Stenographisches Protokoll

672. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 15. Februar 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

672. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 15. Februar 2001

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 15. Februar 2001: 9.05 – 21.36 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden

2. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Rates über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein vom 4. Dezember 2000 (Tiermehl-Gesetz) geändert wird

3. Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird

4. Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz – PrR-G)

5. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

6. Bundesgesetz über die Einrichtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und über Restitutionsmaßnahmen (Entschädigungsfondsgesetz) sowie zur Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des Opferfürsorgegesetzes

7. Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 1999

8. Bundesgesetz, mit dem das Poststrukturgesetz geändert wird (Poststrukturgesetz-Novelle 2000)

9. Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz geändert wird

10. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Aserbaidschan über die Förderung und den Schutz von Investitionen

11. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen

12. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 2

13. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll

14. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

15. Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden

16. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten, das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste und das Hochschul-Taxengesetz 1972 geändert werden

17. Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1998 geändert wird

18. Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit samt Anhängen

19. Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird

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Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache des Präsidenten Ing. Gerd Klamt 12

Schreiben des Präsidenten des Burgenländischen Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat 11

Angelobung der Bundesräte Johanna Auer, Paul Fasching und Anna Schlaffer 12

Erklärung des Landeshauptmannes von Kärnten Dr. Jörg Haider 30

Verlangen auf Durchführung einer Debatte 30

Debatte:

Mag. Melitta Trunk 41

Dr. Peter Böhm (tatsächliche Berichtigung) 47

und 66

Ing. Franz Gruber 48

Mag. Christof Neuner 49

Herbert Würschl 51

Mag. Harald Himmer 53

Ludwig Bieringer 56

Landeshauptmann Dr. Jörg Haider 57

Albrecht Konecny 64

Unterbrechung 173

Personalien

Entschuldigungen 11


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 3

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 68

Ausschüsse

Zuweisungen 68

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 68

Fragestunde

Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen 15

Ing. Walter Grasberger (1135/M-BR/01); Hedda Kainz, Engelbert Weilharter

Hedda Kainz (1141/M-BR/01); Mag. John Gudenus, Ilse Giesinger

Uta Barbara Pühringer (1136/M-BR/01); Ludwig Buchinger

Mag. John Gudenus (1139/M-BR/01); Franz Wolfinger, Horst Freiberger

Johanna Schicker (1142/M-BR/01); Margarete Aburumieh

Alfred Schöls (1137/M-BR/01); Mag. Melitta Trunk, Thomas Ram

Ernst Winter (1143/M-BR/01); Ulrike Haunschmid, Leopold Steinbichler

Maria Grander (1138/M-BR/01); Hedda Kainz, Monika Mühlwerth

Monika Mühlwerth (1140/M-BR/01); Uta Barbara Pühringer, Brunhilde Fuchs

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher, Anna Elisabeth Haselbach, Brunhilde Fuchs, Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Defizite im Verkehrsinfrastrukturausbau in Österreich, die Demolierung des öffentlichen Nahverkehrs und Verschlechterungen in der Postzustellung (1772/J-BR/01)

Begründung: Mag. Dietmar Hoscher 101

Beantwortung: Bundesministerin Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger 104

Redner:

Albrecht Konecny 108

Dr. Ferdinand Maier 112

Christoph Hagen 115

und (tatsächliche Berichtigung) 118

Brunhilde Fuchs 116

Wilhelm Grissemann 119

Ernst Winter 120

Dr. André d'Aron 121

Günther Kaltenbacher 123

Bundesministerin Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger 124

Engelbert Weilharter 125


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 4

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(1) Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden (388 und 460/NR sowie 6296/BR d. B.)

(2) Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Rates über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein vom 4. Dezember 2000 (Tiermehl-Gesetz) geändert wird (461/NR sowie 6297/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Schlaffer 69

[Antrag, zu (1) und (2) keinen Einspruch zu erheben]


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 5

Redner:

Leopold Steinbichler 70 und 87

Mag. Melitta Trunk 73

Engelbert Weilharter 74

Ing. Franz Gruber 75

Peter Marizzi 77

und 87

Mag. John Gudenus 79

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 81

Ulrike Haunschmid 83

Georg Keuschnigg 85

Ernst Winter 88

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (1) und (2) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 89

(3) Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird (341/A und 459/NR sowie 6298/BR d. B.)

Berichterstatterin: Mag. Melitta Trunk 89

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Margarete Aburumieh 90

Mag. Christof Neuner 91

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 92

(4) Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz – PrR-G) (401 und 470 und Zu 470/NR sowie 6299/BR d. B.)

Berichterstatter: Ing. Franz Gruber 92

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Dietmar Hoscher 93

Herwig Hösele 94

Ludwig Buchinger 96

Staatssekretär Franz Morak 97 und 130

Stefan Prähauser 98

Gottfried Kneifel 127


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 6

Jürgen Weiss 128

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 130

Gemeinsame Beratung über

(5) Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (350/A und 475/NR sowie 6300/BR d. B.)

(6) Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und über Restitutionsmaßnahmen (Entschädigungsfondsgesetz) sowie zur Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des Opferfürsorgegesetzes (476/NR sowie 6301/BR d. B.)

Berichterstatter: Gottfried Kneifel 131

[Antrag, zu (5) keinen Einspruch zu erheben und zu (6) gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Vincenz Liechtenstein 131

Anna Elisabeth Haselbach 133

Dr. Peter Böhm 134

Georg Keuschnigg 136

Peter Marizzi 137

Staatssekretär Franz Morak 138

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (5) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 139

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (6) gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 140

(7) Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 1999 (III-209-BR/2000 und 6302/BR d. B.)

Berichterstatter: Ing. Franz Gruber 140

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Alfred Schöls 140

Johann Kraml 141

Dr. André d'Aron 143

Jürgen Weiss 145

Brunhilde Fuchs 146

Volksanwalt Horst Schender 147

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmeneinhelligkeit) 149

(8) Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Poststrukturgesetz geändert wird (Poststrukturgesetz-Novelle 2000) (351/A und 435/NR sowie 6303/BR d. B.)

Berichterstatter: Wilhelm Grissemann 150

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Dietmar Hoscher 150

Ing. Franz Gruber 151

Dr. André d'Aron 152

Ernst Winter 153

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 154

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 156

(9) Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz geändert wird (392 und 434/NR sowie 6304/BR d. B.)

Berichterstatter: Herbert Würschl 156

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 157

Gemeinsame Beratung über

(10) Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Aserbaidschan über die Förderung und den Schutz von Investitionen (271 und 432/NR sowie 6305/BR d. B.)

(11) Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen (299 und 433/NR sowie 6306/BR d. B.)

(12) Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (353 und 430/NR sowie 6307/BR d. B.)

(13) Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (279 und 431/NR sowie 6308/BR d. B.)


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 7

(14) Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (354 und 429/NR sowie 6309/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Kraml 158

[Antrag, zu (10), (11), (12), (13) und (14) dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (10), (11), (12), (13) und (14) dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 159

(15) Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden (311/A, 345 und 404/NR sowie 6292 und 6310/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Peter Böhm 160

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 8

Redner:

Herbert Würschl 160

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 162

Dr. Vincenz Liechtenstein 162

Dr. Robert Aspöck 163

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 165

(16) Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten, das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste und das Hochschul-Taxengesetz 1972 geändert werden (389 und 413/NR sowie 6293, 6294 und 6311/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Saller 165

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 165

Brunhilde Fuchs 166

Thomas Ram 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 167

(17) Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1998 geändert wird (394 und 414/NR sowie 6295 und 6312/BR d. B.)

Berichterstatter: Leopold Steinbichler 168

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 168

Brunhilde Fuchs 168

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 169

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 169

(18) Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit samt Anhängen (272 und 398/NR sowie 6313/BR d. B.)

Berichterstatter: Albrecht Konecny 169

(Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen)

Redner:

Josef Saller 170

Brunhilde Fuchs 170

Mag. John Gudenus 172

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 174

(19) Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird (455/NR sowie 6314/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Vincenz Liechtenstein 174

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Leopold Steinbichler 175

Ernst Winter 176

Friedrich Hensler 176

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 177

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Diskussion über eine Bundesstaatsreform – insbesondere Schaffung eines Generallandtages (1757/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport – erging auch an alle anderen Mitglieder der Bundesregierung (mit Ausnahme des Bundeskanzlers) – betreffend die Diskussion über eine Bundesstaatsreform – insbesondere Schaffung eines Generallandtages (1758/J-1768/J-BR/01)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger und der vom Tiroler Landtag entsandten Bundesrätin


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 9

Maria Grander an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Durchführungserlass zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (1769/J-BR/01)

der Bundesräte Ferdinand Gstöttner und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die mögliche Schließung von Bezirksgerichten in Oberösterreich (1770/J-BR/01)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundeskanzler betreffend Überstundenabgeltung im Wege von Barauslagen nach §§ 76 und 77 AVG (1771/J-BR/01)

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher, Anna Elisabeth Haselbach, Brunhilde Fuchs, Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Defizite im Verkehrsinfrastrukturausbau in Österreich, Demolierung des öffentlichen Nahverkehrs und Verschlechterungen in der Postzustellung (1772/J-BR/01)

der Bundesräte Johanna Auer, Anna Schlaffer und GenossInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend die mögliche Schließung von Bezirksgerichten im Burgenland (1773/J-BR/01)

der Bundesräte Mag. Melitta Trunk, Herbert Würschl und GenossInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend die mögliche Schließung von Bezirksgerichten in Kärnten (1774/J-BR/01)

der Bundesräte Peter Marizzi, Herbert Thumpser, Ernst Winter und GenossInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend die mögliche Schließung von Bezirksgerichten in Niederösterreich (1775/J-BR/01)

der Bundesräte Stefan Prähauser und GenossInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend die mögliche Schließung von Bezirksgerichten in Salzburg (1776/J-BR/01)

der Bundesräte Theodor Binna, Horst Freiberger, Günther Kaltenbacher, Johanna Schicker und GenossInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend die mögliche Schließung von Bezirksgerichten in der Steiermark (1777/J-BR/01)

der Bundesräte Klaus Gasteiger und GenossInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend die mögliche Schließung von Bezirksgerichten in Tirol (1778/J-BR/01)

der Bundesräte Klaus Gasteiger und GenossInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend die mögliche Schließung von Bezirksgerichten in Vorarlberg (1779/J-BR/01)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Frage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen (1611/AB-BR/00 zu 1749/J-BR/00)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen (1612/AB-BR/00 zu 1747/J-BR/00)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1613/AB-BR/01 zu 1751/J-BR/00)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen (1614/AB-BR/01 zu 1752/J-BR/00)


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 10

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen (1615/AB-BR/01 zu 1748/J-BR/00)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Ilse Giesinger und Kollegen (1616/AB-BR/01 zu 1753/J-BR/00)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Robert Aspöck und Kollegen (1617/AB-BR/01 zu 1754/J-BR/00)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Klaus Gasteiger und GenossInnen (1618/AB-BR/01 zu 1755/J-BR/00)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Frage der Bundesräte Horst Freiberger und GenossInnen (1619/AB-BR/01 zu 1756/J-BR/00)


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich eröffne die 672. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 671. Sitzung des Bundesrates vom 15. Dezember 2000 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Dr. Klaus Peter Nittmann. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das stimmt nicht! Ich bin da! – Heiterkeit.)  – Gut, die Mitteilung von vorhin wird mit Freude zurückgenommen und korrigiert.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Hans Ager, Roswitha Bachner, Karl Boden und Mag. Michael Strugl.

Angelobung

Präsident Ing. Gerd Klamt: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Burgenländischen Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Hedda Kainz: Dieses Schreiben lautet:

"An den Präsidenten des Bundesrates, Parlament, 1017 Wien

Der Burgenländische Landtag hat in seiner 1. Sitzung der XVIII. Gesetzgebungsperiode am 28. Dezember 2000 gemäß Artikel 35 B-VG als Vertreter des Landes im Bundesrat gewählt:

Mitglied: Auer Johanna, geb. 1950, Vertragsbedienstete, 2491 Neufeld, Zahornatzkygasse 12, SPÖ;

Ersatzmitglied: LAbg. Mag. Mezgolits Klaus, geb. 1962, Beamter, 7035 Steinbrunn, Obere Hauptstraße 53, SPÖ;

Mitglied: Schlaffer Anna, geb. 1953, Sozialarbeiterin, 7321 Raiding, Kirchengasse 5, SPÖ;

Ersatzmitglied: LAbg. Hahn Georg, geb. 1945, Angestellter, 7311 Neckenmarkt, Königsgasse 17, SPÖ;

Mitglied: Fasching Paul, geb. 1951, Landwirt, 7063 Oggau am Neusiedler See, Hauptstraße 124, ÖVP;

Ersatzmitglied: Rohr Alfred, geb. 1945, HS-Lehrer, 7461 Stadtschlaining, Obere Heide 13, ÖVP.

Frau Bundesrätin Johanna Auer hat als erste Vertreterin zu gelten.

Walter Prior

(Landtagspräsident)"

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich werde sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel und anschließend um den Namensaufruf.

Schriftführerin Hedda Kainz: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 12

Johanna Auer.

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Paul Fasching.

Bundesrat Paul Fasching (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Anna Schlaffer.

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ): Ich gelobe.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich begrüße die neuen Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Antrittsansprache des Präsidenten

9.10

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! In diesem Halbjahr übernimmt das Land Kärnten den Vorsitz im Bundesrat. Erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik ist es ein Freiheitlicher, der diese ehrenvolle Aufgabe ausübt. Es ist mir klar, dass ich allein deshalb von vielen auch mit kritischem Interesse beobachtet werde. Ich bedanke mich beim Kärntner Landtag für das mir entgegengebrachte Vertrauen und begrüße Herrn Landeshauptmann Dr. Jörg Haider sehr herzlich in unserer Mitte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Weiters darf ich aus Kärnten meinen Vorgänger im Bundesrat, Herrn Nationalratsabgeordneten Ing. Kurt Scheuch, und aus Villach meinen langjährigen Stadtsenatskollegen, Herrn Stadtrat Walter Ladstätter, begrüßen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aus dem Burgenland darf ich den Präsidenten des Landtages, Herrn Walter Prior, begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Herzlich begrüßen darf ich auch den vor mir amtierenden Präsidenten, Herrn Johann Payer, der aus dem Bundesrat ausgeschieden ist. Ich möchte mich bei ihm persönlich für die offene und faire Amtsübergabe bedanken, die durch gegenseitige Achtung und Sympathie getragen war. (Allgemeiner Beifall.)

In Vorbereitung meiner Vorsitzübernahme habe ich mich mit kritischen Äußerungen zum Bundesrat, mit Anregungen zur Bundesstaatsreform, aber auch mit der Geschichte des Bundesrates auseinander gesetzt. Lassen Sie mich kurz auf die Geschichte des Bundesrates eingehen und auch die theoretischen Grundlagen des Zwei-Kammer-Systems ansprechen.

Das Verstehen der Ursprungsgedanken und das Vergegenwärtigen der Vergangenheit können für das Erfassen der Gegenwart und für das Gestalten der Zukunft sehr hilfreich sein. Die Beschäftigung mit dem 19. Jahrhundert lässt uns erkennen, wie schwierig und wie mühselig die Demokratisierung und die Entwicklung allein von der absoluten zur konstitutionellen Monarchie war. Der Weg zu einem Reichsrat, der aus dem Herren- und dem Abgeordnetenhaus bestand, war durch viele Rückschläge gekennzeichnet und nur möglich, weil Menschen bereit waren, sich für das hohe Gut der Freiheit voll und ganz einzusetzen.

Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie stand die junge Republik vor einer großen Herausforderung: Es galt, die Reste des Habsburger-Imperiums zu einem funktionierenden Staatsgefüge zu formen. Die Frage nach der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Zentralstaat und Ländern stand in den Verfassungsgesprächen der Jahre 1919 und 1920 im Vordergrund. In den westösterreichischen Ländern gab es starke föderalistische Bestrebungen, die auch eine Separation nicht ausschlossen.


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 13

Das Land Kärnten stand in diesen bewegten Zeiten in einer besonders kritischen Situation, stand im Abwehrkampf und bekannte sich klar und eindeutig zur neuen Republik Österreich. Die Kärntnerinnen und Kärntner verteidigten damit nicht nur ihre Landesgrenze, sondern auch die Grenzen der Republik Österreich, die damals noch auf relativ schwachen Beinen stand.

Das sozialdemokratische Demokratiekonzept strebte einen ausgeprägten Parlamentsabsolutismus an, während die christlich-sozialen Vorstellungen eine gleichrangige Stellung der Länderkammer gegenüber der Volkskammer des Parlaments vorsahen.

In diesem Umfeld wurde im Jahre 1919 Hans Kelsen mit der Konzipierung einer Verfassung beauftragt, wobei ihm folgende Vorgaben gegeben wurden: Die Staatsform sollte eine parlamentarische Republik mit bundesstaatlichem Charakter und mit der Übertragung wichtiger Kompetenzen an die Zentralorgane sein.

Bereits in dieser Phase entstand das Modell einer als "Bundesrat" bezeichneten Länderkammer. Die Bevollmächtigten der Länder sollten an die Aufträge der Landesregierungen gebunden und eine Zusammenfassung der Länderregierungen sein. Das am 1. Oktober 1920 beschlossene Bundes-Verfassungsgesetz hat die geplante Struktur und Funktion des Bundesrates nicht realisiert, was darauf zurückgeführt werden kann, dass sich die Länder nicht auf eine gemeinsame verfassungspolitische Position einigen konnten. Die außerhalb der österreichischen Verfassungsordnung seit dem Jahre 1950 eingesetzte Landeshauptleutekonferenz kommt dieser ursprünglichen Idee nahe und besteht bis heute als Konkurrenzplattform zum Bundesrat.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die demokratische Republik Österreich im Sinne der Verfassung von 1920 wiederhergestellt, und damit wurden auch die Problemstellungen in Richtung Föderalismus übernommen. Erst im Jahre 1984 wurde ein Zustimmungsrecht des Bundesrates für Verfassungsgesetze, welche die Länder in Gesetzgebung oder Vollziehung einschränken, verankert – ein Meilenstein in der Geschichte des Bundesrates, der aber noch niemals zum Tragen kam.

Die Frage nach der Funktionalität einer zweiten Kammer wurde schon oft gestellt und ist angesichts der auch heute immer wieder geführten Diskussionen über den Bundesrat sehr aktuell. In der Beantwortung können zwei Grundmuster identifiziert werden: Zum einen wird der zweiten Kammer die Funktion einer Qualitätsverbesserung der Gesetzgebung, also des parlamentarischen Produktes, zugeschrieben, zum anderen kann ihr die Funktion der Wahrung bestimmter Interessen zukommen.

Nach diesem Ausflug in die Entstehungsgeschichte unseres Bundesrates darf ich auch kurz auf die derzeit kursierenden Pressemeldungen eingehen, die von der Abschaffung des Bundesrates über die direkte Wahl der Bundesräte bis zum Generallandtag reichen. Vorweg soll die Beschäftigung mit der Theorie erkennen lassen, dass verbrieftes Recht noch nicht gelebtes Recht bedeutet, was den ständigen Ruf nach Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Bundesrat relativiert.

Der Beitritt zur Europäischen Union bedeutet, dass über unser österreichisches Parlament eine weitere legislative Ebene gesetzt wurde. Natürlich kann berechtigterweise darüber nachgedacht werden, ob der damit verbundene Kompetenzverlust nicht auch eine Arbeitsentlastung bedeutet, die in weiterer Folge zu Einsparpotenzialen in allen darunter angesiedelten legislativen Ebenen führen kann.

Ich finde es aber nicht richtig, wenn bei allen Diskussionen zu einer Bundesstaatsreform immer nur der Bundesrat, das föderalistische Standbein unserer Republik, im Brennpunkt steht. Wir – ich meine alle Bundesrätinnen und Bundesräte – sollen konstruktive Kritik ernst nehmen. Wir sollen für jede gute Idee dankbar sein, aber wir müssen auch unüberlegte Vorschläge, die dem Image des Bundesrates schaden, klar zurückweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


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Leicht lassen sich auch stichhaltige Gegenargumente zu vielen Ideen bringen. Die Direktwahl der Bundesräte klingt sehr populär, würde aber den Landtagen die derzeit bestehende Möglichkeit nehmen, auch parteiunabhängige Experten aus ihren Bundesländern in den Bundesrat zu entsenden. Viele hoch qualifizierte Fachleute, die als Bereicherung für den Bundesrat in Frage kämen, wären niemals bereit, auf einer Parteiliste zu kandidieren.

Zur Ersetzung des Bundesrates durch einen Rat der Länder und Gemeinden ist festzuhalten, dass nichts dagegen spricht, dass die Landtage auch bei der derzeitigen Konstellation Landeshauptleute, Landesräte, Landtagsabgeordnete und Vertreter des Gemeinde- und Städtebundes in den Bundesrat entsenden. Auf die ersatzlose Abschaffung des Bundesrates möchte ich nicht eingehen, weil das aus meiner Sicht ein durch nichts gerechtfertigtes Rütteln an den Säulen der Verfassung und Demokratie bedeutet.

In diesem Zusammenhang sollte auch darauf hingewiesen werden, wie wenig in der Vergangenheit der dem Bundesrat heute schon gegebene Rahmen genutzt wurde. Seit 1945 wurden nur 111 Einsprüche getätigt, und die stärkste Waffe, die dem Bundesrat seit der Bundesstaatsreform 1984 gegeben ist, das absolute Veto, wurde, wie bereits erwähnt, noch nie eingesetzt.

In unserer Kommunikationsgesellschaft mit starken Medien würde allein der verstärkte Einsatz des an sich nur verzögernd wirkenden Einspruchsrechtes starke Wirkung zeigen. Wenn ich mir weiters vor Augen führe, dass gegen den Bundesrat gerichtete Pressemeldungen kaum Reaktionen bei den Mitgliedern des Bundesrates auslösen, dann meine ich, dass es an der Zeit ist, uns gemeinsam die Frage zu stellen, ob wir nicht zu wenig Selbstbewusstsein und Korpsgeist haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir müssen an einer neuen Identität des Bundesrates arbeiten und eine Corporate Identity entwickeln. Warten wir nicht, bis dem Bundesrat mehr Achtung entgegengebracht wird, sondern achten wir uns selbst! Denn nur wer sich selbst achtet, kann auch Achtung gewinnen und weitergeben!

In der öffentlichen Meinung, bei den Menschen, mit denen wir tagtäglich ins Gespräch kommen, sind wir weitgehend anerkannt. In der veröffentlichten Meinung, bei den Medien, liegen wir weniger gut. Das muss uns zu denken geben. Wir müssen uns als zweite Kammer stärker profilieren und die Qualitätsverbesserung des parlamentarischen Produktes Gesetzgebung ernst nehmen. Unser Antrag auf Einbindung des Bundesrates in den Gesetzwerdungsprozess des Nationalrates muss gemeinsam konsequent verfolgt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Das Regierungsprogramm, das in einem Absatz die Erweiterung des Zustimmungsrechtes des Bundesrates vorschlägt, muss als echter Auftrag verstanden werden. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn wir Gesetze, die Länder und Gemeinden belasten, so lange an den Nationalrat zurückweisen können, bis wir als Bundesräte und damit als Vertreter der Länder diese Belastungen auch verantworten können.

Im gemeinsamen Europa der Zukunft werden die Regionen und damit auch die Länder immer wichtiger als Gegengewicht zum Zentralismus. Ein starker Bundesrat als Vertretung der Länder ist damit ein Gebot der Stunde. Das gemeinsame Bemühen um die Umsetzung dieser Ziele wird unser Selbstbewusstsein stärken und uns die Kraft geben, auch die bestehenden Rechte des Bundesrates mit mehr Leben zu erfüllen und in Wien und in den Bundesländern als starke Botschafter der Sache des Bundesrates aufzutreten.

In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates, sehe ich der Zeit meiner Vorsitzführung sehr positiv entgegen und hoffe, dass wir in meiner Amtsperiode eine konstruktive Entwicklung des Bundesrates vorantreiben können. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

9.28


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Ankündigung einer Erklärung des Landeshauptmannes von Kärnten

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bevor wir zur Fragestunde gelangen, gebe ich bekannt, dass Herr Landeshauptmann von Kärnten, Dr. Jörg Haider, gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor Eingang in die Tagesordnung eine Erklärung betreffend Reform des Bundesstaates aus der Sicht des südlichsten Bundeslandes abgeben wird.

Ich werde dem Herrn Landeshauptmann nach Beendigung der Fragestunde zur Abgabe seiner Erklärung das Wort erklären.

Fragestunde

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich beginne jetzt – um 9.29 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Wir kommen zur 1. Anfrage, 1135/M, an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Walter Grasberger, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich glaube, niemandem ist in den letzten Jahren entgangen, dass die Medikamentenkosten eine zunehmende Belastung für das gesamte Gesundheitswesen in der Republik darstellen. Meine Frage lautet:

1135/M-BR/01

Was unternehmen Sie, um die exorbitant steigenden Medikamentenkosten in den Griff zu bekommen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Frau Bundesministerin Sickl hat bereits im vergangenen Jahr in einem Schreiben an den Hauptverband die Sozialversicherungsträger aufgefordert, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um im Bereich der Sozialversicherungen kostendämpfende Maßnahmen für Medikamentenkosten, also Arzneimittelkosten, zu erreichen. Wir haben diese Aufforderung in jüngster Zeit erneuert und eine Aufstellung sämtlicher Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles beigefügt. Wir sind derzeit auch mit den Spitzen der Sozialpartner im Gespräch über weitere Sanierungsmaßnahmen und werden zunächst auch in Form des Preismeldeverfahrens auf die etablierten Preiskontrollsysteme hinweisen und zurückkommen. Es laufen derzeit sieben solche Verfahren.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sind Sie der Meinung, dass der Hauptverband in den letzten Jahren genügend Einfluss darauf genommen hat, dass die Medikamentenkosten gesenkt werden können, beziehungsweise sehen Sie hier einen Spielraum für die Gegenwart und Zukunft, und in welcher Größenordnung könnten Sie sich hier einen Spielraum vorstellen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Im Jahr 1996 wurde ein ausführliches Paket beschlossen, das aber letztlich nie


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realisiert wurde, sondern es wurden nur punktuelle Maßnahmen gesetzt. Eine dieser Maßnahmen, die durchaus erfolgsversprechend war, war das so genannte "Medicom"-Programm in Oberösterreich, das gezeigt hat, dass die Steigung der Medikamentenkosten mehr als halbiert werden konnte.

Es hat sich für uns die Frage gestellt, warum es im Moment der Erkenntnis, dass dieses Programm erfolgsversprechend ist, nicht sofort zwingend für die anderen Krankenversicherungsträger umgesetzt wurde. Wir haben nunmehr in einer Vereinbarung mit dem Hauptverband im Dezember des vergangenen Jahres sichergestellt, dass dieses Erfolgsprogramm nun auch zwingend für sämtliche andere Krankenversicherungsträger vorgeschrieben wird, was sich bereits insofern ausgewirkt hat, als die ursprünglich prognostizierte Steigerung im Bereich des Medikamentensektors von 10,9 Prozent – im Vergleich dazu sei gesagt, im Jahre 1999 waren es noch über 12 Prozent– nunmehr bei der 7-Prozent-Marke angelangt ist, was eine deutliche Reduktion der Kostensteigerung in diesem Bereich mit sich brachte, bringt und bringen wird.


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Präsident Ing. Gerd Klamt:
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Die Diskussion betreffend forschungsintensive Spezialitäten und Generika wird in Österreich seit vielen Jahren geführt. Ich hätte gerne von Ihnen gewusst, ob Sie auch die Ängste jener, vor allem der forschenden Pharmaindustrie, teilen, die meinen, dass mit zunehmender Unterstützung oder Forcierung der Generikaverschreibung die Gefahr einer nicht mehr dem Qualitätsstandard entsprechenden Arzneimittelversorgung eintreten könnte.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Diese Frage kann man nicht allein aus österreichischer Sicht beantworten, sondern man muss sie im Rahmen der europäischen Entwicklung sehen. Wir liegen hinsichtlich des Gebrauchs und der Verschreibung von so genannten Generika weit unter dem europäischen Schnitt, das heißt, wir haben diesbezüglich einen klaren Nachholbedarf. Ich kann mich nicht erinnern, je gehört zu haben, dass die Pharmaindustrie in Deutschland zum Beispiel trotz wesentlich höherer Generikaquote ins Wanken gekommen wäre. Das heißt auf der einen Seite, dass wir uns von den europäischen Entwicklungen natürlich nicht völlig abkoppeln können, dass wir aber auf der anderen Seite durchaus einen Nachholbedarf haben, der sich nur kostengünstig auswirken und keineswegs in die Richtung gehen kann, dass zukünftige Forschung oder andere innovative Medikamente bei uns keinen Platz finden.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Gibt es Versäumnisse Ihrer Vorgänger der früheren Bundesregierung, vor allem im Zeitraum bis 1999, weil in der Hauptfrage von exorbitant steigenden Medikamentenkosten die Rede ist?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Versäumnisse gibt es vielleicht dahin gehend, als man gewisse Entwicklungen, die eingetreten sind, nicht vorausgesehen hat. Die Situation im Jahre 1996 war so, dass eine überdurchschnittliche Steigerung nicht nur auf Grund neuer und innovativer Medikamente zu erwarten war, sondern auch deshalb, weil bis dahin die Zulassungspraxis sehr restriktiv war und zu dem Zeitpunkt, als man einen Stau erkennen konnte, ein Nachholbedarf gegeben war. Man hat also nicht rechtzeitig erkannt, dass hier überdurchschnittliche Steigerungen stattfinden werden, wie auch die Folgejahre gezeigt haben und wie jetzt der natürliche, ohne zusätzliche Maßnahmen bereits beginnende Rückgang der Steigerungsraten bestätigt.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 1141/M, an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen.

Ich bitte die Anfragstellerin, Frau Bundesrätin Hedda Kainz, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Anfrage war natürlich an den Herrn Bundesminister gerichtet, darum entspricht die Formulierung nicht jener, die ich wählen würde, wenn ich die Frage an Sie stellen würde. Meine Frage lautet:

1141/M-BR/01

Welche Lösungsvorschläge haben Sie seit Ihren Ausführungen in der Anfragebeantwortung 1624/AB (NR), wonach Sie in dieser Frage ständig in Kontakt mit den führenden Funktionären der Sozialversicherung sind, bis jetzt für die künftige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung erarbeitet?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Wie allgemein bekannt ist, sind wir derzeit mit den Sozialpartnern in Bezug auf eine Neuordnung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger im Gespräch, und es wird über ein Maßnahmenpaket betreffend die Sanierung der Krankenkassen verhandelt. Nach einem ersten Gipfelgespräch, das Anfang dieser Woche stattgefunden hat, wurde ein weiteres für nächste Woche vereinbart, bei dem dann die diesbezüglichen Details besprochen werden. Die Themenschwerpunkte sind hiebei natürliche Ausgabensteigerung bei den Heilmittelkosten, Maßnahmen zur Veränderung im Bereich des Ausgleichsfonds zwischen den einzelnen Krankenversicherungsträgern sowie Maßnahmen zur Strukturverbesserung der einzelnen Träger, insbesondere die Neustrukturierung der IT-Technologien.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Viele dieser Aussagen und von Ihnen angesprochenen Maßnahmen sind in den ständig vorhandenen Kontakten mit den Vertretern des Hauptverbandes Thema gewesen. Ich frage Sie beziehungsweise den Herrn Bundesminister, wieso jetzt die Frage der Ablösung des Präsidiums und vor allem des Präsidenten so im Vordergrund stehen muss, obwohl die Lösungsansätze durchaus idente Inhalte haben können und haben.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Die Frage ergibt sich dadurch, dass gemäß § 442 Abs. 1 ASVG der Vorsitz in der Verbandskonferenz, im Verbandsvorstand und im Verbandspräsidium des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom Präsidenten geführt wird. Der Präsident und seine Stellvertreter sind vom Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen für die Amtsdauer der genannten Verwaltungskörper nach Anhörung der Bundesarbeitskammer, der Wirtschaftskammer Österreich und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs zu ernennen.

Auf Grund des Umstandes, dass der Nationalrat im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2001 eine Änderung der sozialversicherungsrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Neubestellung der zu wählenden Mitglieder getroffen hat, die sozusagen mit In-Kraft-Treten des Gesetzes automatisch ihre Amtsperiode beendet hatten und neu zu bestimmen waren, trifft das auch mit minimalem Verzögerungseffekt für das Präsidium zu, sodass das Präsidium derzeit eine provisorische Leitung darstellt.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus gemeldet. – Bitte.


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Bundesrat Mag. John Gudenus
(Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Wie siehst du derzeit die Arbeit des Hauptverbandes im Blickwinkel der Effizienz und Effektivität im Hinblick auf das Zusammenwirken der Sozialversicherungsträger?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr, vor knapp einem Jahr, ein Paket zur Sanierung der Krankenkassen vorgeschlagen und beschlossen. Sie hat natürlich nur beschränkte Möglichkeiten, das direkt umzusetzen, da bekannterweise – was auch durchaus sinnvoll ist – die Selbstverwaltung der Krankenversicherungsträger besteht.

Wir haben Maßnahmen gesetzt – zum Teil legistischer Art, zum Teil aber auch in mühevollen, langwierigen Verhandlungen mit Vertragspartnern der Krankenkassen –, um Einsparungen zu erreichen und etwas in Bewegung zu bringen. Das ist auf dem Medikamentensektor gelungen, bei dem ein Ausmaß in der Höhe von 2,5 Milliarden prognostiziert war. Das konnte also umgesetzt werden. Sie kennen die anderen Regelungen: die diskutierte Rezeptgebühren-Anpassung sowie den nunmehr mit 1. März in Kraft tretenden Behandlungsbeitrag, der als Steuerungsmaßnahme sicher ein erstes wichtiges Instrument in die richtige Richtung darstellt.

Auf der anderen Seite hat auf Grund der schon erkennbaren Situation im Bereich der Krankenkassen Frau Ministerin Hostasch von der Sektion II des Ministeriums ein Papier über mögliche Einsparungen im Bereich der Krankenkassen, die etwa eine Höhe von 1,5 bis 1,9 Milliarden ausmachen, erarbeiten lassen. Wir haben dieses Papier nochmals überprüfen lassen, wir haben es durch den Hauptverband überprüfen lassen. Die Richtigkeit und Möglichkeit wurde festgestellt; von dieser Summe ist aber bis heute kein einziger Groschen eingelangt.

In diesem Sinne, so muss ich sagen, hat der Hauptverband seine Möglichkeiten nicht wahrgenommen, oder er hat die Möglichkeiten einfach nicht. Das ist auch derzeit Thema unserer Strukturgespräche.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Ilse Giesinger gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Herr Staatssekretär! Sie haben in Ihrer Beantwortung der ersten Anfrage gesagt, dass nächste Woche auch Maßnahmen zur Veränderung des Ausgleichsfonds diskutiert werden. Heißt das, dass Sie im Rahmen des österreichweiten Finanzierungsausgleichs der Krankenkassen Finanzmittel derjenigen Krankenkassen abschöpfen wollen, die positiv gebaren beziehungsweise über Rücklagen verfügen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Auf Grund der derzeit vorliegenden Zahlen wird es kaum eine Krankenkasse geben, von deren positiven Gebarung man abschöpfen kann. Ich sehe das ganz anders. Ich darf Ihnen vielleicht kurz erklären, da über den Ausgleichsfonds sehr viel polemisiert wird, wie das zu verbessern oder zu verändern ist.

Mit Einführung des LKF-Systems – verzeihen Sie mir, dass ich dieses Beispiel bringe – hat sich herausgestellt – das war damals noch nicht vorhersehbar, ist aber inzwischen zum Großteil korrigiert worden –, dass so genannte operative Fächer gegenüber den konservativen Fächern bevorteilt waren. Das heißt, wenn Sie ein Spitalsbudget erstellt haben – ich hatte die Gelegenheit, das fünf Jahre zu machen –, dann wussten Sie von vornherein, dass eine interne Abteilung auf Grund dieser Finanzierung den Kostenersatzrahmen nicht erbringen konnte, während operative Fächer das im Übermaß schafften.

Daraus hat sich ergeben, dass man, wenn man abteilungsmäßig vernünftig budgetiert, was heute in den meisten österreichischen Spitälern noch immer nicht der Fall ist, jemanden, der von


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vornherein nur ein negatives Ergebnis erzielen kann, mit einem monatlichen Controlling frustriert. Das heißt, man muss einen anderen Level einsetzen: Man muss die Einnahmemöglichkeit als Null-Level angeben, und das, was er besser macht, ist dann sein Verdienst, dann hat er gut gewirtschaftet, und wenn er etwas schlechter macht, dann hat er schlecht gewirtschaftet.

Das Gleiche gilt für jemanden, der von vornherein eine bessere Einnahmensituation hat. Er hat einfach einen höheren Level, das ist dann sein Null-Level, und auch in diesem Rahmen kann er besser oder schlechter sein. – Und das Gesamtgebilde ergibt dann ein ausgeglichenes Budget.

Nun ist es zweifellos so, dass einige Krankenkassen, vor allem Gebietskrankenkassen, in Österreich auf Grund der Einnahmensituation besser gestellt sind als andere. Das West-Ost-Gefälle ist da ein gutes Beispiel. Vorarlberg hat die geringste Anzahl von Pensionisten und ein höheres Lohnniveau, das heißt, sie haben eine bessere Beitragsgrundlage. Burgenland hat die meisten Pensionisten, hat ein niedriges Lohnniveau und die geringste Beitragsgrundlage. Das Burgenland könnte noch so gut wirtschaften, sie werden unter den gegenwärtigen Erfordernissen an eine qualitätsvolle Medizin nie eine positive Gebarung erreichen können. – In diesem Sinne ist eine neue Struktur zu besprechen.

Das heißt, wenn heute jemand ein Einkommen in der Höhe von 15 000 S hat und ein anderer für dieselbe Arbeit nur 10 000 S bekommt, man aber 13 000 S braucht, um zu leben, dann muss man einen Weg finden, wie der eine 13 000 S bekommt, und man muss den anderen dazu bringen, einen Solidaritätsausgleich zu leisten. Es wird in Österreich immer die Solidarität beschworen, aber die Solidarität unter den Krankenkassen existiert offensichtlich nicht.

Das hat aber absolut nichts damit zu tun, dass gut wirtschaftende Krankenkassen – ich nenne hier wieder das oberösterreichische "Medicom"-Programm – sozusagen bestraft werden sollen, indem man bei guter Wirtschaftslage Mittel abschöpft. – Das ist keineswegs der Zweck, nur von den Grundvoraussetzungen her muss man ein einheitliches, vergleichbares Niveau schaffen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir kommen nunmehr zur 3. Anfrage, 1136/M.

Ich ersuche Frau


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Bundesrätin Uta Barbara Pühringer, die Frage zu stellen.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es besteht bei den Krankenfürsorgeeinrichtungen, die pragmatisierte Beamte betreuen, zunehmend der Wunsch, auch die Vertragsbediensteten einbeziehen zu können. Daher lautet meine Frage:

1136/M-BR/01

Werden Sie den Vorschlägen der ÖVP, die Vertragsbediensteten der Länder und Gemeinden in die BVA beziehungsweise in die Krankenfürsorgeanstalten der Länder einzubeziehen, folgen?


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Präsident Ing. Gerd Klamt:
Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Ab 1. Jänner 1999 werden die Bediensteten des Bundes, mit denen nach dem 31. Dezember 1998 ein privatrechtliches Dienstverhältnis zum Bund nach dem VBG 1948 begründet wurde, in die Krankenversicherung und Unfallversicherung einbezogen.

Vor diesem Hintergrund ist die Forderung der Länder und der Gemeinden nach Einbeziehung der Vertragsbediensteten ihres Wirkungsbereiches noch einer gesonderten Prüfung zu unterziehen. Die Frage der Einbeziehung der Vertragsbediensteten der Länder und Gemeinden in die Krankenfürsorgeanstalten der Länder ist unter dem Blickwinkel zu betrachten, inwieweit in Hinkunft die Vielfalt der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen fortgeschrieben werden soll, und kann daher vor Abschluss dieser Diskussion nicht schlüssig beantwortet werden. – Tatsache ist, dass sie natürlich in vielen Bereichen – vor allem auch im Bereich der Gemeinde Wien – durchaus positiv gebaren und daher auf jeden Fall ihre Existenzberechtigung haben.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Ich habe mir zwar erhofft, dass die Antwort etwas konkreter ausfällt, weil dann auch meine Zusatzfrage, die ich stellen möchte, wahrscheinlich konkreter hätte ausfallen können, ich stelle sie aber trotzdem.

In Oberösterreich ist eine besondere Situation insofern gegeben, als es dort zusätzlich zur KFL, also zur Krankenfürsorge der Landesbediensteten, auch eine eigene der oberösterreichischen Pflichtschullehrer gibt, nämlich die Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge. Auch da besteht schon seit langer Zeit der Wunsch, dass wir auch die Vertragsbediensteten in diesen Bereich einschließen können. Sehen Sie irgendwann einmal in nächster Zeit eine Chance, dass das realisiert werden kann?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Es gibt von Bundesseite her sozusagen Kompetenzschwierigkeiten, weil grundsätzlich festzuhalten ist, dass die Krankenfürsorgeanstalten kompetenzrechtlich eine Angelegenheit der Länder sind. Es sollte aber nach meiner Ansicht für alle Versicherten doch ein möglichst einheitliches Leistungs- und Beitragsrecht geben, was für eine tiefer greifende Diskussion über den Bestand der Krankenfürsorgeanstalten sprechen würde, weil es ein Ziel dieser Bundesregierung ist, auch im Bereich der medizinischen Leistungserfassung zu einer Harmonisierung der Beitragsleistungen zu kommen. Daher kommt es dann automatisch zu Diskussionen, inwieweit Vereinfachungen und Veränderungen zweckmäßig sind. Grundsätzlich habe ich aber, so glaube ich, ein Bekenntnis abgegeben, dass ich für den Fortbestand der Krankenfürsorgeanstalten eintrete.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ludwig Buchinger gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Ludwig Buchinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Werden Sie für das Prinzip der Pflichtversicherung oder für das System der Versicherungspflicht eintreten?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: In einem Teil des Regierungsprogrammes steht, dass die Frage der Pflichtversicherung und der Versicherungspflicht zu prüfen ist. Es wurde mit Jänner dieses Jahres ein sehr großes Expertengremium, bestehend aus Vertretern sämtlicher österreichischen Interessenvertretungen und der damit befassten Berufsgruppen, gebildet, das bereits in einer ersten Sitzung das Aufgabenfeld festgestellt hat. Es gilt grundsätzlich zu prüfen, vor allem auch im internationalen Vergleich, wie weit das österreichische System – es widerspricht niemand, wenn man sagt, dass es hinsichtlich der Versorgungsqualität der österreichischen Patienten gut ist – zu ändern ist.

Das Wesentliche dabei ist eigentlich nicht, dass man das zu einer Glaubensfrage macht, sondern dass man einfach ein System betreuen muss. Jedes, auch das beste System der Welt wird, wenn man vier bis fünf Jahre lang nichts macht, einfach schlechter, und je größer ein Reformstau wird, vor dem wir jetzt leider stehen, nachdem fast über Jahrzehnte nichts geschehen ist, umso schwieriger wird es dann, sinnvolle Veränderungen für eine zukunftsorientierte Gesundheitspolitik zu machen.

Zweifellos ist es so – das habe ich erst diese Woche aus einer Umfrage in Kärnten gelesen –, dass 58 Prozent der Österreicher für ein System der Pflichtversicherung eintreten würden. Das heißt aber nicht, dass das ein Auftrag ist, sondern der Auftrag besteht ausschließlich darin, zu prüfen, inwieweit das Versicherungssystem zu verbessern, zu vereinheitlichen und patientengerechter zu adaptieren ist.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir kommen zur 4. Anfrage, 1139/M.

Ich ersuche Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus, die Anfrage zu verlesen.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1139/M-BR/01

Wie wird sichergestellt, dass im Zuge der Pensionserhöhung 2001 die Bezieher niedriger Pensionen stärker profitieren als jene mit höheren Pensionen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Im Zuge der Pensionsreform 2000 erfolgte auch die Neugestaltung der Pensionsanpassung, und zwar dergestalt, dass bei der Festsetzung des Anpassungsfaktors kein Spielraum mehr gegeben ist, sondern der Anpassungsfaktor das rechnerische Ergebnis der so genannten Nettoanpassungsformel ist.

Für das Jahr 2001 ergab sich dabei ein Anpassungsfaktor von 0,8 Prozent, um den mit Jänner 2001 alle Pensionen linear erhöht wurden. Da bei der Änderung der Nettoanpassungsformel auch der Verbraucherpreisindex als Vergleichswert eliminiert wurde, hat der Gesetzgeber ein neues Instrument geschaffen, nämlich den so genannten Wertausgleich. Ist die berechnete Pensionsanpassung geringer als die Entwicklung der Verbraucherpreise – gemessen vom August des Vorjahres bis zum Juni jenes Jahres, in dem der Anpassungsfaktor festgesetzt wird –, so kann die Differenz als Wertausgleich gegeben werden. Dieser Wertausgleich ist allerdings nicht niveauerhöhend. Die Richtgröße für den Wertausgleich im Jahr 2001 betrug 1,5 Prozent, das heißt 0,7 Prozent konnten als Wertausgleich verteilt werden.

Damit die Bezieher kleiner Einkommen von dieser Regelung mehr profitieren als jene mit höheren Pensionen, wurde der Wertausgleich nicht linear mit 0,7 Prozent festgelegt, sondern mit 1 Prozent, maximal aber mit 1 600 S – beides bezogen auf die Jahrespension.

Für den Bezieher der kleineren Pension ergibt sich damit im Jahr 2001 eine Gesamtpensionserhöhung von 1,8 Prozent, während eine hohe Pension etwa im Ausmaß von 25 000 S nur um rund 1,25 Prozent erhöht wird. Die Erhöhung aller Pensionsleistungen um 0,8 Prozent kostet im Übrigen etwa 2,4 Milliarden Schilling, der so genannte Wertausgleich führt zu Kosten in der Höhe von 2,1 Milliarden Schilling. Dies ergibt Gesamtkosten in der Höhe von 4,5 Milliarden Schilling.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Wie ist das Verhältnis der Bezieher niedriger zu höheren Pensionen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Grundsätzlich ist zu dieser Frage anzumerken, dass der Übergang nicht von niedrigen Pensionen zu höheren Pensionen erfolgt, sondern dass man das Pensionssystem eher in drei Teile gliedern sollte, nämlich in niedrigere Pensionen, in mittlere Pensionen und in höhere Pensionen.

Als Indikator für den Bereich der niedrigen Leistung könnte man den Richtsatz für die alleinstehenden Bezieher von Ausgleichszulagen nehmen. Dieser beträgt im Jahr 2001 8 437 S. Rund 35 Prozent aller Leistungsbezieher in der gesetzlichen Pensionsversicherung beziehen eine Leistung in der Höhe dieses Richtsatzes beziehungsweise darunter.


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Definiert man den mittleren Bereich der Pensionsbezieher als jenen Bereich, der zwischen dem einfachen und dem doppelten Richtsatz liegt – das wäre der Bereich zwischen 8 437 S und 16 875 S –, so liegen weitere 40 Prozent der Bezieher in diesem Bereich, also insgesamt 75 Prozent.

Definiert man konsequenterweise den Bereich der höheren Pensionsleistungen als jenen der Pensionsbezieher, deren Gesamtpensionseinkommen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung den doppelten Richtsatz übersteigt, so bleiben 25 Prozent für diese Pensionsbeziehergruppe übrig. Die Pensionserhöhung des Jahres 2001, Pensionsanpassung und Wertausgleich zusammengenommen, für den erstgenannten Bereich beträgt rund 1,8 Prozent, für den zweiten Bereich 1,5 Prozent und jene für den dritten Bereich 1,3 Prozent. Man sieht also, dass die Anpassung bei der niedrigsten Gruppe am höchsten war, bei der mittleren Gruppe geringer und bei der höchsten Gruppe entsprechend am geringsten.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Franz Wolfinger gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Wie haben sich in den letzten zehn Jahren die Pensionen der Ausgleichszulagenbezieher im Vergleich zu den Durchschnittspensionen erhöht?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Das ist eine Frage, die ich momentan nicht sofort aus dem Gedächtnis beantworten kann. Ich werde sie entsprechend schriftlich nachreichen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Horst Freiberger gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Staatssekretär! Einerseits wurden von der Bundesregierung Maßnahmen ergriffen, die die Inflationsrate dramatisch in die Höhe treiben – wir liegen mittlerweile bei rund 3 Prozent –, was aus den immens hohen Gebührenerhöhungen resultiert, andererseits wurden einkommensmindernde Maßnahmen ergriffen. Die Steuerbelastung durch diese neue Regierung ist gewaltig. Werden Sie zusätzlich etwas unternehmen, damit die Pensionisten keinen realen Einkommensverlust zu verzeichnen haben, da dieser von Ihnen bereits ausgesprochene Wertausgleich sicherlich nicht ausreichend ist?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Mir liegen jetzt nicht die exakten Zahlen vor, ich bezweifle aber, dass das in dieser Höhe stattgefunden hat. Wie ich aber bereits festgestellt habe, hat die Bundesregierung erreicht, dass mit der Neuregelung sozusagen die Perpetuierung der Erhöhung der Pensionen sichergestellt ist, und zwar in jenem Maß, wie sie festgelegt wird. Ich darf dazu sagen, dass viele andere Bereiche – ich erinnere zum Beispiel nur an die Ärzte der Gemeinde Wien – sechs Jahre lang keine Lohnerhöhung bekommen haben und dass das auch bei niedriger Inflationsrate eine entsprechende Belastung ist.

Ich glaube, dass man in einem Staat, in dem es gelungen ist, eine alte Verschwendungspolitik sozusagen in eine Konsolidierungspolitik umzuwandeln, nicht einzelne Berufsgruppen wegen ein paar Zehntel Prozentpunkte darüber oder darunter gegeneinander ausspielen kann. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir kommen zur 5. Anfrage.

Ich ersuche Frau


Bundesrat
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Bundesrätin Johanna Schicker, die Frage zu verlesen.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Staatssekretär! Sie werden verstehen, dass auch ich meine Frage etwas umformulieren muss, zwar nicht inhaltlich, aber in der Anrede, nachdem Sie den Herrn Bundesminister vertreten. Der Wortlaut meiner Frage lautet daher:

1142/M-BR/01

Wann wird der Herr Bundesminister, zuständig für Frauenangelegenheiten, dem Nationalrat eine Vorlage zuleiten, mit der das österreichische Gleichbehandlungsgesetz an den EU-Standard herangeführt wird, um Frauen eine bessere Möglichkeit zu bieten, sich gegen Diskriminierung zu wehren?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.


Bundesrat
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Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck:
Dies betrifft vor allem den privatwirtschaftlichen Bereich, und die Zuständigkeit für die Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft fällt in das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Es haben aber bereits 1999 Sozialpartnergespräche für eine Novellierung stattgefunden, und wir hoffen, dass es sehr bald zu weiteren Gesprächen kommen wird, damit noch heuer ein Vorschlag für eine Novelle im Parlament eingebracht werden kann.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Staatssekretär! Jetzt frage ich Sie persönlich: Wie stark werden Sie sich hier einbringen? Was werden Ihre konkreten Vorstellungen dazu sein, beziehungsweise welche Schwerpunkte denken Sie zu setzen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Da ich eben bereits ausgeführt habe, dass Verhandlungen mit den Sozialpartnern stattgefunden haben, sind die wesentlichen Punkte bereits andiskutiert worden. Selbstverständlich sind wir für alle Verbesserungsmöglichkeiten des Gleichbehandlungsgesetzes offen. Wir plädieren auch hier für eine rasche Anpassung an das EU-Recht, an die EuGH-Rechtsprechung. Wir konnten aber zeigen, dass Österreich im Rahmen der letzten EU-Tagung in Norrköping hinsichtlich der Gleichbehandlung durchaus im Mittelfeld zu finden ist.

