bei der Einführung des Euro in Österreich, nicht geschafft haben, auf der anderen Seite geht es aber auch darum, notwendige Beschaffungen rechtzeitig durchführen zu können.

Diese Gratwanderung durchzuführen, dieses Mittelmaß zu finden, das ist zweifellos eine sehr schwierige Aufgabe, aber ich freue mich, daß Sie diese Schwierigkeit offensichtlich in ihrer vollen Tragweite erkannt haben.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Wolfram Vindl um die Zusatzfrage.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben in einer vorherigen Anfragebeantwortung gesagt, daß einige Liegenschaften aus den Beständen des Bundesheeres bereits verkauft worden sind. Stehen diese Erlöse für Beschaffungen zur Verfügung?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ja, die Erlöse stehen für Beschaffungen beziehungsweise auch für Neubauten zur Verfügung. Es ist so, daß wir für das Vorjahr ein Ausmaß von 70 Prozent mit dem Finanzministerium vereinbart hatten, für das heurige Jahr sind es 100 Prozent. Es waren auch das sehr schwierige Verhandlungen, muß man dazusagen. Diese 100 Prozent stehen eben für die Beschaffung neuer Güter wie etwa aus dem Bereich des MECH-Paketes zur Verfügung oder auch für notwendige Neubauten im Bereich des Bundesheeres.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage, 1012/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn


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Bundesrat Peter Rodek, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1012/M-BR/99

Hat sich die seit 1. 1. 1998 bestehende Möglichkeit, Frauen in das Bundesheer aufzunehmen, bewährt?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ja, man kann sagen, das hat sich aus allen Erfahrungen, die wir im Verlauf dieses bereits beinahe vollständigen Jahres gewonnen haben, sehr bewährt. In all den Garnisonen, in denen Frauen zum Ausbildungsdienst zugelassen worden sind oder jetzt bereits ihren Dienst versehen, gibt es eigentlich eine einheitliche Beurteilung darüber, daß sich das nicht nur auf das Gesamtklima in der Kaserne durchaus positiv auswirkt, weil sich gezeigt hat, daß die meisten Frauen hochmotiviert und sehr engagiert sind und ihre ganze Bemühung in den Dienst der Sache stellen, sondern daß davon durchaus auch positive Auswirkungen auf den übrigen Bereich ausgegangen sind.

Wir haben bereits zwei Ärztinnen als Hauptmann-Ärztinnen im Normaldienst. Wir können sehen, daß auch die anderen Frauen, die ihren Ausbildungsdienst abgeleistet haben oder eben dabei sind, dies zu tun, wirklich hervorragend arbeiten.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um den Frauen noch mehr diese Möglichkeit, den Ausbildungsdienst beim Bundesheer abzuleisten, bekanntzugeben?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Selbstverständlich ist es für uns nicht sosehr eine Frage unserer eigenen Politik, sondern insbesondere auch eine Frage des Willens der Frauen, sich dafür zu entscheiden, weil es auf rein freiwilliger Basis erfolgt.

Das, was wir tun, ist, daß wir grundsätzlich darüber informieren, daß wir insbesondere auch den Abschluß des ersten Ausbildungsjahres, das Frauen nun beim österreichischen Bundesheer verbracht haben, nutzen werden, um die Situation der Frauen, um das, was sie erreicht haben, et cetera entsprechend zu kommunizieren. Gleichzeitig haben wir auch unseren Informationsoffizieren aufgetragen, daß sie, wenn sie an die Schulen gehen, darüber informieren, daß es diese Möglichkeit gibt und mit welchen Umständen sie verbunden ist. Ich gehe zudem davon aus, daß auch das positive Beispiel, das die Frauen selbst erfahren haben, in ihrer Umgebung entsprechend wirken wird.

Was man insgesamt sagen kann, ist, daß sich all die ursprünglichen Befürchtungen im Zusammenhang mit der Aufnahme von Frauen in das österreichische Bundesheer – viele werden sich daran erinnern, daß wir auch in diesem Hause eingehend darüber diskutiert haben – als völlig gegenstandslos erwiesen haben. Weder hat die Aufnahme von Frauen dazu geführt, daß die Männer jetzt plötzlich ihren Job verlieren, noch hat sie zu enormen Schwierigkeiten im Zusammenleben geführt. Die gleiche Erfahrung, wie sie andere Armeen diesbezüglich gemacht haben, gibt es auch bei uns. Das heißt, die gleichen Erfahrungen, die es im Zusammenleben der Geschlechter in allen möglichen Berufen gibt, gibt es auch im Bereich des Bundesheeres.

Ich freue mich daher – ich muß das sagen, ich habe das immer als einen Meilenstein angesehen –, daß zirka 80 Jahre später, nachdem die Frauen das Wahlrecht in Österreich bekommen haben, nämlich 1919, erreicht werden konnte, daß sie auch zu einer der letzten Berufssparten zugelassen wurden, von denen sie in der Vergangenheit ausgeschlossen waren. Das war für mich eine Grundfrage der Einstellung, daß man das in unserer heutigen Zeit tun soll. Daß das nicht dazu führen wird, daß sich plötzlich Tausende Frauen auf einmal melden werden


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und daß alle Stellen des Bundesheeres plötzlich nur mehr von Frauen besetzt werden, davon bin ich immer ausgegangen. Insofern sehe ich meine Prognosen und meine Einstellung dazu sehr stark bestätigt.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Frau Bundesrätin Hedda Kainz um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Sie haben mit Ihrer Beantwortung schon darauf hingewiesen, daß die ursprünglichen Befürchtungen nicht in diesem Maß eingetreten sind. Eine Befürchtung war auch, daß es Frauen an Karrieremöglichkeiten fehlen könnte. Können Sie aus heutiger Sicht abschätzen, in welchen Bereichen man Frauen im Bundesheer tatsächlich einen Spitzeneinsatz wird ermöglichen können?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ich glaube, daß der bisherige Werdegang der zwei ersten Fachoffizierinnen, die ausgemustert worden sind, gezeigt hat, daß es die vollen Karrieremöglichkeiten für Frauen gibt. Das heißt, daß nach Absolvierung der militärischen Ausbildung den Frauen jede Funktion offensteht, und so sehe ich das auch für die Zukunft. Es gibt keine Beschränkung. Selbstverständlich kann jede Frau jede Funktion erfüllen. Wir sehen auch aufgrund der Anmeldungen, daß es bei jenen Damen, die ihren Ausbildungsgrundwehrdienst beim österreichischen Bundesheer machen, auch großes Interesse für den Offiziers- und Unteroffiziersberuf gibt. Sie werden in wenigen Jahren als Offiziere oder als Unteroffiziere zum normalen Bild des Bundesheeres gehören.

Ich gehe sogar noch weiter. Ich glaube, daß es die wenigen Beschränkungen, die wir vorgesehen haben, durchaus wert sind, überdacht zu werden. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß es nicht notwendig war, Frauen etwa im gesamten Milizbereich nicht im gleichen Umfang zu integrieren, wie das bei den Männern möglich ist. Man sollte das in Zukunft durchaus anders regeln und den Frauen all jene Möglichkeiten bieten, die auch die Männer haben.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Gleich anschließend an Ihre letzten Worte: Welche Überprüfungsschritte haben Sie, wie versprochen, eingeleitet, um festzustellen, wie hoch die Bereitschaft von Frauen wäre, in der Milizorganisation des Bundesheeres zu dienen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Das ist keine Frage der Quantität, sondern das ist eine Frage der grundsätzlichen Einstellung. Das heißt, wir wissen, daß es einige Frauen gibt, die durchaus Interesse daran hätten, aber das ist angesichts der Gesamtanzahl nicht das wichtigste Entscheidungsfaktum, das dabei zu berücksichtigen ist. Es geht einfach darum, daß die Frauen grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten haben sollten wie die Männer.

Es ist damals von seiten des Frauenministeriums die Frage des Zugangs zur Miliz sehr vorsichtig beziehungsweise restriktiv behandelt worden. Wir haben uns damit einverstanden erklärt, weil es darum gegangen ist, das Bundesheer überhaupt für die Frauen zu öffnen. Jetzt, ein Jahr danach, sehen, so glaube ich, alle vieles sehr viel klarer und viel nüchterner, und daher kann man meines Erachtens diesen Weg durchaus fortsetzen. Man sollte sich das für die nächste Legislaturperiode vornehmen und einen zusätzlichen Übergang in der Richtung schaffen, daß man auch die Miliz für die Frauen öffnet.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 10. Anfrage, 1006/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.


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Der als verhindert gemeldete Bundesrat Stefan Prähauser hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung sein Einverständnis bekanntgegeben, daß Herr Bundesrat Karl Drochter in das Fragerecht eintritt.

Ich bitte den Anfragesteller um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Frage lautet:

1006/M-BR/99

Durch welche Maßnahmen wird die Nachtkampffähigkeit und somit die Einsatzbereitschaft des Jagdpanzers Jaguar sichergestellt?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir haben den Raketenjagdpanzer Jaguar von der deutschen Bundeswehr übernommen, und zwar in der Konfiguration, wie ihn die deutsche Bundeswehr zum Zeitpunkt vor zirka drei Jahren hatte, und wir haben ihn bisher auch in diesem Zustand belassen.

Selbstverständlich wird es in Zukunft notwendig sein, auch für dieses Gerät, das uns, gerade was etwa die Reichweite in der Panzerbekämpfung vom Boden aus betrifft, eine neue Dimension eröffnet hat, weil wir damit auch in neue Raketensysteme und in neue Distanzdimensionen hineingegangen sind, die Nachtsichtfähigkeit herzustellen. Wir sind jetzt gerade dabei, möglichst kostengünstige Lösungen dafür zu suchen. Dieses Projekt hat nicht allererste Priorität, aber zweifellos gehört es mittelfristig dazu, daß wir auch in diesem Bereich die volle Kampffähigkeit haben und den modernsten Ansprüchen gerecht werden.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Hinsichtlich eines künftigen Ankaufs von neuen Panzerfahrzeugen interessiert mich, wie groß die Wertschöpfung in Österreich sein wird.

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir haben im Rahmen des sogenannten MECH-Paketes nicht nur den Ankauf des Kampfpanzers Leopard und des Raketenpanzers Jaguar beschlossen, sondern auch gleichzeitig beschlossen, daß wir einen Kampfschützenpanzer und einen Radpanzer erwerben werden, um auf den modernen technischen Stand und den notwendigen Sicherheitsstandard zu kommen, der notwendig ist, um etwa auf dem Gefechtsfeld überleben zu können. Ein Radpanzer bedeutet insbesondere erhöhten Schutz für den Soldaten in einer schwierigen Situation. Das hat auch dazu geführt, daß das Bundesheer die erste Armee war, die die Firma Steyr in die Lage versetzt hat, ihn zu produzieren, indem wir 68 Stück vorweg insbesondere für UN-Zwecke bestellt und erworben haben.

Es ist so, daß diese Fragen eine sehr hohe Priorität haben. Wir haben uns an sich darauf verständigt, daß die Abwicklung des MECH-Paketes in Schritten erfolgt, das heißt, daß ein System nach dem anderen übernommen wird. Es sind etwa die Verhandlungen über den Ascot/Ulan so weit gediehen, daß sie in Kürze abschlußreif sein werden. Nach den Angaben der Generaldirektion der Steyr-Werke muß man davon ausgehen, daß die österreichische Wertschöpfung bei beiden Geräten über 50 Prozent ausmachen wird. Wie hoch der Prozentsatz im Detail sein wird, wird man erst nach dem Abschluß der Verhandlungen, die jetzt gerade stattfinden, sagen können.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Jetzt kommt keine Rücktrittsaufforderung. Das ist noch keine Frage.


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Sie haben mitgeteilt, daß Sie Gespräche mit der deutschen Bundeswehr hinsichtlich der Überlassung der Nachtsichtgeräte für den Raketenjagdpanzer Jaguar geführt haben. Ist es richtig – das ist jetzt die Frage –, daß aufgrund der derzeitigen Vertragsbestimmungen die Ersatzgeräte rückerstattet werden müssen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ich verstehe die Frage nicht ganz, muß ich sagen.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Es gibt für die Ausrüstung des Jagdpanzers Jaguar über den Stand Nachtsichtgeräte, also Reservegeräte, und aufgrund der Leasingbestimmungen, aufgrund der relativ hohen Finanzierungsquote scheint es notwendig zu sein – ich höre, daß es diesbezügliche Vertragsbestimmungen gibt –, daß die Ersatzgeräte rückerstattet werden müssen.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Das ist mir, aber auch der zuständigen Gruppe in der Sektion IV nicht bekannt.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Ludwig Bieringer um die Zusatzfrage.

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Bundesminister! Man spricht immer von den Nachtsichtgeräten. Meine Frage an Sie: Ist der Kampfpanzer Leopard nachtkampffähig?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Selbstverständlich ist der Kampfpanzer Leopard nachtsichtfähig. Er zählt, was seinen Entwicklungsstand betrifft, zweifellos zum besten Gerät weltweit und ist in mehreren Armeen Europas eingeführt. Es haben damals bereits zwei andere Länder darauf gewartet, den Leopard zu übernehmen, wenn wir ihn nicht erworben hätten. Es waren das Dänemark und Norwegen. Das heißt, es ist nicht nur ein hochmodernes Gerät, ein hochleistungsfähiges Gerät, sondern auch eines, das auf alle entsprechenden Aufgabenstellungen vorbereitet ist und auch über eine entsprechende Nachtsichtfähigkeit verfügt.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 11. Anfrage, 1013/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.

Ich bitte Herrn Bundesrat Leopold Steinbichler um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Ich habe folgende Frage an Sie:

1013/M-BR/99

Welche konkreten Maßnahmen für die Modernisierung des österreichischen Bundesheeres haben Sie in den letzten Jahren gesetzt?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister. (Bundesrat Farthofer: Das wird jetzt ein Referat! – Bundesrat Konecny: Eine kritische Frage!)

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Die liebe ich ganz besonders.

Es wurde in den letzten Jahren nicht nur eine große Anzahl von Modernisierungsmaßnahmen gesetzt, sondern die Aufgabenstellung ist darauf hinausgelaufen, eine völlige Neukonzeptionierung im Hinblick auf die künftig zu erwartenden Aufgabenstellungen vorzunehmen, die sich nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ergeben haben. Daher beschränkt sich die Modernisierung nicht nur auf die Beschaffung von


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neuem Gerät, sondern es geht insgesamt auch um neue Strukturen, die wir als eines der ersten Länder 1992 mit der Heeresorganisation-Neu eingeführt haben. Jetzt sind wir gerade dabei, bereits den zweiten Schritt mit der sogenannten Strukturanpassung zu setzen, um noch besser auf die jetzt sich bereits viel klarer und deutlicher als damals abzeichnenden Aufgaben für die Zukunft vorbereitet zu sein und noch besser reagieren zu können.

Natürlich bezieht sich das jetzt nicht nur auf die neue Organisationsstruktur, die etwa auch darauf hinausläuft, daß wir in Zukunft um ein Korps-Kommando weniger haben werden. Dafür werden wir ein neues Kommando für Auslandsaufgaben haben. Damit bekommen wir eine neue Brigadestruktur, und zwar nicht nur im MECH-Bereich, sondern auch im Jägerbereich, und erreichen wir auch eine höhere Präsenzfähigkeit, das heißt auch eine höhere Spezialisierung, weil jede dieser drei Brigaden auf ein bestimmtes Aufgabengebiet speziell vorbereitet sein soll: eine Brigade auf den Alpinbereich, eine auf den Luftlandebereich und eine insbesondere auf bestimmte Aufgabenstellungen im Bereich der Sicherung beziehungsweise der Krisenbewältigung, mit gehärteten Möglichkeiten, das heißt etwa mit dem Einsatz von Radpanzern.

Es geht selbstverständlich auch darum, daß wir unsere Ausbildung voll umgestellt haben, und zwar die Ausbildung der Grundwehrdiener, aber auch die gesamte Offiziersausbildung. Wir haben im Vorjahr eine Fachhochschule aus der Militärakademie gemacht. Wir haben das System der Unteroffiziersausbildung total umgestellt und sie durch die Umwandlung der Heeresunteroffiziersschule in eine Heeresunteroffiziersakademie auf ein höheres Qualitätsniveau gebracht. Noch vieles andere mehr ist geschehen; es würde viel zu weit führen, dies alles im Detail anzuführen.

Was den Ausrüstungsstand der Truppe betrifft, ist es insbesondere darum gegangen, die ganze Zeit über dem enormen Aufholbedarf, den wir im Bereich der Lenkwaffen gehabt haben – weil Österreich als wahrscheinlich einzige Armee vor zehn Jahren noch keine Lenkwaffen besessen hat –, nachzukommen. Daher hat es auch eine Konzentration vieler Mittel auf diesem Sektor gegeben. In diesem Zeitraum sind die Boden-Boden-, die gesamten Boden-Luft- und auch die gesamten Luft-Luft-Lenkwaffen eingeführt worden. Aber auch die Artillerie wurde erneuert, das MECH-Paket hat Platz gegriffen, der erste Radpanzer wurde gekauft, Leopard und Jaguar sind eingeführt worden, aber auch in der Mannesausrüstung ist sehr viel geschehen, und insbesondere wurde auch der gesamte Führungsbereich erneuert.

Man denke nur daran, daß in dieser Zeit die Informationstechnologie große Sprünge gemacht hat und jährlich Hunderte Millionen Schilling dafür aufzuwenden sind, um alles auf Computer umzustellen, neue Simulationssysteme einzuführen und damit den neuesten technischen Standard zu haben.

Das waren die großen Aufgaben, aber es würde viel zu weit führen, das im Detail noch weiter auszuführen.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Kollege Farthofer! Sie haben es gehört: Auf eine klare Frage gibt es eine klare Antwort.

Meine Zusatzfrage: Herr Minister! In welcher Form ist es zu einer Verbesserung der Mannesausrüstung beim Bundesheer gekommen? – Sie haben sie schon angesprochen.

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Es gibt eine ganze Reihe von Verbesserungen. Wir haben etwa einen neuen Helm angekauft, wobei die Beschaffung noch nicht abgeschlossen ist. 20 000 Stück sind bereits da, weitere 20 000 Stück befinden sich im Zulauf. Es gibt neue Splitterschutzwesten, wobei wir, insbesondere was den Regenschutz betrifft, Neubeschaffungen vorgenommen haben, was angesichts unserer klimatischen Verhältnisse insbesondere auch für die Ausbildung der Grundwehrdiener von enormer praktischer Bedeutung ist. Vieles andere mehr wurde angeschafft. Es war damals noch ein großer Teil mit


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dem StG 58 ausgestattet. Wir haben umgestellt, sodaß jetzt für alle StG 77 zur Verfügung stehen. Das heißt, von der Bekleidung über die Bewaffnung bis zur Schutzausrüstung ist sehr viel geschehen.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Erich Farthofer um die Zusatzfrage.

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Auch ich liebe meine Frage, Sie haben sie schon des öfteren gehört. Sie haben jetzt eine Reihe von Modernisierungsmaßnahmen hier erläutert, und Sie wissen, ich bin Vertreter des Wahlkreises Waldviertel. Zu einem Modernisierungsschub, also zu einer Imageverbesserung, gehört natürlich auch ein höheres Ansehen des Bundesheeres beziehungsweise der am Truppenübungsplatz Allentsteig Beschäftigten. Sie wissen, es gibt kontinuierliche Anstrengungen der Bevölkerung des Bezirkes Zwettl, Waidhofen an der Thaya und Gmünd, um die Landeshauptstraße 75 durchgehend befahrbar zu machen. Sie haben einen ersten Repräsentanten in Niederösterreich als Parteifreund, der für die Verkehrspolitik zuständig ist, aber in dieser Frage bis jetzt versagt hat. Sind Sie gewillt, diesbezüglich etwas zu tun?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ich habe meinen Willen, diesbezüglich etwas zu tun, schon wiederholt unter Beweis gestellt, und zwar nicht nur, indem ich einfach Verfügungen getroffen hätte, sondern indem ich mich aufgrund von ganz persönlicher Kenntnisnahme an Ort und Stelle überzeugt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet habe.

Ich möchte aber darauf hinweisen, daß wir zu möglichst fixen Zeiten, zu denen man die Straße benutzen kann, übergegangen sind, was gar nicht immer so leicht war, wenn ich etwa an die Aufstellung diverser Tafeln denke – zuerst waren sie gewünscht, dann wieder weniger – und an verschiedenes andere mehr. Aber ich glaube, wir haben da insgesamt einen Weg gefunden, der praktikabel ist.

Selbstverständlich ist die Durchfahrt mitten durch den Truppenübungsplatz vor allem auch unter Sicherheitsgesichtspunkten zu sehen, und selbstverständlich erfordert es der Übungsbetrieb einfach, daß man hier entsprechend Rücksicht nimmt und auch Gewähr dafür trägt, daß es zu keinen Unfällen kommt. Daher muß es einfach Beschränkungen, wie sie derzeit auch vorhanden sind, auch in Zukunft geben. Noch dazu – ich möchte das in aller Ausdrücklichkeit hier sagen – verfügt das österreichische Bundesheer über nicht mehr als zehn Truppenübungsplätze in Österreich. Ich höre überall, da kann man doch welche abgeben, und ich weiß nicht was alles. Auf der anderen Seite gibt es die Tendenz, die Übungen immer mehr aus dem freien Geländebereich hinaus zu verlagern und auf die Truppenübungsplätze zu konzentrieren. Das heißt, wir werden die Truppenübungsplätze in Zukunft – man sieht es jetzt schon an den Anforderungen und an den Übungsvorhaben – noch viel stärker benötigen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Insofern wäre es auch falsch, hier falsche Versprechungen zu machen.

Das, was ich dazu sagen kann, ist, daß wir uns Mühe geben, daß im Rahmen des Übungsbetriebes, insbesondere in den Morgenstunden und in den Abendstunden, wenn die Pendler ihren Weg aus dem Raum Allentsteig nach Krems antreten und wenn sie wieder zurückkommen, möglichst oft und möglichst regelmäßig eine Durchfahrtsmöglichkeit gegeben ist, weil wir selbst als größter Arbeitgeber in dieser Region natürlich ein ganz großes Interesse daran haben, daß auch alle anderen sozusagen daran teilhaben können. Aber bestimmte Limits sind sicherlich da und auch nicht wegzudiskutieren.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. André d’Aron um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Bei der Modernisierung des Bundesheeres ist natürlich schon zwischen den Auftragsvolumina auf der einen Seite und den tatsächlichen Auslieferungen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Daher die kon


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krete Frage: Wie viele Stück der für 60 000 von 110 000 Mann Heeresgesamtumfang vorgesehenen Splitterschutzausrüstungen und Allwetterkleidungen sind bis dato tatsächlich an die Truppe ausgeliefert worden?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend:
Wir haben 20 000 Stück Splitterschutzwesten und die dazugehörigen Kampfhelme, die an die Truppe ausgegeben wurden. Sie werden jedoch nicht immer an den einzelnen Mann in jeder einzelnen Übungssituation ausgegeben, und zwar auch deshalb, weil es sich dabei um hochmoderne, aber auch hochsensible Systeme handelt, die beim normalen Übungsbetrieb, wenn sie tagtäglich verwendet werden, durchaus frühzeitig Schaden erleiden würden. Sie werden deshalb nicht jedem automatisch zur Verfügung gestellt, sondern die Präsenztruppe soll sie jederzeit zur Verfügung haben.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 12. Anfrage, 1018/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.

Ich bitte Herrn Bundesrat Ernest Windholz um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet:

1018/M-BR/99

Mit wieviel Mann wäre das Bundesheer in der Lage, den zusätzlichen Assistenzeinsatz vor Ort an der niederösterreichischen Grenze nördlich der Donau aufzunehmen?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Bei einer diesbezüglichen numerischen Angabe ist immer die Vorfrage zu stellen: für welchen Zeitraum, wann und für welche Aufgabenstellungen?

Wir haben diese Frage mit dem Innenministerium bereits im Herbst des Vorjahres diskutiert. Es hat konkrete Überlegungen gegeben, eine Mannschaftsstärke zwischen 140 und 170 Mann für den Grenzabschnitt an der March zusätzlich vorzusehen, wenn es erforderlich ist. Das ist die Größenordnung, von der wir damals ausgegangen sind. Eine weitere Spezifizierung dazu ist aber bis jetzt nicht erfolgt.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Sie haben heute imponierende Zahlen betreffend den Assistenzeinsatz gegenüber Ungarn genannt. Im Burgenland sind es 37 000 Illegale; das entspricht 66 Prozent der aufgegriffenen Illegalen.

Im Lichte dieser Erkenntnisse, vor allem aber im Hinblick auf die Sicherheit unserer Republik frage ich Sie: Wurde vom Bundesminister für Inneres an Sie bereits ein konkreter Antrag gestellt, der in Niederösterreich den Assistenzeinsatz zur Gänze vorsieht?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Nein.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Welche Kosten würde das bedeuten?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Man muß davon ausgehen, daß der Personal- und Sachaufwand für 100 Mann für einen Assistenzeinsatz, das heißt von der Beschaffung der Unterkünfte, der gesamten Logistik, Versorgung und Bereitstellung et cetera, ungefähr eine Größenordnung von 30 Millionen Schilling ausmachen würde. Das heißt, das wäre dann je nach der Größe der Truppe zu berechnen. Für ein Gesamtjahr wären für eine Größenordnung von 150 Soldaten ungefähr 45 Millionen Schilling aufzuwenden.

Präsident Gottfried Jaud: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Erich Farthofer.

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Bundesminister! Sie wissen, vor nicht allzu langer Zeit haben zwei Repräsentanten der Freiheitlichen Partei versucht – anscheinend haben sie es getan, denn sie haben festgestellt, daß es möglich ist –, nächtens die Grenze von Tschechien nach Österreich zu passieren – sie haben es x-mal gemacht. Diese beiden Repräsentanten der Freiheitlichen Partei haben in der Öffentlichkeit nicht unbedingt zum Wohle Ihres Ressorts beziehungsweise des Innenressorts behauptet, diese Grenze sei löchrig wie Schweizer Käse. Sind Sie auch dieser Meinung?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir haben die Aufgabe übertragen bekommen, den Ostabschnitt der österreichischen Außengrenze, nämlich den burgenländischen Teil, das heißt den Teil zu Ungarn und zur Slowakei bis an die March, zu überwachen. Die Beurteilung, welche Maßnahmen für die anderen Abschnitte erforderlich sind, fällt in den Kompetenzbereich des Innenministeriums, das sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen hat. Erst wenn eine konkrete Aufforderung ergeht, erfolgen in Abstimmung zwischen den Beamten dieses Ressorts und unseres Ressorts etwa eine Überprüfung und eine Planung von möglichen Maßnahmen.

Ich würde daher ersuchen, die Frage, wie die einzelnen Abschnitte zu beurteilen sind, an den Innenminister zu richten.

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur 13. Anfrage, 1014/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.

Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Meine Frage lautet:

1014/M-BR/99

Welche internationalen Aktivitäten hat das österreichische Bundesheer in den letzten drei Jahren gesetzt?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ich meine, bei den internationalen Aktivitäten sollte man zwischen drei großen Bereichen unterscheiden: erstens: internationale Einsätze; zweitens: Übungen im Rahmen von Organisationen; drittens: Teilnahme an internationalen Organisationen im generellem.

Was die Einsätze betrifft: Das österreichische Bundesheer hat wie bereits in den letzten Jahrzehnten einen Einsatz mit einem Bataillon am Golan und mit einem Bataillon in Zypern durchgeführt, weiters einen mit dem Transportkontingent, dem Logistikkontingent, in Bosnien-Herzegowina in einem Ausmaß von zirka 200 bis 250 Mann. Darüber hinaus gab es eine Reihe von weiteren internationalen Einsätzen, bei denen kleinere Kontingente eingesetzt waren, wie etwa ein österreichisches Kontingent in Zugstärke in Kuwait, das erst im Jänner dieses Jahres nach einem mehr als zweijährigen Aufenthalt und nach Durchführung entsprechender Überwachungsaufgaben nach Österreich zurückgekehrt ist. Es gibt aber auch noch eine Fülle von


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derartigen Einsätzen in anderen Ländern. Gleichzeitig haben wir auch als temporären Einsatz den Einsatz in Albanien bewältigt.

Darüber hinaus hat es auch eine Reihe von Katastropheneinsätzen gegeben, an denen wir uns international beteiligt haben, etwa an der Brandbekämpfung an der dalmatinischen Küste, aber auch an den Unterstützungsleistungen und Hilfseinsätzen angesichts der großen Flutkatastrophe im Vorjahr in Polen und in der Tschechischen Republik. – Das zu den Einsätzen.

Wir haben darüber hinaus im Übungsbereich am Übungsprogramm der NATO-"Partnerschaft für den Frieden" teilgenommen – wie ich glaube, mit großem Erfolg teilgenommen. Einen Teil dieser Übungen haben wir selbst mitvorbereitet. Ich denke dabei an die große Übung in Slowenien im Vorjahr, für die der noch größere Vorbereitungsteil in Österreich stattgefunden hat, unter wesentlicher Mitplanung unserer eigenen Leute. Es würde wahrscheinlich zu weit führen, hier im Detail darauf einzugehen.

Was die Teilnahme an Organisationen betrifft, so kann man sagen, daß wir uns neben den bekannten UN-Aktivitäten insbesondere im Bereich der NATO-"Partnerschaft für den Frieden" engagieren, auch im Bereich der WEU, im Rahmen der wir als Beobachter tätig sind. Neu dazugekommen ist in den letzten beiden Jahren die Teilnahme an CENCOP, einer mitteleuropäischen Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet, bei der auf österreichische Initiative hin eine Zusammenarbeit zwischen Österreich, der Slowakei, Ungarn, Slowenien und Rumänien als Vollmitgliedern zustande gekommen ist, dazu kommen noch die Tschechische Republik und auch die Schweiz als Beobachter – es ist anzumerken, daß die Schweiz in Zukunft als Vollmitglied teilnehmen wird –, unter dem Gesichtspunkt, daß es notwendig ist, regional Stabilität zu schaffen, sich insbesondere als kleinere und mittlere Staaten zu organisieren, um selbst etwas mehr an Gewicht zu bekommen, gleichzeitig aber auch die Möglichkeit zu haben, an bestimmten Einsätzen entscheidungsverantwortlich teilzunehmen.

Insgesamt kann ich daher sagen, daß es zweifellos ein äußerst umfangreiches und auch herausforderndes Programm war, das es zu bewältigen gegeben hat.

Präsident Gottfried Jaud: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Wie beziehungsweise in welchem Ausmaß werden die Kosten für die Auslandseinsätze dem Bundesministerium für Landesverteidigung abgegolten?

Präsident Gottfried Jaud: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend:
Man muß dazu folgendes sagen: Der Aufwand für Auslandseinsätze betrug in den letzten Jahren pro Jahr zwischen 400 Millionen und 450 Millionen Schilling. Zirka 130 Millionen Schilling davon wurden von den Vereinten Nationen der Republik Österreich refundiert. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Der Aufwand, der für die Auslandseinsätze anfällt, ist aus dem Budget des österreichischen Bundesheeres zu finanzieren und stellt zweifellos auch einen wesentlichen Kostenfaktor dar, den es bei unserer Budgeterstellung jeweils mit zu berücksichtigen gilt.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Grillenberger gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sind bei Auslandseinsätzen besondere physiologische Vor- und Nachbetreuungen der Einsatztruppe notwendig oder vorgesehen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend:
Es werden alle Teilnehmer an einem Auslandseinsatz vom österreichischen Bundesheer sehr gut, so glaube ich, auf einen derartigen Einsatz vorbereitet, und zwar nicht nur, was das militärische Handwerkszeug betrifft, sondern das beginnt mit der Aufklärung über Spezifika, die sich auf die jeweiligen Länder beziehen, sodaß man die Landesverhältnisse, die Gebräuche und Sitten kennt, um sich richtig zu bewegen, was gerade im Zusammentreffen mit anderen Kulturen von enormer Bedeutung ist, da andernfalls Zwischenfälle geradezu unvermeidbar wären.

Wenn es erforderlich ist und selbstverständlich auch begleitend dazu, gibt es auch von uns immer wieder psychologische Betreuung. Das heißt, wir befassen uns auch sehr intensiv mit dem psychischen Zustand unserer Soldaten in Extremsituationen.

Man muß dazusagen, daß es sich um Extremsituationen für die Soldaten handelt. Ich denke etwa an den Golan, wo sich die Soldaten – abgesehen von den sporadischen Ausgängen nach Syrien oder Israel – monatelang im wesentlichen im eigenen Kreis befinden, teilweise auf engem Raum, im Winter auf dem Golan unter engen räumlichen Bedingungen, immer auch unter den spezifischen Risikobedingungen. Da entstehen natürlich schwierige Situationen, und wir versuchen, diesen so gut wie möglich Rechnung zu tragen.

Insgesamt kann man sagen: Gerade was das Verhalten unserer Soldaten im Ausland betrifft, kann man feststellen, daß sie auch im Vergleich zu anderen Armeen eine hervorragende Disziplin aufweisen, daß es de facto kaum zu irgendwelchen größeren Zwischenfällen kommt. Sie verstehen es offensichtlich auch besonders gut, mit den Einheimischen umzugehen und sich an die Verhältnisse anzupassen. Das ist von Kuwait bis nach Bosnien der Fall, und das muß man zweifellos hier auch sehr anerkennend aussprechen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Für alle derzeit bestehenden österreichischen Auslandskontingente wurden bislang mehr als 8 Milliarden Schilling ausgegeben. Von der UNO wurden etwa 2,5 Milliarden Schilling refundiert, und zwar an das Finanzministerium. Halten Sie diesen Zustand für das Bundesheer als befriedigend?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Zweifellos bedeutet jede Ausgabenpost, daß für etwas anderes weniger Mittel zur Verfügung stehen, soweit es nicht als Zusatz im Budget berücksichtigt werden kann, was bei manchen Bereichen sicher nur teilweise der Fall ist. Insofern geht es mir darum, auch klar auszusprechen, daß man eben dann, wenn es ein größeres Projekt gibt, dafür finanziell vorsorgen und auch in der Debatte darüber, wie sozusagen die Ausgabenstruktur ist, diesen Umstand entsprechend berücksichtigen muß. Ich bin Ihnen daher für diese Frage durchaus dankbar.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 14. Anfrage, die Herr Bundesrat Gstöttner stellen wird. Ich darf ihn um die Verlesung der Anfrage bitte.

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Bundesminister! Meine Frage lautet:

1007/M-BR/99

Wann wird der österreichische Teil des bereits Ende 1996 beschlossenen MECH-Pakets, das heißt die Beschaffung von Kampfschützenpanzern und Radpanzern, realisiert?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wie ich vorhin ausgeführt habe, haben wir hier eine schrittweise Abfolge vorgesehen, das bedeutet: Übernahme des Leoparden, des Jaguars, dann des Kampfschützenpanzers und dann des Radpanzers. Es ist auch deshalb eine schrittweise Abfolge erforderlich, weil unterschiedliche Schwierigkeitsgrade sozusagen vorgelegen sind, das eine waren zwei Pakete, die uns angeboten wurden und die wir gesamthaft übernehmen konnten, wobei insbesondere der gewaltige Komplex, der bei einer derartigen Übernahme ansteht, bewältigt werden mußte. Jetzt stehen wir vor dem Abschluß des Projekts Kampfschützenpanzer. Nach Abschluß dieses Projekts wird der Radpanzer projektmäßig abgewickelt werden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege? – Bitte.

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Ich möchte noch die Frage stellen, wie die Ausbildung der Fahrer zum Beispiel erfolgt. Erfolgt sie schon bevor die Fahrzeuge oder Panzer geliefert werden oder erst dann, wenn sie bei uns im Lande sind?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Wir haben mit den ersten Ausbildungsmaßnahmen bereits 14 Tage, so glaube ich, nach der Ankaufsentscheidung des MECH-Pakets begonnen und die ersten Ausbildner, Fahrer und Kommandanten bereits damals auch nach Deutschland und nach Holland geschickt, um erste Erfahrungen gewinnen zu können, weil da natürlich ein entsprechender Vorlauf notwendig ist.

Für die übrige Truppe erfolgt die Ausbildung dann im Laufe der Zeit, wobei zu sagen ist, daß wir durchaus die Erfahrung gewonnen haben, daß beim Betreiben der neuen Systeme, etwa des Kampfpanzers Leopard oder auch des Jaguars, noch mehr Wert als bisher auf die Professionalität der eingesetzten Leute gelegt werden muß. Das heißt, im wesentlichen werden wir davon ausgehen, daß in Zukunft nicht nur der Panzerkommandant, sondern auch der Panzerfahrer aus dem Stock der Leute, die hauptberuflich bei uns beschäftigt sind, zu requirieren sein werden, um ein möglichst hohes Ausmaß an Professionalität zu haben, weil es sich um sehr komplexe Systeme handelt und natürlich jeder Fehler, der beim Betrieb oder bei der Handhabung passieren würde, größeren Schaden verursachen kann – ein Moment, das wir mit dieser Vorgangsweise möglichst ausschalten wollen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Dr. Harring. – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Der Ankauf der Radpanzer ist also zumindest zeitlich zurückgestellt, das habe ich Ihrer Antwort entnommen. Hinsichtlich des Ankaufs der Schützenpanzer frage ich Sie, ob Sie andere Angebote als jenes von Steyr zumindest prüfen werden, wenn zumindest eine gleich hohe oder höhere Wertschöpfung für Österreich damit verbunden ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Ich habe beim ersten Bereich sozusagen in der Abfolge auch darauf hingewiesen, daß es hier um komplexe Dinge geht. Wir haben an sich bereits den Radpanzer Pandur angekauft, nämlich 68 Stück, aber nur für eine bestimmte Einsatzaufgabe. Beim Radpanzer spricht man von einer "Radpanzerfamilie", die die unterschiedlichsten Aufgabenstellungen zu bewältigen hat – vom Sanitätspanzer bis zum reinen Mannschaftstransportwagen – und daher auch unterschiedliche technische Spezifikationen aufweisen muß, was insbesondere auch die Turmfrage, wenn ich etwa an den Aufklärungsradpanzer denke, aufgeworfen hat, wodurch automatisch schon mehr Komplexität und sozusa


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gen auch von der Behandlung her ein bestimmter Zeitablauf, dem wir entsprechend nachkommen, gegeben waren und gegeben sind. Dem sind wir entsprechend gefolgt.