Vorschläge für die Novelle sind folgende Punkte: Maßnahmen zur Verstärkung des Schutzes von Diskriminierung, vor allem bei sexueller Belästigung – sie sind auch ein Diskussionspunkt in Schweden gewesen –, die geltende Rechtslage bezüglich Hemmung der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung gemäß § 10b sowie insgesamt Anpassung an die EU-Judikatur. (Bundesrat Gasteiger: Wieder keine Antwort! – Bundesrätin Fuchs: Das kann der Präsident als Antwort werten?)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ludwig Buchinger gemeldet. – Er ist nicht im Saal.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Margarete Aburumieh gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Im weiteren Sinne einer Gleichbehandlung ist für mich auch eine eigenständige Alterssicherung für Frauen anzusprechen. Der Herr Bundesminister hat eine Arbeitsgruppe zum Thema Pensionssplitting eingesetzt. Mich würde interessieren, wie weit die Arbeit in der Gruppe gediehen ist. Gibt es Zwischenergebnisse? Wie ist der Berichtsstand?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Die Arbeitsgruppe hat zwar getagt, es liegen aber keine Berichte über Ergebnisse dieser Gruppe vor, sodass ich diese Frage ebenfalls nach Einholung einer entsprechenden Auskunft schriftlich beantworten werde.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir kommen nun zur 6. Anfrage, 1137/M.

Ich ersuche Herrn Bundesrat Alfred Schöls, die Frage zu verlesen.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1137/M-BR/01

Welche konkreten Vorhaben sind geplant, damit Frauen beziehungsweise Männer Familie und Beruf besser vereinbaren können?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Frauenfördernde und familienfreundliche Maßnahmen lassen sich von Seiten der Unternehmen nicht durch gesetzliche Auflagen und Einschränkungen erzwingen. Es wird vielmehr darum gehen, die Eigeninitiative der Wirtschaft, den Weg zu höheren Entscheidungspositionen zu ermöglichen. Dies sind betriebliche Frauenförderpläne und familienunterstützende Maßnahmen, die notwendig sind. (Bundesrätin Schicker: Betriebskindergärten! Das wäre was!)

Gleichzeitig müssen aber auch die Möglichkeiten der Fortbildung und Einbindung in das Firmengeschehen, zum Beispiel während der Kinderpause, verstärkt werden, um Frauen den Anschluss und den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu ermöglichen und zu erleichtern. Unternehmerinnen und Unternehmen sollen sich daher auch verstärkt – auch aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten – mit der Situation ihrer weiblichen Beschäftigten auseinander setzen und die Frauenförderung durch Maßnahmen wie die Errichtung von Betriebskindergärten mit bedarfsgerechten Öffnungszeiten, die Unterstützung von Wiedereinsteigern in den Beruf und die Unterstützung von Betreuungspflichtigen mit kranken Angehörigen in ihre betrieblichen Überlegungen mit einbeziehen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk gemeldet. – bitte.

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Staatssekretär! Sie tun sich ganz offensichtlich schwer. Ich werde meine Zusatzfrage so formulieren, dass sie ganz einfach ohne Vorlage und mit dem politischen Sach- und Hausverstand zu beantworten sein wird.

Wie stellen Sie sich eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, von Frauen, Männern und ihren Kindern angesichts der Vorschläge von Bartenstein und Grasser nach längeren Öffnungszeiten, einer Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft und null Schilling im Bundesbudget für Kinderbetreuungseinrichtungen vor?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Ich werde versuchen, diese Frage einfach und auch mit Hausverstand zu beantworten. (Bundesrat Dr. Nittmann: Dass sie es versteht, bitte! – Bundesrätin Mühlwerth: Aber so, dass sie es versteht! – Bundesrat Prähauser: Es ist die Pflicht der Politik, deutlich zu reden!)

Ich darf Ihnen ein Beispiel bringen, das von mir selbst, als ich noch eine Ordination betrieben habe, kommt, und zwar betreffend die Möglichkeiten von kinderfreundlichen, gleitenden Arbeits


Bundesrat
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zeiten. Ich hatte eine Ordination mit Öffnungszeiten von Früh bis Mittag, dann zwei Stunden Mittagspause, und dann ist es wieder bis am Abend weitergegangen. Das hat zum Patientenstau geführt. Es waren alle unzufrieden, und es hat einen ständigen Personalwechsel gegeben.

Wir mussten aufgrund der restriktiven Haltung der Krankenkassen bei Tarifverlust umstrukturieren. Es ist dann eine Assistentin weggegangen, also wir haben um eine weniger gehabt. Heute haben wir von 8 Uhr in der Früh bis 8 Uhr am Abend offen. Wir haben Gleitzeit. Es wartet kein Patient länger als 15 Minuten. Die Damen brauchen keine Überstunden zu leisten, und zusätzlich haben sie noch jeden Monat außertourlich einen Freitag frei, sodass sie auch schon von Freitag an ein langes Wochenende haben. Das heißt, sie gehen Donnerstag Nachmittag aus der Ordination. Das ist meine Vorstellung von einer familienfreundlichen Organisation eines Betriebes.

Das funktioniert mit einer Verlängerung der Arbeitszeiten, mit Kundenfreundlichkeit. Gerade in Österreich sind 300 000 Menschen aufopfernd im Gesundheitsbereich tätig, die keine Möglichkeit haben – wie andere –, mit fixen Arbeitszeiten zu rechnen. Wenn man hier eine lebensbejahende, familienfördernde Struktur organisieren kann, die den Arbeitsplatz zu einem befriedigenden Erlebnis werden lässt, dann muss das auch in der Wirtschaft möglich sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Thomas Ram gemeldet. – Bitte. (Bundesrätin Fuchs: Jetzt wissen wir in seiner Ordination Bescheid!)

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werden Sie sich für einen weiteren Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen einsetzen, und welche Schwerpunkte werden dabei gesetzt?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Mit der so genannten Kindergartenmilliarde – das sind 1,2 Milliarden Schilling für vier Jahre – wurden in den Jahren 1997 bis 2000 insgesamt 23 betriebliche Kinderbetreuungseinrichtungen, Kindergärten und Krabbelstuben, und zwar in sechs Bundesländern, und damit 1 130 neue Betreuungsplätze für Kinder geschaffen. (Bundesrätin Fuchs: Das stimmt! Alte Regierung!)

Es gibt derzeit noch keine flächendeckende Versorgung. Es gibt ein großes Stadt-Land-Gefälle und noch viele Betreuungseinrichtungen, die vor allem hinsichtlich der Öffnungszeiten nicht den Bedürfnissen der Eltern entsprechen. Ich schließe hier durchaus an das vorher Gesagte an; auch hier besteht großer Handlungsbedarf. (Bundesrätin Schicker: Und warum ist nichts im Budget?)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir kommen nun zur 7. Anfrage, 1143/M.

Ich ersuche Herrn Bundesrat Ernst Winter, die Frage zu verlesen.

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1143/M-BR/01

Durch welche Maßnahmen werden Sie sicherstellen, dass im Rahmen der künftigen Organisation der Lebensmittelagentur die Eingriffsmöglichkeiten des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nicht in jenem Ausmaß erfolgen können, wie diese in den Vorschlägen des dortigen Ressorts vorgesehen sind?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Sie wissen, dass der Regierungsbeschluss hinsichtlich einer Errichtung einer Agentur für Ernährungssicherheit besteht, wobei das Wort Agentur nicht im Sinne einer


Bundesrat
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kommerziellen Einrichtung, sondern einer Hoheitseinrichtung verstanden werden sollte. Wir streben die Errichtung dieser Agentur als Körperschaft des öffentlichen Rechtes an, und wir gehen dabei von folgenden Grundsätzen aus:

Wir brauchen eine sparsame und schlanke Organisation, die vor allem eine bessere, koordinierte Arbeits- und Untersuchungsmöglichkeit der Kontrolleinrichtungen verspricht und sicherstellt. Wir werden nicht die bestehenden, bewährten, vorhandenen Untersuchungsanstalten zerstören, sondern wir werden die Agentur auf ihnen aufbauen.

Wir haben bereits gestern im Rahmen des Konsultationsmechanismus diesbezüglich auch mit den Gesundheitsreferenten der einzelnen Bundesländer eine Besprechung gehabt und konnten über alle Grenzen hinweg einen weitgehenden Konsens herstellen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Welche Überlegungen führen Sie zu diesen Abgrenzungstendenzen gegenüber der Landwirtschaft?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Gerade die Einrichtung einer Agentur für Ernährungssicherheit zeigt, dass im Grunde keine Abgrenzungstendenz besteht, sondern das Wesentliche ist, dass ein gemeinsames Zusammenführen der Kräfte vorliegt, dass aber auf der anderen Seite darauf geachtet werden muss, dass hoheitsrechtliche Aufgaben von der entsprechenden Institution wahrgenommen werden. Es kann nicht zweckmäßig sein, wenn sozusagen der Produzent gleichzeitig auch Kontrollor ist. Das heißt, es muss innerhalb der Agentur eine klare Aufgabenzuteilung erfolgen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Leopold Steinbichler gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Welche Schwerpunkte werden Sie setzen, damit Rindfleisch aus österreichischer Produktion nicht weiter völlig ungerechtfertigt durch eine unbegründete Medienhysterie in Verruf gerät? – Ich denke besonders an die Unsitte, dass Lebensmittel in den Supermärkten als Lockartikel angepriesen werden, was besonders die Bereiche der öffentlichen Küchen, Schulen oder Spitäler betrifft. Man muss bedenken, dass es in Österreich auch nach 20 000 Proben noch immer keinen BSE-Fall gibt und österreichisches Rindfleisch nicht nur beste innere Qualität hat, sondern auch strengstens kontrolliert wird.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Es ist dies eine Frage, die ich nur partiell beantworten kann, da sie zum Großteil in das Ressort des Landwirtschaftsministers fällt. Wir haben inzwischen sogar noch mehr Proben, die negativ sind. Wir sind jetzt bei über 21 000 negativen Proben. Es zeigt sich auch, wie effizient die entsprechenden Anstalten arbeiten, denn es wird praktisch innerhalb von 24 bis 48 Stunden jede Probe bearbeitet, sodass sich zwischen der Zahl – ich habe mir das in den letzten Tagen angeschaut – der eingereichten und der abgewickelten Proben maximal eine Differenz von 70 bis 80 ergibt – und das bei dieser sehr großen Zahl!

Wenn Sie die heutigen Schlagzeilen der Boulevardpresse lesen, dann wissen Sie, dass sich Österreich sehr exponiert hat. Wir sind aber auch in guter Gesellschaft, weil es auch noch Schweden und Finnland gibt, die in gleicher Weise nicht einsehen, dass sie mit den etwas – auch aus meiner persönlichen Sicht – überschießenden Maßnahmen seitens der EU zufrieden sind. Ich glaube, dass man versuchen sollte, auch mit einem staatsübergreifenden Lobbyismus


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innerhalb der EU tätig zu werden, damit nicht jene Länder, die sich im Grunde genommen, aus welchen glücklichen Umständen auch immer, vorbildhaft entwickelt haben, zum Handkuss kommen, während jene, die die derzeitige Lage letztlich verursacht haben, dann wie Phönix aus der Asche steigen. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Präsident Ing. Gerd Klamt: Es gibt keine weitere Zusatzfrage.

Ich komme zur 8. Anfrage, 1138/M.

Ich ersuche Frau Bundesrätin Maria Grander, die Frage zu verlesen.

Bundesrätin Maria Grander (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1138/M-BR/01

Welche Maßnahmen sind zur Verringerung der immer größer werdenden Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen geplant?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Sie sprechen ein Thema an, das mir, seit ich berufstätig bin, selbst ein Herzensanliegen ist, weil ich als Arzt in einem Bereich tätig bin, der überwiegend von Frauen gestaltet wird. Man sollte meinen, dass es hier noch am einfachsten wäre, gleiche Bedingungen für gleiche Arbeit herzustellen. Aber nicht einmal in diesen Bereichen ist es zur Gänze möglich.

Ich habe mich schon in meinem gesamten vorhergehenden Berufsleben dafür eingesetzt, Unterschiede zwischen Frauen und Männern tunlichst zu vermeiden. Ich habe mich zum Beispiel immer geweigert, einem Assistenten mehr zu bezahlen, auch wenn er mehr gefordert hat, als einer Assistentin, noch dazu, da die Verlässlichkeit – ich will jetzt nicht Männer diskriminieren – bei Frauen durchaus in hohem Maß und vielleicht sogar in höherem Maß gegeben ist.

Frauen sind daher im Erwerbsleben nach wie vor massiven Benachteiligungen ausgesetzt. Ich glaube, es ist auch den letzten 30 Jahren einer sozialdemokratischen Vorherrschaft nicht gelungen, auch nur annähernd eine gewünschte Besserung herbeizuführen. Es ist aber ein ganz massives Anliegen dieser Regierung, das tatsächlich umzusetzen. Sowohl der Herr Minister als auch meine Person werden alles unternehmen, um hier grundsätzliche Verbesserungen einzuführen.

Es ist aber in der kurzen Zeit auf Grund dieses Aufholbedarfs im Grunde auch noch nicht sehr viel außer verbalen Statements und Bekenntnissen umzusetzen möglich gewesen. Es ist aber auch zu sagen, dass der Abbau von Einkommensunterschieden natürlich auch eine Frage der Sozialpartner ist, die in erster Linie gefragt sind, weil sie die Wirtschaft in der Hand und Möglichkeiten haben, mittels Verhandlungen Verbesserungen herbeizuführen; das Ministerium hat bestenfalls legislative Möglichkeiten, aber diese sind im Grunde schon geschaffen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesrätin! Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Maria Grander (ÖVP, Tirol): Welche Schritte sind zur Förderung von Betriebskindergärten, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen wesentlich erleichtern, geplant?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Bei der vorhergehenden Frage habe ich ausgeführt, dass seitens des Bundes bis zum Jahr 2000 Mittel zur Verfügung gestanden sind, um eine Ausweitung durchführen zu


Bundesrat
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können. Es ist in dieser Zeit gelungen, über Tausend neue Plätze zu schaffen. Es wird dies sicherlich in verstärktem Maße fortgesetzt.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Es tut mir unendlich Leid, dass mir die Geschäftsordnung nicht erlaubt, diese Widersprüche aufzuklären. Nur eine Frage: Sie haben eingangs in einer der ersten Anfragebeantwortungen auf die Bedeutung des Wiedereinstiegs hingewiesen und jetzt in dieser Anfragebeantwortung ausgeführt, dass diese Regierung außer positiven verbalen Ankündigungen noch nichts umgesetzt hat.

Ich frage Sie, wie Sie in dem Zusammenhang den Wegfall der Weiterbildungskarenz, der Möglichkeit nach dem Karenzurlaub sehen, der meiner Einschätzung nach in diesem Bereich einen ganz massiven Einschnitt in dieses Problem betreffend gleiche Bezahlung für gleiche Leistung bedeutet.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.


Bundesrat
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Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck:
Die Maßnahmen, die hier geplant sind, sind vor allem, wie ich auch schon ausgeführt habe, in den Möglichkeiten der verstärkten Berufsausbildung zu suchen. Dies trifft vor allem für den Bereich der sogenannten neuen Technologien zu, in dem ein besonderer Mangel hinsichtlich Einstiegsmöglichkeiten für Frauen besteht. Auch dort liegt eine Ursache, nämlich dass sich das Gesamtbild dieser Kluft zwischen den Einkommensunterschieden von Männern und Frauen verstärkt.

Ein Grund ist natürlich auch, dass es im Bereich der Frauenbeschäftigung viel mehr Teilbeschäftigte gibt, viel mehr geringfügig Beschäftigte. Hier sind sozusagen die Möglichkeiten auch etwas reduziert.

Wir haben das, was wir bis jetzt in Bezug auf die so genannten neuen Berufsbilder gemacht haben, in Form – damit hat auch schon Frau Ministerin Sickl begonnen – eines Frauentechnologieprogrammes präsentiert, wobei es darum gegangen ist, konkrete Maßnahmen zur Steigerung des derzeit noch sehr geringen und verschwindend kleinen Frauenanteils in diesen zukünftigen Berufen auszuarbeiten.

Wir möchten mit einem umfassenden österreichweiten Programm mehr Unternehmen anregen, mehr Frauen vor allem in diesen neuen Berufsfeldern einzustellen, im Rahmen der Karenz die Möglichkeiten ihrer Aufstiegschancen zu verbessern und ihnen neue zu eröffnen (Bundesrätin Fuchs: Konkret!) und vor allem auch die Akzeptanz der Anstellung der Frauen in diesen Bereichen zu verbessern. (Bundesrätin Kainz: Herr Präsident! Das wollte ich eigentlich nicht hören! Meine Frage an Sie – wenn ich die Frage noch einmal stellen darf – ...!)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Es gibt keine weitere Zusatzfrage. (Bundesrätin Kainz: Ich werde eine schriftliche Anfrage stellen, um die Geschäftsordnung nicht zu strapazieren!) – Danke. (Staatssekretär Dr. Waneck: Ich möchte noch dazu sagen, ich würde ersuchen, ...! – Bundesrat Konecny: Sie auch nicht, Herr Staatssekretär! – Landeshauptmann Dr. Haider: Nicht so scharf mit einem jungen Staatssekretär!)

Ich komme zur nächsten Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth, bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! In Bezug auf die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen haben wir eine Altlast der vorangegangenen Regierungen unter sozialdemokratischer Führung zu tragen. Ein Grund für diese Einkommensunterschiede besteht auch in der Berufswahl von jungen Mädchen und Frauen. Meine Frage lautet daher: Plant das Ministerium diesbezüglich Maßnahmen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Wir sehen die Frauenpolitik als integrativen Bestandteil einer Gesamtpolitik, die nicht alleine von einem Ministerium wahrgenommen werden kann. In diesem Sinne sind auch Teile dieser Frage an andere Ministerien, zum Beispiel an das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, zu richten.

Das heißt, dass Veränderungen vor allem im Sinne des sogenannten Gender Mainstreamings in die Zuständigkeiten aller Ressorts fallen und damit Angelegenheiten der gesamten Bundesregierung sind. In diesem Sinne werden wir aber trotzdem versuchen, die im unteren Ressort angesiedelten Tätigkeiten federführend wahrzunehmen und eine interministerielle Arbeitsgruppe zu initiieren, um diese Maßnahmen voranzutreiben.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir kommen zur 9. und letzten Frage, 1140/M.

Ich ersuche Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth, die Frage zu verlesen.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1140/M-BR/01

Welche konkreten Maßnahmen plant das Ministerium zur Förderung der Gleichbehandlung von Mann und Frau?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Ich habe bereits in der vorhergehenden Anfragebeantwortung darauf hingewiesen, dass wir eine entsprechende interministerielle Arbeitsgruppe einsetzen, um vor allem die Ziele im Bereich des Gender Mainstreamings in Österreich umzusetzen. Wir haben im Rahmen der EU-Tagung gesehen, dass wir durchaus auf dem richtigen Weg liegen. Wir werden auf Grund der sicherlich bestehenden Benachteiligung von Frauen diese notwendige Fortsetzung einer eigenständigen Frauenpolitik auch auf diesem Weg erweitern und im Sinne des dualen Ansatzes einen zweiten Weg zur Verfolgung frauenpolitischer Ziele wahrnehmen.

Wir werden an der uns übertragenen Koordinationskompetenz in Frauenangelegenheiten ebenso wie an der Umsetzung des sehr ambitionierten frauenpolitischen Kapitels unseres Regierungsprogramms arbeiten und werden dabei sowohl impulsgebend als auch koordinierend tätig sein.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Uta Barbara Pühringer gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Für Frauen, die sich diskriminiert fühlen und sich deshalb an eine Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden wollen, ist es sicherlich nicht unwichtig, ob derartige Anlaufstellen in halbwegs erreichbarer Entfernung sind. Daher meine Frage: Ist geplant, neben Wien und Tirol – ich glaube, eine dritte Stelle ist gerade für die Steiermark ausgeschrieben – eine weitere Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwaltschaft vorzunehmen? – Ich denke da konkret an mein Bundesland Oberösterreich.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Wir haben diese Frage bereits unter Frau Bundesministerin Sickl besprochen. Es war die einhellige Meinung, dass – ähnlich wie in anderen Servicebereichen – die regionale Erreichbarkeit dieser Einrichtungen verbessert werden muss. Es ist dies aber auch eine Sache


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der Bundesländer, das heißt, es gibt keine alleinige Entscheidungsmöglichkeit des Bundes. Wir werden uns aber dafür einsetzen, dass eine solche Verbesserung stattfindet, und zwar nicht nur für Oberösterreich.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Brunhilde Fuchs gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Es gibt im Bundesdienst die Möglichkeit, auf Teilzeitarbeit umzusteigen. Viele Frauen haben auch bis jetzt von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Nunmehr gibt es diese Möglichkeit de facto nicht mehr. Es werden nämlich keine Ersatz- oder Ergänzungsarbeitskräfte eingesetzt. Das heißt, andere Kolleginnen und Kollegen müssen diese Stundenreduzierung abfangen und diese Arbeit zusätzlich übernehmen. Welchem Druck und welcher Benachteiligung Frauen dabei ausgesetzt sind, brauche ich, so glaube ich, jetzt nicht darzustellen, das kann sich jeder vorstellen. Welchen Verbesserungsvorschlag beziehungsweise Lösungsvorschlag hat der Frauenvertreter für dieses Problem?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Sie bringen mir ein Problem nahe, das ich in dieser Form nicht nachvollziehen kann. Mir sind keine diesbezüglichen Meldungen aus dem Ministerium bekannt. Ich selbst habe mir gestern anlässlich des Valentinstags die "angenehme Mühe" gemacht, sämtliche meiner Abteilungen zu besuchen, und ich habe in keinem einzigen Fall eine solche Situation vorgefunden. (Bundesrätin Fuchs: Das ist ja Faktum!)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Die Fragestunde ist damit beendet. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Erklärung des Landeshauptmannes von Kärnten

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nun zur Erklärung des Herrn Landeshauptmannes von Kärnten Dr. Jörg Haider betreffend Reform des Bundesstaates aus der Sicht des südlichsten Bundeslandes.

Bevor ich dem Herrn Landeshauptmann das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne weiteres stattgeben.

Ich erteile nunmehr dem Herrn Landeshauptmann zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte.

10.28

Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass ich mir erlaube, heute vor dem Bundesrat eine Erklärung abzugeben, hat einen doppelten Hintergrund: Einerseits möchte ich es als Vertreter des südlichsten Bundeslandes so halten, wie ich es vor zehn Jahren schon getan habe, nämlich den Bundesrat in regelmäßiger Folge von der Entwicklung des eigenen Landes zu berichten beziehungsweise auf unsere Probleme hinzuweisen.

Ich tue dies auch vor dem Hintergrund, dass das Bundesland Kärnten vor nicht allzu langer Zeit die 80. Wiederkehr der Kärntner Volksabstimmung gefeiert und damit auch im Rahmen eines demokratischen Aktes sichtbar den Beweis für die Verbundenheit mit Österreich und der Gesamtrepublik geleistet hat, als – wie der Herr Präsident heute schon in seiner Rede erwähnt hat – vor etwa 80 Jahren die junge Republik Österreich durchaus nicht unumstritten und es sehr offen gewesen ist, wie eine demokratische Volksabstimmung im südlichen Teil Österreichs bei


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der damaligen politischen Lage ausgehen würde. Dass sich die Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit für den Verbleib bei Österreich entschieden hat, ist auch von den führenden Institutionen der Republik – vom Nationalrat, von der Bundesversammlung, von der Bundesregierung – entsprechend begrüßt und akklamiert worden – mit dem Hinweis, dass man das der Kärntner Bevölkerung niemals vergessen würde.

Unter diesem Gesichtspunkt hat natürlich auch das Bundesland Kärnten immer wieder Erwartungshaltungen gegenüber dem Bund und der Bundespolitik und geht auch davon aus, dass sich der Bundesrat nachhaltig für die Entwicklung der einzelnen Bundesländer stark macht und einsetzen wird – dies umso mehr, als das Bundesland Kärnten in seiner geschichtlichen Entwicklung so etwas wie eine vernachlässigte Habsburger Provinz gewesen ist und daher auch bis in unsere heutigen Tage immer wieder entsprechende Aufholbedürfnisse artikuliert hat. (Präsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Der Aufholprozess gelingt einigermaßen. Wir können sagen, dass wir gerade in der aktuellen Situation, etwa gemessen am Arbeitsmarkt, derzeit die beste Beschäftigungslage seit 1945 haben, was sich in der Arbeitsmarktentwicklung in den nächsten Monaten auch verfestigen wird.

Wir haben aber auch begonnen, unsere strukturellen Probleme, die genauso wie auf der Bundesebene im budgetären Bereich gegeben sind, zu sanieren, und haben ein anspruchsvolles Entschuldungsprogramm eingeleitet, das nicht nur die Nettoneuverschuldung in den nächsten zwei Jahren gegen Null reduzieren soll, sondern das vor allem auch die aufgelaufenen Landesschulden abbauen soll, ohne dass die Bevölkerung durch Mehrbelastungen oder durch zusätzliche Leistungen einen Beitrag dazu leisten muss. (Bundesrat Marizzi: Verkauf von Volksvermögen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Weil der Einwurf "Verkauf von Volksvermögen" kommt, darf ich darauf verweisen, es gibt einstimmige Beschlüsse im Kärntner Landtag und in der Kärntner Landesregierung (Beifall bei den Freiheitlichen), um diese Maßnahmen zu setzen (neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ)  – selbstverständlich auch mit der Zustimmung der Fraktion der Sozialdemokraten! –, genauso wie es einstimmige Beschlüsse gegeben hat, um das umstrittene und vor der Landtagswahl umkämpfte Kindergeld beziehungsweise das Kinderbetreuungsgeld einzuführen.

Diesbezüglich hat das Bundesland Kärnten jetzt sozusagen eine Vorreiterrolle übernommen, um den Müttern mit kleinen und Kleinstkindern, die die Probleme der Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Verpflichtung haben, eine entsprechende Hilfestellung zu geben. Ich bin sehr froh darüber, dass die österreichische Bundesregierung in ihrem Programm auch die Bereitschaft signalisiert, ab dem Jahre 2002 dieses Kindergeld österreichweit einzuführen und damit vielen Frauen und Müttern eine wirksame Hilfe zuteil werden zu lassen, damit sie sich flexibler zwischen Beruf und Familie entscheiden können, weil zum Unterschied vom Karenzgeld beim Kindergeld, wie Sie wissen, keine Verpflichtung besteht, nicht zu arbeiten und zu Hause zu bleiben, sondern die Frau in diesem Fall eine echte Entscheidungsfreiheit hat, was ich auch als einen qualitativen Fortschritt bezeichnen möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wir befinden uns aber auch in Bezug auf unsere geopolitische Lage durchaus in einer guten Entwicklung hinsichtlich der einstmals doch sehr schwierigen Grenzsituation zu unseren Nachbarn, weil die Initiativen zur Durchführung einer gemeinsamen Olympiabewerbung dazu geführt haben, dass wir in der Folge eine sehr intensive und gute Kooperation mit unseren Nachbarn begonnen haben, um unter dem Titel "Senza Confini" eine Zusammenarbeit auch mit unseren südlichen Nachbarn – sowohl mit Friaul-Julisch-Venetien als auch mit Slowenien – zu Stande zu bringen – und das auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung, die mit diesen Ländern abgeschlossen worden ist.

Das heißt aber nicht, dass ich dem Bundesrat verhehlen möchte, dass es selbstverständlich auch in meinem Bundesland große Befürchtungen und ernst zu nehmende Sorgen über das Tempo und den Umfang der sich abzeichnenden Erweiterung der Europäischen Union gibt, und man sollte diese Sorgen und Ängste nicht gering schätzen.


Bundesrat
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Ich bin mir dessen bewusst, dass man in Österreich immer dazu geneigt hat zu sagen, diese Osterweiterung bringe uns primär Chancen. Ich gehe den vorsichtigeren Weg und sage, es sind Chancen und Risiken damit verbunden. Vor allem muss man jene Bundesländer verstehen, die mehr Risiken sehen, da sie sich in unmittelbarer Grenznähe befinden. Da Österreich jener Staat innerhalb der Europäischen Union ist, der die längste gemeinsame Grenze mit den potenziellen Mitgliedstaaten hat, sollten wir die Fragen, die dabei zu klären sind, sehr ernsthaft behandeln, denn sie können letztlich, wenn sie unsachgemäß entschieden werden, zu einem Rückschlag der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in einzelnen Bundesländern führen.

Als man vor wenigen Jahren noch darüber diskutiert hat, ob es überhaupt zulässig ist, Gedanken darüber anzustellen, dass eine Osterweiterung auch entsprechende Übergangsfristen, etwa auf dem Arbeitsmarkt, braucht, hat es immer wieder geheißen, dass das sozusagen ein europafeindlicher Gedankengang sei.

Heute, spätestens nach der Erklärung des deutschen Bundeskanzlers Schröder, der plötzlich auch für mindestens siebenjährige Übergangsfristen auf dem Arbeitsmarkt eintritt, sind wir so weit, dass wir wissen, dass diese auch von mir immer wieder artikulierten Notwendigkeiten offenbar ihre Berechtigung haben, und dass wir davon ausgehen müssen, dass jeder Schritt zur Erweiterung der Europäischen Union auch vor dem Hintergrund zu erfolgen hat, dass das nicht um den Preis des Verlustes von Arbeitsplätzen und Beschäftigungsmöglichkeiten für heimische Beschäftigte in Österreich passieren darf, sondern dass das in einer Weise erfolgen muss, mit der keine Konkurrenz durch Billigarbeitskräfte für etablierte Facharbeiter in Österreich entsteht, worauf ich mit aller Deutlichkeit hinweisen möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben aber auch ein weiteres Problem, das sich bei all jenen Bundesländern abzeichnet, die, so wie Kärnten, durch eine Randlage und Grenzlandsituation herausgefordert sind, und zwar die Situation in der Landwirtschaft. Die Erweiterung der Europäischen Union würde zweifelsohne auch auf dem Sektor der Landwirtschaft einen erheblichen Anpassungsbedarf und auch Anpassungsprobleme mit sich bringen. Gerade unter dem Eindruck der BSE-Krise sollte man nicht verhehlen, dass es zusätzliche Gefahrenmomente gibt, denn wir wissen ganz genau, dass das jetzige Marktentlastungsprogramm, das die EU durch so genannte Notschlachtungen von Millionen von Tieren versucht, letztlich auch vor dem Hintergrund gesehen werden kann, dass man offenbar für den zukünftigen starken Agrarmarkt der Osthandelsländer in Europa ein bisschen Platz machen will. Aber auch das kann nicht der Weg einer Landwirtschaftspolitik sein, die die bodenverbundene Landwirtschaft in unseren Regionen unterstützt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Dritten glaube ich, dass wir darauf hinweisen sollten, dass die europäische Weiterentwicklung selbstverständlich auch in unseren Ländern entsprechende Investitionen in die Infrastruktur notwendig macht. So sehr ich verstehe, dass es in den vergangenen Jahrzehnten eine entsprechende offensive Investition in die Infrastruktur der Ost-West-Achse gegeben hat, so wichtig erscheint es mir doch, darauf hinzuweisen, dass es auch südliche Bundesländer gibt, die selbstverständlich auch das Recht haben, bei einer sich verändernden europäischen Gesamtsicht im Bereich der Infrastruktur so ausgestattet zu sein, dass sie mit ihren zukünftigen neuen Nachbarn, aber auch Mitkonkurrenten wettbewerbsfähig sein können.

Das erfordert zweifelsohne einen erheblichen Investitionsaufwand für die Infrastruktur, wobei es um einen Nachholbedarf vor allem für die südlichen Bundesländer Steiermark und Kärnten geht – dies umso mehr, als in den letzten Jahrzehnten keine ernsthafte Verkehrspolitik betrieben worden ist, die auf diese veränderte Situation Rücksicht genommen hat.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass die Vorgängerregierung – persönlich durch den damaligen Bundeskanzler Mag. Klima – der so genannten Korridor-5-Lösung zugestimmt hat. Das heißt, dass die EU-Achse in Richtung Osteuropa, Südosteuropa an Österreich vorbeigehen soll, sozusagen im Süden an Österreich über den slowenischen, kroatischen und ungarischen Bereich vorbeigehen soll, womit eine wesentliche Verkehrsachse, die auch eine Entwicklungsachse für die österreichischen Bundesländer Steiermark, Kärnten, Burgenland und Niederösterreich dar


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stellen würde, an uns vorbeiführt, also sowohl mit der Bahn als auch mit der Straßenverkehrsinfrastruktur umfahren wird.

Das ist ein gefährliches Vorgehen, auf das ich hinweise, und daher können wir nur ein gemeinsames Interesse daran haben, dafür zu sorgen, dass, bevor dieser Korridor 5 Wirklichkeit wird, die Verkehrswege sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene entsprechend ausgebaut werden.

Die Italiener haben entsprechende Vorinvestitionen getätigt, sind mit der Pontebbana bis zur Staatsgrenze auf der Eisenbahnebene perfekt ausgebaut, und es müsste jetzt unsere Aufgabe sein – ob die Lösung Semmering oder Koralm heißt, ist im Prinzip sekundär –, eine hochleistungsfähige Verkehrsinfrastruktur im Wege der Schiene auch mit anzubieten. Das war der Grund, warum wir auch in Verhandlungen mit Frau Verkehrsministerin Forstinger darauf gedrängt haben, dass es jetzt zu einem Spatenstich für die Koralmbahn kommen muss, um die Ernsthaftigkeit in Bezug auf die Investition von solch großen Verkehrsprojekten zu Gunsten Österreichs und seiner wirtschaftlichen Entwicklung zu signalisieren.

Wir haben daher auch unter diesem Gesichtspunkt Ihre Unterstützung zu erbitten, dass Sie dafür Verständnis haben, dass selbstverständlich auch die sehr kostspielige Verkehrsinfrastruktur nicht exklusiv auf einige wenige Bundesländer reduziert sein kann, sondern dass es auch im gesamteuropäischen Verkehrsverbund entsprechende Prioritäten zu setzen gilt, worauf ich als Landeshauptmann des südlichsten Bundeslandes auf Grund der gegebenen Situation hinweisen möchte.

Der zweite Grund, warum ich gerne hier das Wort ergreife, ist, dass ich Ihnen sehr dankbar dafür bin, dass Sie den Landeshauptleuten die Gelegenheit einräumen, hier zu sprechen, denn sie tun das nicht als Konkurrenten und Vertreter der Landeshauptleutekonferenz – und als deren derzeitiger Vorsitzender spreche ich heute in meiner Stellungnahme auch für sie –, sondern wir betrachten uns als Partner, wir betrachten uns, so wie es der neue Präsident gesagt hat, als eine Einheit, die stark genug sein könnte, um auch unter dem Gesichtspunkt des Föderalismus ein bisschen etwas zu bewegen.

Gerade als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz darf ich den Bundesrat darauf hinweisen, dass wir uns – erstmals in der Geschichte des Föderalismus – einen konkreten Zeitplan für die Lösung von seit vielen Jahren diskutierten Problemen vorgegeben haben.

Im neuen Finanzausgleich wurde nämlich vereinbart, dass im Jahre 2001 innerhalb von sechs Monaten ein so genanntes Strukturpaket verhandelt werden muss, und zwar zwischen den Gebietskörperschaften, also nicht nur zwischen Bund und Ländern, sondern auch mit den Gemeinden. Dieses Strukturpaket ist auszuverhandeln, um im Sinne der Verwaltungsreform einen Einsparungserfolg in der Höhe von etwa 3,5 Milliarden Schilling zusätzlich zu Stande zu bringen. Das ist Bestandteil des Paktums des Finanzausgleichs, das unter dem Vorsitz des früheren Landeshauptmannes Dr. Stix mit seinen Mitstreitern verhandelt worden ist.

Dieser Finanzausgleich setzt uns sozusagen unter einen zeitlichen Druck, eine entsprechende Verwaltungsreform in Gang zu setzen. Ich weiß, dass der Anfang sehr schwierig ist, denn in Österreich besteht zweifelsohne, wenn es um die Verwaltung geht, eine gewisse Tendenz zur Reformverweigerung. Ich darf nur darauf verweisen, dass eine der Vorgängerregierungen in den neunziger Jahren etwa 110 Millionen Schilling für Gutachten über eine Verwaltungsreform ausgegeben hat, die irgendwo gelagert sind und nicht mehr das Licht der Welt erblickt haben. Darin sind zweifelsohne viele Vorstellungen enthalten, die notwendigerweise einer Umsetzung bedürfen.

Wir wissen, dass diese Reformverweigerung, die es zweifelsohne in Bezug auf die Verwaltungsreform gibt, auch damit zu tun hat, dass von Anbeginn an – darauf hat der Präsident in seiner Rede auch heute schon Bezug genommen – eigentlich ein gewisses Ungleichgewicht in der gesamtstaatlichen Stellung zwischen Bund und Bundesländern geherrscht hat. Dieses Ungleichgewicht äußert sich erstens darin, dass die judikative Gewalt zu 100 Prozent auf der Seite des Bundes angesiedelt ist; die gesamte Gerichtsbarkeit ist Bundessache. Es äußert sich


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zweitens darin, dass auch die Legislative ein eindeutiges Übergewicht gegenüber den Kompetenzen und den Mitbestimmungsmöglichkeiten der Landesebene, insbesondere der Landtage aufweist.

Ich brauche gar nicht darauf zu verweisen, wie kompliziert dieses System durch die Grundsatzgesetzgebung und durch die Kompetenzkompetenz geworden ist, die beim Bund angesiedelt ist, womit er zweifelsohne immer am längeren Ast sitzt.

Das hat auch dazu geführt, dass vielfach die Existenz und die Funktionsweise des Bundesrates immer wieder in Zweifel gezogen worden sind, weil dieses Übergewicht der Legislative des Gesamtstaates sehr deutlich sichtbar ist. Ich glaube, dass es gut ist, wenn diese Dinge problematisiert werden, denn in einer Zeit, in der auch die öffentlichen Institutionen eine Spargesinnung beobachten müssen, muss gegenüber der Bevölkerung deutlich gemacht werden, welchen Wert und welche Wirkungsweise öffentliche Institutionen einbringen, damit auch der Beweis erbracht wird, dass sie nicht entbehrlich sind. Ich glaube, darum geht es auch, und daher sollten auch die verwaltungsreformatorischen Überlegungen so gesehen werden.

Drittens ist sicherlich auch die exekutive Gewalt nicht gleichmäßig zwischen Bund und Ländern aufgeteilt, weil es diesen Weisungszusammenhang des Artikels 102 der Bundesverfassung gibt, der nicht nur im Wege der mittelbaren Bundesverwaltung auch die zentralen Landeseinrichtungen und Landesorgane unter ein Weisungsgebot des Bundes und der zuständigen Ministerien stellt.

Ein "wunderbarer" Fall in dieser Richtung ist etwa die Konsequenz, die das Landwirtschaftsministerium aus einem OGH-Urteil des Jahres 1999 gezogen hat, indem es etwa an den Landeshauptmann von Kärnten als dem Vertreter des öffentlichen Wassergutes, als zuständigem Organ der mittelbaren Bundesverwaltung im Bereich des öffentlichen Wassergutes, einen Erlass geschickt hat, in welchem festgestellt wird, dass es aufgrund des OGH-Urteils keine verbindlichen Fischereikataster mehr gibt. Das heißt, Menschen, die jahrzehntelang im Vertrauen darauf, dass die Eintragung in den Fischereikataster für sie auch das entsprechende Recht bedeutet, gehandelt haben, sehen sich plötzlich damit konfrontiert, dass im Erlasswege mitgeteilt wird, diese Fischereirechte existieren nicht mehr. Sie sind nur dann rechtsverbindlich, wenn eine entsprechende Eintragung im Grundbuch im Lastenblatt C stattgefunden hat oder wenn entsprechende Urkunden hinterlegt worden sind.

Sie müssen sich vorstellen, was das für Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende Menschen in Österreich bedeutet, die diese Fischereirechte in der Tradition ausgeübt haben, die Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und Gebühren bezahlt und für den ökologischen Besatz der Fließgewässer und der stehenden Gewässer gesorgt haben, wenn jetzt plötzlich durch einen Erlass eine riesige Rechtsunsicherheit entsteht. Als Landeshauptmann muss man sich die Frage stellen: Soll und muss man einer solchen Weisung von oben Rechnung tragen, die in Wirklichkeit mehr Unheil stiftet, als Positives zur Rechtssicherheit in diesem Lande beizutragen?

Das sind die tatsächllichen Schwächen eines Systems, die man nicht ignorieren sollte. Daher glaube ich, dass wir jetzt gut beraten sind, diese Verwaltungsreform in Angriff zu nehmen, wobei ich weiß, dass natürlich alle Kompromisse in Österreich eine sehr lange Lebensdauer haben. Alles, was kompromissmäßig angelegt ist, ist meistens auf Dauer fixiert. Das haben wir bei der Verfassungsurkunde selbst gesehen, die ein Kompromiss des Jahres 1920 gewesen ist und daher eine relativ lange Lebensdauer hat, wie das in Österreich einfach zum Stil der Entwicklungen gehört.

Es ist aber auch anzumerken, dass wir im Bereich der Verwaltungsreform bisher deswegen so wenig weitergebracht haben, weil der bürokratische Zentralismus, der nun einmal überall zu Grunde gelegt ist, auch zu einer gewissen Lähmung der Reformgeister geführt hat, weil sich eine gewisse Hoffnungslosigkeit auch bei jenen, die Veränderungen als etwas Positives gesehen haben, breit gemacht hat – Hoffnungslosigkeit dann, wenn man sieht, wie bürokratischer Zentralismus das Leben in diesem Staate eigentlich täglich kompliziert und schwieriger macht, anstatt sinnvolle, geordnete, transparente Verwaltungsabläufe zu gewährleisten.


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Denken Sie nur zum Beispiel daran, dass heute die Einstellung einer Sekretärin im Landesschulrat eine Entscheidung ist, die das Ministerium und nicht der eigentlich zuständige Landesschulrat zu treffen hat! Denken Sie nur daran, wenn Sie einen Gärtner in irgendeinem Schulbereich einsetzen wollen, dann ist das eine ministerielle Entscheidung, die über viele Monate hin und her gewälzt wird!

Denken Sie daran, dass wir zwar eine Universitätsautonomie haben, die einstmals erkämpft worden ist und als eine große Errungenschaft des liberalen Verfassungsstaates gegolten hat – es wurde gefeiert, dass es die starke Autonomie der hohen Schulen gibt –, dass diese Autonomie aber inzwischen sehr stark an die kurze Leine des Zentralstaates genommen worden ist. So musste etwa die Karenzvertretung eines Universitätsassistenten so lange hin und her geschoben werden, dass sie letztlich sogar zu einer Entscheidung der Bundesregierung geworden ist.

Oder die Berufung eines Universitätsassistenten hat hinsichtlich seines Anstellungsvertrages insgesamt ein Jahr und fünf Monate gedauert, bis das zuständige Bildungsministerium dann eine ohnedies als "No-na"-Entscheidung zu bezeichnende Fixierung getroffen hat.

Wer sich das anschaut, der weiß, dass die Praxis im täglichen Verwaltungsvollzug nicht nur undurchschaubar, sondern meines Erachtens auch untragbar geworden ist. Deshalb sollte man jetzt die Chancen für die Staatsreform nutzen und jene Dinge in Angriff nehmen, die einfach nicht mehr logisch sind oder in einer modernen Verwaltungsorganisation nicht mehr zeitgemäß erscheinen, um auch mit einer Wettbewerbsordnung in der Privatwirtschaft Schritt halten zu können.

Dabei geht es nicht um die großen Entwürfe wie eine gesamte Bundesstaatsreform, die in einem Perchtoldsdorfer Paktum fixiert wird, aus dem dann ohnedies nichts wird, sondern es geht vielmehr darum, in den nächsten sechs Monaten konkrete überzeugende Schritte zu Stande zu bringen, die sowohl den Ländern wie auch dem Bund das Leben etwas erleichtern und den Staatsbürger von unnötigen Belastungen befreien können.

Die Chancen dafür sind gut – einerseits weil wir uns selbst die Frist gesetzt haben, andererseits weil wir durch die Budgetprogramme innerhalb der Europäischen Union und durch die Maastricht-Kriterien auf allen Ebenen der österreichischen Gebietskörperschaften gezwungen sind, einen schlanken Staat zu organisieren oder ihn schrittweise möglich zu machen, wozu zweifelsohne gehört, dass man Parallelbehörden bei Bund und Ländern, die beide das Gleiche tun oder beide gleichartige Kompetenzen haben, in jedem Fall abschafft.

Denken Sie nur etwa an die Parallelität zwischen den Sozialämtern in den Bundesländern einschließlich der Bezirkshauptmannschaften und Landesregierungen und den Bundessozialämtern, die im Grunde genommen mehr oder weniger parallel nebeneinander arbeiten und zusätzlichen Aufwand verursachen. Denken wir aber auch daran, dass im Bereich der heute gerade in der Fragestunde so lebhaft diskutierten Sozialversicherungsreform ein dringender Handlungsbedarf besteht!

Es gibt immerhin etwa 45 oder 46 Sozialversicherungsträger – einschließlich der 17 Krankenkassenfürsorgeträger, die es für den öffentlichen Dienst noch gibt –, die für ein solch kleines Land eine Vielfalt gewährleisten, die unter dem Gesichtspunkt einer ökonomischen Verwaltung nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Wenn man sich allein den Hauptverband der Sozialversicherungsträger anschaut, in dem es 46 Referate für Fachbereiche gibt, dann sieht man, dass diese eher pro forma angelegt sind, weil sich dort außer einem Referatsleiter, einem Stellvertreter und einer Sekretärin in den meisten Fällen ohnedies nichts mehr abspielt. Wenn Nachbesetzungen notwendig sind, dann passieren jahrelang keine, weil man sich politisch nicht einigen kann, aber ich meine, wenn in der Sache trotzdem kein Fehlbestand spürbar ist, dann ist zweifelsohne auch dort die Legitimation für eine tief greifende Veränderung gegeben.

Zum Dritten glaube ich, dass die Chancen gut stehen, weil durch die neue Bundesregierung und durch eine Neugestaltung der koalitionären Zusammenarbeit zweifelsohne der alte Proporz tot ist, und es sollte auch kein neuer Proporz geschaffen werden. (Bundesrat Gasteiger: Hört,


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hört! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es sollte also die Chance genützt werden, im Rahmen dieser Verwaltungsreform ein Ende des Proporzstaates – ich freue mich, dass die Sozialdemokraten das mit Genugtuung sehen – zu Stande zu bringen (Bundesrätin Schicker: Das stimmt nämlich nicht, Herr Landeshauptmann!), denn dann bin ich mir sicher, meine Damen und Herren, dass auch die Sozialdemokratie im Hohen Haus und im Bundesrat für eine Zweidrittelmehrheit sorgen wird, um die Verfassungsgesetze, mit denen der Proporz fixiert ist, endlich abzuschaffen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Marizzi: Die Botschaft hören wir wohl, allein es fehlt uns der Glaube! – Bundesrätin Fuchs: Keine Blauen mehr! – Bundesrat Würschl: Beim Wort genommen! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Wir haben diesbezüglich gute Chancen, meine Damen und Herren! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben die Chance, mit uns, wenn Sie die Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern gewährleisten, diesen Proporz endgültig zu beseitigen, und das ist die Mutprobe, die Sie hier noch abzulegen haben, damit man erkennt, dass es Ihnen ernst ist.

Meine Damen und Herren! Niemand bestreitet zum Beispiel, dass es einen dringenden Nachholbedarf im gesamten Schulbereich gibt. Im Bundesland Kärnten ist erstmals nach 50 Jahren von der ÖVP und den Freiheitlichen ein Objektivierungsgesetz beschlossen worden, mit dem die proporzmäßige Besetzung der Posten von Schuldirektoren im Pflichtschulbereich beseitigt worden ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Wie bei der Hofreitschule!) Das sind Errungenschaften, die beweisen, dass es besser und anders geht und dass es notwendig wäre, Bezirksschulräte und Landesschulräte, die derzeit nach den politischen Stärkeverhältnissen zusammengesetzt sind, zu beseitigen und dafür einer objektivierten Gesetzgebung das Wort zu reden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Marizzi! Letztlich darf ich noch darauf verweisen, dass die Chancen für eine echte Verwaltungsreform auch deshalb gut stehen, weil wir mit dem EU-Beitritt eine zusätzliche fünfte Verwaltungsebene dazu bekommen haben, die den in Österreich vorhandenen Aufwand in der Form nicht mehr rechtfertigt. Das heißt, diese fünfte Ebene zwingt uns, im eigenen Bereich darüber nachzudenken, ob wir uns all das noch leisten wollen, was es derzeit an Entscheidungshierarchien im eigenen Lande noch gibt.

Das würde bedeuten, dass wir, wenn die Verwaltungsreform Sinn machen soll, in Zukunft Scheinreformen verhindern. Es hat viele Scheinreformen gegeben, die aus kosmetischen Gründen gemacht worden sind. Ich denke etwa daran, dass man eine Menge Gesellschaften gegründet hat, in denen öffentliche Aufträge bearbeitet werden: etwa die Straßengesellschaften, die ASFINAG, die ÖSAG, die SchIG, die Schieneninfrastrukturgesellschaft oder die HL-AG – all das sind Institutionen, die in Wahrheit öffentliches Geld verwalten, zu 100 Prozent im öffentlichen Eigentum sind und wahre Geldvernichtungsmaschinen geworden sind, weil sie sich einer sachgemäßen, auch von der Verfassung vorgesehenen Kontrolle entziehen. Sicherlich werden sie aber für den Lustgewinn von Spitzenbeamten genützt (Beifall bei den Freiheitlichen), denn dort kann man zweifelsohne als Aufsichtsrat ein bisschen wie in einem Trainingscamp die Wettbewerbswirtschaft erproben und sehen, wie es in der Privatwirtschaft zugehen könnte.

Oder denken Sie an die Auflösung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt und die Einführung der Austro Control! Da sind die Gebühren um ein Vielfaches gestiegen, das Service ist nicht besser geworden, und die Zahl der Direktoren ist gestiegen – Direktoren, die sowohl beamtete Verträge als auch privatwirtschaftliche Verträge haben. Die "besondere Leistung" besteht darin, dass die Direktoren jetzt einen eigenen Jet zur Verfügung haben, um von Flughafen zu Flughafen zu fliegen. Aber sonst hat sich dort nichts geändert.

Des Weiteren müssen wir meines Erachtens, wenn wir diese Scheinreformen sehen, auch erkennen, dass einen dabei in den darauf folgenden Jahren immer sehr schnell wieder die Wirklichkeit einholt. Und diese Wirklichkeit ist relativ nüchtern.

Die allgemeine Verwaltung in Österreich ist, wenn man die Kostenaufwendungen in den Budgets betrachtet, um 10 Prozent teurer, als sie in Deutschland ist, und sie ist um 50 Prozent


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kostspieliger als in der Schweiz. Auf 100 Bürger in diesem Lande kommen in Österreich 22 öffentlich Bedienstete, in Deutschland 15 und in der Schweiz 12.

Wenn wir Österreich und das benachbarte Bayern vergleichen wollen, dann wird es besonders augenfällig. Bayern hat etwa 12 Millionen Einwohner, Österreich hat 8 Millionen Einwohner. Bayern hat also um 50 Prozent mehr Einwohner, hat aber um 55 Prozent weniger Spitzenbeamte in den Zentralinstitutionen des Staates. Die bayrische Staatskanzlei hat 380 Beamte, das Bundeskanzleramt 675. Das Ministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst hat in Bayern 600 Beamte, in Österreich 1 200 Beamte. Das Innenministerium hat in Bayern 800 Beamte, in Österreich 1 950. Das Justizministerium hat in Bayern 200 Beamte, in Österreich 285. Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat in Bayern 500 Beamte, in Österreich 1 100. (Zwischenruf von Frau Bundesrätin Fuchs. ) Das Finanzministerium hat in Bayern 450 Beamte, in Österreich 910. (Bundesrätin Fuchs: Und das mit einem blauen Finanzminister?! Das ist ja entsetzlich!)

Das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie hat in Bayern 1 000 Beamte und in Österreich 2 680. Das heißt, die Differenz zwischen 3 930 Spitzenbeamten in Bayern und 8 800 in Österreich sagt, so glaube ich, sehr viel aus. Wenn hier von links ein Zwischenruf gekommen ist, dass all das so fürchterlich sei, dann stimme ich Ihnen absolut zu: Es waren tatsächlich fürchterliche 30 Jahre, in denen Sie die Verantwortung gehabt haben und in denen diese Spitzenbürokratie zustande gekommen ist! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Marizzi, in Richtung ÖVP: Aber die da drüben auch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Meine Damen und Herren! Das müsst ihr euch selbst ausmachen. Ich bin nicht Schiedsrichter!