Selbstverständlich ist es uns nicht nur darum gegangen, die bestmögliche Versorgung für das österreichische Bundesheer zu haben, sondern auch darum, einen möglichst hohen Nutzen für die österreichische Volkswirtschaft zu erzielen. Daher haben wir uns auch dazu entschlossen, österreichische Unternehmen zu beauftragen.

Es ist, was den Kampfschützenpanzer betrifft, vor kürzer Zeit ein zusätzliches Offert eines anderen Unternehmens eingebracht worden. Selbstverständlich wird auch dieses ordnungsgemäß behandelt, das heißt, es wird überprüft, inwieweit daraus ein höherer Nutzen für Österreich erwartet werden könnte.

Dabei geht es sicherlich nicht nur um den Ankaufs- und Betriebspreis, sondern auch darum, inwieweit der gesamtvolkswirtschaftliche Nutzen auf längere Sicht, das heißt Produktion in Österreich, auch für andere mehr oder weniger gewährleistet werden kann. Aber selbstverständlich überprüfen wir auch ein zusätzliches Angebot, soweit es ernst gemeint ist. Feststellbar ist allerdings, wenn ich das vorwegnehmen darf, daß die Diskussion bereits wieder die übliche Richtung derartiger Diskussionen nimmt, das heißt, daß man dazu neigt, im Mitteleinsatz nicht besonders wählerisch zu sein.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Vindl. – Bitte.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wie hoch ist laut Firmenangaben die österreichische Wertschöpfung beim Kampfschützenpanzer Ulan?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Sie beträgt laut Angaben der Firma Steyr über 50 Prozent. Eine genaue Angabe kann ich jetzt nicht machen, das wird erst nach Abschluß der Gespräche möglich sein. Jedenfalls bietet die Firma Steyr darüber hinaus einen wirtschaftlichen Ausgleich auf 100 Prozent an. Das heißt, sie bietet nicht nur 50 Prozent an, die unmittelbar in Österreich produziert werden, also wo die Wertschöpfung in Österreich erfolgt – da muß man sicherlich auch zwischen Produktion und Wertschöpfung unterscheiden –, sondern sie bietet auch an, daß sie für den restlichen Bereich, wenn man jetzt den Kaufpreis mit 100 gleichsetzt, noch kompensatorische Geschäfte, das heißt das Hereinbringen von anderen Geschäften nach Österreich, vorsieht, um eine möglichst hohe Wertschöpfung für Österreich zu erzielen. Ich glaube, das ist durchaus ein Weg, mit dem wir alle uns einverstanden erklären können.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir gelangen zur 15. Anfrage, die Herr Bundesrat Richau stellt. Ich bitte ihn um die Verlesung.

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Sehr verehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1015/M-BR/99

Wie ist der Stand der Umsetzung der von der Bundesregierung beschlossenen Strukturanpassung der Heeresgliederung?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Betreffend die Strukturanpassung wird in Kürze der nächste bedeutende Schritt erfolgen, und zwar ist geplant, daß mit 1. April die neuen Strukturen eingenommen werden. Das heißt, wir werden dann die Brigade


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strukturen im Jägerbereich einnehmen, wir werden dann auch das Kommando Auslandseinsätze etablieren und somit die wichtigsten Schritte – organisatorisch gesehen – betreffend Neustruktur gemacht haben. Es werden gleichzeitig auch die entsprechenden Besetzungen erfolgen, sodaß die Struktur nicht nur theoretisch gegeben, sondern auch entsprechend mit Personen besetzt ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Inwieweit trägt diese Reform einer neuen Aufgabenstellung des Bundesheeres Rechnung?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Man muß sagen, daß sich mit dem Ende des kalten Krieges die Aufgabenstellung zweifellos sehr stark geändert hat. Die erste Phase war, daß wir von der alten Raumverteidigung auf ein Verteidigungsdispositiv umgestellt haben, das grenznah war, das auf der anderen Seite auch mehr Präsenz als vorher erfordert hat. Das, was wir heute sagen können, ist, daß sich sicherlich der Mix von den Aufgabenstellungen insgesamt verändert hat.

Ich gehe üblicherweise von den drei verfassungsmäßigen Aufgabenstellungen des Bundesheeres aus, nämlich erstens die Landesverteidigung im engeren Sinn, zweitens die Assistenzleistung für andere Bundesbehörden, wenn diese mit ihren Kräften nicht mehr auskommen, das heißt etwa, die Assistenz an der burgenländischen Grenze, an der Ostgrenze, aber auch die Assistenz bei Katastropheneinsätzen, die zweifellos zu einem sehr wichtigen Faktor geworden ist, und drittens der Auslandseinsatz, der auch von unserer Seite vorgesehen wird, im Zuge einer internationalen Solidarität, aber auch in der Erkenntnis, daß Sicherheit heute niemand mehr alleine erzeugen kann, sondern daß es notwendig ist, Krisenherde, insbesondere jene, die vor der Haustür liegen oder die längerfristig auch im europäischen Randbereich für uns von Belang sein können, frühzeitig zu stabilisieren, um negative Rückwirkungen auf uns von vornherein zu verhindern.

Was man sagen kann, ist, daß sich zweifelsohne in Zukunft im Gesamtmix ein wesentlich stärkeres Gewicht für die Auslandsaufgaben ergibt, wenn man etwa davon ausgeht, daß der Balkan auf längere Zeit ein Krisenherd erster Ordnung sein wird und daß Österreich eminentes Interesse daran hat, daß der Konflikt nicht um sich greift, weil das nicht nur enorme wirtschaftliche Auswirkungen hätte und nicht nur humanitäre Überlegungen absolut im Vordergrund stehen, sondern auch weil wir unmittelbar erkennen können, daß jedesmal dann, wenn es eine Krise oder eine stärker krisenhafte Situation am Balkan gibt, wenige Tage später bereits die Auswirkungen in Form von mehr Aufgriffen an der Ostgrenze spürbar sind. Wir leben in einem vernetzten System und haben daher großes Interesse, das zu tun. Das heißt, man kann sagen, in Zukunft werden Auslandseinsätze wahrscheinlich noch mehr Gewicht haben.

Es hat selbstverständlich die Assistenz nach wie vor ein besonderes Gewicht innerhalb des Gesamtspektrums, es wäre aber völlig falsch, darüber den Bereich der eigenen Landesverteidigung zu vergessen, insbesondere deshalb, weil wir uns darauf einstellen müssen, daß es selbstverständlich neue Gefahren und Gefährdungen gibt. Ich möchte das auch hier in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen: Es ist falsch, immer in den alten Kategorien zu denken. Selbstverständlich haben wir nicht mehr das Bedrohungsbild aus der Zeit des kalten Krieges. Aber hat es Ihnen nicht zu denken gegeben, daß es auch in Europa eine Organisation gibt, die vor wenigen Tagen auf Knopfdruck in der Lage war, in fast einem Dutzend europäischer Hauptstädte fast zeitgleich Botschaften zu besetzen, die die entsprechenden Aufklärungsergebnisse hat (Bundesrat Dr. Böhm: Treffend!) und die international mit Gewaltanwendung droht (Bundesrat Dr. Tremmel: Die die schleichende Unterstützung gewisser Parteien hat!), auch wenn sich diese zurzeit noch nicht auf Europa konzentriert?


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Hat etwa die Erkenntnis, daß es Organisationen gibt, wie jene von Osama Bin Laden, die von Kenia bis Afghanistan reicht und die zweifellos, was den Mitteleinsatz betrifft, für nichtstaatliche Organisationen über gewaltige Instrumente verfügt, nicht auch bei manchen zu einem Umdenken geführt? – Viele Experten sagen, es sei nicht fünf vor zwölf, sondern möglicherweise bereits fünf nach zwölf, und wir müssen daher auch alles tun, um uns entsprechend darauf vorzubereiten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Bösch: Das sollten Sie einmal in der Regierung sagen, Herr Bundesminister!)  – Das tue ich auch, darauf können Sie sich verlassen! (Bundesrat Dr. Bösch: Ich bitte darum! – Bundesrat Dr. Tremmel: Mit dem notwendigen Nachdruck wie ein schwerer Kampfpanzer!)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eine Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Kainz gewünscht. – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Die Veränderungen durch das Strukturanpassungsgesetz haben auch in Oberösterreich zu Bedenken geführt. Konnten im Bereich des Milkommandos Oberösterreich diese Bedenken zufriedenstellend geklärt werden?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend:
Veränderungen sind für die Beteiligten immer auch mit Schwierigkeiten verbunden, weil man sich auf neue Situationen einstellen muß. Was wir für Oberösterreich insgesamt in unserer Konzeption vorgesehen haben, ist durchaus etwas Attraktives. Es ist so, daß durch die Neugliederung im MECH-Bereich die 4. Panzergrenadierbrigade einen noch höheren Wirkungsbereich und damit auch größere Bedeutung als bisher erlangt hat.

Zweitens haben wir gerade auch mit den fliegerischen Elementen in Hörsching zweifellos einen wichtigen Bestandteil eines immer wichtiger werdenden Sektors, nämlich des Luftsektors, in Oberösterreich disloziert.

Drittens haben wir wichtige Ausbildungseinrichtungen in ihrer Bedeutung aufgewertet, wie etwa die Heeresunteroffiziersschule zur Heeresunteroffiziersakademie, sie in ihrem gesamten Betrieb et cetera entsprechend gestärkt und vergrößert, und wir stellen den Jägerbereich auf ein neues System um. Diese Umstellungen sind, wie gesagt, für die unmittelbar Betroffenen sicherlich nicht immer mit großer Freude verbunden. Was ich feststellen kann, ist, daß die Anpassung an die Realität bereits erfolgt. Sehr wichtig war dabei zweifelsohne, daß wir auch mit den entsprechenden anderen Ministerien ausgehandelt haben, daß die Umstellung für keinen Betroffenen mit einer persönlichen Schlechterstellung verbunden sein darf, sondern daß er seine Wertigkeiten mitnehmen kann, auch wenn er zwischenzeitig in eine Funktion kommt, die vielleicht der bisherigen nicht ganz entspricht. Ich glaube, daß das notwendig ist, um auch die entsprechende Mobilität zu erzielen.

Zusammenfassend kann ich sagen, daß – wie in vielen anderen Bereichen auch – die eine oder andere Umorganisation zwar nicht mit großer Freude aufgenommen wurde, aber die Erkenntnis, daß es notwendig ist, diese Veränderungen durchzuführen, zweifellos um sich gegriffen hat und daß das Land Oberösterreich sicherlich im Bereich vieler militärischer Einrichtungen auch Aufwertungen erfahren hat.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Welche Bedeutung haben in Ihren konzeptiven Überlegungen die Militärkommandos, und werden dieselben nach der nächsten Strukturreform erhalten bleiben?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Diese Frage wurde im Zuge der Heeresstrukturanpassung umfassend diskutiert, und ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, daß gerade angesichts des föderalen Charakters unseres Bundesstaates die Militärkommanden einen absolut unverzichtbaren Bestandteil darstellen. Sie sind die Verbindungsstelle zwischen den militärischen Einrichtungen – auch über alle Waffengattungen hinweg – und den zivilen Stellen. Die Assistenzeinsätze – vom Katastropheneinsatz bis hin zum Assistenzeinsatz an der Grenze – wären ohne die Möglichkeit, sie über Militärkommanden abzuwickeln, sicherlich nicht in dieser Qualität durchführbar. Daher gehe ich davon aus, daß die Militärkommanden viel länger eine sehr wichtige Existenz darstellen werden, als das selbst die größten Skeptiker in irgendeiner Art befürchten.

Wogegen ich mich auf der anderen Seite nie verschlossen habe, ist, daß veränderte Aufgabenstellungen, wie etwa die Neustrukturierung der Jägertruppe hin zu den Brigaden und damit aus dem unmittelbaren Verantwortungsbereich der Militärkommanden heraus, selbstverständlich auch erfordern, daß es Umstrukturierungen in diesem Bereich gibt. Wir haben daher auch ganz klare Rationalisierungsvorgaben in diesem Bereich, die auch einzuhalten sein werden. Das heißt, wir bemühen uns, schlagkräftige, kompakte Führungsstrukturen zu schaffen, die den jeweiligen Aufgabenstellungen bestmöglich gerecht werden können, dies aber natürlich auch unter möglichst effizienter Nutzung der Kapazitäten, sodaß die Gesamteffizienz des Heeres nicht nur nicht leidet, sondern auch in den einzelnen Unterteilungen, Abteilungen und Strukturen ihren Widerhall findet.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 16. Anfrage, die Herr Bundesrat Dr. Tremmel stellen wird. Ich darf ihn um die Verlesung bitten.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1019/M-BR/99

Welche Notwendigkeiten ergeben sich aus Ihrer Sicht durch den Beitritt Polens, Tschechiens und Ungarns zur NATO für die österreichische Sicherheitspolitik?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Lassen Sie mich zuerst sagen, daß ich mich über den Beitritt von Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn zur NATO sehr gefreut habe, weil es zweifellos eine weitere starke Stabilisierung Mitteleuropas mit sich bringt, wenn diese drei Staaten der stärksten Sicherheitsorganisation des Kontinents angehören, und weil ich auch der Auffassung bin, daß Stabilität letztendlich angesichts der Vielzahl der europäischen Staaten und der Unterschiedlichkeit dieser Staaten nur durch Integration herstellbar ist. Jetzt wissen wir, daß die Integration etwa in den EU-Bereich anhand der komplexen Fragen, die auftauchen – von politischen bis zu zahlreichen wirtschaftlichen Fragen –, viel schwieriger ist. Umso mehr war es zu begrüßen, daß die NATO als erste diesen Schritt getan und damit das Abkommen von Jalta, die Teilung von Europa in zwei Hälften, effektiv überwunden hat. Das war ein Tag, der geschichtliche Bedeutung hat. Das muß man auch in aller Klarheit aussprechen.

Natürlich ergeben sich davon auch Auswirkungen, die wir heute nicht übersehen dürfen, weil damit zwei weitere Nachbarstaaten der NATO angehören. Das hat mehrere Auswirkungen, im praktischen Bereich, wie wir bereits gesehen haben, etwa in der Form, daß man, wenn man sich von einem dieser Staaten in den anderen bewegen will, weil man eine Übung macht, an uns herantritt und um Durchfuhrgenehmigungen ersucht. Es ist in der heutigen Zeit nicht nur rechtlich möglich beziehungsweise war immer rechtlich möglich, sondern erscheint meiner Ansicht nach auch politisch richtig, daß wir diesen Integrationsprozeß nicht hemmen, sondern


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fördern und unterstützen, daß wir unseren Nachbarn Stütze sind und ihnen Hilfestellung geben und nicht das Gegenteil.

Wir sind gerade dabei, eine neue Vorgangsweise zu erarbeiten; die politische Diskussion der letzten Wochen hat das gezeigt. Dies gilt insbesondere deshalb, weil wir auch immer wieder auf unsere Nachbarstaaten angewiesen sind, wenn wir selbst Bedarf an zusätzlichen Kapazitäten haben, wie sich etwa kürzlich in Westösterreich angesichts der Lawinenkatastrophe gezeigt hat, als wir sehr gerne Hilfe aus NATO-Staaten entgegengenommen haben. – Das ist ein Punkt.

Die wesentliche Frage, die sich für mich aber durch diesen Beitritt stellt, ist folgende: Wird Österreich rechtzeitig die Gelegenheit ergreifen, an der Neubildung Mitteleuropas im sicherheitspolitischen Bereich Anteil zu haben, aktiv mitzuwirken oder nicht? – Das ist die Grundfrage, die sich stellt, weil es insbesondere darum geht, daß wir jetzt davon ausgehen können, daß zwei unserer Nachbarländer – die Tschechische Republik und Ungarn – in alle transatlantischen Entscheidungen und damit auch in alle europäischen Entscheidungen, die den mitteleuropäischen Raum betreffen, miteinbezogen sein werden. Wir hingegen werden teilweise nur am Rande davon berührt sein. Wir werden manchmal versuchen müssen, unsere eigenen Interessen von Prag oder auch von Budapest vertreten zu lassen. Das ist eine Frage, die sich fast zwangsläufig ergibt, wobei auch wirtschaftliche Auswirkungen sicherlich vorhanden sein werden. Es wäre naiv, zu glauben, daß sich nicht auch weitergehende Strukturfragen wie großangelegte Verkehrswege, Eisenbahnstrukturen, Autobahnstrukturen, nach den geopolitischen und nach den strategischen Ausrichtungen orientieren. Aber das ist eine Sache, die sozusagen zusätzlich hinzukommt.

Zusammenfassend kann man sagen: mehr Stabilität, aber auch die Herausforderung für uns, die Frage nach der eigenen Mitwirkung am sicherheitspolitischen Aufbau Europas zu stellen. Das ist eine Herausforderung, die sich neu stellt.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Kollege.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Unter Bedachtnahme auf Ihre Ausführungen, sehr geehrter Herr Bundesminister, frage ich Sie: Ist das nicht ein Kuriosum beziehungsweise eine "Lachnummer" – so hat das Redakteur Michael Jungwirth in der "Kleinen Zeitung" geschrieben –, weil einerseits der Einsatz der NATO-Hubschrauber in Galtür ohne besondere Genehmigung erfolgte und weil andererseits US-Sondervermittler Holbrooke für seine Vermittlungsmission im Kosovo erst nach fünf Tagen die Überflugserlaubnis bekam – und was besonders pikant dabei ist: Er wartete nicht darauf und flog über die Schweiz?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Man muß das Problem sicherlich in seiner Komplexität sehen, und zwar, ich sage jetzt, von Verhaltensweisen, die aus früheren Situationen herrühren, und des Anpassungsbedarfs an die neue Situation. Da ist es eben notwendig, auch neue Wege zu gehen.

Was ich aus meiner Sicht sagen kann, ist folgendes: Es fahren Tag für Tag Dutzende, ja Hunderte Fahrzeuge der NATO durch Österreich zu ihrem Einsatzort in Bosnien. Es fahren jedes Jahr insgesamt Tausende, Zehntausende NATO-Soldaten durch Österreich. Wenn Sie auf der Westautobahn oder auch auf der Südautobahn unterwegs sind, werden Sie wahrscheinlich fast bei jeder Fahrt derartige NATO-Fahrzeuge überholen oder ihnen begegnen, denn es spricht gar nichts dagegen, sondern es ist selbstverständlich, daß wir diesen Einsatz unter NATO-Kommando in Bosnien unterstützen. Wir selbst nehmen daran teil, und die bestmögliche Versorgung der Truppe hat auch Auswirkungen auf unsere eigene Situation.

Natürlich muß man sich die Frage stellen, ob es richtig ist, wenn man auf der einen Seite einen derartigen Einsatz beziehungsweise die entsprechende Durchfuhr ermöglicht, daß man auf der anderen Seite Übungen für einen derartigen Einsatz, das Zusammenwirken der Kräfte für einen derartigen Einsatz in der Vorbereitung behindert. Ich glaube, das ist die Grundfrage. Diese sollte


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man konsequent und zielorientiert angehen. Dann bin ich davon überzeugt, daß wir diesbezüglich in absehbarer Zeit zu Lösungen kommen werden, die ganz anders aussehen als die heutigen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Minister.

Eine Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Mag. Strugl gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welche Ziele werden mit der CENCOP-Initiative verfolgt?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 42

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend:
Die CENCOP-Initiative ist eine Initiative, die von Österreich aus gestartet wurde. Sie umfaßt die kleinen und mittelgroßen Staaten Mitteleuropas und soll eine militärische Zusammenarbeit ermöglichen, bei der man davon ausgeht, daß keines dieser Länder in der Lage ist, selbständig für einen möglichen Einsatz ein größeres Kontingent zu stellen, daß man das aber miteinander sehr wohl kann – sehr viel effizienter kann –, weil es auch Spezialisierungen auf bestimmte Aufgabenstellungen gibt und man damit insbesondere auch die Möglichkeit erhält, am Planungs-, Entscheidungs- und Durchführungsprozeß verantwortlich mitzuwirken.

Wenn man nur ein kleines Kontingent hat, ist man automatisch das Anhängsel eines großen; wenn jedoch mehrere kleine zusammenarbeiten, sind diese in der Lage, mehr aufzustellen – wie das etwa die nordischen Staaten mit großem Erfolg seit mehreren Jahren bereits tun, indem sie eine nordische Brigade aufgestellt haben –, und so ergibt sich auch für uns eine ähnliche Zielsetzung. Wir haben uns daher auch vorgenommen, im CENCOP-Bereich in Zukunft in der Lage zu sein, in Brigadegröße an internationalen Einsätzen teilzunehmen.

Das ist natürlich eine Entwicklung, die nicht von heute auf morgen erfolgen kann, sondern deren Vorbereitung und auch Durchführung sicherlich mehrere Jahre erfordert.

Wir haben bereits an anderer Stelle damit begonnen, eine effiziente Zusammenarbeit durchzuführen, wenn Sie etwa daran denken, daß neben unseren Soldaten beziehungsweise im Rahmen des österreichischen Bataillons in Zypern sowohl eine ungarische Kompanie als auch ein slowenischer Zug tätig sind oder daß auch ein slowakisches Kontingent im Rahmen unseres Bataillons am Golan tätig ist, sodaß da bereits eine effektive Einsatzzusammenarbeit erfolgt. Jetzt wollen wir das auch in der Vorbereitung entsprechend umsetzen, um dann von vornherein gemeinsam sehr wirkungsvoll bestimmte Missionen durchführen zu können.

Ich konnte erkennen, daß das sehr große Resonanz gefunden hat – bis hin zur Schweiz, die sich eben jetzt anschickt, auch als Vollmitglied beizutreten –, und ich erwarte mir gerade davon nicht nur einen großen Beitrag zur Stabilisierung in Mitteleuropa selbst, sondern auch zur Effizienz von militärischen Sicherungseinsätzen in Europa und außerhalb Europas.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine zweite Zusatzfrage wird gewünscht: Herr Bundesrat Konecny, bitte.

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Ich habe gerade gelernt, daß europäische Investitionsentscheidungen auf dem Gebiet des Straßen- und Eisenbahnbaus nicht etwa durch die Transeuropäischen Netze der Europäischen Union, sondern von der NATO determiniert wurden.

Darf ich Sie – nachdem ich unterstelle, daß Sie dann auch solchen Überlegungen folgen – fragen, durch welche strategischen Überlegungen Ihre bekannte Gegnerschaft gegen den Bau des Semmering-Basistunnels geprägt ist? (Bundesrat Dr. Tremmel: Das gehört zwar nicht zur Sache, ist aber trotzdem interessant!)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Herr Bundesrat Konecny! Ich freue mich sehr, daß Sie dieses Thema ganz konkret ansprechen, weil ich glaube, daß es wichtig ist, daß wir in unserer Situation – in einer Situation der Neuordnung Europas – nicht an Tabuthemen vorbeigehen, sondern sie aufgreifen sollen. Sie waren auch immer jemand, der seine Bereitschaft dazu gezeigt hat.

Ich möchte vielleicht noch einmal folgendes erklären: Das, was sich für mich eigentlich sehr klar ergibt, ist, daß selbstverständlich infrastrukturelle Entscheidungen – und zwar nicht nur von der Führung her, sondern auch von der Priorität der Projekte her – auch unter sicherheitspolitischen Aspekten – nicht nur nach wirtschaftlichen und nicht nur nach anderen entwicklungsmäßigen Überlegungen – erfolgen.

Es wäre naiv, zu glauben, daß dem nicht so ist. Denken Sie nur daran, wie unser Straßennetz oder unser Autobahnnetz aussieht und wann die Grundlagen dazu geschaffen wurden! Denken Sie nur daran, wie das französische Straßennetz aussieht und wann die Grundlagen dazu geschaffen wurden! – In Frankreich gibt es heute noch als eines der wichtigsten Verkehrssysteme das System der "Routes Nationales", das zur Zeit Napoleons geplant und auch verwirklicht wurde. Selbstverständlich bezieht sich das etwa auch auf die ganze Prioritätenbildung für Mitteleuropa: Welche Verkehrswege aus dem nord- in den südeuropäischen Raum, insbesondere in den südosteuropäischen Raum werden mit welcher Priorität durchgeführt? – Das sind die Hauptfragen dabei.

Ich glaube, daß es völlig falsch wäre, jetzt mit dieser Grundfrage sehr heiß umstrittene Einzelfragen der österreichischen Verkehrsplanung zu verknüpfen. Damit täten wir meiner Ansicht nach genau das Falsche, nämlich daß wir mitten in die Emotionalität hineinstoßen und damit eigentlich etwas, das zukunftsorientiert, rational zu behandeln ist, vielleicht abblocken. – Insofern werde ich gerne darauf verzichten, auf den zweiten Teil Ihrer Frage näher einzugehen. (Heiterkeit des Bundesrates Konecny. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Nach Ablauf der Zeit sind wir am Ende der Fragestunde angekommen.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt sind vier Anfragebeantwortungen, und zwar 1452/AB bis 1455/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingegangenen Anfragebeantwortungen.

Eingelangt sind ferner Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Irene Crepaz: "Der Herr Bundespräsident hat am 19. Februar 1999, Zl. 300.100/14-BEV/99, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Inneres Mag. Karl Schlögl am 18. März 1999 den Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek und am 19. März 1999 die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer mit der Vertretung.

Für den Bundeskanzler: Dr. Wiesmüller"


Bundesrat
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Das zweite Schreiben lautet:

"Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner am 18. und 19. März 1999 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer mit der Vertretung.

Für den Bundeskanzler: Dr. Wiesmüller"

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Verlesung dieser Schreiben.

Weiters eingelangt ist ein Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BIG-Gesetz, veröffentlicht im BGBl. Nr. 419/1992, geändert wird (5. BIG-Gesetz-Novelle).

Gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz unterliegt dieser Beschluß nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates. Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Der Herr Präsident hat diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Der Herr Präsident hat all diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Gleichzeitig ist der Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Übereinkommen über die Markierung von Plastiksprengstoffen zum Zweck des Aufspürens samt Anhang und Erklärung der Republik Österreich eingelangt, den der Herr Präsident dem Ausschuß für innere Angelegenheiten zugewiesen hat. Der Ausschuß hat jedoch die Verhandlung über diese Vorlage vertagt.

Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich beabsichtige, die Debatte über die Punkte 2 bis 9, 10 und 11 sowie 16 bis 18 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gehen daher in die Tagesordnung ein.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz geändert wird (1591/NR der Beilagen sowie 5880/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zu Punkt 1: Bundesgesetz, mit dem das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Rodek übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Peter Rodek: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Der Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wachebediensteten-


Bundesrat
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Hilfeleistungsgesetz geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor. Ich kann daher von einer Verlesung Abstand nehmen und mich auf die Antragstellung beschränken.

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 16. März 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gstöttner. – Bitte.

11.10

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Wir können erleben, daß an den Exekutivdienst immer höhere Anforderungen gestellt werden. Höhere Anforderungen bedeuten aber auch gesteigertes Risiko, was wiederum eine verstärkte, spezielle Ausbildung für Sondereinheiten und Einsatzkommanden erforderlich macht.

Leider kommt es immer wieder zu schweren und tödlichen Unfällen. Anlaßfälle zeigen, daß besonders oft Jungfamilien betroffen sind beziehungsweise betroffen waren. Die vorliegende Gesetzesnovelle beinhaltet, daß der Bund die besonderen Hilfeleistungen an Wachebedienstete oder deren Hinterbliebenen auch dann erbringt, wenn diese Bediensteten im Zuge ihrer Ausbildung einen Dienst- oder Arbeitsunfall erleiden. Diese neue Regelung und auch der Entschluß, den ursprünglichen Betrag von 1 Million auf 1,5 Millionen Schilling aufzustocken, sind zu begrüßen. Es bringt dies eine erhöhte Sicherheit und bestimmt auch mehr Motivation für die Betroffenen mit sich.

An dieser Stelle möchte ich den Exekutivorganen für ihre verantwortungsvolle und erfolgreiche Tätigkeit im Dienste unserer Sicherheit herzlich danken.

Die sozialdemokratischen Bundesräte werden gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einwand erheben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Richau. – Bitte.

11.11

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Herr Bundesminister! Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Novellierung des angeführten Gesetzes ist, wie schon erwähnt, ein wichtiger Schritt für die mehr als 30 000 österreichischen Exekutivbeamten. Zum einen wurden in diese Novelle all jene Punkte eingebaut, die in den letzten Jahren Probleme bereitet haben. Unfälle bei Übungen, einsatzähnlichen Übungen und so weiter wurden nicht als Unfälle gewertet, und somit war man von diesem Gesetz ausgeschlossen.

Zum zweiten haben aber die letzten Jahre gezeigt, daß gerade der Beruf des Exekutivbeamten größere Anforderungen mit sich gebracht hat und das Risiko, vor Ort irgendeinen Schaden zu erleiden, größer geworden ist. Da wurde ein wichtiger Schritt für die Familien der Exekutivbeamten gesetzt, weil es sich vielfach gezeigt hat, daß in den letzten Jahren bei Dienstunfällen, bei tödlichen Unfällen die Familie beziehungsweise die Hinterbliebenen im gesamten nicht abgesichert waren.

Diese Gesetzesnovelle beinhaltet nun diese Sicherung; dafür ein recht herzliches Dankeschön.

Ich möchte mich aber hier auch auf die Seite der Betroffenen und all jener stellen, die an diesem Gesetz mitgewirkt haben, und ihnen danken. Ich habe den Verlauf dieses Gesetzes und den Verlauf dieser Novelle mitverfolgt, weil ich zum Teil selbst involviert war. An meiner Dienststelle war einer meiner Kollegen eigentlich der Initiator dafür. All jenen der Personalvertretung in der Exekutive, die sich mit diesem Problem befaßt haben, den politisch Verantwortlichen, dem


Bundesrat
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Ministerium und Ihnen allen ein recht herzliches Dankeschön für diese Novelle. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.13

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Windholz. – Bitte.

11.13

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Hohes Haus! Ich erlaube mir, auch Herrn Zollwachebrigadier Johann Wagner aus dem Bereich des Finanzministeriums zu begrüßen. Von dem Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz werden wir uns alle wohl wünschen, daß es totes Recht bleiben möge. Die Gewaltbereitschaft nimmt jedoch immer mehr zu, und es gibt immer wieder ganz tragische Fälle.

Ich begrüße es außerordentlich, daß es zu dieser Novellierung kommen wird. Das betrifft vor allem zwei Bereiche, zum einen die Ausdehnung der Anspruchsberechtigten in § 10a und zum zweiten die Erhöhung der Mittel in § 7 Abs. 1 von derzeit 1 Million auf 1,5 Millionen Schilling.

Ich möchte hier aber doch klar deponieren, daß uns Freiheitlichen bezüglich dieses Themas noch einige Dinge abgehen. Zum einen betrifft das § 9 Abs. 4, in dem vorgesehen ist, daß auf die Leistungen des Bundes nach den Absätzen 1 bis 3 kein Rechtsanspruch bestehe. Wir meinen, dieser Passus, dieser Abs. 4 gehört gestrichen. Es muß ein Rechtsanspruch bestehen.

Weiters betrifft § 9 Abs. 1 Ziffer 1 die Aufnahme des Schmerzengeldes. – Dies ist noch immer nicht erfolgt. Man kann nur hoffen, daß die Verantwortlichen weiterhin hinter der Exekutive stehen und es rasch zu einer Novellierung kommen wird, bei der diese Dinge, die von mir hier im negativen Bereich aufgezählt wurden, entsprechend novelliert und bereinigt werden. Im Nationalrat blieb ein diesbezüglicher Initiativantrag beziehungsweise Abänderungsantrag der Freiheitlichen leider Gottes in der Minderheit und fand noch keine Mehrheit. Ich hoffe, daß sich dies bald ändern wird. – Ich bedanke mich für die Zustimmung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Kooperationsübereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Italienischen Republik, dem Königreich Spanien, der Portugiesischen Republik, der Griechischen Republik, der Republik Österreich, dem Königreich Dänemark, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, Vertragsparteien des Schengener Übereinkommens und des Schengener Durchführungsübereinkommens sowie der Republik Island und dem Königreich Norwegen betreffend den Abbau der Personenkontrollen an


Bundesrat
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den gemeinsamen Grenzen samt Erklärungen und Anlage (1420 und 1592/NR sowie 5881/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Protokoll zur Änderung der Artikel 40, 41 und 65 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985, unterzeichnet am 19. Juni 1990 in Schengen (1421 und 1593/NR sowie 5882/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Protokoll über den Beitritt der Regierung der Republik Finnland zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage (1422 und 1594/NR sowie 5883/BR der Beilagen)

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt der Republik Finnland zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage (1423 und 1595/NR sowie 5884/BR der Beilagen)

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Dänemark zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage (1424 und 1596/NR sowie 5885/BR der Beilagen)

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage (1425 und 1597/NR sowie 5886/BR der Beilagen)

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Schweden zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage (1426 und 1598/NR sowie 5887/BR der Beilagen)


Bundesrat
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9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage (1427 und 1599/NR sowie 5888/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 bis 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Kooperationsübereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Italienischen Republik, dem Königreich Spanien, der Portugiesischen Republik, der Griechischen Republik, der Republik Österreich, dem Königreich Dänemark, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, Vertragsparteien des Schengener Übereinkommens und des Schengener Durchführungsübereinkommens sowie der Republik Island und dem Königreich Norwegen betreffend den Abbau der Personenkontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Erklärungen und Anlage,

ein Protokoll zur Änderung der Artikel 40, 41 und 65 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985, unterzeichnet am 19. Juni 1990 in Schengen,

ein Protokoll über den Beitritt der Regierung der Republik Finnland zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage,

ein Übereinkommen über den Beitritt der Republik Finnland zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage,

ein Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Dänemark zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage,

ein Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage,

ein Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Schweden zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage sowie

ein Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage.

Die Berichterstattung über die Punkte 2 bis 9 hat Herr Bundesrat Rodek übernommen. Ich bitte ihn um die Berichterstattung, die Verlesung des Titels erübrigt sich. – Bitte.

Berichterstatter Peter Rodek: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Berichte des Ausschusses für innere Angelegen


Bundesrat
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heiten zu den Punkten 2 bis 9 liegen Ihnen schriftlich vor. Ich kann auch hier von einer Verlesung Abstand nehmen und mich auf die Antragstellung beschränken.

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlagen am 16. März 1999 mit Stimmenmehrheit die Anträge, zu den Punkten 2 bis 9 keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

11.20

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Wir Freiheitlichen haben an Ihren Kollegen Mag. Schlögl am 19. November vergangenen Jahres eine dringliche Anfrage hier im Bundesrat in bezug auf den Vollzug des Schengener Abkommens gestellt. Wir konnten damals aufzeigen, daß durch die Vorkommnisse am Brenner – Sie erinnern sich, es waren damals unkontrollierte Flüchtlingsströme aufgetreten – das Abkommen von Schengen durch das vertragswidrige Verhalten von Italien ad absurdum geführt wurde.

Meine Damen und Herren! Dieses Chaos in einer wichtigen Institution der EU, das wir vor knapp einem Jahr hier aufgezeigt haben, war repräsentativ für die Lage aller Politikfelder in der Europäischen Union. Wir haben in den letzten Tagen durch das Aufbrechen der Korruptionsbeule den Moloch EU auf eine Art und Weise vorgeführt bekommen, wie sie deutlicher und demaskierender nicht hätte sein können!

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen haben deshalb auch die Einberufung des EU-Ausschusses des Bundesrates verlangt, und ich bin dem stellvertretenden Vorsitzenden dafür dankbar, daß er es ermöglicht hat, daß wir am vergangenen Dienstag über die Europäische Union und die gravierenden Veränderungen, die sich dort ergeben haben, diskutieren konnten. Denn 18 Millionen Arbeitslose in der EU verlangen nach einer Verbesserung der Beschäftigungspolitik. Die Arbeitslosen erhoffen sich durch die groß angekündigten Beschäftigungsmaßnahmen endlich eine Verbesserung ihrer Situation. Man darf diese Menschen nicht länger enttäuschen.

Wir Freiheitlichen forderten in diesem Zusammenhang schon seit längerem von den Regierungsparteien konkrete Maßnahmen wie die Senkung der Abgabenlast und steuerlicher Privilegienabbau, eine Senkung der Lohnnebenkosten, Senkung der Lohnsteuer, steuerliche Entlastung nicht entnommener Gewinne, Anhebung der Forschungs- und Entwicklungsquote, Erleichterung der Unternehmensgründung und Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die kleinen und mittleren Unternehmen in ihrer Gesamtheit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Einführung der trotz der schlechten Rahmenbedingungen von Ihnen beschlossenen Währungsunion kommt mit schnellen Schritten auf uns zu. Die europäischen Bürger müssen auf diese Währungsumstellung vorbereitet und die Gesetzesvorhaben für die Einführung rechtzeitig abgeschlossen werden, um die mit der Einführung verbundenen Nachteile möglichst in Grenzen zu halten. Denken Sie nur an die Umwechslungskosten, die derzeit im Bankenbereich entstehen. Diese Nachteile werden für den Konsumenten erheblich sein!

Eine Verschiebung des Einführungszeitpunktes, meine Damen und Herren, darf kein Tabu, ja sie muß im Lichte der realiter eigentlich nicht erreichten Konvergenzkriterien geradezu eine Forderung sein, umso mehr, als der Euro mittlerweile bewiesen hat, daß er eine weiche Währung ist.

In diesem Zusammenhang erheben wir weiterhin die Forderung nach einer Senkung der Nettozahlungen, also eine Senkung des Nettobeitrages und damit die Entlastung des nationalen Haushaltes und der Steuerbelastung der Österreicher. Gerade auch im Lichte der zusätzlichen


Bundesrat
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Belastungen, die uns als Grenzstaat über die Verpflichtungen des Schengener Abkommens aufgebürdet wurden, ist diese Forderung heute aktueller denn je.

Meine Damen und Herren! Die Sicherung der Grenzen im Rahmen der EU-Osterweiterung ist von uns auch im Lichte des Schengener Abkommens immer und immer wieder im Rahmen der Debatten hier im Bundesrat angeschnitten worden. In der EU selbst wie in den Kandidatenländern ist an den entsprechenden Reformen zu arbeiten. So lange diese Reformprozesse nicht abgeschlossen und die Beitrittskandidaten sich dem westlichen Standard nicht angenähert haben, solange kann es nach Auffassung der Freiheitlichen keine Osterweiterung geben. Das muß von den Regierungspolitikern auf europäischer und auf österreichischer Ebene klar vertreten werden und auch im Rahmen der Verhandlungen mit den Kandidatenländern klar gesagt werden, damit sich diese Menschen keine unberechtigten Hoffnungen machen.

Wir Freiheitlichen fordern deshalb erneut eine Sicherstellung der Grenzregionen durch gezielte Förderungsprogramme. Die Schengenreife der östlichen EU-Aspiranten – denn, meine Damen und Herren, es darf zu keinem Import von Kriminalität aus dem Osten kommen –, der Schutz vor unkontrollierter Migration und ein Ausstieg der EU-Aspiranten aus der Atomenergie sind einige jener Punkte, die wir Freiheitlichen im Rahmen dieser Diskussion immer wieder gefordert haben.

Denn auch über den Ausstieg aus der Atomkraft sollte hier nicht nur philosophiert, sondern dieser muß endlich auch praktiziert werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die Bundesregierung ergeht sich bei dieser Problematik nur in leeren Ankündigungsfloskeln. Im Gegenzug müßte von österreichischer Seite dazu mitgeholfen werden, daß alternative Energieformen verstärkt gefördert werden können.

Wir Freiheitlichen fordern im Rahmen dieser Thematik weiters den Schutz der österreichischen Wasserressourcen. Über diese Problematik konnten wir hier im Bundesrat schon im Rahmen einer dringlichen Anfrage von uns Freiheitlichen debattieren. Damals erfuhren wir, daß die Regierungsparteien in dieser wichtigen Frage eigentlich kein klares Ziel und keinen klaren Plan in bezug auf die Politik auf europäischer Ebene haben.

Über den von dieser Bundesregierung vollführten Zickzackkurs im Rahmen von Neutralität, NATO, GASP und EU zu reden, möchte ich Ihnen heute ersparen. Wir haben darüber schon an anderer Stelle und zu anderer Zeit diskutiert.

Keine Umsetzung der Agrarreform im Rahmen der Agenda 2000 ist eine weitere Forderung, die in diesem Zusammenhang erhoben werden muß, damit den österreichischen Bauern der Wettbewerb mit amerikanischen Agrarfabriken und ähnlichen Konkurrenten zu Weltmarktpreisen erspart bleibt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Statt dessen ist die Renationalisierung der Landwirtschaft und ihrer Förderung endlich vorzubereiten.

Ich komme nun zum letzten und wichtigsten Bereich, angesichts dessen es gut ist, daß gerade Sie, Herr Bundesminister, als Minister für Justiz heute in Vertretung des Herrn Innenministers anwesend sind, denn ich komme zur Betrugsbekämpfung. Im Jahre 1997 wurden in der Europäischen Union ...

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege! Sie haben jetzt schon mehr als die Hälfte Ihrer Redezeit für Nicht-Schengen-Themen verwendet. Ich bitte Sie, zum Thema zurückzukehren.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (fortsetzend): Frau Vizepräsidentin! Ich nehme Ihre Mahnung gerne zur Kenntnis. Ich komme augenblicklich wieder zurück zum Thema.

Im Jahre 1997 wurden in der Europäischen Union 5 000 Betrugsfälle mit einem Gesamtschaden in der Höhe von über 20 Milliarden Schilling aufgedeckt. Der tatsächliche Mißbrauch von EU-Subventionsgeldern dürfte aber bei weit über 50 Milliarden liegen, wir haben das im Zuge der Diskussion über die Betrugsfälle in der letzten Zeit öffentlich gehört.


Bundesrat
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Der Rücktritt der Kommission hat ein bezeichnendes Licht auf die EU geworfen, eine multinationale Einrichtung – Frau Vizepräsidentin, ich komme zu meinen Schlußsätzen –, die auf Betrug und Vetternwirtschaft aufgebaut ist. Den Nationalstaaten, meine Damen und Herren, wird das Geld abgenommen, um es dann in zwielichtigen Betrugskanälen verschwinden zu lassen.

Welch ein europäisches Parlament ist das, das gegen eine solche Kommission nicht einmal einen Mißtrauensantrag durchbringt? Welch eine EU ist das, die sich so entwickelt hat, daß Einrichtungen wie das EU-Parlament und der Europäische Rechnungshof die Rechtmäßigkeit nicht einmal mehr sicherstellen konnten? – Es muß jetzt der Not gehorchend ein Amt zur Betrugsbekämpfung eingerichtet werden, weil die maßgebenden Politiker der EU – diese gehören Ihren Parteien an, meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ! – den Betrug dort zum System gemacht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Amt für Betrugsbekämpfung wird bald so groß werden müssen wie die gesamte Kommission und ihre Beamtenschaft, denn anders wird dieser Augiasstall nicht zu reinigen sein!

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen sehen unsere Politik im Rahmen von Schengen und die Forderungen, die wir im Rahmen derselben sowie der anderen Politikfelder der Europäischen Union immer wieder vorgebracht haben, mehr als bestätigt.

Wir werden deshalb auch bei dieser Debatte einen Entschließungsantrag einbringen und diesen Vorlagen betreffend Schengen selbstverständlich keine Zustimmung geben. Wohin unkontrollierter Zentralismus führt, mußten wir in diesen Tagen sehen. Wir Freiheitlichen werden deshalb dem Brüsseler Zentralismus weiterhin das Modell eines Europas der Vaterländer entgegenstellen, das seine demokratischen Wurzeln in den nationalen Parlamenten hat und gemäß dem Subsidiaritätsprinzip organisiert werden soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich hoffe, daß wir in den weiteren Redebeiträgen sehr wohl etwas zum Thema hören werden. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das gehört schon zum Thema!) Es hat eindeutig nicht zum Thema gehört, und ich hoffe, daß das auch in dieser Weise protokolliert wird.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Repar. – Bitte.

11.30

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich werde ich Ihrer Aufforderung nachkommen und zum Thema sprechen.

Die heute vorliegenden Übereinkommen, vor allem das Kooperationsübereinkommen möchte ich dazu nutzen, um einige grundsätzliche Überlegungen zum Schengener Abkommen im speziellen und zur EU im allgemeinen anzustellen.

Wenn wir von einem gemeinsamen Europa sprechen, dann ist für mich folgendes völlig klar: Größere Freiheiten in einem gemeinsamen Europa dürfen sich nicht nur auf Waren und Kapital beschränken, sondern sie müssen vor allem auch den Bürgern zugute kommen. Aus diesem Grunde begrüße ich das Schengener Abkommen und jede Erweiterung seines Geltungsbereiches, der die Reisefreiheit vergrößert, sodaß die verschiedenen EU-Staaten und ihre Bürger noch näher zueinandergebracht werden.

Zur vor allem von seiten der FPÖ immer wieder vorgebrachten Kritik betreffend das Schengener Abkommen möchte ich nur sagen, daß dieses Abkommen doch wohl nicht so schlecht sein kann, wenn sich mittlerweile fast der gesamte westeuropäische Raum zu diesem wichtigen Schritt zu mehr Bürgerfreiheit bekennt. Ein kategorisches Nein zum Schengener Abkommen kann meiner Meinung nach nur dann zustande kommen, wenn man die positiven Folgen ausblendet und die zweifellos vorhandenen Problemfelder kraß übertreibt.


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 51

Die völlige Reisefreiheit im Schengen-Raum ist eine solch wertvolle Errungenschaft für die europäischen Bürger, daß jeder in die Zukunft und über Staatsgrenzen hinaus denkende Mensch diese Entwicklung nur unterstützen kann. Mit der völligen Reisefreiheit im Inneren des Schengen-Raumes ist natürlich auch die Aufgabe verbunden, die Außengrenze dieses Gebietes besonders zu schützen.

Aufgrund seiner geographischen Lage fällt Österreich dabei eine besondere Rolle zu, und unser Land hat diese wegen seiner sehr langen Grenze zu Nicht-EU-Mitgliedstaaten schwierige Aufgabe in den letzten Jahren meiner Meinung nach sehr gut gemeistert. Es wurden nicht weniger als 3 Milliarden Schilling investiert, um die EU-Außengrenze Österreichs bestmöglich abzusichern. Mit diesen Mitteln wurde nicht nur der Personalstand deutlich angehoben, sondern es konnte dadurch auch modernstes technisches Gerät zur Grenzsicherung angeschafft werden. Zu würdigen ist dabei die ausgezeichnete Arbeit unserer Exekutivorgane, die ihre sicher nicht sehr leichte Arbeit bestens bewältigt haben und bewältigen. Wir sollten den 3 000 Grenzgendarmen, den 2 000 Bundesheersoldaten, den 200 Bundespolizisten auf Flughäfen sowie den 800 Zollwachebeamten unseren ehrlichen Dank für ihre wichtige und schwierige Arbeit aussprechen.

Für uns Sozialdemokraten hat der Bereich der inneren Sicherheit einen sehr hohen Stellenwert. Wir Kärntner Sozialdemokraten haben bereits vor einem Jahr die Aktion "Sichere Heimat" gestartet, mit der wir unsere volle Unterstützung für die Vorhaben von Minister Schlögl zum Ausdruck gebracht haben. Damit haben wir Sozialdemokraten auch klargestellt, daß wir die Augen vor aktuellen Sicherheitsproblemen wie Menschen- und Drogenschmuggel oder der organisierten Kriminalität keineswegs verschließen, sondern diesen geeignete und effiziente Maßnahmen entgegensetzen.

Ich möchte daher zusammenfassend folgendes unmißverständlich klarstellen: Für uns Sozialdemokraten muß die völlige Reisefreiheit im Schengen-Raum weiterhin von einer effizienten Sicherung der Außengrenze dieses Gebietes begleitet werden! Die völlige Reisefreiheit darf nicht durch eine Verschlechterung unserer inneren Sicherheit erkauft werden. Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt, und dies muß auch innerhalb des Schengen-Raumes so bleiben. Ich bin überzeugt davon, daß es mit entsprechenden Maßnahmen möglich ist, Reisefreiheit und hohes Sicherheitsniveau im Interesse der europäischen Bürger gleichzeitig zu verwirklichen.

Österreich hat von allen Schengen-Ländern wahrscheinlich den wichtigsten Beitrag überhaupt zur Außensicherung des Schengen-Raumes geleistet. Darauf können wir auch zweifellos stolz sein! Unser Land beweist damit, daß ein Mehr an Freiheit mit der Bewahrung eines hohen Sicherheitsniveaus sehr wohl auch in der Praxis vereinbar ist.

Für mich ist es daher keine Frage, gegen das heute hier vorliegende Übereinkommen keinen Einspruch zu erheben. Wir stimmen damit für ein Mehr an Freiheit in Europa und für ein engeres Zusammenrücken der verschiedenen europäischen Nationen. Dies ist der richtige Weg in die Zukunft des gemeinsamen Europas, den wir unterstützen wollen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Dr. Tremmel: Glauben Sie?)

11.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

11.35

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muß sagen, daß auch ich das Schengener Abkommen begrüße.

Wir Europäer müssen folgendes sehen: Bis zum ersten Weltkrieg hat es keines Passes bedurft, um in irgendein Land Europas einzureisen. Damals waren Pässe in der heutigen Form noch nicht vorhanden. Es gab dann in Europa zwei schwere Bürgerkriege, die durch Wahnideen wie etwa den Nationalismus entstanden sind. Dieser Bürgerkrieg geht nun Gott sei Dank im Westen


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651. Sitzung / Seite 52

Europas völlig zu Ende, die Grenzen fallen! Ich glaube, daß das, was im Moment passiert, etwas Großartiges ist.

Auch Österreich hat dadurch sicherlich viel gewonnen, vor allem im Bereich der Sicherheit, denn mit dem Schengener Abkommen wird das Informationssystem gestärkt, es erfolgt eine stärkere Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte sowie eine europaweite Koordination wie zum Beispiel im Bereich der Europol.

Die Grenzen sollen fallen, und sie fallen, aber auch für die Exekutive! Dazu kommt, daß es dieses freie Europa nur innerhalb der Grenzen der Schengen-Mitgliedsländer gibt. Es ist daher zu begrüßen, daß jetzt auch Schweden, Finnland und Dänemark Mitglieder des Schengener Abkommens geworden sind. Es ist weiters zu begrüßen, daß ein Zusatzabkommen mit den Nicht-EU-Mitgliedern Norwegen und Island geschlossen wurde.

Innere wie äußere Sicherheit Europas sollen gemeinsam gesichert werden. Deswegen habe ich auch in diesem Saal schon öfter mein Ja zur NATO formuliert. Gerade vor kurzem, im Zuge der Lawinen-Unfälle in Tirol, konnten wir sehen, daß uns von der NATO die notwendigen Helikopter sehr wohl anstandslos zur Verfügung gestellt wurden und daß wir diese gebraucht haben! (Bundesrat Dr. Tremmel: Richtig!) Wir brauchen die innere und die äußere Sicherheit! Wir müssen ganz klar sehen, daß einerseits zum Beispiel an der burgenländischen Grenze Bundesheer-Einsatzkräfte stehen, die tatsächlich sehr viel leisten, andererseits aber müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, daß Ungarn nun der NATO beigetreten ist. Dasselbe gilt für Tschechien und für Polen – Länder, mit denen uns eine jahrhundertelange Geschichte verbindet.

Denken wir an unseren großen Dichter Grillparzer, der einmal gesagt hat: Österreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält. – Gemeint hat er, daß dort viele Völker und Nationen in Frieden und Freiheit zusammenleben können. Deswegen ist es etwas zutiefst Positives, daß die Grenzen gefallen sind, daß aber auch diesbezügliche Abkommen vorhanden sind! Wir sollten die Hoffnung hegen, daß sich die Außengrenzen des freien und demokratischen Europas weiter in den Osten verschieben, damit natürlich auch dort diese Sicherheitsstandards gelten.

Uns verbindet mit dem gesamten europäischen Raum ungemein viel. Deswegen darf ich noch ganz kurz ein paar Dinge sagen, die mir ein wichtiges Anliegen sind.

Auf der internationalen Ebene ist es nach meiner Überzeugung jedenfalls insbesondere wichtig, den Datenbestand des zentralen Fahndungscomputers in Straßburg wesentlich zu erweitern, den Polizeibeamten aller Schengen-Vertragsstaaten ein uneingeschränktes Festhalterecht einzuräumen, die einschlägigen Abkommen und bilateralen Verträge zum Rechtshilfe- und Auslieferungsverkehr rasch zu überarbeiten, die Europol-Konvention schnellstmöglich voll zu realisieren, die Drogenpolitik sowie die waffen- und visarechtlichen Bestimmungen in Europa zu harmonisieren und die Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Staaten zu verstärken.

Das Schengener Abkommen ist meiner Ansicht nach ein ganz wesentlicher und guter Schritt zu einem Europa in Frieden und Freiheit! Die Volkspartei wird diesen Übereinkommen zustimmen. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.39


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651. Sitzung / Seite 53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

11.39

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Kollegen und Kolleginnen! Wir – eigentlich Sie – beschließen heute die Erweiterung des Schengener Abkommens. Ich persönlich freue mich darüber, meine lieben Freunde, daß neue Staaten, nämlich die nordischen Staaten, diesem Abkommen beitreten.

Die Freude wird nur durch die Frage getrübt: Braucht man dazu ein Schengener Abkommen? (Man vernimmt das Läuten eines Handys.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Entschuldigen Sie, Herr Kollege, einen Augenblick, bitte. – Ich möchte alle Kolleginnen und Kollegen hier im Saal bitten, die Handys auszuschalten. Wenn Telefonate dringend notwendig sind, dann ersuche ich Sie, die Telefone im Vorraum zu benützen oder die Handys in der Säulenhalle oder wo immer zu bedienen. Im Sitzungssaal sind sie bitte auszuschalten.

Entschuldigung, Herr Kollege. Sie sind weiter am Wort. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Bundesrat Mag. John Gudenus (fortsetzend): Das hat man von den Freiheiten, die uns Schengen angeblich gibt! Nicht einmal das Telefon darf man aufdrehen! (Heiterkeit.)

Ich bin der Meinung, daß dieser Formalakt des Beitritts zum Schengener Abkommen mit Europa, mit der EU wenig gemein hat. Man hätte viele dieser Angelegenheiten auch mit einem Ausbau der Interpol erledigen können.

Wir erkennen die Schwächen dieses Abkommens. Sie wurden schon erkannt, sie wurden schon dargelegt. Ich frage: Funktioniert Schengen? Ist dieses idealistische Prinzip, diese idealistische Vorgabe nicht direkt auch eine Schwäche für die EU, wie Sie alle sie wünschen?

Besonders bei den Staaten mit einer großen Seegrenze frage ich mich: Wie wird dort überwacht werden können? – Denken Sie etwa an Italien und die Probleme mit den Kurden; wir haben das schon erwähnt. Oder: Der Einstrom von Völkern südlich aus dem Mittelmeerraum und östlich von Albanien ist mit Schengen so gut wie nicht zu erledigen! Da wird ein idealistisches Konzept zur Tat erhoben, ohne zu wissen und sicherstellen zu können, ob es funktioniert. Es ist idealistisch und widerspricht den geographischen, politischen und verwaltungsspezifischen Wirklichkeiten in vielen europäischen Staaten.

Funktionieren die Computersysteme, von denen man jetzt schon sagt, daß sie eigentlich kaum funktionieren? – Natürlich funktionieren sie noch nicht!

Warum baut man eine bestehende Institution nicht aus? Warum nützt man eine bestehende Institution nicht, um die zunehmende Schlepperei, der durch Schengen nicht beizukommen sein wird, zu verhindern?

Die völlige Reisefreiheit wird gelobt, meine Freunde! Aber ist es der oberste Sinn dieses Abkommens, einerseits die Freiheit des Reisens zu gewähren, aber andererseits europäische Institutionen zu haben, die die Freiheit der Bürger in starkem Maße beeinträchtigen? – Denken Sie zum Beispiel an die Bauern, die eingeklemmt von den verschiedensten Organisationen und Gegebenheiten fremdbestimmt werden! Denken Sie etwa an den Einkauf! Wo bleibt die Freiheit des Bauern beim Einkauf, bei der Vermarktung? Wo hat der Bauer die Vermarktungsfreiheit, die Verarbeitungsfreiheit und die Freiheit beim Verkauf? – Das ist nur eine Berufsgruppe, die von den vielen Freiheiten, die wir hier und heute erwähnen, nichts hat. Und Kommissar Fischler sagt laut: Wenn ich Verantwortung habe, dann will ich auch anschaffen!

Meine Damen und Herren! Einen Kommissar, der anschafft, aber keine Verantwortung zu tragen hat, brauchen wir nicht! Denn worin besteht die Verantwortung, die er trägt? – In einem sehr hohen Gehalt, einer sehr hohen Pension und der Sicherheit, nicht vor Gericht gestellt und zur Rechenschaft gezogen zu werden!

Wozu haben wir das Schengen Abkommen, wenn nicht jene Kommissare, die im Grunde genommen der gröbsten Fehlleistungen überführt wurden, in U-Haft genommen werden? Wo sind die Kommissare, die uns Auskunft geben sollten über das, was sie fehlgeleistet haben beziehungsweise nicht leisten wollten? – Da nützt uns Schengen gar nichts, da gehören andere Instrumente eingebracht!

Wo ist das vor drei Wochen eingebrachte Mißtrauensvotum, welches von den Regierungsparteien nur Herr Abgeordneter Habsburg unterschrieben hat?! – Nur er und die Freiheitlichen


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651. Sitzung / Seite 54

haben das beantragt. Unsere Kollegen von SPÖ und ÖVP blieben diesem Antrag in Brüssel fern, sie haben ihm widersprochen. – Meine Damen und Herren! Da nützen uns alle Freiheiten nichts, wenn das intern nicht wahrgenommen wird, was wir außen, also extern, nicht wahrnehmen können.

Der Bürger wird zum Objekt – nicht nur durch Schengen, nein, sondern vor allem durch die Brüsseler Verwaltung. Der Bürger muß aber Subjekt bleiben, der Bürger darf nicht fremdbestimmt werden! Wo bleiben die Worte des seinerzeitigen ÖVP-Landwirtschaftsministers und Bundesparteiobmannes Riegler, der 1987 die ökosoziale Landwirtschaft in die Welt gesetzt hat?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Gudenus! Auch die Redefreiheit schützt Sie nicht davor, sich – bitte! – zum Thema zu äußern! (Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist das Thema! Der Betrug in der EU!)

Bundesrat Mag. John Gudenus (fortsetzend): Das ist mit dem Thema vereinbar, denn die Freiheit, die Schengen an den inneren Grenzen bringt, wird nicht zum Nutzen der Bevölkerung wahrgenommen. Die ökosoziale Marktwirtschaft fordert die Freiheit der Bürger und nicht die Freiheit einzelner Leute! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir meinen, die Freiheit ist mehr als Schengen, aber wir nehmen uns weniger, als uns geboten wird. Wir Freiheitlichen lehnen dieses Gesetzeswerk ab! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

11.46

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Richtigerweise hat Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein hier ausgeführt, daß es erstmals seit 2 000 Jahren eine Friedensordnung in Europa gibt, und das ist zu begrüßen. Allerdings hat man als Teil dieser Friedensordnung den Schengener Vertrag und die einzelnen Übereinkommen gemacht, und ich sage unter Anführungszeichen: "Das ist ein Wildwuchs der Organisationen!"

Richtig hat John Gudenus hier ausgeführt, daß wir bereits ein Instrumentarium innerhalb der EU, innerhalb Europas hätten, mit dem wir diese Dinge wirksamer hätten machen können. Das ist leider Gottes einer jener Fehler in der EU, die letztlich leise plätschernd hin bis zu diesen großen Betrugsaffären führen. Deswegen kritisieren wir diese Art des Schengener Abkommens. Gutgläubig tritt auch die nordische Paßunion – um bei der Tagesordnung zu bleiben, Frau Präsidentin! – diesem Abkommen bei, die vorher einen Beobachterstatus hatte, aber sie weiß eigentlich nicht, wie es intern mit diesem Schengener Abkommen ausschaut.

Ein kleines Beispiel, meine Damen und Herren: Es wurde von uns die Form der Nacheile lange moniert, sie wurde von anderen Kollegen moniert und in vielen Sitzungen bereits dargestellt. Das bezieht sich auf Punkt 3 der Tagesordnung und betrifft die Verhandlungen mit Italien. Beamte werden speziell ausgebildet, damit sie grenzübergreifend tätig sein können. Italien hat sich bis jetzt dagegen gewehrt, daß diese Nacheile so wie in den anderen Staaten vollzogen wird. Österreichische oder andere Beamte können auf der Autobahn bis 20 km nach der italienischen Grenze tätig werden und auf Bundesstraßen bis 10 km.

Es gab zahlreiche Interventionen, aber es hat nichts genützt. Kollege Bösch hat richtigerweise bereits ausgeführt, wie sich dieses Faktum, das gegeben ist, etwa bei der Öcalan-Affäre ausgewirkt hat, wie Kurden zu Hunderten durch Deutschland, durch Österreich nach Italien gefahren sind. Am Brenner war man einfach machtlos dagegen, meine Damen und Herren, weil dieses Papier, dieses Schengener Abkommen, letztlich ein zahnloses Instrument ist! Es ist deshalb ein zahnloses Instrument, weil es niemals richtig exekutiert werden kann.


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651. Sitzung / Seite 55

Ich danke Herrn Kollegen Richau für seine gestrige sehr exakte Fragestellung. Wenn Sie sich nämlich zu Gemüte führen, meine Damen und Herren, was dieses Schengener Abkommen kostet, dann müssen Sie folgende Zahlen zur Kenntnis nehmen:

Im letzten Jahr, 1998, betrugen die Personalkosten 1,3 Milliarden Schilling. 1997 betrugen sie eine knappe Milliarde, nämlich 929 Millionen Schilling. Die Steigerung ist also exorbitant. – 1995 waren es nur 282 Millionen Schilling.

Die Sachkosten sind ähnlich explodiert. Von 1,8 Milliarden im Jahr 1994 sind sie auf 486 Milliarden im Jahr 1998 gestiegen. (Ruf bei der ÖVP: Millionen!)  – Pardon. Bei den Personalkosten stimmt es aber. Trotzdem ist die Explosion exorbitant. Jetzt kommt noch eine Frage, die wir uns innerösterreichisch stellen müssen, bevor ich zur inneren und äußeren Sicherheit komme. Wir haben gehört, wir haben eine Außengrenze von zirka 1 300 km. Andere Beitrittswerber, nämlich jene, die am 12. März der NATO beigetreten sind, nämlich Polen, Tschechien, Ungarn und Slowenien, haben aus dem Titel Schengen bereits Gelder zur Grenzsicherung erhalten. Österreich hat so etwas nie bekommen!

Wir haben gehört, daß 3,5 Milliarden dafür aufgewendet worden sind. Was übrig bleibt – ich habe es bereits ausgeführt –, ist ein zahnloses Instrument, das sich letztlich die EU, die Kommission des ZKs geschaffen hat. Das, was letztlich dem Bürger dienen sollte, ist ein bürgerfernes Instrument.

Diese Reisefreiheit hat nichts Gutes bewirkt. Ich stelle das hier fest, und auch im Sicherheitsbericht konnten Sie es nachlesen. Die Kriminalitätsdelikte – begangen durch Fremde – sind gestiegen, und der Bandendiebstahl ist explodiert. Das Schengener Abkommen – so könnte man direkt sagen – hat zum Gegenteil dessen geführt, was beabsichtigt war: zu einer Erhöhung der Kriminalitätsraten dort, wo Fremde beteiligt sind.

Schaffen wir ein bürgernahes Instrument! Verschaffen wir dem Bürger die Reisefreiheit – aber schaffen wir nicht nur die Reisefreiheit für die Mafia, für die Rauschgiftschmuggler, für die Waffenschieber und so weiter! Das ist nicht das, was wir uns wünschen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Gehen wir einen Schritt weiter! Jetzt haben wir die Chance dazu! Gehen wir dazu über, daß wir die einzelnen Gremien, die einzelnen Körperschaften in der EU reformieren. Der Rücktritt der Kommission – wobei ich davon überzeugt bin, daß es sicherlich auch einige ehrenwerte Mitglieder gibt – gibt uns dazu die Möglichkeit.

Auch wenn es diese ehrenwerten Mitglieder durchaus gibt – ich denke dabei etwa an den österreichischen Kommissär, der sicher eine weiße Weste hat –, so gibt es doch eine Kollektivhaftung, eine gemeinsame Haftung, und diese wäre wahrzunehmen gewesen. Diese hätte etwa Österreich wahrnehmen müssen, und zwar damals, als es den Vorsitz in der EU führte. Die Probleme sind nicht von gestern auf heute entstanden, all das war schon lange bekannt.

Gehen wir an eine Änderung der Organe innerhalb der EU! Geben wir den nationalen Parlamenten mehr Rechte, und geben wir dem Europäischen Parlament mehr Kontrollrechte! Schaffen wir die Kommission ab! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt andere wirksame Bereiche, etwa die NATO. Diese kommt mit einem Generalsekretär aus und funktioniert sehr gut. Ich würde mir wünschen, daß die Kommission der EU nur zu einem Fünftel so gut funktionierte, wie das etwa in der NATO der Fall ist.

Die Schengen-Reife – um wieder zum Thema zurückzukehren; aber eigentlich gehört alles zum Thema – wurde hier immer wieder zitiert. Wir haben die Voraussetzungen dafür nicht hergestellt, und ich muß das auch in bezug auf die innere Sicherheit sagen, denn Meßpunkt und Meßlatte ist der Sicherheitsbericht. Die Schengen-Reife haben wir nicht hergestellt. Ich möchte in diesem Zusammenhang einen Bereich ansprechen, bei dem wir versprochen haben, das zu tun, und das betrifft die EDV-Einbindung. Auch sie findet nicht statt. Die Bundespolizeidirektionen sind nur zum Teil eingebunden.


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651. Sitzung / Seite 56

Als ganz neuer Bundesrat habe ich den seinerzeitigen Innenminister gefragt: Wann werden die Bundespolizeidirektionen Wien und Graz entsprechend eingebunden sein? – Er hat gesagt: 1997. Dann hat man gesagt, der Computer in Schengen sei zu klein und weiß Gott was alles noch. Also auch dieses Instrument ist nicht hergestellt.

Ich muß noch einige Dinge sagen und bitte um Verständnis dafür, denn normalerweise halte ich mich an die Beschränkung der Redezeit.

Wir sollten in einem Gesamtkonnex, um Schengen, um Europa, um das Europa der Vaterländer zum Funktionieren zu bringen, einige neue Maßnahmen setzen.

Es wurde heute die Steuerreform erwähnt. Es ist einfach unverständlich, wie man dabei vorgeht, wenn man den freien Aktienverkehr in Europa betrachtet und sieht, daß dieser überall festgehalten ist, weil man den Euro stärken möchte. Auch Schröder sagt das. – Aber nein: Bei uns führt man die Aktiensteuer ein! Das ist verquer zu sämtlichen Vorstellungen!

Meine Damen und Herren! Es schreit nach Reformen, und zwar nicht nur in Schengen, sondern in ganz Europa! Wenn diese nicht gemacht werden, meine Damen und Herren, geht dieses von allen gewünschte Gebilde Europa den Bach hinunter, und das will niemand, das will auch ich nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag namens meiner Kollegen hier ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Andreas Eisl, Mag. John Gudenus und Kollegen betreffend weitere Entwicklung der Europäischen Union (Agenda 2000)

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Der Bundeskanzler und der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten werden aufgefordert, in den zuständigen Gremien und Organen der Europäischen Union folgende Vorschläge zu unterbreiten:

1. Klare Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten.

Der EU-Rechtsbestand ist zu durchforsten und ein Kompetenzkatalog im Primärrecht zu verankern. Dabei sollte es zu einer im Kern taxativen Aufzählung der Kompetenzen der Unionsorgane in einem vertraglich festzuschreibenden Kompetenzkatalog kommen.

2. Stärkung des Einflusses der nationalen Parlamente." – Das haben wir x-mal hier gefordert!

3. "Ausweitung der Kontrollrechte des Europäischen Parlaments zur Überwachung der EU-Verwaltung.

4. Abschaffung der EU-Kommission in ihrer derzeitigen Form. Die EU-Verwaltung sollte, analog zu anderen internationalen Organisationen (z.B. UNO, NATO)" – ich habe das bereits ausgeführt – "aus einem Generalsekretär als höchstem Verwaltungsbeamten, den Generaldirektoren und weiteren für die Verwaltung erforderlichen Dienststellen bestehen. Dieses oberste Vollzugsorgan der Union hat die Verantwortung für die korrekte Durchführung der gemeinschaftlichen Rechtsakte, jedoch kein Initiativrecht.

5. Keine weitere Aufweichung des Einstimmigkeitsprinzips. Eine Verallgemeinerung der Mehrheitsbestimmungen im Rat birgt die Gefahr in sich, daß es zu einer Loslösung der Regierungen von ihren nationalen Parlamenten führt."

*****

Ich bringe diesen Entschließungsantrag ein und bitte Sie gleichzeitig, Frau Präsidentin, eine namentliche Abstimmung darüber durchführen zu lassen und vorher die Unterstützungsfrage zu stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.59


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
651. Sitzung / Seite 57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Der von den Bundesräten Dr. Tremmel und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend weitere Entwicklung der Europäischen Union – in Klammern finden wir den Titel Agenda 2000 – ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung – auch deshalb, weil bei den Tagesordnungspunkten, die wir besprochen haben, und dem Entschließungsantrag der Freiheitlichen Partei das Wort "EU" immer wieder vorkommt. Es ist also ein Zusammenhang gegeben. Der Entschließungsantrag steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Eisl. – Bitte.

11.59

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Auch Schengen geht an der Landwirtschaft nicht vorbei, und es wäre ein Versäumnis, nicht wieder alles in Erinnerung zu rufen, was sich diesbezüglich in den abgelaufenen Jahren getan hat, etwa daß wir durch Schengen auch vor der Agenda 2000 stehen, die natürlich, so wie sie derzeit aussieht, die Familienbetriebe in unserem Lande und jene Struktur, die seit langem aufgebaut wurde, in Frage stellt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Der Arbeitsplatz Landwirtschaft ist gefährdet, denn die EU hat nicht 30 000 Arbeitsplätze gebracht, wurden doch seit unserem Beitritt 30 000 landwirtschaftliche Betriebe geschlossen.

Meine Damen und Herren! Wir sind nicht in der Lage, auch national nicht, zumindest die Betriebskosten den Teuerungen, die vor uns liegen, anzugleichen. Wir sind nicht in der Lage, auch national nicht, etwas zu bewegen, um die Landwirtschaft zu entlasten. Wir und Europa sind überhaupt nicht in der Lage, Kontrolle auszuüben. Beispielsweise werden in Sizilien mehr Hektar Land und Anbaufläche gefördert, als überhaupt vorhanden ist. Und so weit, so glaube ich, kann man es nicht gehen lassen.

Der Vorsitzende des Europäischen Bauernverbandes, Herr Copa, hat mittels einer Studie feststellen lassen, daß durch die Agenda 2000 die europäische Landwirtschaft jährlich um 90 Milliarden Schilling betrogen wird. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) – Weniger Einnahmen, Herr Kollege Steinbichler! (Bundesrat Steinbichler: Wissen Sie schon ein Verhandlungsergebnis?) – Ich habe es gehört. Nachdem all das, was uns beim Beitritt zugesagt wurde, nicht eingetreten ist, kann man erahnen, was auf uns zukommen wird. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Das ist das Ergebnis. 30 000 Arbeitsplätze wurden versprochen, 30 000 landwirtschaftliche Betriebe wurden geschlossen. Das ist das Ergebnis. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Die Landwirtschaftsverhandlungen im Zuge des EU-Beitrittes haben genau das gebracht, was bei der Agenda eintreten wird. Herr Kollege! Wir werden folgendes erleben: Die Ostländer werden weder ihre Umweltstandards noch den Lebensmittelindex unseren Standards angleichen, sondern wir werden degradiert werden. Wir werden für unsere guten landwirtschaftlichen Produkte bestraft werden. Wir können mit den Preisen, mit denen im Osten erzeugt wird, nicht die Qualität produzieren, die wir heute haben. Es gibt keine ausreichende Förderung, das ist schon klargestellt worden. Auch der Bundeskanzler hat gesagt, es gäbe keine Erhöhung, die Finanzminister in der EU wollen keinen Beitrag mehr dazu leisten. Damit ist für uns eindeutig klar, daß das wieder auf Kosten der Bauern gehen wird, ohne daß sich die Konsumenten jemals einen Groschen davon ersparen könnten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.03

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
651. Sitzung / Seite 58

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Kooperationsübereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Italienischen Republik, dem Königreich Spanien, der Portugiesischen Republik, der Griechischen Republik, der Republik Österreich, dem Königreich Dänemark, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, Vertragsparteien des Schengener Übereinkommens und des Schengener Durchführungsübereinkommens sowie der Republik Island und dem Königreich Norwegen betreffend ein Abbau der Personenkontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Erklärungen und Anlage.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit .

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Protokoll zur Änderung der Artikel 40, 41 und 65 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985, unterzeichnet am 19. Juni 1990 in Schengen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Protokoll über den Beitritt der Regierung der Republik Finnland zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt der Republik Finnland zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Dänemark zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
651. Sitzung / Seite 59

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Schweden zu dem am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen samt Schlußakte, Erklärungen und Anlage.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Protokoll über den Beitritt der Regierung des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnet wurde, samt Erklärung und Anlage.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Tremmel und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend weitere Entwicklung der Europäischen Union (Agenda 2000) vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Zunächst stelle ich die Frage, wer dem gestellten Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung beitritt. – Dieses Verlangen ist von mehr als fünf Bundesrätinnen und Bundesräten unterstützt, und es ist dem daher nachzukommen.

Wir gehen nun in die namentliche Abstimmung ein. Ich bitte die Schriftführung um Verlesung und den Namensaufruf. (Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Crepaz und Giesinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mit "Ja" oder "Nein" bekannt.)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der Abstimmungsvorgang ist geschlossen. Ich werde sogleich das Ergebnis bekanntgeben.

Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: Mit "Ja" stimmten 12 Mitglieder des Bundesrates, mit "Nein" 36.

Der Antrag ist somit abgelehnt.