Meine Damen und Herren! Wir sollten auch erkennen, dass es – was die Wirklichkeit anlangt – in Österreich einen Wildwuchs im Bereich der Bürokratie gibt. Wenn Sie heute in einer Schule eine Trennwand verändern wollen, weil Sie eine zusätzliche Klasse errichten, um IT-Schwerpunkte zu setzen, dann beschäftigt das zwei bis drei Ministerien, und es ist nicht eine Sache der Schulautonomie.

Wenn Sie im Landesschulrat eine Putzfrau einstellen, muss das Ministerium entscheiden. Wenn eine Abdeckung eines Flusses neben einem Kaufhaus in einer Kärntner Bezirkshauptstadt erfolgen soll, bedarf das im behördlichen Verfahren der Anwesenheit des Vertreters der obersten Wasserrechtsbehörde, der sich, eigens von Wien kommend, in den kleinen Kärntner Bezirk begibt, um eine Flussabdeckung von fünf Meter Länge, die einen sicheren Übergang zu einem Kaufhaus gewährleisten soll, zu begutachten und für richtig zu befinden.

All das sind Dinge, die mit Kosten verbunden sind und die wir uns in dieser Form nicht mehr leisten können. Ich denke daher, dass wir unsere Strukturen neu ordnen müssen.

Wir müssen auch erkennen, dass die Gesetzesflut, in die wir hineingekommen sind, einen Abschied vom Rechtsstaat bedeutet. Denn letztlich führt die Unsitte des Regierungsgesetzgebers, die in Österreich Platz gegriffen hat, dazu, dass die zentralen Institutionen der Gesetzgebung – Nationalrat, Bundesrat, Landtage – in Wirklichkeit um ihre Funktionen gebracht und zu Abstimmungsmaschinerien degradiert worden sind, wobei sie das übernehmen müssen, was findige Ministerialbürokratien entwickelt haben und über Gesetzentwürfe und Regierungsvorlagen zum Recht gemacht haben.

Das schafft Probleme insbesondere dort, wo es um tägliches Handeln geht. Nehmen Sie nur die gesamte Finanzgesetzgebung her: Es gibt Finanzgesetze, die so unübersichtlich sind, dass es bereits mit dem ersten Tag, dem Tag ihrer Kundmachung notwendig ist, eine Reihe von Erlässen zu tätigen, um den Beamten die Handhabung zu erläutern. Diese Erlässe haben aber den Nachteil, dass sie nicht kundgemacht werden. Weil sie nicht kundgemacht werden, sind sie nur für die Bürokratie in der Anwendung verbindlich, bieten aber der Entscheidung vor Höchstgerichten keine Grundlage und bedeuten damit eine konkrete Verweigerung des Rechtsschutzes für die Bürger. (Bundesrat Gasteiger: Ihr braucht es nur zu machen! Ihr könnt alles ändern!)


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Ich denke daher, man sollte diese Dinge einmal in Angriff nehmen und nicht nur "Das muss sich halt ändern" sagen. (Bundesrat Gasteiger: Nein, nein, ihr könnt es ändern!) Es ist im Interesse der Bürger, diesen Wildwuchs endlich zu beseitigen. Denn Rechtsstaat heißt, dass der Einzelne darauf vertrauen können muss, dass das, was Gesetz ist, verbindliche Norm ist und nicht der willkürlichen Interpretation durch die Bürokratie unterliegt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher meine ich, dass die Zeit reif ist, diese Reformen in Angriff zu nehmen und dieses kleine Österreich aus dem selbst gesponnenen Kokon herauszuholen, der durch die Verfassungsgesetze, die sonder Zahl in unserer Rechtsordnung fixiert sind, gebildet worden ist. Das ist wiederum eine dringende Einladung auch an die Sozialdemokratie, diese verfassungsgebende Mehrheit zu gewährleisten, wenn es um echte Reformen geht. "Echte Reformen" heißt, dass wir erstens eine Aufgabenreform durchführen müssen, um zu definieren, welche Aufgaben im Kernbereich beim Staat verbleiben sollen und was entbehrlich ist. Darauf baut man die Strukturen auf, und dann entscheidet man, mit welchen Organen die administrative Abwicklung organisiert wird.

Ich nenne nur einige Beispiele. Ein Beispiel ist der Weg in die Dezentralisierung und Konzentration. Wenn Sie heute die Schulbehörden anschauen, dann sehen Sie Landesschulräte und Schulämter parallel nebeneinander. Das eine ist eine Bundesbehörde, das andere sind Landesbehörden. In Wirklichkeit gehören sie zusammen. Die Bundesbehörden sind für die Bundesschulen verantwortlich, aber auch für die Schulaufsicht der Pflichtschulen verantwortlich. Diese Pflichtschulen unterstehen jedoch dem Landesschulamt, das eigentlich Lehrer administriert, die wiederum vom Bund bezahlt werden. Es ist im Grunde genommen eine enorme Vernetzung auch im rechtlichen Zuständigkeitsbereich vorhanden, sodass es überhaupt keinen Grund gibt, keine einheitliche, wirksame Behördenstruktur in dieser Richtung zu schaffen.

Oder denken Sie an die Frage der Schulaufsicht. Je mehr sich die Schulautonomie entwickelt, desto weniger ist die Frage der Schulaufsicht zu stellen. Sehen Sie sich an, welch hypertrophe Organisation der Schulaufsicht wir heute haben! Allein im kleinen Bundesland Kärnten sind fast 30 Bezirks- und Landesschulinspektoren sowie Fachschulinspektoren tätig, die in einer Entwicklungsphase hin zu mehr Autonomie eigentlich langsam ihre Funktionen verlieren sollten. (Bundesrat Marizzi: Vollkommen richtig!) Vollkommen richtig – dann bitte ich Sie, uns auch dabei zu unterstützen, dass wir unabhängig von Verfassungsänderungen die Chance bekommen, Posten von Bezirks- und Landesschulinspektoren nicht mehr nachzubesetzen und mit diesem Geld stattdessen zusätzliche Lehrerdienstposten schaffen zu können, um die Kinder entsprechend zu unterrichten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein weiteres Beispiel der Dezentralisierung und Konzentration ist die Frage des Instanzenzuges. Meine Damen und Herren! Wir haben eine Zentralinstanz: Das sind die Bezirkshauptmannschaften. Die Bezirkshauptmannschaften sollten zur Drehscheibe des Verwaltungsgeschehens gemacht werden – das wäre auch die Idee der Reform – und gleichzeitig der Instanzenzug an die Länder und an die Bundesministerien eingespart werden.

Hier hat sich der Salzburger Landtagspräsident Schreiner sehr verdient gemacht, weil er immer wieder auf diesen Umstand hingewiesen und dieses Modell sehr gut ausformuliert hat. Ich glaube, man sollte die Idee aufgreifen, dass man nur noch eine zentrale Verwaltungsinstanz hat und die Berufungen – so, wie es auch der europäischen Rechtsentwicklung entspricht – in der Folge sofort an den Unabhängigen Verwaltungssenat oder die zu bildenden Verwaltungsgerichte der Länder gehen. Das ist ökonomischer, das ist rascher und würde zweifelsohne auch einen enormen Einsparungseffekt nach sich ziehen, weil wir zwei Berufungsinstanzen der Länder und des Bundes einsparen könnten.

Wir sollten in einem weiteren Erprobungsmodell etwa die Trennung zwischen operativem Handeln und strategischem Planen auch in der Verwaltung möglich machen. Auch der Staat ist so etwas wie eine betriebliche Einheit, wobei die operativ tätigen Dienststellen, die dezentral organisiert sind, der Betrieb sind, die Landesebene die Controlling-Ebene ist und der Konzern auf der ministeriellen Ebene die strategische Planung zu übernehmen hat. Das gilt etwa für Schulen, für Fachhochschulen, für Universitäten, aber auch für die Bezirkshauptmannschaften,


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die sich sehr gut als "Budget Center" organisieren lassen, damit eine wesentlich höhere Autonomie und Flexibilität im Vollzug haben und auch die Motivation der Mitarbeiter festigen würden.

Es ist letztlich auch notwendig, dass wir den in der Verfassung verankerten Kompetenzkatalog nach Artikel 10 bis 15 einer tief greifenden Neuordnung unterziehen, und zwar aus einem einfachen Grund: Durch den EU-Beitritt haben sich die Zuständigkeiten für Gesetzgebung und Richtlinien gravierend verändert. Es ist ein neues System übernommen worden, in dem der Gesetzgeber auf der EU-Ebene mit Richtlinienkompetenz ohnedies sehr grundsätzliche Vorgaben macht, sodass sich die Kompetenzaufteilung, wie wir sie in der österreichischen Bundesverfassung vorfinden, nicht mehr als schlüssige Lösung darstellt.

Das heißt, wir haben etwa einen Widerspruch darin, dass es Bundes- und Landeskatastrophen gibt. Da ist es bei Katastrophen wie jenen von Lassing oder Galtür plötzlich eine Frage, wer für die konkrete Katastrophe zuständig ist. Ist es eine Landeskatastrophe, oder ist das doch schon eine Bundeskatastrophe? – Es ist eigentlich ein absurdes Ergebnis, wenn sich Ministerien mit Landesverwaltungsbehörden streiten müssen, wer schneller, wer zuerst im Einsatz sein soll oder wer die führende Funktion bei der Koordination der einzelnen Rettungseinheiten und Katastrophenschutzeinheiten zu übernehmen hat.

Auch durch die Vielfalt der Vergabegesetzgebung haben wir unlösbare Probleme. Wenn Sie heute eine Straßenverwaltung bauen, in der teilweise die Bundesstraßenverwaltung und ein Teil der Landesstraßenverwaltung untergebracht ist, dann ist es fraglich, nach welchen Gesichtspunkten die Vergabe durchgeführt wird. Kommt ein Landesvergabegesetz zur Anwendung, oder kommen die Bundesvergaberichtlinien zur Anwendung? – Beide haben in der Regel sehr unterschiedliche Ausformungen, unterschiedlichen Rechtsschutz und unterschiedliche Gewährleistungsnormen. Daran sieht man, wie in einem kleinen Land durch diese Struktur der Kompetenzverteilung bei komplexen Sachverhalten unlösbare Probleme entstanden sind.

Oder nehmen Sie den aktuellen Fall des BSE-Skandals her: Wenn man jetzt versucht – was ich für sehr richtig halte –, auf Bundesebene eine Agentur für Ernährungssicherheit zu schaffen, dann sollte man nicht nur eine zusätzliche Kontrolleinheit schaffen, sondern man sollte die Kompetenzen bündeln, nämlich auch jene der Länder in eine zentrale Bundesanstalt zusammenführen und dezentrale Kontrollen ermöglichen. Das wäre wesentlich wirksamer, weil wir eine einheitliche Finanzierungsstruktur und eine einheitliche Organisationsgewalt hätten. Mit den dezentralisierten Einheiten wie den Untersuchungsbehörden könnten wir sachgemäß die Leistungen für die Bevölkerung erbringen.

Letzter Punkt: Ich glaube, dass wir auch in der heutigen Verwaltung dem Vertragsrecht und der zivilrechtlichen Regelung im Verkehr zwischen Bürger und Behörden stärker als dem Hoheitsakt das Wort reden sollten. Das gilt im Besonderen für den Bereich der Leistungsverwaltung, das gilt auch für klassische Bereiche wie etwa das gesamte Pensionssystem. Es ist eigentlich ein bisschen überkommen, dass es heute noch einen Pensionsbescheid gibt, mit dem das Pensionsamt, die Pensionsbehörde, die Pensionsversicherung hoheitlich eine Pension zuspricht, obwohl sich der Bürger mit Beiträgen einen Anspruch erarbeitet hat.

Diesen Anspruch gibt es aber nur für Teilbereiche der österreichischen Gesellschaft, es gibt ihn nur für die beamteten Bürger dieses Landes. Sie haben durch ihre Beiträge einen Rechtsanspruch erworben. Der in der Privatwirtschaft Tätige und privatrechtlich Versicherte hat keinen Anspruch, sondern er erwirbt nur Anwartschaften, die ihm der Staat zuteilt, wenn dem Staat danach ist; wenn er der Meinung ist, es muss geändert werden, dann teilt er diese Anwartschaften eben nicht zu, kürzt sie oder verändert sie. Daher wäre meiner Ansicht nach auch hier die privatrechtliche Gestaltung von Leistungsverhältnissen der richtige Zugang. Auch das muss eine Pensionsreform, die ein Mehr-Säulen-System umfassen wird, mit einschließen.

Oder denken Sie an die Spitäler – dort ist das schon erledigt worden! Vor ein paar Jahren hatten wir noch die Einweisung in Spitäler. Das ist heute nicht mehr der Fall, sondern heute schließen wir privatrechtliche, zivilrechtliche Verträge, die auch einklagbar sind, wenn ärztliche Mängel vorkommen, wenn Betreuungsmängel auftreten. Dasselbe sollte für die Schulen gelten, im


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Verhältnis zu Schülern, zu Eltern, zu Direktoren, zu Lehrern, die dort angestellt werden, um ein flexibleres, leistungsorientierteres Organisationsmodell zu ermöglichen.

Es ist aber auch sinnvoller, das Vertragsrecht dort wirksam werden zu lassen, wo der Staat vielfach überfordert ist, wenn es darum geht, Leistungen zu erbringen. Denken Sie an das gesamte Prüfungswesen, an die Zulassungen, an die Typisierungen! Wer sagt uns denn, dass das tatsächlich eine staatliche, hoheitliche Aufgabe ist, die von Behörden, Ämtern und derartigen Einrichtungen erledigt werden muss?

Oder nehmen Sie die gesamte Förderungsverwaltung her – zum Beispiel nur die Wohnbauförderung! Wozu brauchen wir Ämter der Wohnbauförderung? Kann man das nicht mit Bankinstituten koppeln, die legitimiert sind, diese Förderungen abzuwickeln, die die Prüfung in einem durchführen und damit einen gesamten Verwaltungsbereich entbehrlich machen?

Oder denken Sie an die Frage der Akkreditierungen! Überall in der Welt ist es üblich, dass Akkreditierungen von privaten Institutionen vorgenommen werden, die sich darauf spezialisiert haben. Bei uns machen es Behörden, sie akkreditieren Universitäten, Fachhochschulkurse und Bildungseinrichtungen auf höherer und mittlerer Ebene. In Amerika etwa gibt es seit 100 Jahren die Tradition der Bar Association, die alle Law Schools in Amerika akkreditiert – mit großartigem Erfolg und ohne größere Probleme. (Bundesrätin Mag. Trunk: Was ist da besser?) Was ich dir gerade gesagt habe, Melitta; aber ich werde das für dich noch einmal wiederholen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mag. Trunk: Bitte! – Bundesrat Mag. Hoscher: Ganz lieb!)

Es ist die privatrechtliche Abwicklung von Dingen, die nicht der hoheitlichen Besorgung unterliegen, sicherlich zweckmäßiger, einfacher, flexibler und auch billiger. (Bundesrat Konecny: Auch im Hauptverband!) Auch zum Hauptverband würde ich sagen: Es wäre ganz gut, Herr Kollege Konecny (Bundesrat Konecny: Selbstverwaltung mit Abstand das Bessere!), wenn wir ein bisschen mehr privatwirtschaftlichen Geist einkehren ließen statt des stalinistischen Hoheitsdenkens, das dort noch vielfach an der Tagesordnung ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte zusammenfassend feststellen: Was sich Land und Bund vorgenommen haben, ist eine wichtige Aufgabenstellung, und zwar deshalb, weil wir in den nächsten sechs Monaten gezwungen sein werden, den Mut zur Reform – hoffentlich auch mit der Unterstützung des Bundesrates – zu dokumentieren und entsprechende Veranlassungen zu treffen. Diese Aufgabenreform wird nicht leicht zu "heben" sein. Sie ist aber notwendig, weil gerade die Aufgaben- und Verwaltungsreform, vor der wir stehen, die Notwendigkeit in sich schließt, innerhalb kürzester Zeit einen leistungsfähigen Staat herzustellen, der die Belastungen der Bürger reduzieren kann, damit aber auch die Leistungen und Dienstleistungen gegenüber den Bürgern zu verbessern hilft. Die Bürgerferne, die durch die eher starren Strukturen, wie wir sie hier vorgefunden haben, immer wieder gegeben ist, gehört eigentlich der Vergangenheit an.

Daher ist es unsere Bitte – auch aus der Sicht der Landeshauptleute –, dass wir in der Kooperation mit den Vertretern des Föderalismus zu einem Neuentwurf in den Bereichen, die ich zitiert haben, kommen, um aus diesem Neuentwurf heraus einen schlanken und leistungsfähigen Staat zu Stande zu bringen, ohne dabei gleichzeitig das große Ziel einer gesamten Bundesstaatsreform haben zu müssen. Das werden wir so schnell nicht bekommen. Wir werden aber in einzelnen Teilbereichen – wie etwa in der Frage der Neuordnung des Instanzenzuges oder im Hinblick darauf, der europäischen Rechtsentwicklung Rechnung zu tragen – durchaus Chancen haben, um in diesen Bereichen Reformprojekte abzuwickeln, die den Staat leistungsfähiger und besser machen.

Wir dürfen auch Sie, das legitimierte Gremium, die legitimierte Institution der Vertretung der Bundesländer-Interessen, einladen, daran tatkräftig mitzuarbeiten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.16


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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Wir gehen in die Debatte ein, in der ich auf die freiwillige Vereinbarung hinsichtlich der Beschränkung der Redezeit auf 10 Minuten aufmerksam mache.

Als erster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk das Wort. – Bitte.

11.16

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es steht mir als Bundesrätin des Bundeslandes Kärnten zu, dem heute zum ersten Mal amtierenden Präsidenten des Bundesrates zu gratulieren und ihm viel Kraft, viel Energie, viel Nervenstärke zu wünschen. Es möge Ihnen gelingen, die in diesem Haus an sich fast schon legendäre Tradition Ihrer Vorgänger – insbesondere des Vorgängers Pepi Pfeifer – hier im Bundesrat so erfolgreich fortzusetzen. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg! (Allgemeiner Beifall.)

Da auch ich mich fast schon an die Rituale in diesem Parlament gewöhnt habe, hätte ich es nicht gewagt, Ihre Rede anzusprechen, weil es grundsätzlich heißt: Den Präsidenten und seine Rede kritisiert man nicht. – Daher tue ich das auch nicht, weil ich mich bessere. Aber der Herr Landeshauptmann hat es angesprochen, und da muss ich sagen: Ich bin in der Frage der Landeshauptleutekonferenz ausnahmsweise einmal auf Ihrer Seite, Herr Präsident, und nicht auf der Seite des Herrn Landeshauptmannes. (Bundesrat Dr. Nittmann: Ausnahmsweise! – Weitere Zwischenrufe.)

Es ist grundsätzlich nicht eine Frage der freiwillig geschaffenen Konkurrenz einer Landeshauptleutekonferenz und des Bundesrates. Die Landeshauptleutekonferenz ist ein informelles Gremium, das keine Rechenschaft abzugeben hat, weder dem Kärntner Landtag noch den Bundesräten gegenüber. Die Kollegen von ÖVP und FPÖ wissen selbst so gut wie ich – das eint uns –, dass wir Bundesräte maximal aus der Zeitung informiert werden. Daher halte ich dieses Gremium des Parlaments, den Bundesrat, für eines, das demokratische Strukturen hat und mehr Entscheidungskraft und -macht haben sollte als diese quasi freiwilligen Landeshauptleute-Treffen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich werde mir erlauben, in knappen Vorbemerkungen zur Rede des Kärntner Landeshauptmannes Stellung zu beziehen, nämlich zu jenen Punkten, die mit der Bundesstaatsreform im engeren, aber auch im weitesten Sinne nichts zu tun haben. Es ist legitim, dass man als Vertreterin der sozialdemokratischen Fraktion, das heißt: der Oppositionspartei, auch seine Meinung hier im Parlament offen aussprechen kann.

Punkt eins, Herr Landeshauptmann, ist eine persönliche Angelegenheit. Sie haben am Anfang – fast so in Fahrt kommend wie vor zehn Jahren, als Sie als Landeshauptmann hier gesprochen haben – gesagt, Kärnten ist eine vernachlässigte Habsburger-Provinz. – Kärnten so zu bezeichnen, überlasse ich Ihnen, aber ich erinnere Sie daran: Vor 30 Jahren sind Sie bestimmt nicht deshalb von Oberösterreich nach Kärnten gekommen, weil wir eine vernachlässigte Republik oder Provinz sind, sondern weil es ein wunderschönes Land ist; und Sie haben dort Ihre zweite Heimat gefunden. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Kindergeld: Das hat auch nichts mit Bundesstaatsreform, aber mit Gesellschaftspolitik zu tun. (Landeshauptmann Dr. Haider: Eine vernachlässigte Schöne kann auch eine Schöne sein!) Die vernachlässigte Braut – ich glaube, das Bild passt nicht. Aber jeder soll sich seine Bilder selbst suchen.

Zum Karenzgeld und zum Kindergeld: Das ist richtig so, ab 1. Jänner 2001 bekommen Frauen beziehungsweise Kinder Kindergeld. Allerdings – ich werde jetzt nicht polemisch, das ist ernsthaft gemeint – ist von dem Versprechen und dem Scheck, den du, Jörg Haider, damals unterzeichnet hast, nicht mehr viel übrig geblieben. Daher würde ich meinen: Wenn wir eine Verbesserung im Bereich der Familienpolitik wollen, dann machen wir sie! Aber Faktum ist, dass vom Kindergeld in Kärnten Karenzgeldbezieherinnen, Notstandshilfebezieherinnen und Arbeitslosenentgeltbezieherinnen ausgenommen sind. Das sind 74 Prozent, das heißt, der Rest bekommt das Kindergeld. (Landeshauptmann Dr. Haider: Das ist falsch!) Wenn es jedoch einen


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Gleichheitsgrundsatz gibt – Ihrer Auffassung nach; Sie sind verantwortlich –, dann für alle gleich und gerecht! (Beifall bei der SPÖ. – Landeshauptmann Dr. Haider: Hast es noch immer nicht gelesen!)

Zweiter Punkt: Sie haben genau gewusst, was Bundesrat Würschl gemeint hat, als er vom Ausverkauf der Heimat gesprochen hat; er ist nämlich federführend bei diesem Volksbegehren. Herr Landeshauptmann! Obwohl die Kärntner Landesregierung so allmächtig und allgegenwärtig ist, sind Bundesforste und Ausverkauf immer noch Bundessache! Das heißt, die Genossen in Kärnten können in der Landesregierung dem Ausverkauf der Bundesforste nicht zugestimmt haben, weil es nicht Kompetenz des Landes Kärnten ist (Bundesrätin Schicker: Bundesangelegenheit!), sondern Bundesangelegenheit ist. – (Landeshauptmann Dr. Haider: Habe ich auch nicht gesagt!) Doch! Ich bin eine aufmerksame Zuhörerin.

Ganz kurz zum schlanken Staat und schlanken Apparat: Wenn Sie Beispiele und Zahlen des bayerischen Justizministeriums benennen – da bin ich auch manchmal –, dann muss man dazusagen, dass das Bundesland Bayern in der Frage der Justiz keine Kompetenzen hat. (Bundesrat Dr. Böhm: Doch, sehr wohl!) Das heißt, wenn dort ein paar Beamte weniger tätig sind (Bundesrat Dr. Böhm: In der Justizverwaltung, natürlich!), wenn ein paar Beamte weniger beschäftigt sind, dann ist das natürlich eine grundsätzliche Kompetenzfrage zwischen Bundesländern und Bundesstaat. (Landeshauptmann Dr. Haider: Justiz und Kultus sind autonom in den Regionen! – Bundesrat Dr. Böhm: Das ist Uninformiertheit!)

Aber kehren wir zu dieser österreichischen Bundesregierung zurück. Da teile ich die Kritik des Kärntner Landeshauptmannes, wenn er die Einstellungsexzesse in den derzeitigen Ministerien heftigst kritisiert. Diese kritisiere ich auch. (Beifall bei der SPÖ.) Ich habe ein paar – der Herr Landeshauptmann kennt sie auch – persönliche Kärntner Bekannte, die zwischen den Ministerien herumreisen und irgendwo verbleiben, wenn sie nicht nach Kärnten zurückkommen. Aber legendär ist das Personalkarussell und der Einstellungsexzess unserer Kärntnerin Elisabeth Sickl. Das ist unbestreitbar.

Nächster Punkt: Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer schafft sich ein eigenes Ministerium. Dort sind mehr Menschen dazugekommen, und diejenigen, die früher dort waren, haben nicht zu viel zu tun gehabt. Das nenne ich nicht Verschlankung des Apparats und Verschlankung des Staates! (Bundesrat Gasteiger: Was hört man denn da alles!) Dass allerdings alle Kabinettsmitglieder ... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Herr Kollege Scheuch! Ich würde Ihnen raten, dass Sie Ihre Gestik etwas in den Griff bekommen. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Alle Kabinettsmitarbeiter der derzeitigen Bundesregierung haben einen Quantensprung in der Frage ihres Gehalts und Bezugs gemacht; das heißt, alle haben jetzt die höchste Beamtenstufe. Wenn wir das unter Sparen verstehen, dann habe ich diese Bundesregierung bisher falsch verstanden. – Soviel zur Sache; das andere kann man, so denke ich, anders erledigen.

Ich gehe jetzt aber auf die Punkte ein, die tatsächlich den Landeshauptmann in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft betreffen. Es ist zugegebenermaßen immer ein spannendes Erlebnis, Herr Landeshauptmann, Sie hier oder anderswo reden zu hören und Ihre Ausführungen zu vernehmen, wenngleich wir beide zugeben müssen: Mit zunehmendem Alter und Länge des Seins in der Politik sind wir nicht mehr so aufregend wie seinerzeit. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Landeshauptmann Dr. Haider  – auf seinen Kärntner Anzug deutend –: Ich bin ja sehr traditionell!)

Ich habe mir Ihre alte Rede durchgelesen; da hat es im wahrsten Sinne des Wortes in jeder Halbzeile gesprüht und gefunkt. Nachdem heute nur ein bisschen globale Kritik gekommen ist, muss ich sagen: Herr Landeshauptmann! Sie sind brav geworden! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es wird aber wahrscheinlich nicht daran liegen, dass Sie für diese derzeitige Bundesregierung irgendwie mitverantwortlich sind.

Bei einem weiteren Punkt habe ich mir gedacht: Wie wird er das schaffen? – Man ist Politiker und gleichzeitig Mensch, und man kann sich nicht zweiteilen. Herr Landeshauptmann! Sie haben unendlich oft von diesen Menschen hier im Parlament gesprochen, dem Bundesrat und


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den Abgeordneten. Zum wiederholten Male haben Sie dieses Gremium für auflösungswürdig – oder jedenfalls der Auflösung nicht unwürdig – betrachtet. (Zwischenruf des Bundesrates Marizzi. ) Sie haben zuletzt bei dem Ausscheiden von Elisabeth Sickl aus der Bundesregierung gemeint: Wir brauchen keinen Pensionsversorgungsposten im Bundesrat für Elisabeth Sickl.

Das heißt, heute sprechen Sie vor einem Gremium, das Sie sehr oft für auflösungswürdig gehalten haben: Da sitzen irgendwelche Frühpensionisten die Zeit ab. – Aber heute müssen Sie aus Kärnten kommen, um den Obersten dieses Gremiums zu beglückwünschen. Herr Landeshauptmann! Das ist, um es charmant zu formulieren, eine Ironie des Schicksals! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Faktum muss Faktum bleiben: Sie haben den rhetorischen Seiltanz zwischen Landeshauptmann, einfachem Parteimitglied und jedenfalls einem Mitverantwortlichen der derzeitigen Bundesregierung sprachlich gut geschafft. Aber, Herr Landeshauptmann, Ihre eigene Geschichte – das ist eben so, wenn wir eine Geschichte hinter uns haben – holt Sie ein!

Ich erinnere Sie daran: Vor zehn Jahren sind Sie hier gestanden und haben die Abtretung der Steuerhoheit des Bundes an die Länder gefordert. Sie haben gesagt, Sie werden sich weiter dafür einsetzen. – Keine Rede, kein Wort! Aber ich denke, auch der Kärntner Landeshauptmann wird mittlerweile wissen – ohne dass ich jetzt demütig bin –, dass ein Zuschussland wie Kärnten doch sehr gut fährt, wenn es einen Finanzausgleich gibt. Das heißt, dass Kärntner ganz gern nach Wien kommen, um, so wie Sie, 600 Millionen zu beantragen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben damals ein wunderschönes Wortkonstrukt verwendet und haben Folgendes gefordert: Ich fordere endlich die "Dekonzentralisierung". – Gemeint ist zu viel Zentralismus. Herr Landeshauptmann! (Landeshauptmann Dr. Haider: Den hast du aber vom Villacher Fasching übernommen, den Begriff! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) – Nein, aus der Rede des Jörg Haider vor zehn Jahren! Das stammt im O-Ton aus der Rede des Jörg Haider vor zehn Jahren. (Bundesrat Prähauser: Alles muss er sich nicht merken! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Aber vielleicht war er damals Ghostwriter; das weiß ich nicht. (Landeshauptmann Dr. Haider: Das war ich schon oft!)

Sie tragen aber heute in der Tat Verantwortung dafür, dass genau das geschieht, was Sie damals verhindern oder verändern wollten. Das heißt, heute findet Zentralisierung statt. Sie haben das sehr charmant folgendermaßen formuliert: Da gibt es so viele Doppelgleisigkeiten. – Faktum ist: Finanzämter werden rationalisiert, das heißt, vor Ort, in den so genannten Provinzen, kommen sie nicht mehr vor und werden weniger. Dasselbe passiert mit den Gerichten, dasselbe passiert mit den Schulen, dasselbe passiert mit den Postämtern. Das nenne ich Zentralismus, der in der Republik nicht stattfinden soll. Aber dafür haben Sie als Pate dieser Regierung mit die Verantwortung zu tragen! (Beifall bei der SPÖ.)

Nächster Punkt: Sie haben – um die Geschichte nicht allzu lange zu strapazieren – am 5. Jänner 1999 – ich habe gedacht, die Jahreszahl ist falsch, es wird 1989 gewesen sein, aber es war am 5. Jänner 1999 – zum wiederholten Male gefordert, das Modell des Freistaates Kärnten umzusetzen.

Herr Landeshauptmann! Heute haben wir so viele Kärntner in der Regierung sitzen wie noch nie, doch von Freistaat und Freiheit ist nicht so sehr die Rede. Denn in Wirklichkeit – das ist eine Frage des Geschmacks oder des jeweiligen Anlasses, wie sich diese Zusammenarbeit oder Kooperation darstellt – wird niemand bestreiten, dass es entweder so ist, dass der Landeshauptmann diese Bundesregierung – ich wollte "Geiselhaft" sagen, aber dann bekomme ich einen Ordnungsruf – in den Griff nimmt oder bekommt, oder dass die Bundesregierung versucht, den Herrn Landeshauptmann in den Griff zu bekommen.

Anders kann ich mir nicht erklären – Ihre Rede heute war eine unendliche Kritik an dieser Bundesregierung –, dass der Landeshauptmann von Kärnten Ministerin Forstinger kritisiert. Ich glaube, das war öffentlich eine gute, partnerschaftliche Inszenierung, aber jedenfalls hat er sie kritisiert. Hingegen kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie Frau Ferrero-Waldner sagen, was sie im Ausland zu tun und nicht zu tun hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie Innenminister


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Strasser vorschreiben, was zu passieren hat – weil sonst etwas passieren wird. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, dass Sie unseren Kärntner Kollegen Haupt ins Wort nehmen oder dass Sie auch Karl-Heinz Grasser öffentlich Handlungsanleitungen zum Regieren geben. (Na ja!-Rufe bei der SPÖ.)

Ich denke, das ist nicht die Art von Partnerschaft, wie sie sich zumindest die Bundesregierung vorgestellt hat. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Das ist eine klimatische Angelegenheit, das müsst ihr selbst regeln. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Aber jetzt komme ich zum politischen, inhaltlichen Punkt dieser Partnerschaft. Herr Landeshauptmann! Ich kenne Sie jedenfalls mehr als zwei Jahrzehnte, und ich nehme jeden politischen Mitbewerber, Gegner, sei er auch Landeshauptmann, immer ernst (Landeshauptmann Dr. Haider: Eine gute Freundin von mir!), weil ich die politischen Forderungen zur Kenntnis nehme. Aber ich denke, dass diese Regierung Sie auch in inhaltlichen Fragen in den Griff bekommt. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass der Parteichef – jetzt einfaches Mitglied – der "Partei der Anständigen und Fleißigen" es heute versteht, toleriert und dem zustimmt, dass diese Partei den Pensionisten in der Republik Österreich, genau jener Generation, die unter anderem die Zweite Republik mit aufgebaut haben und dergleichen mehr, nur eine Pensionserhöhung in der Höhe von 0,8 Prozent gewähren, wenn doch die Inflationsrate im Schnitt bei 2,5 Prozent liegt. Das ist nicht die Politik, die Sie versprochen haben!

Ich kann mir auch nicht vorstellen ... (Bundesrat Dr. Böhm: Klima wird es nicht treffen! – Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Den Schmid trifft es genauso nicht!)  – Ich sage Ihnen etwas: Klima wird einen Antrag gestellt haben, und bei der OMV sitzt ein schwarzer General, der Ja gesagt hat – wie auch Teile der Bundesregierung. So wird es wohl gewesen sein. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Jetzt kommen wir vom Klima zum anderen Klima. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der seinerzeitige Parteiobmann (Unruhe im Saal)  – soll ich lauter werden oder ihr leiser? – und das jetzige einfache Parteimitglied tatsächlich damit konform gehen kann. Du hast einmal gesagt, du bist der legitime Erbe des Bruno Kreisky, und heute musst du mit anschauen, dass die Unfallrenten besteuert werden. Das ist weder sozial noch gerecht, und ich glaube auch nicht, dass das einem Jörg Haider passt. (Bundesrat Ing. Gruber: Die sind unter Sozialisten auch schon einmal besteuert worden!) – Ich wollte schon sagen "Genosse". Kollege Gruber! Bleib auf deiner "Baustelle", nämlich der Landwirtschaft, dann ist alles in Ordnung. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Dass Jörg Haider anders denkt, als diese Regierung lenkt, hat er selbst bewiesen. (Bundesrat Hensler:  Abwertend! Das ist unerhört!)  – Nein, ich bin auch Nebenerwerbsbäuerin. (Heftige Zwischenrufe bei der ÖVP. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Bundesrat Hensler! Am Wort ist Frau Mag. Trunk. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (fortsetzend): Ich zahle Unfallversicherungsbeiträge an die Bauernversicherung; mehr brauche ich dazu nicht zu sagen. Aber wenn ich Sie persönlich irritiert habe, dann tut es mir Leid. (Bundesrat Mag. Himmer: Die ganze Fraktion ...! – Bundesrat Hensler: Unerhört so etwas! Eine Frechheit sondergleichen, so etwas zu sagen! – Bundesrätin Fuchs: Diese Ausdrucksweise ist ein Ordnungsruf!)  – Es tut mir Leid, ich kann das nicht nachvollziehen.

Ich denke – das kann auch zum Konzept der Familienpolitik des Jörg Haider nicht passen –, dass es nicht geht, dass man jetzt – man nennt es "sparen", aber in Wirklichkeit ist es ein vermehrter Verwaltungsaufwand – hergeht und jene Mütter und Hausfrauen, die kein Kind haben – das ist die Generation der 60-, 70- und 80-jährigen Frauen, die es sich nicht aussuchen konnten, ob sie Kinder haben wollen, Zeit haben oder nicht –, heute "verhaftet" – im wahrsten Sinn des Wortes! –, monatlich einen Krankenversicherungsbeitrag in der Höhe von 800 S zu


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zahlen. Das ist nicht das Versprechen des Jörg Haider, der für diese Taten der Regierung mit verantwortlich ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben es selbst bewiesen, indem Sie es ausgesprochen haben: Nachdem diese Regierung quasi mit Vollgas, ohne Geschwindigkeitsbegrenzung, ohne Leitplanken, und ohne auf die Umstehenden zu achten, auf der Autobahn gefahren ist und Politik gemacht hat, haben Sie in Kärnten eine Pressekonferenz gegeben und gesagt: Stopp den Belastungen für die kleinen Leute. Wir haben eine gute Konjunktur. Die kleinen Leute sollen endlich auch einmal davon profitieren. – Das heißt, Sie selbst haben einen Stopp der Belastungen gefordert, daher meine ich, dass diese Regierung in inhaltlichen Fragen mit Ihnen nicht immer konform geht.

Herr Landeshauptmann! Zu Ihrer Vorstellung den Bundesrat betreffend: Das haben Sie heute richtigerweise angesprochen. Ich kürze die Passage bezüglich Fraktionszwang ab. Sie haben gesagt, der Bundesrat sollte Lobbying für das Bundesland sein.

Kollege Scheuch steht noch da (Abg. Ing. Scheuch verbeugt sich), aber er ist Nationalratsabgeordneter. Ich zitiere ihn nicht, aber er kann sich sicherlich noch erinnern. Wie war es denn noch vor kurzer Zeit, als die SPÖ-Fraktion über Antrag der Kärntner Bundesräte Ihre Position, Herr Landeshauptmann, in der Frage Krško hier eingebracht hat? – Damals ging es gegen Ferrero-Waldner. Wissen Sie, was passiert ist? – Im alten, schlechtesten Sinne des Zwanges und des Krampfes sind meine Kollegen der ÖVP und der FPÖ nicht einmal aus dem Saal gegangen, sondern sie mussten mit dagegenstimmen. (Bundesrat Dr. Böhm: Überhaupt nicht!)  – Mussten sie offensichtlich! Das heißt, die eigenen Bundesräte von ÖVP und FPÖ stimmten dagegen – das ist passiert mit der Einwendung, die Sie im Zusammenhang mit der ÖIAG hatten. Auch diese Einwendung der Landesregierung haben wir eingebracht, meine eigenen Kollegen aus Kärnten müssen kollektiv dem Koalitionszwang ... (Landeshauptmann Dr. Haider: Was war das für eine Einwendung bei Krško?)  – Bei Krško war es Ihre Einwendung, dass Sie gesagt haben, Ferrero-Waldner benimmt sich in Slowenien wie ... (Landeshauptmann Dr. Haider: Eine Zusage! Hat ja auch gewirkt!)

Das sind nur zwei Beispiele von vielen. Das heißt, schlechte Sitten setzen sich fort. Wenn man etwas verändern will, dann soll man es tun und es auch so halten, aber man soll nicht nach uralten Methoden hier im Parlament Nicht-Parlamentarismus betreiben und dann von der Abschaffung des Klubzwanges reden. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Landeshauptmann! Sie haben heute auch gesagt, Kärnten sei das Vorbild für Objektivierung. Wir fünf wissen ganz genau, dass wir dieses Wort nur nennen, wenn wir außerhalb der Grenzen Kärntens sind, dass aber von Objektivierung keine Rede mehr ist, sondern offensichtlich genau das passiert ist, was Sie in Ihrer Jugend einmal gesagt haben: Wir werden die roten Filzläuse mit Blausäure vernichten. – Ich konnte mir nicht vorstellen, wie das passiert, aber heute heißt das in der praktischen Politik: Rot raus – Blau rein!

Wenn Sie die Abschaffung des Proporzes gefordert haben, dann ist das eine (Bundesrates Mag. Himmer:  ... Das müssen Sie dazu sagen!)  – jetzt kommt die ÖVP dran – Kritik an Ihren eigenen Klubobleuten und der Regierung, weil es bis zum heutigen Tag keinen einzigen Entwurf betreffend Proporz gibt. Aber vielleicht schaffen wir es, dass wir aus dem Pro porz den "Blue porz" machen, und am Ende werden jene profitieren, die zwar immer kleiner sind, am wenigsten tun, aber dieser Proporz wird "Black Power" heißen. Ich meine, das kann auch nicht in Ihrem Interesse sein, Herr Landeshauptmann! (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Sache, die mich im demokratiepolitischen Bereich – das wird Ihnen nicht unbekannt sein – gewaltig trifft, ist die Fortsetzung eines Versprechens, das Sie auch gehalten haben, nämlich in der Frage der Meinungsfreiheit. Sie haben einmal in der "Pressestunde" gemeint – ich habe gedacht, das ist einer Ihrer lockeren Sprüche –: Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht.

Ein Nationalratskollege, der sich eher – Sie sagen, ich sei links von der Mitte – in der Mitte des politischen Spektrums befindet, mein Parteikollege Toni Leikam, hat das mit anderen Worten formuliert. Ich erspare das dem Hohen Haus, denn der Herr Landeshauptmann, so wie wir alle, kennt die Namen der Betroffenen. Ich will auch das Kärntner Landeswappen nicht schädigen,


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aber auf Kärntnerisch übersetzt hat Leikam gesagt: Wir sollten die drei Löwen im Wappen besser durch eine Ziege und einen Adler ersetzen, weil in Kärnten wie in der Bundesregierung gilt: Wer meckert, der fliegt. – Das ist leider eine Tatsache, Herr Landeshauptmann! (Beifall bei der SPÖ.)

Das gilt nicht nur für Beamte, das gilt nicht nur für Journalisten, das gilt auch für Aufsichtsräte. Sie haben übrigens von einem "Trainingscamp" für Aufsichtsratsvorsitzende gesprochen; diese Auffassung kann ich auch nicht teilen. Das gilt also für Aufsichtsräte, Betriebsräte, SPÖ-Mandatare und natürlich auch für den Herrn Bundespräsidenten höchstpersönlich.

Herr Landeshauptmann! Sie waren zwar im Präsidentschaftswahlkampf fleißig an seiner Seite, aber der Herr Bundespräsident, der Ihnen lieber ist als mir, hat nicht so pariert, gefolgt und hat bei der Angelobung der Bundesregierung nicht so strahlend gelächelt. Sie sagen dann: Der Herr Bundespräsident hat ausgeschaut, als hätten ihm die Hühner das Brot gestohlen. (Bundesrätin Haunschmid: Stimmt eh! – Bundesrätin Fuchs: Wer sind die Hühner?)

Herr Landeshauptmann! Das ist jedenfalls nicht der politische Stil der Correctness eines Staatsmannes, der heute den Kärntner Anzug angezogen hat und hier unser Land repräsentiert. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das war eh sehr vornehm ausgedrückt!)

Herr Landeshauptmann! Ich bestreite, dass Sie viele Wählerstimmen bekommen haben, weil Sie den Kinderscheck versprochen haben (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer ), denn es ist in Wirklichkeit der "Vaterscheck", aber Politik ist eine komplexe Angelegenheit – keine "komplizierte", wie Sinowatz gesagt hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Das durchschaut nicht jeder!)  – Sie haben sich jetzt beschwert. Ich sage nur: Privilegienabbau, Objektivierung, Abschaffung des Proporzes. Mit solchen Versprechungen, mit Begriffen und Feindbildern wie "Sozialschmarotzer", "parasitäre Elemente", "Staatskünstler", "drogendealende Schwarzafrikaner" – natürlich sind auch die armen Ausländer gemeint – haben Sie, Herr Landeshauptmann – denn Sie sind nach wie vor der Chef dieser Interessenvertretung –, in den letzten 20 Jahren viele Stimmen und auch sehr viele Wahlen gewonnen.

Ich behaupte einmal, dass selbst Sie erkennen werden, dass von den Versprechen des Privilegienabbaus keine Spur mehr ist. Die Privilegienritter reiten in Scharen durch die Republik Österreich. Sie haben im Gegensatz zum seinerzeitigen ... (Landeshauptmann Dr. Haider: Klima ist schon in Argentinien!)  – Ja, das teile ich nicht, ich habe Ihnen schon vorher meine Meinung dazu gesagt. Ich denke überhaupt nicht daran, das zu verteidigen. Ich denke überhaupt nicht daran! (Landeshauptmann Dr. Haider: Der ist eh in Argentinien! Der reitet nicht mehr!)

Gott sei Dank gibt es in der Ideologie und auch in der Auffassung der Sozialdemokratie keine Sippenhaftung – im Gegensatz zu anderen Parteien! (Bundesrat Bieringer: Auf der Hazienda reitet er jetzt!)  – Vielleicht gehen Sie ihn einmal besuchen.

Das heißt: Von Privilegienabbau ist in der Tat keine Rede mehr! Es gibt nur einen einzigen Unterschied: Bei jenen Privilegienrittern der neuen Regierung, denen Sie dorthin verholfen haben – ich meine die Regierung, nicht die Privilegienritter ad personam –, haben Sie das alte Robin-Hood-Gewand des Jörg Haider ausgezogen, tragen mittlerweile Designerklamotten, machen Lobby-Politik für Konzerne und haben eine finanzpolitische Zielsetzung, die da lautet – für das Volk gesagt –: Sparen! – Aber in Wirklichkeit lautet sie: Ausverkauf der Heimat zu Dumpingpreisen!

Herr Landeshauptmann! Ich glaube nicht, dass Sie sich zu dieser Form der Politik bekennen können. Aber am Ende gibt es eine Verantwortung. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. ) Es gibt für jeden eine Verantwortung. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das Jüngste Gericht!) Sie und viele von uns sind schon alt und lange genug in der Politik, aber trotzdem sind wir noch zu jung, als dass wir nicht noch die Inventur und die Rechnung für diese Politik des Ausverkaufs Österreichs präsentiert bekommen werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das zahlen eh wir, die Rechnung für eure Ausverkaufspolitik! – Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Bank Austria! – Ruf bei der SPÖ: Volksaktie! Telekom!)


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Ich hoffe – nicht für Sie; Sie haben sich selbst Gutes und weniger Gutes zuzuschreiben –, Herr Landeshauptmann von Kärnten, dass Ihr Tanz dem Tanz der Eitelkeit eines Bundeskanzlers Schüssel nicht gleichkommt, denn außer Bundeskanzler und Schüssel ist da nichts mehr. Es ist ein Tanz der Eitelkeiten. Ich bewundere Sie, dass Sie das noch aushalten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Weiters: der permanente Loyalitätstanz mit Ihrer eigenen Chefin Riess-Passer (Zwischenruf des Bundesrates Ledolter ); dazwischen der Tanz mit dem einerseits geliebten und geförderten, andererseits mit dem von Ihnen selbst als "Problemkind" titulierten Sohn Karl-Heinz Grasser (Bundesrat Dr. Nittmann: Lei lei, Melitta!), der täglich populärer wird, weil er, wie die Jugend eben so ist, einfach frech ist. All das erinnert mich sehr an einen Tanz auf dem Vulkan. (Bundesrat Ledolter: Also der Villacher Fasching ..., Frau Kollegin! Es wird schon mühsam! Lei lei!)

Herr Landeshauptmann! Auch wenn dieser ÖVP-Ball und der Tanz, den Sie mit ihnen tanzen, noch lange dauert, auch wenn das Stimmungsbarometer Ihrer ÖVP-Kollegen dort drüben immer höher steigt und die Wähleranalysen weiter zunehmen, hätten Sie sich das für die Struktur in Ihrer Partei letztlich nicht verdient. Dass eine Drohung des Kollegen Prinzhorn, nämlich "Jetzt ist Schluss mit lustig", am Ende Sie selbst trifft, hätten Sie sich als Parteiobmann der FPÖ nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ. – Lei lei!-Rufe bei den Freiheitlichen.)

11.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm das Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

11.47

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe sogar zwei tatsächliche Berichtigungen anzubringen.

Die Erste bezieht sich auf die zeitlich zweite unrichtige Aussage der Frau Kollegin Trunk. Richtig ist, dass die freiheitliche Fraktion dem Antrag, den Sie in Bezug auf Krško gestellt haben, tatsächlich nicht zugestimmt hat. Damit hat die Richtigkeit schon ihr Bewenden.

Nicht richtig haben Sie nämlich unsere inhaltliche Position dargestellt. Zum einen habe ich selbst auf die missverständliche oder möglicherweise in den Medien unrichtig wiedergegebene Erklärung der Frau Außenministerin kritisch Bezug genommen und ihr damit die Gelegenheit gegeben, diese richtig zu stellen. Zum anderen wissen Sie genau, dass wir vor der Neubildung der Regierung einen weitergehenden Antrag zu Krško gestellt haben, den die damaligen Regierungsparteien, also auch Sie, ausdrücklich abgelehnt haben. (Bundesrätin Mag. Trunk: Wenn es schlecht ist, müssen Sie es nicht nachmachen!) Wir haben einen weitergehenden Antrag gestellt, der mit Ihrem nichts zu tun hatte. (Bundesrat Konecny: Um Krško ist es schon gegangen!)  – Das schon, aber wir wissen immer noch, welche politischen Ziele und Intentionen wir verfolgen.

Die zweite tatsächliche Berichtigung: Sie glaubten, den Herrn Landeshauptmann korrigieren zu müssen, weil er den Vergleich zwischen der Größenordnung der Beamtenzahlen des bayerischen Staatsjustizministeriums und des Bundesministeriums für Justiz in Österreich gezogen hat. Diese Korrektur wäre dann berechtigt, wenn Sie in der Lage gewesen wären, zwischen Gerichtsbarkeit und Justizverwaltung zu unterscheiden. Richtig ist nämlich, dass Gerichtsbarkeit in Deutschland wie in Österreich Bundessache ist. (Bundesrätin Mag. Trunk: Kein Widerspruch!)

Unrichtig ist hingegen, dass es jemals Sache des Justizministeriums wäre, Gerichtsbarkeit zu üben. Jedes Justizministerium hat Justizverwaltungsagenden und keine anderen! (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.) Was Sie anscheinend nicht wissen – das verlange ich von Ihnen als Nicht-Juristin auch nicht, aber als kundige Politikerin sollten Sie das wissen –, ist, dass Justiz in der Verwaltung in Österreich Bundessache und in Deutschland Landessache ist. (Bundesrat Konecny: Die Legistik ist nicht beim Land!) Daher hat das bayerische Justizministerium keine anderen Funktionen als das österreichische Bundesjustizministerium. (Bundesrat Konecny:


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Macht das Justizministerium keine Legistik?) Wenn Sie von Legistik reden, sehe ich, dass Sie einer Regierungsgesetzgebung das Wort reden und auch die Gewaltenteilung nicht ernst nehmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.50

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Franz Gruber. Ich mache nochmals auf die freiwillig vereinbarte Redezeit von 10 Minuten aufmerksam. (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.) – Bitte.

11.50

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Landeshauptmann! Hoher Bundesrat! Melitta Trunk hat durch eine ermüdende, ausdauernde Rede versucht (Bundesrätin Fuchs: Schaut aber sehr gut aus!), dem Landeshauptmann von Kärnten die Show zu stehlen. Das ist aber nicht gelungen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Fuchs: Das Parlament ist keine Showbühne!)

Der Leitspruch des Landeshauptmannes von Kärnten, des Vertreters des südlichsten Bundeslandes ist: Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen! – Ganz bei der Quelle ist der Landeshauptmann heute noch nicht, er ist einmal im Bundesrat. (Heiterkeit. – Beifall bei den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Heute in der Früh habe ich gedacht, der Medienrummel im Bundesrat wird ziemlich groß sein, weil der Herr Landeshauptmann anwesend ist. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber ich muss feststellen, wer im Bundesrat Medien will, der muss einen Präsidenten Klamt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon.  – Landeshauptmann Dr. Haider: Bravo!)

Herr Präsident! In deiner heutigen Antrittsrede hast du gesagt, wir sollen nicht warten, bis uns Achtung zukommt. – In Kärnten heißt das, der traut sich was. Wir im Bundesrat müssen uns in Zukunft mehr trauen! Ich denke, es könnte, anstatt keinen Einspruch zu erheben, einmal heißen: Einspruch, weil Länderinteressen betroffen sind. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Beim Finanzausgleich zu Gunsten der kleinen ländlichen Gemeinden haben wir das ein bisserl verschlafen (Bundesrätin Mag. Trunk: Du! Wir haben nicht gemeinsam geschlafen!), denn wenn wir das nicht gemacht hätten, wäre das Medieninteresse für das Plenum im Bundesrat auch gegeben.

Robin Hood im Proporz- und Privilegiendschungel war der Herr Landeshauptmann, aber die Wirklichkeit hat ihn leider eingeholt: 1997 in Salzburg, 1998 in Niederösterreich und jetzt eben in der Steiermark. Bei der BSE-Krise hat er auch keine gute Hand, denn mit dem Klagenfurter Schlachthof und mit jenem in Groß Sankt Florian hat er sich auch ein bisschen verrannt. Leider!

Unser Landeshauptmann ist für die Einheit in Europas Vielfalt. Deshalb ist er auch nicht mehr für die Abschaffung des Bundesrates – wahrscheinlich auch deswegen, weil jetzt mit Ing. Klamt das erste Mal ein Freiheitlicher in diesem Haus den Präsidenten stellt. Wichtig ist wahrscheinlich auch, dass die Talschaften, die kleinen Regionen und die Berufsgruppen im Bundesrat ein Vertretungsrecht brauchen. Eine Staats- und Verwaltungsreform ist angeklungen und ist auch notwendig, aber das, Herr Landeshauptmann, hat Bundeskanzler Schüssel schon des Öfteren gesagt. (Bundesrätin Mag. Trunk: Aber er sagt es schon länger!)

Der Herr Landeshauptmann ist einer, so hat er gesagt, der unsere Sprache spricht. Er hat das Rechberger-Taferl in den Medien hochgehalten. Bei der Osterweiterung spricht er auch schon wieder die Sprache des kleinen Mannes, wie wir gehört haben. (Ruf bei der SPÖ: Das sagt aber nicht Schüssel!) Er hält zu Kärnten und bringt von der Infrastrukturministerin 600 Millionen Schilling für unser Bundesland mit. Diese waren aber schon lange vorher zugesagt.

Herr Landeshauptmann! Der Bund hat signalisiert, dass das Land eventuell die Bundesstraßen übernehmen könnte, aber das Interesse von deiner Seite habe ich noch nicht gehört. (Ja, ja!-Rufe bei der SPÖ. – Landeshauptmann Dr. Haider: Ich bin erschüttert!)


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Hoher Bundesrat! Unser Landeshauptmann macht Reformen im Rekordtempo. (Bundesrätin Schicker: Das wird Konsequenzen haben!) Unseren ehemaligen Landesparteiobmann Lexer hat es bei dieser Geschwindigkeit hinausgehaut. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Aber in der Sachkoalition mit unserem neuen Landesparteiobmann, Landesrat Wurmitzer, hat er das Tempo zurückgenommen und passt auf, dass er nicht ins Schleudern kommt. (Bundesrätin Fuchs: So neu ist der nicht!)

Am Beispiel Kärnten will er seine Vision einer parteibuchfreien Verwaltung umsetzen. Melitta Trunk hat es angesprochen. Das heißt: Rot hinaus – Blau hinein! Er kann Unmögliches möglich machen. Das habe ich nicht geglaubt, aber 1989 hat er den 40-jährigen Kommunismus in Kärnten aufgebrochen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Und heuer war er in der ÖVP-FPÖ-Koalition auf Bundesebene wohl kein Statist. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Zum Entschuldungsprogramm in Kärnten, das der Herr Landeshauptmann angesprochen hat, darf ich schon sagen: Er hat die Wohnbaudarlehen verkauft, und zwar nicht zur Schuldentilgung, sondern für den Kinderscheck. (Bundesrat Winter: Jetzt wirst du aus der ÖVP ausgeschlossen!) Liebe Melitta Trunk! Den Kinderscheck gibt es auch für Notstandshilfebezieher und Arbeitslosenbezieher. Eines hat er auch gemacht: Er hat die Kosten für Heizöl gesenkt, aber das Problem dabei ist eben, dass die Ölbrenner dieses Heizöl praktisch nicht verkraften. (Bundesrätin Mag. Trunk: Oh Gott! Oh Gott! – Bundesrätin Fuchs: Jetzt muss selbst Haider schon lachen! – Zwischenruf des Bundesrates Marizzi. )  – Ein bisschen Ruhe, meine Damen und Herren!

Der Herr Landeshauptmann zündelt gerne: bei den Volksschulschließungen, bei den Zusammenlegungen von Posten von Hauptschuldirektoren, bei der Müllverbrennung, bei den Pragmatisierungen und den Biennalsprüngen. Das Interessante dabei aber ist, er ist als Erster am Brandherd und im Löscheinsatz.

Lieber Herr Landeshauptmann! Eines darfst du nicht vergessen: Ohne Landesrat Wurmitzer und ohne Bundeskanzler Schüssel hier in Wien geht gar nichts. – Danke. (Rufe bei der SPÖ: Na, was ist denn? Klatschen! – Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Neuner. – Bitte.

11.58

Bundesrat Mag. Christof Neuner (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Landeshauptmann! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dass es mir vergönnt ist, in meiner ersten Periode als Bundesrat als Kärntner unter der Präsidentschaft des ersten Freiheitlichen, Ing. Klamt, das einfache Parteimitglied Landeshauptmann Dr. Jörg Haider in der Funktion des Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz begrüßen zu dürfen, ist mir, wie Sie sich vorstellen können, eine besondere Freude und motiviert mich bei meiner Rede. (Bundesrat Mag. Trunk: Das glaube ich auch!)

Ich wollte ursprünglich über den Finanzausgleich, über Gebietskörperschaften und die Neuregelung, warum gespart werden muss, sprechen. Das haben wir oft genug gehört. Jetzt, nach der Rede von Melitta Trunk, werde ich das umstellen. Es ist nicht nur mir, sondern wahrscheinlich auch anderen Leuten unbegreiflich, mit welcher Härte oder Provokation und mit welchen permanenten Angriffen Frau Kollegin Trunk auf Herrn Landeshauptmann Jörg Haider, auf die Landesregierung und auf unsere Wahlbewegung losgegangen ist. (Na!-Rufe bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen sagen, dass ich andere Sozialdemokraten kenne, wie zum Beispiel Herrn Landeshauptmann Wagner, der das nicht goutieren würde (Bundesrätin Mag. Trunk: Aber mit dem habe ich seinerzeit auch schon gestritten! – Heiterkeit), geschweige denn solche Reden zulassen würden.


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Melitta Trunk hat heute noch ein Schäuflein nachgelegt, sie hat unserem Bundesratskollegen aus der Volkspartei, Franz Gruber – er ist ein Bauer, führt eine Landwirtschaft, hat 600 Schweine, steht jeden Tag in der Früh auf und füttert sie und hat fünf Söhne –, gesagt: Bleib bei deiner Baustelle!

Du, eine Lehrerin, linksliberal erzogen (Bundesrätin Mag. Trunk: Ich bleib auch auf meiner Baustelle!), glaubst, hier oberlehrerhaft irgendwelche Aussagen tätigen zu müssen, die nicht richtig sind. (Ruf: ... positiv gemeint!) Du schadest damit nicht nur der Institution Bundesrat, dem Landtag und Kärnten; das möchte ich einmal feststellen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist heute schon erwähnt worden – ich nehme es so, wie es ist –, es ist Faschingszeit. Es war für mich eine Vorschau auf den Villacher Fasching. (Bundesrätin Mag. Trunk: Nein, der ist schon vorbei!)

Jetzt will ich darauf eingehen, was du gesagt hast, beispielsweise auf die Objektivierung – das ist das Schulleiterverfahren, das wir in Kärnten haben. Ich möchte zwei Beispiele nennen, die ich persönlich kenne:

Mein Bruder – er ist kein Sozialdemokrat – hat sich unter anderen als Volksschuldirektor in Krumpendorf beworben, ebenso eine Frau Perissinotto – vielleicht kennt man sie, sie ist die Mutter der sozialdemokratischen Nationalratsabgeordneten Ulli Sima –, die bei der Gewerkschaft ist und die in diesem Objektivierungsverfahren als Erste hervorgegangen ist. Natürlich bekommt sie diese Position!

Das Gleiche gilt in der Hauptschule St. Marein bei Wolfsberg: Helmut Schifferl, Sozialdemokrat, ist als Erster daraus hervorgegangen – natürlich bekommt er diese Funktion.

Daher möchte ich schon etwas sagen – denn es kommt immer wieder dieses Argument: Zwing Rot raus und Blau rein oder Schwarz rein, oder was auch immer! – (Bundesrat Marizzi: Die Schwarzen bleiben immer! Da kann passieren, was will!) : Es gibt das Schulleiterauswahlverfahren in Kärnten. Da hat man einen Rückfluss, weil auch der ehemalige Vizepräsident des Landesschulrates Würschl weiß, wie das früher war.

Jetzt gibt es ein Objektivierungsverfahren, und da hat man auf Grund der Zugehörigkeit, also zu welchen Lehrervereinen sie gehören, feststellen können (Bundesrätin Mag. Trunk: Wieso weißt du, wer wohin gehört?)  – "Lehrervereine" habe ich gesagt –, dass eben zwölf – von mir aus – SPÖ-Lehrervereinen angehören, sieben ÖVP-Lehrervereinen und nur einer eventuell einem freiheitlichen Lehrerverein. Ich weiß schon, was du sagen willst. So, wie ich es sage, ist es.

Das Verfahren hat immer eindeutige Reihungen ergeben, und wird von denen, die befragt werden, und auch von denjenigen, die es ausführen, angenommen. Also die Rückmeldung der Bewerber ist sehr positiv – das zur Objektivierung!

Zum Proporzsystem: Es war sicherlich in den letzten Jahrzehnte so, dass nur Leute von gewissen Parteien hineingekommen sind. In der KELAG zum Beispiel, in Kärnten – du weißt – da gibt es Schlagzeilen in der "Kleinen Zeitung" –, ist etwas Neues entstanden: Da sind Leute hineingesetzt worden, die eine wirtschaftliche Kompetenz haben, die gezeigt haben, dass sie wirtschaftliche Erfahrung und dass sie etwas geleistet haben. Das Gleiche gilt für die ÖIAG.

Natürlich ist die Voraussetzung, dass man Vertrauen zu diesen Leuten hat, weil es sonst gar keinen Sinn hat. Die Leute werden hineingesetzt, aber das sind sicherlich nicht FPÖ-Leute, so wie das behauptet wird. (Rufe bei der SPÖ: Nein! "Überhaupt" nicht! – Landeshauptmann Dr. Haider  – in Richtung SPÖ –: Das waren sie wirklich nicht!)  – Nein, ich sage nur, wie es jahrzehntelang in diesem Proporzsystem war.

Die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten in Kärnten – ich zähle viele Sozialdemokraten zu meinen Freunden, wie viele andere auch – ist sehr gut. Der Obmannwechsel bei euch zeigt es, genauso wie Bundesrat Repar und jetzt Bundesrat Würschl schnell wechseln: Es gibt bei


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euch die zwei Flügel, du gehörst (Bundesrätin Mag. Trunk: Links, ja!) ganz sicher zu dem links-linken Flügel (Bundesrätin Mag. Trunk: Gott sei Dank!)  – das ist gar keine Frage –, aber es gibt sehr wohl auch Kräfte in der Sozialdemokratie, die mit uns zusammenarbeiten und für das gemeinsame Wohl des Landes Kärnten arbeiten wollen und nicht nur immer das Negative aussprechen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Ich werde jetzt nicht mit dem Weihrauchkessel kommen, wenn der Landeshauptmann kommt! – Landeshauptmann Dr. Haider: Meine Seligsprechung betreibt jemand anderer!)

Wir, die Freiheitlichen, sind zur Nationalratswahl bewusst damit angetreten, dass wir alte Strukturen aufbrechen wollen, und haben in hohem Maße das Vertrauen der Wählerschaft dafür bekommen. Ich glaube, dass wir auf dem richtigen Weg dazu sind. Es ist ein schwieriger Weg, das geht nicht von heute auf morgen. Es gibt aber eine historische Trendumkehr in der Budget- und Finanzpolitik und auch in der Verwaltung, was heute schon mehrfach angesprochen worden ist.

Ziel ist es, Österreich international wettbewerbsfähig zu machen, damit man eben mit Vollbeschäftigung auch die soziale Treffsicherheit erhöhen kann. In Amerika werden, wenn es einen Wechsel wie soeben von Clinton auf Bush gibt, selbstverständlich 12 000 führende Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ohne mediale Begleitmusik, ohne große Aufregung ausgetauscht. (Bundesrat Marizzi: Das wäre richtig, denn dann hätten wir nicht zu 80 Prozent Schwarze!) Das will man nicht. Aber man will wenigstens Menschen in führenden Positionen, die das Vertrauen besitzen.

Da wir in der Länderkammer sind, möchte ich noch sagen: Es ist unter anderem eine Strukturreform mit dem Finanzausgleichsgesetz durchgeführt worden. Da müssen die Gemeinden im Endeffekt eine ausgeglichene Gebarung haben. Die Länder sind aufgefordert, 0,75 Prozent des BIP zu erreichen. Es gibt einen Sanktionsmechanismus, angelehnt an die EU, wenn die Ziele nicht erreicht werden. Der Bundeszuschuss für die Wohnbauförderung bleibt. – Ich sehe, das rote Lamperl leuchtet, ich will nicht zu lange reden, denn das habe ich vorhin bei Kollegin Trunk kritisiert.

Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg, und ich glaube, dass Herr Landeshauptmann Dr. Jörg Haider seine Wertschätzung des Bundesrates durch seinen Besuch am ersten Plenumstag im neuen Jahr gezeigt hat. Ich danke, Herr Landeshauptmann, für dein Kommen, dass du da warst. Alles Gute! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.07

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Würschl. – Bitte.

12.07

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu Beginn eine kleine Nebenbemerkung: Beide FPÖ-Würdenträger, Herr Dr. Haider als Landeshauptmann in Kärnten und der Präsident des Bundesrates, haben ihre Reden mit einem historischen Rückblick begonnen.

Ich bin selbst Historiker, darum ist mir das vielleicht besonders aufgefallen: Herr Dr. Haider hat sehr ausführlich über den 10. Oktober, sprich über die Volksabstimmung, gesprochen. – Am liebsten würden wir heute noch kämpfen, so habe ich den Eindruck. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Der Herr Präsident des Bundesrates hat in mehreren Sätzen relativ lang über die Monarchie referiert. Als Historiker ist mir der Zeitabschnitt zwischen 1934 und 1945 abgegangen, das möchte ich hier feststellen. Ich bedauere, dass diese Zeitspanne Ihrerseits ausgelassen wurde. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Schon wieder etwas vergessen!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe genau zugehört, welche Erklärung der FPÖ-Landeshauptmann hier in Wien abgibt. Ich bin Kärntner, habe aber keinen Zusammenhang gesehen zwischen dem, was Herr Dr. Haider hier formuliert hat, und dem, was in Kärnten tatsächlich geschieht.


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Ich darf nur auf einige, wenige Punkte eingehen: Er hat zum Beispiel die Aufwärtsentwicklung im Bundesland Kärnten angesprochen. – Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon richtig, dass sich auch bei uns in Kärnten auf dem Arbeitsmarkt etliches tut, aber Herr Dr. Haider hat nicht die ganze Wahrheit gesagt beziehungsweise Teile davon verschwiegen, nämlich dass wir in Kärnten auf dem Arbeitsmarkt mit dem Riesenproblem zu kämpfen haben, dass wir zwar einen Höchststand an geringfügig Beschäftigten haben, dass wir aber am Schluss anzutreffen sind, was die Arbeitsmarktpolitik insgesamt anlangt.

Herr Dr. Haider hat auch davon gesprochen, dass wir uns in Kärnten entschulden werden. Ich habe mir erlaubt, einen Zwischenruf zu machen: Ja, weil wir das Volksvermögen verkaufen, verscherbeln! – Es ist richtig, dass wir Sozialdemokraten im Kärntner Landtag einem Teil zugestimmt haben, nämlich dem Verkauf von rund 8 Milliarden Schilling – bei einem Gesamtvolumen von rund 27 Milliarden Schilling, die in Kärnten für die Wohnbauförderung zweckgebunden sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Freiheitliche Partei – Dr. Haider, Pfeifenberger als Finanzreferent – will einen weiteren Teil verkaufen: 16 Milliarden Schilling sollen umgesetzt werden! Das bedeutet nichts anderes, als dass wir die Zukunft unserer Jugend, was den Wohnbau betrifft, verkaufen und verscherbeln! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Sagen Sie das Landesrat Erich Haider in Oberösterreich! Der macht das!)

Herr Dr. Haider hat auch den Kinderscheck angesprochen. Ich darf allen Nicht-Kärntnern nochmals in Erinnerung rufen: Es gab im Jahre 1999 riesengroße Plakate in Kärnten – überall waren sie affichiert, wir konnten sie lesen –, auf denen stand: Am 7. März finden die Landtagswahlen statt, und am 8. März, wenn Herr Dr. Haider Landeshauptmann sein sollte, können Kärntner Frauen den Kinderscheck bei ihm persönlich abholen. (Zwischenbemerkung von Landeshauptmann Dr. Haider. )

Sehr geehrte Damen und Herren! Bis heute haben von 18 000 Kärntner Frauen – diese kämen nämlich für das, was er großspurig erzählt hat, in Frage – sage und schreibe erst 240 junge Kärntnerinnen einen Anspruch auf den Kinderscheck erworben. (Rufe bei der SPÖ: Oh! Ui! Das ist aber wenig! Das ist aber traurig!)

Herr Dr. Haider verschweigt auch, dass zum Beispiel Karenzgeldbezieherinnen, die sich den Karenzurlaubsanspruch selbst erarbeitet haben, von diesem Kindergeld ausgeschlossen sind! (Beifall bei der SPÖ.)

18 000 Frauen wurden in die Irre geführt! 18 000 Frauen wurde etwas versprochen, was heute 250 Kärntner Frauen einlösen können!

Herr Kollege Neuner beziehungsweise Herr Gruber haben noch etwas angesprochen – Herr Dr. Haider traut sich das nur in der Ferne Kärntens zu formulieren, in Kärnten selbst traut er sich das nicht mehr, dort würde man ihn nämlich mit einem nassen Fetzen zum Teufel jagen (Heiterkeit bei der SPÖ)  –: Die Objektivierung in Kärnten schaut so aus, dass die Freunderl dieser Partei, der Freiheitlichen Partei, überall hingehievt werden, aber in Bezug auf die Objektivierung nichts geschieht!

Was mich persönlich sehr betroffen macht – mir ist es Wurscht, wenn es die Sesselkleber der ÖVP oder andere Beamte irgendwo trifft, aber eines gehört auch hier, auf Wiener Boden, so glaube ich, einmal sehr deutlich angesprochen (Ruf bei den Freiheitlichen: Unwahr!) –, ist Folgendes:

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn es nicht so leicht geht, wie es sich Herr Dr. Haider als Landeshauptmann und Personalreferent vorstellt, dann werden in Kärnten Methoden angewandt, die von uns als Humanisten, als Sozialdemokraten strikt abgelehnt werden müssen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist ein Widerspruch in sich, hat man manchmal das Gefühl!)

Ich darf drei Beispiele anführen: Es hat in Kärnten eine Frauenbeauftragte gegeben – österreichweit wurde darüber berichtet –, eine gewisse Frau Helga Grafschafter. Diese Frau Helga Grafschafter hatte sich erlaubt, am Frauentag ein paar kritische Bemerkungen zu machen. So


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schnell hat die Frauenbeauftragte gar nicht schauen können, war sie ihrer Funktion enthoben. Es hat dann eine breite Solidarisierungswelle gegeben, und auch dank der Medien war Herr Dr. Haider gezwungen, die Frauenbeauftragte wieder in ihrer Funktion einzusetzen.

Oder: Es wurde hier die Objektivierung in der Schule zitiert. – Sehr geehrte Damen und Herren! Es hat in der Schulabteilung einen sehr fleißigen Referenten gegeben, einen gewissen Karl Dertschei. Dieser Herr war mit 53 Jahren bei bester Gesundheit. Durch Politkommissare ist es der Freiheitlichen Partei und Herrn Dr. Haider gelungen, Herrn Dertschei so zu mobben, dass er mit dem 53. Lebensjahr in Pension ist.

Letztes Beispiel, das, so nehme ich an, noch das Gericht klären wird: Es hat einen Kulturattaché in Zagreb gegeben. Er hat erzählt, dass er im Jänner, Februar höchstwahrscheinlich einen neuen Posten in Kärnten haben wird – vor einer Objektivierung, bevor das überhaupt ausgeschrieben war! Dr. Stojan heißt er, ich wiederhole das noch einmal. Herr Dr. Stojan hat sich aber nicht so verhalten, wie sich das die neuen Kärntner Machthaber vorstellten. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Herr Dr. Haider wird mit Herrn Dr. Stojan sehr unzufrieden gewesen sein, weil er andere Vorstellungen von einer Kulturpolitik formuliert hat, als das von Dr. Haider zu erwarten gewesen wäre. – Freunde! Das Gericht wird das noch klären.

Herr Dr. Stojan war eines Abends in Klagenfurt in einer geselligen Runde in Gasthäusern unterwegs, was durchaus in Ordnung ist. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das tun andere auch!) Um 2 Uhr nachts wird Herr Dr. Stojan, der völlig gesund ist, von zwei Polizisten abgeholt und in die Psychiatrie in das Landeskrankenhaus gebracht. (Bundesrat Mag. Neuner: Eine Krankengeschichte ... unglaublich!) Herr Dr. Stojan ist von der Polizei abgeholt worden, aber der Arzt im Krankenhaus hat nicht mehr mitgespielt. Dr. Stojan ist bei bester Gesundheit von dem Krankenhaus wieder nach Hause gefahren.

Herr Dr. Haider! Vielleicht erklären Sie, ob Sie mitgeholfen haben, dass Herr Dr. Stojan in die Psychiatrie kommt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Letzter Punkt: Herr Dr. Haider redet von der Verwaltungsreform. – Sehr geehrte Damen und Herren! Es hindert den Kärntner Landeshauptmann niemand, Verwaltungsreformen in Kärnten durchzuführen. Tatsache ist, dass in Kärnten, obwohl der Herr Landeshauptmann rhetorisch schon alles abgeschafft hat, die Verwaltungsstrukturen immer noch die gleichen sind. Es gibt nur eine Veränderung: Diesem Verwaltungsapparat, der in Kärnten vorgefunden worden ist, den es schon gegeben hat, hat Herr Dr. Haider seine Politsekretäre mit Hofratsgehältern dazugesellt. Heute stehen auch einige hier bei der Türe als Privatsekretäre. (Rufe bei der SPÖ: Oh! Oh!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Was wir erwarten, ist eine effiziente Reform und keine Schaumschlägerei des Kärntner Landeshauptmannes! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Himmer.

Ich möchte nur um eines ersuchen (in Richtung der anwesenden Mitarbeiter des Kärntner Landeshauptmannes): Dieser Saal ist relativ klein, alles spielt sich auf einer Ebene ab, daher hat man vielleicht das Gefühl, man könne sich hier frei bewegen. Ich muss Sie jedoch bitten, wann immer etwas zur Regierungsbank zu bringen ist – wir haben genügend Amtsdiener draußen, die das für Sie erledigen können. Sie sind in den Besucherreihen und nicht im Plenum, bitte.

Bitte, Herr Mag. Himmer.

12.18

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Hohes Haus! Eine kurze Vorbemerkung zu Kollegin Trunk und dazu, wie stark sozusagen das Selbstbildnis einer Person von dem, was man dann sieht, auseinander klaffen kann, habe ich doch den Eindruck, dass sie sich als jemand fühlt, der beson


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ders liberal und menschenfreundlich und sensibel ist (Bundesrat Kraml: Ist sie auch!): Wie man ein Berufsgruppenbild abqualifizieren kann! (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!) Die Superlinken, die immer so sensibel sind, dass man Leute nicht nach der Herkunft und nach dem Beruf fragen darf, da man einfühlsam sein muss, haben selbst überhaupt nicht das minimalste Gefühl. (Bundesrätin Fuchs: Sie haben sie leider nicht verstanden! Interpretieren Sie nicht so falsch!) Was ich übrigens auch peinlich gefunden habe – das möchte ich auch sagen –, war der Applaus vieler sozialdemokratischer Bundesräte zu diesem entbehrlichen Ausritt der Frau Kollegin Trunk. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wir haben heute in der Rede des Kärntner Landeshauptmannes eine Fülle von Beispielen gehört, bei denen Föderalismus und Subsidiarität in die Kuriositätenkammer gehören. Es ist, so glaube ich, in diesem Hause unbestritten, dass wir eine grundsätzliche Aufgabenreform in dieser Republik brauchen, und selbstverständlich brauchen wir einen schlankeren Staat.

Es werden immer wieder Beispiele aus der Privatwirtschaft herangezogen. Ich bin bald neun Jahre bei einem internationalen Konzern tätig, und selbstverständlich gibt es dort auch Bürokratie. Es ist überhaupt nicht so, dass in der Privatwirtschaft immer alles effizient ist. Besonders wenn es einem Unternehmen gut geht, wachsen auch die unterschiedlichsten Gliederungen, Abteilungen und Stabsabteilungen und so weiter.

Dann bekommen Consulting-Unternehmen in der Regel viel Geld dafür, um Vorschläge zu machen, die jeder mit dem freien Auge auch gesehen hätte. Man zieht ganze Zwischenebenen heraus, und im Endeffekt gehen sie keinem ab, wenn sie weg sind. Im Gegenteil, die Informationsflüsse werden kürzer, die Entscheidungen werden schneller getroffen.

Ich möchte aber betonen, dass es falsch wäre, aus der Problematik, dass wir in Österreich sicherlich zu viele Beamte im Verhältnis zur Bevölkerung aus meiner Sicht haben, eine Beamtenhatz abzuleiten. Denn der einzelne Beamte, der seine Aufgabe wahrnimmt, ist nicht schuld an dem, was die Politik (demonstrativer Beifall des Bundesrates Mag. Hoscher ) gemacht hat. (Beifall bei einigen Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Marizzi: So wie in Niederösterreich: 98 Prozent ÖAAB! – Bundesrat Schöls: Darum haben wir so eine qualifizierte Verwaltung! – Bundesrätin Fuchs: Das weiß er nicht! – Heiterkeit bei der SPÖ.)  – Frau Kollegin Fuchs! Was weiß er nicht? (Bundesrat Dr. Nittmann: Das weiß sie nicht!)  – Herr Kollege Marizzi! Was weiß ich nicht? (Ruf: Sie weiß es selber nicht! – Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Aha, na gut!

Hohes Haus! Ich glaube, wir alle bekennen uns zu Föderalismus und Subsidiarität. Ich möchte nicht weiter darauf eingehen. Eines halte ich aber schon für wesentlich, weil es in der letzten Zeit immer wieder Debatten über die Sinnhaftigkeit des Bundesrates gegeben hat und dabei immer wieder einzelne Wortmeldungen kommen, die großartige Anregungen beinhalten.

Ich sage einmal so: Es steht uns absolut an, auch uns selbst selbstkritisch zu sehen, und ich bin überhaupt nicht religiös in der Richtung, dass man sich auch selbst in Frage stellt. Aber für die Qualität, wie man das Ganze tut, hat man auch eine Bandbreite an Auswahlmöglichkeiten. Was ich nicht möchte und wovon ich nicht glaube, dass es die richtige Richtung ist, ist, dass der Föderalismus rein exekutiv ist. Das ist nicht mein Wunschziel! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Mag. Hoscher. )

Es ist mit Sicherheit die Qualität einer Demokratie, dass der einzelne Abgeordnete, der einzelne Mandatar, der in einem Vertretungskörper seine Aufgabe wahrnimmt, der auch den Zugang zu den Bürgern in den Wahlkreisen hat, seine kritische Meinung einbringt. Es ist tatsächlich so, dass wir, wenn man die 183 Nationalräte und 64 Bundesräte als Abstimmungsmaschinerie sieht, dann natürlich weniger von diesen brauchen. Dann können wir gleich sagen: Machen wir es nach dem d’Hondtschen Verfahren! – Dann gibt es drei Rote, zwei Blaue, zwei Schwarze für beide Häuser, und wir können die Gesetze durchziehen. Aber das steht wohl überhaupt nicht zur Diskussion.

Ich glaube, dass – das denke ich mir oft, wenn der Bundesrat kritisiert wird – im Prinzip natürlich die Aufgaben, wie ein einzelner Mandatar seiner Tätigkeit nachgeht, auch damit zusammenhän


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gen, was er in den Wahlkreisen macht und was er in der unmittelbaren Vertretungsarbeit für den Bürger tut. Das bleibt bei der Betrachtung der Bundesräte immer ausgespart – wobei ich sagen muss, dass es sicherlich solche und solche gibt, aber das gilt angeblich auch für den Nationalrat.

Wenn zum Beispiel Landtagspräsidenten die Bedeutung ihrer Funktion betonen oder Vorschläge kommen, dass man den Bundesrat so gestalten könnte, dass darin die Landtagspräsidenten und die Landeshauptleute sitzen, was sozusagen ein tollerer Klub wäre, dann möchte ich das kritisieren. Man möge mich korrigieren, aber die Verfassung, wie sie derzeit ist, würde uns die Möglichkeit geben, dass die Landeshauptleute auch in den Bundesrat gehen. Selbstverständlich könnten die Landeshauptleute in den Bundesrat ... (Bundesrat Konecny:  Sagen Sie ... einmal!)  – Ich habe kein Thema damit! (Ruf bei der SPÖ: "Problem" hast du keines damit!) Ich sage nur: Man braucht keine Verfassungsreform dafür, dass die Landeshauptleute in den Bundesrat gehen. Wenn ihnen das so wichtig ist, sollen sie es machen. Es wäre sicher keine Abwertung dieses Gremiums, würden die Landeshauptleute dies tun. (Bundesrat Gasteiger: ... Landeshauptleutekonferenz!)

Deswegen ärgert mich an der Diskussion, dass, wenn solche Vorschläge kommen, diese auch noch so aufgegriffen werden, als ob das eine originelle Idee wäre und irgendjemand die Landeshauptleute daran hindern würde, Mandatare des Bundesrates zu sein.

Daher möchte ich sagen: Ich bin schon sehr zuversichtlich, dass wir mit unserer jetzigen Reformregierung in Fragen des Föderalismus und der Verwaltungsreform einiges weiterbringen. Ich muss lachen oder schmunzeln, wenn zum Beispiel Kollegin Trunk von der "derzeitigen Bundesregierung" spricht. – Frau Kollegin! Es gibt immer nur die derzeitige Regierung, und es gibt immer nur die Bundesregierung. Da kommen der Schmerz und die Hoffnung zum Ausdruck, dass das alles schnell vorübergeht. Als Wiener sehe ich das, die Donnerstags-Demonstranten gehen im Kreis und im Kreis, und sie gehen – wie die Hasen mit den Duracell-Batterien (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen)  –, und die Regierung regiert, regiert, regiert (Bundesrat Dr. Nittmann: Wie VW!)  – und sie feiern auch noch! Das ist eine äußerst "erfolgreiche" Bewegung, die immer im Kreis und im Kreis geht. (Bundesrätin Fuchs: Sie diskriminieren jetzt aber nicht eine Bevölkerungsgruppe?!)  – Nein, Frau Kollegin! (Bundesrat Schöls: Aber sie will ja den Grolli ...! – Bundesrätin Fuchs: Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass Sie sich gerade vehement verwahrt haben gegen eine Diskriminierung!)

Können wir herausarbeiten, was politische Kritik und was eine Kritik ist, die in die Persönlichkeit geht? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Frau Kollegin Fuchs! Gehen wir es gemeinsam noch einmal durch! Frau Kollegin Trunk hat einen Bundesrat damit abqualifiziert, dass er Bauer ist; sie hat gesagt (Zwischenruf bei der SPÖ): Du bist ein Bauer, bleibe bei deinen Leisten! – Ihre Fraktion hat gesagt: Super! Bravo! Mach das!

Ich übe politische Kritik daran und sage: Es gibt eine Bewegung in dieser Stadt, die im Kreis und im Kreis geht – das ist tatsächlich der Fall. Ich rede von einer derzeitigen Bundesregierung und sage Ihnen halt: Diese werden älter werden, die Bundesregierung wird es dann noch immer geben, und irgendwann wird es diese Bundesregierung in dieser Konstellation auch nicht mehr geben. Wenn sie lange genug durchhalten, dann werden sie nach fünf oder zehn Jahren sagen: Super! Wir haben uns durchgesetzt! – Würden sie aber nicht im Kreis gehen, dann würde diese Regierung auch irgendwann einmal abgelöst werden. (Bundesrätin Fuchs: Wieso wissen Sie, dass sie im Kreis gehen? Sind Sie schon einmal mitgegangen?)  – Weil ich weiß, dass die Ringstraße im Wesentlichen einen Kreis bildet. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.  – Bundesrätin Fuchs: Da wissen Sie schon wieder etwas Falsches!)

Frau Kollegin! Ich wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass ich zuversichtlich bin, dass wir mit dieser Reformregierung, die wir jetzt haben, auch in der Lage sein werden, die wesentlichen Brocken einer Verwaltungsreform und auch einer neuen Form des Föderalismus und einer gelebteren Subsidiarität anzugehen. Dabei ist es mir wichtig, dass auch der Parlamentarismus ein entsprechend hohes Gewicht hat: Ja zum Föderalismus, aber es soll kein rein exekutiver Föderalismus sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.29


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 56

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Bieringer zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.29

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich noch gut erinnern, als Sozialdemokraten in Richtung Freiheitliche sagten, sie sollten mit den Ausdrücken ein bisschen sorgfältiger umgehen und ein bisschen angepasster sprechen. – Frau Kollegin Trunk! Ihnen muss ich schon sagen: Ich habe mich damals, als Sie als Landesvorsitzende der SPÖ Kärnten im Gespräch waren, gewundert, dass die Genossinnen und Genossen in Kärnten Sie nicht zu dieser Landesvorsitzenden gewählt haben.

Heute weiß ich, warum. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Heute weiß ich, warum, denn dann wäre die angeblich große, früher wirklich große SPÖ noch kleiner geworden, als sie heute ist. Mehr möchte ich zu Ihren Ausführungen nicht sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Weil wir schon beim "Krieg der Worte" sind: Ich habe es ungeheuerlich gefunden, als Herr Klubobmann Kostelka vergangene Woche bei einer Pressekonferenz die österreichische Bundesregierung als "Kriegstreiber" bezeichnet hat. Auch das muss einmal gesagt werden, man kann nicht immer von einer Seite verlangen, sie solle leiser treten, und selbst schlägt man in diese Kerbe. Das möchte ich ausdrücklich festhalten. (Ruf bei der SPÖ: Was hat er gesagt?) Kostelka hat am Freitag voriger Woche bei einer Pressekonferenz die österreichische Bundesregierung als "Kriegstreiber" bezeichnet. (Bundesrat Marizzi: Das haben wir nicht gehört!) Lesen Sie das nach oder erkundigen Sie sich! Ich glaube, das gehört auch dazu. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich würde die SPÖ-Fraktion des Hauses bitten, ihre dringliche Anfrage zurückzuziehen, denn der Herr Landeshauptmann von Kärnten hat bereits auf Ihren ersten Punkt der Frage geantwortet, dass 3,5 Milliarden Schilling nach Kärnten gehen werden, weil ihm das der ehemalige Bundeskanzler Viktor Klima zugesagt hat und das paktiert worden ist. (Bundesrat Gasteiger: Aber das hat er nicht gesagt, der Landeshauptmann! – Bundesrat Marizzi: Der ist in Argentinien!) – Sie vergessen anscheinend wieder all das, was Ihre Parteivorsitzenden zugesagt, paktiert oder unterschrieben haben.

Denken Sie an das Perchtoldsdorfer Abkommen, das vom damaligen Bundeskanzler und SPÖ-Parteivorsitzenden Dr. Franz Vranitzky unterfertigt wurde! Denken Sie an den Parteivorsitzenden und Bundeskanzler Viktor Klima, der anlässlich der Regierungsverhandlungen der vorletzten Bundesregierung das ebenfalls wieder unterschrieben hat! Aber das ist in diesem Haus nicht durchbringbar gewesen. Sie werden selbst wissen, wer dahinter gestanden ist, dass diese Bundesstaatsreform nicht gekommen ist. (Bundesrat Marizzi: Wer, bitte schön? Wart ihr auf Urlaub?)

Meine Damen und Herren! Ich kann zwei Bemerkungen nicht mehr hören, nämlich das Wort "Bundesstaatsreform" und "Aufwertung des Bundesrates". Ich habe noch nie erlebt, dass der Bundesrat abgewertet wurde, daher braucht er auch nicht aufgewertet zu werden. Aber es gehört sich, dass wir umgehend eine Reform beginnen, und ich traue dieser österreichischen Bundesregierung in Sachen Bundesstaatsreform viel mehr zu als allen anderen vorhergehenden Bundesregierungen, auch unter Beteiligung der ÖVP. (Bundesrat Gasteiger: Siehst du, das wollte ich hören!) Das sage ich gleich dazu, damit Sie keine Kritik anbringen müssen. (Bundesrat Marizzi: Das ist sozusagen ein runderneuerter Schüssel!)

Ich gehe davon aus, dass diese Staats- und Verwaltungsreform die vom Herrn Landeshauptmann bereits angekündigte Abschaffung der Doppelgeleisigkeit beinhaltet, und vor allem muss es uns gelingen, näher zum Bürger zu kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.) "Näher zum Bürger" heißt, dass wir den Kompetenzwirrwarr, den wir jetzt haben, entflechten, dass eine Bezirksverwaltungsbehörde entscheidet und dann – so wie es Landeshauptmann Haider gesagt hat – ein Unabhängiger Verwaltungssenat die zweite Instanz bildet.


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Ich selbst bin Obmann des Wasserverbandes des Salzburger Beckens, und wir haben vom Amt der Salzburger Landesregierung im September 1999 einen Wasserrechtsbescheid bekommen, weil wir für den Großraum Salzburg unbedingt eine zusätzliche Wasserschiene brauchen. Dieser Bescheid wurde von zwei Anrainern beeinsprucht – er liegt heute noch im Landwirtschaftsministerium. Auf unsere Frage an den zuständigen Sachbearbeiter, wie lange das noch dauern mag, bekamen wir zur Antwort, dass das bis Mitte, aber wahrscheinlich bis Ende des Jahres dauern wird. (Bundesrat Gasteiger: Wer ist denn der Minister?)

Das, meine Damen und Herren, ist eine Vorgangsweise, die – ganz gleich, von wem – nicht zu goutieren ist. (Bundesrat Marizzi: Aber du kannst ja anrufen!) – Das haben wir gemacht, das nützt nichts, wenn der Sachverständige keine Zeit hat. – Wir werden das natürlich aufzeigen und aufgreifen, denn wie kann ich einen Bürger überzeugen, dass die Verwaltung in Ordnung ist, wenn er Jahre warten muss, bis der Berufungsbescheid kommt. Es ist wirklich hoch an der Zeit, dass wir hier tätig werden und eine Verwaltungs- und Staatsreform durchführen.

Ich habe an den Vorsitzenden der Landeshauptmännerkonferenz noch eine Bitte. Herr Landeshauptmann! Am Samstag tagt in Klagenfurt die Landeshauptmännerkonferenz. Die Bundesregierung hat eine Regierungsvorlage für die "KommAustria" vorgelegt. Diese hat im Nationalrat nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit bekommen. Jetzt wurde ein Initiativantrag, der im Verfassungsausschuss liegt, eingebracht. Es geht um die Zusammensetzung der Behörden. Im ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung war enthalten, dass die Länder mindestens einen Vertreter entsenden können. Im jetzigen steht nur mehr, dass der Beirat aus sechs Mitgliedern besteht und diese von der Bundesregierung ernannt werden. Meine Bitte an Sie wäre, dass auch die Landeshauptmännerkonferenz in dieser Sache vorstellig wird, denn es kann nicht sein, dass sich solch ein Rundfunkbeirat ohne Vertreter der Länder zusammensetzt. Hier ist Föderalismus gefragt.

Ich glaube, es wäre ein gutes Beispiel, wenn wir hier gemeinsam aktiv würden. Wir werden das von uns aus im Bundesrat mit dem Nationalrat machen, aber ich würde Sie trotzdem bitten, dass auch die Landeshauptmännerkonferenz an die Bundesregierung herantritt, dass wenigstens ein Vertreter der Länder in diesen Rundfunkbeirat kommt. Das wäre meine Bitte an die Landeshauptmännerkonferenz, weil ich glaube, dass es unbedingt notwendig ist, dass in der "KommAustria" auch die Länder vertreten sind.

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne ersuche ich höflichst: Bedenken wir, wenn wir wieder bei aller Unterschiedlichkeit darüber sprechen, dass wir den Ton wahren und dass wir nicht irgendwelche Untertöne in unsere Sprache bringen! Denn ich glaube, der Bundesrat hat jahrzehntelang bewiesen, dass er eine ausgeprägte Streitkultur besitzt: Vergessen wir nicht darauf, dass wir uns auch sonst immer menschlich ganz gut vertragen und verstehen! In diesem Sinne bitte ich Sie, wenn Sie hier am Rednerpult stehen, auch immer daran zu denken. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Landeshauptmann. – Bitte.

12.38

Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mir jetzt eine Reihe von Anregungen notiert. Ich werde selbstverständlich gerne bei der Landeshauptleutekonferenz auf das zuletzt von Ihnen, Herr Kollege, angesprochene Thema eingehen, weil es unser gemeinsames Interesse sein muss, in den entsprechenden föderalistischen Gremien auch unser Mitspracherecht zu verankern. Das war zuletzt auch ein Grund, warum etwa die Frage der Finanzierung der BSE-Kosten, von denen wir wissen, dass sie dauerhaft bei etwa 1,5 Milliarden Schilling pro Jahr liegen werden, von den Bundesländern nicht mitgetragen wurde, weil man einfach, ohne den Konsultationsmechanismus einzuhalten, in einer Gesetzgebung über den Katastrophenfonds eine Finanzierung sicherstellen wollte, die mit den Ländern nicht abgesprochen war.


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Das ist schon auch immer ein wichtiger Schritt, um zu zeigen, dass es auch eine Kultur des Miteinander geben muss, und es ist zumindest so viel Zeit aufzuwenden, dass man in wesentlichen Fragen miteinander abspricht, wie man vorgehen will. Und daher halte ich das an sich für ein gutes Beispiel, wo wir auch versuchen können, etwas unterzubringen.

Ich bin auch jenen dankbar, die sich mit der Thematik der Verwaltungsreform auseinander gesetzt haben, weil ich glaube, dass alle erkennen, dass es hier nicht darum geht, irgendeine Institution zu reduzieren oder abzuschaffen oder im Verfassungsgefüge die Gewichte von Bundesrat und Nationalrat zu verlagern.

Die Kosten des Föderalismus, was die politischen Einrichtungen betrifft, sind ohnedies sehr bescheiden. Die Kosten des Föderalismus liegen bei etwa 2,5 Milliarden Schilling pro Jahr für alle Institutionen – Landtage, Regierungen, Bundesrat. Das ist, gemessen an unserem Gesamtbudget, kein allzu großer Aufwand.

Das, worum es geht, ist, die Leistungsfähigkeit des Staates sicherzustellen, und das können wir nur, wenn wir ernsthaft konkrete Projekte realisieren wollen. Es wird auch am Bundesrat liegen, dass er bei der Behandlung solcher Strukturkonzepte, wie sie von Seiten der Verhandlungsgruppe betreffend Finanzausgleich, in der sowohl Bund wie auch Länder vertreten sind und Experten arbeiten, vorgelegt werden, dafür sorgt, dass diese auch mit dem nötigen Nachdruck versehen werden, um auch umgesetzt zu werden. Denn wenn wir jetzt die Chance nicht ergreifen, dann werden wir vielleicht in ein paar Jahren gezwungen sein, tiefe Schnitte und gewaltige Veränderungen vorzunehmen, weil all das nicht mehr leistbar ist, und wir im Grunde genommen zur Kenntnis nehmen müssen, dass uns die Overheads im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf fallen.

Es sind auch ein paar Fragen gestellt worden, die nicht unmittelbar zum Thema gehört haben, die aber natürlich aus der Sicht der Kärntner Vertreter hier im Bundesrat wichtig sind, vor allem jener, die vielleicht schon länger nicht die Gelegenheit gehabt haben, mit mir zu diskutieren, wie beispielsweise Melitta Trunk, die einen breiten Streifzug gemacht hat. In diesem Zusammenhang möchte ich schon ein paar Dinge anführen. Das eine ist die Frage des Kindergeldes.

Man sagt immer, es ist ein Kinderscheck versprochen worden, und jetzt ist ein kleines Kindergeld daraus geworden. Ich wundere mich, dass gerade von Seiten der Sozialdemokraten dieses Kindergeld als zu klein bezeichnet wird, da doch der Kinderscheck insgesamt bekämpft worden ist. Wenn man etwas bekämpft und es dann nicht kommt, dann muss man sich doch freuen. Es ist jetzt etwas geworden, das einen Kompromiss zwischen der ÖVP und der Vorstellung der Freiheitlichen darstellt, dem letztlich auch die Sozialdemokraten in Kärnten zugestimmt haben.

Wir haben gesagt, wir wollen eine verlängerte Karenzzeit plus Kindergeld bis zum dritten Lebensjahr, und wir haben in Kärnten noch zusätzlich etwas gemacht: Bis zum dritten Lebensjahr hat jede Mutter mit dem ältesten Kind unter drei Jahren die Möglichkeit, 6 000 S im Monat zu bekommen, auch wenn sie in Karenz ist, auch wenn sie Notstandhilfe bezieht – ich erkläre auch, warum. Wir haben zusätzlich noch durch eine Erhöhung des Familienzuschusses auf 100 Millionen Schilling die Möglichkeit eröffnet, dass Frauen mit Kindern bis zum sechsten Lebensjahr, die allein stehend sind und ein niedriges Einkommen haben, oder verheiratete Alleinverdiener, die ein niedriges Einkommen haben, ebenfalls diese 6 000 S bekommen können.

Das heißt, so wie versprochen gibt es jetzt dieses Kindergeld in der Höhe von 6 000 S vom ersten bis zum sechsten Lebensjahr genau für jene Gruppe, für die Sie auch immer vorgeben eintreten zu wollen, nämlich für die sozial Schwachen, für die, die es sich nicht leisten können – und nicht für jene, die zu den Millionären gehören, bei denen wir gesagt haben, das müssen wir verbieten.

Das heißt, wir haben im Grunde genommen all das sichergestellt, was politisch gefordert worden ist, und daher ist es jetzt für Sie auch so schwierig, dagegen aufzutreten. Sie haben dem schlussendlich auch zugestimmt, weil Sie erkannt haben, dass das ein tolles Programm für Frauen, für Kinder und für Familien ist. Das ist etwas, worum es uns geht: Wir müssen auch eine Trendwende in der Familienpolitik schaffen. Wir müssen eine Trendwende bezüglich Frau


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en schaffen, die Verantwortung für Kinder tragen, allein stehend sind und heute oft zwischen zwei Sesseln sitzen – mit beruflicher Verpflichtung, mit Vorsorgeverpflichtung für die Kinder, die sie zu betreuen haben. Was soll Besseres passieren, als dass man ihnen materiell eine Hilfe gibt, mit der sie frei entscheiden können, welches Gewicht sie der Familienbetreuung und welches Gewicht sie der beruflichen Weiterentwicklung geben wollen?

Nicht der Staat soll vorschreiben, nicht die Politik soll vorschreiben: Wenn du in Karenz bist, musst du daheim bleiben!, sondern die Frau hat frei zu entscheiden, wie sie sich ihr Leben einteilt. Das ist die Philosophie des Kindergeldes. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Fuchs: Warum sind es dann so wenige?)

Wenn gesagt worden ist, es gibt nur 250 Fälle, dann muss ich sagen, das ist eine totale Falschmeldung. Es gibt über 8 000 Ansuchen, die in den ersten drei Monaten bearbeitet werden und erst dann positiv erledigt werden können, wenn die entsprechenden Einkommensbestätigungen vorhanden sind. Das entspricht genau dem, was die Sozialdemokratie überall verlangt. Sie sagt, es darf nicht ohne Einkommensgrenzen gehen, man muss Einkommensgrenzen einführen. Daher haben wir ein Nettoeinkommen der Familie in der Höhe von 550 000 S als Jahreshöchstgrenze angesetzt. Das muss man prüfen, und erst dann, wenn diese Einkommensgrenzen überprüft sind, gibt es die positiven Entscheidungen und Anweisungen des Kindergeldes.

Man kann nicht etwas kritisieren, was man selbst gefordert hat, denn dann wird man selbst unglaubwürdig. Wir wollen keine Verschwendung an jene, die es nicht brauchen, aber wir wollen dafür mehr Hilfe für jene, die es notwendig haben. Das war das Ziel dieses Kindergeldes! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Zur Objektivierung: Ich verstehe schon, dass das für jemanden bitter ist, der jahrzehntelang in manchen Bereichen, so wie das in Kärnten etwa bei den Sozialdemokraten im Schuldienst der Fall gewesen ist, alles unter Kontrolle gehabt hat. Dort hat kein "Andersgläubiger" irgendeine Chance bekommen. Daher ist es jetzt auch umso spürbarer, dass plötzlich ein Objektivierungsgesetz die politischen Entscheidungen ersetzt. Es gibt keinen Politiker mehr, der Bestellungen vornimmt. Es gibt nur mehr die Ergebnisse, die im Objektivierungsgesetz festgelegt sind. Das ist ein vom Landtag beschlossenes Gesetz, über das lange diskutiert worden ist. Nach 50 Jahren Demokratiegeschichte in Kärnten gibt es im allgemeinen Pflichtschulbereich für die Direktorenbestellung und so weiter erstmals diese Objektivierungsbestimmungen.

Es ist interessant: Von derzeit 21 Fällen, die unter diesem Gesetz abgehandelt worden sind, sind 16 einstimmig von den Schulratskollegien im Nachhinein beschlossen worden – das heißt: auch mit den Stimmen der SPÖ –, drei mit den Stimmen der FPÖ und der ÖVP, wobei wiederum zwei deklarierte Sozialdemokraten zum Zug gekommen sind; ein Verfahren ist noch anhängig.

Das ist genau das Problem, das die Sozialdemokratie hat: Es werden nämlich keine Sozialdemokraten ausgegrenzt. Wenn sie gut sind, machen sie das Rennen, und das lässt sich an vielen Beispielen belegen. Wenn jemand anderer besser ist, ist eben jemand anderer besser. Das ist der Sinn der Objektivierung. Ein rotes Parteibuch kann doch nicht das Erfolgsrezept in der Schule sein. Aber auch umgekehrt darf es nicht sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Dass all das funktioniert, hat man auch etwa an dem zitierten Beispiel eines Schulamtsleiters gesehen, der angeblich so schrecklich gemobbt worden ist. Dazu gibt es eine schöne Geschichte, und ich will sie Ihnen nicht vorenthalten, da das schon angesprochen worden ist.

Das Schuljahr 2000/2001 soll vorbereitet werden. Es wird meistens in den Sommermonaten in den Schulämtern vorbereitet, damit man weiß, wie viele Vertragslehrer man hat, wo man wen hinschicken muss, wer in Karenz geht, wo jemand ausgefallen ist, damit, wenn die Schule wieder beginnt, jeder Lehrer an seinem Platz ist und die Schule funktionieren kann.

Siehe da, nachdem es das erste Mal nach Jahrzehnten einen nicht sozialistischen Schulreferenten in Kärnten gegeben hat, hat es die Bürokratie, die den früheren politischen Repräsentanten


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sehr zugeneigt ist, vorgezogen, allesamt auf Urlaub oder in den Krankenstand zu gehen, und die gesamte Schulverwaltung war nicht handlungsfähig. Man wollte zum Beginn des Schuljahres ein perfektes Chaos inszenieren, um dann sagen zu können: Ist ja klar, wenn die Sozialisten nicht die Schulverwaltung in den Händen haben, dann funktioniert es halt nicht! (Bundesrat Würschl: Das sind Unwahrheiten! Das ist ungeheuerlich!)

Wir haben uns dann erlaubt, auf Grund der rechtlichen Situation die entsprechenden Anweisungen zu geben, dass die Herrschaften aus dem Urlaub zurückzukommen und zu arbeiten haben, und dann hat es funktioniert. Das Schulamt hat gearbeitet, die Kinder haben Lehrer gehabt, und es war kein Problem, dieses Schuljahr zu beginnen. Das, meine Damen und Herren, muss man wissen, wenn man über solche Dinge diskutieren will! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Fuchs: Und vorher war nie jemand im Urlaub?)