*****

Mit "Ja" stimmten die Bundesräte:

Dr. Böhm, Dr. Bösch;


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
651. Sitzung / Seite 60

Dr. d’Aron;

Eisl;

Mag. Gudenus;

Haunschmid;

Mühlwerth;

Ram, Ramsbacher;

Dr. Tremmel;

Weilharter, Windholz.

Mit "Nein" stimmten die Bundesräte:

Bieringer;

Crepaz;

Drochter;

Farthofer, Fischer, Freiberger;

Giesinger, Grillenberger, Gstöttner;

Hager, Haselbach, Dr. Hummer;

Kainz, Kraml;

Mag. Leichtfried, Dr. Liechtenstein, Dr. Linzer, Dr. Ludwig;

Dr. Maier, Meier, Dipl.-Ing. Missethon;

Payer, Pfeifer, Ing. Polleruhs, Pühringer;

Rauchenberger, Mag. Repar, Richau, Rodek;

Schicker, Steinbichler, Mag. Strugl;

Thumpser;

Vindl;

Winter, Wolfinger.

*****

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit und nach außergerichtlichem Tatausgleich (Diversion) in die Strafprozeßordnung eingefügt sowie das Jugendgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Strafvollzugsgesetz und das Bewährungshilfegesetz geändert werden (Strafprozeßnovelle 1999) (1581 und 1615/NR sowie 5875 und 5890/BR der Beilagen)


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11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird (1616/NR sowie 5876 und 5891/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über den Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit und nach außergerichtlichem Tatausgleich (Diversion) in die Strafprozeßordnung eingefügt sowie das Jugendgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Strafvollzugsgesetz und das Bewäh-rungshilfegesetz geändert werden, Strafprozeßnovelle 1999, sowie

ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 10 und 11 hat Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Ferdinand Gstöttner: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht über die Strafprozeßnovelle. Nachdem der Bericht vorliegt, darf ich mich auf die Verlesung des Antrages beschränken.

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 16. März 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht zum Gerichtsorganisationsgesetz liegt ebenfalls vor. Auch hier darf ich mich auf die Verlesung des Antrages beschränken.

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 16. März 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm das Wort. – Bitte.

12.15

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Lassen Sie mich begründen, warum wir diese geradezu systemverändernde Vorlage mit Nachdruck ablehnen. Mehrfach hatte ich hier im Hohen Haus bereits Gelegenheit und Anlaß, die vom Bundesministerium für Justiz vorbereiteten Gesetzesvorhaben im Bereich des Zivilrechts und des Zivilprozeßrechts unter der fachlichen Führung des Herrn Bundesministers in aller Regel sehr positiv zu würdigen; denn auf diesem Gebiet wird eine erfolgreiche, der gesellschaftlichen Realität verpflichtete Justizpolitik, also eine solche mit Augenmaß und Bürgernähe, betrieben. Das ist gewiß auch den Sektions- und Abteilungsleitern des Ressorts zu verdanken.

Leider kann dem Bundesministerium für Justiz gleiches für den Bereich des Strafrechts ganz und gar nicht bescheinigt werden. In der betreffenden Sektion sind offenbar Illusionisten, gewiß humanitär bewegte Akteure, am Werk, und damit unterstelle ich – abseits jeder Verschwörungstheorie – durchaus gute Motive. Sie weisen allerdings in eine Richtung, die der Justizsprecher der SPÖ, Herr Abgeordneter Dr. Hannes Jarolim, in bemerkenswerter Offenheit etwa so formuliert hat: Wir Sozialdemokraten halten an unserer Vision einer gefängnislosen Gesellschaft fest.


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Nun teile ich keineswegs die dem früheren Bundeskanzler, Herrn Dr. Franz Vranitzky, vielleicht zu Unrecht – zugeschriebene Ansicht –, daß jemand des Arztes bedürfe, der Visionen hat. Denn Visionen dürfen ja nicht mit Halluzinationen verwechselt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Politische Visionen und soziale, vielleicht sogar sozialromantische Utopien vermögen ja durchaus politisches Handeln anzuleiten. Ich bin bei meiner ganzen persönlichen Einstellung gewiß kein Anhänger eines kruden Vergeltungsstrafrechts im Sinne des Talionsprinzips oder des "fiat iustitia pereat mundus". Umgekehrt lehne ich es aber auch entschieden ab, den Gedanken der Rechtsbewährung, also der Bewährung der staatlichen Rechtsordnung, in abschätzigem Sinne als bloße "Law and Order"-Mentalität abzutun.

Mit diesen einleitenden und nach beiden Richtungen hin abgrenzenden Vorbemerkungen sollte nur unsere grundsätzliche Position dargestellt werden, von der aus wir diesen bislang gravierendsten und folgenreichsten Eingriff in unser geltendes Strafrecht – ich versage mir die polemische Wendung: diesen Anschlag auf unser gesamtes Strafrecht – äußerst kritisch beurteilen. Diese im Titel so harmlos klingende "Strafprozeßnovelle 1999" wurde im Zuge der Debatte im Nationalratsplenum von ihren Apologeten geradezu als Meilenstein der Strafrechtsentwicklung bezeichnet.

Worin besteht nun dieser angeblich so große Fortschritt? – Ich frage Sie: in der dadurch ermöglichten völligen Aufweichung und Erosion unseres heutigen Strafrechts, zumindest im Bereich der mittelschweren Kriminalität? – Damit gelange ich aber auch schon zum ersten, durchaus schwerwiegenden Kritikpunkt. Er betrifft das völlig überzogene Ausmaß der Ausweitung des schon heute praktizierten Außergerichtlichen Tatausgleichs. Insofern verstehe ich es auch nicht, wenn unserem Justizsprecher Dr. Harald Ofner entgegengehalten wurde, daß er doch vor Jahren als damaliger Justizminister der Einführung dieses Institutes Pate gestanden war und jetzt als sein scharfer Kritiker auftritt. In der Tat ehrt es Ofner, daß er diesen Pilotversuch unternommen hat. Aber auf welchem Gebiet hat er ihn gewagt? – Auf jenem des Jugendstrafrechts. Und da hat es sich auch voll bewährt. Aber Jugend strafrecht unterscheidet sich eben vom Erwachsenen strafrecht in einem recht grundsätzlichen Punkt. Es ist in erheblichem Maße immer noch eine Art Erziehungs recht. Dieser Charakter kann trotz aller Tendenz zur Resozialisierung, die wir teilen, dem Erwachsenenstrafrecht so nicht zugebilligt werden, weil es dabei eben – soweit es sich nicht um abnorme bis zurechnungsunfähige Rechtsbrecher handelt – um Straftaten sogenannter mündiger Bürger geht.

Dessen ungeachtet räume ich ein, daß von Anfang an die Hoffnung bestand, den Außergerichtlichen Tatausgleich im Falle seiner Bewährung im Jugendstrafrecht in vorsichtiger Weise auch auf das Erwachsenenstrafrecht ausdehnen zu können. Wir hätten daher trotz der aufgezeigten prinzipiellen Bedenken keinen Einwand erhoben, wenn sich die Ausweitung auf die Kleinkriminalität erwachsener Straftäter beschränkt hätte.

Auch wir sehen keinen Sinn darin, Personen, die einen Verkehrsunfall fahrlässig herbeigeführt oder einen Ladendiebstahl begangen haben oder in einen Raufhandel ohne gravierende Folgen verwickelt waren, gesellschaftlich zu stigmatisieren.

Die vorliegende Novelle ist allerdings über jede vertretbare Dimension hinausgegangen. In Zukunft sollen nämlich Maßnahmen der sogenannten Diversion, also insbesondere auch des Außergerichtlichen Tatausgleichs, bei allen Delikten möglich sein, die einer gesetzlichen Strafdrohung unterliegen, die eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren nicht übersteigt. (Bisher war nach § 42 StGB drei Jahre die Grenze.) Davon sind lediglich solche schweren Delikte ausgenommen, die in die Zuständigkeit von Schöffengerichten fallen oder den Tod eines Menschen zur Folge gehabt haben.

Abgeordnete meiner Fraktion haben vergeblich darauf hingewiesen, daß somit der Anwendungsbereich der Diversion insbesondere auch folgende, nur beispielsweise genannte Straftaten grundsätzlich mitumfassen wird: die Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen; die absichtliche schwere Körperverletzung; das Quälen einer unmündigen jüngeren oder wehrlosen Person; den Schwangerschaftsabbruch ohne Einwilligung der Schwangeren; die Entführung


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einer willenlosen oder wehrlosen Frau oder einer unmündigen Person, um sie zur Unzucht zu mißbrauchen; pornographische Darstellungen mit Unmündigen; die sittliche Gefährdung von Personen unter 16 Jahren; die Zuhälterei; die gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter 18 Jahren; fast alle Vermögensdelikte; Urkundenfälschung und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Weshalb wurden die entsprechenden Kategorien von Verbrechenshandlungen und -formen nicht generell ausgenommen?

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Wo bleibt insbesondere die angemessene Bestrafung von Delikten wie dem sexuellen Mißbrauch von Kindern und der Kinderprostitution, über die wir uns in diesem Haus bereits über alle Parteigrenzen hinweg vorbehaltlos verständigt und geeinigt hatten? – Gewiß müßten diese Delikte bei vernünftiger Handhabung an sich schon deshalb aus der Neuregelung herausfallen, weil sie ihrer Natur nach keinen Ausgleich zulassen; denn es ist eine Verständigung in diesem Sinne zwischen Täter und Opfer gar nicht möglich. Aber ist eine solche Praxis gesichert?

Freilich wurde sowohl in den Erläuterungen zu dieser Vorlage als auch in der Nationalratsdebatte versucht, die Neuregelung mit folgenden Argumenten zu verharmlosen. Zum einen mit den Voraussetzungen der Diversion: das sei ein hinreichend geklärter Tatverdacht – das ist natürlich in Ordnung –; ferner mit einer nicht als schwer anzusehenden Schuld des Verdächtigen – was bedeutet das, und wer beurteilt es? –; und dann noch mit der Einschränkung, daß keine spezial- oder generalpräventiven Gründe gegen die Diversion sprechen. Erneut: Wann trifft das zu, und wer beurteilt es, nach welchen Kriterien, und ist das von Fall zu Fall und regional möglicherweise unterschiedlich?

Damit komme ich zum nächsten wesentlichen Kritikpunkt: Diese Voraussetzungen beurteilt zunächst nicht das unabhängige Gericht – konkret: der Untersuchungsrichter –, sondern künftig der an sich weisungsgebundene Staatsanwalt allein. Was dies bedeutet, wenn die von der Strafrechtssektion des Bundesministeriums ausgehende Strafrechtspolitik die Diversion, insbesondere den Außergerichtlichen Tatausgleich, tendenziell anstrebt, versteht sich auch ganz ohne – von mir in keiner Richtung unterstellte – Richtlinien des Herrn Bundesministers dennoch von selbst.

Zudem ist es als Nichtigkeitsgrund mit Rechtsmittel anfechtbar, wenn diese Begünstigung nicht gewährt worden ist. Ihre ungerechtfertigte Erteilung ist hingegen unanfechtbar. Das allein läßt die politische Schlagseite überdeutlich erkennen.

Man wende nicht ein, daß der Außergerichtliche Tatausgleich ohnehin nur dann in Betracht komme, wenn ihm das Verbrechensopfer zustimmt; denn zum einen setzt die Beachtlichkeit der Ablehnung seitens des Opfers voraus, daß sie nicht auf Gründen beruht, die in einem Strafverfahren nicht berücksichtigungswürdig sind. Was soll das heißen? Werden dem Opfer atavistische Rachemotive unterstellt, oder handelt es sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, eine Generalklausel, der beziehungsweise die es jedenfalls ermöglicht, den Außergerichtlichen Tatausgleich im Zweifel durchzusetzen? – Allein diese Formulierungen zeigen meines Erachtens zur Genüge die ideologische Voreingenommenheit der Verfasser auf.

Zudem hindert die mangelnde Zustimmung des Verbrechensopfers zwar allenfalls den Außergerichtlichen Tatausgleich, nicht aber sonstige Arten der Diversion. Mit anderen Worten kann zum Beispiel der Staatsanwalt den Täter dennoch mit einer Bußzahlung an den Bund von einem Strafverfahren entlasten.

Im höchsten Maße fragwürdig ist jedoch der Umstand, daß die Anwendung diversioneller Maßnahmen keine Eintragung im Strafregister bewirkt. Daraus folgt, daß der Straftäter weiterhin uneingeschränkt öffentliche Ämter bekleiden kann, also etwa auch Funktionen in gesetzgebenden Körperschaften; daß er vor allem unverändert als unbescholten gilt, daß somit auch Rückfalls- und Wiederholungstätern die Rechtswohltat der Diversion zugute kommen kann, weil weder die nicht registrierten Straftaten, die der – bloß intern dokumentierten – Diversion unterzogen wurden, noch sogar echte Vorstrafen eine neuerliche Diversion ausschließen. Wie soll ferner die Öffentlichkeit – anders als bisher durch die öffentliche Verhandlung und zumindest die


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öffentliche Urteilsverkündung – die Praxis dieser alternativen Bewältigung von Straftaten ausreichend beurteilen können?

Lassen Sie mich zuletzt auf die zunächst so sympathisch anmutende, aber letztlich doch täuschende Devise zu sprechen kommen, daß diese Novelle vor allem den Verbrechensopfern zur besseren Befriedigung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche verhelfen werde. Auch dabei handelt es sich um eine leere Ankündigung: Zum einen ist nämlich dem Verdächtigen die Erfüllung der Ersatzforderungen des Opfers nur insoweit aufzuerlegen, als dies möglich und zweckmäßig ist – mit anderen Worten hängt dieser Zuspruch von der aktuellen Leistungsfähigkeit des Verdächtigen ab. Worin soll dann der Vorteil dieser Lösung bestehen? – Bislang hätte zum anderen das Strafgericht dem durch die Straftat Geschädigten im Adhäsionsverfahren seine zivilrechtlichen Ersatzansprüche zur Gänze zuerkennen müssen. Selbst wenn es diese Ansprüche – wie leider in der Praxis allzu häufig – auf den Zivilrechtsweg verwies, bildete doch die strafgerichtliche Verurteilung eine bindende Grundlage für den nachfolgenden Zivilprozeß.

Im Rahmen des Außergerichtlichen Tatausgleiches ist es jedoch künftighin denkbar, daß ein Konfliktregler – das muß und wird in aller Regel kein Fachjurist sein, das kann ein Sozialarbeiter oder Bewährungshelfer sein – sogar einen außergerichtlichen Vergleich herbeiführt, dem das Opfer mangels rechtsfreundlicher Vertretung in Unkenntnis der ihm zustehenden Ansprüche und daher unter Umständen im unbewußten Verzicht darauf zustimmt. Meines Erachtens müßte dann eine solche Vereinbarung freilich anfechtbar sein, aber das steht keineswegs fest.

Problematisch erscheint uns auch, daß das Opfer nicht etwa nur aus Angst, bedingt durch die vorliegende Tat oder durch weitergehende Bedrohung, sondern auch unter moralischem Druck – ich selbst würde ihn durchaus empfinden, das gestehe ich Ihnen offen ein – dem Außergerichtlichen Tatausgleich sogar gegen seine Überzeugung zustimmen könnte. Prinzipiell fragwürdig verbleibt dabei meines Erachtens auch, ob selbst das Opfer – unbeschadet seines Genugtuungs- oder Ausgleichsanspruches – über den Grundsatz der Rechtsbewährung verfügen kann. Bei Delikten gegen Staatsorgane wird das in den Erläuterungen auch zu Recht bezweifelt. Aber letztlich gilt dieser prinzipielle Einwand bei jeder Straftat, weil eben jedes Delikt eine Negation der Rechtsordnung darstellt.

Abschließend ist festzuhalten, daß es nicht bloß ein Streit um Worte ist, ob diese Novelle, wie wir meinen, eine äußerst weitreichende potentielle Entkriminalisierung oder bloß eine spezifi-sche Erweiterung in der Palette staatlicher Reaktionen auf die Straftat darstellt. Jedenfalls schließt die Diversion sowohl Schuldspruch als auch Strafe aus.

Unseres Erachtens bedeutet diese Novelle einen revolutionären Abbau des Strafrechts in ganz erheblichen Teilen seines Anwendungsbereiches. Wir meinen daher, daß mit diesem Gesetz allein Christian Broda – weit über seine kühnsten Erwartungen hinaus – posthum gesiegt hat (Beifall bei den Freiheitlichen), ohne daß das die seitherige Entwicklung der Gesellschaft wie auch des traurigen Phänomens der Kriminalität rechtfertigt. Eben und gerade deshalb werden wir dieser Vorlage aus voller Überzeugung unsere Zustimmung versagen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Günther Hummer. Ich erteile ihm das Wort.

12.31

Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich müßte meinem Vorredner, dem geschätzten Herrn Professor Böhm, recht geben, wenn ich nicht das Vertrauen hätte, daß die mit der Vollziehung dieses Gesetzes beauftragten staatsanwaltschaftlichen Behörden beziehungsweise auch die Gerichte hiebei von der in Kraft zu setzenden Rechtslage ausgehen. Wenn man nämlich den Gesetzesbeschluß des Nationalrates, der auf einer Regierungsvorlage des Justizministeriums basiert, gründlich liest und studiert, so muß man feststellen, daß, wenn man nicht nur den Buchstaben, sondern auch den Geist und den Zusammenhang dieses Gesetzeswerkes im Auge hat, den Befürchtungen, die hier geäußert


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wurden, kein Raum verbleibt. Was ist Diversion eigentlich? – Es ist der Verzicht auf ein förmliches Strafverfahren, das mit einem förmlichen Strafurteil beendet wird.

Eines solchen Signals, wie es ein rechtskräftiges Strafurteil ist, bedarf es bei allen schweren und bei allen verwerflichen Delikten. Wir vergessen aber, daß gerade im weiten Raum der kleinen Kriminalität ein Strafurteil oft ein stumpfes Werkzeug ist. Wenn etwa geringfügige Diebstähle mit einer bedingten Geldstrafe geahndet werden, so beeindruckt dies den Täter nicht. Der vom Gesetz und bei jeder Strafe beabsichtigte Hauptzweck, doch den Täter zu bessern und für die Öffentlichkeit ein Fanal zu setzen, bleibt außer Betracht.

Der zweite stillschweigende Gedanke meines Vorredners manifestiert sich darin, daß mit dem Begriff "Strafe" nur die in einem Strafurteil ausgesprochene Strafe gemeint wird. Sicherlich ist Diversion im Sinne der Strafprozeßordnung keinesfalls eine Strafe. Die Diversion ist aber ein Übel, das dem Verdächtigen zugefügt wird. Wenn man viele Stunden seiner Freizeit etwa in einem Heim für Pflegebedürftige oder in sonstigen sozialen Heimen und Anstalten tätig sein und sich dort als Mensch bewähren muß, so ist dies unter Umständen aus der Sicht ein Übel, das es innerlich zu bewältigen gilt. Wenn es gilt, mit dem Opfer einer Straftat Auge in Auge zu stehen und alles unternehmen zu müssen, um die Folgen der Tat aus der Welt zu schaffen, so kann dies in diesem Sinne gesprochen kein Übel sein, das ungleich schlimmer ist als eine Geldstrafe, die womöglich von den Eltern oder von Angehörigen bezahlt wird.

So glaube ich, daß das richtige Verständnis der Diversion, das einen Vorschlag unterbreitet, was aufgrund einer Straftat zu geschehen hat, welcher Ausgleich vom Verdächtigen zu erbringen ist, durchaus im Alltagsgebrauch des Wortes als eine Strafe zu werten und auch psychologisch tatsächlich eine Strafe ist.

Wir wollen letzten Endes auch nicht, daß wir ein Volk der Vorbestraften werden. Es ist nicht zu übersehen, daß fast jeder Mensch in irgendeine Situation – ich denke an den heutigen Straßenverkehr – kommt, in der er sehr schnell zum Vorbestraften wird. Eine Vorstrafe zu haben, ist noch immer ein Makel, der oft weit über die tatsächliche Bedeutung der ihr zugrunde liegenden Straftat hinausgeht. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Das ist Ihnen – das weiß ich, Herr Professor – wohl bewußt, aber es wurde doch der Eindruck vermittelt, als wäre die Verankerung der Vorstrafe in vielen Fällen im Strafregister unbedingt erforderlich.

Die Diversion wird in einem Register geführt und ist damit dem Gericht und den staatsanwaltschaftlichen Behörden zugänglich. Ich glaube, daß damit tatsächlich etwas Zukunftsweisendes gesetzt wird. Sicherlich findet die Diversion nicht wie ein Strafprozeß im Lichte der Öffentlichkeit oder zumindest nicht im selben Lichte der Öffentlichkeit statt. Die Kritik des Publikums, die Kritik der Medien ist unmittelbar nicht vorhanden, das muß man sehen. (Bundesrat Dr. Böhm: Eben!) Das ist vielleicht auch ein Nachteil dieser Einrichtung. Es wurde uns im Ausschuß versichert, daß diesem Nachteil dadurch, daß im Sicherheitsbericht die Tätigkeit der staatsanwaltschaftlichen Behörden aufgezeigt würde, und durch entsprechende Information der Öffentlichkeit gegengesteuert würde. (Bundesrat Dr. Böhm: Rein quantitativ! Quantitativ! Statistisch!)

Die Voraussetzungen der Diversion sind, wie schon von meinem Vorredner aufgezeigt wurde, ein hinreichend geklärter Sachverhalt. Es gibt keine Diversion, die sozusagen über einen Nebelschleier fährt, das ist das erste. Der Sachverhalt muß erwiesen sein, und die Wahrnehmung der Diversion reicht aus – da haben wir allerdings einen sicherlich sehr weit gefaßten Begriff –, wenn die Wirkungen den Anforderungen der General- und Spezialprävention gerecht werden. Da bedarf es sicherlich eines fundierten Wissens und einer entsprechenden Verantwortung des tätig werdenden Staatsanwaltes, der sagt, da komme Diversion in Frage, weil das, was wir von einem Strafurteil erwarten könnten, nämlich Abschreckung und Besserung, durch Diversion effizienter erzielt wird.

Es wurde schon gesagt, daß die strafbare Handlung nicht in die Zuständigkeit der Schöffen- und Geschworenengerichte fallen darf und daß die Schuld des Verdächtigen nicht schwer sein darf. Ich bin kein Strafrechtler, aber ich glaube, daß der Begriff "schwere Schuld" schon solch eine reiche Rechtsprechung gefunden hat, daß man strafrechtlich festhalten kann, wann eine Schuld


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als schwer zu beurteilen ist. Die Tat darf nicht den Tod eines Menschen zur Folge haben. Jetzt kommt auch ein wichtiger Punkt: Der Verdächtige muß Einsicht in die Struktur und in die Ursachen seiner Tat und deren Folgen haben und zeigen.

Ein einsichtsloser Beschuldigter, der gar nicht zur Kenntnis nehmen will, daß er Übel zugefügt hat, daß er sich strafbar gemacht hat, ist für Maßnahmen der Diversion, wenn das Gesetz im Auge behalten wird, von vornherein nicht geeignet. – Außerdem muß die Bereitschaft zur Schadensgutmachung gegeben sein. Man darf nicht annehmen, daß ein Staatsanwalt sagen wird, eine Schadensgutmachung wäre bei einer strengen Beurteilung nicht zweckmäßig oder nicht zumutbar. Sicherlich muß man davon ausgehen, daß gewissenhaft gehandelt wird. Ich glaube, der zuständige Chef der Justiz, der an die staatsanwaltschaftlichen Behörden weisungsbefugt und der letztlich auch politisch dafür verantwortlich ist, daß im Bereich der Diversion keine Mißstände getätigt werden, wird wohl dafür bürgen, daß die von Ihnen geäußerten Befürchtungen tatsächlich nicht eintreten.

Es bedarf aber nicht nur der Rechtskenntnis bei den Behörden, die die Diversion handhaben, sondern auch des Vermögens der Gestaltung, des Vermögens, dem Verdächtigen klarzumachen, welches Übel er zugefügt hat. Sehr viel im Bereich des Strafrechtes geschieht nicht aus böser Absicht, sondern aus Verkennung der Zusammenhänge und der fehlenden Einsicht in das Strafbare einer Tat und in das Übel, das damit Mitmenschen zugefügt wird.

Die Kontakte mit dem Verletzten, dem Opfer der Tat, sind gerade beim Tatausgleich sehr wichtig. Es ist eine Zustimmung des Verletzten, des Opfers grundsätzlich erforderlich.

Ich meine, ich darf unter diesen Gesichtspunkten sagen, daß hier ein Weg gegangen wird, der gerade im Bereich der kleinen Kriminalität zukunftsweisend ist. (Bundesrat Dr. Böhm: Fünf Jahre Strafdrohung ist nicht Kleinkriminalität!) Daß er nicht ausufert in Bereiche, für die er nicht geeignet ist, weil der Schaden etwa gar nicht gutzumachen ist, weil das Opfer der Tat nicht faßbar ist oder das zugefügte Übel so abstrakt ist und im psychischen Bereich liegt, daß es tatsächlich nicht wiedergutgemacht werden kann, dafür werden nun die Staatsanwaltschaften, wird der Bundesminister für Justiz in erster Linie verantwortlich sein. Wir werden auf entsprechende Berichte nach Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzespaketes mit Spannung, aber auch mit entsprechendem kritischen Geist warten.

In diesem Sinne darf ich namens der Bundesratsfraktion der Österreichischen Volkspartei vorschlagen, gegen die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.42

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Michael Ludwig das Wort. – Bitte.

12.42

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die heute zur Beschlußfassung vorliegende Strafprozeßnovelle 1999 stellt eine, wie ich meine, wesentliche Weiterentwicklung unseres Rechtssystems dar und ist durchaus vergleichbar mit den großen Justizreformen der siebziger Jahre. Diese Reform stellt eine Erweiterung des staatlichen Reaktionssystems auf strafbare Handlungen dar und ist eine Ergänzung – ich betone: eine Ergänzung – des bestehenden Strafrechts.

In anderen europäischen Ländern gibt es bereits seit Jahren sehr positive Erfahrungen mit der Diversion, zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland. Kollege Böhm! Es tritt auch in Deutschland keine Erosion des Strafrechtes dadurch ein, daß es diese Möglichkeiten der Verfahrensabwicklung gibt. In Deutschland sind derartige Möglichkeiten seit 1924 gegeben. (Bundesrat Dr. Böhm: Aber nicht so weitgehend! – Bundesminister Dr. Michalek: Das Opportunitätsprinzip geht noch viel weiter!) Bereits im Jahr 1993 – auch schon einige Jahre zurückliegend, aber immerhin eine, wie ich meine, doch sehr markante Zahl – wurden bereits 47 Prozent aller dringend tatverdächtigen Erwachsenen nach diesem diversionellen Modell betreut und deren Verfahren abgewickelt. Bei den Jugendlichen war dieser Prozentsatz noch viel höher und hat


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sich weit über 60 Prozent bewegt. Ich denke, daß diese sehr positiven Erfahrungen zum Beispiel aus der Bundesrepublik Deutschland auch für uns von Interesse sind.

In Österreich gibt es seit einigen Jahren den außergerichtlichen Tatausgleich bei Jugendlichen – diesen haben Sie bereits angesprochen –, und es hat auch den Modellversuch außergerichtlicher Tatausgleich für Erwachsene gegeben, bei dem ebenfalls bereits die Möglichkeit bestanden hat, sich über dessen Auswirkungen zu informieren.

Meines Erachtens hat das Strafrecht im wesentlichen drei große Hauptaufgaben: zum einen –das steht nicht zufälligerweise an der Spitze –, Hilfe für die Opfer zu bringen, zum zweiten, die Sicherheit der Gesellschaft durch Sozialisation zu erreichen, und zum dritten, dem Täter sein Unrecht vor Augen zu führen. Ich meine, in all diesen drei großen wichtigen Bereichen hat die Vorlage Verbesserungen gebracht. Die Opfer bekommen eine stärkere, eine bessere Stellung. Bisher waren die Opfer im Strafprozeß begrenzt auf die Funktion des Zeugen. Jetzt gibt es die Möglichkeit, daß auch die Opfer stärker in das gesamte Geschehen miteinbezogen werden. Das heißt, daß der Opferschutz auch in dieser neuen Strafprozeßnovelle bessere Möglichkeiten gefunden hat und die Frage der Wiedergutmachung stärker ausgeprägt ist.

Die Sicherheit der Gesellschaft durch Sozialisation wird dadurch erreicht, daß die Rückfallquoten reduziert werden. Auch in diesem Fall zeigen Studien aus dem Ausland, daß es durchaus möglich war, durch die Diversion und die damit verbundene Betreuung, zum Beispiel auch durch Sozialarbeiter, Verbesserungen hinsichtlich der Rückfallquote zu erzielen.

Die Handlung bleibt aber strafbar. Deshalb wird dem Täter sein ausgeübtes Unrecht weiterhin vor Augen geführt. Das ist auch der Grund, warum ich hier kein Abgehen von unserer bisherigen Praxis in der Strafprozeßordnung erkennen kann. Ich meine, daß die Möglichkeiten, die diese Reform bringt, nämlich flexibler auch aus der Sicht der Richter, der Staatsanwälte vorzugehen, insbesondere was die Festsetzung der Wiedergutmachung betrifft, ein großer Vorteil sind. Ich denke, gemeinnützige Arbeiten, Geldbußen, Probezeiten, der außergerichtliche Tatausgleich plus Schadenersatz sind wirkungsvolle Instrumente, um Täter von künftigen Straftaten abzuhalten.

Diese Maßnahmen sind nur setzbar, wenn die Schuld gering ist, das heißt also, nicht schwer ist, wie das der Gesetzesvorlage auch zu entnehmen ist, wenn es sich um die Zuständigkeit von Einzelrichtern handelt und wenn sie geeignet sind, den Täter von künftigen Straftaten abzu-halten. Nur dann hat die Diversion auch tatsächlich Funktion und Möglichkeiten einzugreifen, und das halte ich für gut und richtig.

Damit aber Wiederholungstäter diese Maßnahmen nicht immer wieder in Anspruch nehmen können, gibt es das Diversionsregister. Kollege Böhm! Sie haben davon gesprochen, daß es keine Aufzeichnungen über die Fragen der Diversion gibt. Im Diversionsregister ist dies festgelegt, und es wird immerhin fünf Jahre hindurch registriert, wer Maßnahmen aus dem Bereich der Diversion in Anspruch nimmt. (Bundesrat Dr. Böhm: Intern schon!) Ja, aber das ist doch eine sehr wichtige Maßnahme, um festzuhalten, wer derartige Maßnahmen in Anspruch nimmt. (Bundesminister Dr. Michalek: Die Strafbehörden wissen es! – Bundesrat Dr. Böhm: Der Dienstgeber nicht!)

Der außergerichtliche Tatausgleich und die anderen Formen der Diversion geben Richtern und Staatsanwälten die Möglichkeit, im unteren Kriminalitätsbereich flexibler und effizienter zu reagieren. Das heißt, Ihre Frage, wer dann darüber entscheidet, welche Maßnahmen getroffen werden, ist auch, wie ich meine, in der Vorlage damit beantwortet, daß dies bei Richtern und Staatsanwälten liegt. Unser aller gemeinsames Vertrauen in die österreichische Justiz setze ich doch voraus.

Die Regeln des Strafverfahrens bleiben aber selbstverständlich bestehen. Das heißt, wenn die Vorschläge des Beschuldigten von Opfer oder Staatsanwalt nicht akzeptiert werden, kommt eine Diversion nicht zustande, und es beginnt das ganz gewöhnliche ordentliche Strafverfahren. Unter diesen Voraussetzungen, nämlich eines drohenden Strafverfahrens mit einer entsprechenden Verurteilung und einer entsprechenden Vorstrafe, ist ein Beschuldigter, wie ich meine,


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auch eher bereit, einen Schadensausgleich vorzunehmen. Ich denke entgegen Ihrer Meinung, daß die Androhung auch der ganz normalen Möglichkeiten, die das Strafrecht vorsieht, den Täter oder den potentiellen Täter sehr schnell zum Einlenken zwingen wird.

Wenn Sie Beispiele vorgelesen haben, die allerdings meiner Meinung nach sehr theoretisch begründet sind, dann darf man nicht außer acht lassen, daß in der Praxis auch der individuelle Umstand gewertet wird. Ein sicher gängiges Beispiel ist der Ladendiebstahl, wo es bisher durchaus üblich war, daß ein Täter mit einer bedingten Geldstrafe davongekommen ist. Also ich wage zu behaupten, daß der Druck auf den Täter ein marginaler war, während heute immerhin aufgrund dieser Möglichkeiten der Täter auch zu einer entsprechenden Wiedergutmachung herangezogen wird und auch einen entsprechenden Schadenersatz zu leisten hat, und zwar nicht nur für den Wert des gestohlenen Gegenstandes, sondern darüber hinaus auch für jene Kosten, die durch seine Festnahme entstanden sind, zum Beispiel durch Kaufhausdetektive und vieles mehr. (Bundesrat Dr. Böhm: Ich war ausdrücklich dafür bei Ladendiebstahl!)

Kollege Böhm! Zudem muß man auch bedenken, daß ein sehr großer Anteil der Delikte, für deren Wiedergutmachung Diversion in Frage kommt, in einem sehr engen emotionalen Verhältnis begangen werden. Mehr als die Hälfte all dieser Delikte werden im Verwandten- und Bekanntenkreis begangen. Das heißt, es handelt sich um Konfliktfälle, die einen sehr engen Opfer-Täter-Ausgleich mit sich bringen, und ich gehe davon aus, daß eine Diversion mit dazu beitragen kann, daß sich derartige Konfliktfälle nicht mehr wiederholen beziehungsweise aufgelöst werden. In diesem Fall ist auch, wie ich meine, die Kooperation der Justizbehörden mit den Sozialarbeitern eine sehr wichtige Aufgabe und Funktion und hat sich in den verschiedensten Modellversuchen bereits als sehr positiv herausgestellt.

Das heißt, ich denke, daß es durch diese neuen Möglichkeiten, die die vorliegende Novelle mit sich bringt, zu Verbesserungen auch im Umgang der Menschen in unserer Gesellschaft kommt, nicht nur in der wegfallenden Stigmatisierung der potentiellen Täter, sondern vor allem in der besseren Betreuung der Opfer – das liegt uns ganz besonders am Herzen –, durch die Wiedergutmachung, durch das Erbringen des Schadenersatzes.

Wir werden aus den vielen genannten Gründen dieser bedeutenden Innovation der Strafrechtspflege unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.50

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel das Wort. – Bitte.

12.50

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Unter Diversion, außergerichtlichem Tatausgleich, versteht man alle Formen der staatlichen Reaktion auf strafbares Verhalten, welche den Verzicht auf die Durchführung eines Strafverfahrens oder die Beendigung eines solchen ohne Schuldspruch und ohne förmliche Sanktionierung des Verdächtigten ermöglichen. – So steht es auch in den allgemeinen Erläuterungen. Wenn man hier allerdings die Gegenpole abwägt, dann wird ein Punkt geschwächt, nämlich die staatliche Reaktion.

Es ist richtig, Ausgangspunkt für die Diversionsüberlegungen war zunächst der berechtigte Wunsch – das hat auch seinerzeit der Bundesminister für Justiz Dr. Ofner hier dargetan – nach einer verstärkten Einbeziehung der durch Straftaten in ihren Rechten verletzten Personen in das Strafverfahren und vor allem nach der Betonung des Aspekts der Wiedergutmachung bei strafrechtlichem Rechtsschutz. Das ist gut und richtig.

Aber, meine Damen und Herren, dieses Instrumentarium hat die derzeitige Strafprozeßordnung gleichfalls beinhaltet. Die Möglichkeit der Verweisung auf den Zivilrechtsweg wurde deswegen eigentlich immer wieder in Anspruch genommen, weil die Richter aufgrund der Zahl der Fälle überfordert waren. Das war der eigentliche Hintergrund. Letztlich wäre jemand zur Wiedergutmachung verhalten gewesen. – Das ist der eine Bereich. Da hätte man also eine Novellierungsmöglichkeit finden können.


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Der andere Bereich – Kollege Böhm hat das bereits richtigerweise ausgeführt – ist, es wird hier immer von Kleinkriminalität gesprochen. Meine Damen und Herren! Angesichts einer Strafdrohung von fünf Jahren handelt es sich in diesem Fall nicht um Kleinkriminalität. Hier ist etwas passiert, was üblicherweise in Österreich nicht immer passiert. Wir haben bei solchen Dingen sonst immer schaumgebremst reagiert, die grundsätzlich im Ansatz richtig sind. In diesem Fall hat man überreagiert.

Ich persönlich glaube, daß da bereits ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat und daß man darangeht, das Strafverfahren, die Wiedergutmachung letztlich der staatlichen Oberaufsicht, den Juristen zu entziehen und es den Mediatoren, den Streetworkern zu überlassen.

Bitte stellen wir uns einen Fall aus der Praxis vor. Der Arme, der überfallen wurde und Schaden erlitten hat, stellt einen Schadenersatzanspruch. Dann wird ihm durch den Betreuer gesagt: Das Strafverfahren dauert so lange. Machen wir bitte einen außergerichtlichen Tatausgleich. – Und das Opfer kommt um vieles, was ihm vielleicht zustehen würde, einfach aus Angst, daß dieses Verfahren zu lange dauert. Es ist also zu beachten, daß die Opfer – vom Vorredner wurde das Opferprinzip hervorgehoben – tatsächlich Opfer bleiben. Daß das passieren könnte, befürchte ich, weil all das, also die Diversion, bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung stattfindet, und zwar vom Staatsanwalt eingeleitet. Der Richter, der ohnehin überfordert ist, wird dazu natürlich ja sagen. Das ist das eigentliche Problem.