Ich sage, es ist eine Frage der politischen Sabotage, wenn Sie es so haben wollen, dass immer dann, wenn Sozialdemokraten an der Regierung sind und Regierungsverantwortung haben, alle arbeiten müssen, alles sichergestellt sein muss. Kaum gibt es einen Wechsel, dann nützt man auch den Einfluss in der Bürokratie (Bundesrätin Fuchs: Das macht die FPÖ nie!), um letztlich das System lahm zu legen – in der Hoffnung, die Leute werden dann unzufrieden und wählen wieder anders. Das ist, so glaube ich, eine Vorgangsweise, bei der man schon ein bisschen nachdenklich werden muss.

Das ist das Gleiche wie mit den Demonstranten. Ich war 15 Jahre lang Oppositionschef hier im Haus. Meine Partei hat nie die Gewalt der Straße gebraucht, um gegen die Regierung aufzutreten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Dr. Aspöck: Und die Demonstranten mit 100 S subventionieren und von ganz Österreich herankarren!)

Wenn man feststellt, wie gearbeitet wird, dass Schüler unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Demonstration veranlasst werden, und zwar von Lehrern, die politisch organisiert sind, oder dass Eisenbahnergewerkschaftern gesagt wird, sie fahren zu einer Kulturveranstaltung von Villach nach Wien, und sie dann draufkommen, dass sie bei der Schülerdemonstration mitgehen sollen, weil zu wenig Leute gekommen sind, und ein Kapperl und ein Pfeiferl ausgeteilt bekommen, dann, meine Damen und Herren, muss man sagen, das ist politischer Missbrauch in Reinkultur, wie es ärger nicht mehr geht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Stellen Sie sich doch selbst einmal die Frage: Wem dienen denn diese Demonstrationen? Wem dienen die Demonstrationen, die zum großen Teil illegal sind, weil sie nicht angemeldet sind, und die bisher schon mehr als 40 Millionen Schilling an zusätzlichen Beamtenentschädigungen erforderlich gemacht und Schäden um die 30 Millionen Schilling verursacht haben, die von dort mitmarschierenden Gewalttätern verursacht wurden? Diese Leute verteidigen Sie?

Die Demokratie muss doch so fest sein, dass wir hier diskutieren, dass wir im Parlament diskutieren (Bundesrat Thumpser: Die Demokratie muss auch so fest sein, das zuzulassen!), dass wir bei Diskussionen zusammensitzen und Meinungen austauschen, aber nicht dass wir uns aus dem Ausland irgendwelche Gewalttäter anheuern, weil wir zu feig sind, eine Position zu beziehen, die marschieren und auf die Leute losdreschen und etwas zusammenhauen sollen! – Das ist Ihre Philosophie, meine Damen und Herren, mit der Sie in den letzten Monaten agiert haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrätin Fuchs: Wer ist schuld? – Die Ausländer! Ganz klar!)

Das will ich nicht sagen. Ich habe nicht gesagt, dass die Ausländer schuld sind, sondern ich habe gesagt, dass Sie sich Demonstranten aus dem Ausland, aus der Sozialistischen Internationale anlachen, die antanzen, mit hohen Geldern gefördert, um Ihre Demonstrationen durchzuführen. (Bundesrätin Fuchs: Das ist Ihre Interpretation!) – Nein, nein, das ist nachgewiesen. (Bundesrätin Fuchs: Aber wirklich nicht! Das ist vom Salzamt!) Ich weiß, es ist Ihnen unangenehm, wenn diese Dinge angesprochen werden, aber das sind Fakten, mit denen wir Sie heute konfrontieren können. (Bundesrat Freiberger: "Das sind die Fakten"!)


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Nächster Punkt: Volksvermögen verkaufen, wird immer gesagt. Meine Damen und Herren! Es ist im Finanzausgleich auf Betreiben der Bundesländer nicht nur eindeutig festgelegt, dass wir die Wohnbauförderungsmittel funktionell auf Infrastrukturinvestitionen erweitern dürfen, sondern es ist auch geregelt worden, dass alle Altkredite, die erst in den nächsten Jahren fällig und zurückgezahlt werden, selbstverständlich auch vorzeitig verkauft werden können – ohne Zweckbindung wie bisher, damit die Länder entweder ihre Budgets in Ordnung bringen oder entsprechende Investitionen tätigen können. Wir haben uns entschlossen, einen Teil zu verkaufen, um die Schulden abzubauen, die in den letzten Jahren angelaufen sind. Es sind ungefähr 15 Milliarden Schilling Finanzschulden zu bedienen, und diese werden mit einem Teil dieser Wohnbauforderungen abgeleistet werden.

Dem hat auch die Sozialdemokratie zugestimmt. Ich verstehe nicht, warum man das hier immer wieder kritisiert. Ich möchte schon dem Gedächtnis von Rednern der SPÖ ein bisschen auf die Sprünge helfen, die vergessen haben, dass, auch bevor Jörg Haider Landeshauptmann wurde, die SPÖ existiert hat und die SPÖ mit der ÖVP in Kärnten in einer Koalitionsregierung war. Da hat man 1996 bereits 5 Milliarden Schilling Wohnbauforderungen verkauft. Darüber hat keiner geredet. Das war sogar gegen das Gesetz, denn damals hat es noch eine Zweckbindung gegeben.

In diesem Fall hat man nicht diskutiert. In diesem Fall ist der Bund auch nicht eingeschritten, weil es sozusagen die kongeniale Deckung der Bundesregierung mit der Landesregierung gegeben hat. Kaum gibt es einen Wechsel in der Regierung und wird versucht, Schulden mit diesen Mitteln zu tilgen, wird plötzlich Stimmung dagegen gemacht und das so hingestellt, als sei es falsch. Aber in der Regierung und im Landtag stimmt man dann trotzdem zu. Das ist eine janusköpfige Politik, die letztlich dazu führen wird, dass die Bevölkerung sagt: Eigentlich kann man jenen nicht vertrauen, die jede Stunde und jede Minute, ganz gleich, wo sie sind, etwas anderes behaupten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Mag. Trunk: Aber es sind Teile verkauft worden!)

Es ist auch jetzt nicht alles verkauft worden. Wir verkaufen auch noch andere Vermögenswerte, beispielsweise Beteiligungen an der Landeselektrizitätsgesellschaft. Wiederum von der Sozialdemokratie offiziell bekriegt – in der Landesregierung einstimmig mitbeschlossen. Die SPÖ sitzt mit uns in der Kärnten-Energieholding und beschließt den Verkauf der Anteile mit. Das muss man wissen, wenn man hier hergeht und als Parteisekretär etwas behauptet, was der Parteiobmann in der Landesregierung in Kärnten ganz anders mitbeschlossen hat. (Rufe bei den Freiheitlichen: Ungeheuerlich! Unglaublich!)

Meine Damen und Herren! So sind die Dinge, die sich in Wirklichkeit abspielen. Ich würde auch anraten, dass man vielleicht einmal meinen Namenskollegen Haider von der SPÖ in Oberösterreich befragt, der sich dort für den Verkauf der Wohnbauforderungen stark macht. Er sagt: 100 Prozent der Wohnbauforderungen jetzt verkaufen, weil die Zinssituation nicht mehr besser als jetzt wird! – Wir hätten schon vor einem Jahr verkaufen sollen, dann hätten wir nämlich noch 2, 3 Milliarden Schilling mehr erlöst, aber damals war der politische Widerstand so groß, und man hat die Zinschance nicht ausgenützt.

Das heißt, wenn wir etwas können und die Sozialdemokratie etwas nicht kann, dann ist das der Umgang mit fremdem Geld. Wir können mit dem Geld der Steuerzahler besser umgehen. Wir haben nicht Schulden gemacht, sondern wir bauen die Schulden ab, und wir versuchen auch hier, die Zukunft neu zu ordnen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Würschl: Siehe Rosenstingl in Niederösterreich!)

Da ist auch nicht sehr viel herausgekommen, wie bei der Spitzelaffäre. Sie können nur anpatzen, nur schlecht machen, aber schlussendlich kommt dann nichts heraus. Haben Sie dann wenigstens die Größe, sich auch einmal öffentlich für all die Ungeheuerlichkeiten, die Sie an unsere Adresse gerichtet haben, zu entschuldigen! Das wäre meines Erachtens nach der richtige Weg. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Winter: Rauschgift, Zwettl! Was war bei Caspar Einem?)


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Ich habe das zurückgenommen, ich habe das sogar im Parlament zurückgenommen, Herr Kollege! Dieser Größe entbehren Sie manchmal. Sie schütten die Freiheitlichen an, aber wenn sich dann alles als haltlos herausstellt, dann tut man so, als hätte man nie irgendetwas behauptet.

Zur Frage der Verwaltungsreform. Es ist gefragt worden, was alles geschehen ist. Man könnte in Kärnten auch etwas machen. (Bundesrat Würschl  – auf die Zuschauerplätze weisend –: Da sitzen die Politsekretäre!) Wo sind Politsekretäre? – (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich will die Sache nicht zu weit ausführen, muss aber schon etwas dazu sagen, wenn sich jemand über Politsekretäre aufregt, der selbst ein Politsekretär ist und mit einem Bundesratsposten versorgt werden muss, damit er als SPÖ-Parteisekretär ein Gehalt hat (Bravorufe und Beifall bei den Freiheitlichen sowie Beifall bei Bundesräten der ÖVP) und der in seinem Leben noch nie wirklich einer Tätigkeit nachgegangen ist.

Meine Damen und Herren! Dieser Herr Bundesrat, der jetzt diesen Einwurf gemacht hat, war viele Jahre lang Vizepräsident des Landesschulrates. Kärnten hat aber aufgrund seiner Bevölkerungsentwicklung seit über zehn Jahren keinen Anspruch mehr auf einen Vizepräsidenten, aber nur deshalb, weil sich die SPÖ weigert, die Verfassung zu ändern, bleibt er auch ohne Anspruch Vizepräsident und hat das zehn Jahre lang beobachtet. Das sind die Dinge, die man wissen muss! Jemand, der auf andere mit Steinen wirft und selbst im Glashaus sitzt, sollte doch besser ruhiger und etwas vorsichtiger sein. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Kärnten hat schon seit über zehn Jahren keinen Anspruch auf einen Vizepräsidenten, aber damit man politisch versorgt ist, hat man diese Tätigkeit ausgeübt. (Bundesrat Würschl: Wie ist das mit dem Bärental?)

Ich sage auch, da entstehen dann diese Aggressionsakte am Rednerpult, indem gesagt wird: Der Herr Landeshauptmann hat viel über die Kärntner Geschichte gesprochen. Er hat viel über die Volksabstimmung und über den Abwehrkampf gesprochen. Am liebsten würden Sie heute noch kämpfen! (Ruf bei den Freiheitlichen: Skandalös!) – Das ist genau die Einstellung, Herr Kollege, die für einen Repräsentanten der Republik, der hier als Mandatar sitzt, unangebracht ist. Das muss ich Ihnen sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP.)

Das ist das permanente Spiel: Die Linke in der ganzen Welt verehrt alle Freiheitskämpfer, in Guatemala, in Venezuela, überall in der Welt werden sie verehrt – nur im eigenen Land werden sie permanent mit Dreck beschmissen und schlecht gemacht, obwohl wir ihnen die Freiheit verdanken (Bundesrat Dr. Nittmann: So ist es!), obwohl wir ihnen ein gutes Stück unserer Demokratieentwicklung verdanken. Denn hätten die Kärntner 1918, 1920 – darunter viele Sozialdemokraten – nicht mitgekämpft, dann wäre dieser Teil der Republik an den Kommunismus gefallen, und 70 Jahre Demokratieentwicklung wäre diesen Menschen vorenthalten worden, die sie jetzt im wirtschaftlichen Bereich mit genossen haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich bin schon neugierig, was Sie dann in Kärnten erzählen werden, wie Sie diese Meinung und diese Stellungnahme interpretieren werden, denn ich glaube, wir alle haben – egal, welcher politischen Couleur wir angehören – eine Verpflichtung, nämlich dass wir diese stolze Geschichte – es gibt nicht viele Beispiele unter den österreichischen Bundesländern, bei denen eine Abwehrmaßnahme so erfolgreich war –, dass wir diesen Erfolg des Abwehrkampfes und der Volkabstimmung auch aufrechterhalten und im Bewusstsein der jungen Menschen aufrechterhalten. Wie wollen Sie denn für die militärische Landesverteidigung positiv eintreten, wenn wir sagen, wir sind mit dem, was unsere Vorfahren getan haben, überhaupt nicht einverstanden, das waren Kriegstreiber? – Nicht die Österreicher haben ein anderes Land überfallen, sondern Österreich wurde 1918/19 überfallen und sollte aufgelöst werden!

Dieser Patriotismus, dieser Zusammenhalt der Menschen, diese Heimatverbundenheit haben bewirkt, dass sie trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit – ich muss sagen, auch mit Hilfe von Wienern, die vor Ort gewesen sind und mitgeholfen haben – dieses historische Ergebnis für Kärnten und für Österreich geschafft haben. Lassen wir doch wenigstens diese Frage aus dem politi


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schen Tagesstreit heraus! Das wird wohl ein Kärntner Delegierter hier im Bundesrat zusammenbringen: sich auf die Zunge zu beißen und zu sagen: In dieser Frage gibt es nur ein gemeinsames Dankeschön gegenüber jenen, die uns die Freiheit und die Demokratie gesichert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Trunk hat freundlicherweise das Thema Pensionisten angesprochen und in diesem Zusammenhang gemeint, man müsse doch fragen, warum diese Pensionsanpassung eigentlich so unzureichend ist. Wir alle wissen, dass die Pensionsanpassung immer nach dem jeweiligen Halbjahr auch der Inflationsrate berechnet wird. Das heißt, die ursprüngliche Idee auch des Vertreters der Sozialdemokratie, des Kollegen Blecha, war, bereits im Juli die Berechnungen durchzuführen. Nach langem Hin und Her hat man gesagt, man verschiebt den Zeitpunkt in den August hinein, damit man einen längeren Zeitraum der Inflationsentwicklung erfasst, sonst würde für den restlichen Teil des Jahres die Inflationsanpassung erst bei der nächsten Pensionsanpassung kommen. Diesen Streitpunkt hat es gegeben.

Jetzt hat man also die Inflation für die erste Hälfte des vergangenen Jahres berechnet – also die 0,8 Prozent – und den Fixbetrag von 1 600 S beziehungsweise 350 S für Ausgleichszulagenempfänger und 500 S für Ehegatten im Ausgleichszulagenbereich festgelegt. Das ist, so glaube ich, eine sehr saubere Lösung! Warum? – Dieser Fixbetrag trägt dazu bei, dass jene, die zwischen 10 000 und 20 000 S Pension haben, mehr bekommen, als die Inflationsrate ausmacht, und dass sich beim nächsten Mal eine im Herbst höhere Steigerungsrate bei den Heizölpreisen selbstverständlich in der Pensionsberechnung wiederfinden wird. Das ist ein System, zu dem man ja sagen muss.

Sie können es vergleichen. Ihr Kollege von den sozialistischen Senioren, Herr Kollege Blecha, hat ein anderes System vertreten. Er war für keinen Fixbetrag, sondern für 0,7 Prozent Erhöhung für alle. Jetzt rechnen Sie einmal aus: Bei einer Pension in der Höhe von 10 000 S, 15 000 S, 18 000 S, 20 000 S ist es ein Unterschied, ob man die 0,8 Prozent Inflationsanpassung plus einen Fixbetrag von 1 600 S als Einmalzahlung – für alle gleich – bekommt oder eben 0,7 Prozent. Damit wären jene, die zwischen 10 000 S und 20 000 S Pension bekommen, auf alle Fälle schlechter bedient als mit dem derzeitigen Modell. Das heißt, die Sozialdemokratie müsste eigentlich danach trachten, dass die Einkommensschwächeren besser gestellt werden und nicht die "großen" Pensionisten, denen es völlig egal ist, ob sie 200 S mehr oder weniger haben.

Ich habe heute im Lift eine Frau getroffen, die gesagt hat: Warum begrenzt man denn nicht nach oben hin die Pensionen? Ich bin eine Pensionistin, war Ministerialrat, mir geht es so gut, dass ich gerne bereit bin, einen Sanierungsbeitrag zu leisten! – Einige können das tun, aber die meisten können es nicht, und daher waren die 1 600 S Fixbetrag, die jetzt im Februar zur Anweisung kommen, sicherlich für die Masse der Pensionisten – 80 Prozent der Pensionisten in Österreich haben bis zu 22 000 S monatlich – eine richtige Lösung. Die Pensionisten werden damit zufrieden sein, denn die Blecha-Lösung der SPÖ hätte bedeutet, dass jeder Einzelne um ein paar hundert Schilling weniger gehabt hätte – und das müssten Sie dann den Leuten draußen erklären. Ich möchte das nicht tun. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich stimme Ihnen zu, dass die Besteuerung der Unfallrente eine absolute Härte ist. Da stimme ich Ihnen absolut zu. Man darf aber nicht vergessen, dass das System umgestellt wurde, und zwar nicht zum Nachteil aller, sondern zum Vorteil von sehr vielen, denn jeder, der mehr als 70 Prozent Behinderung hat, Invalidität hat, fällt in eine wesentlich bessere Dotierung bei seiner Zusatzrente. Von 20 Prozent ist auf 50 Prozent die Zusatzrente erhöht worden. Das heißt, es fahren sehr viele wesentlich besser, es gibt aber etliche, bei denen es weniger wird. Ich glaube, man sollte schon über diese Dinge nachdenken, aber man sollte ehrlich sagen: Es gibt einen Teil, der nicht zufrieden ist, aber es gibt einen großen Teil, der besser gestellt worden ist, nämlich vor allem jene, die wirklich eine dauerhafte, langfristige Schädigung haben und deren Erwerbsleben dadurch behindert war.

Es kommt noch etwas dazu: Es gibt die berühmte Behinderten-Milliarde, das heißt, dass auch aus diesen Erträgnissen 1 Milliarde zweckgebunden für eine Behinderten-Offensive zur Verfü


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gung gestellt wird. Ich halte das für sehr gut, weil jeder weiß, dass man hier sehr viele Projekte österreichweit zur Durchführung bringen kann, die vor allem helfen werden, viele behinderte Menschen zusätzlich in Beschäftigung zu bringen. Der amtierende Sozialminister hat das gemacht, indem er bei den Kommunen alle kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisse zusätzlich verlängert hat. Es ist für viele Leute eine ganz wichtige Sache, dass sie einen Beruf haben, dass sie berufstätig sein können, dass sie sich mit einer Aufgabe identifizieren können. Ich denke, dass dieser Weg, den die Bundesregierung gewählt hat, richtig und gut gewesen ist.

Bezüglich der Frage der Mitversicherung der Ehegattinnen kann man unterschiedlicher Meinung sein, das ist eine ideologische Frage. Die derzeitige Regierung – ich identifiziere mich mit diesem Programm, das hier vorgegeben worden ist – setzt stärker auf Familien- und Kinderorientierung. Das ist beim Kindergeld so, und das ist bei der Frage der Mitversicherung so, denn wir haben heute ein Pensionssystem, ein Versicherungssystem, auf Grund dessen diejenigen, die keine Vorsorgeverpflichtungen haben, am besten leben. Das ist in Wirklichkeit die Tendenz zu einer kinderlosen Gesellschaft, zu einer bindungslosen Gesellschaft, und das sollte umgekehrt werden! Wir sagen: Derjenige, der keine Vorsorgeverpflichtungen hat oder der in seinem Leben nie welche gehabt hat – sei es, indem er ein Pflegekind oder als Tagesmutter Kinder betreut hat, die zählen alle nicht dazu –, der absolut nie Vorsorgeverpflichtungen übernommen hat, der soll auch für seine eigene soziale Sicherheit einen Beitrag leisten, denn letztlich lebt er davon, dass andere für Kinder vorsorgen, die wiederum Pensionen erwirtschaften und Krankenversicherungsbeiträge zahlen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Präsidentin! Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass wir jetzt diesen Ausflug in die Tagespolitik gemacht haben, aber ich wollte auf alle Fälle Antwort auf die aufgeworfenen Fragen geben, denn manchmal sind die Dinge, wenn man hinter die Kulissen schaut, vielleicht doch ein bisschen anders.

Ich kann – abschließend – Frau Kollegin Trunk absolut beruhigen: Der Weg des Privilegienabbaues wird fortgesetzt. Ich setze ihn konkret dort fort, wo natürlich manche auch versuchen, Druck auf mich zu machen. Es gibt etwa seit einem dreiviertel Jahr eine Neuregelung im Unterrichtsministerium, mit der festgelegt worden ist, dass die beamteten freigestellten Personalvertreter in Zukunft ein Gehaltsniveau eines Bezirksschulinspektors haben sollen; das können dann die Bundesländer beantragen und der Landeshauptmann verfügen. Ich mache das für mein Bundesland nicht, weil ich der Meinung bin, dass das ein Privileg ist, wenn Personalvertreter glauben, sie müssen auf demselben Niveau wie Bezirksschulinspektoren, die ohnedies schon sehr teure Aufsichtsbeamte im Schulsystem sind, eingereiht werden. Ich bin der Meinung, wir können da auf viele Dinge verzichten. Wir sollten eher auf die Inspektoren verzichten, anstatt die Personalvertreter jetzt auch noch mit Inspektorengehältern auszustatten.

Das sind konkrete Maßnahmen des Privilegienabbaues. Es waren viele Ihrer Kollegen – nachdem es in Kärnten viele rote Personalvertreter gibt – schon sehr oft bei mir und haben gesagt: Wir sind das einzige Bundesland, in dem die Personalvertreter noch nicht besser gestellt sind. Ich habe ihnen gesagt: Das ist so, und das wird auch so bleiben, weil ich darin überhaupt keinen Sinn erkenne, wenn wir auf der einen Seite im Schulbereich sparen, Lehrerposten einsparen und gleichzeitig die Gehälter für die freigestellten Beamten, die eigentlich keinen Schuldienst mehr leisten, ausweiten. – Das ist nicht meine Welt, dazu bekenne ich mich. In diesem Sinne wird Privilegienabbau auch in Zukunft weitergehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.08

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegt eine weitere Wortmeldung vor. Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

13.09

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Landeshauptmann – wissend, dass du den Saal verlässt, ich respektiere das! (Landeshauptmann Dr. Haider: Nicht wegen dir!) Das hätte ich als Lob betrachtet. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich habe jetzt etwas gelernt: Ich habe gelernt, dass man nicht nur laut singen kann im Wald, wenn man sich politisch fürchtet, sondern man kann offenbar auch laut applaudieren im Saal,


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denn das, was die Kollegen von der freiheitlichen Fraktion hier an hypertropher Erregung geboten haben, war bemerkenswert. (Bundesrat Dr. Nittmann: Aber vor der FPÖ muss man sich nicht fürchten!) – Das sehen manche Menschen in diesem Land eigentlich inzwischen anders. Ich bin ein verhältnismäßig furchtloser Mensch, auch wenn ich zugebe, dass die akustische Bedrohung, die ich bei einer etwas anderen Sitzordnung in meinen Ohren hatte, tatsächlich existenzbedrohend war.

Meine Damen und Herren! Die Debatte hat sich, was das gute Recht aller Beteiligten ist, vorwiegend auf Probleme in dem Land, das Herr Landeshauptmann Haider hier vertreten hat und dem er vorsteht, konzentriert. Es gibt dort auch genug, und er macht auch genug, sodass das eine legitime Auseinandersetzung für eine Länderkammer ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. )  – Frau Kollegin! Genau Sie habe ich gemeint.

Zweitens: Unter dem Titel "Vorstellungen zur Reform des Bundesstaates" habe ich etwas anderes erwartet. Eigentlich wurden wir mit Magerkost abgefertigt. Ich habe extra gewartet auf den Nachschlag und das Schlusswort des Herrn Landeshauptmannes, ob da noch etwas nachkommt, weil ich nicht glauben konnte, dass diese dünne Suppe das ist, was dem Bundesrat angeboten werden soll. Aber es war so. Nicht ein Fettauge ist oben geschwommen!

Dort, wo der Herr Landeshauptmann versucht hat, ins Detail zu gehen, hat er zwar sehr schöne Sätze gefunden, aber jeder einzelne davon hat der konkreten Politik dieser Bundesregierung widersprochen. Wie will man denn von Bürgernähe sprechen, wenn ein Herr, den er offensichtlich auch privat ganz gut kennt, den flächendeckenden Rückzug des Rechtsstaates vom flachen Land forciert? Wie will man denn von Verwaltungsvereinfachung sprechen, wenn fortwährend neben der öffentlichen Verwaltung, die tatsächlich teuer und kompliziert genug ist, neue Einrichtungen entstehen, die genauso einem hypertrophen Wachstum anheim zu fallen drohen? Und wie will man die Nähe zu den Problemen der Bürger, aber auch die Nähe zu den Sorgen der lokalen Wirtschaft erhalten, wenn man darüber spricht, dass die Beschaffungsvorgänge zur Gänze zentralisiert werden sollen, wie ich heute mit Interesse gelesen habe, und zwar nicht nur die des Bundes, sondern gleich auch die aller Bundesländer? Gehört es nicht zum Wesen unseres gesamtstaatlichen Ausgleiches, dass es sehr wohl richtig und notwendig ist – es gibt nicht nur den Effizienz- und Sparsamkeitsgesichtspunkt –, lokale Strukturpolitik über beschaffungspolitische Maßnahmen zu betreiben? – Die Menschen wissen, dass der Zusammenbruch, das Abwandern auch kleiner Betriebe aus bestimmten benachteiligten Regionen nicht nur heißt, dass es dort ein paar Arbeitsplätze weniger gibt, sondern dass dort ein Verödungsprozess eintreten kann, der eine solche Gegend bedroht.

Ich glaube, wir sollten uns – wir ohnehin nicht –, Sie sollten sich von diesem Diktat der angeblichen Effizienz und Sparsamkeit freimachen. Wenn man lang genug fastet, ist man entsetzlich schlank, nämlich ein Gerippe, weil man tot ist. Und wir wollen es dieser Republik und vor allem ihren Menschen ersparen, diesen Weg zu gehen.

Das Gemeinwesen ist keines, in dem ausschließlich heute der Schilling, morgen der Euro regiert, sondern hier geht es um Menschen, um deren Schicksale, um einen Interessenausgleich, um regionale Entwicklungen, und vieles davon ist materiell nicht zu bewerten.

Glauben Sie nicht, dass es klüger wäre, von einem Effizienzstandpunkt die Bevölkerung dieses Landes aus dünn besiedelten Gebieten einfach per Kommando abwandern zu lassen? Ein Postamt in einem Alpental, ein Postamt im Waldviertel ist absolut unrationell! Es sind auch die Menschen dort unrationell, wenn man ihnen Straßen hinbauen muss! – Was wäre denn das für eine Politik, was wäre das für eine verhängnisvolle und verbrecherische Politik, Menschen unter Effizienzgesichtspunkten sozusagen die Heimat madig machen zu wollen. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. ) – Nein, aber von einer vernünftigen Abwägung. Das sage ich, selbstverständlich, Herr Kollege! (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Woher nehmen Sie das Wissen? Wie definieren Sie "vernünftig"?) – Herr Kollege! Vernünftig ist der Interessenausgleich einer Gesellschaft. Auch das gehört zu den Selbstverständlichkeiten des demokratischen Prozesses. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Maier: Das halte ich jetzt aber fest!) Herr Kollege Maier! Sie sind es nicht, und ich bin es nicht, die festzulegen hätten, was vernünftig ist. Ver


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nünftig ist das, was die Mehrheit der Menschen findet. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Dr. Maier. )

Herr Kollege! Es wird alles protokolliert, sogar die Sprechfehler des Herrn Landeshauptmannes von vor zehn Jahren. Da können Sie sich auf unsere Mitarbeiter oder deren Vorläufer – denn so lange, Frau Kollegin (in Richtung Parlamentsstenographin), sind Sie noch nicht bei uns – durchaus verlassen. (Bundesrat Keuschnigg: Aber beim Finanzausgleich hat es keine Unterstützung Ihrerseits gegeben!) Das haben Sie als Unterstützung für den ländlichen Raum verstanden, was Sie da gefordert haben, wir nicht.

Lassen Sie mich zu meinem Thema zurückkommen. Mehrheiten sind zunächst einmal natürlich demokratische Mehrheiten. Aber der Herr Landeshauptmann – ich weiß nicht, ob das wieder einmal ein Versprecher war – hat offenbar kritisch gemeint, Kompromisse hätten in Österreich eine lange Lebensdauer. – Ja nur Kompromisse können eine lange Lebensdauer haben! Wenn einer drüberfährt, dann wird der andere, wenn er die Möglichkeit dazu hat, zurückfahren. Derzeit fahren Sie drüber. Verlassen Sie sich darauf: Das hat keinen Bestand! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen, weil ich wirklich betroffen war, mit welcher Selbstverständlichkeit hier Ungeheuerlichkeiten ausgesprochen werden – 5 Minuten, nachdem Kollege Bieringer gemeint hat, es für notwendig zu halten, den Ton zu wahren.

Da wird also ohne die Spur eines Beweises den Beamten einer Kärntner Landesdienststelle in Wirklichkeit so eine Art "Schulputsch" unterstellt. Da wird einem Mitglied dieses Hauses gesagt, dass er noch nie in seinem Leben einer ernst zu nehmenden Tätigkeit nachgegangen ist. Da wird – in einem Zwischenruf von hinten – ohne irgendeinen Hinweis auf einen Beweis erklärt, dass Demonstranten 100 S bekommen, und dann wird vom Herrn Landeshauptmann erklärt, dass Schüler unter falschen Vorstellungen nach Wien gelockt werden, und dann fänden sie sich plötzlich bei Demonstrationen wieder. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Eisenbahnergewerkschafter! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Bitte, Kollegen, einer nach dem anderen, dann habe ich eine Chance, darauf zu antworten. Ihre Chorgesänge sind so schlecht aufeinander abgestimmt. Wer also von den Vieren? (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Eisenbahnergewerkschafter!) Was ist mit der Eisenbahner-Gewerkschaft? – Die gibt es, die ist groß und stark und genießt meine Unterstützung. Ist sonst noch etwas dazu zu sagen? (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, diese Methode, mit freundlichem Gesicht – das hat er sehr gut verstanden – Ungeheuerlichkeiten und Verdächtigungen auszusprechen, ist auch dann nicht sanktioniert, wenn ein Landeshauptmann von den Segnungen der Verjährung geküsst wird. (Beifall bei der SPÖ.)

13.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Böhm.

13.19

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Zunächst zu Ihnen, Herr Kollege Konecny, zu Ihrer Bemerkung, womit der Justizminister offenbar apostrophiert war, es ginge um einen “flächendeckenden Rückzug des Rechtsschutzes” im Lande. Ich räume ganz offen ein, dass ich persönlich selbst sehr ambivalent gegenüber einem radikalen Abbau der ländlichen Bezirksgerichte eingestellt bin. Trotzdem muss ich sagen, mit einem Rückzug des Rechtsschutzes hat das natürlich nichts zu tun. Wenn Sie bedenken, dass der Durchschnittsbürger wesentlich häufiger mit einer Bezirksverwaltungsbehörde, sei es mit der Bezirkshauptmannschaft oder dem Magistratischen Bezirksamt, zu tun hat als jemals mit einem Bezirksgericht oder Landesgericht, dann muss ich schon sagen, da redet auch niemand von mangelnder Bürgernähe, weil er in den nächstgelegenen Ort zur Bezirksverwaltungsbehörde fahren muss, wenn er nicht direkt dort lebt.


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(Bundesrat Konecny: Aber dort wird es keine Bezirksgerichte mehr geben, wenn sich Herr Böhmdorfer durchsetzt!)

Das ist so nicht richtig. (Bundesrat Konecny: Teilen Sie 64 auf 114 auf!) Ja. Im Übrigen wissen Sie als Föderalist selbst, dass der Justizminister im Alleingang das gar nicht beschließen kann (Bundesrat Konecny: Das ist eigentlich der glückliche Fall!), denn wenn auch, wie heute schon einmal erwähnt, die Gerichtsbarkeit in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache ist, so gibt es bekanntlich eine Verfassungsbestimmung, die bei der Auflassung von Bezirksgerichten den Ländern ein Mitspracherecht einräumt. Sofern also das betroffene Bundesland dem nicht zustimmt, kann das nicht geschehen, kann der Justizminister derartige Schließungen nicht durchsetzen.

Im Übrigen ist das nicht nur aus rein betriebswirtschaftlichen Effizienzgründen angedacht, sondern man muss natürlich schon eines sehen: Beim heutigen Grad der Spezialisierung, bei der Notwendigkeit der infrastrukturellen Ausstattung, auch bibliotheksmäßig, der notwendigen Spezialisierung der Richter können Sie das an einem "Zwergbezirksgericht", in dem ein oder eineinhalb Richter ausgelastet sind, in dem manchmal sogar nur Richter in Teilbeschäftigung arbeiten, gar nicht organisieren. Da sollte man schon die Kirche im Dorf lassen und nicht von Verdünnung des Rechtsschutzes reden.

Ich bedaure, dass Kollege Konecny nicht mehr anwesend ist, es ist eigentlich ein Gebot der Höflichkeit, dass man zuhört, wenn der Redner auf jemanden Bezug nimmt, aber das bin ich schon gewohnt. (Bundesrätin Schicker: Auch wir sind das gewohnt, dass die Freiheitlichen hinausgehen!) Ich möchte aber schon sagen – ich hätte es auch in seiner Anwesenheit gesagt –: Ich empfand seine letzte Bemerkung von den "Segnungen der Verjährung" wirklich als ein Argument unterhalb der Gürtellinie, denn es ist im Strafrecht so, dass verjährte Delikte nicht weiter zu untersuchen sind, weil von vornherein der Freispruch feststünde. Wäre es nicht verjährt gewesen, dann wäre da offenbar Substanz gewesen – das ist ein klare Unterstellung! Der Verfolgte hat ja keine Möglichkeit, zu sagen: Bitte untersucht das, damit meine Unschuld nachgewiesen wird. Das sollte Kollege Konecny doch auch wissen.

Aber erlauben Sie mir doch eine kurze, wenn auch sehr kritische Randglosse zum Verlauf unserer Sitzung.

Unser neuer Präsident Klamt hat, wie ich meine, eine Rede gehalten, die der Würde dieses Hauses voll gerecht geworden ist. Sie war parteiübergreifend, und sie hat dem Ansehen des Bundesrates gedient und dem Bestreben entsprochen, seine Stellung und Funktion zu stärken. Ich möchte Kollegen Klamt, auch wenn er im Moment nicht anwesend ist, dafür namens meiner Fraktion Dank aussprechen.

Der gleichfalls nicht mehr anwesende Herr Landeshauptmann Dr. Jörg Haider hat unserem Haus durch seine Anwesenheit und seine Rede seine Referenz erwiesen. Auch ihm danke ich, obwohl er nicht mehr anwesend ist. Er hat den Föderalismus und damit auch die Bedeutung der zweiten Kammer, der Länderkammer, in welcher Organisationsform auch immer dezidiert hervorgehoben. Für umso bedauerlicher halte ich es, dass diese an sich feierliche föderalistische Gelegenheit zum Anlass genommen worden ist, billiges parteipolitisches Kleingeld herauszuschlagen.

Frau Kollegin Trunk – sie ist leider auch nicht anwesend – und Herr Kollege Würschl – er ist ebenfalls nicht anwesend – haben geradezu Wahlreden gehalten. Ich frage mich, wieso. Es steht in Kärnten keine Wahl bevor; vielleicht gut für die SPÖ. Aber ich sehe darin in gewisser Weise auch eine Herabsetzung des Ansehens und der Wertigkeit des Bundesrates. Es wäre möglich gewesen, auch hinsichtlich der Anwesenheit des Fernsehens, sich hier anders zu präsentieren. Denn bedenken Sie: Welcher Landeshauptmann, der dem Bundesrat gleichfalls seine Wertschätzung bekunden will, soll künftig – er ist ja nicht dazu verpflichtet – hier noch auftreten, um sich dann einem solch unwürdigen, um nicht zu sagen, beschämenden Spektakel auszusetzen?! Würde aber eine solche Abstinenz der Landeshauptleute dem Ansehen und dem Stellenwert des Bundesrates nützen? – Das war eine bloß rhetorische Frage.

Ich würde mich daher freuen, wenn Sie auf Grund meiner kritischen Anmerkung, Frau Kollegin Trunk – vielleicht können ihr das die Kolleginnen und Kollegen übermitteln – und Herr Kollege Würschl, aber auch die SPÖ-Fraktion, Ihr Vorgehen überdenken wollen, denn wir haben heute eine Chance verpasst. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.25


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass ein Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 1999 eingelangt ist.

Dieser genannte Beschluss unterliegt im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 des Bundes-Verfassungsgesetzes nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates. Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegendes Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind ferner Schreiben des Bundeskanzleramts betreffend Ministervertretung, und ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Monika Mühlwerth: "Der Herr Bundespräsident hat am 24. Jänner 2001, Zl. 300.100/3-BEV/2001, folgende Entschließung gefasst.

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner innerhalb der Zeiträume vom 13. bis 17. Februar beziehungsweise vom 23. bis 25. Februar 2001 den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein mit der Vertretung."

"Unter teilweiser Reassumierung der Entschließung vom 24. Jänner 2001, Zl. 300.100/3-BEV/2001, betraue ich auf Vorschlag des Bundeskanzlers für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero Waldner am 15. Februar 2001 die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer mit der Vertretung."

"Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer innerhalb des Zeitraumes vom 14. bis 16. Februar 2001 den Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner mit der Vertretung."

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Verlesung dieser Schreiben.

Eingelangt sind weiters neun Anfragebeantwortungen, 1611/AB bis 1619/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Eingelangt sind ferner jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Der Herr Präsident hat diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über den bereits früher eingelangten und zugewiesenen Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahre 1999 abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte hierüber erstattet.


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Es sind alle diese Vorlagen vom Herrn Präsidenten auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt worden.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Überdies gebe ich Ihnen bekannt, dass ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und Genossinnen und Genossen betreffend die Defizite im Verkehrsinfrastrukturausbau in Österreich, die Demolierung des öffentlichen Nahverkehrs und Verschlechterung in der Postzustellung an die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vorliegt.

Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es ist beabsichtigt, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 5 und 6 sowie 10 bis 14 der Tagesordnung jeweils unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Es ist dies nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden (388 und 460/NR sowie 6296/BR der Beilagen)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Rates über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein vom 4. Dezember 2000 (Tiermehl-Gesetz) geändert wird (461/NR sowie 6297/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 und 2, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Rates über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein vom 4. Dezember 2000 (Tiermehl-Gesetz) geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 1 und 2 hat Frau Bundesrätin Schlaffer übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatterin Anna Schlaffer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden.


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Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich darf daher zum Beschlussantrag kommen.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Des weiteren bringe ich den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Rates für Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein vom 4. Dezember 2000 (Tiermehl-Gesetz) geändert wird.

Da Ihnen dieser Bericht ebenfalls schriftlich vorliegt, darf ich sogleich zum Beschlussantrag kommen.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ing. Gerd Klamt (den Vorsitz übernehmend): Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. Ich erteile ihm dieses.

13.34

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum vorliegenden Tagesordnungspunkt 1, dem Bundesgesetz, mit dem das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden, und zum vorliegenden Tagesordnungspunkt 2, dem Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Verfütterung von tierischem Protein vom 4. Dezember 2000, Tiermehl-Gesetz, geändert wird, möchte ich einige kurze fachliche Anmerkungen machen.

Ich darf meiner Freude Ausdruck verleihen, dass, wie schon öfters an dieser Stelle erwähnt, die lückenlose Kontrolle, die wir auf dem Bauernhof mit der AMA-Rinderdatenbank vorweisen können, wonach Tiere spätestens bis zum siebenten Lebenstag gekennzeichnet werden müssen und deren Abgang vom Bauernhof mit einem Lieferschein, der vom Besitzer unterschrieben werden muss, bestätigt werden muss, fortgesetzt wird. Diese Kontrolle auf dem Bauernhof geht sogar so weit, dass dann, wenn zum Beispiel ein Kalb oder ein Rind zu einer Auktion oder zu einer Versteigerung gebracht wird, aber dort vom Besitzer nicht verkauft wird, also den Besitzer gar nicht wechselt, bei der AMA-Rinderdatenbank eine Abgangs- und eine Zugangsmeldung gemacht werden muss. Das heißt, dass sogar kleinste Bewegungen im Rinderbestand schriftlich nachgewiesen und aufgezeichnet werden müssen. Ich bin daher überzeugt davon, dass mit diesem neuen Gesetz, mit der Änderung des Rindfleisch-Etikettierungsgesetzes, diese lückenlose Kontrolle vom Bauernhof bis zum Verkaufstisch, bis zum Konsumenten fortgesetzt wird.

Damit wird gewährleistet, dass der Konsument tatsächlich jenes Produkt erwirbt, das ausgepreist und etikettiert wird.

Ich denke doch, dass es sehr wesentlich ist, dass mit diesem neuen Gesetz nun auch der Einblick beziehungsweise die mögliche Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen rechtlich vorgesehen ist. Ich habe das Fehlen dieser immer wieder bemängelt, weil es auf Grund der bisherigen Praxis bei den Aufzeichnungen ohne weiteres möglich gewesen wäre, so manche wundersame Vermehrung zu belegen, etwa wenn jemand ein Drittel ordentliche Ware zugekauft und das dann gemeinsam zum Verkauf angeboten hat. Jetzt kann man diese Missbräuche abstellen.

Ich darf eine positive Meldung verlautbaren: Die fälschliche Kennzeichnung mit dem rot-weiß-roten "A", die von mir und meinen Kolleginnen und Kollegen schon öfters kritisiert wurde, wurde anläßlich der BSE-Enquete, die am Freitag in diesem Hause stattfand, von der Wirtschaft zu


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rückgenommen, und zwar nicht nur bei den Fleischprodukten, sondern auch bei den Verarbeitungsprodukten. Ich denke, dass das ein ganz wesentlicher Fortschritt in der Vertrauensbildung der Konsumenten ist.

Die Hysterie, die wegen BSE ausgebrochen ist – nur von einer solchen kann man reden, denn wir haben in Österreich auch nach 22 000 BSE-Tests immer noch, Gott sei Dank, keinen positiven Fall, und es besteht die berechtigte Hoffnung, dass sich das so fortsetzen wird –, hat natürlich zu einem eklatanten Einbruch beim Rindfleischkonsum, beim Rindfleischverzehr geführt. Ich habe gestern Abend in einem Wiener Geschäft feststellen können, dass dort bei jeder Wurstsorte das Pickerl "ohne Rindfleisch" drauf war. Dazu muss ich sagen: Nicht nur, dass dieser Wurst der Geschmack fehlt, es fehlt auch den Metzgern das Rückgrat, die nach jahrzehntelangen Rezepten mit Kodex auf der Basis Rindfleisch aufgebaut haben, weil dadurch der Fettanteil reduziert und der Geschmack verbessert wurden. Dass man sofort in Hysterie verfällt und den wertvollen Anteil an Rindfleisch aus der Rezeptur herausnimmt, ist nach meinem Dafürhalten völlig falsch. Ich hoffe, dass es da zu einer relativ schnellen Beruhigung kommt.

Diese Hysterie ist so weit gegangen, dass es FachschulinspektorInnen, die für den Bereich Ernährung und Haushalt zuständig sind, gegeben hat, die den Lehrerinnen, die in den Schulküchen zuständig sind, empfohlen haben, Rindfleisch vom Speiseplan zu nehmen. Ähnliches ist in öffentlichen Küchen geschehen. Das ist Wahnsinn, sage ich nur!

Wenn ich bedenke, dass Rindfleisch international eine der bestkontrolliertesten Fleischsorten und eine der besten Fleischqualitäten ist, und wenn ich bedenke, wie Rinder in Österreich gefüttert werden – in unserer Schrebergartenlandwirtschaft im internationalen Vergleich –, so möchte ich die Qualität von Rindfleisch gleich nach der Qualität von Wildfleisch anführen, weil bei uns wirklich ausschließlich natürliche Futtermittel eingesetzt werden. Ich hoffe doch, dass diese Hysterie bald ein Ende findet. Manche Zeichen auf dem Markt deuten in Richtung Normalisierung.

Die Frage, die angesprochen gehört und die in der tagespolitischen Diskussion immer wieder untergeht, ist natürlich neben der Frage der immensen Kosten, die durch die BSE-Tests verursacht werden, auch jene der zusätzlichen Kosten der Abgeltung für die eklatanten Verluste, die die Rinderbauern dadurch hinnehmen müssen. Es besteht die berechtigte Sorge – die Fernsehsendung "Am Schauplatz" vom Dienstag hat das bewiesen –, dass aus ökologischer Sicht ganz wertvolle Betriebe ihre Tore schließen werden und nie mehr wieder aufmachen werden.

Wir verlieren dadurch die wertvollsten Flächen, nämlich die Grünlandflächen, die aus Sicht der Ökologie die wertvollsten sind, die wertvoller als Wald sind, die wertvoller als Bracheflächen sind und die auch aus touristischer Sicht von eminenter Bedeutung sind. Diese werden dann letztlich verwalden.

Ich darf an alle Betroffenen appellieren, in die Diskussionen einzugreifen und auf den tatsächlichen Zustand hinzuweisen.

Eine Idee, die sehr förderlich wäre, ist mir spontan gekommen, als sich dreißig ganz "weit" denkende Traunsee-Wirte über Rundfunk bereit erklärten, in Zukunft auf dem Speisezettel auf Fleisch völlig zu verzichten und nur mehr Fische anzubieten – auch da gibt es wieder eine wundersame Vermehrung; es gibt genügend Fische, wahrscheinlich sogar aus heimischer Produktion –, und zwar habe ich mir gedacht, dass es hoffentlich eine Gruppe intelligenter Wirte geben wird, die gerade in dieser harten Zeit der Prüfung für die Rinderbauern den berechtigten Schritt nach vorne machen und verstärkt zu Rindfleischwochen aufrufen werden.

Ich denke, es wäre in dieser Zeit ein wertvolles Mittel, dass Wirte, die kontrollierte österreichische Qualität verkochen, jetzt, in dieser Zeit, in welcher das Vertrauen in das Rindfleisch so gesunken ist, bewusst Rindfleischwochen veranstalten. Ich denke da zum Beispiel an das Wiener Lokal "Plachutta", in dem es Rindfleischspezialitäten gibt und man in keinster Weise Einbrüche erlitten hat, sondern ganz im Gegenteil die Kunden das Vertrauen weiterhin behalten haben.


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Ich appelliere an die Solidarität der Wirte. Ich denke, dass die Wirte und die Bauernschaft gemeinsam in einem Boot sitzen, weil natürlich auch die Wirte die gepflegte Landschaft, die gepflegte Kulturlandschaft als wertvolles Werbeschild für ihren Berufsstand und für die Erholung unserer Bürger – sowohl als Wohnbürger als auch als Ausflügler oder als Touristen – sehr schätzen.

Zu Tagesordnungspunkt 2 darf ich vermerken, dass tierische Fette als Bestandteile in Futtermitteln für Wiederkäuer verboten werden. Das hat natürlich seine Berechtigung. Man bedenke nur, dass gerade in jenen Ländern, in welchen BSE-Fälle aufgetreten sind, versucht wurde, nachzuvollziehen, wo denn die Infektion passiert sein könnte oder wo die Infektionen herkommen könnten. Die Praktiken – ich will hier niemandem den Appetit auf Wurst verderben –, die sich in der letzten Zeit in der industriellen Fleischproduktion eingebürgert haben, nämlich dass man Knochen, weil sie kein Marktprodukt mehr sind, mit hochhydraulischen Pressen quetscht und diese Masse dann zum Teil als Wurstfüllstoff verwendet oder auch Kälber mit Milchaustauscher füttert, gehören verboten.

Ich denke mit Wehmut an die Zeit – das war im Jahre 1991, und es war eine große Freude –, als ich mit einer Gruppe Bauern des Bezirkes Vöcklabruck den Landesinnovationspreis des Landes Oberösterreich für unser innovatives Produkt "Edelvollmilchkalb" erhalten habe. Wir haben es damals als "Kalbfleisch wie zu Großmutters Zeiten" bezeichnet. Wir haben uns bemüht, in einer Produktionsgruppe einen innovativen Weg zu gehen. Leider musste wir sehr schnell feststellen, dass diese Qualität der "Preiswürdigkeit" mancher importierter Mastkälber unterlegen war. Das ist so weit gegangen, dass wir nicht nur auf dem Markt Druck gespürt haben, sondern auch in den öffentlichen Küchen – ich habe es heute bereits erwähnt –, ja sogar in den Küchen der Landeskrankenhäuser Wels und Vöcklabruck, in denen unser Produkt durch billig importiertes holländisches Kalbfleisch ersetzt wurde.

Ich erwähne dies nur deshalb, damit man, wenn man heute Beschuldigte sucht, weiß, wo überall Verantwortungsbereiche liegen. Das ist nicht nur der Konsument im Supermarkt, der sich mit Lockartikeln und Billigstangeboten eindeckt, sondern das geht bis in den Bereich der öffentlichen Küchen, sogar bis in den Bereich der Spitalsküchen. Ich hoffe, dass jetzt, in dieser Zeit, in welcher über Verbrennung, über Vernichtung von wertvollsten Lebensmitteln, von geprüften und nachweislich unbedenklichen Lebensmittel nachgedacht wird, endlich diese Idee wieder aufgegriffen wird, und zwar nicht nur österreichweit, sondern EU-weit.

Ich appelliere hier – ich werde es heute noch einmal beim Landwirtschaftsminister machen –, dass man diese gewerbliche Kälbermast, die es nicht nur in Österreich gegeben hat, sondern EU-weit noch immer gibt, bei der man den Unfug betrieben hat, Kälber mit Milchaustausch und Milchersatzprodukten nicht auf ein Kalbgewicht von 120 kg und 130 kg, sondern auf ein Gewicht von 280 kg bis 320 kg zu füttern, endlich verbietet. Diese Qualität war weit weg von der ursprünglichen Qualität von Kalbfleisch, und deshalb gab es damals einen eklatanten Einbruch beim Kalbfleischkonsum, weil dieses Fleisch rohfaserig, zäh und nicht das Kalbfleisch war, das die Konsumenten bei Fleisch von Edelvollmilchkälbern, von Kälbern, die mit Vollmilch gefüttert wurden, gewohnt waren.

Ich appelliere, dass man Europa-weit diese Kälbermast abschafft, damit man dann dadurch wesentlich mehr Kälber im richtigen Gewicht mit 100 kg bis 120 kg hat. Damit würde auch die Milchkontingentierung, das Problem der Überproduktion bei der Milch zusätzlich positiv beeinflusst werden, denn das würde in weiterer Folge dazu führen, dass man wesentlich mehr Kälber der minderen Zuchtqualität, der minderen Exterieur-Qualität, Kälber, die vom Körper her nicht ganz entsprechen, aber beste Fleischqualität liefern, für die Vollmilchmast nimmt und somit den Konsumenten bestes Kalbfleisch, gesundes Kalbfleisch bietet. Man müsste dann über solche Aktionen, wie man sie jetzt gerade berät, nämlich eventuell Rindfleisch wertvollster Qualität zu verbrennen, nicht nachdenken.

Ich persönlich hoffe, dass es gelingt, gemeinsam mit allen Beteiligten die Sonderregelung bei der EU zu erreichen, dass parallel zu Dänemark und Finnland auch Belgien und Österreich eine Ausnahmeregelung bekommen und man andere Wege als den der Verbrennung beschreiten


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kann. In diesem Sinne sind dies zwei wertvolle Gesetze für die Zukunft, sowohl für die Bauern als auch für die Konsumenten, und wir von der ÖVP-Fraktion werden daher diesen beiden Gesetzen unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ. )

13.47

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk. Ich erteile ihr das Wort.

13.47

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Da wir uns bei den zwei vorliegenden Gesetzen auch im mittelbaren Bereich der Landwirtschaft befinden, stehe ich nicht an, das während der Debatte über die Erklärung des Landeshauptmannes entstandene Missverständnis auf Seiten der ÖVP-Fraktion, namentlich des Kollegen Gruber, aufzuklären. Sie haben sich "betroffen" gefühlt – unter Anführungszeichen – durch meine Diktion, durch meine Formulierung "Baustelle Bauernhof" oder "Baustelle Landwirtschaft". Zur Erklärung muss ich sagen: Meine Baustelle sind die Pädagogik, der Journalismus und auch die Politik. Das sind die drei Handwerke, die ich gelernt habe. Sollten Sie sich durch meine Diktion "Baustelle" in irgendeiner Form beleidigt gefühlt haben, so kann ich das zwar nicht nachvollziehen, aber das habe ich so nicht gemeint. – Das zur Klärung dieser Angelegenheit.

Noch dazu: Ich habe diesen Beruf nicht gelernt, aber ich habe seit meinen Kindertagen in der Ferien- und Studienzeit, in der freien Zeit im eigenen Bereich der Nebenerwerbslandwirtschaft genug auf dem Feld gearbeitet, sodass ich weiß, dass das ein ziemlich schwerer Job mit ziemlich geringem Einkommen ist. Es steht mir also fern, Ihnen da irgendetwas Böses unterstellt zu haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Gemüse immer! Aber mein Zugang zu Gemüse hat nichts mit BSE zu tun, sondern das war immer schon so.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat – die Berichterstatterin hat es zuvor ausführlich und sehr kompetent dargestellt – handelt es sich bei den beiden vorliegenden Gesetzen um sehr sinnvolle Maßnahmen, die letztlich dem Schutz der Konsumentinnen und der Konsumenten dienen. Ich denke, auch die Frage der Finanzierung dieses besonderen Schutzes der Konsumentinnen und Konsumenten im Bereich der Etikettierung, der Untersuchung und auch des Verbotes könnte beispielgebend sein, weil sie Sinn macht. Das heißt, diese Maßnahmen sehen vor, dass jene Produzenten, die importieren wollen, auch die Kosten für die Untersuchungen tragen. Ich halte das für sehr sinnvoll, weil es dem Verursacherprinzip entspricht. Ich würde mir auch wünschen, dass wir – das hat mein Vorredner schon angesprochen – auch in der Frage der Schadensbegrenzung und der Milliardenbeträge, die im Zusammenhang mit diesem europäischen BSE-Fall aufgebracht werden müssen, auch in die Richtung denken, die Verursacher zur Kasse zu bitten.

Sie können mir ohne weiteres zugestehen, dass ich mich in der Konzernpolitik zu wenig auskenne, mir ist allerdings als Konsumentin von Informationen aufgefallen, dass es keinen einzigen verantwortungstragenden europäischen Minister aus dem Landwirtschaftsbereich gibt, der einmal auf die Idee gekommen wäre – etwas, was ich als sehr logisch empfinden würde –, jene Konzerne, die für die Produktion und für die Verbreitung des verseuchten Tiermehls die Verantwortung tragen – und die sind nicht vom Erdboden verschwunden –, letztendlich zur Kasse zu bitten. Das würde ich mir wünschen. Damit würde man auch das Verantwortungsbewusstsein mehr heben.

Umgekehrt sehe ich das nicht ein, was jetzt derzeit durch Österreich kursiert, nämlich dass man sagt: Na ja, wir brauchen jetzt zur Entsorgung dieser Problematik so quasi neue BSE-Steuern, sprich: die Konsumenten sollen zahlen.

Auf der einen Seite werden die Konsumenten verunsichert, auf der anderen Seite sind sie, Gott sei Dank, in Österreich bis jetzt nicht gesundheitlich gefährdet. Aber letztendlich sollen die Kon


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sumenten einen Beitrag zur Lösung dieses Problems leisten. – Ich glaube, dass das grundsätzlich der falsche Weg ist.

Der Landeshauptmann von Kärnten hat gemeint, das würde etwas zur Bewusstseinshebung beitragen und könnte erzieherischen Wert haben. Ich glaube das nicht so sehr. Ich halte mich da eher an den Finanzminister, der gemeint hat, dass der Einsatz von Milliarden an Steuermitteln im europäischen Bereich, in einem Teilbereich der Landwirtschaft, auf Grund einer in der Endkonsequenz nachweislich verfehlten Agrarpolitik nicht am Ende noch dazu führen darf, dass noch mehr Milliarden investiert werden, um dann wieder Hunderte Millionen gesunde Rinder zu vernichten, während in anderen Ländern Menschen verhungern. Ich kürze das ab und sage, ohne jemandem persönlich näher treten zu wollen: Das ist eine Perversion im Bereich der Politik, auch der Landwirtschaftsvermarktung, aus der wir nicht nur in Sachen BSE, sondern auch für die Zukunft lernen sollten.

Es tut auch einer Oppositionspolitikerin ganz gut, sich daran zu erinnern, wie viele Reden von SPÖ-Agrarexpertinnen und -experten auch im Hohen Haus gehalten wurden, die immer wieder vor all dem gewarnt haben: vor dieser Form der Massenproduktion, vor diesem Schaffen eines künstlichen Marktes, das heißt, eines Marktes, in der die Überproduktion auch noch – auf europäischer Ebene – steuerlich subventioniert wird. Ich glaube, auch in Österreich kann man aus dieser Geschichte Lehren ziehen. Man sollte die Landwirtschaft und diesen Bereich auf einen freien Markt zurückführen, durchaus gestützt, aber nicht weitere Steuermilliarden in einen künstlich geschaffenen Markt investieren, von dem letztlich der betroffene Bauer oder die Bäuerin nicht mehr leben kann.

Ich denke, dass die österreichische Bundesregierung diese Sache zum Anlass nehmen wird, um einen ganz konkreten, um nicht zu sagen, radikalen Kurswechsel vorzunehmen und eine neue Politik im Bereich der europäischen Agrarwirtschaft einzuschlagen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.52

Präsident Ing. Gerd Klamt: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. – Bitte.

13.52

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Eine kurze Bemerkung zu meiner Vorrednerin, zur Kollegin Trunk, weil sie in ihrem Redebeitrag die so genannte Produzentenhaftung oder Produkthaftung angesprochen hat. In bedingtem Ausmaß gibt es diese Produkthaftung auch in Österreich, aber man muss auch, wenn man es von dieser Seite betrachtet, Folgendes bedenken: Die Produkthaftung sollte nach meiner Auffassung nicht so weit gehen wie in Amerika, Stichwort "Milliarden-Klagen" et cetera. Das wäre natürlich ein gesondertes Thema, aber das sollte nicht generell als Lösung dargestellt werden. Natürlich kann man der Produkthaftung einiges abgewinnen, und sie ist auch bereits Rechtsbestand in unserer Republik.

Meine Damen und Herren! Dass wir – der Bundesrat – uns heute mit dem Rindfleisch-Etikettierungsgesetz und mit dem Tiermehl-Gesetz und mit dessen Auswirkungen, mit BSE, mit dem Medikamentenmissbrauch in der Schweinemast und so weiter befassen beziehungsweise diese Themen diskutieren, ist neben dem verfassungsmäßigen Auftrag und der politischen Aufgabe der Länderkammer natürlich auch sehr wichtig. Dabei muss aber die Auseinandersetzung sehr seriös und sehr sensibel geführt werden.

Eine derartige Diskussion verlangt nämlich neben der Sorge, welche das Problem betrifft, eine verantwortungsvolle und sensible Vorgangsweise aller Verantwortungsträger. Allzu leicht werden durch einen sorglosen Umgang oder durch Panikmache das Lebensmittel Fleisch verteufelt, aber auch eine der ältesten Berufsgruppen, die Bauern, in der Diskussion kriminalisiert.

Meine Damen und Herren! Da ist neben den Medien als Informationsträger natürlich auch die Politik gefordert. Österreich hat seit zehn Jahren ein Verbot der Fütterung von Tiermehl an Wiederkäuer und ein Verkaufsverbot seit 1. 1. 2001 von tierischen Proteinen als Futtermittel für


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Wiederkäuer – zwei richtige Entscheidungen, um einerseits das Risiko zu minimieren und andererseits den Pflanzen fressenden Wiederkäuern keine falsche Nahrung zuzuführen.

Meine Damen und Herrn! Ich bin sehr froh darüber, weil damit, wie ich meine, der Respekt vor der Kreatur und Schöpfung gewahrt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, auch eine persönliche Bemerkung dazu zu machen: Ich finde es pietätlos und verantwortungslos, wenn Pflanzenfressern Fleischprodukte, in welcher Form auch immer, als Futtermittel verabreicht werden. Ich bin daher der Bundesregierung sehr dankbar und verbunden – im Besonderen unserem Gesundheitsminister, dem ich auf diesem Wege eine baldige Genesung wünsche; aber auch Ihnen, Herr Staatssekretär –, dass dieser Unfug mit den vorliegenden Gesetzen beendet wird.

Ich bin aber auch sehr froh, dass unsere Bundesregierung bei der Behandlung und bei der Diskussion dieser Themen und bei der Lösung dieser Probleme sehr sorgfältig vorgeht. Es wurde ein Krisenplan entwickelt mit dem Ziel, bei geringstem Verdacht Sofortmaßnahmen zu treffen. Dieser Krisenplan hat sich in der Praxis schon bestens bewährt. Die Errichtung einer Agentur für Ernährungssicherheit ist auch ein wesentlicher Beitrag zur Ernährungssicherheit, aber damit ist auch die Beruhigung der Konsumenten und Marktes verbunden.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! An dieser Stelle richte ich auch eine Bitte und einen Appell an die Opposition: Den Rücktritt des Landwirtschaftsministers oder eines Ministers zu fordern, ist zu wenig. Der Minister würde zwar gehen, würde man Ihrer Aufforderung folgen, aber das Problem würde bleiben. Oder wollen Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, wie unter Ihrer Frau Ministerin Prammer keine Lösungen? – Wenn Sie das wollen, meine Damen und Herren, dann tun Sie nicht so, als ob Sie auch von tiefster Sorge ergriffen wären, und dann tun Sie nicht so, als ob Sie sich in dieser Frage auch mit einbringen wollten, sondern sagen Sie es.

Meine Damen und Herren! Bei diesen sensiblen Themen hat sich die nationalstaatliche Politik gravierend und positiv von der europäischen unterschieden. Wir alle erinnern uns noch daran, mit welcher Ohnmacht die Europäische Union den ersten BSE-Fällen in England gegenübergestanden ist. Diese Ohnmacht hat sich leider dann in eine Hilfs- und Ratlosigkeit ungewandelt und mündet jetzt im Gipfel der Respektlosigkeit. Die Idee von Agrarkommissär Fischler, aus marktpolitischen Überlegungen Tausende Rinder zu vernichten, ist der Höhepunkt der Perversität. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie Beifall des Bundesrates Marizzi. – Bundesrat Ing. Gruber: Machen Sie einen anderen Vorschlag!)

Es wundert mich daher nicht, Herr Kollege Gruber, wenn einige deutsche Zeitungen und Magazine in den letzten Wochen – bis hin zum Bayrischen Fernsehen – berichten, dass unsaubere Geschäftspraktiken und damit der verbundene Handel von Arzneimitteln wie Antibiotika in der Union schon mehrere Jahre bekannt sind, nur hat man in dieser Union nicht reagiert.

Herr Kollege Gruber! Hier fehlen europäische Normen. Hier ist Europa nicht nur gefordert, sondern hier ist, wie ich meine, Europa in Verzug!

Meine Damen und Herren! Kommissar Fischler ist aufgerufen, zu handeln anstatt zu schlachten!

Meine Fraktion, meine Damen und Herren, wird daher, um der Kreatur Tier mit dem erforderlichen Respekt zu begegnen, um die Würde der Schöpfung zu wahren und zum Schluss, aber nicht zuletzt, um den Menschen, den Bauern eine sichere, gesunde Zukunft zu geben, diesen beiden Vorlagen die Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.00

Präsident Ing. Gerd Klamt: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Franz Gruber. – Bitte.

14.00

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Das Jahr 2001 hat alles andere als gut angefangen: BSE-Krise und Schweineskandal – ich würde sagen als Antwort auf die von den Linken nicht geliebte Regierung, oder?


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Wir haben in Österreich – der Herr Staatssekretär hat es heute schon einmal gesagt – nach 21 000 Tests keinen einzigen BSE-Fall, wir sind BSE-frei. Wir haben kein beanstandetes Stück Schweinefleisch, wir haben in den meisten Bundesländern keine Antibiotika im Futter. In einigen Bundesländern haben wir ein paar schwarze Schafe.

Die missbräuchliche Verwendung ist zu verurteilen. Wir müssen aber die Antibiotika im Futtermittel europaweit – da bin ich mit Kollegen Weilharter, der jetzt im Saal ist, d’accord –, ich würde nicht sagen, verbieten, sondern auf das gleiche Niveau bringen. Wenn wir Menschen die Grippe haben, dann unternehmen wir alles Menschenmögliche. Wenn aber einige Schweine krank sind, dann werden wir sie verrecken lassen? Oder was werden wir machen? (Bundesrätin Haunschmid: Warum sind sie denn so anfällig?)  – Nein, verrecken werden wir sie nicht lassen, eine Verabreichung von Einstellprophylaxe im Zusammenhang mit dem Tiergesundheitsdienst kann wohl kein Verbrechen sein. Bäuerliche Existenzen müssen gesichert, Bäuerinnen und Bauern über gerechte Preise für ihre Arbeit entlohnt werden, und Arbeitsplätze in der Landwirtschaft müssen erhalten werden. (Bundesrätin Schicker: ... müssen 250 Kilo haben!) Ein Bauer – das glaubt ihr nie – erhält vier Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Gewerbe. Das ist derzeit zum Beispiel bei der Fleischindustrie sichtbar, bei der Arbeitsplätze in Gefahr sind und Dienstnehmer entlassen werden.

Der Verbrauch von Rindfleisch ist in Österreich trotz der vielen Biobauern und trotz BSE-Freiheit am meisten zurückgegangen. Verursacher sind wohl die unqualifizierten, besserwissenden, schreibgeilen Journalisten. Wir haben Rinder gezüchtet, wir haben sie geschlachtet, wir haben das Fleisch in die Verkaufsvitrinen gelegt, aber die Österreicher essen kein Rindfleisch mehr! Das Rindfleisch wird alt und verdirbt!

Was machen wir mit dem Rindfleisch? – Der Rindfleischmarkt ist zusammengebrochen, er ist eine tickende Zeitbombe. Der Markt muss stabilisiert werden. Wir haben in der EU um 3 Millionen Rinder zu viel. Längerfristig müssen wir die intensive Tierhaltung verringern. Das heißt, wir brauchen die Flächenbindung der Tierproduktion in ganz Europa. Herr Weilharter, darin hast du völlig Recht. (Bundesrat Weilharter: Aber keine Massenschlachtung!) – Ich habe noch nichts von Massenschlachtung gesagt! – Österreich war mit der ökosozialen Marktwirtschaft vor dem EU-Beitritt – 90 Rinder pro Betrieb – ein Vorreiter. Wir haben jetzt mit dem ÖPUL-Programm, von dem 90 Prozent der österreichischen Flächen erfasst sind, wogegen es im Rest der EU nur 20 Prozent sind, mit 2 GVE pro Hektar der EU ganz schön etwas vorgelegt – das muss man auch einmal sagen. Wir müssen europaweit die Qualität des Bodens und des Wassers einer Betrachtung unterziehen. Die Nachhaltigkeit müssen wir europaweit leben, denn in Österreich allein hilft es nichts. Auch ressourcenschonende und qualitätssichernde Kreislaufwirtschaft müssen wir europaweit betreiben.

Wir haben die Chance – Melitta Trunk ist leider nicht mehr im Saal –, den Konsumenten klarzumachen, dass Qualität in Zukunft einen Preis haben muss. Die politische Schlammschlacht auf dem Rücken der Bauern muss ein Ende haben. Die Medien schwenken jetzt – wie ihr alle mitverfolgen könnt – Gott sei Dank um. Nur die Opposition zündelt weiter. Das ist nicht schön von euch! (Bundesrätin Schicker: Wer zündelt? Kein Mensch zündelt!) Die politische Auseinandersetzung war und ist unsachlich und polemisch. Ihr habt wohl vergessen, dass für das Veterinärwesen und damit auch für die Kontrolle der Tierarzneimittel der Gesundheitsminister zuständig war und ist, und das war jahrzehntelang ein Vertreter der SPÖ, wie Kollege Weilharter das auch angesprochen hat; zuletzt war es die jetzige Abgeordnete Prammer.

Was notwendig ist, ist

die flächengebundene Tierhaltung,

die umweltgerechte Landwirtschaft,

die Mengensteuerung und Flächenbindung in der EU,

das Vertrauen der Konsumenten in bäuerliche Produkte,


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die Nichtmehrverwendung des Austria-Zeichens, des "A"-Zeichens auf Fleisch, wie dies von den Vorrednern schon angesprochen worden ist – wir haben Gott sei Dank in Österreich jetzt nur mehr das AMA-Gütesiegel –,

das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz


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und

die Umsetzung des Verfütterungsverbotes in der EU. – Kollege Weilharter hat auch schon gesagt, dass wir in Österreich schon seit zehn Jahren praktisch ein Verbot von tierischem Protein in Futtermitteln haben.

Die Reform beim Verabreichen von Tierarzneimitteln wird – da müsst ihr aufpassen – nicht sofort greifen. Deshalb muss Rindfleisch vom Markt genommen werden, liebe Melitta Trunk: durch Einlagern, Verbrennen, Verschenken oder Marktankurbelung. Das Problem muss gelöst werden! Rot-Grün hat es in Deutschland gelöst – und wir sind dazu nicht fähig? (Beifall bei der ÖVP.)

14.07

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Marizzi. Ich erteile es ihm.

14.08

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben keine BSE-Krise in Österreich. Wir haben bei 108 von 1 000 untersuchten Fällen in der Schweinezucht Probleme. Das sind nicht Einzelfälle oder, wie man so oft sagt, einige schwarze Schafe, denn 108 Fälle sind aus meiner Sicht sehr viel. Diese Krise ist nicht österreichgemacht, sondern sie ist teilweise von der EU in Richtung Österreich übergeschwappt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Wochenende waren zwei interessante Artikel in den österreichischen Medien, einer in der "Presse" und einer in der "Kronen Zeitung". In der "Presse" hat EU-Kommissar Fischler gemeint – das ist sehr interessant –, man sollte eigentlich mit dieser Ethikdebatte aufhören.

Ich bin nicht der Meinung, dass man mit dieser Ethikdebatte aufhören sollte, sondern man sollte sie offensiv führen, denn wenn ich heute die Zeitungen lese, dann stelle ich fest, dass Fischler eigentlich Österreich rügt und heftige Kritik an Bundesminister Molterer äußert. Die Linke weiß dort also nicht, was die Rechte tut!

Österreich hat keine BSE-Fälle. Österreich ist im Zuge der BSE-Krise von Deutschland, England und anderen Staaten in diese Krise hineingezogen worden. Wir haben Probleme bei den Schweinen gehabt. Da muss man sagen, das gehört sofort abgestellt. In Wirklichkeit aber geht es nicht nur um die Vernichtung von Millionen Rindern, sondern es geht um die Ethik – und hier irrt Herr Kommissar Fischler!

Ich will jetzt nicht den zweiten Artikel sehr stark beanspruchen, nämlich den Kommentar von Herrn Georg Wailand in der "Kronen Zeitung" vom letzten Samstag, in dem er gemeint hat, dass Fischler eigentlich nichts anderes geworden ist als Fleisch gewordene Bürokratie in Brüssel (Bundesrat Dr. Nittmann: So ist es!) und dass letztendlich auch mit der Politik des Landwirtschaftskommissars Fischler diese großen Institutionen, also Großbauern und die große Agrarwirtschaft, gefördert wurden. Ich füge, damit Sie nicht glauben, dass Schröder für mich sakrosankt ist, hinzu: Auch Schröder hat hier geirrt! Österreich ist einen Weg gegangen, bei dem der Anteil der Biobauern 10 Prozent betragen hat, aber zu 90 Prozent waren es noch andere Bauern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Gruber! Wissen Sie, warum all das so ist? Zur Ethikdebatte gehört nicht nur, dass Rinder vernichtet werden – dass also gutes Fleisch, gesundes Fleisch vernichtet wird –, sondern zur Ethikdebatte gehört alles: Was mache ich mit den Tieren, wie transportiere ich sie, wie füttere ich sie – all das wurde heute schon gesagt –, und wie gehe ich mit den Tieren um? (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Mag. Gudenus und Dr. Nittmann. ) Jene Kolleginnen und Kollegen, die den "Inlandsreport" gesehen haben – wir alle sind hart im Nehmen –, wissen, dass den Ferkeln ohne Betäubung und ohne, dass ihnen irgendetwas Schmerzstillendes gegeben wird, einfach die Zähne gezogen werden, dass ihnen die Schwänze bei lebendigem Leib abgeschnitten werden, dass die Ferkel so in Boxen hineingestellt werden, dass die Gurten tief ins Fleisch gehen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist Barbarei!)  – Das ist die Ethikdebatte, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das gehört zur Ethikdebatte dazu!

Sie haben gemeint, jetzt hat eben die ehemalige Konsumentenschutzministerin die Verantwortung. Wissen Sie, wer die Verantwortung hat? – Die Gesellschaft hat die Verantwortung! (Bundesrat Dr. Nittmann nickt zustimmend.) Ich kann mich erinnern: Mein Großvater stammt aus Kärnten, und als meine Eltern gestorben sind, habe ich vier Jahre lang in den Ferien dort am Bauernhof arbeiten können. Da war bei den Menschen eine andere Ethik in Bezug auf Tiere! – In Wirklichkeit haben die Landwirtschaft und die landwirtschaftliche Industrialisierung dazu geführt, dass diese Krise entstanden ist. (Bundesrat Dr. Nittmann: So ist es!) Diese Krise ist eine der schwersten Krisen der Landwirtschaft, aber nicht weil die Leute und die Konsumenten so schlimm sind, sondern weil die Politik falsch war, weil man in Richtung Großagrarindustrie gegangen ist. (Bundesrat Ing. Gruber: In Österreich haben wir das ja nicht gemacht!) – Aber bitte, bei einem Anteil von 10 Prozent? Die Biobauern gehen doch ohnedies alle ein – das hätten Sie in der letzten Sendung im Fernsehen sehen können.

Wissen Sie, warum das passiert ist? – Ich sage es Ihnen jetzt – Sie wollen das nicht hören –, vielleicht etwas vereinfacht und verkürzt: Kreisky hat die Bergbauern gefördert – das war gut so –, und in eurer Zeit sind die Großbauern gefördert worden! Das war die ÖVP! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Nittmann. ) Ich sehe weit und breit, um das jetzt politisch zu benennen, keinen einzigen blauen Entscheidungsträger in der Landwirtschaft, ich sehe schon überhaupt keinen roten Entscheidungsträger in der Landwirtschaft, und ich sehe schon gar keinen grünen! Das landwirtschaftliche Ressort, Kollege Gruber, ist in den letzten 15, 20 Jahren ÖVP-dominiert gewesen, und ihr habt die Politik gemacht! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Nittmann.  – Bundesrat Keuschnigg: ... 1986!)

Wenn wir jetzt von der Ethikdebatte reden, dann hören Sie mir einmal zu: 600 Milliarden Schilling werden jährlich in der Europäischen Union für die Landwirtschaft ausgegeben, und das, was sich jetzt zeigt, ist, dass wir in der Landwirtschaft eine der schwersten Krisen haben. Es betrifft nicht nur die Bauern, es betrifft auch die verarbeitenden Betriebe, und es betrifft letztendlich die Konsumenten. Wir haben in der Zwischenzeit nämlich eines gemacht: Wir haben die großen Agrarindustrien gefördert. Dadurch sind BSE und all die anderen Probleme, die wir jetzt haben, entstanden (Bundesrat Ing. Gruber: In der EU!) – in der EU und auch in Österreich –, und jetzt sollen die Konsumenten nochmals bezahlen (Bundesrätin Haunschmid: Das kommt ja gar nicht in Frage!), weil die Leute in Brüssel und auch in Österreich dafür eintreten. – Ich bin froh, dass sich Molterer dagegen wehrt, aber es treten Bauernfunktionäre auf, die gemeint haben: Ja dann vernichten wir eben die 1,5 Millionen Rindviecher und verbrennen sie halt! (Bundesrätin Schicker: Und die Konsumenten sollen es zahlen!)  – Und die Vernichtung des guten geförderten Fleisches soll jetzt wieder vom Konsumenten bezahlt werden!

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! Sie können sich jetzt nicht "schrauben"! Sie haben das Landwirtschaftsministerium gehabt, und ich kann mich nicht erinnern, dass Fischler irgendwann einmal Parteimitglied bei den Blauen, bei den Roten oder bei den Grünen war. Das war und ist ein Schwarzer, und er hat die politischen Richtlinien auf das Reißbrett der Politik in der Landwirtschaft gezeichnet. Das müssen Sie doch endlich zugeben! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Nittmann. )

Meine Damen und Herren! Ich mache es mir jetzt nicht leicht, denn ich sage: Minister Molterer soll nicht zurücktreten! – Sie haben gemeint, die Linken würden das wieder fordern, dass Minister Molterer zurücktritt. – Nein, er soll überhaupt nicht zurücktreten, denn er kann überhaupt nichts dafür, aber er muss sich von diesem System trennen. Dieses System, in das auf der einen Seite das meiste Geld hineingepumpt wird – 600 Milliarden in der Europäischen Union, Milliarden in Österreich –, schadet in Wirklichkeit dem Bauern, dem so genannten kleinen, flei


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ßigen Bauern. Der bleibt auf der Strecke. (Bundesrat Dr. Nittmann: So ist es!) In Wirklichkeit verdient der überhaupt nichts, und in Wirklichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, ist das System kaputt! (Bundesrat Dr. Nittmann: Genau!) Sie haben dieses System jahrelang so forciert, und heute stellen Sie sich her und sagen: Irgendetwas muss passieren.

Sie, lieber Herr Kollege Gruber, haben zuerst gesagt, dass die Journalisten eigentlich an der ganzen Thematik schuld seien. (Bundesrätin Haunschmid: Das ist ein Blödsinn!) Wenn Sie sich die Bilder von den Tiertransporten, von den Schlachthöfen, von den tier- und menschenunwürdigen Haltungen, von diesen Fütterungen und all dem, was da passiert, anschauen (Bundesrätin Schicker: Geflügelfarmen!), dann müssten Sie sich eigentlich genieren und sagen: Wir sind eigentlich selbst daran schuld, dass dieses System so gewachsen ist.

Wissen Sie, wer mit der Hauptschuldige daran ist – der kann sich jetzt überhaupt nicht von der Verantwortung "drehen" –: Das ist Ihr so genannter Kommissar Fischler! Er soll in seiner EU Ordnung machen, denn es kann jetzt nicht wieder das ganze Geld der Konsumenten in eine falsche Politik hineingepumpt werden, nur weil in Wirklichkeit die falsche Förderungspolitik angesetzt worden ist! Das haben Sie zu verantworten – und nicht die Journalisten und nicht die Konsumentenschutzministerin Prammer! Jahrelang und jahrzehntelang ist diese Politik von Ihnen vorgezeichnet worden. Wenn Sie dieses System nicht ändern, dann wird es von den Konsumenten geändert werden! – Ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Nittmann  – in Richtung Bundesrat Marizzi –: In jedem Satz gebe ich dir Recht! – Ruf bei der SPÖ: Nein, das ist zu viel des Guten!)

14.17

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich erteile es ihm.

14.17

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Zu den Worten meines Vorredners Marizzi kann ich nur sagen: 99 Prozent Zustimmung! (Bundesrat Marizzi: Wo ist das fehlende Prozent? – Ruf bei den Freiheitlichen: Wo ist das Prozent?) – Das weiss ich noch nicht. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrätin Fuchs: Das ist das Prinzip!) Ich kann Ihnen doch nicht ganz zustimmen, Herr Kollege! Das wäre zu viel der Güte!

Ein paar Worte zum Gesetz über die Rindfleischetikettierung: Ich werde diesem Gesetz die Zustimmung geben, obwohl mich dieses Gesetz in Art und Weise befriedigt. Es handelt sich um eine freiwillige Etikettierung, die, wenn sie nicht freiwillig vorgenommen wird, durch die Lebensmittelaufsicht erfolgt. Ich sehe in dieser Möglichkeit – entweder auf freiwilliger Basis durch die Agrarmarkt Austria oder, wenn man nicht Mitglied des freiwilligen Etikettierungssystems ist, die Etikettierung durch die Lebensmittelaufsicht – doch einen starken Hemmschuh, eine starke Einschränkung der guten Absicht, die in dieser Rindfleischetikettierung besteht. Dabei muss ich zugeben, dass, wenn fast schon wie beim Menschen jedes Tier am Bauernhof mit Geburtsurkunde, Taufschein, Staatsbürgerschaftsnachweis und Pass versehen wird, Landwirtschaft schon etwas recht Kompliziertes wird. Ob es zur Verbesserung der Qualität beiträgt, weiß ich deshalb nicht, weil Menschen, die diese vier Papiere, die ich aufgezählt habe, haben, auch nicht unbedingt immer zu den besten zählen. Es liegt also an einigen Dingen mehr.

Es ist interessant – wenngleich dies nicht auf der heutigen Tagesordnung und daher derzeit nicht zur Debatte steht –, dass gerade beim Schweinefleisch einiges im Argen liegt. Da gibt es einen Amtstierarzt Franz Mayer, der schon im Jahre 1997 der Landeshauptfrau Waltraud Klasnic schreibt: "Durch die Kontrolle von Tierschutzbestimmungen könnte auch der legale und illegale Medikamenteneinsatz, hervorgerufen durch schlechte Haltungsbedingungen, zum Vorteil der Konsumenten (...) vermindert werden."

Durch den verstärkten Medikamenteneinsatz sollen also die Konsumenten geschützt werden. Ich bin eben nicht ganz sicher, ob der vermehrte Einsatz von Medikamenten in Nahrungsmitteln dazu beiträgt, den Menschen auf Dauer zu schützen. Es sind – das geht in die Richtung von


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Kollegen Marizzi – andere Mittel notwendig, um hochwertige Nahrungsmittel zu erzeugen, und das weiß ganz sicherlich auch Kollege Gruber.

Oder – so wird eben dieser Tierarzt Franz Mayer hier zitiert –: "Es ist auf Dauer unerträglich zusehen zu müssen, wie Schweinen während der Mast durch chronische Lungenveränderungen (...) Qualen und Leiden zugefügt werden und der Konsument ständig getäuscht wird, indem man ihm in der Werbung gesundes Schweinefleisch verspricht und in Wahrheit ein Großteil des Fleisches von schwerstkranken Tieren stammt." (Bundesrat Steinbichler: Wer hat den Schas verzapft?) Bitte? (Bundesrat Steinbichler: Wer hat das verzapft? – Bundesrat Thumpser: "Schas"? Das ist aber ein Ordnungsruf!) – Das ist aus einer angesehenen österreichischen Wochenzeitschrift, "profil" genannt. (Bundesrat Steinbichler: Welcher Tierarzt ist das?) – Franz Mayer. (Bundesrat Steinbichler: Ich bitte um die Adresse!) Schau‘ im "profil" nach! Ich kenne ihn auch nicht persönlich.

Was das Fleisch anlangt, so bekam ich eine nette Information, die ich zu diesem Thema abschließend zitieren möchte: Esst österreichisches Rindfleisch! Es ist allemal weniger gefährlich – jetzt bitte ich die Ärzte hier, nicht so streng zuzuhorchen – als Bluttransfusionen, Impfungen oder Infusionen aus tierischen Eiweißpräparaten. Esst österreichisches Rindfleisch – hier gibt es diese Europa peinigenden schweren Vorwürfe zum Glück noch nicht!

Jetzt zum Thema Verfütterung von tierischen Proteinen: Es ist absolut notwendig und richtig, als Vorsorgemaßnahme tierische Fette als Bestandteile in Futtermitteln für Wiederkäuer zu verbieten. Im Futtermittel für andere Nutztiere sollen nur tierische Fette in Lebensmittelqualität verwendet werden. – Das tönt vernünftig. Aber die Maßnahmen, die die EU zum Teil vorsieht, sind – auch da ist Kollegen Marizzi wieder zuzustimmen – gegen Österreich gerichtet.

Es ist nicht akzeptabel, wenn öffentliche Interventionen bis zu einer Höchstgrenze vorgenommen werden, denn das bevorzugt all jene, die schon jetzt BSE haben, also die Schlampigen oder die bewusst gegen vernünftige Richtlinien Verstoßenden. Warum sollen wir dafür mitzahlen? Wie kommt der österreichische Steuerzahler dazu?

Oder: Die Ausweitung der Ankaufsaktion zur Vernichtung bevorzugt ebenfalls die BSE-Staaten auf Kosten der beitragszahlenden Nicht-BSE-Länder. Die Massenvernichtung dient vor allem der Abschaffung der Rinderbestände in Europa zugunsten anderer WTO-Staaten, in denen es vielleicht ebenfalls schon BSE gibt, wie die FAO vermutet. (Bundesrat Marizzi  – in Richtung der ÖVP-Fraktion weisend –: Dorthin sagen!) – Ja, ich stimme Ihnen zu: Eigentlich müsste ich zu Kollegen Gruber schauen. Aber ich nehme das Positive auf.

Die Frühvermarktungsprämie für Kälber ist für uns Freiheitliche eine seit Jahren bekämpfte Herodes-Prämie. Diese soll weiter ausgebaut werden? – Es kann einfach nicht angehen, dass man die Frühvermarktungsprämie für Kälber weiter ausbaut. Das widerspricht meinem Verständnis von Tierschutz, aber auch von Menschenschutz.

Die Umwandlung nationaler Höchstgrenzen in einzelbetriebliche Quoten könnte auch für Österreich nachteilig werden, denn da werden viele Rinderbauern aufgeben müssen.

Die zeitliche Aussetzung der Mutterkuhprämie ist genau die verkehrte Maßnahme: Die einzigen Kälber, die tatsächlich Milch bekommen, werden benachteiligt, damit die Vernichtungsmaschine nachhaltig geschmiert werden kann.

Ich glaube, da sind einige Dinge im Anmarsch, für die wir in Österreich nichts können. Herr Schuller von der Bundesanstalt für Tierseuchenbekämpfung hat das sehr richtig festgestellt: Österreich hat die Gnade des späten EU-Beitritts. – Manchmal würde ich sagen, die Gnade des Nicht-Beitritts hätten wir haben sollen! So geht es nämlich wieder auch nicht, dass wir im Nachzugsverfahren die Fehler der EU nachmachen. Wir müssen selbstbewusst – Kollege Gruber, da sind wir wieder eines Sinnes – österreichische Landwirtschaftspolitik betreiben, aber nicht zu Lasten des österreichischen Steuerzahlers. – Auch das hat Kollege Marizzi schon gesagt.


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Der Präsident der Landwirtschaftskammern Schwarzböck fordert einen 1-prozentigen Zuschlag auf die Nahrungsmittel. Ich halte das schlichtweg für einen Anschlag auf die Taschen aller Österreicher. Wie kommen Österreicher dazu, für Fehlentwicklungen in Europa und in Österreich einen 1-prozentigen Zuschlag zu zahlen? (Zwischenruf bei der ÖVP.) 1 Prozent ist viel, wenn man viele Kinder hat, Herr Kollege – und ich habe viele Kinder, und ich mag es nicht. So geht es also nicht.

Überhaupt habe ich den Eindruck, Kolleginnen und Kollegen, es geht hier nicht um die Bekämpfung von BSE, sondern es geht um die Bereinigung des europäischen Rindermarktes. Fast erweckt es den Anschein, als würde BSE als Vorwand genommen, um den europäischen Rindermarkt zu bereinigen und den Beitritt der ehedem als osteuropäische Länder bezeichneten Staaten mit ihren Exportmaßnahmen wahrzunehmen.

In dieser Form können wir das wirklich nicht akzeptieren. Der Bauer ist Nahrungsmittelproduzent und kein Tiermehlproduzent, meine Damen und Herren! Wenn wir Tiermehl produzieren, so muss man darauf achten, dass dieses Tiermehl keimfrei produziert wird; und jetzt kommen wir zu diesem Gesetz.

in Österreich haben wir eine hohe Qualität an Tiermehlen:

"Alle in Europa anfallenden Schlachtabfälle," – es ist immerhin ein Drittel jedes Tieres, das als Schlachtabfall gewertet wird – "alle verendeten Tiere und auch das ,spezifische Risikomaterial‘ sowie die BSE-positiv getesteten Rinder müssen zu Tiermehl verarbeitet werden. Das schreibt die momentan geltende Rechtslage vor. Wer meint, man habe damit nun auf der ,Entsorgungsseite‘ des Fleischkreislaufes alle Risken ausgeschaltet, der hat sich gründlich geirrt. Denn ein Großteil der in unseren Nachbarländern arbeitenden Anlagen ist wegen der dort installierten rückständigen ,Fritteusen-Technik‘ gar nicht in der Lage, steriles Tiermehl und steriles Tierfett herzustellen. Da man das weiß, sollen die in diesen ,Risikoanlagen‘ hergestellten Produkte auch verbrannt werden. Doch diese Regelung ist gleich aus zwei Gründen vollkommen unakzeptabel. Erstens: Unter Umständen wird damit weiter mit Krankheitserregern durchsetztes Tiermehl erzeugt und durch die Gegend gefahren. Auch ist gar nicht zu kontrollieren, ob dieses Material in den thermischen Verwertungsanlagen landet, für die es vorgesehen ist. Und zweitens: Noch ist gar nicht endgültig geklärt, ob durch das Verbrennen von Tiermehl etwa in einem Müllofen die gewünschte Inaktivierung der Krankheitserreger zuverlässig erfolgt. Daher kann es nur eine Schlussfolgerung geben. Alle Fleischabfälle müssen ,super-sterilisiert‘ werden. Das Material muss tot sein wie graue Asche." – So heißt es in einem Fachbericht. – "Erst wenn man diesen Standard für ganz Europa erreicht und es gleichzeitig noch geschafft hat," – und das ist entscheidend für uns Österreicher – "die Grenzen für Tiermehl gegenüber Drittländern lückenlos zu schließen, ist man auf dem richtigen Weg."

Mit unserem vorgesehenen Gesetz und mit den österreichischen Standards sind wir auf dem richtigen Weg. Ich erwarte von den Nachbarn, dass sie Ähnliches bald schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.30

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck. – Bitte, Herr Staatssekretär.

14.30

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich widerspreche ungern einem Bundesrat, insbesondere Herrn Mag. Gudenus. Ich widerspreche ihm auch nicht in der Sache, sondern ich widerspreche ihm zumindest in Bezug auf die Verlässlichkeit einer Quelle, die er angegeben hat – es war dies ein Wochenjournal –, da ich am 5. Februar dieses Jahres in Bezug auf den österreichischen Journalismus und dessen Niveau sehr viel gescheiter geworden bin. Da sagte ein namhafter Chefredakteur eines dieser Wochenjournale: Es kommt nicht darauf an, dass man die Wahrheit sagt, sondern es kommt darauf an, dass man eine Stimmung wiedergibt.


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Ich nehme an, dass diese Stimmung oft in den Redaktionsstuben erzeugt wird und weniger der wahren Stimmung draußen, in der Bevölkerung, entspricht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Wenn man noch dazu davon ausgeht, dass demnächst alle drei dieser Journale in eine Hand – also eine Gleichschaltung – kommen sollen, dann weiß man, was uns in der nächsten Zeit an Journalismus bevorsteht. – Nur soweit in Bezug darauf.

Ich möchte aber zum Rindfleisch-Etikettierungsgesetz ein paar Daten angeben, die Ihnen sozusagen die Werdung und die Notwendigkeit dieser Gesetze klarmachen sollen. Seit 1. September 2000 müssen auf Grund der EG-Verordnung die entsprechenden Referenznummern und die Angaben "Geschlachtet in" mit dem Namen des Landes und "Zerlegt in" mit dem Namen des Landes angeführt werden. Ab Jänner 2002, also in einem Jahr, müssen zusätzlich das Land der Geburt und das Land der Aufzucht, nämlich der Mast des Schlachttiers angeführt werden. Wenn das Tier die gesamte Lebenszeit im selben Land verbracht hat, ist die vereinfachte Bezeichnung "Herkunft" mit dem Namen des Landes zulässig. – Soweit die EG-Bestimmungen, die wir nachvollziehen.

Diese verbesserte Information gibt dem Verbraucher natürlich die Möglichkeit, seine Kaufentscheidung genau in Bezug auf die örtliche Herkunft des Produktes zu treffen. Daneben gibt es die Möglichkeit – die auch in der EG-Entscheidung ausdrücklich erwähnt wurde – zusätzlicher freiwilliger Angaben zum Fleisch. Diese freiwilligen Angaben müssen wahrheitsgemäß dargestellt sein, sie müssen zugelassen sein und kontrolliert werden.

Die Kontrolle der freiwilligen Kennzeichnung wird von der mit der Durchführung beauftragten AMA vorgenommen, wogegen die obligatorische Kennzeichnung ausschließlich in der Kompetenz des Landeshauptmannes und seiner Lebensmittelaufsichtsorgane gelegen ist. Ich glaube, das allein gewährleistet für diesen Bereich eine entsprechende Sicherheit.

Nun ein paar Zahlen zum Bereich der illegalen Antibiotika-Verwendung in Schweine haltenden Betrieben: Mit Stand vom 14. Februar 2001 sind insgesamt 49 Tierhaltungsbetriebe gesperrt worden, davon 5 in Niederösterreich, 13 in Oberösterreich, 3 in Salzburg und 28 in der Steiermark. Wenn man davon ausgeht, dass es über 86 000 solcher Betriebe gibt, sind das genau 0,5 bis 0,6 Prozent. Selbstverständlich wird in den entsprechenden Fällen durchgegriffen.

Hinsichtlich der Zahl der positiven Proben – es sind mit gestrigem Stand etwa 115 – ist aber zu beachten, dass es sich dabei um so genannte Urinproben handelt, in denen Hemmstoffe festgestellt wurden. Nur in sechs Fällen konnte die illegale Verwendung von Chloramphenicol, das seit 1994 verboten ist, klar nachgewiesen werden. Die Zusammensetzung von Hemmstoffen in Urin bedarf einer genaueren Überprüfung, da festgestellt werden muss, ob nicht auch völlig legale Zusätze zu diesem Ergebnis geführt haben. In jenen Fällen aber, in denen tatsächlich bereits ein Strafbestand ermittelt werden konnte, wird natürlich entsprechend den Verordnungen vorgegangen.

Nun noch ein paar Daten zu BSE; es ist nicht uninteressant, wenn man da ein bisschen in der Geschichte zurückgeht. Die Anzeigepflicht für BSE in Österreich besteht bereits seit über elf Jahren, also seit 1991, und bis heute ist in Österreich kein einziger BSE-Fall bekannt geworden. Das heißt nicht, dass es für alle Zukunft ausgeschlossen werden kann. Unterstützend ist aber bereits 1990 ein Verbot der Verfütterung von Eiweißfuttermitteln tierischer Herkunft an Wiederkäuer verfügt worden.

Weiters ist wegen der oft üblichen extensiven Haltungsform in Österreich, des Vorherrschens von Mehrnutzungsrassen bei gehaltenen Rindern – die im internationalen Vergleich überwiegende Organisation der Rinderhaltung in Kleinstbetrieben – sowie der billigen Verfügbarkeit von Soja als pflanzlichem Eiweißträger Tiermehl auch schon vor In-Kraft-Treten dieses Verfütterungsverbotes in Österreich praktisch nicht eingesetzt worden.

Selbst wenn das der Fall gewesen ist, ist bei der Tierkörperverwertung stets – und zwar seit mehr als 15 Jahren – das so genannte Hochdruckverfahren mit 3 Bar bei 133 Grad Celsius für mindestens 20 Minuten zur Anwendung gelangt, was selbst bei Vorhandensein eines entspre


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chenden Agens dessen Inaktivierung sicherstellen würde. Im Gegensatz dazu ist dieses Verfahren vor 1986 im Vereinigten Königreich nur bei 78 Grad angewendet worden.

Sie sehen, dass viele Maßnahmen getroffen wurden, die entweder vorausschauend oder glücklicherweise, aber meiner Ansicht nach auch auf Grund einer notwendigen Sorgfalt dazu geführt haben, dass wir uns bis heute als BSE-frei glücklich schätzen dürfen. Ich sage bewusst "glücklich schätzen dürfen".

Jetzt füge ich noch als Mediziner etwas hinzu: Wir leben heute in einer sehr schwierigen, enormen Entwicklungsphase; Sie brauchen nur – erst jüngst ist es wieder aktuell gewesen – an die Entschlüsselung des menschlichen Genoms zu denken. Hier enteilt die Wissenschaft; die Politik und die Ethik hinken hoffnungslos hintennach. Im Fall von BSE ist es so, dass wir politisch und ethisch zu Recht reagieren wollen und müssen, aber da hinkt die Wissenschaft nach. Wir haben im Grunde noch keine wirklich schlüssigen Beweise dafür, wie die Infektionswege letztlich erfolgen. Wir wissen, wo Infektionen auf jeden Fall stattfinden; aber was wir nicht wissen, ist – bei derzeit etwas über hundert BSE-Fällen, von denen 86 in Großbritannien gewesen sind –, ob die Einzelfälle, die bisher in anderen Ländern aufgetreten sind, auf gleiche Weise zu Stande gekommen sind wie alle anderen. Das heißt, wir haben hier noch einen enormen Wissensnotstand.

Zum Schluss komme ich auf die Frage des Fleischkonsums zu sprechen. Ich glaube, ich habe zeigen können, dass beim Schweinefleisch im Grunde überhaupt keine Gefahr besteht, derentwegen einem Konsumenten vom Genuss abzuraten wäre. Beim Rindfleisch trifft, wie aus dem Gesagten hervorgeht, dasselbe zu. Im Gegenteil, aus gesundheitlicher Sicht muss man sagen, dass dann, wenn jemand völlig auf Fleischkonsum verzichtet – insbesondere auf Rindfleisch, das einen hohen Zinkgehalt hat –, sukzessive die immune Abwehrkraft des Menschen sinkt.

Daher sind wir alle dazu angehalten, alle nötigen Maßnahmen nach Möglichkeit zu treffen, um wieder eine positive Einstellung zu einer gesunden Ernährung zu finden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.39

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich erteile es ihr.

14.39

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt ist schon so viel über BSE gesprochen worden. Trotzdem möchte ich sagen, es war BSE in aller Munde, täglich überhäuften die Massenmedien die Konsumenten mit neuen Horrormeldungen über Rinderwahnsinn und die damit in Verbindung gebrachte Creuzfeldt-Jakob-Krankheit. Österreich zitterte natürlich dem ersten BSE-Fall entgegen; Gott sei Dank erwies sich dieser als gegenstandslos.

Aber was ist zu tun? Was kann man noch kaufen? Was kann man konsumieren? – Das sind noch immer die Fragen des Konsumenten. Auch die Tourismusbetreiber, sprich die Wirte, wurden in eine nicht gerade erfreuliche Situation gebracht, noch dazu genau zu einer Zeit, in der wir den größten Gästestrom zu erwarten hatten, nämlich in der Ski-Saison.

Dann löste diese BSE-Krise in ihrer Dimension ein Skandal unter Schweinezüchtern ab – natürlich medial noch größer proklamiert. Jahrelang sollen Tonnen von Medikamenten vorwiegend aus Deutschland an die Bauern verkauft worden sein. In das Futter gemischt, gelangten sie in den menschlichen Organismus und schwächten dort das Immunsystem.

War das überhaupt notwendig, meine Damen und Herren? Warum hatten wir die Krankheitsanfälligkeit in den Ställen? – Natürlich war diese auch durch die Massenhaltungen hervorgerufen. Es hat sich wieder einmal bestätigt: Wir Freiheitliche haben nicht grundlos die ganze Zeit vor der verfehlten EU-Landwirtschaftspolitik gewarnt. Es wurde Quantität statt Qualität gefördert. Aber möglichst viele Tiere schnell und kostengünstig hochzuzüchten, kann nicht der Weg für einen Lebensraum in der Zukunft sein.


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Meine Damen und Herren! Wenn ich jetzt hier voll Stolz über die oberösterreichische Lebensmittelkontrolle und die Arbeit unserer Landesrätin Haubner bin, dann ist das wohl berechtigt. Beispielgebend für Österreich und weltweit einzigartig ist das Kontrollsystem. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, Lebensmittel auf den Prüfstand – das war und ist die Devise unserer Landesrätin. Sie hat einen Forderungskatalog für einen nachhaltigen Lebensraum mit Zukunft erstellt, und daraus werde ich Ihnen ganz kurz zitieren.

Dieser Forderungskatalog für einen nachhaltigen Lebensraum mit Zukunft ist nicht nur von Kontrolle geprägt, sondern auch von der Förderung der naturnahen, transparenten, kleinstrukturierten Landwirtschaft mit flächengebundener Tierhaltung. Denn gesunde Tierbestände bilden den Grundstein für gesunde Lebensmittel. Weiters geht es um die Erhöhung der Referenzmenge für Soja; durch eine solche Erhöhung könnten insbesondere seitens der EU brachgelegte Flächen dem Soja-Anbau dienen. Außerdem wird Lebensmittelsicherheit durch unabhängige, verstärkte Kontrollen gefordert, nach dem Motto: Was draufsteht, soll auch drinnen sein.

Meine Damen und Herren! Dies ist auch ein Ziel der Agentur für Ernährungssicherheit: größtmögliche Sicherheit und Qualität der Lebensmittel sowie Schutz der Gesundheit von Nutztieren durch Bündelung und organisatorische Vernetzung der Arbeits- und Kontrollaufgaben im Ernährungsbereich. Der Vorschlag, die Lebensmitteluntersuchungsanstalt nicht zu privatisieren, sondern bei voller staatlicher Aufsicht aus wirtschaftlichen Gründen lediglich auszugliedern, wird nunmehr angestrebt.

Was das Gütesiegel betrifft, ist als ein Schritt in die richtige Richtung – weg von der Täuschung, hin zur Transparenz – die bevorstehende Abschaffung des "A"-Gütesiegels zu bezeichnen, was jetzt, nach den letzten Geschehnissen, ja ohnehin besiegelt worden ist. Die Herkunftsgarantie sollte durch einige wenige, gut kontrollierte Gütesiegel – wie zum Beispiel das AMA-Gütesiegel und biologische Gütezeichen – gewährleistet sein.

Verbraucherbildung: Das Sicherheits- und Eigenverantwortungsbewusstsein der Konsumenten soll über eine verstärkte schulische und außerschulische Bildung aufgebaut werden. Es geht um Verbraucherbildung als Unterrichtsprinzip.

Aber keinesfalls ist in diesem Forderungskatalog die Rede von der Tötung von Rindern, nur um den Rindfleischmarkt zu entlasten.

In oberösterreichischen Verbrennungsanlagen wird die Entsorgung von Tiermehl vorgenommen. Täglich fallen 100 Tonnen Tiermehl allein in unserem Bundesland an – Schlachtabfälle, Konfiskate und so weiter –, und es wird in drei großen Verbrennungsanlagen umweltgerecht entsorgt. Durch den hohen Standard der Technik ist sichergestellt, dass es keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt gibt. Es dürfen dort keine gesunden Rinder lediglich aus marktwirtschaftlichen Gründen verbrannt werden, meine Damen und Herren!

Die österreichische Lebensmittelkontrolle gehört weltweit zu den Besten ihres Faches und trägt entscheidend dazu bei, die Qualität der heimischen Lebensmittel im Interesse des Konsumenten zu sichern. Unverständlich sind die Reaktion und das Verhalten des eigenen EU-Kommissars, geschätzte 30 000 Rinder aus dem Verkehr zu ziehen: eine "Rauskauf-Aktion" gesunder Rinder im Alter von mehr als 30 Monaten, um sie sinnlos mit öffentlichen Geldern zu vernichten und zu verbrennen, statt den österreichischen Weg zu gehen, nämlich für die Konsumation unserer heimischen Qualitätsprodukte zu werben. Es wäre Wahnsinn, gesunde Rinder zu vernichten, meine Damen und Herren!

Es liegt auch an uns Wirten, uns verstärkt und stolz der Möglichkeit zu bedienen, genauso wie in der Rindfleisch-Etikettierung auf unseren Speisekarten Kennzeichnungen vorzunehmen und österreichisches Qualitäts-Rindfleisch anzubieten. Ich versichere Ihnen, es wird bedenkenlos angenommen, es wird konsumiert!