Herr Bundesminister! Unter einem der nächsten Tagesordnungspunkte behandeln wir ein Thema, dem wir zustimmen werden, nämlich der Ausweitung der Bezirksgerichte in Wien. Wenn man bedenkt, daß es im Jahr um rund 14 000 Fälle geht, dann muß ich sagen, das wäre ein hervorragender Bereich, der Anlaß für eine Änderung der Gerichtsorganisation in Richtung Bezirksgerichte, Eingangsgerichte, geben könnte, damit diese Fälle immer unter wirklicher Obhut des Gerichtes behandelt werden.

Uns, Herr Bundesminister, geht diese Novellierung zu weit, zu weit auch deswegen, weil hier vordergründig gesagt wird, dadurch komme der Bürger früher zum Recht. Ich persönlich und Freunde von mir glauben, daß er dadurch erstens eher weniger recht bekommt, daß, wie ich ausgeführt habe, eine gewisse Pression entsteht. Zweitens entziehe ich durch die Diversion dem bewährten Instrumentarium, das teilweise natürlich überfordert ist, nämlich unserer Justiz, die Möglichkeit, entsprechend einzugreifen.

Drittens – das hat Kollege Böhm mit Beispielen ausgeführt – spricht man in diesem Fall von Kleinkriminalität. Dem ist nicht so. Es geht bis zu Strafdrohungen bis zu fünf Jahren, ergo dessen ist für uns diese Grenze zu hoch gesetzt.

Aus rechtlichen Gründen, aus Achtung vor dem Recht des Bürgers können wir dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek. Ich erteile es ihm.

12.57

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht nur so viel Selbstbewußtsein, sondern auch durchaus maßgeblichen Zuspruch, daß ich meine, mit Recht davon überzeugt sein zu können, daß das Bundesministerium für Justiz unter meiner Leitung und alle meine Mitarbeiter nicht nur im Zivilrecht, sondern auch im Strafrecht erfolgreiche, der gesellschaftlichen Realität entsprechende Justizpolitik betreiben, wie sie von Herrn Professor Böhm angesprochen wurde. Und das meine ich nicht, weil ich von irgendeiner Ideologie durchdrungen wäre oder ein Illusionist oder utopischer Sozialromantiker wäre, sondern gerade weil ich ein von rationalem Kalkül durchdrungener Realist bin. Ich stehe dazu, daß dieses Gesetz ein Meilenstein mit bemerkenswerten innovativen Schritten ist. (Beifall bei der SPÖ.)


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Einerseits wollen wir mit dem außergerichtlichen Tatausgleich und mit den anderen Formen der Diversion den österreichischen Richtern und Staatsanwälten alternative Möglichkeiten an die Hand geben, im unteren – ich sage nicht im Bagatellbereich – und in einigen Fällen auch im mittleren Kriminalitätsbereich auf strafbares Verhalten flexibler, einzelfallgerechter, rascher und vor allem wirksamer reagieren zu können.

Zugleich ist dieses Gesetzesvorhaben ein entscheidender Schritt nach vorne bei der Wahrung und Durchsetzung der Interessen der Verbrechensopfer. Wir können dem Verletzten rascher, leichter, unbürokratischer Schadenersatz und Tatfolgenausgleich angedeihen lassen. Unter dem, wie ich immer sage, drohenden Damoklesschwert eines ansonst fortzusetzenden Strafverfahrens mit strafgerichtlicher Verurteilung und Vorbestrafung wird der Täter viel eher als in einem formellen Strafverfahren dazu angeregt, Schadenersatz und Tatfolgenausgleich zu leisten, viel eher, als das in einem Strafverfahren oder in einem späteren Zivilverfahren der Fall ist, das zunächst einmal mit Kosten verbunden ist.

Sie wissen selbst: Auch wenn das Opfer einen rechtskräftigen Titel – in seltenen Fällen im Strafverfahren, in aller Regel in einem Zivilverfahren – erhält, heißt das noch nicht, daß er tatsächlich zu seinem Schadensausgleich kommt. Künftig wird die tatsächliche Schadensgutmachung im Interesse des Opfers in aller Regel der Fälle sichergestellt. Das gilt gerade für die kleineren Schadensbereiche, in denen die zivilrechtliche Geltendmachung der Schadenersatzansprüche jedenfalls zunächst einmal mit hohen Kosten verbunden ist, mit einem ganz ungewissen Ausgang, wie das Exekutionsverfahren enden wird.

Es geht unseres Erachtens gar nicht so sehr um eine zivilrechtlich präzise Schadensbemessung – diese findet zu Recht in aller Regel im Strafprozeß nicht statt –, sondern vor allem um eine grundsätzliche Wahrung und Anerkennung der Interessen des Opfers und um dessen aktive Einbeziehung in das Verfahren und in die Ausgleichsbemühungen, aber auch darum – etwas, was immer wieder von den Opfern gefordert und leicht übersehen wird –, dem Opfer eine ideelle Genugtuung zu verschaffen, insgesamt eben darum, die materiellen und immateriellen Tatfolgen festzustellen und möglichst auszugleichen.

Daß dabei das Opfer – Sie haben es nicht gesagt, aber im Nationalrat wurde es gesagt – über den Tisch gezogen würde, diese Gefahr sehe ich nicht. Erstens wird es die entsprechenden Rechtsbelehrungen geben. Zweitens kann sich das Opfer eines Rechtsbeistandes bedienen. Wenn es sich um schwierigere Tatbestände handelt, deren zivilrechtliche Folgen nicht gleich abschätzbar sind, haben auch jetzt schon und werden in Zukunft die Beteiligten eine Belehrung an das Opfer aussprechen, sich, wenn nicht der Rechtsrat durch die einschreitenden Juristen gewährleistet ist, eines Rechtsrates zu bedienen. (Bundesrat Dr. Böhm: Auf eigene Kosten!)

Diese entstehen schließlich im Strafverfahren und im Zivilverfahren auch. (Bundesrat Dr. Böhm: Kostenersatz!) Darauf kann ich gleich antworten. Wir haben bisher schon und werden auch weiter vorsehen, daß durch diese Rechtsverfolgung auflaufende Kosten zu den Tatfolgen gehören und in den Ausgleich miteinzubeziehen sind. Das ist klar. (Bundesrat Dr. Böhm: Das steht im Gesetz nicht drinnen!)

Wie sieht es denn jetzt mit den Tatfolgen aus? Bekommt man jetzt im zivilrechtlichen Schadensausgleich die durch die angemessene Rechtsverfolgung entstandenen Kosten ersetzt? – Ja! Also ist das ein Schadenersatzanspruch. Wenn die alternativen Maßnahmen davon abhängig sind, daß Schadensersatz geleistet wird und Tatfolgenausgleich stattfindet, dann ist das ein Teil davon. Ich denke daher, daß man in dieser Hinsicht mit entsprechender Auslegung und unter analoger Heranziehung der in den anderen Bereichen unbestrittenen Rechtsanwendungen auch bei einer diversionellen Maßnahme zu einem befriedigenden Ergebnis kommen wird.

Ein Wort auch zum Anwendungsbereich, da es schon Einwendungen gab. Namhafte Experten haben uns im Rahmen des Begutachtungsverfahrens und in den Beratungen des Justizausschusses bestätigt, daß durch das abgestufte System von diversionellen Reaktionsformen dem Gedanken der Einzelfallgerechtigkeit besser als mit den herkömmlichen Mitteln Rechnung getragen werden kann. Das war für uns auch der Grund dafür, daß wir von der Ausarbeitung eines


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positiven oder negativen Deliktskataloges abgesehen haben, weil sonst eine allzu starke Einschränkung des Handlungsspielraumes für die Praxis zu unbefriedigenden Härtefällen führen würde.

Es zeigt sich aber ein immer wieder auftretender Denkfehler, wenn im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich gesagt wird, daß der Umstand, daß die Diversion gesetzlich nur in jenen Fällen ausgeschlossen ist, die in die Zuständigkeit des Schöffen- und des Geschworenengerichts fallen, bedeuten würde, daß alle in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes oder des Einzelrichters erster Instanz fallenden Strafsachen einer diversionellen Erledigung zugeführt werden sollen. Das ist keineswegs der Fall.

Es gibt – es wurde schon erwähnt – eine Reihe von zusätzlichen Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit überhaupt eine Überlegung stattfindet, ob eine diversionelle Maßnahme ins Auge gefaßt werden kann. Diese Voraussetzungen sind: keine schwere Schuld, general- und spezialpräventive Verträglichkeit und keine Todesfolgen.

Daß das Vorliegen dieser Voraussetzungen vom Staatsanwalt beziehungsweise vom Gericht zu beurteilen ist, stellt den gleichen Vorgang im Bereich der mittelschweren Delikte dar wie die Überlegungen, die in jenem unteren Bereich, für den Sie, Herr Professor Böhm, diese Maßnahmen als angemessen bezeichnet haben, anzustellen sind. Auch im unteren, von Ihnen akzeptierten Anwendungsbereich müssen Richter oder Staatsanwalt dieselben Überlegungen anstellen, denn auch dort kann man nicht sagen: Der Ladendieb ist eh nur ein Ladendieb, und daher kommt es auf jeden Fall zu einer Diversion! – Auch in diesem Fall muß man die Überlegung anstellen, ob keine schwere Schuld vorliegt und ob general- und spezialpräventive Verträglichkeit gegeben ist. Da ist also kein grundsätzlicher Unterschied.

Meine Damen und Herren! Insgesamt möchte ich betonen, daß die gesetzliche Verankerung des außergerichtlichen Tatausgleichs und der anderen Formen der Diversion sicher – ich möchte zwar kein "Übervorgänger" sein, aber doch – die umfangreichste Neugestaltung der Strafrechtspflege seit der Strafrechtsreform der siebziger Jahre ist. Ich bin froh darüber, daß es aufgrund der Erfahrungen mit den diversionellen Maßnahmen im Jugendgerichtsgesetz, aufgrund der Erfahrungen und der Ergebnisse des Modellprojekts "Außergerichtlicher Tatausgleich", dessen Erfolg sowohl im Zustandekommen als auch hinsichtlich der verringerten Rückfallhäufigkeit nachgewiesen ist, aber auch aufgrund des langen, in den Fachgremien und in der Öffentlichkeit geführten Diskussionsprozesses gelungen ist, die Zustimmung aller betroffenen Berufsgruppen und im weitesten Maße auch der Lehre, also Ihrer Berufsgenossen aus dem Strafrechtsbereich, zu bekommen und letztlich auch einen breiten rechtspolitischen Konsens – trotz Abseitsstehens der Freiheitlichen – zu erreichen.

Ich meine, daß das eine gute Voraussetzung dafür ist, daß wir auch damit rechnen können, eine verständnisvolle, verständige Akzeptanz in der Bevölkerung gewährleistet zu haben.

Ich kann Ihnen daher, meine Damen und Herren im Bundesrat, aus voller Überzeugung – entgegen meinem Vorredner – die Zustimmung zu diesem Gesetz empfehlen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.10

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Wolfram Vindl das Wort.

13.10

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Der Herr Bundesminister hat bereits eine Antwort auf die Debattenbeiträge meiner Vorredner gegeben. Ich werde mich daher nur auf etwas Wesentliches beschränken.

Wir befassen uns heute im Bundesrat mit der großen Strafprozeßnovelle 1999. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Novelle ist der außergerichtliche Tatausgleich, auch Diversion genannt. Man versteht unter Diversion alle Formen der staatlichen Reaktion auf strafbares Verhalten, welche


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den Verzicht auf die Durchführung eines Strafverfahrens ohne Schuldspruch und ohne förmliche Sanktionierung des Verdächtigen ermöglichen.

Die Diversionsmaßnahmen gegen Verdächtige in dieser Novelle zum Strafgesetzbuch sind ein großer Reformschritt zugunsten der Opfer. Erstmalig hat nun das Opfer eine entscheidende Rechtsposition, in der es auf jeden Fall höher, rascher und unbürokratischer entschädigt wird, als es im bisherigen gerichtlichen Verfahren der Fall war. Das Instrument wirkt nämlich nur dann, wenn der Schaden beim Opfer gutgemacht wurde und alle verhängten Maßnahmen erfüllt werden. Insbesondere von der Verpflichtung des Täters, gemeinnützige Arbeit zu erbringen, geht eine große erzieherische Wirkung für den Täter aus. Dies ist eine stärkere Reaktion auf strafbares Verhalten als jede Strafverfügung – die auch in der Vergangenheit des öfteren wirkungslos war – und auch jede bedingte Verurteilung. Die Möglichkeit der Abwendung von Urteilsfolgen erhöht zudem die Bereitschaft des Täters zur Wiedergutmachung. (Präsident Jaud übernimmt den Vorsitz.)

Wie Kollege Ludwig bereits erwähnt hat, ist in Deutschland schon seit dem Jahre 1924 die Möglichkeit der Diversion gegeben, und in der deutschen Praxis wurde die Anwendung solcher Reaktionsformen nach und nach ausgedehnt. Im Jahre 1993 kam es bereits bei fast der Hälfte aller dringend Tatverdächtigen zu einer diversionellen Verfahrenserledigung. Bei den Jugendlichen betrug der Diversionsanteil schon 65 Prozent aller Fälle.

In Österreich ist der Diversionsgedanke im Jugendstrafrecht bereits seit dem Frühjahr 1985 umfassend verankert und hat sich auch bestens bewährt. Es gibt damit sehr positive Erfahrungen im Jugendstrafrecht. Die Einbindung der Opfer in den außergerichtlichen Tatausgleich war daher eine sehr sinnvolle und äußerst notwendige Maßnahme.

Die bisher in Österreich gemachten Erfahrungen mit dem außergerichtlichen Tatausgleich bei Jugendlichen bieten ein ähnliches Bild wie jene in Deutschland. So ist es in 90 Prozent der Fälle bei Jugendlichen und in 70 Prozent der Fälle bei Erwachsenen zu einem tragfähigen Ausgleich gekommen. 85 Prozent der Täter und 84 Prozent der Opfer wollen an einem solchen Tatausgleich teilnehmen. Statistische Erhebungen zeigen, daß die Rückfallhäufigkeit bei den gerichtlich verurteilten Tätern mehr als doppelt so hoch ist wie jene nach einem außergerichtlichen Tatausgleich.

Es gibt allerdings auch Delikte, bei welchen ein außergerichtlicher Tatausgleich unbedingt abzulehnen ist. Neben Delikten, in deren Verlauf es zur Gewaltanwendung im häuslichen Bereich kommt, darf auf gar keinen Fall bei Delikten gegen die Staatsgewalt der außergerichtliche Tatausgleich zur Anwendung kommen. (Bundesrat Dr. Böhm: Wo steht das?) Ich fordere Sie daher auf, sehr geehrter Herr Justizminister, dafür Sorge zu tragen, daß im Einführungserlaß sowie bei laufenden Dienstbesprechungen und Fortbildungsveranstaltungen darauf hingewiesen wird, daß es bei Delikten nach §§ 269 und 270 Strafgesetzbuch zu keiner Diversion kommen darf. (Bundesrat Dr. Böhm: Wissen das auch alle?)

Was mich allerdings verwundert, geschätzte Damen und Herren des Bundesrates, ist die Reaktion von Innenminister Schlögl. Er hat seine Beamten im Regen stehenlassen, anstatt sich schützend vor sie zu stellen. Er verlangte bei der diesbezüglichen Besprechung im Justizausschuß lediglich eine Protokollanmerkung zu Delikten, bei welchen es zur Gewaltanwendung im häuslichen Bereich kommt. Daß die Chefin des Liberalen Forums gerade für Delikte gegen die Staatsgewalt diversionelle Maßnahmen verlangte, darf einen bei der sogenannten liberalen Haltung von Heide Schmidt nicht weiter verwundern. (Bundesrat Dr. Böhm: Das versteht sich von selbst!)

Hohes Haus! Die ÖVP-Fraktion hat bei der Gesetzwerdung im Nationalrat ihre Vorschläge in dieses Gesetz eingebracht. Wir von der ÖVP sind überzeugt, daß dieses Gesetz eine gute Möglichkeit ist, den Opfern und den Tätern zu helfen, und werden ihm daher unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.16


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Präsident Gottfried Jaud:
Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile ihr dieses.

13.16

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zum Kernstück der Strafprozeßnovelle 1999, zum außergerichtlichen Tatausgleich für Erwachsene, bekennen und zähle mich damit zu den visionären Utopisten oder humanitären Visionären, wie das heute bezeichnet wurde. Wenn es als Vorwurf gedacht war, daß diese Strafrechtsnovelle seit der Brodaschen Änderung eine Erosion bedeutet, dann glaube ich, daß das abzulehnen ist, wenn man Erosion als etwas Unkontrolliertes und Negatives bezeichnet. Ich gehe davon aus, daß diese Systemänderung eine Ergänzung und Erweiterung des bestehenden Strafrechts bedeutet, nämlich auch auf der Grundlage der bisher gemachten Erfahrungen, zum Teil aus dem außergerichtlichen Tatausgleich im Bereich des Jugendstrafrechts, aber auch aus dem Modellversuch im Zusammenhang mit Erwachsenen.

Ich sehe in dieser erweiterten Möglichkeit neben der besseren Bedeckung der Bedürfnisse der Opfer eine starke Hinwendung zur Wiedereingliederung der Täter in die Gesellschaft. Diese Wiedereingliederung erfolgt nicht im Rahmen eines – wie von den Freiheitlichen gefordert – gerichtlichen Festhaltens, mit dem Rachegedanken im Hintergrund. (Bundesrat Dr. Böhm: Das habe ich ausdrücklich abgelehnt! Bitte unterstellen Sie das nicht!) Ich gebe zu, daß das eine Unterstellung meinerseits ist, doch ich kann mich dieses Eindrucks nicht erwehren. Ich bin froh, in einem Rechtssystem Staatsbürger und politisch tätig sein zu können, das andere Wertvorstellungen hat. Ich beobachte mit Schaudern die Situation, die sich in den USA darstellt. Dort befinden sich 3 Prozent der männlichen Bevölkerung in den Gefängnissen, und dort wird mehr Geld für die Erhaltung der Gefängnisse ausgegeben, als für die Bildung zur Verfügung steht.

Ich möchte jetzt nicht auf die Gegenüberstellung von Pro und Kontra eingehen, das haben meine Vorredner schon bestens gemacht. Die zusammenfassenden Ausführungen des Herrn Ministers haben sehr gut vor Augen geführt, welche Möglichkeiten in dieser Strafprozeßnovelle vorhanden sind und wie sie angewendet werden sollen.

Es ist im Zusammenhang mit dem immer wieder vorgebrachten Hinweis auf die Schwere der Taten und auf den Strafrahmen von fünf Jahren darauf zu verweisen, daß das keine losgelöste Einzeldefinition sein kann, sondern daß das Zusammenwirken von vielen Maßnahmen zur Entscheidung darüber führt, ob der Tatbestand einer strafrechtlichen Verfolgung zu unterziehen ist oder ob es – die Zustimmung der Betroffenen voraussetzend – zu einem außergerichtlichen Tatausgleich kommen soll.

Ich glaube, daß das Argument, daß ein Überfallener nicht zu seinem Recht kommen kann, wenn der Täter nicht strafrechtlich verfolgt wird, jedenfalls dann hinkt, wenn die Einbringung eines allfälligen Schadenersatzes in Frage gestellt wird – sei es deswegen, weil das Opfer diese Möglichkeit auf zivilrechtlichem Weg nicht hat, oder sei es deshalb, weil die Einbringung dadurch verhindert wird, daß der Täter nicht in der Lage ist, den Forderungen nachzukommen. (Bundesrat Dr. Böhm: Dann kann er es freiwillig auch nicht!)

Ich glaube, daß all jene Maßnahmen, die dem Täter permanent, längerfristig und viel beeindruckender seine Schuld vor Augen führen, als das jede andere Bestrafung tut – sei es eine finanzielle Strafe oder auch eine Gefängnisstrafe, die dann unter Umständen auch auf die Wiedereingliederung, auch der Familie, gravierende Auswirkungen hat –, sehr viel durchschlagender dazu führen, dem Täter seine Schuld zu beweisen und zu einer Wiedereingliederung in un-ser gesellschaftliches System, was einen großen Stellenwert haben muß, zu verhelfen. Die Zahlen, die derzeit im Zusammenhang mit der Diversion vorliegen, beweisen auch, daß die Rückfallquoten wesentlich geringer sind.

Ich glaube, daß diesen Umständen viel mehr Augenmerk geschenkt werden muß. Das muß im Vordergrund stehen, und es darf nicht – auch wenn ich Ihnen das jetzt unterstellt habe und Sie mich darauf aufmerksam gemacht haben – der Rachegedanke das Maß für jene Maßnahmen sein, die zu einer Situation führen, daß wir uns, mehr als es bisher mit Strafen möglich war, in


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einem Rechtssystem bewegen, in dem Opfer in anderer Weise, als es bisher möglich war, zu ihrem Recht kommen. Vor allem wird auch dem Täter eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft ermöglicht und damit die Rückfallquote verringert. Das wiederum bewirkt, daß die Sicherheit in unserem Staat gewährleistet ist, und zwar in einer anderen, in einer humanitäreren Form, als das unser Strafrecht bis jetzt als Usancen festgeschrieben hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.22


Bundesrat
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Präsident Gottfried Jaud:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Bestimmungen über den Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit und nach außergerichtlichem Tatausgleich (Diversion) in die Strafprozeßordnung eingefügt sowie das Jugendgerichtsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Strafvollzugsgesetz und das Bewährungshilfegesetz geändert werden, Strafprozeßnovelle 1999.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung des Bezirksgerichts Leopoldstadt und die Änderung der Zuständigkeiten der Bezirksgerichte Floridsdorf und Donaustadt (5. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien) (1478 und 1628/NR sowie 5892/BR der Beilagen)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Errichtung des Bezirksgerichts Leopoldstadt und die Änderung der Zuständigkeiten der Bezirksgerichte Floridsdorf und Donaustadt (5. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien).

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Hedda Kainz übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Hedda Kainz: Der Bericht des Justizausschusses zu dem vom Herrn Präsidenten angesprochenen Beschluß des Nationalrates liegt Ihnen schriftlich vor. Ich darf daher den Antrag stellen:

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 16. März 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Gottfried Jaud: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig. Ich erteile ihm dieses.

13.25

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Für uns Sozialdemokraten ist es von großer Be-deutung, daß die Bürgerinnen und Bürger möglichst einen optimalen Zugang zum Recht und zur Gerechtigkeit finden. Wir haben heute mit der Novelle zur Strafprozeßordnung bereits einen sehr wichtigen inhaltlichen Schritt und eine Verbesserung dieser Zugangsmöglichkeiten beschlossen, es sind aber auch die gesellschaftlich-organisatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Bürgerinnen und Bürger in optimaler Art und Weise zu ihrem Recht kommen können. Natürlich muß dabei auch in der Organisation der Bezirksgerichte immer wieder auf gesellschaftliche, politische, kommunalpolitische Rahmenbedingungen eingegangen werden.

Der vorliegende Entwurf befaßt sich mit einer Neuorganisierung der Bezirksgerichte in Wien. Für die Kolleginnen und Kollegen, die aus den Bundesländern kommen, möchte ich das kurz erläutern: Es sind insgesamt vier Bezirke betroffen, die beiden flächenmäßig größten Bezirke in Wien, die sich beide jenseits der Donau befinden, das sind die Bezirke Floridsdorf und Donaustadt, und dazu zwei Bezirke, die sich in einer speziellen Inselsituation zwischen Donau und Donaukanal befinden. Derzeit gibt es zwei Bezirksgerichte, nämlich das Bezirksgericht Floridsdorf, das die Bezirke 20 und 21 betreut, und das Bezirksgericht Donaustadt, das die beiden Bezirke 2 und 22 als Bezirksgericht betreut.

Die beiden Bezirke jenseits der Donau sind aufgrund der sehr starken Wohnbautätigkeit der Wiener Landesregierung zu sehr großen, dynamischen Bereichen mit einer ungeheuer stark anwachsenden Bezirksbevölkerung geworden. So waren beispielsweise in Floridsdorf im Jahre 1996 129 000 Einwohner verzeichnet. Wir prognostizieren für das Jahr 2021 einen Bevölkerungsstand von über 142 000 Floridsdorferinnen und Floridsdorfern; das ist eine Steigerung um 10 Prozent.

Diese Dynamik ist im zweiten Bezirk jenseits der Donau, nämlich in der Donaustadt, noch größer. In der Donaustadt gab es im Jahr 1996 127 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Für das Jahr 2021 sind mehr als 178 000 Bewohnerinnen und Bewohner prognostiziert; das ist eine Steigerung um 39 Prozent.

Verbunden mit dieser explosionsartigen Zunahme der Bevölkerung ist davon auszugehen, daß auch die Fälle vor den Bezirksgerichten im Steigen begriffen sind, und dazu kommt, daß in beiden Bezirksgerichten jeweils noch ein anderer Bezirk, nämlich der 2. und der 20. Bezirk, mitzubetreuen ist.

Deshalb erachte ich es als eine sehr positive Entscheidung, daß man sich überlegt hat, wie anhand dieser Prognosen eine sinnvolle Organisierung der Bezirksgerichte in diesen Stadtteilen von Wien möglich ist. Man hat eine, wie ich meine, sehr intelligente Lösung getroffen, nämlich die beiden Bezirke, die eine nicht so starke Dynamik in der Bevölkerungsentwicklung haben, also die Bezirke 2 und 20, zur Betreuung in einem neugeschaffenen Bezirksgericht im 2. Bezirk zusammenzufassen und die beiden dynamisch wachsenden Bezirke Floridsdorf und Donaustadt mit einem jeweils eigenen Bezirksgericht zu betreuen.

Das ist, wie ich meine, auch deshalb notwendig, weil es im Bezirksgericht Floridsdorf bereits jetzt notwendig war, sich mit Containern zu behelfen, und sich dadurch die Zugänglichkeit zum Recht für den Bürger auch nicht gerade erleichtert. Ich denke, daß diese Vorlage deshalb zu unterstützen ist, und ich meine, daß auch die Standortsuche sehr gelungen war. Der neue Standort im 2. Bezirk, also der Ort, an dem das neugeschaffene Bezirksgericht Leopoldstadt eröffnet wird, befindet sich in der Trunnerstraße – für Wienerinnen und Wiener vielleicht bekannter als für die Kollegen aus den Bundesländern – und hat den Vorteil, daß es sich in


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unmittelbarer Nähe der Bezirksgrenzen zwischen 2. und 20. Bezirk befindet, das heißt, hier ist die Zugänglichkeit, wie ich meine, für die Bevölkerung beider Bezirke mehr als gut gegeben.

In diesem Sinne, weil eben die Zugänglichkeit zum Recht durch diese Vorlage verbessert wird, werden wir Sozialdemokraten gegen diese Vorlage keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.30

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Paul Tremmel. Ich erteile ihm dieses.

13.30

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Argumente, die der Vorredner gebracht hat, sind deckungsgleich mit meinen: Es ist der Zugang des Bürgers zum Recht verbessert worden, der bevölkerungsmäßige Zuwachs ist genannt worden, die geographischen Beweggründe sind ebenso genannt worden, und es ist erwähnt worden, daß sich die Rahmenbedingungen für die Menschen verbessert haben.

Ich möchte diese Vorlage allerdings dazu verwenden, auch eine Anmerkung zu machen. Einen lange schwelenden Konflikt zwischen einzelnen Bundesländern wegen der Auflösung von Bezirksgerichten, unter anderem in der Steiermark, möchte ich hier ebenso behandelt wissen. Wir sagen nicht, daß wir aus Lokalpatriotismus – verfassungsmäßig wären wir dazu berechtigt – in der Steiermark gegen eine solche Auflösung sind, wir meinen allerdings – das auch angesichts dessen, daß heute hier schon über die Gerichtsorganisation gesprochen wurde –, daß man die Gerichtsorganisation vom Materiellen her ändern sollte und daß man die Bezirksgerichte unter dem Motto "Zugang des Bürgers zum Recht" – wie es Klecatsky seinerzeit schon vorgeschlagen hat – in der Form von Eingangsgerichten gestalten sollte.

Sie selbst, Herr Bundesminister, haben seinerzeit in einer Anfragebeantwortung dargelegt, daß es Tausende Fälle gibt, die drei, vier und mehr Jahre bei den Landesgerichten anhängig sind, und daß der Bürger manchmal erst dann Recht findet, wenn es für ihn zu spät ist. Deswegen wäre es sehr gut, wenn der Bürger seinen Fall bei seinem Bezirksgericht – regional genau festgelegt – vorbringen könnte und dieser Fall dort beim Bezirksgericht in der Form des Eingangsgerichtes behandelt würde.

Herr Bundesminister! Ich möchte daher die Bitte an Sie richten, die Gerichtsorganisation in dieser Richtung zu überdenken. Es hat auf Dauer keinen Sinn, wenn hier die Pro- und Kontra-Meinungen zwischen Ministerium einerseits und Bundesländern andererseits hin und her gehen.

Sie alle wissen, daß das unter anderem auch an die Bundesstaatsreform gekoppelt ist. Die Vorarlberger haben das gesagt, die Steirer haben das ebenfalls gesagt. Das ist leider Gottes auch noch nicht ins Laufen gekommen. Aber vielleicht wäre es möglich, die Gerichtsorganisation von Grund auf auch in einer neuen Form dahin gehend zu ändern, daß man das Bezirksgericht zu einem Eingangsgericht macht.

Nicht nur unter diesem Prätext – die Vorlage selbst ist natürlich zustimmungsreif – stimmen wir zu. Ich bitte Sie jedoch, Herr Bundesminister, diese Frage in dem Sinne, wie ich sie hier vorgebracht habe, prüfen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.33

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Ich erteile ihm dieses.

13.33

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat zeichnet sich dadurch aus, daß man auch auf Exkurse unmittelbar antworten kann, sozusagen ad hoc, ohne die Sache allzusehr aufzuhalten.

Die Zustimmung zu diesem Gesetz freut mich. Sie müssen sehen, daß hier ein Gericht entsteht, das in etwa 15 Richter und alles, was dazugehört, haben wird. Wir sind der Überzeugung, daß –


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so wie jeder andere Betrieb auch – auch der Betrieb Gericht eine gewisse optimale Größe haben muß, die nicht zu groß, aber auch nicht zu klein sein darf.

Damit komme ich jetzt zu Ihrer, Herr Bundesrat, zusätzlichen Anmerkung. Wir haben uns das hinsichtlich der Bezirksgerichtsstruktur in Österreich sehr ausführlich überlegt – immer wieder, muß ich sagen – und sind felsenfest davon überzeugt, daß hinsichtlich der derzeitigen Bezirksgerichtsstruktur, wie sie in einzelnen wenigen Bundesländern gegeben ist – nämlich überall dort, wo in den letzten Jahrzehnten an der Bezirksgerichtsstruktur der Mitte des vorigen Jahrhunderts nichts geändert wurde –, Änderungsbedarf besteht.

Bezirksgerichte müssen eine gewisse Mindestgröße haben. Der Rechnungshof sagt, mindestens drei bis fünf Richter samt Anhang, wir legen die Latte bedeutend niedriger und meinen: Es ist keine funktionierende Einheit mehr im Sinne größtmöglicher Effektivität für den Bürger, wenn ein Gericht nicht einmal die Arbeitskraft eines ganzen Richters auslastet, was zur Folge hat, daß dieser Richter ein paar Tage bei dem einen Gericht, ein paar Tage bei dem anderen Gericht tätig ist, denn – was es auch lange Zeit gegeben hat –, daß ein Richter nur für zwei Tage zu tun hat, aber fünf Tage am Gericht sitzt und daher drei Tage nichts tut, das ist Gott sei Dank langsam ausgestorben.

Wir meinen, daß das nicht nur im Interesse einer sparsamen und wirtschaftlichen Ressortführung gelegen ist – das auch! –, sondern für uns steht im Vordergrund, daß es im Interesse der Bürger ist, eine Einrichtung vor sich zu haben, die es wert ist, als funktionierendes Bezirksgericht bezeichnet zu werden, weil dort wenigstens die ganze Woche hindurch ein "ganzer" Richter anwesend ist, das heißt, der Anfall dieses Gerichtes so groß ist, daß ein Richter ausgelastet ist.

Nun kann man fragen, wie man das erreichen kann. Das kann man erreichen, indem man den Bezirksgerichten mehr Kompetenzen gibt. Ich habe schon mehrmals ausgeführt, daß wir in den letzten Jahren eine Zuständigkeitsverlagerung von der Gerichtshofebene auf die Bezirksgerichtsebene sowohl im zivilrechtlichen als auch im strafrechtlichen Bereich in einem Ausmaß durchgeführt haben, das durchaus auch kritisiert wurde. Im strafrechtlichen Bereich ist man der Meinung, daß wir schon sehr weit gegangen sind und in den Bezirksgerichten schon Sachen angesiedelt sind, die vielleicht besser doch in den Gerichtshof gehörten. Jedenfalls ist einer weiteren Verlagerung ein Riegel vorgeschoben, denn es wäre unmöglich, dort Dinge zu verhandeln, für die auch Untersuchungshaft zu verhängen ist. Wir haben kein Bezirksgericht mit Gefängnis mehr. Die weitere Verlagerung von Kompetenzen im Strafbereich verbietet sich also auch aus diesem Grunde.

Im zivilrechtlichen Bereich haben wir die Wertzuständigkeit zuletzt auf 130 000 S hinunterverlagert. Die Sachzuständigkeit haben wir schon vor längerer Zeit, vor allem durch die Aufteilung der gesamten familienrechtlichen Rechtsprechung an die Bezirksgerichte, in einem Maße geändert, daß ich tatsächlich keine Möglichkeit mehr sehe – außer eine weitere schrittweise Hinaufsetzung der Wertgrenzen und damit Hinunternahme von Prozessen; aber das hat auch seine Grenzen –, daß wir von der Kompetenzlage her größere untere Eingangseinheiten schaffen.

Wenn ich aber durch Kompetenzzuweisungen die Einheit nicht auf eine wenigstens vertretbar kleine Größe vergrößern kann, dann bleibt mir nur übrig, mit Augenmaß und unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Gewährleistung von Begleitmaßnahmen, die für die Bürger dieses Bereiches den Verlust nicht zu schmerzhaft machen, eine Zusammenlegung ins Auge zu fassen – eine Zusammenlegung, wie sie in einer Reihe von Bundesländern vor längerem oder vor kürzerem stattgefunden hat, vor allem in Niederösterreich, wo Ihnen jeder Spitzenpolitiker, jeder mittlere Politiker und auch jeder betroffene Bürgermeister heute ungefragt sagen wird: Die Zusammenlegung hat letzten Endes weder politisch noch von seiten des Servicecharakters zugunsten der Bevölkerung irgendeine negative Auswirkung gehabt. Die Justiz hat die Versprechungen erfüllt, die sie hinsichtlich der Begleitmaßnahmen abgegeben hat, die Notariate sind vor Ort geblieben, die periodischen Gerichtstage finden nunmehr exakt an den der Bevölkerung von vornherein bekanntgegebenen Tagen statt. Es ist also nicht so, daß der Mensch kommt und nicht weiß, ist der Richter heute da, ist er beim anderen Gericht, oder wie erreiche ich ihn. Es


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sind auch die sonstigen Begleitmaßnahmen, die wir versprochen haben, auf Heller und Pfennig erfüllt worden.

Ich kann nur immer die Politiker der anderen Bundesländer – es sind im wesentlichen nur Oberösterreich und die Steiermark und in einem ganz kleinen Ausmaß Salzburg betroffen – bitten: Unterhalten Sie sich mit den niederösterreichischen Spitzenpolitikern, welcher Farbe auch immer! Es hat keinerlei Schwierigkeiten gebracht. Im Gegenteil: Jetzt ist die Versorgungslage besser. Der Bürger kann jetzt am Gerichtstag an die Stelle, an der früher das Bezirksgericht war, gehen oder die ganze Woche hindurch an den neuen Standort.

Hinsichtlich der Kosten ist es auch noch billiger, denn an allen Standorten aufgelöster Bezirksgerichte hat es nicht einen einzigen Rechtsanwalt mehr gegeben. Wenn aber dort eine Verhandlung mit Rechtsanwalt stattgefunden hat, hat dieser natürlich die erhöhten Gebühren bekommen. Heute – nach der Zusammenlegung – gibt es einen Rechtsanwalt am Gerichtsort, wodurch es zu einer Ersparnis für die Bevölkerung kommt.

Wir haben uns mit der Sache befaßt, und ich sehe keinen anderen Ausweg, als dort, wo es nicht anders geht, maßvoll eine Zusammenlegung mit allen bewährten Absicherungen vorzunehmen und damit österreichweit einen einheitlichen Standard herbeizuführen. Denn es ist auf Dauer unerträglich, daß es Bereiche gibt, in denen eine weitergehende Rechtsgewährung sichergestellt ist als in anderen Bereichen. Wir müssen in Österreich zu einem gleichen Level an Rechtsgewährung kommen. Das geht nur, indem ich entweder alles auf oberösterreichisch-steirische Verhältnisse herunterführe – was unbezahlbar ist – oder indem ich auch in den beiden erwähnten Bundesländern die Latte etwas höher lege. – Danke. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und bei der SPÖ.)

13.41

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Meier. Ich erteile ihm dieses.

13.41

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Erlauben Sie mir, daß ich mich kurz zu Wort melde – ich komme aus der Steiermark.

Zum ersten, daß ich nicht mißverstanden werde: Es ist erfreulich, daß es in Wien diese Ent-wicklung gibt. Ich möchte auch dem Herrn Minister sagen, daß es begrüßenswert ist, darauf Rücksicht zu nehmen, daß der Zugang zum Recht erhalten bleibt. Ich weiß, daß die Mindestausstattung eines Gerichtes unbedingt erforderlich ist, um dem Bürger zu seinem Recht zu verhelfen, denn er muß hinsichtlich der Fragen, für die das Gericht zuständig ist, Aufklärung und Rechtssicherheit finden.

Ich möchte nur eines anmerken: In Wien entsteht dieses Gericht aufgrund des Zuwachses an Bevölkerung. Die Bevölkerungsdichte ist hier natürlich viel größer als auf dem Lande. Es sollte jedoch bei allen Erwägungen auch die Entfernung, die der Rechtssuchende zu überwinden hat, um zu seinem Gericht zu kommen, berücksichtigt werden. Man könnte leicht von der einen auf die andere Seite der Donau fahren, um zum Gericht zu kommen. Ich weiß, daß das sehr viele Menschen tun müßten. Dort aber, wo weniger Menschen wohnen, bedeutet es für jene, die dies tun müssen, zweifellos auch eine Härte, denn in einem Großteil der Obersteiermark ist ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen. Dieser ist natürlich nicht auf die Gerichte zurückzuführen, sondern auf mangelnde Arbeitsplätze, auf Zentralisierungen im Bereich der Verwaltung, auf die Zentralisierung der Kultur. Im Schulwesen konnte man sehr viel auffangen, indem jeder Bezirk seine höhere Schule bekommen hat, aber das erste, was Menschen, die einen Arbeitsplatz anderswo finden, fragen, ist: Gibt es dort eine entsprechende Schule? – Sie fragen Gott sei Dank nicht: Gibt es dort ein Gericht?, denn es hofft jeder, nichts damit zu tun zu haben.

Was ich also abschließend sagen wollte: Es sollten unter Berücksichtigung der auch von Ihnen genannten Voraussetzungen bei der Schließung von Bezirksgerichten diese Aspekte mit ins


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Kalkül gezogen werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie der Freiheitlichen.)

13.44

Präsident Gottfried Jaud: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Angelobungen

Präsident Gottfried Jaud: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Irene Crepaz: Der Präsident des Niederösterreichischen Landtages schreibt an den Präsidenten des Bundesrates, Herrn Gottfried Jaud:

"Betrifft: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Die Mitglieder des Bundesrates Johann Ledolter, Engelbert Schaufler, Friedrich Hensler, Ing. Walter Grasberger, Karl Wilfing und Alfred Schöls haben ihre Mandate per 17. 3. 1999 zurückgelegt. Die Rücklegung der Ersatzmitglieder des Bundesrates Margarete Aburumieh, Adolf Steiner, Walter Mayr, Mag. Herbert Kullnig und Dr. Martin Michalitsch wurde bereits mit Schreiben vom 26. 1. 1999 dem Bundesrat mitgeteilt.

Auf Vorschlag des NÖ Landtagsklubs der ÖVP wurde in der 14. Sitzung des NÖ Landtages am 18. März 1999 folgende Wahl durchgeführt.

Als Mitglieder wurden gewählt:

1. Engelbert Schaufler, Römerstraße 104, 2323 Mannswörth

2. Friedrich Hensler, Untere Hauptstraße 4, 2471 Hollern

3. Ing. Walter Grasberger, 3162 Rainfeld 98

4. Mag. Karl Wilfing, Fasanweg 23, 2170 Wetzelsdorf

5. Alfred Schöls, Römerstraße 1, 3001 Mauerbach

6. Johann Ledolter, Edlach 57, 2651 Reichenau

Als Ersatzmitglieder wurden gewählt:

1. Margarete Aburumieh, Pielach 32, 3390 Melk


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2. Adolf Steiner, Neusiedl 6, 2560 Berndorf

3. Walter Mayr, Mühlleiten 62, 2301 Groß Enzersdorf

4. Mag. Herbert Kullnig, Tiefenfucha 43, 3511 Furth

5. Dr. Martin Michalitsch, Josef Plangger-Straße 25, 3032 Eichgraben

6. Sonja Zwazl, Agnesstraße 1, 3400 Klosterneuburg

Die Kanzlei des Bundesrates wurde zu Handen des Herrn Direktors des Bundesrates, Parlamentsrat Dr. Walter Labuda, verständigt. Ebenso wurde das Bundeskanzleramt, Sektion V/2, von der Wahl in Kenntnis gesetzt.

Mit freundlichen Grüßen"

Präsident Gottfried Jaud: Ich danke der Frau Schriftführerin.

Die wiedergewählten Bundesräte sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel und anschließend um den Namensaufruf.

Schriftführerin Irene Crepaz: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Engelbert Schaufler.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin Irene Crepaz: Friedrich Hensler.

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin Irene Crepaz: Walter Grasberger.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin Irene Crepaz: Karl Wilfing.

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin Irene Crepaz: Alfred Schöls.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin Irene Crepaz: Johann Ledolter.

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP): Ich gelobe.

Präsident Gottfried Jaud: Ich darf Sie alle recht herzlich in unserer Mitte willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)


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13. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz über Änderungen des Handelsgesetzbuchs, des Bankwesengesetzes, des Wertpapieraufsichtsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes betreffend die Anwendung international anerkannter Rechnungslegungsgrundsätze bei Konzernabschlüssen – Konzernabschlußgesetz (KonzaG) (1576 und 1629/NR sowie 5893/BR der Beilagen)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über Änderungen des Handelsgesetzbuchs, des Bankwesengesetzes, des Wertpapieraufsichtsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes betreffend die Anwendung international anerkannter Rechnungslegungsgrundsätze bei Konzernabschlüssen – Konzernabschlußgesetz.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Hedda Kainz übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Hedda Kainz: Der Bericht des Ausschusses über das Konzernabschlußgesetz liegt Ihnen schriftlich vor. Ich darf also gleich den Antrag des Justizausschusses vortragen.

Der Justizausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 16. März 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Gottfried Jaud: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Ferdinand Maier. Ich erteile ihm dieses.

13.49

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie die Berichterstatterin ausgeführt hat, handelt es sich hiebei um eine Anpassung an internationale Richtlinien, die zu begrüßen ist und die auch bereits einstimmig im Hohen Haus genehmigt wurde. Aus der Sicht eines Bundesrates meine ich, daß man nicht dagegen sein kann.

Die Änderung, die mit diesem vorliegenden Gesetz vorgenommen wird, erleichtert künftig insbesondere die interne Administration in unseren Unternehmen. Das ist gerade in einer Zeit, in der man eher über Entbürokratisierung oder Abbau von irgendwelchen bürokratischen Hemmnissen spricht, ein sehr erfolgreicher Schritt, und daher müßte man dieses Gesetz auch sehr begrüßen.

Als neues Mitglied des Bundesrates liest man natürlich auch die Protokolle und schaut sich an, was im Hohen Haus in der Vergangenheit gesprochen wurde. Kein Geringerer als Kurt Eder hat die passenden Worte zu dieser Thematik gesprochen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Ich kann Ihnen aber nicht alles vorlesen, ich kann Sie beruhigen. Er hat gemeint: "Wer den Abschluß nach internationalen Bestimmungen ... durchführt, ist dann nicht mehr gezwungen, ihn in Österreich parallel dazu auch nach dem Handelsgesetzbuch zu erstellen, sondern kann gleich international auf die Aktienmärkte gehen und dadurch leichter Kapital nach Österreich bringen." Er meinte dann weiters: "Es war auf diese Weise viel schwieriger, internationales Kapital nach Österreich zu bringen." – Nämlich vorher.

Das heißt, Kurt Eder hat sich eigentlich den Kopf darüber zerbrochen, wie man Kapital nach Österreich bringen kann. Das ist sehr begrüßenswert, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn zurzeit erleben wir eher eine Tendenz, daß wir den Abfluß von Kapital verhindern müssen, daß wir uns überlegen müssen, was man dagegen tun kann, daß der Kapitalmarkt in Österreich geschwächt wird.

Es gibt aber zu diesen Bemühungen, den Kapitalmarkt zu stärken, eher gegenläufige Überlegungen in der Bundesregierung. Diese sollte man angesichts einer derartigen Vorlage, in der es


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um eine Erleichterung im internationalen Vergleich geht, schon ansprechen. Ich spreche daher die Aktiensteuer an. Es gibt mehrere Bezeichnungen dafür, etwa "Spekulationssteuer", oder die Experten reden von "capital gain tax". Wenn man diese in der jetzigen Zeit diskutiert, dann – erlauben Sie mir den Hinweis – scheint es sich da um ein schlechtes Gewissen so mancher Gruppen zu handeln, die das vorschlagen. Salopp gesprochen würde ich meinen, das ist eine krause Idee der Toskana-Partie nach relativ viel Brunello. Denn es kann nicht wirklich wahr sein, daß man so etwas in einer Situation, in der die Kapitalmärkte international gesehen ungeheuer in Bewegung sind, vorschlägt. Ich darf nur auf die Asienkrise hinweisen oder auch auf die Entwicklungen nach der Rußlandkrise oder auf Südamerika. All das hat die Kapitalmärkte ungeheuer in Bewegung gebracht.

Die Sensibilität müßten auch jene erkannt haben, die irgendwann einmal eine führende Funktion als Finanzvorstand einer börsennotierten AG innegehabt haben. Diese Leute sollten einmal ein bißchen darüber nachdenken, ob es nicht eigentlich fahrlässig oder in Wirklichkeit ein wirtschaftspolitischer Unsinn ist, eine derartige, wahrscheinlich zur Beruhigung des linken Flügels notwendige Maßnahme zu diskutieren.

Ich meine, daß wir das auch aus der Sicht des Bundesrates in unserer Verantwortung des Mandats ansprechen sollten. Denn es geht in Wirklichkeit um den Kapitalmarkt in Österreich, wobei man darauf hinweisen muß, daß wir eher ein Entwicklungsland sind, was die Börse in Wien anlangt. Es gibt viele Bücher und Leitartikel, in denen darauf hingewiesen wird, daß man Maßnahmen setzen sollte, um die Wiener Börse zu stärken.

Ewald Nowotny, ein Mitglied der Sozialdemokraten und, wie ich meine, hochrangiger Fachmann, hat sich dazu sehr verschämt geäußert, aber doch nicht verschwiegen, daß das eine rein theoretische Diskussion sei, in Wirklichkeit sei das von der technischen Durchführbarkeit her kaum möglich.

Ich kenne natürlich auch die Argumente der Befürworter. "Steuergerechtigkeit" heißt es da. Oder: Der Vorsitzende Sallmutter hat eine besondere Gabe, das darzustellen, indem er meint, die Gewinne gehörten noch viel deutlicher besteuert – das verstehe ich angesichts seiner Klientel –, und die Reichen sollten nicht durch Spekulationsgewinne noch reicher werden. (Bundesrätin Schicker: Stimmt ja!) Das hört sich zu Zeiten eines beginnenden Wahlkampfes sicherlich gut an. Ich komme gleich darauf zurück, Frau Kollegin, warum das nicht stimmt. Ich werde versuchen herauszuarbeiten – damit Sie das auch verstehen –, daß diese klassenkämpferische Sicht in Wirklichkeit gar nicht notwendig ist, sondern die volkswirtschaftliche Sicht viel mehr in den Vordergrund gestellt und eigentlich auch erkannt werden sollte, welcher Nutzen ... (Zwischenrufe der Bundesräte Schicker und Meier. )  

Sie können ruhig zwischenrufen, ich habe kein Problem damit, wenn Sie vielleicht meinen, daß Sie bei der Erstrede nicht zwischenrufen sollen. Ich bin dankbar dafür, vielleicht kann ich dann auf Ihre Argumente eingehen. (Bundesrätin Schicker: Das ist lange vorbei, daß man bei der ersten Rede keine Zwischenrufe machen darf!)

Ich glaube also, daß wir den Nutzen des Kapitalmarktes, der dadurch gegeben ist, viel stärker sehen sollten, und das vor allem aus volkswirtschaftlicher Sicht.

Liebe Frau Kollegin! Der Zusammenhang zwischen Kapitalmarkt und Beschäftigung wird offensichtlich in der gegenständlichen Diskussion übersehen – oder man will ihn nicht sehen, weil ein Flügel einer Regierungspartei nur die Frage der Beschäftigung sieht und nicht darüber nachdenkt, wie es eigentlich dazu kommt.

Ich meine daher, daß man gerade das Instrument der Börse fördern sollte, um über die Börse zu Kapital zu kommen, zu Expansion zu kommen, und das heißt, sehr geehrte Frau Kollegin, Arbeitsplätze.

Ich gebe Ihnen aber noch einen zweiten Hinweis. Ich glaube, daß die Frage einer gewissen Eigenvorsorge und privaten Altersvorsorge dadurch benachteiligt wird. Darüber hinaus glaube ich, daß auch die Frage der Mitarbeiterbeteiligung – eines Instrumentes, das in Wirklichkeit da-


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zu dient, den Mitarbeitern im Unternehmen die Identifikation mit ihrem Unternehmen leichter zu machen – dadurch eine Beschädigung und Schlechterstellung erfährt. Fragen Sie mich nicht, warum das sein muß.

Ich befürchte, daß es angesichts der Entwicklung der Frankfurter Börse und der Brüsseler Börse zu einer Kapitalabwanderung kommen wird, daß die Unternehmen von der eher sehr schwach agierenden Wiener Börse zu den risikofreudigeren Börsen in Frankfurt oder Brüssel abwandern werden. Die Gebühren sind dort günstiger. Dort gibt es regen Handel. Dort gibt es Liquidität. Dort gibt es Anreiz, zu handeln. Es werden sich dort über kurz oder lang die kapitalstarken Unternehmen tummeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie sich ein wenig an den Börsen von Budapest, Warschau, Laibach oder Zagreb umsehen, dann werden Sie sehen, daß dort Unternehmen der Telekom-Branche und der Pharmaindustrie notieren. Schauen Sie einmal im Kursblatt nach, welche Unternehmen bei uns an der Wiener Börse notieren! Dort finden sie keines dieser Unternehmen. Wenn Sie sich die Studien ansehen, werden Sie erkennen, daß genau das die Unternehmen sind, die enorme Zuwachsraten haben. Das sollte uns nachdenklich machen, damit wir uns fragen, warum das in Österreich nicht der Fall ist.

Ich glaube daher, daß wir angesichts des heutigen Geschäftsstückes, bei dem es darum geht, eine Erleichterung im internationalen Wettbewerb zu schaffen, auch in der Frage des Kapitalmarktes Maßnahmen setzen sollten, die nicht eine Erschwernis, sondern eine Erleichterung im internationalen Wettbewerb darstellen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

13.58


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Präsident Gottfried Jaud:
Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Kraml. Ich erteile es ihm.

13.58

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich vorerst für die Lehrviertelstunde des Kollegen Dr. Maier. Was ich jetzt gehört habe, erspart mir, einiges zu lesen. Ich bin aber doch der Meinung, daß Steuergerechtigkeit für die Bürgerinnen und Bürger etwas besonders Wichtiges ist und daß dieses Wort nicht nur so dahingesagt werden darf. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz ändert das Handelsgesetzbuch, das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz und das Versicherungsgesetz, und zwar dahin gehend, daß bei Konzernabschlüssen international anerkannte Rechnungslegungs-grundsätze Anwendung finden können. Bisher herrschte hier Doppelgleisigkeit. Firmen, die sich internationales Kapital beschaffen wollten, mußten zum Abschluß gemäß dem Handelsgesetzbuch auch einen Konzernabschluß nach den international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen vorlegen. Diese Doppelgleisigkeit war mit hohen Kosten verbunden, zudem haben die zwei Abschlüsse auch für Verwirrung bei den Investoren gesorgt.

Im Unterschied zum Jahresabschluß des Einzelunternehmens, der für Fragen der Gewinnausschüttung und als steuerliche Bemessungsgrundlage relevant ist, erfüllt der Konzernabschluß eine reine Informationsfunktion über die wirtschaftliche Lage des Konzerns. Der Konzernabschluß stellt daher vor allem für börseorientierte Unternehmen eine maßgebliche Entschei-dungsgrundlage für Investitionsentscheidungen der Anleger dar.

Wenn österreichische Konzerne an ausländischen Investoren interessiert sind, dann müssen sie sich deren Informationserwartungen anpassen.

Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Konzernabschlußgesetz schaffen wir für die Unternehmen die entsprechenden Möglichkeiten, internationales Kapital hereinzuholen, und erleichtern ihnen zudem die Arbeit. Meine Fraktion wird daher die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. André d'Aron. Ich erteile ihm dieses.

14.01

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Regierungsvorlage betreffend Konzernabschlußgesetz sieht vor, daß befreiende Konzernabschlüsse auf Basis der IAS, International Accounting Standards, oder des US-amerikanischen Pendants US-GAAP, United States – Generally Accepted Accounting Principles, welches auch in Kanada gilt, erfolgen können. Somit teile ich die im Vorblatt zur Regierungsvorlage enthaltene Ansicht nicht, wonach durch die Regierungsvorlage eine Erleichterung der Kapitalbeschaffung auf internationalen Kapitalmärkten eintritt. Ich schließe mich hier also nicht der Ansicht meines Vorredners Ferdinand Maier an, sondern meine: Die Regierungsvorlage dient vielmehr dazu, parallel zu erstellende Rechnungslegungen, nämlich einerseits nach dem HGB beziehungsweise Rechnungslegungsgesetz und andererseits nach den obigen Standards, hintanzuhalten. Sie dient daher primär der Kostenreduzierung für Konzerne, Versicherungen und Banken, welche sich auf internationalen Kapitalmärkten positionieren wollen.

Worin ist nunmehr der wesentliche Unterschied zwischen den Abschlüssen nach dem HGB beziehungsweise dem Rechnungslegungsgesetz einerseits und den erwähnten internationalen Standards andererseits zu sehen?

Die neuen Standards zwingen zu einer wesentlich stärkeren Transparenz über Unternehmensaktivitäten, was bedeutet, daß über positive und negative Entwicklungen offen zu berichten ist. Es wird sich in diesem Zusammenhang nicht mehr die Frage stellen, ob über Unternehmensentwicklungen zu berichten ist, sondern vielmehr in welcher Dichtheit. Das bedeutet erhöhte Sicherheit für Investoren und somit eine höhere Motivation, international in österreichische Großunternehmen zu investieren. Es war den österreichischen Unternehmen natürlich auch schon vorher gestattet – sie haben es auch getan –, nach diesen Standards abzuschließen.

Gleichzeitig führen diese Standards dazu, daß sich das für die Leitung eines Unternehmens notwendige interne Berichterstattungssystem dem externen für Kapitalgeber weitgehend annähern kann. Sie wissen: Die Unternehmenssteuerung von großen Unternehmen bedarf eines sehr ausgefeilten internen Berichterstattungssystems, um sofort reagieren zu können, sich dem Markt und den internen Kostenentwicklungen sofort anpassen zu können.

Durch die Annäherung dieser Systeme entsteht eine weitere Kostenentlastung für Unternehmen.

Seitens der FPÖ wird die Notwendigkeit gesehen, daß der österreichischen Wirtschaft neues Kapital zuzuführen ist. Dies ist auch eines der Ziele des Flat-tax-Modells der FPÖ, wonach Investitionen bereits im ersten Jahr abgeschrieben werden können und das Steuersystem und unternehmensinterne Rechnungswerke deutlich zu vereinfachen sind. (Bundesrat Dr. Ferdinand Maier: Glauben Sie das selbst?) – Lesen Sie nach, Herr Kollege Ferdinand Maier, dann werden Sie es auch erkennen.

Da die Regierungsvorlage eine ähnliche Zielrichtung verfolgt, nämlich Vereinfachung der Rechnungswerke und Kostenreduzierung in Unternehmen, und da Österreich durch diese Novelle besser internationalen Anschluß finden kann, vor allem den kostenmäßigen Anschluß, wird die Fraktion der freiheitlichen Bundesräte der Regierungsvorlage zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.04

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile ihm dieses.

14.05

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Daß ich mich heute als zweiter Redner


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unserer Fraktion zu einem Thema zu Wort melde, zu dem es in allen Punkten Zustimmung gibt, ist sicher kein Zufall.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben in den vergangenen Jahren bemerkt, daß ich bei Finanzgesetzen, bei Wirtschaftsgesetzen, bei Wirtschaftsvorlagen eigentlich immer hier am Rednerpult gestanden bin und daß es sehr oft meine Aufgabe war, Ihnen klarzumachen, warum die Fraktion der Freiheitlichen gegen eine bestimmte Vorlage ist. Ich habe des öfteren auch um Ihre Zustimmung ersucht, ich habe die Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei und von der Österreichischen Volkspartei öfters eingeladen, mitzustimmen. Ich gebe zu, ich hatte in den letzten Jahren diesbezüglich nie Erfolg. Manchmal hat aber ein persönliches Gespräch eine andere Sicht ergeben, und das war dann doch wieder sehr positiv.

Ich gebe zu, es hat auch Fälle gegeben, meine sehr verehrten Damen und Herren, in denen es nicht leicht war, logische, plausible Begründungen dafür zu finden, daß wir gegen eine Vorlage waren. So wäre es wahrscheinlich auch im Fall der gegenständlichen Vorlage, weil sie eine Mo-dernisierung der Bilanzierungsgrundsätze bringt und weil sie im weitesten Sinne zu einer Stärkung des Kapitalmarktes führt. Ich bitte meinen Kollegen d’Aron, nicht böse zu sein, aber eine Verbindung – ich füge hinzu: die Raiffeisen-Verbindung – ist eben auch etwas sehr Starkes. Ich bin der Meinung, daß man hier im weitesten Sinne ablesen könnte, daß das zu einer Stärkung des Kapitalmarktes führt, weil damit ein Zeichen gesetzt wird. Es führt aber ganz sicher zu einer großen Kostenersparnis für eine Reihe von Gesellschaften und auch zur Anwendung ausländischer Kriterien für inländische Abschlußprüfungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Selbstverständlich ist mir aufgefallen, daß man in jedem Fall eine inländische Abschlußprüfung für den Bestätigungsvermerk braucht. Es hätte nicht so sein müssen. Man hätte auch ohne weiteres einen ausländischen Bestätigungsvermerk zulassen können. Aber auch wir von den Freiheitlichen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wollten nicht so weit gehen, weil wir die Qualität der österreichischen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ebenfalls sehr hochschätzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte diese Wortmeldung aber auch dazu nützen, Ihnen allen ein kleines Dankeschön auszusprechen. Der Kärntner Landtag wird mich in seiner nächsten Sitzung nicht mehr für die nächste Periode des Bundesrates vorschlagen. Es sei mir daher gestattet, mich bei allen Fraktionen, bei der Fraktion der Volkspartei, bei der Fraktion der Sozialdemokraten, bei meinen lieben Freunden von den Freiheitlichen, dafür zu bedanken, daß wir so fair und anständig miteinander umgegangen sind, daß es so viele anregende Gespräche gegeben hat und daß ich hier – ich war immer stolz darauf – so viele schöne Stunden mit Ihnen verbringen durfte. Ich schließe in diesen Dank selbstverständlich die Präsidenten, VizepräsidentInnen, die Fraktionsvorsitzenden aller Parteien ein, selbstverständlich auch die Direktion des Bundesrates, die uns immer hervorragende Unterstützung gewährt hat. Ein herzliches Dankeschön!

Ich wünsche dem Bundesrat für die Zukunft noch mehr Akzeptanz als bisher und Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, persönliches Wohlergehen. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

14.08

Präsident Gottfried Jaud: Sehr geehrter Herr Dr. Harring! Ich darf Ihnen als Präsident für Ihren Einsatz und vor allem für Ihre moderate Art, mit der Sie die politische Auseinandersetzung hier im Bundesrat geführt haben, herzlich danken. Bundesräte wie Sie tragen sehr dazu bei, das besondere Klima des Bundesrates aufrechtzuerhalten.

Ich darf Ihnen für Ihren weiteren politischen und sonstigen Lebensweg alles Gute und viel Glück wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


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651. Sitzung / Seite 86

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (1431 und 1605/NR sowie 5894/BR der Beilagen)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird.


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651. Sitzung / Seite 87

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Dipl.-Ing. Hannes Missethon: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird. Der schriftliche Bericht ist Ihnen zugegangen. Ich beschränke mich daher auf die Verlesung des Antrages:

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 16. März 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Gottfried Jaud: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

15. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Mexikanischen Staaten andererseits samt Anhang und Schlußakte (1482 und 1606/NR sowie 5895/BR der Beilagen)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung: Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Mexikanischen Staaten andererseits samt Anhang und Schlußakte.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Dipl.-Ing. Hannes Missethon: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Abkommen über die wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Mexikanischen Staaten andererseits samt Anhang und Schlußakte.

Der schriftliche Bericht ist Ihnen zugegangen. Ich beschränke mich daher wieder auf die Verlesung des Antrages:

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 16. März 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Gottfried Jaud: Ich bedanke mich für die Berichterstattung.

Mir liegen keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist damit angenommen.

16. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Wirtschaftstreuhandberufe (Wirtschaftstreuhandberufsgesetz – WTBG) (1273 und 1635/NR sowie 5877/BR der Beilagen)

17. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (1636/NR sowie 5878/BR der Beilagen)

18. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird (1637/NR sowie 5874 und 5879/BR der Beilagen)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 bis 18 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Wirtschaftstreuhandberufe (Wirtschaftstreuhandberufsgesetz),

ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird.


Bundesrat
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651. Sitzung / Seite 88

Die Berichterstattung über die Punkte 16 bis 18 hat Herr Bundesrat Friedrich Hensler übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Friedrich Hensler: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu den Tagesordnungspunkten 16, 17 und 18 kurz berichten. Die schriftlichen Berichte liegen Ihnen vor, ich beschränke mich daher auf das Wichtigste.

Zu Tagesordnungspunkt 16: Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Wirtschaftstreuhandberufe.

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 16. März 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 17: Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird.

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 16. März 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 18: Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird.

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 16. März 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Gottfried Jaud: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. André d'Aron. Ich erteile ihm dieses.

14.16

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes, die Novelle zur Gewerbeordnung und die Novelle zum Verwaltungsgerichtshofgesetz werden seitens der freiheitlichen Fraktion in einigen Bereichen durchaus positiv gesehen. In anderen Bereichen wiederum entsteht der begründete Eindruck, daß durch dieses Gesetz und die Novellen jene Strukturen verstärkt werden, welche zu einem Hemmnis hinsichtlich der positiven wirtschaftlichen Weiterentwicklung Österreichs führen.

Zunächst zu den positiven Aspekten – Sie sehen daran, daß wir diesen Entwürfen auch positive Aspekte abgewinnen können –: Die Schaffung neuer, bedarfsgerechter Berufsbilder ist ein Ziel, mit dem sich natürlich auch die Freiheitlichen identifizieren können und werden. Das bedeutet nicht unbedingt, daß der Staat überall eingreifen muß, vielmehr ist es schon sinnvoll, diese neuen Berufsbilder von der Seite der Wirtschaftspolitik zu identifizieren.

Nunmehr zu den von uns gesehenen deutlichen Mängeln dieser Regelungen: Die geplanten Berufe Selbständiger Buchhalter und Gewerblicher Buchhalter führen zu einer Verunsicherung hinsichtlich des Wissens über ihre Befugnisse, und zwar für den Konsumenten. Es stellen sich die Fragen: Wer ist wofür berechtigt? Wie können vor allem Kleinunternehmer eine ausreichende Unterscheidung treffen?

Aus unserer Sicht wurde der den geplanten Berufsbildern zugrundeliegende Markt, nämlich die in Frage kommenden Unternehmer und Unternehmen, zu wenig betrachtet und seitens des


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651. Sitzung / Seite 89

Ressorts keine ausreichende selbständige Nachfrageforschung, also eine Nachfrageforschung außerhalb der Kammer – man muß doch nicht immer nur die Kammer fragen –, durchgeführt.

Warum hat dann dieser Gesetzentwurf mehr als 230 Paragraphen? – Ganz einfach: Zirka ein Drittel dieses Gesetzes beschäftigt sich mit der Kammerorganisation, weitere etwa 30 Paragraphen mit diversen Verfahren durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder. Das bedeutet: Nahezu die Hälfte des Entwurfes eines Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes beschäftigt sich mit der kammermäßigen Einbindung der neuen und der bestehenden Berufe.

Interessant ist zum Beispiel § 100 WTBG. Darin geht es um die Aufhebung einer Suspen-dierung, welche durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder verfügt wird. Dieser § 100 sieht vor, daß Suspendierungen lediglich auf Antrag aufzuheben sind, wenn der diesbezügliche Grund nicht mehr gegeben ist.

Bei der ersten Durchsicht wird man sich denken: Warum soll das nicht so sein? – In Wirklichkeit aber bedeutet das, daß jener Standard, welcher zum Beispiel gemäß AVG gegeben ist, nämlich das Ex-offo-Prinzip von behördlichen Institutionen, in diesem Entwurf nicht angedacht wurde, also daß eine Behörde von sich aus tätig wird, wenn die Grundlage einer Entscheidung unzutreffend ist und dies auch amtsbekannt ist. Es wird zweifellos so sein, daß in der Kammer der Wirtschaftstreuhänder jeder Suspendierungsgrund bei den Mitgliedern und auch der Wegfall der Suspendierungsgründe amtsbekannt ist.

Auch nicht angedacht und gewürdigt wurden die bereits bestehenden Berufsbilder – jedenfalls nicht in einer ausreichenden Art und Weise und vor allem nicht jenes der Steuerberater. Wo sind gleichzeitig die entsprechenden Befugniserweiterungen für Steuerberater vorgesehen?

Wir Freiheitlichen haben somit den Eindruck, daß dieser Gesetzentwurf zuwenig durchdacht ist und einer Ausdehnung des Kammerstaates mit Zwangsmitgliedschaften dient. Wir sind gegen Zwangsmitgliedschaften!

Wir Freiheitlichen werden daher gegen den vorliegenden Entwurf eines Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes sowie der diesbezüglichen Novellen der Gewerbeordnung und des Verwaltungsgerichtshofgesetzes stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.21

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile es ihm.

14.21

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich bin persönlich davon überzeugt, daß die heute vorliegende Novellierung des Wirtschaftstreuhandrechtes und der Gewerbeordnung in der Folge vielen hochqualifizierten ArbeitnehmerInnen im Bereich der Buchhaltung die große Chance bieten wird, sich selbständig zu machen oder als Freiberufler tätig zu werden. Ich glaube auch, daß vor allem jüngere bisher unselbständig tätig Gewesene diesen Schritt in die Unabhängigkeit machen und ihre Chance sicherlich zu nützen wissen werden.

Wir alle wissen, daß das Wirtschaftspotential und die Wirtschaftskraft der freien Berufe bereits in den vergangenen Jahren bis zu dreimal so hoch gewesen ist, wie dies dem durchschnittlichen Bruttonationalprodukt entsprochen hat. Ich glaube auch, daß vielen hier in diesem Haus bewußt ist, daß der Wettbewerb in der EU stärker geworden ist und daß von diesem Wettbewerb alle Branchen und Berufsgruppen erfaßt sind. Von diesem Wettbewerb können und dürfen auch Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder so wie bisher längerfristig nicht ausgenommen werden. Dieser Wettbewerb wird schon mittelfristig dazu führen – davon bin ich überzeugt –, daß sich die allgemein bekannt hohen Honorarnoten der Steuerberater und der Wirtschaftstreuhänder dem künftigen Wettbewerb werden anpassen müssen. Deren Leistungen und Angebote werden sicherlich sehr bald um vieles günstiger für die Konsumenten werden, und das wird dazu führen, daß auch jene deren Dienste werden in Anspruch nehmen können, die sich das bisher


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651. Sitzung / Seite 90

nicht leisten konnten, obwohl sie einen Steuerberater oder einen Wirtschaftstreuhänder zur Beratung gebraucht hätten.

In der Folge dieses Wettbewerbes wird auch das Einkommen der bisher unselbständig Beschäftigten in dieser Branche höher werden. Wir alle wissen, daß viele Arbeitgeber in dieser Branche zu unserem Bedauern ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – es sind meistens Frauen in Teilzeitjobs – nicht deren Leistung entsprechend entlohnt haben. Es bedarf großer Anstrengungen von seiten der Gewerkschaften, in diesen Bereichen zu Kollektivvertragsabschlüssen zu kommen.

Außerordentlich wichtig ist, daß die Öffnung eines speziellen Marktes in diesen Branchen vor allem Frauen und Männern im ländlichen Raum die Chance bietet, sich selbständig zu machen. Die Frauen können vielleicht diese Tätigkeit zu Hause im Kreis der Familie verrichten und sich somit lange, beschwerliche Anfahrtswege ersparen, denn wir alle wissen, daß es um die Kinderbetreuungseinrichtungen auf dem Lande nicht sehr gut bestellt ist. Manche Insider dieser Branche behaupten sogar, daß es zu einem starken Rückgang der Schwarzarbeit in diesen Bereichen kommen wird. Diese soll nämlich dort sehr häufig vorkommen.

Das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz regelt ganz genau die erforderliche Ausbildung, die vorgesehenen Fachprüfungen und den Tätigkeitsbereich des freien Berufes Selbständiger Buchhalter. In der Gewerbeordnungsnovelle wird der Beruf eines einfachen Buchhalters eingerichtet. Der Berechtigungsumfang des Gewerblichen Buchhalters soll die sogenannte pagatorische Buchhaltung umfassen. Der Berechtigungsumfang dieses Berufes endet mit der Erstellung von Saldenlisten, und diese Buchhalter haben auch keine Vertretungsbefugnis vor den Behörden.

Der Gewerbliche Buchhalter wird vor allem in Klein- und Kleinstbetrieben seinen Kundenstock finden. Der Selbständige Buchhalter wird die gesamte anfallende Arbeit und auch die notwendige Vertretung vor den Behörden zu machen haben. Er wird vor allem mittlere und größere Betriebe zu seinen Kunden zählen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das IHS hat in einer Studie festgestellt, daß bei uns in Österreich die freien Berufe noch immer ein eingeschränkter Bereich sind und daß es dort ein ungenütztes Potential von zumindest 20 000 qualifizierten Arbeitsplätzen gibt. Und wenn die heute zur Beschlußfassung anstehenden Novellierungen dazu führen, eine Reihe dieser qualifizierten Arbeitsplätze mit Leben zu erfüllen, so ist das ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt.

Wir wissen heute aus Ländern, die einen höheren Beschäftigungsanteil von qualifizierten Dienstleistungstätigkeiten haben als wir in Österreich, daß diese hochqualifizierten Arbeitsplätze eine breite Basis für weniger qualifizierte Arbeitsplätze sind. Allein diese Chancen, die sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt ergeben, veranlassen uns Sozialdemokraten, diesen Novellierungen, die heute zur Beschlußfassung anstehen, die Zustimmung zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.28

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Milan Linzer. Ich erteile es ihm.

14.28

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich darf zunächst auf meine beiden Vorredner eingehen. Kollege d'Aron von der Freiheitlichen Partei hat in für die Freiheitliche Partei typischer Art und Weise versucht, sich um die Problematik herumzustehlen, so unter dem Motto: Ja niemanden verletzen, ja niemandem weh tun!, damit man für die nächste Wahl gewappnet ist. (Bundesrat Dr. Bösch: Das sollten Sie auch tun, Herr Kollege!)

Im übrigen, Herr Bundesrat d'Aron, haben auch Ihre Kollegen in der Vorbereitung in den Ausschüssen und im Nationalrat nichts zur Lösung dieser sicherlich schwierigen Problematik beigetragen, sondern sich eher auf Negativa beschränkt.


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651. Sitzung / Seite 91

Aber nun zu Kollegen Drochter. Was seine Rede betrifft, möchte ich auch einige Dinge festhalten.

Kollege Drochter! Ich schätze Sie als Mensch und vor allem auch als Politiker als ein klassischer Vertreter der Arbeitnehmer – was genauso wichtig ist wie unsere Funktion auf der anderen Seite der Sozialpartnerschaft. Nur eines gefällt mir nicht, nämlich daß Sie hier uralte klassenkämpferische Töne anschlagen beziehungsweise zumindest andeuten, indem Sie dahin gehend argumentieren: Es gebe bei den sogenannten Wirtschaftstreuhändern ständig übergroße Honorarnoten (Bundesrat Drochter: Im Vergleich zu den Gehältern, die dort bezahlt werden!) , und das führe dazu, daß kleine Unternehmer und auch Arbeitnehmer gar keinen Zugang hätten, und das müsse durch Wettbewerb verhindert werden.

Ich glaube, das ist nicht mehr zeitgemäß. Und ich möchte Sie bitten, diese Argumentation in Zukunft zu unterlassen. (Zwischenruf des Bundesrates Rauchenberger. )

Meine Damen und Herren! Wir haben es natürlich mit einer sehr schwierigen Thematik zu tun. Ich darf allgemein festhalten: Man hat im Wege der Arbeiterkammer und des Gewerkschaftsbundes Vorreiter vorgelassen, und diese haben gesagt: Nachdem bei den Beamten quasi geschlichtet worden ist, wollen wir jetzt versuchen, auch auf dem Gebiet der freien Berufe Arbeitsplätze zu schaffen. Das mag in gewisser Hinsicht durchaus seine Berechtigung haben. Nichts ist so gut auf dieser Welt, daß man es nicht vielleicht doch noch verbessern kann.

Jetzt zum Thema der Wirtschaftstreuhänder. Man wählte den Weg der Systemisierung des Buchhalters, das heißt, man läßt ihn selbständig werden, sei es als Gewerblicher Buchhalter, oder sei es im Rahmen der Kammer der Wirtschaftstreuhänder als sogenannter Selbständiger Buchhalter. Ich glaube, daß das durchaus seine Berechtigung hat.