Das müsste auch Herr Kommissar Fischler in die EU-Länder und in die Welt hinaustragen, aber nicht Negativ-Werbung. Statt negativ und verurteilend über Österreich zu berichten, sollte er der


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Tourismus-Werber für unser Land sein, der Botschafter für unseren "Feinkostladen Österreich". (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch die Errichtung eines österreichischen Institutes für Lebensmittelsicherheit wirklich zu wünschen. Dem sollte bei der Landeshauptleutekonferenz, die in zwei Tagen stattfinden wird, wirklich zugestimmt werden, um rationelle und effektive Arbeit zu ermöglichen und den größtmöglichen Schutz für den Konsumenten zu gewährleisten.

Es ist von Nachteil, wenn eine Stelle gleichzeitig produziert und kontrolliert. Die Kompetenzen der Kontrolle sollten daher nicht dem Landwirtschaftsminister, sondern dem für Verbraucherschutz zuständigen Ministerium zugeordnet werden, so wie auch auf der EU-Ebene die Agenden verteilt sind. Die Eigenständigkeit der Lebensmittelaufsicht unter staatlicher Hoheit muss aber, wie schon vorhin gesagt, gewahrt bleiben, und die damit anfallenden Aufgaben für eine erfolgreiche und effektive Lebensmittelkontrolle müssen vom Bund finanziell entsprechend abgesichert werden. Der Bund muss auf alle Fälle die Entscheidungsmacht innehaben, die Lebensmittelanstalten dürfen nicht privatisiert werden – bei voller staatlicher Aufsicht, wie ich es schon vorhin erwähnt habe.

Wichtig ist auch, dass die bisherigen Mitarbeiter am neuen Organisationsaufbau mitwirken und dort ihre Erfahrungen einbringen können.

Um dieses Kontrollsystem zu perfektionieren, sollten auch die Futtermittelkompetenzen ins Verbraucherschutzministerium kommen. Nur dann ist auch die Sicherheit des AMA-Gütesiegels oder der anderen Gütesiegel gewährleistet und somit der "Feinkostladen Österreich" – was wirklich die größte Werbung für unser Bundesland ist – gesichert. Denn Rindfleisch-Essen ist weniger gefährlich als Bluttransfusionen, Impfungen und Infusionen aus tierischen Eiweißpräparaten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.48

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Georg Keuschnigg. Ich erteile es ihm.

14.48

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Oberflächlichkeit und Polemik, Herr Kollege Marizzi, mit der Sie die österreichische Agrarpolitik überschüttet haben ... (Bundesrat Prähauser: Also oberflächlich war das wirklich nicht, Herr Kollege! Das war eine Analyse der Realitäten!) Jetzt würde ich von Ihnen schon ganz gerne haben, dass Sie 2 Minuten warten und dann mit Ihrer Kritik einsetzen. (Bundesrat Konecny: ... vorschnelle Urteile fällen!) Also, bevor ich überhaupt angefangen habe ... (Bundesrat Prähauser: Wenn Sie die Zusammenfassung voranstellen, müssen Sie sich auch etwas gefallen lassen, Herr Kollege!) Also bitte!

Kollegin Trunk – damit Sie sehen, dass wir das schon ein bisschen differenzierter sehen – hat versucht, aus ihrem Blickwinkel – man muss nicht immer ihrer Meinung sein – die Zusammenhänge zu sehen, Vorschläge zu machen und die Dinge in den Rahmen zu stellen. Aber dass Sie in einer Zeit, in der in der Landwirtschaft Tausende Bauern vor wirklichen Existenzkrisen stehen, wahllos Reizworte aus den Zeitungen zusammensuchen, zu einer Melange verarbeiten und hier unter das Volk schleudern, ist eigentlich an Billigkeit nicht leicht zu überbieten. (Bundesrat Konecny: Melange ist Kaffee mit Milch und nicht mit Fleisch! – Bundesrat Dr. Nittmann: So war es nicht!)

Da Sie der Agrarpolitik vieles vorgeworfen haben, möchte ich daran erinnern, dass von 1971 bis 1986 sozialistische oder sozialdemokratische Landwirtschaftsminister Politik gemacht haben. (Bundesrätin Mag. Trunk: ... nicht vergessen!) Sie erinnern sich vielleicht an Oskar Weihs oder an den zehn Jahre lang als Minister tätigen Dipl.-Ing. Günter Haiden. In dieser Zeit ging es der Landwirtschaft nicht unbedingt wahnsinnig gut. (Rufe bei der SPÖ: Doch!) Soweit ich mich erinnere, hat Minister Haiden es bestens verstanden, die Landwirtschaft im eigenen Saft schmoren zu lassen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Es geht nur um die Agrarindustrie!) Die Wende zur ökosozialen Agrarpolitik kam im Jahr 1986, als Landwirtschaftsminister Dipl.-Ing. Josef Riegler das


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Ruder übernahm und der österreichischen Agrarpolitik wirklich einen neuen, zukunftsorientierten Stempel aufzudrücken begann.

Herr Kollege Marizzi! Sie haben behauptet, die österreichische Agrarpolitik fördere Agrarindustrien. Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie da reden, und darf Ihnen ein Beispiel nennen. In der europäischen Milchlieferanten-Statistik bildet Österreich hinter Griechenland und hinter Portugal das Schlusslicht. Wir haben die kleinsten milcherzeugenden Betriebe in Europa. (Bundesrat Prähauser: Wir haben auch weniger Kühe!) Es war über viele Jahrzehnte hinweg unvorstellbar, dass man hinter die Rinderbauern von Griechenland und Portugal fallen kann.

Wir gehen in der Landwirtschaft damit auch hohe Risiken ein, weil wir uns der Rationalisierungsreserven begeben, weil wir natürlich teurer produzieren und weil wir eine sehr schwierige Konkurrenzsituation bekommen. Es ist also die Frage zu stellen, was uns diese Kleinstruktur auf dem Markt – dort, wo die Produkte bezahlt werden – tatsächlich gebracht hat. Es ist kein Unterschied zwischen unseren Konsumentenpreisen und dem, was im übrigen Europa gegolten hat, festzustellen.

Sie wissen auch sehr genau, dass Bundesminister Molterer jetzt dabei ist, in der Agrarförderung einen Sockelbetrag zur Stabilisierung der Klein- und Kleinstbetriebe einzuführen. Das ist etwas, was es sonst in ganz Europa und wahrscheinlich auf der ganzen Welt nicht gibt. Sie können uns und unserer Agrarpolitik nicht seriös und ernsthaft vorwerfen, dass sie Agrarindustrien in dem Stil fördere; ich weiß nicht, was Sie damit meinen. Ich war selbst in den USA und habe Betriebe mit 100 000 Stück Masttieren gesehen. Das ist für mich eine Agrarindustrie. Aber bei den 15 bis 20 Stück Vieh, die auf den durchschnittlichen Bauernhöfen in Österreich stehen, weiß ich nicht, wovon man da letztlich redet.

Der Kern der Misere – das ist das Wesentliche; ich mag da nicht polemisieren – ist letztlich im Handel zu finden. Im Einkaufszentrum, an der Theke, findet die Agrarpolitik statt. Dazu darf ich Ihnen ein anderes Beispiel nennen. Jetzt, in BSE-Zeiten, verhandelt die österreichische Milchwirtschaft mit den Handelsketten über die Steigerung von Milchpreisen. Da passierte folgender Fall: Eine Handelskette – ich möchte den Namen nicht nennen (Bundesrat Bieringer: Ah, nicht der Spar?)  – sagt der Molkerei, wir gehen schon ein paar Groschen hinauf, aber zuerst müsst ihr uns eine Pauschale bezahlen, weil wir im letzten Jahr verschiedene Filialen von einem vorherigen Konkurrenten übernommen haben, und da müsst ihr eine höhere Listungsgebühr bezahlen.

Der Effekt ist also, dass man sich um 6 Millionen Schilling eine Preissteigerung von 2 bis 3 Millionen Schilling hätte erkaufen müssen. Das ist die Realität! Da findet es statt, da wird die Wertigkeit der Produkte festgelegt. – Und da fahren Sie uns drüber und sagen: Das sind Agrarindustrien, das ist ein völliger Irrweg und so weiter.

Eine Frage darf ich Ihnen noch stellen. Ich habe von keiner Konsumentenvertreterseite und auch nicht von Ihnen irgendeinen Protest dagegen gehört, dass im Jahr 2000 1 Million Schweine nach Österreich importiert worden sind. Das ist die Sache: Wenn bei uns der Preis nicht mit dem, was auf dem europäischen und dem umliegenden Niveau geboten wird, mithält, dann sagt man eben, wir importieren Fleisch aus anderen Staaten. – Es ist daher ein Überschuss vorhanden.

Sie waren auch nicht dagegen, dass wir der Europäischen Union beigetreten sind. Wir sind ebenfalls nicht dagegen gewesen, weil die Zeit richtig war. Aber wir lassen uns dann so billige Polemiken nicht gefallen.

Ich frage abschließend Folgendes: Wir sind in Österreich BSE-frei; wir haben 21 000 Tests durchgeführt. Wir haben auch nicht die Agrarpolitik gemacht, die zu BSE geführt hat; das kann man glaubwürdig sagen. Aber wenn nicht jetzt, wenn in einer Bevölkerungsgruppe Tausende Existenzen gefährdet sind: Wann dann wollen Sie das Wort "Solidarität" in den Mund nehmen? – Diese Frage darf ich Ihnen abschließend stellen, weil es jetzt auch darum geht, wie diese schwierigen Fragen gelöst werden.


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Wir haben keine BSE-Krise, aber wir haben eine ungeheure Rindfleisch-Krise in Österreich. Wie man diese Rindfleisch-Krise löst – da warte ich immer noch auf Vorschläge. (Bundesrätin Haunschmid: Habe ich schon gesagt!) Viele Bauern haben eine Existenzkrise! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.56

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. Ich erteile es ihm.

14.56

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich darf dort fortsetzen, wo mein Vorredner aufgehört hat: bei der Solidarität.

Wir können natürlich – auch dir, Herr Kollege Marizzi, wenn es dich gelüstet – viele Betriebe anbieten, die jetzt nicht mehr bewirtschaftet werden. Ich werde gerne die Adressen zur Verfügung stellen, auch aus meinem Bezirk. Betriebe, die infolge dieser Krise nicht mehr bewirtschaftet werden, bieten wir zur Bewirtschaftung an; es wird eine kleine Pachtprämie zu entrichten sein. Aber bei Ihrer Wirtschaftsweise werden Sie sicher einen großen wirtschaftlichen Gewinn erzielen und diese Pacht locker bezahlen können.

Weiters darf ich auf Herrn Kollegen John Gudenus eingehen, der hier das "profil" vom 5. Februar 2001 und einen pensionierten – ich darf anmerken: krankheitsbedingt frühpensionierten – Amtstierarzt zitiert hat, der das Scheitern des eigenen Systems kritisiert hat. Ich weiß deshalb nicht, warum er versucht hat, der Frau Landeshauptfrau die Schuld in die Schuhe zu schieben; aber manchmal sucht man sich eben einen Prügelknaben.

Dabei wundert mich eines: Wenn die Sorge um die Antibiotikaresistenz wirklich so groß ist, dann verstehe ich das tägliche Konsumverhalten bei den Medikamenten nicht. Es ist doch Usus geworden: zur Verhütung die tägliche Pille für die Frau, die Nebenwirkungen sind klein auf dem Packerl abgedruckt. Es ist Usus geworden: die Vorsorgespritze gegen die Grippe, die Vorsorgespritze gegen den Zeckenbiss. Es ist ganz normal, dass man gelegentlich eine Pille schluckt, und es ist ganz normal, sich, bevor man eine Reise tut (Bundesrat Konecny: Das sind nicht Antibiotika!) , eine Spritze geben zu lassen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Aber nicht beim Rindfleischgenuss!)

Hören Sie zu, Herr Kollege Konecny! Ich lasse mir nicht dann, wenn es ein Problem gibt – ich habe gerade von Prügelknaben gesprochen –, die Schuld in die Schuhe der Bauern schieben, wenn man dem täglich zuwiderhandelt. Ich möchte nur darauf hinweisen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, und damit möchte ich schon wieder zu polemisieren aufhören.

Wo ist denn der Konsumentenschutz bei der neuen Ernährung, die jetzt medial so propagiert wird, mit den drei Ks: Klapperschlange, Krokodil und Känguru als Ersatz für unser so "gefährliches" Rindfleisch? – Hoffentlich – da fehlt mir das vierte K – hat der Konsumentenschutz schon geprüft, ob dort die Hygienestandards, die Ablauffristen und die Ernährung ordentlich gesichert sind, damit nicht jemand, der ein Krokodil ist, das vorher seine Mahlzeit zu sich genommen hat, Menschenfleisch zu sich nimmt.

Eines möchte ich noch hinzufügen: Frau Kollegin Haunschmid hat davon gesprochen, dass es nicht ungefährlich ist, Rindfleisch zu essen. Ganz im Gegenteil: Es ist ein Genuss, Rindfleisch zu essen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.59

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Marizzi. Ich erteile es ihm.

14.59

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur kurz etwas sagen, weil ich anscheinend falsch verstanden worden bin.


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Ich habe überhaupt keine oberflächliche Analyse gemacht, sondern das wiedergegeben, was in den letzten Tagen in den Zeitungen gestanden ist, und ich habe auf die Diskrepanz zwischen der Meinung von EU-Kommissar Fischler und der unseres Landwirtschaftsministers Molterer hingewiesen. – Zum Ersten.

Zum Zweiten, Herr Kollege ... (Bundesrat Weiss steht in der ersten Reihe und liest.) – Herr Kollege! könnten Sie sich bitte setzen, damit ich dem Kollegen da hinten in die Augen schauen kann? (Heiterkeit.) – Danke.

Zweitens hat es überhaupt keine billige Polemik von unserer Seite gegeben. Ich verlange in Bezug auf Bundesminister Molterer weder einen Rücktritt, noch sage ich, er ist schuld, sondern das System ist schuld. Ich habe – wenn Sie mir genau zugehört haben, wissen Sie es – von einer Ethik-Diskussion gesprochen. Wenn Sie heute auf die siebziger Jahre, auf die Politik der siebziger Jahre, hinweisen, dann muss ich Ihnen schon in Ihr politisches Stammbuch schreiben, dass der Sozialdemokrat Bruno Kreisky als Erster die Bergbauern gefördert hat.

Lesen Sie sich den Artikel in der "Kronen Zeitung" vom Samstag genau durch! Da hat einer der besten Wirtschaftsjournalisten Österreichs geschrieben – ich will es jetzt nicht näher ausführen –, dass die ganze Landwirtschaftspolitik von Kommissar Fischler falsch ist. Er hat sich geändert, seit er Kommissar ist. – Ich habe gesagt, Fischler ist kein Sozialdemokrat, sondern ein ÖVP-ler, und Fischler kann nicht einfach die gesunden Rinder in Österreich schlachten lassen, und wir österreichischen Konsumenten sollen dafür noch Förderungen bezahlen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das habe ich gesagt. Das war weder eine Polemik noch eine oberflächliche Betrachtung. Ich glaube, Sie sollten sich am Riemen reißen bezüglich des Systems Ihrer Landwirtschaft und Ihrer Krise, die Sie in diesem System haben. Ich habe auch gesagt, es gibt dort weder einen blauen noch einen roten noch einen grünen Entscheidungsträger. Seit 15 Jahren stellt allein die ÖVP die Landwirtschaftspräsidenten. Sie macht in diesem Bereich die Politik, und diese Politik ist eben gescheitert! (Beifall bei der SPÖ.)

15.02

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ernst Winter. Ich erteile es ihm.

15.02

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur ein paar kurze Sätze zu diesem Thema: Ich glaube, man kann die Pille für die Frau nicht mit den Wachstumsspritzen für Schweine vergleichen, wie das von einem meiner Vorredner getan wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch Medikamente im Fütterungsbereich werden Menschen geschützt, haben wir von Kollegen Gudenus gehört. Gibt es Medikamente, die uns auf Grund dieser Fütterungsart schützen? – Diese Frage ist wichtig, und Fragen in diesem Zusammenhang stelle nicht nur ich hier, sondern diese Fragen stellen uns vor allem die Konsumenten.

Ich habe es schon oft gesagt – das ist auch der Grund meiner heutigen Wortmeldung –: Gerade bei uns im Waldviertel sind wir in der Landwirtschaft nicht sehr gesegnet. Es tun sich die Bauern sehr schwer, und es gibt auch kaum Großgrundbesitzer, die ein leichtes Leben haben, vor allem nicht in der Landwirtschaft. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es muss uns die Zusammenführung der Produzenten mit den Konsumenten gelingen. Dann entsteht wieder Vertrauen, und dann können wir auch Abschied von diesem schlechten System nehmen.

Liebe Freunde! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen von Fütterungsstraßen Abschied nehmen. "Fütterungsstraßen" – das Wort hört man in den Diskussionen auf der Straße, in den Geschäften. Man hört auch, dass in diesen Fütterungsstraßen "Fressmaschinen" stehen. Ich glaube, von all dem müssen wir uns verabschieden. Dann wird auch das Preis-


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Leistungs-Verhältnis wieder stimmen, und dann wird auch niemand mehr fragen: Was können wir noch essen? – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.04

Präsident Ing. Gerd Klamt: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Rates über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein vom 4. Dezember 2000 (Tiermehl-Gesetz) geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird (341/A und 459/NR sowie 6298/BR der Beilagen)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Mag. Melitta Trunk: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Durch den vorliegenden Gesetzesbeschluss soll eine eindeutige Regelung geschaffen werden, welche die Arzneimittelabgabe sowohl durch öffentliche Apotheken als auch durch ärztliche Hausapotheken sicherstellt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Der Antrag liegt Ihnen schriftlich vor. Daher ist es nur mehr meine Aufgabe, folgenden Antrag zu verlesen:

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Feber 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.


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Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Margarete Aburumieh das Wort. – Bitte.

15.08

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Mit der vorliegenden Novelle des Apothekengesetzes ist es zum Wohl der Bevölkerung gelungen, eine flächendeckende und optimale Versorgung mit Medikamenten zu sichern. Es wurde ein tragfähiges Gesetz geschaffen, das die gesundheitspolitische Versorgung garantiert und vor allem einen wesentlichen Beitrag zur Medikamenten- und Behandlungssicherheit der Landbevölkerung leistet. Durch das erstmalige Festhalten und Festschreiben der Bedeutung der ärztlichen Hausapotheken findet vor allem auf dem Land der gesicherte Zugang zu Medikamenten für ältere, kranke Menschen mit einer eingeschränkten Mobilität ganz besondere Berücksichtigung.

Die Gesetzesnovelle bringt aber auch die notwendige und geforderte Rechtssicherheit für Patienten, Ärzte und Apotheker. Wiederholte Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof gegen einzelne Bestimmungen des Apothekengesetzes und vor allem die Sorge um die Versorgung waren Anlass für den Initiativantrag der Klubobleute der Regierungsparteien. Die Ausgangssi-tuation ist Ihnen zwar hinlänglich bekannt, lassen Sie mich aber trotzdem kurz darauf verweisen.

Mit dem Erkenntnis des VfGH vom März 1998 wurden die Erfordernisse zur Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke insofern verändert, als für diese Neuerrichtung der Nachweis des Versorgungspotenzials weggefallen ist und die wirtschaftliche Tragfähigkeit ohne jegliche Einschränkung der Einschätzung des Apothekenkonzessionswerbers überlassen blieb.

Dieser Entfall der bis dahin geltenden Bedarfsregelung hatte natürlich eine Auswirkung auf die ländlichen Hausapotheken – diese mussten in diesem Bereich schließen –, und zudem gab es auch eine Verfassungsbeschwerde gegen die langen Übergangsfristen. Das waren jene Fristen, die die Ärzte vor dem Verlust der Bewilligung ihrer Hausapotheke schützte, die sie im Vertrauen auf den gesicherten Rechtsbestand eingerichtet hatten. Anliegen der Regierungsparteien war es daher, eine eindeutige Regelung zu schaffen, um diesen gesicherten Rechtsbestand, der die Arzneimittelabgabe sowohl durch die öffentliche Apotheke als auch durch die ärztlichen Hausapotheken sicherstellen sollte, wiederherzustellen.

Sie alle wissen, das Apothekengesetz ist vom Grundsatz der gleichmäßigen beziehungsweise bestmöglichen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung getragen. Dieser bestmöglichen Versorgung mit Arzneimitteln müssen wir auch in den dünn besiedelten Regionen unserer Bundesländer Rechnung tragen; diese Versorgung müssen wir unserer Bevölkerung in den Regionen, die geringe Bevölkerungszahlen haben, einfach sichern.

In einem Verhandlungsmarathon – auch das ist bekannt –, der dann zu einer eindeutigen Regelung unter Berücksichtigung der Interessen der Patienten, der Ärzte, aber auch der Apotheker führte und nach einem heftigen Tauziehen im Streit um die Hausapothekenregelung doch eine Einigung zwischen Ärzten und Apothekervertretern brachte, war Priorität, die dauerhafte Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten zu sichern, aber auch die gute Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern zum Wohle der Patienten zu erhalten.

Diese Zusammenarbeit wird auch in Hinkunft notwendig sein, wenn es darum geht – das haben Sie, Herr Staatssekretär, in der Fragestunde angesprochen –, die Medikamentenkosten zu senken. Es gibt eine neue Studie des Österreichischen Bundesinstitutes für Gesundheitswesen, die deutlich zeigt, dass in einem Jahr durch eine Steigerung der Verschreibung der Generika – wir liegen jetzt bei 9 Prozent – auf 33 Prozent eine Einsparung in der Höhe von 1 Milliarde Schilling erzielt werden kann. Da ist aber die Zusammenarbeit des Apothekers mit dem verschreibenden Arzt gefordert. Fachlich ausgedrückt: Hier geht es um die Muttersubstanzen der Generika, also jener Medikamente, die nach Ablauf der Patentfrist erzeugt werden dürfen.

Aber zurück zum Apothekengesetz. Der neue § 10 Abs. 2 Z. 1 normiert, dass ein Bedarf für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke dann nicht besteht, wenn sich im Umkreis von vier


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Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte bereits eine ärztliche Hausapotheke befindet und die Anzahl der zu Versorgenden weniger als 5 500 Personen beträgt. Das heißt, im Fall des Unterschreitens der Schranke des Versorgungspotenzials hat sozusagen die Hausapotheke das stärkere Recht und verhindert die Neueröffnung einer öffentlichen Apotheke.

Der Interessenausgleich mit den öffentlichen Apotheken ist dann im neu beschlossenen § 29 Abs. 4 festgeschrieben. Dort heißt es: Die Bewilligung zur Erhaltung einer ärztlichen Hausapotheke ist bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neuen öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet und in dem rechtmäßigen Bescheid zur Konzessionierung der neuen öffentlichen Apotheke ein Versorgungspotenzial im Sinne des § 10 von zumindest 5 500 Personen für die neue öffentliche Apotheke festgestellt wurde.

Z. 5 regelt die Einstellung des ärztlichen Hausapothekenbetriebes dahin gehend, dass diese drei Jahre nach der Konzessionserteilung zu erfolgen hat, aber gleichzeitig mit der Eröffnung der öffentlichen Apotheke, was natürlich wieder die Versorgungssicherheit unserer Bevölkerung, der Patienten gewährleistet.

Verständlicherweise sind rund um diese Gesetzesnovellierung Wünsche der Ärzte aufgetaucht, mehr Hausapotheken führen zu dürfen. Die Pharmazeuten wiederum befürchteten, dass sie keine Konzession erhalten würden beziehungsweise dass sich ihr Betrieb bei ärztlicher Konkurrenz nicht mehr rechnen würde. Es wurde also mehr oder weniger gegenseitig aufgerechnet, wer zusperren müsste.

Mit der Novelle haben wir aber sichergestellt, dass die Bevölkerung nicht ausgesperrt ist, sondern umfassendst versorgt wird, und zwar mit konkreten Apothekerleistungen dort, wo wir etwa 1 100 Apothekenstandorte haben – es werden nach der Novelle etwa 300 mehr werden –, und durch die etwa 980 ärztlichen Hausapotheken, wo es geringfügige Schließungen geben wird, was bei der öffentlichen Apotheke nicht der Fall ist.

Geschätzte Damen und Herren! Mit Ausdauer, Konsequenz und Kompetenz ist es gelungen, ein strittiges Problem um einen immerhin 16 Jahre andauernden Rechtsstreit zwischen zwei Berufsgruppen, in dem keine der früheren Regierungen eine Lösung herbeiführen konnte, in akzeptabler Form für alle Beteiligten zu lösen. Das Ergebnis dürfte auch die Landbevölkerung zufrieden stellen, von der nach einer Fessl-GfK-Studie 82 Prozent Medikamente gleich direkt beim Arztbesuch erhalten wollen, was bestätigt, dass wir mit dem Gesetz, zu dem wir als Österreichische Volkspartei stehen, nicht den Wünschen der Lobbyisten, sondern den Interessen der Menschen in diesem Lande entsprochen haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.17

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Christof Neuner. Ich erteile ihm das Wort.

15.17

Bundesrat Mag. Christof Neuner (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat heute ihre erste Rede gehalten und hat das emotionslose Apothekergesetz so dargestellt, dass ich das nur mit der Note "Eins" beurteilen kann. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Nein, ich bin kein Lehrer!

Es bleibt mir daher kaum etwas zu sagen übrig. Nur noch einige kritische Anmerkungen dazu.

Das Primat der öffentlichen Apotheke gibt es in dieser Form nur in der Schweiz, sonst kaum in irgendeinem Land. Da könnte man annehmen, dass sich zwei Lobbyisten, und zwar die Vertreter der Apothekerkammer und die Vertreter der Ärztekammer, nach langer Zeit geeinigt haben. Das ist nicht so. Das ist durchdacht. Jeder, der weiß, welche Wege der Landarzt zurückzulegen hat, dass er teilweise auch ganz andere Aufgaben zu erfüllen hat, als nur Tabletten zu verschreiben, weiß auch, dass das eine gute Lösung ist.


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Ein zweiter Gedanke: Durch das Internet wird das, was in der Verfassungsklage auch angesprochen worden ist, nämlich dass die Marktnähe etwas fehlt, geregelt. Man wird in Zukunft über das Internet auch auf solche Sachen zurückgreifen können.

Zum Schluss bleibt mir nur noch, Herrn Staatssekretär Dr. Waneck und seinen Mitarbeitern zu danken. Ich kann mir vorstellen, welch eine Arbeit es war, diesen Kompromiss und diese Koordination zwischen den Verhandlungsparteien zu Stande zu bringen. Mein Dank gilt natürlich auch den Präsidenten der Apotheker- und Ärztekammer dafür, dass sie für die Bevölkerung eine tragbare Lösung zu Stande gebracht haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.20

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Berichterstatterin ist nicht anwesend, was ich als Verzicht auf das Schlusswort werte.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist angenommen.

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz – PrR-G) (401 und 470 und Zu 470/NR sowie 6299/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz).

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ing. Franz Gruber übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Ing. Franz Gruber: Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden.

Nach der derzeit bestehenden Rechtslage werden Zulassungen für private Hörfunkveranstalter von der Privatrundfunkbehörde erteilt.

Mit dem vorliegenden Privatradiogesetz werden die Agenden der Privatrundfunkbehörde sowie der bisher zur Rechtsaufsicht berufenen Kommission zur Wahrung des Regionalradiogesetzes auf eine Regulierungsbehörde übertragen. Schließlich sollen Änderungen im System der Beteiligungsbeschränkungen das restriktive System der Beteiligungsgrenzen nach Prozentsätzen an einzelnen Hörfunkveranstaltern ablösen, um die Entwicklung des privaten Hörfunksektors zu fördern.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.


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Ich mache darauf aufmerksam, dass sie spätestens um 16 Uhr zur Behandlung der dringlichen Anfrage zu unterbrechen sein wird.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher das Wort. – Bitte.

15.22

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich werde versuchen, bis 16 Uhr fertig zu sein, ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird. Nachdem der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis festgelegt hat, dass die Übertragung der Vergabe von Privatrundfunkbewilligungen an eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag verfassungsrechtlich unzulässig ist, sieht der vorliegende Gesetzentwurf eine spezielle Regulierungsbehörde vor. Es hätte sicherlich mehrere Möglichkeiten gegeben, dem Spruch des Verfassungsgerichtshofes zu § 13 Regionalradiogesetz zu entsprechen, insbesondere hätte man das ursprüngliche Modell nicht "völlig ablösen", wie es im Bericht des Verfassungsausschusses heißt, müssen.

Es liegen also dem Privatradiogesetz nunmehr deutlich mehr Intentionen zu Grunde, als der VfGH ursprünglich erforderlich gemacht hätte. Andererseits glaube ich auch – ich stehe nicht an, das zu sagen –, dass das Regionalradiogesetz nicht in allen Belangen der Stein der Weisen war.

Die Absicht des vorliegenden neuen Regelungswerkes, etwa eine einheitliche Bewilligung über rundfunkrechtliche und fernmeldetechnische Belange vorzusehen, ist sicherlich zu begrüßen und eine Verwaltungsvereinfachung, die sicherlich auch etwas bringen wird. Gleichzeitig gibt es aus meiner Sicht einige Kritikpunkte, und ich betone noch einmal, dass diese Kritik aus meiner Sicht auch das Regionalradiogesetz getroffen hat, dem man aber, wenn man schon ein völlig neues Modell anstrebt, vielleicht in einigen Belangen hätte Folge leisten können.

Ein zentraler Ansatzpunkt des Gesetzes beziehungsweise der Gesetze scheint auch darin zu bestehen – ich zitiere wieder –, eine bessere Gewähr für eine größere Meinungsvielfalt, wie es etwa jetzt in § 6 heißt, als Auswahlgrundsatz zu verankern. Außerdem soll das Programmangebot auf die Interessen im Verbreitungsgebiet Bedacht nehmen. Ich glaube, das sind zwei Festlegungen, die auch im Widerspruch zueinander stehen können.

Bei der Frequenzzuordnung nach § 10 ist überdies auf die Meinungsvielfalt in einem Verbreitungsgebiet, die Bevölkerungsdichte, die Wirtschaftlichkeit der Hörfunkveranstaltung sowie auf politische, soziale und kulturelle Zusammenhänge Bedacht zu nehmen. Das ist eine Ansammlung von Gemeinplätzen, die dem Zuordner nicht nur eine große Verantwortung auferlegen, sondern ihm möglicherweise auch einen großen Ermessenspielraum, einen zu großen Ermessensspielraum bieten, der der Intention der Meinungsvielfalt entgegenlaufen könnte. Dieser Beurteilungsspielraum ist durch das neue Gesetz gegenüber dem Regionalradiogesetz sicherlich um einiges gestiegen.

Der Verweis auf die Wirtschaftlichkeit der Hörfunkveranstaltung etwa könnte geeignet sein, gerade auch die kulturelle Vielfalt im Radioprogramm zu senken, denn kulturelle Randprogramme entziehen sich in aller Regel dieser Wirtschaftlichkeit. Erwartungen, die wir in die Regionalradios gesetzt haben, haben sich aus meiner Sicht nicht bestätigt. Die Regionalradios haben sich im Endeffekt letztlich auf dasselbe Programmschema verlegt wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk, auch um vom selben Werbekuchen zu partizipieren, was ich ihnen gar nicht vorwerfen kann.

Zu wenig definiert sind mir nach wie vor auch die geforderten Programmgrundsätze, etwa in § 16. So haben die Veranstalter im jeweiligen Versorgungsgebiet – ich zitiere – den wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen nach Maßgabe redaktioneller Möglichkeiten Gelegenheit zur Darstellung ihrer Meinungen zu geben. Da stellt sich für mich die Frage: Wer entscheidet, welche Gruppen wesentlich sind? Liegt da nicht geradezu immanent die Gefahr einer Nichtberücksichtigung der Meinungsvielfalt und des kulturellen Lebens im Versorgungsgebiet? – Im Gesetz heißt es: Das ist angemessen zu berücksichtigen. Es stellt sich wie


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der die Frage: Wer beurteilt, was angemessen ist? Heißt das jetzt flächendeckender "Musikantenstadl" statt Schönberg, Robert Johnson und anderen?

Hinzu kommen "Kleinigkeiten" – unter Anführungszeichen – wie der Passus, dass in der Werbung keine Personen auftreten dürfen, die regelmäßig Nachrichtensendungen und Sendungen zum politischen Zeitgeschehen vorstellen. Das ist an und für sich eine sinnvolle Bestimmung, es stellt sich nur die Frage, warum Horst Friedrich Mayer im ORF zur Bewerbung der Bundesregierung etwas tun darf, was den Privatradios verboten sein soll.

Etliche der angeführten Punkte wurden zwar, wie gesagt, aus dem Regionalradiogesetz übernommen, machen das Privatradiogesetz aber in diesem Bereich um nichts besser, wobei der Kernpunkt unserer Ablehnung ein anderer ist, nämlich die Lockerung der Beteiligungsgrenzen für die Medienunternehmer. Ich gestehe schon zu, dass die Absicht unter anderem gewesen sein mag, Radiobetreibern eine bessere finanzielle Grundausstattung zu sichern, vor allem um auch nicht-kommerzielle Programme zu fördern und kulturelle Randprogramme, wie ich erwähnt habe, verstärkt durchführen zu können. Ich glaube nur, dass das nicht eintreten wird, denn die Konzentration auf dem Medienmarkt in Österreich zeigt, dass die Meinungsvielfalt auf diesem Markt nicht unbedingt das größte Gut ist.

Die nunmehr vorgeschlagenen Lockerungen im Privatradiobereich scheinen eine ebensolche Konzentration zu begünstigen. Möglicherweise ist dieses neue Marktanteilsmodel dennoch der zielführende Weg, ich hoffe es, ich glaube es allerdings nicht, und darin ist auch meine Ablehnung begründet. Zudem steht ein diesbezügliches Gutachten auch noch aus.

Ich denke, man hätte statt dessen auch den Weg einer finanziellen Förderung von nicht-kommerziellen Radiobetreibern, ähnlich der Presseförderung, gehen können. Es gibt verschiedene, auch international verschiedene Modelle, wie man das hätte machen können. Wenn uns Demokratie und Meinungsvielfalt im Printmedienbereich etwas wert sind – ich glaube, zu Recht etwas wert sind –, dann sollte man diesen Weg auch beim Rundfunk diskutieren. Demokratie gibt es schließlich nicht gratis.

Medienkonzentration heißt automatisch Machtkonzentration, und Machtkonzentration ist selten mit verstärkter Demokratie kompatibel gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Herwig Hösele. Ich erteile ihm das Wort.

14.28

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das uns heute vorliegende Privatradiogesetz bedarf, wie schon ausgeführt wurde, möglichst rasch einer Ergänzung durch ein "KommAustria"-Gesetz, weil erst durch die dort einzurichtende Regulierungsbehörde die entsprechenden künftigen Lizenzvergaben und andere wichtige Maßnahmen erfolgen können. Dennoch ist das vorliegende Gesetz ein wichtiger Mosaikstein auf dem Weg zur notwendigen vollen Ausprägung des dualen Systems im Bereich der audiovisuellen Medien in Österreich.

Es geht um faire Rahmenbedingungen in einem dualen System, in dem sich der öffentlich-rechtliche ORF und private Rundfunkveranstalter sinnvoll ergänzen. Ein Blick in die Praxis zeigt, dass Österreich, wie der im Jänner veröffentlichte Radiotest über die Tagesreichweiten der österreichischen Radiostationen im zweiten Halbjahr 2000 beweist, auf dem Weg zum dualen System voranschreitet – zumindest auf dem Hörfunkmarkt.

75,9 Prozent oder 5,3 Millionen Österreicher hören täglich eines der ORF-Programme, während 22,8 Prozent eines der österreichischen Privatradios hören, das sind rund 1,6 Millionen Hörer. Bis 1998 waren es mit Ausnahme der Steiermark – diesen Spezialfall spreche ich dann noch an – null. Im vorigen Jahr waren es 20,9 Prozent, jetzt sind es schon 22,8 Prozent, und in der Zielgruppe der 14-jährigen bis 49-jährigen hören sogar 31 Prozent Privatradio. Das heißt: wir sind zumindest auf dem Hörfunkmarkt auf dem Weg zum dualen System.


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Besonders freut mich als Steirer natürlich, dass die "Antenne Steiermark" schon 1995 auf Sendung ging, während die Starts der anderen Privatradios durch die VfGH-Erkenntnisse erst frühestens am 1. April 1998 erfolgen konnten. Salzburg ist dazwischen gekommen.

Im Branchenmagazin "Extradienst" heißt es: "Stärkster Privatsender ist wieder die "Antenne Steiermark". Kein anderes Privatradio erreicht auch nur annähernd so viele Hörer in seinem Verbreitungsgebiet." – Das soll jetzt kein Loblied auf die Privatradios sein, aber insgesamt ist es meine Überzeugung, dass dem ORF die Konkurrenz durch die Privatradios sicher gut getan und zu neuen Initiativen geführt hat. Ein Monopol macht fett, Konkurrenz macht fit.

Ich spreche mich hier bewusst für ein Miteinander in der österreichischen Medienordnung aus, wobei der ORF eine unverzichtbare Stimme der österreichischen Identität ist und eine seiner Stärken die Unverwechselbarkeit gegenüber privaten Sendern sein muss. Das Privatradiogesetz ist aber nur ein Teil des Medienpakets der Bundesregierung, mit dem der medienpolitische Stillstand der letzten Jahre überwunden werden soll.

Gestern hat der Verband Österreichischer Zeitungen ein Gutachten des Präsidenten der Bayerischen Medienbehörde, Professor Ring, veröffentlicht, in dem von der bisherigen medienpolitischen Blockade der letzten Jahre die Rede ist und von der Möglichkeit, dass die neue Bundesregierung neue Initiativen zur Ausprägung des dualen Systems endlich auch auf dem Fernsehmarkt setzen wird. Es ist Staatssekretär Morak, der federführend für die Bundesregierung agiert, zu danken, dass in den letzten Monaten sehr viel auf den Weg gebracht wurde und im März weiteres auf den Weg gebracht wird.

Mit dem jetzt vorliegenden Privatradiogesetz werden Ziele für das duale System, die sich aus der Praxis der letzten Jahre ergeben haben, besser formuliert: Öffnung der Bundesländergrenzen, Zulassung von bundesweiten privaten Radios und die ursprünglich kritisierte Ersetzung der Eigentümerbeschränkungsregelungen, die die Medieninhaber meiner Meinung nach bisher diskriminiert haben und die insbesondere nicht das Entstehen jener Tendenzen gefördert haben, die es international gibt, nämlich in Richtung Multimedia, also "Content Companys", zu denen sich traditionelle Zeitungsverlage immer mehr entwickeln. Diese Entwicklungsmöglichkeit soll ihnen auch gegeben werden, um ihre Kompetenz einbringen zu können.

Ich möchte auch feststellen, dass sich der Privatradioverband über das neue Gesetz außerordentlich positiv geäußert hat. Sowohl der Salzburger Vorsitzende Hutter als auch Professor Wittmann, der sicher einer der führenden Experten in dem Zusammenhang ist, haben das ausdrücklich positiv gesehen.

Ich möchte aber noch ein Thema anschneiden und dabei einleitend noch anmerken, dass es mir an sich unverständlich ist, dass die SPÖ im Nationalrat einer unabhängigen Kommunikationsbehörde die Verfassungsmehrheit versagt hat, was dazu führt, dass nunmehr auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs eine einfach-gesetzlich Behörde eingerichtet werden muss, die dem Bundeskanzler unterstellt wird.

Aus föderalistischer Sicht – wir sind hier in einer Länderkammer, und ich darf das bekräftigen, was unser Fraktionsobmann Bieringer am Vormittag schon in seiner Wortmeldung anlässlich der Erklärung des Landeshauptmannes von Kärnten gesagt hat – gebe ich meiner Erwartung Ausdruck, dass der im Nationalrat eingebrachte Initiativantrag dazu noch mindestens in der Zusammensetzung des Rundfunkbeirates geändert wird. Er soll nämlich gegenwärtig aus sechs Mitgliedern bestehen, die von der Bundesregierung ohne Bindung an Vorschläge ernannt werden. Dieser Beirat soll unter anderem auch Kompetenzen der früheren Regionalradiobehörde übernehmen, in der drei der 13 Mitglieder von den Ländern nominiert wurden. Im gescheiterten Verfassungsgesetzentwurf war wenigstens noch ein Ländervertreter vorgesehen.

Es wäre angesichts der ohnehin in allen Bereichen laufenden Zentralisierungstendenzen ein schönes und notwendiges Bekenntnis zum Föderalismus, wenn die Bundesregierung beziehungsweise der Nationalrat zumindest ein, wenn nicht einige Mitglieder des Rundfunkbeirates über Vorschlag der Länder bestellen würde. Dies sollte ein gemeinsames föderalistisches Anliegen sein. Ich bitte auch den Herrn Staatssekretär um seine Unterstützung!


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Gelebter Föderalismus kommt sowohl in den Rechtsnormen als auch in der praktischen politischen täglichen Programmgestaltung sowohl des ORF als auch der privaten Stationen zum Ausdruck. Innovative, entsprechend finanziell ausgestattete Landesstudios – ich spreche da die Diskussion betreffend die ORF-Reform an – sind Wesenselemente des öffentlich-rechtlichen ORF. Die Mitgestaltungsrechte der Länder im ORF sind bisher unter anderem auch dadurch gegeben, dass jedes Bundesland einen Kurator in das 35-köpfige Kuratorium entsenden kann.

Ich meine, dass das Mitgestaltungsrecht der Länder sowohl im öffentlich-rechtlichen Veranstalter als auch in der "KommAustria" gegeben sein sollte, wobei ich noch ein weiteres Desiderat anschließe, nämlich dass insgesamt danach zu trachten wäre, dass nicht alle Institutionen auf den Zentralraum Wien konzentriert werden. Wir wissen, dass das in klassischen Bundesstaaten – seien sie sehr groß wie die USA oder Deutschland oder kleiner als Österreich, wie die Schweiz – nicht so ist, denn dort sind nicht nur die staatlichen Institutionen, sondern auch die meinungsbildenden Medien auf verschiedene Orte aufgeteilt und nicht auf die Bundeshauptstadt zentriert. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

15.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ludwig Buchinger. – Bitte.

15.37

Bundesrat Ludwig Buchinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem meine beiden Vorredner schon recht ausführlich über dieses Gesetz referiert haben, werde ich mich angesichts der fortgeschrittenen Stunde relativ kurz auf das Wesentliche beschränken.

Auf Grund eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 2000 war es notwendig, das Regionalradiogesetz durch das neue Privatradiogesetz zu ersetzen. Die Übertragung der Aufgabe der Übergabe von Privatrundfunkbewilligungen an eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag ist nicht zulässig, argumentierte der Verfassungsgerichtshof, und deshalb war es notwendig, ein neues Gesetz zu machen.

Das neue Privatradiogesetz lockert die bisher strengen Beteiligungsbeschränkungen für Medieninhaber. Bis jetzt konnten sich Gesellschafter an Privatradios höchstens mit 26 Prozent, an zwei weiteren zu jeweils 10 Prozent pro Bundesland beteiligen. Mit dem neuen Gesetz ist es jetzt für Medieninhaber möglich, mehrere Sender zu betreiben beziehungsweise sich an mehreren Sendern zu mehr als 25 Prozent zu beteiligen, wenn sich deren Versorgungsgebiete nicht überschneiden. Dieses Gesetz ermöglicht es auch, dass für Privatradios Programmübernahmen von anderen Sendern jetzt im Ausmaß von maximal 60 Prozent möglich sind, während es früher nur 40 Prozent waren. Nicht möglich ist selbstverständlich das gleichzeitige Betreiben eines Regionalsenders und eines bundesweiten Radios.

Die letzte Reichweitenanalyse hat ergeben, dass der ORF als Einzelunternehmer einen Marktanteil von rund 80 Prozent innehat. Dem gegenüber stehen rund 48 bis 50 Private, die gemeinsam einen Marktanteil von 20 Prozent haben. Es ist daher, so glaube ich, nicht verwunderlich, dass die meisten von diesen rote Zahlen schreiben. Von Verlusten kann auf Dauer niemand leben. Ich glaube, behaupten zu können, dass es unser aller Ziel ist, dass wir vernünftige Rahmenbedingungen schaffen.

Ich hoffe, dass dieses neue Privatradiogesetz den notwendigen Investitionsschub hervorruft, der bisher durch die Beteiligungsbeschränkungen nicht erfolgt ist, weil ganz einfach viel zu viele Gesellschafterinteressen vertreten wurden.

Diese Investitionen sind natürlich erforderlich, um einen vernünftigen und fairen Wettbewerb betreiben zu können. Meine Fraktion sieht in diesem Gesetz eine vernünftige Grundlage und wird daher ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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15.39

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Staatssekretär Franz Morak. – Bitte.

15.39

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben einen Schritt in die Zukunft vor uns, der dieser Republik sehr gut ansteht. Ich bedauere die Wortmeldung, die in diesem Zusammenhang auf Ablehnung beruht, weil ich glaube, dass damit eine Lücke geschlossen wird, womit wir das, was es an privaten Anbietern auf dem Medienmarkt weltweit gibt, auch in Österreich nachvollziehen, und zwar derart, dass diese auch wirtschaftlich stark und gut überleben können.

Ich meine, dass mit dem vorliegenden Entwurf praktische Vollzugsschwierigkeiten des bisherigen Regionalradiogesetzes beseitigt und eine Vereinfachung für die Antragsteller durch eine Zusammenlegung der Kompetenzen der Privatrundfunkbehörde und der Fernmeldebüros erreicht werden. Die neue Regulierungsbehörde, die von den Regierungsparteien als Initiativantrag eingebracht wurde und die am 1. März im Plenum des Nationalrates behandelt werden wird, soll gleichzeitig für die Frequenzzuordnung und für die rundfunkrechtliche Zulassung zuständig sein.

Es ist schon in Ihren Wortmeldungen angeklungen, dass das eine Erleichterung ist. Also meine ich, wir sind hier aus Schaden klug geworden. Ich danke Ihnen, dass Sie das erwähnt haben.

Im Bereich der Frequenzzuordnung entfällt nunmehr auch die Notwendigkeit der Erlassung eines Frequenznutzungsplans durch das BMVIT. Stattdessen soll die zuständige Behörde ein transparentes, für jedermann einsehbares Frequenzbuch führen – § 14.

In § 12 wird auch das Verfahren zur Zuteilung noch ungenutzter Frequenzen neu geregelt, da das bisherige System der Erlassung eines Frequenznutzungsplans zu langwierig war und der Frequenznutzungsplan zumeist schon zum Zeitpunkt des Erscheinens überholt war.

Gleichzeitig – das mag man jetzt bedauern oder nicht, Sie werden verstehen, dass ich das nicht bedauere, sondern offensiv betrieben habe – ist eine Neuordnung der Beteiligungsbeschränkungen vorgesehen, die eine Liberalisierung und damit Förderung der Wirtschaftlichkeit privater Hörfunkveranstalter mit sich bringen soll. Bisher bestand ein sehr restriktives und nur an abstrakten Prozentzahlen orientiertes Modell der Beteiligungsgrenzen – Sie wissen: 26:10:10 –, das zu einer Zersplitterung auf dem Medienmarkt geführt hat und das in der Zusammensetzung der Hörfunkveranstalter keine Einigkeit aufkommen ließ.

Nunmehr soll in § 9 ein Medieninhaber auch 100 Prozent an einem Hörfunkveranstalter halten können. Dies kann auch bei mehreren Hörfunkveranstaltern der Fall sein, solange sich die Versorgungsgebiete nicht überschneiden. Einem Medienverbund – das sind zumindest zwei Unternehmen, davon eines ein Medienunternehmen, die zueinander in bestimmter gesellschaftsrechtlicher Abhängigkeit stehen – soll es möglich sein, insgesamt 12 Millionen, also 150 Prozent der Hörer, zu erreichen. Maßgeblich ist dabei allerdings, dass nicht drei Programme, sondern maximal zwei desselben Verbundes an ein und demselben Ort gleichzeitig empfangen werden können.

Es gibt weitere Neuerungen: Ausdehnung der Dauer von Ereignishörfunk von zwei Wochen auf drei Monate; der Entfall der Verpflichtung der Behörde, auf eine Veranstaltergemeinschaft hinzuwirken – Sie wissen, in der Vergangenheit hat sich das nicht bewährt, sondern hat eher dazu geführt, dass das Gegenteil erreicht wurde –; die klarstellende Erfassung von Privatstiftungen aus Anteilsinhabern an einem Hörfunkveranstalter; der Anteil der Programmübernahmen mit 60 Prozent; Neuordnung der Überprüfung der Zuordnung von Frequenzen in § 11. Insgesamt stellt sich das für uns so dar, dass, wie schon in der einen oder anderen Wortmeldung angeführt wurde, ein kräftiges Liberalisierungszeichen gegeben wurde.

Zu Ihrer Wortmeldung, Herr Bundesrat: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Regionalradios würden uns zu einer philosophischen Frage führen, denn Sie haben gesagt, Sie nehmen sehr große Programminhalte wahr, die im Grunde austauschbar sind. Ich meine allerdings auch – das sollten Sie sich überlegen, und ich bitte Sie, das zu überlegen –, die Diskussion in diese Richtung ist wahrscheinlich falsch. Die Frage ist, wieso ein öffentlich-rechtlicher Anbieter mit einem Privatanbieter verwechselbar ist. Also ich meine, das sollte man sich in der nächsten Zeit genau überlegen.


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In diese Richtung geht auch das Gutachten von Professor Ring von der BLM. Sie wissen, in all meinen Wortmeldungen habe ich immer für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk plädiert. Ich stehe nach wie vor dazu. Aber natürlich sollte man auch – ich meine auch, wer könnte das besser als die Redakteure und die Verantwortlichen innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Anbieters – darauf drängen, dass diejenigen, die das Programm machen, auch den öffentlich-rechtlichen Inhalt bestimmen sollten. Aber er muss sich natürlich in irgendeiner Form unterscheiden.

Das wirft natürlich das zweite Problem auf, das Sie angeschnitten haben, nämlich im Bereich der so genannten nichtkommerziellen Radios. Viele Inhalte, die Sie meinen, sind natürlich von einem öffentlich-rechtlichen Sender beziehungsweise Fernsehprogramm abzudecken. Ich glaube, da sind durchaus Korrekturen möglich, auch im Selbstbildnis des öffentlich-rechtlichen Anbieters.

Einige Zitate, die Sie hier angeführt haben – das möchte ich Ihnen schon sagen –, sind vom Regionalradiogesetz-Alt übernommen worden und nichts anderes. Wenn ich Sie erinnern darf: Damals hat die SPÖ ihre Zustimmung dazu gegeben, unter anderem auch betrieben. Ansonsten sind wir an EU-rechtliche Vorgaben gebunden. Ich glaube, das damit in irgendeiner Form einmal aufgeklärt zu haben, was Sie in die Diskussion eingebracht haben.

Ich möchte das noch einmal wiederholen, weil das immer wieder diskutiert wird: Ich bin nicht gegen freie, nichtkommerzielle Radios. Ich bin nur der Meinung, dass sie ein lokales Ereignis sind: für den 9. Bezirk, für Linz-Urfahr und so weiter. Ich glaube, wenn man sich dafür entscheidet, wie sich zum Beispiel Bürgermeister Häupl entschieden hat, dann soll man bezahlen, und er bezahlt auch. Ich meine nur, wir sind hier in einer Umbruchsituation, dass wir sagen: Wir haben den gebührenfinanzierten Rundfunk in diesem Land flächendeckend, wir haben einen gebührenfinanzierten Rundfunk, der auch – darüber sollte diskutiert werden – viele dieser Sachen, die im Grunde nicht frei finanzierte, sondern so genannte freie Radios haben, abdecken sollte: Minderheitenschutz, Minderheitenthemen und so weiter.