Herr Kollege Drochter hat das übrigens sehr sensationell zur Sprache gebracht, indem er hier die sogenannte Schwarzarbeit, den Pfusch, anprangerte. Das habe ich, ehrlich gestanden, bis jetzt von einem Arbeitnehmer noch nicht gehört. Aber ich nehme es gerne hin, denn es hat seine Berechtigung, gerade in diesem Bereich. Wir wissen, daß sehr viele Dienstnehmer, Finanzbeamte oder auch Angestellte von Wirtschaftstreuhändern, in der sogenannten Anonymität in der Freizeit Buchhaltungsarbeiten verrichten.

Ich glaube, wir sind uns darüber einig, daß das alles systemisiert gehört. Vielleicht führt es auch zu einer gewissen Unübersichtlichkeit. Das möchte ich durchaus kritisieren, da bin ich wieder mit Ihnen einer Meinung. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. d'Aron. ) Keine Frage, mir gefällt es auch nicht, daß es jetzt den Wirtschaftstreuhänder, den Buchprüfer, den Steuerberater, den freien und den gewerblichen Bilanzbuchhalter gibt. Es wird da ein bißchen Aufklärungsarbeit bei den Unternehmen notwendig sein.

Kollege Drochter! Aber daß bis jetzt der eine oder andere keine Gelegenheit gehabt hat, einen Wirtschaftstreuhänder oder Steuerberater aufzusuchen, bitte, das bestreite ich entschieden. Ich bin nicht der Anwalt der Wirtschaftstreuhänder, aber auf diesem Gebiet sind wir europaweit absolut Spitze. Vielleicht haben Sie in eine andere Richtung gedacht (Zwischenruf des Bundesrates Drochter ); ich weiß, die Arbeiterkammer, der Gewerkschaftsbund sind durchaus auch in der Lage, zu vertreten. Nur wenn Kollege Ruttenstorfer, wie ich höre, das auch systemisiert haben will, bin ich dagegen – siehe einen Artikel in den "Salzburger Nachrichten". Ich bin absolut dagegen, denn das wäre ein Rückschritt in eine vergangene Zeit, nachdem wir uns doch alle miteinander in der Koalition zu "mehr privat und weniger Staat" durchgerungen haben. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß wir die Kirche im Dorf lassen sollen. Wenn wir von 20 000 Arbeitsplätzen, von 30 000 Arbeitsplätzen hören – das sind so riesige Zahlen, die niemand untermauern kann! Die IHS-Studie bestreite ich vehement, es gibt auch bereits Gegendarstellungen. Die Studie des IHS ist genau zu einem Zeitpunkt – sehr verdächtig! – herausgekommen, zu dem eben besagte Institutionen, die ich schon genannt habe – ersparen Sie mir, sie noch einmal zu erwähnen –, eine Kampagne losgelassen haben.


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Es gibt zweifellos Spitzen, das gestehe ich Ihnen zu. Ich sage durchaus, daß manche Kollegen von mir unter den Notaren und manche Ärzte sicherlich zuviel verdienen. Das muß in der heutigen Zeit, in der wir um jeden Arbeitsplatz ringen, nicht sein. Man kann ruhig teilen, abbauen. Nur es gibt eine Milchmädchenrechnung, Herr Kollege Drochter! In meinem Bezirk sind wir zwei Notare, wir haben jeder sechs Angestellte, und wir bewältigen die Arbeit durchaus. Und es gibt zehn Rechtsanwälte. Nehmen wir an, ein dritter Notar kommt hinzu. Was wird passieren? – Er wird einen Teil der Arbeit übernehmen, ich werde voraussichtlich zwei Angestellte nach Hause schicken, diese werden vielleicht hinüberwechseln können. Vielleicht kann einer zusätzlich beschäftigt werden; gut, dann hat das seine Berechtigung. (Bundesrat Drochter: Sie haben Angst vor der Konkurrenz!)  – Ich fürchte die Konkurrenz nicht, ich habe kein Problem damit. – Nur die 30 000 Arbeitsplätze sind in das Reich von "Grimms Märchen" einzureihen. (Beifall bei der ÖVP.) Das glaubt Ihnen niemand! (Bundesrat Drochter: IHS!) Das ist eine rein politisch motivierte Kampagne. Das werden Sie nicht spielen können, glauben Sie mir!

Meine Fraktion hat beschlossen, daß wir diesem Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, das insgesamt zweifellos einen Kompromiß darstellt, natürlich auch einen Kompromiß mit der Interessenvertretung, zustimmen. Es ist sehr viel hineinverpackt: ein besserer Zugang, auch eine bessere Qualität der Ausbildung und natürlich mehr Wettbewerb. Das soll durchaus auch eine Kostensenkung mit sich bringen; da stimme ich Ihnen zu. Trotzdem aber verbleiben der Wirtschaftstreuhänder und der Buchprüfer mit besonderer Qualität und sozusagen mit dem kleinen Äquivalent, daß sie auch vor Unabhängigen Verwaltungssenaten und vor dem Verwaltungsgerichtshof vertreten dürfen, weil Tausende von Steuerfällen beim Verwaltungsgerichtshof landen.

In diesem Sinne bedanke ich mich, daß Sie mir zugehört haben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Drochter. )

14.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile ihm das Wort.

14.37

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Änderungen im Wirtschaftstreuhandberufsgesetz haben natürlich – es ist die Debatte auch inhaltlich zusammengelegt, nämlich über drei zu beratende Punkte – Auswirkungen auf andere Gesetzesmaterien, in erster Linie in gravierender Form auf die Gewerbeordnung.

Meine Damen und Herren! Mit der Änderung der Gewerbeordnung, vor allem mit der Schaffung des neuen Berufes des Gewerblichen Buchhalters, schaffen Sie von den Regierungsparteien zwei Klassen von Buchhaltern, den Gewerblichen Buchhalter einerseits und den sogenannten Selbständigen Buchhalter, den es in dieser Form bisher auch gegeben hat, andererseits. Das, meine Damen und Herren, ist einzigartig, deshalb einzigartig in Österreich, weil – das wird wahrscheinlich die Begründung der beiden Koalitionäre dafür sein – das Steuersystem in Österreich insgesamt nicht mehr durchschaubar und überaus kompliziert ist.

Meine Damen und Herren! Anstelle dieser Gesetzesnovellen, die Sie uns vorgelegt haben, wäre es viel vernünftiger, wenn Sie ein einfaches, gerechtes und vor allem durchschaubares Steuersystem vorlegen und nicht diesen sogenannten Pseudoschritt im Hinblick auf die Schaffung neuer Berufsbilder im Steuerrecht und in der Gewerbeordnung setzen würden.

Meine Damen und Herren! Nicht nur, daß Sie damit die Gruppe der Steuerberater kriminalisieren, Sie machen auch den Betroffenen, der Bevölkerung, dem Steuerzahler falsche Hoffnungen. Alleine die Tatsache, daß der Selbständige Buchhalter, für den das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz gilt, zum Teil die gleichen Kompetenzen hat wie der Gewerbliche Buchhalter, zum Beispiel bei der Lohnverrechnung oder bei der Einnahmen- und Ausgabenrechnung, und daß er vor allem eine Haftpflichtversicherung braucht, der Gewerbliche Buchhalter hingegen keine, bedeutet eine Ungleichbehandlung gleicher Leistungen.


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651. Sitzung / Seite 93

Meine Damen und Herren! Hier ist natürlich die Frage angebracht: Wo bleiben die Genossen, die immer rufen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!? Und wo bleiben Sie, meine Damen und Herren vom Wirtschaftsbund, die immer gleiche Rahmenbedingungen reklamieren? – Ich höre von beiden Seiten nichts, sondern ich meine vielmehr, die Koalition der Verlierer ist sich einig, wenn es darum geht, wiederum zwei Klassen von Berufsbildern zu schaffen – noch dazu zum Nachteil des Bürgers, des Steuerzahlers.

Warum, meine Damen und Herren, schaffen Sie diese zwei Klassen von Steuerberatern, wenn Sie nicht dazu bereit sind, dem bewährten Modell des sogenannten Selbständigen Steuerberaters letztlich auch eine Akzeptanz in der Form zu gewähren, daß Sie seine Kompetenzen aufwerten? – Zum Beispiel dürfen die Selbständigen Steuerberater nur als Gutachter in Steuerverfahren tätig sein; damit ist ihre Vertretungs- und Kompetenzmöglichkeit im Sozialversicherungsverfahren sehr eingeengt.

Warum dürfen Selbständige Steuerberater nicht kleinere bis mittlere GmbHs, also Genossenschaften mit beschränkter Haftung, prüfen? – Da erhebt sich die Frage: Sind diese Prüfungen nicht steuerrelevant? Und warum, meine Damen und Herren, dürfen Steuerberater, die eine dementsprechende Berufserfahrung mit sich bringen, keine Vertretung vor dem Verwaltungsgerichtshof übernehmen? Soll sich der Beschwerdeführer nicht die Person seines Vertrauens für ein derartiges Verfahren wählen dürfen? – In diesen Fragen, meine Damen und Herren von der Koalition der Verlierer, geben Sie den Steuerberatern, geben Sie den Steuerpflichtigen weniger Sicherheit. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Payer: Wo ist Herr Königshofer?)

Sie haben nicht den Mut, ein durchschaubares Steuersystem zu schaffen. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie haben statt einer transparenten und leichter zugäng-lichen Gewerbeordnung in diesem Bereich mehr Rechtsunsicherheit geschaffen (Bundesrat Dr. Linzer: Sie ist transparenter!) , und Sie sorgen mit diesem Schritt auch für eine Verkomplizierung des Gewerberechts.

Meine Damen und Herren! Ich habe – das wurde vorhin schon erwähnt – den Eindruck, Ihr Ziel von ÖVP und SPÖ ist folgendes: Mit diesen Beschlußfassungen hat einerseits der Wirtschaftsbund das Ziel, mehr Zwangsbeiträge im Bereich der Kammer zu vereinnahmen, und haben andererseits die Sozialdemokraten das Ziel, die hohe österreichische Steuerquote, die ohnedies eine der höchsten in Europa ist, weiterhin aufrechtzuerhalten.

Meine Damen und Herren! Das ist für meine Fraktion, für uns Freiheitliche, keine ehrliche Politik. Herr Kollege Freiberger! Das ist kein entscheidender Schritt in die Zukunft! Meine Damen und Herren! Es muß aber auch erwähnt werden, daß Sie bei der Vorlage dieser Materien nicht einmal darüber nachgedacht haben, daß es eine Qualitätssicherung in diesen Bereichen gibt, sondern Sie stellen sich hier her (Bundesrat Payer: Sie haben sich das nicht genau angeschaut!) und verkünden letztlich, mehr Transparenz einzuführen. Die Zahl von 30 000 neuen Arbeitsplätzen wurde genannt. Das wurde schon von Kollegen Linzer widerlegt. Daher gehe ich davon aus, daß er diesen Materien, so wie wir, nicht wird zustimmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.44

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Johann Ledolter. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesminister Mag. Molterer: Verzichtet!)

Dann erteile ich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid das Wort. – Bitte.

14.44

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die beste Zeit, ein Problem anzusprechen, ist die Zeit vor seiner Entstehung. Das ist die Art von uns Freiheitlichen, nämlich Probleme vor ihrer Entstehung anzupacken. Daher heute auch unser Nein zum Schengener Abkommen in der jetzigen Form. Denn, meine Herren und Damen, eines können Sie nicht ableugnen: Vor gar nicht langer Zeit ist die Anwendung des Schengener Abkommens an der italienischen Grenze


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bereits zum Problem geworden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesräte Rauchenberger und Payer: Thema verfehlt! Thema verfehlt!)

Meine Damen und Herren! Herr Minister! Dieser vor mir liegende Beschluß des Nationalrates, einen Teil der Gewerbeordnung zu ändern, ist für uns Freiheitliche ebenfalls ein bißchen zum Problem geworden. Daher wäre es angebracht, überhaupt vor der Entstehung eines solchen Antrages an den Nationalrat darüber zu urteilen, ob dieser – wie so viele an den Haaren herangezogene Gesetzesanträge, Entwürfe und Änderungen – nicht doch auch zum Problem werden könnte. (Bundesrat Steinbichler: Frau Kollegin! Das passiert in den Ausschüssen!)

Grundsätzlich sind dieser Regierungsvorlage viele positive Aspekte abzugewinnen, wobei wir nicht wußten, daß sich die Sozialversicherungen und das Parlament noch immer fest in der Hand der Kammern und Gewerkschaften befinden. Mit dem Vorwand der angeblichen Liberalisierung wurde der Beruf des Gewerblichen Buchhalters geschaffen. Für uns Freiheitliche ist dies nur ein Beweis für die Macht der Kammern, denn dieser Antrag wurde von Kammerfunktionären eingebracht. Mit dem Vorwand, Selbständige zu gewinnen, wurde dieser Beruf geschaffen. In Wirklichkeit wurde dieser Antrag gestellt, um die Einnahmen der Sozialversicherung und die Kammerumlagen aufzubessern, um mehr Abhängige zu haben, aber nicht, um die Schwarzarbeit zu bekämpfen.

Der "kleine" Buchhalter, der bis jetzt im sogenannten Pfusch am Wohnzimmertisch diese Arbeit erledigt hat, hat dies bewußt zur Aufbesserung seines Haushaltsbudgets gemacht. Und diesen Buchhalter, Herr Kollege Drochter, wird es auch weiterhin geben. Diesen werden Sie nicht verfolgen können, und wir alle nicht! (Bundesrat Freiberger: Jetzt legt er Rechnung!) Es wird auch weiterhin den bei einem Wirtschaftstreuhänder beschäftigten Buchhalter geben, selbst wenn man ihm für einen sogenannten selbständigen Beruf das Blaue vom Himmel herunter verspricht.

Herr Minister! Das geht ins Leere. "Erfahrung" bedeutet Lernen aus Fehlern, und diese Regierung hat schon so viele Fehler gemacht, daß es an Erfahrung gar nicht fehlen dürfte. Diese Erfahrung müßte Ihnen sagen, was solch ein Gesetzesbeschluß für die Zukunft bringen würde, nämlich eine Niveauangleichung nach unten, meine Damen und Herren! Die sozialistische Ideologie (Bundesrat Payer: Sozialdemokratische, bitte!) erreicht damit, daß wie in Deutschland und wie in einigen anderen EU-Ländern bald Anwälte durch gewerbliche Rechtspfleger in unseren so hervorragend rechtsprechenden Gerichten ersetzt und letztgenannte richten werden, daß weiters gewerbliche Heilpraktiker unsere Ärzte ersetzen werden und daß die Meisterprüfungen – wie bereits vorgestern im Fernsehen berichtet wurde – abgeschafft werden.

Damit fallen wir total ins Leere, die Feinheiten, die unseren Staat so ausgezeichnet haben, verschwinden. Das Niveaulos-Werden, nämlich das Abgehen vom Akademikerprinzip, das Abgehen vom Qualitätsprinzip, mag wohl der sozialistischen Ideologie gerecht werden, meine Damen und Herren von der sozialistischen Fraktion, aber von einer Liberalisierung kann hier nicht die Rede sein (Beifall bei den Freiheitlichen) , und das kann gemäß unserem freiheitlichen Gedankengut nicht akzeptiert werden.

Meine Damen und Herren! Die berühmte Packelei wurde wieder aktiv betrieben. Man verhandelte mit der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, und diese hat einfach den Beruf des Steuerberaters verkauft – verkauft an die Wirtschaftskammer. Als Trostpflaster schuf man dann einen zweiten Buchhaltungsberuf, und zwar den Beruf des Selbständigen Buchhalters. Der minimale Unterschied ist, daß der eine zwar nicht bilanzlegend tätig sein kann, wohl aber für den Jahresabschluß der Bücher. Ich frage Sie nun, meine Damen und Herren: Wo hört der Jahresabschluß auf, und wo fängt die Bilanz an? – Sie, Frau Kollegin Giesinger, wollten mir im Ausschuß klarmachen, daß für kleine Betriebe sehr wohl der Gewerbliche Buchhalter ausreicht. Ich frage Sie: Was macht dann der kleine Gewerbetreibende bei Finanzverhandlungen? – Da braucht er ja wieder den Steuerberater, was mit Mehrkosten verbunden ist. Aber anscheinend kann sich in Ihren Augen – das befremdet mich, das erwarte ich nicht von Mandataren einer sogenannten Wirtschaftspartei – der kleine Gewerbetreibende alles leisten.


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Nun gibt es den Selbständigen Buchhalter, der wohl überall der Verschwiegenheitspflicht unterliegt und zum Abschluß einer Haftpflichtversicherung verpflichtet ist – im Gegensatz zum Gewerblichen Buchhalter –, auch Verhandlungen mit Behörden, Gemeinden und Ländern tätigen kann, aber seine Klienten nicht gegenüber den Finanzbehörden vertreten darf. Dazu braucht man wieder den Wirtschaftstreuhänder oder Steuerberater.

Es gibt aber auch folgende Möglichkeit: Nach mindestens zwölf Jahren Tätigkeit als Selbständiger Buchhalter kann man dann – mit Kursen am BFI und am Wirtschaftsförderungsinstitut, mit allen Förderungen der Wirtschaftskammern – den Status des Steuerberaters erlangen. Kurz gesagt: Man ist es dann im Sinne des Finanzamtes beziehungsweise des Finanzministeriums.

Meine Damen und Herren! Akademische Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder sind ein wenig höher qualifiziert, und mit diesen kann man nicht so leicht verkehren wie mit einem weniger qualifizierten, einfachen Buchhalter. Dieser kann sich nicht so leicht zur Wehr setzen, wenn es um Finanzverhandlungen mit Klienten geht. Es zeigen sich also die Ideale sozialistischer Ideologie: Abgehen von Qualität, Abgehen vom Akademikerprinzip. – Die Freiheit, die der Freiberuf des Wirtschaftsprüfers darstellte, wurde von der eigenen sogenannten Interessenvertretung (Zwischenruf des Bundesrates Payer ) , den eigenen Kammern mit der Zustimmung zu diesem Antrag verkauft. Es soll damit ein Gesetz geschaffen werden, das den Kammerstaat widerspiegelt. Abhängigkeit ist wiederum angesagt.

"Ich werde die Freiberufler zur Schnecke machen." – Das war eine bezeichnende Aussage eines Regierungsmitgliedes, vielleicht haben Sie sie nicht vergessen. Meine Damen und Herren! Dem ist nichts hinzuzufügen, es ist aber von uns Freiheitlichen sicherlich zur Gänze abzulehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.52

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz über die Wirtschaftstreuhandberufe – Wirtschaftstreuhandberufsgesetz.

Der gegenständliche Beschluß enthält in den §§ 175 Abs. 1 und 227 Abs. 1 Verfassungsbestimmungen, die nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsgemäße Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


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651. Sitzung / Seite 96

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

19. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 – JWG geändert wird (Jugendwohlfahrtsgesetz-Novelle 1998) (1556 und 1619/NR sowie 5896/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Erhard Meier übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Erhard Meier: Der Bericht des Ausschusses für Umwelt, Jugend und Familie über den Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 – JWG geändert wird, liegt schriftlich vor. Ich verzichte mit Ihrem Einverständnis auf die Verlesung des Berichtstextes.

Der Ausschuß für Umwelt, Jugend und Familie stellt nach Beratung der Vorlage am 16. März 1999 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke dem Herrn Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

14.55

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Landwirtschaftsminister, der heute ein bißchen die Familien mitbetreut! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute eine Novelle zum Jugendwohlfahrtsgesetz zur Beschlußfassung vorliegen. Es ist ohne Zweifel notwendig geworden, diesbezüglich Änderungen vorzunehmen, die den Umständen der Zeit angepaßt sind. Wir brauchen uns nur täglich die Zeitungsberichte über Kindesmißbrauch, Kindesmißhandlungen et cetera anzuschauen. Auch die Statistik weist alarmierende Zahlen aus.

Auch wenn wir einsehen, daß aus den Umständen heraus Änderungen beim Jugendwohlfahrtsgesetz notwendig sind, muß man, wenn man sich das Gesetz insgesamt anschaut und wenn man liest, was darin enthalten ist, folgendes sagen: Es ist eine Bankrotterklärung der Gesellschaftspolitik und der Familienpolitik, die vor allem die SPÖ seit 30 Jahren zu verantworten hat, aber seit zwölf Jahren trägt die ÖVP die Verantwortung mit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Schauen wir uns an, wie die Lage heute ist! Jede dritte Ehe wird laut Statistik geschieden. Da kommen die Alleinerzieherinnen – in der Regel sind es Frauen – in den "Genuß" – unter Anführungszeichen –, alleine mit der Erziehung der Kinder fertig werden zu müssen.

In den meisten Fällen – das besagen wieder die Statistiken – ist es so, daß die Kinder zum Vater sehr wenig Kontakt haben. Das heißt, da fehlt in der Erziehung meistens, zumindest über einen kontinuierlichen Zeitraum hinweg, das Pendant. Der Gegenpol zur Mutter ist nun einmal der Vater, und dieser fehlt dann in vielen Fällen. Daher können wir auch nicht davon ausgehen, daß das soziale Verhalten in der Familie trainiert, gelehrt wird, sodaß die Kinder lernen, sozial miteinander umzugehen. (Bundesrat Thumpser: Wieso nicht?)  – Weil Sie die Familie seit 30 Jahren kaputtmachen! Sie haben nämlich diesen Zustand herbeigeführt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben den Zustand zu verantworten, daß es ähnlich wie in kommunistischen Systemen ist. Die Kinder werden möglichst früh in der Kinderkrippe abgegeben, damit sie dem staatlichen Einfluß unterworfen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Stimmt ja nicht!) Und das findet sich hier wieder. Genau das findet sich hier wieder. Wenn man sich die Gesetzesnovelle in ihren Einzelheiten anschaut, wird das Ganze auch nicht besser. (Zwischenrufe des Bundesrates Thumpser. )

§ 2 Abs. 4 sieht, was die Meldungen anlangt, vor, daß diese personenbezogen zu erfassen sind. – Das heißt, diese Meldungen werden auf die Person des Opfers abgestellt, aber nicht auf die des Täters. Das heißt weiter, daß ein Täter, der mehrere Delikte begeht, somit nicht erfaßbar ist. Es kann mir niemand "verkaufen", daß das den Opferschutz darstellt, den Sie auch immer wieder fordern. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Daher ist es völlig klar, daß der Opferschutz nach wie vor unzulänglich geregelt ist und die Strafrechtspflege damit auch noch behindert wird.

In § 2 Abs. 4 – es geht noch weiter – wird den Bediensteten der Jugendämter, die keine oder nicht die entsprechend qualifizierte Ausbildung in den relevanten Gebieten aufweisen, jedoch die volle Verantwortung übertragen. Es ist wirklich frivol, zu sagen, daß unter dem Vorwand eines verbesserten Schutzes der Jugendlichen eine derartige Meldungsverpflichtung geschaffen werden soll, aber gleichzeitig wird die Verantwortung über den Gebrauch dieser Meldungen wieder bei den Bediensteten abgeladen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Was die Ausbildung oder die Qualitätskriterien für die Fachkräfte anlangt, so ist anzumerken, daß nirgends in diesem Gesetz genau steht, was man sich darunter vorstellt. Es steht nirgends, wie diese Qualifikationen in ihrer Struktur ausschauen sollen. Das bleibt den Ländern überlassen. Ich bin sehr für Föderalismus, aber ich glaube, man kann es auch zu weit treiben. Gerade in so sensiblen Fragen sind Strukturen und Anforderungsmerkmale, die dann allgemeingültig sind, ganz wesentlich. Das kann ruhig in einem etwas größeren Rahmen erfolgen, muß aber im Detail einzeln festlegbar sein. Ganz sicher kann man jedoch nicht nur sagen: Soll doch jeder machen, wie er glaubt, und dann schauen, wie er es will!

Noch ein weiterer Punkt: Ich streite nicht ab, daß die niederschwelligen Angebote wichtig sind, denn ich weiß es aus Gesprächen mit Sozialarbeitern, die meinen, daß das etwas ist, das sie brauchen, damit sie wenigstens ein bißchen aktionsfähig sind! Auch das sei gesagt, damit wir an diesem Gesetz nicht nur Negatives feststellen.

Aber folgendes muß ich anmerken – ich finde das wirklich empörend und eigentlich unerhört –: In Z 6 des § 21a ist festgelegt, welche Jugendlichen das betrifft, nämlich diejenigen, "die ihre Identität über erhöhte Gewaltbereitschaft wie Rechtsradikalismus definieren". Im Ausschuß konnte mir die zuständige Beamtin überhaupt nicht beweisen, daß das wirklich so ist, denn auf die Frage, ob es tatsächlich Rechtsradikale seien, die in solchen Gruppen organisiert sind, mußte sie sagen: Nein, das ist es nicht!

Gewaltbereite Jugendliche gibt es in allen Formen. Es ist eine Frechheit, zu behaupten, daß das Rechtsextremismus ist. Sie müssen uns, meine Damen und Herren, verstehen, weil uns das


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immer ganz zwanglos zugeordnet wird! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Na so etwas!)

Irgendein Journalist darf sagen, daß Haider der "Wegbereiter des Rechtsextremismus" ist. Und das setzt sich dann so fort! Daher nehmen wir das so nicht zur Kenntnis! Das kann man in der vorliegenden Form nicht stehen lassen! (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Definieren Sie es mit "extreme Jugendliche" oder "extrem gewaltbereite Jugendliche", dann bekommen Sie unsere Zustimmung! Aber in der gegenwärtigen Form lehnen wir das zu 100 Prozent ab und verwahren uns dagegen.

Wir sagen auch nicht: "der Linksextremismus". Von den Hooligans weiß man, daß sie im Prinzip keiner politischen Richtung zuzuordnen sind. Aber von ihren Tendenzen her neigen sie eher zum Linksextremismus. Wir sagen auch nicht, daß die SPÖ aus Linksextremisten besteht, auch wenn wir in vielem nicht mit Ihnen einer Meinung sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Thumpser.  – Bundesrat Dr. Tremmel  – in Richtung der SPÖ: Offensichtlich habt ihr Ebergassing schon längst vergessen!) Ja!

In Summe gesehen muß man sagen: Obwohl das Gesetz einige gute Ansätze hat, ist es doch in wesentlichen Punkte aus unserer Sicht abzulehnen. Daher werden wir unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.03

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Wilfing. – Bitte.

15.04

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Frau Vizepräsidentin! Geschätztes Plenum! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum einen ist dieses Gesetz ein Gesetz, wie wir Bundesräte es uns immer wünschen müßten – gerade durch seine Praxisnähe ist es unserer Auffassung nach auch Vorbild für ganz Europa! Denn darin ist festgelegt, daß die Grundsatzgesetzgebung von der Verfassung her beim Bund liegt, die Ausführungsgesetze bei den Ländern. Genau das hat auch den Vorteil, daß wir, abgestimmt auf die einzelnen Situationen, auf die jeweiligen Regionen, in der Jugendwohlfahrt praxisnah und sofort reagieren können.

Es wundert mich deshalb, daß meine Vorrednerin von der Freiheitlichen Partei genau das kritisiert hat. Wir sehen einen Vorteil darin, daß abgestimmt auf das jeweilige Bundesland festgelegt werden kann, welche Ausbildungsschritte notwendig sind, um damit, da das im städtischen Bereich sicherlich oft ganz anders sein kann als im ländlichen Raum, auch dem Land adäquate Ausbildungsschritte anzubieten.

Ich muß überhaupt sagen, daß dieses Jugendwohlfahrtsgesetz auch genau das festschreibt, was Frau Kollegin Mühlwerth vorhin ebenfalls beklagt hat, nämlich ein – gerade aufgrund des Einsatzes unseres Bundesministers Dr. Martin Bartenstein – klares Bekenntnis zur Familie, weil darin wortwörtlich festgelegt wird: "Primäraufgabe der öffentlichen Jugendwohlfahrt ist die Stärkung der Erziehungskraft der Familie". Für uns ist völlig klar – genau das kommt darin auch zum Ausdruck –, daß das Leitbild dabei eine Familie mit beiden Elternteilen und Kindern ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Leider ist uns die abhanden gekommen!) Denn wir wissen, daß wir uns dort, wo das funktioniert – wir, der Staat, haben alles zu tun, damit die Familien funktionieren –, Jugendwohlfahrt in fast allen Bereichen ersparen können. (Bundesrat Dr. Böhm: Dann tun Sie etwas dafür!)

Man muß zusätzlich folgendes klar feststellen: Im Jahre 1994 hat der Nationalrat die damalige Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie aufgefordert, bis zum Jahre 1996 einen Jugendwohlfahrtsbericht vorzulegen. Ein solcher wurde auch innerhalb der Frist dem Nationalrat vorgelegt und von diesem angenommen. Dazu gab es damals eben auch – darauf wurde heute schon eingegangen – einzelne Verbesserungsvorschläge, die man nun mit der vorliegenden Novelle zu erfassen versucht.


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Es ging dabei erstens darum, die Professionalisierung der in der Jugendwohlfahrt Tätigen zu verbessern. Es wird klar festgestellt, daß für die betroffenen 1,5 Prozent der Kinder – das sind immerhin 26 000 in ganz Österreich – die Hilfe von bestgeschulten Fachkräften zur Verfügung gestellt werden soll. Das heißt für uns, daß einerseits dort, wo eine besondere Ausbildung notwendig ist, in der Regel geeignetes Fachpersonal anzubieten ist, daß wir andererseits aber nicht das Kind mit dem Bade ausschütten dürfen. Denn Pflegeeltern zum Beispiel, die schon drei, vier Kinder aufgezogen haben und bereit sind, weitere Kinder aufzunehmen, brauchen meiner Ansicht nach keine weitere großartige Ausbildung, da sie schon bisher bewiesen haben, daß sie auf diesem Gebiet hervorragende Arbeit leisten und imstande sind, für zwei, drei Pflegekinder zu sorgen.

Zweitens geht es darum, daß wir in einem nächsten wichtigen Schritt das Angebot an sozialen Diensten ausweiten. Auch hier steht wieder klar die Familie im Vordergrund, zu Beginn des § 12 ist klar festgelegt, daß Elternbildung ein besonderer Schwerpunkt dieses Jugendwohlfahrtsgesetzes sein muß. Wir versuchen, mit den verschiedensten Trägern diese Elternbildung in allen Gemeinden anzubieten, um den Familien direkte Hilfe anbieten zu können. Weiters geht es auch darum, niederschwellige Angebote zur Verfügung zu stellen. Denn es ist klar, daß Jugendliche, die eine Betreuung in einem Heim ablehnen, kaum dort festgehalten werden können, daher ist es wichtig, diese über Streetwork oder ähnliche Einrichtungen mit Fachkräften der Jugendwohlfahrt in Kontakt zu bringen.

Die erwähnte Beamtin hat im Ausschuß ganz klar den Rechtsextremismus als Beispiel genannt, und wir wissen auch, daß sich Jugendliche in vielen Bereichen – etwa bei den Hooligans und so weiter – derzeit eher zum Rechtsextremismus bekennen, diesbezüglich gibt es klare Umfrageergebnisse. Es ist daher bezeichnend und entlarvend, daß Sie hier versuchen, dagegen zu argumentieren, als ob Sie damit angesprochen wären. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist absurd! – Bundesrätin Haunschmid: Warum heißt das denn "rechtsextrem" und nicht nur "extrem"?) Von uns hat sich niemand angesprochen gefühlt. Mich wundert es, daß sich die Freiheitliche Partei angesprochen fühlt, denn das war eigentlich überhaupt nicht der Fall! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Drittens ist es darum gegangen, den Pflegegeldanspruch auch auf verwandte Personen zu erweitern, weil wir wissen, daß – wie es auch im ABGB vorgesehen ist – über Verwandtenpflege ein Heimaufenthalt eventuell hintangehalten werden kann. Es ist daher wichtig, daß diese durch eine finanzielle Unterstützung auch in die Lage versetzt werden, Minderjährige, die mit ihnen verwandt sind, zu betreuen.

Es geht viertens um die Regelung der Tagesbetreuung von Kindern. Diesbezüglich muß man klar feststellen, daß die Vereinbarkeit von Beruf und Familie große Herausforderungen an die Politik stellt. Wir wissen, daß gerade in den Bundesländern Tageseltern großartige Arbeit leisten und viele Möglichkeiten bieten, daß Kinder tagsüber mit anderen Kindern in familienähnlicher Atmosphäre beisammen sind und damit Eltern ihre Kinder beruhigt bei Tagesmüttern abgeben können.

Auch bei dieser Betreuungsform sind natürlich entsprechende Qualifikationen wichtig, da man sein Kind einer Tagesmutter mit ruhigerem Gewissen anvertraut, wenn diese dazu darüber hinaus noch verschiedene fachliche Qualifikationen hat, die wiederum von den Ländern defi-niert werden sollen. Nicht der Bund schreibt fest, wie diese Qualifikationen in den einzelnen Bundesländern auszusehen haben, sondern das jeweilige Bundesland vollzieht für sich, welche Ausbildungsschritte es haben möchte.

Es geht überdies – auch das möchte ich hier noch in den Vordergrund stellen – um die Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht von Angehörigen der Gesundheitsberufe im Falle der Gefährdung des Kindeswohls. Ich stehe dem nicht so skeptisch gegenüber wie meine Vorrednerin. Es war bekannt, daß wir in Ergänzung einer Novelle zum Ärztegesetz im Jugendwohlfahrtsgesetz eine Bestimmung schaffen mußten, die es Angehörigen medizinischer und sonstiger Gesundheitsberufe sowie deren Hilfspersonen erlaubt, ihre Verschwiegenheit aufzugeben und immer dann, wenn Verdachtsmomente vorliegen, daß Kinder mißbraucht worden sind, die


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se an den jeweiligen Jugendwohlfahrtsträger weiterzumelden.

Ich gehe davon aus, daß damit das "Doctor-Hopping" oder "Hospital-Shopping" vorbei ist, weil sich diese Jugendwohlfahrtsträger in den Ländern natürlich vernetzen werden. Wir werden das nicht vorschreiben, sondern wir sind davon überzeugt, daß die Länder selbst diese Vernetzung in ihrer eigenen Verantwortung betreiben werden, damit diese Flucht von einem Arzt zum anderen hintangehalten werden kann und es sehr klar und sehr rasch erkannt werden könnte, wenn innerhalb von zwei, drei Monaten beispielsweise ein Kind ein zweites, drittes Mal vom Rad gefallen wäre und gewisse Verletzungen hätte. Durch diese Vernetzung kann klar darauf eingegangen werden, daß eventuell andere Gründe dafür vorliegen.

Somit wird also nicht weggeschaut, sondern sehr wohl genau auf diese Gefahr eingegangen, damit adäquate Vorsorge getroffen werden kann. Natürlich waren auch datenschutzrechtliche Bedenken mitzuberücksichtigen, denn es ist völlig klar, daß, sobald sich ein Verdacht als unbegründet herausstellt, die betreffenden Daten sofort gelöscht werden müssen, da es hiebei auch um den Schutz der einzelnen Personen geht.

Daher sind durch diese Änderungen im Jugendwohlfahrtsgesetz meiner Überzeugung nach all jene Vorkehrungen getroffen, sie wurden auch von den Experten anerkannt und dem Bundesministerium zugeleitet, damit wir auch weiterhin das Idealwohl der Kinder in Österreich sichern können.

Es bleibt dabei: Die wichtigste Jugendwohlfahrt geschieht in den Familien, das wird auch in Zukunft so bleiben! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hager. – Bitte.

15.12

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte sachbezogen zum Gesetz einige Anmerkungen machen.

Die Schwerpunkte der vorliegenden Novelle zum Jugendwohlfahrtsgesetz sind bekannt – sie sind vom Vorredner schon ausgeführt worden. Es geht dabei um die Professionalisierung der in der Jugendwohlfahrt Tätigen, um die Ausweitung der Dienste in der Jugendwohlfahrt und darum, die Verschwiegenheitspflicht aufzuheben, wenn es Anzeichen für eine Gefährdung der Interessen des Kindes gibt – also bei Anzeichen von Mißhandlung oder eines Mißbrauchs von Kindern.

Eine im Grunde absolute Selbstverständlichkeit wird nun legistisch festgeschrieben, nämlich daß die öffentliche Jugendwohlfahrt von ausgebildeten Fachkräften durchgeführt zu werden hat, die sich auch Weiterbildungsmaßnahmen und vor allem einer Supervision zu unterziehen haben.

Nicht verschwiegen werden darf in diesem Zusammenhang, daß zweifelsohne zusätzliche Kosten dadurch entstehen, und diese Kosten werden die Länder zu tragen haben. Aber dennoch sage ich: Im Interesse der betreuten Kinder, der Jugendlichen und auch der Eltern darf nicht mit – unter Anführungszeichen – "pädagogischen Hilfsarbeitern" gearbeitet werden. Die fachliche Qualifikation und natürlich auch die Persönlichkeit, das persönliche Engagement der Betreuungspersonen ist von großer Bedeutung. Es mag überzogen klingen, aber die Arbeit in diesem Bereich erfordert höhere charakterliche Voraussetzungen und eine bessere fachspezifische Ausbildung als üblicherweise in einem Job zum Broterwerb erwartet werden kann.

Besonders hervorheben möchte ich § 12, in dem jene sozialen Dienste aufgelistet werden, die angeboten werden sollen. Neben Punkten wie Elternschulung, Erziehungsberatungen und andere verschiedene Präventionsmaßnahmen sollen auch niederschwellige Dienste wie etwa Streetworker oder Notschlafstellen angeboten werden.


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Erziehung durch die Eltern ist zweifellos die beste Erziehung und Pflege für die Kinder, Tatsache ist aber, daß sehr viele Kinder aus zerrütteten Familien kommen. Deshalb möchte ich auch auf die sozialpädagogischen Wohngemeinschaften und auf mancherorts noch als ungewöhnlich empfundene sozialtherapeutische Maßnahmen hinweisen, beispielsweise die sogenannte Erlebnispädagogik, die zum Ziel hat, Jugendlichen in tiefen Lebenskrisen verschiedene Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten.

Seit einiger Zeit stehe ich mit dem Leiter der "AIS Jugendbetreuung GmbH" in Klagenfurt in engem Kontakt, dieser setzt die Erlebnispädagogik seit Jahren sehr erfolgreich ein. Ich habe persönlich mehrmals Gelegenheit gehabt, an Aktionen teilzunehmen, zum Beispiel an Rafting-Touren auf der Mur, und es ist erstaunlich, zu sehen, wie Jugendliche, die aus schwer zerrütteten Verhältnissen kommen, zum Teil suchtabhängig waren oder während ihrer Kindheit sexuellem Mißbrauch ausgesetzt waren, dann oft knapp vor dem Abrutschen in kriminelle Bereiche waren, deren Zukunftsprognosen also düster bis hoffnungslos ausschauten, sich an diesen ungewöhnlichen Maßnahmen aufgerichtet haben. Sie haben dabei Gemeinschaftsgefühl entwickelt, soziale Verantwortung zu übernehmen gelernt, sie haben ihr Selbstbewußtsein gestärkt – und all das, ohne mit einem erhobenen Zeigefinger auf diese Werte hingewiesen zu werden.

Mehr als bedauerlich ist es, wenn solche Konzepte, die andernorts schon sehr erfolgreich eingesetzt werden, von Beamten aus – ich nehme an – Unkenntnis vom Tisch gewischt werden – ich spreche dabei ganz konkret von meinen Bemühungen, im oberen Murtal, also in meiner Heimat, eine ähnliche Institution zu etablieren. Ich habe oft das Gefühl, daß das Abschiednehmen von der alten Tradition der – im schlechtesten Sinne des Wortes – Fürsorgepolizei manchen sehr schwerfällt.

Obrigkeitliche Maßnahmen durch Jugendwohlfahrt zu ersetzen ist ein Weg, der zwar vom Ge-setzgeber bereits beschritten wurde, sich aber noch längst nicht im Denken vieler ausführender Organe festgesetzt hat. Ich glaube, es ist nicht damit getan, diese Möglichkeiten zu schaffen, sondern die Aufgabe des Herrn Familienministers muß es auch sein, sich um eine Bewußtseinsänderung zu bemühen. Die Skepsis in der Bevölkerung und in manchen Behörden vor neuen, vielfach ungewöhnlichen, aber durchaus erfolgversprechenden Maßnahmen, die schon erprobt worden sind, müssen abgebaut werden.

Als letzten Punkt möchte ich noch folgendes sagen: Die positiven Intentionen des Jugendwohlfahrtsgesetzes, die Bemühungen zur Bewußtseinsänderung und alle guten Absichten zusammen werden wenig fruchten, wenn nicht auch das nötige Geld bereit liegt, um Qualifikationsmaßnahmen und soziale Dienstleistungen, wie sie im Rahmengesetz des Bundes vorgesehen sind, zu finanzieren.

Meine Fraktion wird dieser Novelle die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Jürgen Weiss. – Bitte.

15.17

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Meine Herren Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesrat Wilfing hat bereits in seinem Debattenbeitrag auf die Problematik überschießender Regelungen im Bereich der Ausbildungsvorschriften hingewiesen. Wir kennen diese Problematik auch aus den Diskussionen im Sanitätswesen, und sie hat in den Beratungen des Nationalrates im Vorfeld dieses Gesetzesbeschlusses ebenfalls eine Rolle gespielt. Der Familienausschuß des Nationalrates hat dann allerdings von erwogenen Änderungen Abstand genommen und es im wesentlichen bei der sehr sachgerecht ausgearbeiteten Regierungsvorlage belassen.

Maßgeblich dafür war offenkundig weniger, daß man auf die Proteste der Betroffenen, der Interessenverbände – auch der Kinderdörfer beispielsweise – eingegangen wäre, die gesagt haben, darin werde überreglementiert und ein Aufwand verursacht, der vom Effekt her nicht gerecht


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fertigt ist, sondern viel mehr dürfte den Familienausschuß des Nationalrates das Wirksam-Werden des Konsultationsmechanismus beeindruckt haben: Die Länder haben nämlich darauf hingewiesen, daß mit den beabsichtigten, dann aber nicht umgesetzten Änderungen ein erheblicher Mehraufwand im Ausbildungswesen verbunden gewesen wäre, und haben nach dem Konsultationsmechanismus darauf verwiesen, daß dieser Aufwand vom Bund zu tragen wäre. Es hat sich dann herausgestellt, daß der Familienausschuß zwar anschaffen, aber doch nicht zahlen wollte und es bei der ursprünglichen Absicht belassen hat.

Ich möchte an diesem Beispiel auch eine Bemerkung für uns selbst anknüpfen. Dieses Beispiel hat gezeigt, wie wichtig eine vorbeugende Einflußnahme auf die Gesetzgebung ist, die weitaus sachgerechter ist als das, was wir hier landläufig machen können, nämlich im nachhinein Einspruch zu erheben oder gar im Extremfall die Zustimmung zu verweigern.

Damit möchte ich an unseren gemeinsam beschlossenen Gesetzesantrag anknüpfen, wonach der Bundesrat vorab zu beabsichtigten Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates Stellung nehmen sollte. Das wäre eine ganz wesentliche Ausweitung unseres Tätigkeitsfeldes und würde unsere Arbeit effektiver machen. Leider macht der Nationalrat keine Anstalten, sich mit diesem Gesetzesantrag des Bundesrates – immerhin auf einem einstimmig gefaßten Beschluß fußend – zu beschäftigen, und ich möchte daran erinnern, daß es hoch an der Zeit wäre, insbesondere weil sich die Legislaturperiode ihrem natürlichen Ende nähert, daß doch noch eine Entscheidung darüber zustande kommt.

Ich weiß schon, es wird teilweise argumentiert, man habe das mit der Bundesstaatsreform junktimiert. Wir haben das jedenfalls nicht getan, die Länder auch nicht! Wenn es auch so sein sollte, muß das aber umso mehr ein Anlaß sein, zu sagen, daß das dann auch in anderer Weise gelten muß. Wir werden auf dieser Ebene schwerlich in die Lage kommen können, unsererseits Dingen zuzustimmen, die ihrerseits auch mit der Bundesstaatsreform junktimiert waren – ich meine damit verschiedene, im Einzelfall durchaus diskussionswürdige, aber in Summe bedenklich werdende Kompetenzabrundungswünsche einzelner Bundesministerien.

Wenn diese Junktimierung tatsächlich bestehen sollte, dann muß sie natürlich in beiderlei Richtungen gelten, und wir sollten beizeiten darauf aufmerksam machen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Leichtfried. – Bitte.

15.20

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die Jugendwohlfahrt muß uns allen ein Anliegen sein. Ich glaube auch vorweg feststellen zu können, daß das Jugendwohlfahrtsgesetz, das wir derzeit haben, eines ist, mit dem wir zufrieden sein können. Dieses Gesetz muß aber der Zeit angepaßt werden, gewisse Änderungen sind eben notwendig geworden.

Die Novellierung, die uns heute vorliegt, geht auf zwei Entschließungen aus den Jahren 1994 und 1996 zurück. Bei diesen beiden Entschließungen ging es darum, eine zentrale Stelle beim Jugendwohlfahrtsträger für die Meldung von Verletzungen und eine datenschutzrechtliche Absicherung zu fordern. Um diesen beiden Forderungen Rechnung zu tragen, hat man nun die vorliegende Novelle geschaffen.

Diese Novelle zum Jugendwohlfahrtsgesetz geht absolut in die richtige Richtung. Sie enthält sinnvolle Rahmenbedingungen und geht, wie Herr Bundesrat Hager schon festgestellt hat, einen Schritt weg von der reinen Fürsorgeerziehung und behördlichen Kontrolle, hin zu freiwilligen Hilfsangeboten und auch zu ungewöhnlichen sozialtherapeutischen Maßnahmen.

Die Ziele, die damit verfolgt werden, nämlich die Fälle von Kindesmißhandlungen und sexuellem Mißbrauch systematisch zu erfassen und effizienter zu bekämpfen, eine stärkere Professiona


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lisierung der dort tätigen Personen sowie eine Ausweitung des Angebots an sozialen Diensten zu erreichen, sind absolut richtig.

Ich denke auch, daß es richtig ist, eine regelmäßige und gewerbsmäßige Tagesbetreuung einzurichten und diese Betreuung mit Tagesmüttern einer entsprechenden gesetzlichen Regelung zuzuführen. Wichtig für uns ist dabei, daß diese Betreuungspersonen auch die persönliche und fachliche Eignung für diese Arbeit besitzen müssen. Daher ist es unbedingt notwendig, daß diese Personen eine entsprechende Grundqualifikation aufweisen. Dabei wird es natürlich darum gehen, diese Grundqualifikation entsprechend näher zu definieren.

Daß diese Materie im Kompetenzbereich der Länder liegt, finde ich nicht schlecht. Ich wundere mich – wie es Herr Bundesrat Wilfing schon gesagt hat – wirklich darüber, daß das von den Freiheitlichen so kritisiert wird, weil sie in ihren Debattenbeiträgen doch immer wieder darauf hin-weisen, daß eine Stärkung der Länderkompetenzen erfolgen sollte und man eher weg von Bundeskompetenzen gehen sollte. Hier liegt nun ein klassisches Beispiel dafür vor, daß vom Bund gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, deren Auswirkungen die Länder treffen, die dann die entsprechende Umsetzung vollziehen.

Den datenschutzrechtlichen Bedenken wurde in einem Abänderungsantrag ebenfalls Rechnung getragen. Die Verdachtsfälle sind personenbezogen zu erfassen und, wie gesagt, unverzüglich zu überprüfen.

Ich darf noch einen Satz hinzufügen. Es tut mir leid, daß Frau Bundesrätin Mühlwerth jetzt nicht im Saal ist. Sie hat hier von einer Bankrotterklärung der SPÖ-Politik im Bereich der Familienpolitik gesprochen. – Ich weise das ganz entschieden zurück! Sie macht die SPÖ für gesellschaftliche Entwicklungen verantwortlich, von denen wir uns allerdings auch nicht ganz freisprechen wollen, das ist keine Frage. Alle politisch tätigen Personen haben natürlich diesbezüglich Einfluß. Aber wir können doch bitte vor gesellschaftlichen Dingen nicht die Augen verschließen!

Es gibt heute sehr viele Alleinerzieher. Ich finde, darüber, daß diese Alleinerzieher ein Anrecht darauf haben, daß auch ihre Kinder (Beifall bei der SPÖ) in der Zeit, in der die Alleinerzieher einer Beschäftigung nachgehen müssen, einer entsprechend behutsamen Erziehung zugeführt werden, sollte man heutzutage nicht mehr diskutieren müssen. Ich glaube, über diese Dinge sind wir hinweg!

Ich meine, daß uns die vorliegende Novelle wieder ein Stück weiterbringt in Richtung mehr Schutz und bessere Betreuung für jene Gruppen von Jugendlichen, die nicht das Glück haben, in geordneten Familienverhältnissen aufwachsen zu können. Wir werden daher von sozialdemokratischer Seite aus gegen diese Novelle keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ.)

15.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist nun der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.25

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich bitte um Verständnis für mein verspätetes Eintreffen, aber mich hat die Nachricht, daß der Bundesrat schon bei diesem Tagesordnungspunkt ist, in Niederösterreich ereilt, und ich konnte nicht früher nach Wien kommen. Der Grund war schlicht und ergreifend die Fahrzeit. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel .)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich aber, zumindest einen Teil der Debatte zum JWG und zur JWG-Novelle mitverfolgt haben zu können. Ich bin auch in etwa über das informiert, was insbesondere Frau Bundesrätin Mühlwerth hier gesagt hat.

Lassen Sie mich folgendes sagen. Zum ersten: Es ist richtig, daß der Bericht über die Auswirkungen des JWG 1989, den ich im Jahre 1996 dem Parlament vorlegen konnte, im Prinzip ein


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positives Ergebnis gezeitigt hat. Jugendwohlfahrt in Österreich ist alles andere als die Fürsorge der Vergangenheit.

Es ist zur Kenntnis zu nehmen, daß etwa 1,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen irgendwann einmal einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt bedürfen, und zwar aus den verschiedensten, meistens aus dem familiären Bereich herrührenden Gründen. Es ist aber der Prozentsatz derjenigen Kinder und Jugendlichen, die tatsächlich aus der Familie heraus in ein Heim, in ein klassisches Heim alter Struktur kommen, gesunken. Es ist viel häufiger als früher möglich, die Kinder und Jugendlichen in ihren Familien zu belassen, gemeinsam mit den Familien zu agieren oder aber beispielsweise Pflegeeltern, SOS-Kinderdörfer und ähnliche Strukturen in Anspruch zu nehmen.

Die Jugendwohlfahrt in Österreich ist, wie ich meine, eine kleine, aber doch feine Erfolgsgeschichte. Andererseits ist es klar, daß ein derartiges Rahmengesetz nach einigen Jahren einer Evaluierung bedarf. Viele Bestandteile der Novelle sind das Ergebnis dieser Evaluierung.

Es ist schon darauf hingewiesen worden, unter anderem von Herrn Bundesrat Leichtfried, daß ein zentraler Punkt dieser Novelle die Einrichtung einer Meldestelle ist. Es soll in Zukunft für – ich nenne die Dinge beim Namen – Prügeleltern weniger leicht sein, ihre mißhandelten Kinder einmal beim Arzt A, ein anderes Mal beim Arzt B oder in der Krankenanstalt C behandeln zu lassen. Dadurch, daß solche Meldungen nicht nur an den Jugendwohlfahrtsträger erfolgen, sondern auch durch die dortige Möglichkeit oder das Gebot, solche Meldungen unter Beachtung aller datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu vernetzen, wird es in Zukunft leichter sein – allerdings ohne daß dafür Gewähr übernommen werden kann –, solchen Prügeleltern auf die Spur zu kommen und den Kindern und Jugendlichen dann entsprechenden Schutz angedeihen zu lassen.

Soviel zur zentralen Meldestelle, wobei es den Ländern obliegt, das, was sie auf Landesebene an Daten haben, untereinander weiter zu vernetzen. Ich hielte das für durchaus sinnvoll. Das, was wir vom Bund aus tun können, haben wir mit dieser JWG-Novelle vorgegeben.

Ich finde, daß es auch in ein solches Rahmengesetz paßt, eine weitere Professionalisierung der Jugendwohlfahrt vorzugeben, wiewohl – das ist im Bundesrat leichter zu vertreten; jedenfalls leicht als im Nationalrat – dabei auf die Ausführungsgesetzkompetenz der Länder Rücksicht zu nehmen ist. Es muß dafür Platz bleiben.

Es war zum Beispiel auch nicht angemessen, eine allzu genaue Determinierung der Ausbildungs- und Qualifikationskriterien vorzunehmen, wie dies von einzelnen Berufsgruppen durchaus gefordert wurde; Sie haben die diesbezüglichen Interventionsschreiben vermutlich auch selbst bekommen. Aber es ist ein vernünftiges Rahmengesetz, auf dem die Länder jetzt aufbauen können.

Es entspricht dem Zug der Zeit, daß auch in der Jugendwohlfahrt niederschwellige Angebote gemacht werden. "Streetwork" heißt dieses neudeutsche Wort, von dem wir wissen, was damit gemeint ist. Das geht hin bis zu ganz profanen Notschlafstellen.

Es ist auch gut, daß wir es gerade dort, wo ohnehin ein Bedarf besteht, der nicht gedeckt werden kann, nämlich bei den Pflegeeltern, in Zukunft ermöglichen, daß auch innerhalb gewisser Verwandtschaftsgrade Pflegeeltern aktiv werden können.

Es ist auch gut, gerade weil Kollege Michalek derzeit an einem neuen Kindschaftsrecht arbeitet und weil sinnvollerweise das Volljährigkeitsalter in diesem Lande von 19 Jahren auf 18 Jahre zurückgenommen werden wird, daß wir mit dieser JWG-Novelle sagen: Halt! Es soll nicht nur wie bisher bis zum 19., sondern sogar bis zum 21. Lebensjahr möglich sein, Jugendliche, wenn das notwendig ist, in einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt zu halten. – Das ist eine bewußte Entkoppelung von der Volljährigkeit.

Soviel aus meiner Sicht zu dieser JWG-Novelle. Ich meine, es ist eine gelungene Novelle mit einigen Abrundungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989, das nach wie vor eine ausgezeich


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nete Basis für eine sehr moderne und sehr kind- und jugendgerechte Jugendwohlfahrt in diesem Lande darstellt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt genau 15.30 Uhr. Sie alle hatten, wie ich annehme, in Ihren Postfächern die Mitteilung, daß für 15.30 Uhr die Aufnahme eines Familienfotos des Bundesrates geplant ist. Wir haben aber nur noch einen Tagesordnungspunkt, um die Tagesordnung zu erledigen. (Beifall.) Wir werden daher diesen Tagesordnungspunkt selbstverständlich behandeln.

Ich darf Sie auch im Namen des Herrn Präsidenten ganz herzlich darum bitten, bei dieser Aufnahme anwesend zu sein. Einige Kolleginnen und Kollegen werden uns unter Umständen verlassen, werden diesem Gremium bald nicht mehr angehören. Es würde uns daher sehr freuen, wenn alle Damen und Herren, die dem Bundesrat derzeit angehören, auf diesem Foto wären. Daher bitte ich Sie, nach Ende der Sitzung nicht gleich wegzulaufen, sondern noch dazubleiben, wenn das Foto der Familie des Bundesrates aufgenommen wird. (Bundesrat Konecny: Klar!)

20. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (1568 und 1585/NR sowie 5897/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein übernommen. Ich darf ihn darum bitten.

Berichterstatter Dr. Vincenz Liechtenstein: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Der Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 24. Februar 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird, liegt schriftlich vor, daher brauche ich ihn nicht zu verlesen.

Der Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 16. März 1999 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Erhard Meier. – Bitte.


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15.34

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Erlauben Sie mir, daß ich zuerst die positiven Punkte dieser Änderung des Schülerbeihilfengesetzes 1983 stichwortartig anführe. Es ist dies zunächst der Ausgleich für die Kostenentwicklung seit der letzten Anpassung im Jahre 1994. Die Erhöhung liegt über der seit 1994 erfolgten Inflation. Es wird auch die soziale Situation berücksichtigt, aus der die Schüler und Schülerinnen kommen, indem die Einkommensverhältnisse der Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten mit einer verbesserten sozialen Staffelung berücksichtigt werden. Die Gesamtsumme für die Schüler- und Heimbeihilfe wurde um 114,5 Millionen auf 559 Millionen Schilling erhöht, das ist eine Erhöhung um rund 25 Prozent.

Zu erwähnen ist auch die besondere Schulbeihilfe für den zweiten Bildungsweg. Weiters wurde die Heimfahrtsbeihilfe wurde von 1 000 S auf 1 200 S erhöht. Der erforderliche Notendurchschnitt wurde von 2,8 auf 2,9 erhöht. Daneben gibt es auch eine Leistungsförderung durch Leistungsstipendien für außerordentliche Schulerfolge, die eine Erhöhung auf 4 800 S erfahren hat.

Wie jedes Gesetz wird auch dieses noch nicht ganz vollständig sein, und es wird auch in Zukunft eine Weiterentwicklung geben. Lassen Sie mich aber zu den genannten Punkten einige Anmerkungen machen.

Man kann natürlich sagen, daß die Inflationsanpassung nach 5 Jahren relativ spät erfolgt, daß das ein zu langer Zeitabschnitt ist. Natürlich sollten die Abstände nicht zu groß werden. Andererseits kann man nicht alle Ausgaben von vornherein indexmäßig festlegen. Die Erhöhung liegt aber jetzt, in Betrachtung des abgelaufenen Zeitraumes, über der Inflation, und das ist positiv.

Es gibt noch immer den Notendurchschnitt als Hürde zur Erlangung einer Beihilfe. Ich möchte hier anmerken, daß wir dabei eigentlich zwei Dinge unterscheiden müssen. Die Beihilfe ist zweifellos eine Mischung aus einer Leistungsprämie und einer sozialen Unterstützung. Weil sie eine Mischung darstellt, ist der Notendurchschnitt, was die Leistung betrifft, enthalten, aber andere Maßnahmen, wie etwa die soziale Staffelung, gehen mehr in Richtung soziale Unterstützung.

Vom rein sozialen Gesichtspunkt aus gesehen wäre der Notendurchschnitt als Grundlage abzulehnen, weil natürlich auch soziale Gründe ein Hindernis dafür sein können, daß ein Schüler diesen Notendurchschnitt erreicht. Andererseits ist die Marke von 2,9 – fast schon 3 – ein Notendurchschnitt, der nicht mehr allzu hoch liegt und doch erreichbar sein müßte.

Es hat sich aber auch gezeigt, daß gerade Schüler und Schülerinnen, die ungünstige soziale Voraussetzungen als Ausgangsposition haben, durchaus sehr gute Erfolge bringen können. Andererseits haben auch manche Schüler und Schülerinnen mit guten sozialen Voraussetzungen sehr schlechte Notendurchschnitte. – Ich wollte das nur aufzeigen, um auch die Problematik dieser Grenzen zu erwähnen.

Eine wirklich anwendbare Festlegung durch den Notendurchschnitt treffen zu können, ist schwierig. Vom sozialen Standpunkt aus bin ich gegen die Anwendung des Notendurchschnitts. Ich befürworte eine finanzielle Grundausstattung nach den Einkommensverhältnissen mit einer zusätzlichen Leistungsförderung, wobei man natürlich sagen muß, daß die Erhöhung auf 4 800 S ohnehin wieder eine Komponente in Richtung Leistung ist. Ich meine, daß die Beihilfen jenen gewährt werden sollen, die sie tatsächlich brauchen.

Zum Notendurchschnitt ein weiteres Wort. Sie werden schon oft gehört haben, daß berühmte Wissenschaftler – bis hin zu Nobelpreisträgern – sehr oft sagen: "In der Schule war ich sehr schlecht, ich habe dort sogar negative Noten gehabt, habe einmal eine Klasse wiederholt!" – Das beweist wiederum, daß der Notendurchschnitt – Noten sind eben nur gewisse, zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellte Merkmale – nicht das allein Richtige ist.

Ich möchte als positiv hervorstreichen, daß es diese finanziellen Zuschüsse gibt, möchte aber im gleichen Atemzug dazusagen: Wenn wir einerseits davon überzeugt sind, daß wir das geben müssen, daß wir helfen müssen, dann sollten wir andererseits die Hände davon lassen, den


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Schülern und Familien das Geld in Form von Schul- oder Studiengebühren wieder wegzunehmen. Auf der einen Seite geben wir Geld, und auf der anderen Seite würden wir es wieder wegnehmen. Ich meine, daß sich unser derzeitiges System besser bewährt hat.

Ich trete auch für Schülerbeihilfen schon ab dem 9. Schuljahr ein, denn die finanzielle Belastung ist für den Schüler im 9. Schuljahr nicht geringer als später im 10. Schuljahr, für das es bereits Schülerbeihilfe gibt, die er beim Besuch einer weiterführenden Schule – vor allem auch, wenn dies außerhalb des Heimatortes ist – erhält. Die Schulfahrtkostenbeihilfe gibt es schon ab dem 9. Schuljahr, also ab dem 9. Pflichtschuljahr, weil von da an die Polytechnische Schule schon einbezogen werden könnte.

Es wurde auch die Höhe der Fahrtkostenbeihilfe diskutiert. Sie wurde um 20 Prozent, von 1 000 auf 1 200 S, erhöht, ist aber unabhängig davon, ob der Schüler etwa nur 60 Kilometer bis zur nächsten Schule hat oder gar 300 Kilometer – wenn es sich um eine besondere Fachschule handelt. Wir sind sicherlich mit unserem Schulsystem, mit der Errichtung der verschiedenen Schultypen in den Bezirken auch den Familien entgegengekommen.

Aber trotzdem gibt es gerade bei der Fahrtkostenbeihilfe noch Unterschiede, die eigentlich ungerecht sind, vor allem dann, wenn jemand von seinem Schulort sehr weit weg wohnt.

Zusammenfassend möchte ich sagen, daß diese Novelle eine gute Weiterentwicklung dieses Gesetzes ist. Aus diesem Grunde kann ich namens der sozialdemokratischen Fraktion sagen, daß wir diesem Gesetz gerne die Zustimmung erteilen und keinen Einspruch erheben werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Pühringer. – Bitte.

15.41

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Meier hat fast alles, was ich vorbringen wollte, vorweggenommen. Ich werde es daher nicht wiederholen, und ich kann es mir vor allem ersparen, all das aufzuzählen, was an diesem Gesetz positiv ist. Darüber sind wir uns, so glaube ich, auch hier einig. Aber ich möchte trotzdem anmerken, daß auch ich mich bei der Durchsicht dieses Gesetzes spontan gefragt habe, ob es gerechtfertigt ist, wenn man grundsätzlich die Gewährung einer Beihilfe an den Nachweis einer entsprechenden Leistung hängt.

Ich denke, daß es bei diesem Gesetz in erster Linie um die soziale Komponente geht, nämlich darum, einkommensschwache Eltern zu entlasten, wenn es um die finanzielle Belastung durch den Schulbesuch ihrer Kinder geht. Aber wahrscheinlich soll damit gleichzeitig abgesichert werden, daß der Staat nur für jene Schüler eine Beihilfe vorsieht, die mit ihren schulischen Leistungen dokumentieren, daß sie fähig und auch gewillt sind, ihren Beitrag zu einem erfolgreichen Schulabschluß zu erbringen.

Vielleicht wäre es ausreichend, als Nachweis nur den positiven Abschluß einer Schulstufe zu verlangen. Aber ich habe mir sagen lassen – auch Sie haben das schon angemerkt –, daß der Notendurchschnitt von 2,9 sehr leicht erreichbar ist, daß eigentlich leidliche Schulleistungen, also keine sehr guten Schulleistungen, ausreichend sind, um trotzdem diesen Notendurchschnitt zu erreichen.

Aber ich denke, es ist gerechtfertigt, darüber nachzudenken, und in diese Richtung geht wahrscheinlich auch die Intention der von unserer Bundesministerin geplanten Studie. Ich glaube, anhand der Ergebnisse wird man dann zu diesem Punkt Überlegungen anstellen.

Härtefälle, also jene Eltern, die einkommensschwach sind, aber deren Kinder diesen Notendurchschnitt knapp verfehlen, sollte man darauf hinweisen, daß es beim Bundesministerium für Unterricht für solche Fälle einen Härtefonds gibt, aus dem einkommensschwachen Eltern dann doch eine Beihilfe gewährt werden kann. Aber auch diese Beihilfe ist nicht völlig unabhängig von


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einer schulischen Mindestleistung. Ich möchte anregen, daß die Landesschulräte oder das Ministerium die Schulen wieder auf die Möglichkeit dieses Härtefonds hinweisen, weil sie die Informanten für die betroffenen Eltern sind. Ich weiß nicht, ob das eine Überlegung wert wäre, daß man in bestimmten Fällen die Ablehnung automatisch mit der Information an die Eltern koppelt, daß es diese Möglichkeit gibt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.44

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ram. – Bitte.

15.44

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Es ist tatsächlich schon sehr viel zu diesem Gesetz gesagt worden. Ich darf vorweg sagen, daß auch wir Freiheitlichen diesem Entwurf, dieser Novellierung zustimmen werden. Ich kann in meinen Ausführungen Kollegen Meier nur recht geben, der gesagt hat, daß es wünschenswert wäre, in Zukunft diese Beihilfen nicht an den Notendurchschnitt von 2,9 zu binden, weil auch ich der Meinung bin, daß ein positiver Abschluß zielführender wäre, um das Ganze besser beurteilen zu können.

Dazu muß man noch sagen, daß der Notendurchschnitt auch häufig von der sozialen Lage der Eltern und des Elternhauses der Schüler abhängig ist. Es ist so, daß zum Beispiel derzeit sehr oft verlangt wird, daß die Schüler etwas am PC machen, was bedeutet, daß gewisse Voraussetzungen im Elternhaus vorhanden sein müssen, und dies ist bei sozial nicht so gut gestellten Elternhäusern leider nicht der Fall.

Ein weiterer Problempunkt in diesem Zusammenhang ist auch das ausweitende Nachhilfewesen. Derzeit werden 1,5 Milliarden Schilling im Nachhilfesektor umgesetzt. Auch dazu ist zu sagen, daß es eine Unterscheidung zwischen den sozialen Schichten gibt und daß es daher sicher kein soziales Kriterium sein kann, wenn man die Beihilfe an einen Notendurchschnitt bindet.

Generell ist noch zu dieser Problematik zu sagen, daß wir Freiheitlichen uns auch für die Heimfahrtbeihilfe ausgesprochen haben und weiter aussprechen werden. Auch diese sollte man in diesem Zusammenhang erwähnen, da es sehr wichtig ist, eine generelle Heimfahrtbeihilfe einzuführen, um die Unterscheidung zwischen Schülern im ländlichen Bereich und Schülern, die in der Stadt wohnen, aufzuheben.

Grundsätzlich – trotz dieser Kritikpunkte – kann auch ich die Zustimmung meiner Fraktion versichern. Wir werden dieser Novellierung gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Lukasser. – Bitte.

15.47

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Mein Vorredner hat es gesagt, es ist zu dieser Vorlage bereits alles erwähnt worden.

Ich möchte nur zwei Anmerkungen machen. Durch den Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage wurde sichergestellt, daß auch kleine Beträge ausbezahlt werden. Zweitens begrüße ich besonders die folgende im Unterrichtsausschuß des Nationalrates einstimmig gefaßte Feststellung. Diese darf ich wörtlich zitieren: Die Unterrichtsministerin wird eine Studie über die soziale Lage der SchülerInnen an allgemeinbildenden sowie berufsbildenden mittleren und höheren Schulen unter besonderer Berücksichtigung der bisherigen Schülerbeihilfen, Heimbeihilfe, der Fahrtkostenbeihilfe sowie der außerordentlichen Unterstützung in Auftrag geben. Auf Basis der Ergebnisse dieser Studie soll ein Modell für eine Weiterentwicklung des Schülerbeihilfensystems unter dem Gesichtspunkt von mehr sozialer Treffsicherheit und Zielgenauigkeit erarbeitet werden. – Zitatende.


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Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich möchte Ihnen im Namen meiner Fraktion und im Namen aller Betroffenen für diese Initiative danken.

Und da ich schon beim Danken bin: Sehr geehrte Damen und Herren! Nach fast zehn Jahren beende ich zwar freiwillig, aber äußerst ungern meine Tätigkeit in diesem Hohen Hause. Ich habe Ihnen allen zu danken. Mein aufrichtiger Dank richtet sich vorerst an alle Bediensteten des Hauses (allgemeiner Beifall), die mir durch ihre Unterstützung und ihr Wohlwollen meine Arbeit sehr erleichtert haben.

Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen und von der freiheitlichen Fraktion, bitte ich, meinen respektvollen Dank entgegenzunehmen. Ich durfte mit Ihnen ein Stück des Weges – für diese Formulierung ist eine Quellenangabe nicht notwendig – gehen. (Allgemeine Heiterkeit.) Ihre Begleitung war von Achtung getragen und stets angenehm.

Aus ganzem Herzen aber danken möchte ich den Damen und Herren meiner Fraktion. Unter der behutsamen Lenkung von Herbert Schambeck, von Jürgen Weiss und von Ludwig Bieringer habe ich versucht, mir das anzueignen, was Max Weber in seinem Buch "Politik als Beruf" als entscheidende Qualitäten eines Politikers nennt. Demnach sind drei Qualitäten für den Politiker entscheidend, nämlich Leidenschaft, Verantwortungsgefühl, Augenmaß. Leidenschaftliche Hingabe allein an die Sache ist zu wenig, es muß auch die Verantwortlichkeit Leitstern für das Handeln sein. Die entscheidende psychologische Qualität sei aber das Augenmaß.

Weber hat noch eine Qualität besonders genannt, nämlich den Mut, insbesondere die Tapferkeit vor dem Freund. (Allgemeine Heiterkeit.) Liebe Freunde! Ich habe es versucht. Ich danke euch allen! (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

15.51

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrte Kollegin Lukasser! Der Applaus des Hauses hat Ihnen gezeigt, wie sehr wir Sie schätzen und – ich darf auch ein ganz persönliches Wort hinzufügen – wie gern wir Sie haben. Es tut uns allen aufrichtig leid, daß Sie den eigenen Wunsch geäußert haben, dieses Gremium zu verlassen und sich in den wohlverdienten Ruhestand zurückzuziehen. Ich kann mir nur den Ruhestand bei Ihnen nicht vorstellen.

Liebe Kollegin Lukasser! Für Ihre Tätigkeit hier im Hause ganz herzlichen Dank. Wir schätzen Sie als gute, aufrichtige, fleißige Kollegin. Wir wünschen Ihnen aus ganzem Herzen alles Gute für die Zukunft. Vergessen Sie uns nicht ganz! Besuchen Sie uns hie und da. Wir freuen uns immer, wenn wir Sie sehen. Alles, alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. – Bitte.

15.52

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Therese! Auch ich möchte mich bei dir herzlich für deine kompetenten Wortmeldungen im Bildungsbereich bedanken, für deine von Herzen kommende natürliche Art und für das, was du gesagt hast, nämlich den Mut zu haben und zu sagen, was man sich wirklich denkt.

Es ist immer schwer, Abschied zu nehmen, auch wenn man sich vielleicht früher manchmal gedacht hat, es ist schön, wenn ich auch für andere Dinge mehr Zeit habe. Ich wünsche dir sehr herzlich alles Gute.

Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz, dem Sie heute hier zustimmen werden, ist ein weiterer wichtiger Schritt für die Finanzierung im Bildungsbereich. Bildung ist die Grundlage für die Zukunft, und diese Bildung braucht ausreichende Finanzierung.

Wir wenden jährlich 4 Milliarden Schilling für Schulbauten in Österreich auf. Wir wenden jährlich über 60 Milliarden Schilling im Bildungsbudget auf. Von diesen 60 Milliarden Schilling ist immerhin eine halbe Milliarde, 560 Millionen Schilling, für diese Schülerbeihilfen vorgesehen.


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Es freut mich, daß wir einige Erhöhungen vornehmen können. Die Beihilfenbeträge werden um 8 bis 10 Prozent erhöht, die Einkommensgrenze wird um 10 Prozent angehoben. Wir haben das Schema verflacht, sodaß mehr Antragstellende in den Genuß der Förderung kommen. Wir haben auch die Studie, von der Frau Kollegin Lukasser gesprochen hat, vereinbart. Ich möchte nur noch darauf hinweisen, daß derzeit bei allen Förderungen, sowohl bei der Studienförderung für die Universität als auch bei der Förderung für die Fachhochschulen, leistungsbezogene Begrenzungen vorgesehen sind.

Auf der einen Seite sind es bei der Universität erbrachte Prüfungen und Zeiten, auf der anderen Seite sind es bei der Fachhochschule Notendurchschnitte. Ich glaube also, wenn wir darüber diskutieren, woran wir eine Förderung für einen Studenten, für einen Schüler, für einen Fachhochschulstudenten binden, dann müßten wir das auch gesamthaft sehen. Das heißt, ich halte es für sinnvoll, daß wir eine Studie über die Treffsicherheit dieser Stipendien machen, daß aber genausogut auch eine Studie über die Treffsicherheit der Förderungen von Studenten an Universitäten und von Fachhochschulstudenten gemacht werden soll, denn auch da gibt es einige sehr schwierige Härtefälle.

Ich freue mich also, daß wir diese Erhöhung in großem Einvernehmen vornehmen können, und ich danke Ihnen für Ihre positive Einstellung. (Beifall bei der ÖVP.)

15.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe bekannt, daß ein Selbständiger Antrag der Bundesräte Gerstl und Kollegen eingelangt ist. Er betrifft ein Bundesgesetz, mit dem das Richterdienstgesetz geändert wird. Da dieser Antrag von einem Drittel der Mitglieder des Bundesrates unterstützt wird, wird er gemäß Artikel 41 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz unmittelbar dem Nationalrat unterbreitet.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten Sitzung beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt acht Anfragen eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 15. April 1999, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 13. April 1999, ab 14 Uhr vorgesehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir zum Familienfoto gehen, gestatten Sie mir noch, zu sagen, daß wir, so nehme ich an, einige Kolleginnen und Kollegen nicht mehr als Mitglieder des Hauses hier sehen werden, weil in der Zwischenzeit bis zur nächsten Sitzung die konstituierenden Sitzungen der Landtage stattfinden oder stattgefunden haben werden. Erlauben Sie mir


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daher, von dieser Stelle aus allen Kolleginnen und Kollegen, die in Zukunft nicht mehr bei uns sein werden, von Herzen alles Gute für den weiteren Weg zu wünschen. Ich darf Ihnen allen versichern, auch wenn es manchmal harte Auseinandersetzungen gegeben hat, daß den Bundesrat ein freundschaftliches Verhältnis aller Kolleginnen und Kollegen untereinander auszeichnet. Daher noch einmal herzlichen Dank für Ihr Hiersein, für Ihre Mitarbeit in diesem Gremium, und alles Gute für die Zukunft. (Allgemeiner Beifall.)

Damit alles seine Ordnung hat, muß ich natürlich auch noch sagen: Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 15.58 Uhr