Wenn wir diese Diskussion führen, die Sie selbst mit der Frage eröffnet haben, wie sich die Regionalradios unterscheiden, und Sie dann feststellen, die Erwartungen haben sich nicht erfüllt, die Sie an sie gesetzt haben, dann muss man natürlich schon fragen: Wieso sollten wir von einem privaten Anbieter das erwarten, was nicht einmal der öffentlich-rechtliche zu leisten bereit ist – nicht in allen Bereichen? – Ich weiß, wir verstehen uns da, also nicht auf Ö1, aber sicher auf Ö3. Aber natürlich gibt es Überschneidungen, die wir neu überdenken und natürlich auch innerhalb dieser Diskussion um einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiter thematisieren sollten. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.47

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile ihm das Wort.

15.47

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wenn man Abschied nimmt, sei es einem gestattet, ein bisschen in der Erinnerung zu kramen oder auch, wenn es notwendig ist, Selbstkritik zu üben.

Ich denke an einen unserer Präsidenten von der ÖVP, Herrn Gottfried Jaud, der manchmal, wenn er besonders gut gelaunt war, seine Referate folgendermaßen begonnen hat: Herr Minister! Ich bedanke mich für dieses Gesetz. Dieses ist so ganz nach meinem Geschmack und dem Geschmack der ÖVP.

Er hat bei diesem Gesetz sicher vergessen oder auch nicht wissen können, weil er damals noch nicht im Bundesrat war, dass es ein Gesetz war, das eine rot-blaue Koalition beschlossen und die ÖVP strikt abgelehnt hat. Als es dann zur Novellierung kam, war die Koalition eine andere, und er hat gemeint: "so ganz nach dem Geschmack der ÖVP". – Ich sage das ganz bewusst und nicht, um Kritik zu üben, sondern um das zu sagen, was ich heute zu sagen habe.


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Herr Staatsekretär! Dieses Gesetz ist so gar nicht nach meinem Geschmack, auch nicht nach dem Geschmack der SPÖ – wohl wissend, mitverantwortlich zu sein, da ich selbst, was ich leider in Anspruch nehmen muss, zu den Ursprüngen meine Zustimmung gegeben habe. Das heißt aber nicht, meine Damen und Herren, dass man nicht umdenken und weiterdenken kann.

Ich möchte, nachdem sich meine Vorredner sehr intensiv mit dem Gesetz auseinander gesetzt haben, ein bisschen aus der Realität, aus der Praxis plaudern und vielleicht doch das eine oder andere anregen, was in Zukunft bei kommenden Novellierungen im Interesse eines privaten Rundfunks noch zu ändern wäre. Ich beziehe mich in meinen Ausführungen hauptsächlich auf die privaten Rundfunkbetreiber und deren Möglichkeiten.

Ich behaupte einmal, dass ÖVP und SPÖ seinerzeit in der Koalition dieses Gesetz eher halbherzig in die Wege geleitet oder geboren haben, sagen wir es so. Ich meine, die ÖVP hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie vor allem auch den Schutz der etwas größeren Regionalradiobetreiber, nämlich der Bundesländerradios, im Sinn hat und im Hintergrund natürlich auch deren Betreiber, die, wie wir wissen, schon damals großteils Zeitungsherausgeber gewesen sind. Zeitungsherausgeber sind für Politiker schon immer eine Größe, an der man natürlich nicht gern gekratzt hat. Da mache ich auch für uns Sozialdemokraten keine Ausnahme. Tatsache war also auch hier eine entsprechende Unterstützung in diese Richtung.

Bei der SPÖ war es eher so, man hat geglaubt, den ORF schützen zu müssen – den ORF in allen Ausführungen, sei es Fernsehen oder auch Rundfunk. Was dabei herausgekommen ist, meine Damen und Herren, ist ein Radiogesetz, das es sehr schwer gemacht hat, Privatradio zu betreiben.

Ich gehe einmal davon aus, dass man weiß, dass der ORF natürlich Gebühren einheben kann, dass der ORF durch seine großen Sendereichweiten auch beinahe schon ein Werbemonopol für sich in Anspruch genommen hat und dadurch auch in der Lage war und ist, vom Zaudern der seinerzeitigen Regierung zu profitieren, nämlich vom Hinauszögern des Sendebeginns für die große Masse der Privatradios. Wir haben es gehört, nur die Steirer – mit etwas Abstand dann Salzburg mit "Radio Melody" – waren in der Lage, mit Radiosendungen zu beginnen, obwohl die technischen Voraussetzungen und Kapazitäten bei allen anderen auch schon gegeben gewesen wären. Sie hatten nur einen Werbenachteil, der bis heute nicht aufgeholt werden konnte.

Wir, die Koalition aus SPÖ und ÖVP, haben damals gemeinsam die Verantwortung getragen. Wir haben aber auch, wenn man sich das mit den Regionalradios genau überlegt, eine neue Kategorie geschaffen, die über Umwegen in den Genuss von Steuergeld kommen konnte, da sich natürlich ein Radiobetreiber, der als Eigentümer ein Zeitungsherausgeber ist, wiederum auf der anderen Seite dadurch Geld spart, dass er eine Presseförderung bezieht. Dieser hat auch mehr Möglichkeiten als ein anderer – das ist die dritte Kategorie –, nämlich die lokalen Radios, die alleine auf die privaten Investitionen ohne Institutionen gestellt waren und auf dem Werbemarkt durch den Zeitrückstand natürlich ein entsprechendes, sehr schwieriges Entree hatten.

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen sagen, ich glaube, behaupten zu können, dass natürlich drei unterschiedliche Medien unterschiedliche Sorgen haben. Ich behaupte einmal, die Sorge des ORF ist heute noch – das wissen wir, das behaupte ich noch einmal –: Wie baue ich aus, oder wie erhalte ich mein Monopol für die Zukunft? – Das ist ein legitimes Recht derer, die angetreten sind, ihre Arbeit zu erledigen – frei nach dem Motto: Wer bei uns wirbt, spart es sich überall! – Damit gräbt man das Leben der anderen ab.

Bei den regionalen Radios wird es heißen: Wie schade ich den Kommunalen, ohne dem ORF wehzutun? – Eine Koexistenz ist meistens auch dann vorhanden, wenn man auf gemeinsame Sendemasten zurückgreift. Bei den Dritten, bei den kommunalen Radios wird es heißen: Wie erwirtschafte ich die Gehälter meiner Mitarbeiter? – Das ist die zentrale Frage, meine Damen und Herren, die es gilt, auch in der Politik zu überlegen, wenn man ein Gesetz novelliert, das man nicht unbedingt so durchdacht hat, dass die Lebensfähigkeit von vornherein gegeben war.

Man sollte – hier möchte ich an Gruber anknüpfen, der das gesagt hat, als der Herr Landeshauptmann hier war – nicht zustimmen, sondern beeinspruchen. Heute haben wir noch einmal


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die Gelegenheit, dieses Gesetz noch besser zu gestalten, ohne etwas zu verzögern. Im Großen und Ganzen unterstütze ich auch die Neuerungen in diesem Gesetz, da gibt es nichts hinzuzufügen, nur ist es mir zu wenig weitreichend, weil es nicht ausreicht, die Existenz aller Betreiber, aller Radios zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, das der ORF für Mieten auf Sender bis zu 50 000 S, 70 000 S pro Monat verlangt. Wir wissen, dass die Telekom für die Mitnutzung von Sendemasten, die auch teilweise Privaten gehören, 40 000 S, 50 000 S verlangt. Wir wissen, dass die Telekom meint, eine Sendemastmitbenützung von 40 Zentimetern – das muss man sich vorstellen – müsste im Pinzgau genauso teuer sein wie in Niederösterreich – dort allerdings erreicht man 500 000 Hörer, im Pinzgau aber nur 16 000 Hörer. Wenn die Sensibilität nicht so weit geht, dass man Äpfel und Birnen nicht miteinander vermischt, dann werden wir es nicht schaffen, die Medienvielfalt erhalten zu können. Denn dann wird eines eintreten, was jetzt auch in dem Gesetz möglich ist – auch das, Herr Staatssekretär, ist für mich kein Problem zu akzeptieren –, nämlich dass Medienbetreiber, Zeitungsherausgeber auch 100 Prozent eines Radios haben können.

Es ist letztendlich auch die einzige Chance für viele, die Privatradios betreiben, noch einmal aus den roten Zahlen herauszukommen, weil sie in der Lage sind, einen Partner zu finden, weil wir Gemeinschaften unter den Kleinen durch Beteiligungen von Übernahme von Sendungen beschränkt haben. Auch jetzt mit 60:40 ist es beileibe nicht ausreichend, dass sich die Kleinen in einer Art und Weise Kosten sparen können, weil der Gesetzgeber wieder einen Schranken vorgibt, der sich letztendlich nicht so für dieses Unternehmen auswirkt, dass man sagt, über die finanziellen Rahmenbedingungen gibt es eine Besserung, da ist etwas zu erwarten.

Meine Damen und Herren! Man sollte auch nicht vergessen, dass es egal ist, ob es sich um ein österreichweites Radio, ein landesweites Radio oder ein bezirksweites Radio handelt. Ein 24-Stunden-Programm kostet überall das Gleiche. Nur ist es ein Unterschied, ob ich Milliardeneinnahmen habe, ob ich Hunderte Millionen einnehmen kann oder nichts einzunehmen habe, weil mir auf der anderen Seite jegliche Möglichkeit entzogen wird. Ich glaube, das sind die Voraussetzungen, die die Politik schaffen sollte. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. Herr Kollege Gruber! Heute haben wir die Gelegenheit, einmal etwas zu beeinspruchen, um es zu verbessern – nicht zu verzögern, damit es kein Missverständnis gibt! Ich lade Sie ein, das, was Sie uns heute empfohlen haben, dann auch gleich mit mir mitzutun. Ich würde mich sehr freuen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir natürlich auch noch andere Vorschläge mit einbauen sollten. Ich meine, wenn wir von den kleinen Radios verlangen, sie auf 150 000 Hörer zu beschränken – die ÖVP hat in der Entstehungsgeschichte geglaubt, 100 000 wären für ein kommunales Radio ausreichend –, dann frage ich, wie man überleben können soll – noch dazu wenn man weiß, dass es auch Gemeinden gibt, die über 1 Million Einwohner haben. Auch hier ist der Wettbewerbsvorteil in keiner Weise zu erklären und so zu akzeptieren.

Daher meine ich: Schaffen wir Lebensräume für unsere privaten Radios, dann brauchen wir uns um deren finanzielle Gesundung keine Sorgen zu machen!

Auch kann ich mir vorstellen, dass man die privaten Radios an den Werbezeiten des ORF partizipieren lässt. Ich denke nur daran, die Eigenwerbung im ORF, um auf Radiosender aufmerksam zu machen, wird auch von jenen Konsumenten mit bezahlt, die in der Lage sein wollen, privates Radio zu hören. Das heißt, man sollte dafür Sorge tragen, dass man auf die Privaten Rücksicht nimmt.

Bei den Strukturen, die schon vorhanden sind, sollte man den privaten Betreibern auch die Ge-legenheit bieten, günstiger anzumieten, um selbst Kosten zu sparen, um auch die Gehälter erwirtschaften zu können. Meine Damen und Herren! Es gibt daran nichts zu rütteln: Momentan schützen wir nur die Monopolisten, wir wollen aber die Vielfalt, die wir gegenseitig heraufbeschworen haben. Wenn wir diese schützen und ihnen helfen wollen, müssen wir anders denken.

Meine Damen und Herren! Wenn es heute etwas bedurft hatte, um die Wehmut wegzuwischen, heute ausscheiden zu müssen, dann ist es der Trost, dass ich in Zukunft näher an die Gesetz


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gebung heranrücke, da man – was beim Bundesrat nicht der Fall ist – schon in die Gesetzwerdung miteinbezogen wird. Das heißt, solche Dinge, die wir heute diskutieren, kann man vorher schon entsprechend unterbringen, man muss aber dann auch die Verantwortung dafür tragen, die wir jetzt auch zu tragen haben. Aber ich frage: Welcher Bundesrat ist in Wirklichkeit für dieses Gesetz verantwortlich? – Wir könnten es heute noch einmal beeinspruchen, dann würde es vielleicht sogar noch einmal beraten. Oder unsere Argumente wären, dass man sagt, das könnte man einpacken, dann hätten wir etwas zu Wege gebracht.

Ich glaube, wenn ich in den Nationalrat einziehe, werde ich es zumindest versuchen, das aufzuholen, was ich hier nicht konnte. Ich darf Ihnen auch versprechen, meine Damen und Herren, Belange des Bundesrates werden auch immer meine sein. Mein Nachfolger wird für meine Fraktion die gleichen Dienste leisten können. Es wird der Bürgermeister der Stadt Bad Gastein in Salzburg sein, der mich nahtlos ersetzen können wird. Ich bin nicht so vermessen, zu glauben, dass mich hier jemand vermissen wird, ich allerdings werde den Bundesrat sicher vermissen. (Allgemeiner Beifall.)

15.59

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Kollege Prähauser! Ich darf mich auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen für die stets sachliche, auch von Eigenständigkeit geprägte Mitarbeit in diesem Haus herzlich bedanken und Ihnen alle guten Wünsche für den Weg in den Nationalrat mitgeben. – Danke.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zu diesem Tagesordnungspunkt.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Mag. Hoscher, Anna Elisabeth Haselbach, Brunhilde Fuchs, Prof. Albrecht Konecny und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Defizite im Verkehrsinfrastrukturausbau in Österreich, die Demolierung des öffentlichen Nahverkehrs und Verschlechterung in der Postzustellung (1772/J-BR/2001)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher, Anna Elisabeth Haselbach, Brunhilde Fuchs, Professor Albrecht Konecny und GenossInnen an die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Defizite im Verkehrsinfrastrukturausbau in Österreich, die Demolierung des öffentlichen Nahverkehrs und Verschlechterungen in der Postzustellung.

Da diese Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile nun Herrn Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

16.00

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ein Vernachlässigen der Infrastruktur bedeutet eine eklatante Schwächung des Wirtschaftsstandortes, ein Absinken der internationalen Konkurrenzfähigkeit und letztlich eine enorme Belastung künftiger Generationen, die der Regierung angeblich so am Herzen liegen – zumindest dann, wenn sie keine Internet-Generationen sind.

Umso unverständlicher ist der infrastrukturelle Zickzackkurs, der von dieser Regierung gefahren wird. Ein Ausfall oder eine nicht strategisch koordinierte Vorgangsweise im Bereich von Infrastrukturinvestitionen bringt zwar kurzfristig eine Budgetentlastung mit sich – das scheint für Sie im Vordergrund zu stehen –, diese ist aber weitaus geringer, als die nominelle Kürzung des Investitionsaufwandes zunächst suggeriert, da letztlich auch Multiplikatorwirkungen wegfallen, ebenso wie damit verbundene Steuereinnahmen. Gleiches gilt für anlassbezogene Investitionen, die etwa Ultimaten oder nicht abgestimmten strategischen Konzepten entspringen.


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In zahlreichen Studien gerade auch der letzten Jahre wird auf die effizienzsteigernde Wirkung einer leistungsfähigen Infrastruktur vor allem auch für die Privatwirtschaft hingewiesen. Tatsächlich gehen Infrastruktur und Wirtschaftswachstum Hand in Hand, wenngleich sich die Multiplikatorwirkungen in den letzten Jahren sicherlich etwas verändert haben.

Die Vernachlässigung der Investitionen in die Schiene zum Beispiel, die weite Perioden der fünfziger und sechziger Jahre beherrschte, brachte nicht nur Mängel der Leistungsfähigkeit der Bahn in Konkurrenz mit der Straße und anderen Verkehrsträgern mit sich, sondern auch unnötige Umweltbelastungen, vermeidbare Doppelgleisigkeiten mehrerer paralleler Verkehrsträger und letztlich einen dann doch hohen Investitionsbedarf.

Dabei geht es in erster Linie nicht darum, wie hoch die Investitions- und Budgetbeträge, die in diese Bereiche fließen, in absoluten Zahlen sind, sondern es kommt vielmehr auf inhaltliche und zeitliche Weichenstellungen an. Unabgestimmte Ausstattung und Engpässe in der Infrastruktur bergen die Gefahr in sich, den Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig zu schwächen und das Aufholen von Versäumnissen entweder unmöglich oder doch zumindest in der Nachfolge ziemlich kostspielig zu machen.

Seit dem Antritt der von der FPÖ als größerer Partei dominierten Bundesregierung ist ein strategisches Infrastrukturkonzept bis dato verborgen geblieben. So hat sich Bundesminister a.D. Schmid zwar des Öfteren wortgewaltig in Szene gesetzt – etwa, wenn es Herrn Landeshauptmann Pröll anging –, aber eben lediglich zu punktuellen Themen, und sogar dies inkonsistent.

Auch unter seiner Nachfolgerin sind bis heute vor allem nur zwei Themen bedeutender releviert worden: erstens die verwirrenden zeitlichen Aussagen zur LKW-Maut und zweitens die Erfüllung des Kärnten-Ultimatums eines "einfachen Parteimitgliedes". Ersteres kostet die Bevölkerung rund 300 Millionen Schilling pro verzögertem Monat, Letzteres 3,5 Milliarden Schilling.

Dies verringert zwangsläufig die zur Verfügung stehenden Mittel für acht weitere Bundesländer, darunter natürlich auch Wien. Aber auch der Tiroler Landeshauptmann Weingartner hat diese Vorgangsweise öffentlich sehr scharf kritisiert. Aber zurück zu Wien: Allen verantwortlichen Wirtschaftspolitikern ist klar, dass nicht nur für die Bundeshauptstadt, sondern für Österreich insgesamt als Wirtschaftsstandort zum Beispiel sowohl die Umfahrungsstraße im Südosten, die B 301, als auch die Nordostumfahrung, die B 302, von lebensnotwendiger Bedeutung sind, und Gleiches gilt etwa für die sechste Donauquerung östlich von Wien als Verbindung von Nordostumfahrung und Ostautobahn. Zudem muss Wien, wenn Österreich im internationalen Wettbewerb nicht verlieren will, zu einem Knoten der transeuropäischen Netze werden, also ist umweltfreundlicher Verkehr auf Schiene und Wasserstraße zu forcieren.

Der Bahnausbau in Wien – Stichwort Lainzer-Tunnel, Güterterminal, S-Bahn-Ausbau – ist ein absolutes Muss, und die Verbindung von West- und Südbahn, die Schaffung eines zentralen Bahnhofes in Wien und die Verknüpfung dieser beiden Hauptbahnen mit den Verbindungen nach Tschechien, Ungarn und in die Slowakei unter Einbeziehung des Flughafens sind überregional von entscheidender Bedeutung.

Ich glaube, dass auch diesen Themen Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte, und nicht nur Kärntner Ultimaten – eine Kritik, die im Übrigen vom eigenen Koalitionspartner geübt wird, zumal Stadtrat Görg wohl kaum als linksideologischer Vordenker bekannt ist.

Immerhin meinte Görg vorgestern – ich erlaube mir, zu zitieren, weil ich das niemals selbst sagen würde –: "Nach Schmid hätte ich nicht geglaubt, dass es noch schlimmer kommen könnte. Dann kam Frau Forstinger. Die ist indiskutabel. Vom Chaos zur Katastrophe." – So weit Stadtrat Görg und so viel zum koalitionären Klima. (Zwischenrufe der Bundesräte Dr. Böhm und Mühlwerth. )

Aber es geht nicht nur um Wien. Wenden wir uns etwa dem Thema LKW-Maut zu. Da wird kurz vor der Implementierung des dualen Systems dieses wieder verworfen und eine vollelektronische Variante ins geschlossene Auge gefasst (Heiterkeit bei der SPÖ), obwohl Ersteres anerkannter Standard ist, zu Zweiterem keine Erfahrungswerte existieren und obwohl bereits


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365 Millionen Schilling an Aufwand für das duale System angefallen sind. Dazu kommen laut Frau Bundesministerin Forstinger noch Kosten aus dem Widerruf der erfolgten Ausschreibungen. Dies geschieht alles, um letztendlich der Frächterlobby einen Gefallen zu tun – und in der Zwischenzeit wird für den PKW dann einfach der Vignettenpreis fast verdoppelt.

Im Fernsehen betont man dann, am Zeitplan für die LKW-Maut-Einführung werde festgehalten. In parlamentarischen Anfragebeantwortungen hingegen schreibt man, dass eine Inbetriebnahme eines vollelektronischen Mautsystems erst zwei Jahre nach Erteilung der Aufträge zur Implementierung des Systems erfolgen könne, somit frühestens 2004, wie Ihnen Ihre eigenen Experten versichert haben. – Aber die Wahrheit ist angeblich eine Tochter der Zeit, meint Klubobmann Khol.

Durch die Verschleppung der LKW-Maut werden notwendige Straßenbauvorhaben natürlich verzögert oder sogar unmöglich gemacht. Nur zu Erinnerung: So bedarf die Sanierung der West- und Südautobahn eines Finanzierungserfordernisses von rund 15 Milliarden Schilling, die Netzerweiterung im hochrangigen Straßennetz steht mit weiteren 17 Milliarden Schilling zu Buche und das Lückenschlussprogramm bis zum Jahr 2006 mit 32 Milliarden Schilling. Wie das alles mit einer LKW-Maut finanziert werden soll, die frühestens 2004 kommt, steht wahrscheinlich nur in den Kärntner Sternen.

Aber auch der öffentliche Verkehr bleibt von der von Görg attestierten Katastrophe nicht verschont. Über die Poststrukturgesetz-Novelle werden wir noch im Anschluss diskutieren. In den Auswirkungen nicht minder katastrophal ist die Kürzung der Mittel für die lang vorbereitete Bahnhofsoffensive. Damit wird der dringend erforderlichen Attraktivitätssteigerung des Nahverkehrs mit Sicherheit kein guter Dienst erwiesen, noch dazu in Verbindung mit gleichzeitigen Tariferhöhungen. Die Verantwortung, da habe ein Unternehmen das Geld nicht abgeholt, das bereit liege, ist schon ein bisschen zu einfach gestrickt!

Postwesen und Telekom reihen sich nahtlos ein. Das Desaster der Telekom-Privatisierung spricht für sich und braucht, so glaube ich, nicht weiter erörtert zu werden. Dabei entsteht sogar der Eindruck, dass manche über dieses Desaster gar nicht so betrübt sind, denn immerhin konnte günstig gekauft werden. (Heiterkeit des Bundesrates Würschl. )

Das im Budget fehlende Geld hat sich die Bundesregierung dann zum Ausgleich über die BIG geholt. Der BIG wurden ein paar alte Stollen übertragen – sicher auch ein paar Liegenschaften dazu, aber auch alte Stollen, keine Militärliegenschaften, die die besten gewesen wären. Dafür muss die BIG 30 Milliarden ans Budget zahlen, und zwar sofort. Das ist, so finde ich, wirklich ein fast schon modellhafter hochbaupolitischer Schildbürgerstreich!

Wie der anstehende Ausverkauf des Postautobusdienstes an das Ausland, so gefährdet auch der Entwurf einer Universaldienstverordnung die flächendeckende Versorgung im ländlichen Bereich, diesmal im Bereich der Postzustellung. Das steht, so glaube ich, unter dem Motto: Auch "peripher" – unter Anführungszeichen – muss sich schließlich rechnen! – Das meint zumindest die drittstärkste Partei in Alpbach.

Interessant wird hier wieder "das einfache Kärntner Parteimitglied", das auch betont hat, es werde einer Schließung von Postämtern in Kärnten keinesfalls zustimmen. Schließen wird dafür den Rest von Österreich.

Es gibt auch keine Konzepte zu den so wichtigen Bereichen der neuen Medien. Aber da ist sich die Regierung wieder untereinander nicht einig, etwa wenn es um die IT-Fachkräfte geht.

Fassen wir also zusammen, damit niemand auf die Idee kommt, es ginge nur um Kritik: In den Jahren vor der neuen Regierung wurde der Ausbau der Verkehrs- und Telekominfrastruktur vorangetrieben: 143 Milliarden Schilling für Bahnprojekte, Lückenschluss bei den Autobahnen, Erstellung eines Masterplanes, Internet. Die Telefonkosten wurden um mehr als ein Drittel gesenkt, die Handyversorgung auf über 60 Prozent gesteigert, 15 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Der Nahverkehr wurde unter anderem über das Nahverkehrsgesetz und den Infrastrukturausbau finanziell abgesichert und effizient gestaltet, und die Tarife wurden sozial aus


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gerichtet. Das LKW-Road-Pricing wurde gesetzlich durchgesetzt – gemeinsam mit der ÖVP –, die ASFINAG als Bewirtschaftungskonzern modern ausgestaltet und ausgegliedert. Die Verkehrspolitik wurde mit einem schienenverkehrsfördernden Programm, dem Transitvertrag und vorbildlichen Emissionsregelungen ökologisch orientiert.

Dem steht nun gegenüber: Bremsen der modernen Infrastruktur Österreichs mit endlosen Diskussionen um Lainzer-Tunnel, Westbahn-Ausbau, Wienumfahrungen, Inntal-Ausbau, Eingehen auf politische Ultimaten, Gefährdung von Unternehmen wie AUA, Post und Telekom, massive Belastungen der Autofahrer, Tariferhöhungen im öffentlichen Verkehr, Bevorteilung des Schwerverkehrs durch ständiges Verschieben der LKW-Maut, Reduzierungen der Telefonbefreiungen, Kürzung der Zeitungstarifbegünstigungen, schlechte Verhandlungsführung mit dem Ergebnis von zusätzlichem Transitaufkommen, Ausverkauf von Infrastrukturunternehmen an das Ausland und politischer Druck auf Aufsichtsräte.

All dies legt unter anderem einen Schluss nahe: Eine Papierfabrik ist eben nicht die Republik! (Beifall bei der SPÖ.)

16.10

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der an sie gerichteten Anfrage erteile ich Frau Bundesministerin Dr. Monika Forstinger, die ich übrigens heute das erste Mal bei uns begrüßen darf, das Wort. – Bitte.

16.10

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete des Bundesrates! Ich danke vorerst für Ihr Interesse, wenngleich nicht nur die Fragestellung, sondern auch die Ausführungen nicht ganz dem Stil des Bundesrates entsprochen haben mögen. (Bundesrat Würschl: Oberlehrer! – Bundesrat Kraml: ... beleidigt!) Ich werde mich bemühen, Ihre umfangreichen Fragen so ausführlich wie möglich zu behandeln, damit Sie sehen, dass die Vorwürfe, die von Ihnen vorgebracht wurden, durchaus haltlos sind.

Lassen Sie mich mit der ersten Frage beginnen, in der Sie mich fragen, welche Einzelkosten in einem Paket für Kärnten beinhaltet sind. Festzustellen ist vorerst einmal, dass nichts versprochen wurde, was nicht schon vorher verordnet wurde. Das heißt, ein wesentlicher Bereich ist insbesondere der Ausbau der Koralmbahn Klagenfurt – Althofen mit einem Bauvolumen von insgesamt 1,6 Milliarden Schilling, weiters auch die Korridorplanung um 700 Millionen Schilling. Ein wesentlicher Bereich liegt auch im Straßenprogramm, für das insgesamt inklusive Finanzausgleichsfonds ein Betrag in der Höhe von 600 Millionen Schilling vereinbart wurde.

Zu Ihrer zweiten Frage, ob es in anderen Bereichen Kürzungen gibt, kann ich Ihnen ausführen, dass es überhaupt keine Kürzungen gegeben hat. Alle Projekte des Eisenbahnbereiches sind nicht über ein Budgetjahr darzustellen, sondern werden mit Fremdmitteln des SCHIG-Rahmens finanziert. Im Bereich der Straßen ist das ähnlich. Lediglich im ASFINAG-Bereich gibt es im Straßenbereich Projekte, die über ein Jahresbudget verfügen. Dafür sind 5,6 Milliarden Schilling im Grundprogramm vorgesehen, und diese Regierung hat für den Straßenbau ein zusätzliches Sonderprogramm mit einer Ermächtigung des Finanzministeriums von 2,1 Milliarden Schilling auf drei Jahre festgelegt, wobei 900 Millionen Schilling für das Jahr 2001 sichergestellt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Auf die Frage, welche rechtlichen Qualitäten es bei diesen Vereinbarungen gibt, möchte ich Ihnen sagen: Für mich sind rechtliche Zusagen alle jene, die verordnet sind. Grundsätzlich halte ich es so, dass Vereinbarungen halten.

Wenn Sie fragen, mit welchen Bundesländern noch Vereinbarungen abgeschlossen sind, so wissen alle, was verordnet ist, und es hat weitere Gespräche bereits mit Salzburg und Oberösterreich gegeben. Es ist auch schon die Steiermark geplant, und alle anderen Bundesländer werden ebenfalls entsprechend bedient.


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Sie fragen mich in der Frage 5, welche Schienenprojekte Minister Schmid oder ich gänzlich oder teilweise gestoppt haben oder ob eine Projektpause verfügt ist. Lassen Sie mich hier ausholen, denn ich glaube, es ist ganz wesentlich, zu betonen, dass Sie mit Ihrer Diskussion eigentlich nur die Fehler der Vergangenheit decken wollen. Es ist absolut nur eine politische Hetze, wenn Sie sagen, es gibt irgendwo etwas, was zurückgenommen wurde. (Bundesrat Prähauser: Eine ganz neue Diktion von der Regierungsbank! Es wird immer besser!)

Tatsache ist, dass es noch keine neue Verordnung gibt, und es wurden keine Projektstopps verordnet. Tatsache ist, dass es manche Bereiche gibt, bei denen es Überprüfungen gibt, das sind zum Beispiel Tunnelstrecken, aber ich glaube, in Anbetracht der Situation in Kaprun ist es wohl erlaubt, dass man sich ein Sicherheitskonzept noch einmal vorlegen lässt. Es ist auch geplant, dass die Güterzugumfahrung, zum Beispiel in St. Pölten, zurückgestellt wird zu Gunsten eines sehr wesentlichen Bereiches, nämlich des Ausbau St. Pölten – Wien, der Westtrasse. Ich glaube, da stimmen alle überein, dass dies bei der Prioritätensetzung sicherlich Vorrang haben muss. – So viel zum Thema Verunsicherung, die in erster Linie dadurch erzeugt wird, dass Unwahrheiten in den Medien berichtet werden. Ich habe aber gesagt, ich werde mich bemühen, Ihre umfangreiche Anfrage sehr fachlich und sachlich zu beantworten.

Damit kommen wir zu den Fragen 6 und 7, ob etwas neu verordnet wurde und – noch einmal – wann die Neuordnung der Projekte kommen wird. – Wie schon gesagt, es ist nichts zurückgenommen worden, es wurde aber auch nichts neu verordnet, das heißt, es gibt keinen Grund zur Aufregung. Es ist ein Gutachten in Ausarbeitung, das durch meinen Vorgänger beauftragt wurde und in zwei Monaten fertig sein wird. Darin gibt es dann eine Prioritätenreihung, und wir werden eine entsprechende Umschichtung vornehmen, nachdem erstmals auch eine Bedarfsfeststellung gemacht werden wird.

Zur Frage 8 betreffend die Anfrage der Bundesländer und ähnliche Zugeständnisse: Wie die Wünsche finanziell bedeckt werden können, habe ich Ihnen schon gesagt. Ich habe noch nirgends Zugeständnisse gemacht, wo Mittel vorgesehen sind, die nicht verfügbar sind. Das heißt, es gibt auch da keinen Grund zur Aufregung.

Wir kommen zur Frage 9, zur Bahnhofsoffensive, und damit zur Frage über die tatsächlich zur Verfügung gestellten Mittel und welche Bahnhöfe jetzt saniert werden sollen. Ich glaube, das ist ein Punkt, bei dem man auch ausholen muss.

Sie wissen ganz genau, dass es eine Verordnung gibt, die 3,4 Milliarden Schilling für den Ausbau und die Sanierung der Bahnhöfe vorsieht, und das schon seit langem. Tatsache ist, dass nicht einmal 10 Prozent von dieser zur Verfügung gestellten Geldsumme bis jetzt verplant oder verbaut wurden. Es hat in letzter Zeit sehr viele Gespräche mit den Zuständigen der ÖBB gegeben, denn das ist deren operatives Geschäft. Wenn mir jetzt schon ein Konzept für die Bahnhofserhaltung und den Ausbau um 2 Milliarden Schilling vorliegt, so werden wir in weiteren Gesprächen sehen, wie Recht ich damit habe, dass wir dieses Budget kürzen, und wir werden uns auch überlegen, wo wir diese Geldmittel besser einsetzen werden.

Ich sage nur ein Stichwort: Die Sanierung und Sicherung von Tunnels ist sicherlich ein vordringliches Konzept, und es liegt auch schon eine erste Risikoanalyse vor, die zeigt, wo ein hoher Bedarf gegeben ist, um die Sicherheitsstandards insbesondere bei Tunnel zu gewährleisten. Sie werden mir sicherlich Recht geben, dass der Schutz der Menschenleben sehr wichtig ist, dass wir dafür Geldmittel brauchen und diese auch einsetzen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich hole zum Thema Bahnhöfe auch noch ein wenig weiter aus, denn es ist ganz wichtig, dass die Bahnhöfe ausgebaut und saniert werden. Wenn ein Bahnhof einer Landeshauptstadt wie St. Pölten in einem derart desolaten Zustand ist, dann frage ich mich, was man nicht nur in den letzten zehn Jahren, sondern vielmehr in den letzten 20 Jahren gemacht hat! Jedem Bürgermeister, der jetzt draufkommt, dass er auch einen Bahnhof hat, der in einem schlechten Zustand ist, kann ich leider nur die gleiche Antwort geben.


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Es ist sehr dringend, dass alle Bahnhöfe einen zeitgemäßen Standard haben und nicht Konzepte verwendet werden, die den Zusatznutzen damit herstellen, dass wir die öffentlichen Gelder verwenden, sondern dafür müssen Konzepte vorgelegt werden, die richtigerweise auch die Erhöhung der Immobilienwerte darstellen, aber nicht Konzepte, bei denen ein Unternehmen etwas betreibt, wofür es nicht zuständig ist.

Die Aufgabe des Staates ist es, einen Bahnhof kundenfreundlich und auch angenehm zu gestalten: so, dass er einladend ist, dass es verlockend ist, mit der Bahn zu fahren. Jene Beispiele, die in letzter Zeit durch die Medien gegangen sind, sind wirklich abschreckend! Wir müssen Bahnhöfe haben, die Pforten sind, die Eingangstüren sind und die auch kundenfreundlich sind! Dafür stehe ich, und das ist das erste Ziel, das wir bei einem Bahnhofsausbau haben.

Das heißt, das Thema Bahnhofsoffensive ist ganz falsch interpretiert worden, nämlich so, als ob wir nur den Bau einiger Bahnhöfe mit Einkaufszentren und sonstigem Mehrwertnutzen vorantreiben wollten und jene Bahnhöfe vernachlässigen würden, die es dringend notwendig haben, saniert zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ein sehr wichtiger Punkt ist die Postuniversaldienstverordnung. Gerade mit dem Vorschlag, der von mir noch einmal überarbeitet wurde und jetzt zur Stellungnahme aufliegt, wird gewährleistet, dass insbesondere der ländliche Raum bevorzugt wird, und das ist auch ganz wichtig. Es ist wichtig, dass im ländlichen Raum der Universaldienst, der Grunddienst sichergestellt wird und dass es möglich ist, dass man in einer vertretbaren Zeit auch sein Postamt für den Grunddienst oder seine Postdienststelle erreicht. Es werden insbesondere jene Stellungnahmen sehr stark berücksichtigt werden, die dahin gehen, dass die Verordnung die besondere Bedeutung und die besondere Wertschätzung des ländlichen Raumes auch tatsächlich berücksichtigen muss.

In der Frage 11 gehen Sie auf die Nebenbahnen ein.

Wenn Sie mich fragen, welche Nebenbahnen eingestellt werden, so müssen Sie diese Frage direkt an die ÖBB richten, denn bevor kein Vorschlag der Österreichischen Bundesbahnen vorliegt, kann ich darüber nicht entscheiden. Tatsache ist jedoch, dass ich sicherlich die erste Ministerin bin, der es wichtig ist, dass die Nebenbahnen nicht nur erhalten, sondern auch privatisiert werden können, und ich habe einen Schritt in Richtung Liberalisierung gesetzt. Somit ist es auch möglich, dass man mit Privaten Verkehrsdienste-Verträge überhaupt abschließen kann.

Hiezu gibt es schon gute Beispiele. Sie wissen, dass die SCHIG beauftragt ist, die Ausschreibungen durchzuführen. Ein erstes Beispiel ist in Außerfern: Dort fährt die DB-Regio bereits seit einer Woche im Auftrag des Landes auf unserer Infrastruktur. Ein zweites Beispiel gibt es in Salzburg, wo ich mich gemeinsam mit Frau Landesrätin Burgstaller darum bemühe, dass die Krimmler Bahn bald einen privaten Betreiber haben wird.

Sie sehen, dass gerade der Bereich, der bisher sehr vernachlässigt wurde, bei dem alle nur ihre Forderungen angeführt und nichts dazu beigetragen haben, für mich Priorität hat. Wenn es die Länder und die Regionen mit der Erhaltung der Nebenbahnen ernst meinen, dann werden sie auch ihren Beitrag leisten – und dies nicht nur durch politische Ansagen, sondern sie werden das auch mit den entsprechenden finanziellen Mitteln bestätigen.

Zur Frage 12: die Post-Autobus AG und deren Privatisierung.

In diesem Zusammenhang sage ich, nicht zuletzt wegen der Bedeutung des Bundesrates, dass das ein Gesetz ist, das noch nicht beschlossen wurde. Sie sprechen heute schon davon, aber ich glaube, die Zustimmung des Bundesrates dazu wird gegeben werden.

Ich möchte mich auch nicht auf Formalitäten zurückziehen. Das ist die Angelegenheit des Finanzministeriums, aber durch das ÖPNRV-Gesetz – das heißt, das öffentliche Privatisierungsgesetz – ist auch eine Möglichkeit in dreistelliger Millionenhöhe gegeben, die auch durchaus von den Postbussen und den regionalen Bussen in Anspruch genommen werden kann; das heißt, auch diese Befürchtungen sind haltlos.


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Die Frage 13 ist wirklich bemerkenswert. Sie fragen mich nach einem Bundesverkehrswegeplan.

Von 1992 bis 2000 wurden 100 Millionen Schilling – ich glaube, man kann es so sagen – tatsächlich vergraben. Das ist ein Thema, das ewig diskutiert wurde, und es liegt nichts vor. Es liegt nicht einmal eine Bestandserhebung vor, es liegen nicht einmal glaubhafte Verkehrsprognosen vor, daher darf ich die Frage zurückgeben: Was hat dieses Stichwort in den letzten, sagen wir, zehn Jahren bedeutet?

Ich nehme dieses Thema tatsächlich ernst. Es wird auch schon intensiv daran gearbeitet, und ich werde Ende des Jahres einen Bundesverkehrswegeplan aus Sicht meines Ministeriums vorlegen – tatsächlich! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Ing. Polleruhs. )

Zur Frage 14: Ein starker Vorwurf ist das Thema LKW-Road-Pricing.

Ich bin überzeugt davon, dass wir, wenn entsprechender Druck gemacht und jetzt wirklich einmal eine entsprechend intensive Bearbeitung in Angriff genommen wird, eine rasche Durchführung auch tatsächlich ermöglichen können.

Ich könnte es spielen wie beim Bundesverkehrswegeplan. Die LKW-Maut ist nicht jahrelang, sondern jahrzehntelang in Diskussion. Auf die Frage: Wie können wir ein zeitgemäßes System einführen?, haben mich die Experten gefragt: Meinen Sie es wirklich ernst? – Daher darf ich die Frage an diejenigen zurückgeben, die jetzt kritisieren, nach deren Einführung fragen, jetzt monieren und aufzeigen, welche Verluste wir haben.

Eines ist sicher: In ein zeitgemäßes System zu investieren, das auch mehr Nutzen hat als nur die Einhebung einer LKW-Maut – ich denke dabei an viele Service-Leistungen der Telematik, der Verkehrssicherheit und der Verkehrsleitsysteme in einem weiteren Schritt –, ist sicherlich richtiger, als in ein veraltetes System zu investieren, bei dem man sich bei der Umstellung und Anpassung auch an Systeme der Nachbarländer fragen muss: Wie viel Geld hätten wir in die Hand nehmen müssen, um dieses veraltete System wieder zu entfernen? – Da habe ich den Ehrgeiz, dass Österreich als Erstes ein System einführt und ein Vorzeigeland ist. Ich wurde in allen Sitzungen des jetzt eingesetzten Arbeitskreises darin bestätigt, dass wir in die richtige Richtung gehen. Auch alle Interessierten, die bereits involviert sind und großes Interesse zeigen, an der neuen Ausschreibung teilzunehmen, sind sicher, dass wir das auch sehr rasch schaffen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Frage 15: Welche Projekte forcieren Sie im Bereich des Ballungsraumes Wien auf Straße und Schiene?

Es ist grundsätzlich zu sagen, dass die Verkehrspolitik eines Landes der jeweilige Landeshauptmann zu verantworten hat. Auch in diesem Bereich, so glaube ich, ist Infrastruktur nicht wirklich ein geeignetes Mittel für einen kurzfristigen Wahlkampf. Es gibt überhaupt keinen Grund zur Sorge, es sind auch diese Vorwürfe wirklich als haltloses Wahlkampf-Geplänkel zu sehen – von wem sie auch immer kommen mögen.

Tatsache ist, dass nicht nur im Raum Wien, sondern auch sonst überall – ich darf das noch einmal bestätigen – kein Grund für diese Panikmache besteht. Es wurde nichts zurückgenommen.

Zur Frage 16:

Betreffend den östlichen Raum muss ich sagen, dass es jetzt erstmals eine Prüfung gibt, bei der der Bedarf erhoben wird. Gerade heute findet eine Sitzung für den Bereich Ostregion statt, und es stellt sich heraus, dass es zwar eine Korridor-Planung gegeben hat, aber absichtlich und nachweislich auf Prognosen der Nachfrage verzichtet wurde. Ich frage mich: Wie seriös waren die Planungen bisher? (Bundesrat Gasteiger: Sie müssen Fragen beantworten!)

Zur Frage 17: Sie gehen weiter ein auf die Frage des Internet und der Funktechnologien in Österreich.


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Da kann ich Sie nur bestätigen und Ihnen ganz klar sagen, dass es bereits ein flächendeckendes System gibt und dass auch in absehbarer Zeit flächendeckend Internet und moderne Fachtechnologien in Österreich vorliegen werden. Schon mit GMS und DCS-1 800 haben wir eine flächendeckende Versorgung, es wird auch sehr bald Konzessionen für die UMTS-Mobilfunknetze geben.

Was den Zugang zum Internet betrifft, so verpflichtet sich auch das geltende Telekommunikationsgesetz der Telekom, einen österreichweiten Universaldienst anzubieten. Somit ist das jedenfalls garantiert. (Unruhe im Saal.)

Für den Fall, dass die ganze Thematik betreffend Transit noch von Interesse ist, darf ich auf die Fragen 18, 19 und 20 insofern eingehen, dass ich auch die Strafmöglichkeit bei den Ökopunkte-Sündern sehr stark bestätigt habe. Es gab große Aufregung darüber, warum das passiert. Gerade von der SPÖ-Fraktion wurde immer wieder moniert, es müsste eine Gesetzesanpassung geben, um auch ausländische Frächter strafen zu können. – Das ist nicht richtig: Mit dieser Gesetzesanpassung hätten wir eine Verzögerung erreicht und somit die Glaubwürdigkeit Österreichs sehr eingeschränkt.

Mir ist wichtig, dass österreichische Unternehmen nicht stärker bestraft werden als ausländische, und man wird sehen, inwieweit die Mithilfe der europäischen Länder gegeben ist und inwieweit wir auch unser Recht einfordern können.

Ich bitte all jene, die mit großer Euphorie der EU beigetreten sind und diese Transitverträge mitzuverantworten haben, auch den Rechtsstand zu prüfen. Ich mache alles, um die Rechte Österreichs, der Bevölkerung und auch des Umweltschutzes entsprechend zu wahren.

Zur Frage 21:

Dies gilt auch für die langfristige Lösung des Transitvertrages, denn das Datum 2003 war schon klar, bevor wir in die Regierung gekommen sind. Tatsache ist, dass für eine langfristige Lösung keine Konzepte vorgelegen sind und unsere Sektionen jetzt erstmals intensiv daran arbeiten, einen dementsprechenden Vorschlag zu machen. Sie können sicher sein, dass ich im Interesse Österreichs alles unternehme – nicht nur in bilateralen Gesprächen, sondern auch in der Insistierung auf geltendes Recht –, dass die Interessen Österreichs gewahrt bleiben und die Transitfrage entsprechend gelöst wird.

Ich möchte Sie daher bitten, all diese Fragen an diejenigen zu stellen, die sie auch wirklich zu verantworten haben.

Auf die Klarstellung, dass eine Papierfabrik keine Republik ist, kann ich Ihnen nur antworten: Ja. – Aber, bitte, solche Untergriffe sind auch Ihrer nicht würdig. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach (den Vorsitz übernehmend): Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Konecny. Ich erteile es ihm.

16.30

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich kann mich erinnern, es hat eine Zeit gegeben, in der neue Mitglieder der Bundesregierung Wert darauf gelegt haben, sich dem Bundesrat vorzustellen und ihre politischen Vorstellungen zu präsentieren. Bei dieser Regierung muss schon die Opposition den Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen mit einer dringlichen Anfrage zu Hilfe kommen, damit man ein neues Mitglied der Bundesregierung in diesem Haus kennen lernen kann. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe.)


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Wir haben eine dringliche Anfrage gestellt, mit der wir versucht haben, präzise Vorstellungen von einem neuen Mitglied der Bundesregierung zu erfahren, ein bisschen auch gewitzigt durch die Erfahrung mit Ihrem Amtsvorgänger, bei dem es zwar keine Schwierigkeit war, seine Tageseinstellungen zu erfahren, aber diese haben natürlich von Montag bis Freitag etwa fünfmal gewechselt, was nicht wirklich eine gute politische Grundlage war.

Frau Bundesministerin! Sie müssen irgendwie ein irrtümliches Exemplar unserer dringlichen Anfrage erhalten haben. Der Wortlaut dieser Anfrage hat nicht gelautet: Erzählen Sie uns in unverbindlicher Weise 20 Minuten lang etwas über Ihre Vorstellungen zur Infrastrukturpolitik! Die Fragen sind verhältnismäßig präzise, und Sie haben in sehr eindrucksvoller Weise versucht, auf keine Frage zu antworten. (Bundesrätin Haunschmid: Das ist unrichtig!)

Frau Kollegin! Ihr Urteil darüber ist für mich nicht wirklich wesentlich. Wenn eine Frage lautet – ich nehme eine einzige heraus –: "In welchem Ausmaß wird es zur Schließung von Postämtern im ländlichen Raum kommen?", und die Antwort darauf ist, dass die Frau Bundesministerin ihre Wertschätzung – als ob man damit Briefe befördern könnte – für den ländlichen Raum zum Ausdruck bringt, dann ist das eine glatte Missachtung des parlamentarischen Fragerechtes, und das wird in der Präsidialkonferenz zu diskutieren sein.

Wenn wir konkrete Fragen stellen, dann erwarten wir nicht die Antwort, wir mögen diese Fragen jemandem anderen stellen. Sie sitzen in diesem Ressort, Sie tragen die politische Verantwortung für dieses Ressort, und Sie haben sich der Kontrolle dieses Parlaments zu stellen. Politische Diskussionen können wir gerne führen – aber über Ihre Antworten, nicht über Ihre Insinuationen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Da spricht der Herr Oberlehrer! Bravo, Herr Professor!)

Wir haben weiters gehört, dass es für Sie offensichtlich zum parlamentarischen Komment gehört, grundsätzlich jedes Wort der Kritik entweder als "Hetze" oder als "Panikmache" zu bezeichnen. Ich habe zu spät begonnen, Stricherln zu machen, ich konnte daher keine erschöpfende Aufzählung dieser Vokabel vornehmen, aber ich bin bei "Panikmache" auf zwölf und bei "Hetze" auf fünf gekommen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Weiter können Sie nicht zählen!) Wie gesagt, ich habe nicht vom Anfang an mitgestricherlt, weil ich doch annehmen konnte, das sei ein einmaliger Ausrutscher.

Frau Bundesministerin! Das ist auch gegenüber einer kritischen Opposition, die Sie nicht notwendigerweise ins Herz zu schließen haben, nicht die Form der politischen Auseinandersetzung, die in diesem Haus üblich ist. Wir haben uns daran gewöhnt, dass auch und gerade die Kollegen der Freiheitlichen Partei, als sie in Opposition waren, unserer Meinung nach fürchterlich falsche, fürchterlich inkorrekte, aber dort, wo sie präzise waren, präzise zu beantwortende Anfragen gestellt haben. Wenn wir Standpunkte vergleichen wollen – wir werden wahrscheinlich zu unterschiedlichen Schlüssen kommen –, wenn wir Standpunkte konfrontieren wollen, dann müssen wir von Ihnen auch welche hören. Wir haben jedenfalls heute keine gehört, und Sie haben im Wesentlichen versucht, das, was auch die Öffentlichkeit von Ihrer 100 Tage-Amtsführung beginnt, als verfestigten Eindruck zu haben, zu bestätigen: Der, der als Letzter bei Ihnen war, hat Recht, und wenn Sie selbständig etwas gefragt werden, dann tun Sie sich schwer damit.

Nun ist es nicht meine Aufgabe, Ihre innerparteilichen Diskussionen hier zu kommentieren oder gar weiterzuführen. Ich habe auch heute Vormittag darauf verzichtet, das in die Debatte einzubringen. Da gab es zwei Gesprächspartner, die sich unterhalten haben. Der eine Gesprächspartner, der heute Vormittag hier anwesende Landeshauptmann von Kärnten, der vorher mit der Auflösung der Koalition aus diesem Anlass gedroht hat, so als ob Sie dem Feind angehören würden – nicht mein Problem –, ist dann hoch zufrieden aus diesem Vier- oder Acht- oder wie viel Augen-Gespräch herausgekommen und hat zumindest den Kärntnern erzählt, welche Goldsäcke er jetzt auf dem Esel, mit dem er nach Kärnten zurückreitet, geladen hat. Sie haben – und zwar war das im Rechnungshofausschuss des Nationalrates, was auch nicht wirklich die betonte Freundlichkeit ist – gesagt, Sie würden sich freuen, wenn sich auch andere Landeshauptleute in der Öffentlichkeit über ihre Niederlagen so freuen würden wie Haider. (Heiterkeit bei der SPÖ.)


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Ich überlasse es der Kärntner Öffentlichkeit zu beurteilen, wer von den beiden von der Freiheitlichen Partei gestellten Funktionären Recht hat: der, der im Triumphgeheul nach Kärnten zurückgekehrt ist, oder die, die sagt, jubeln darf er ja, aber bekommen hat er nichts. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Noch einmal: Machen Sie sich das à deux aus! Ich habe kein Problem damit, wenn Sie nachher zu einer Sprachregelung finden, aber versuchen Sie doch bitte nicht, hier in einer Anfragebeantwortung einen Eindruck zu erwecken, der ganz offensichtlich nicht einmal Ihrem eigenen "einfachen Parteimitglied" zu vermitteln ist. Denn wenn er nur das bekommt, was er ohnehin schon immer hat haben können, dann muss er an Bewusstseinsstörungen leiden, wenn er diesen Jubel anstimmt, wie er es getan hat.

Frau Bundesministerin! Die Infrastruktur – all diese Themen gehören dazu – ist naturgemäß ein Bereich, in dem langfristige Entscheidungen, lange Studien, lange Planungsvorgänge und auch ziemlich lange Realisierungsphasen nicht gerade dafür sorgen, dass die Eingebung von heute Morgen Wirklichkeit ist.

Niemand wird bestreiten, dass Entscheidungen, die vor 15 oder 20 Jahren getroffen wurden, aus heutiger Sicht falsch waren. Ich nenne eine aus einem ganz anderen Bereich: Es ist noch keine Ewigkeiten her, da wurde der Bau der Autobahnverbindung Wien – Brünn im entsprechenden österreichischen Bundesgesetz abgesagt, gerade so rechtzeitig, dass die Absage mit dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs zusammenfiel – keine meisterliche Maßnahme politischer Weitsicht! Unter den Bedingungen der mittleren achtziger Jahre war das tatsächlich keine vorrangige Relation; es hat aber nicht notwendigerweise jeder Verkehrspolitiker ein außenpolitischer Prognostiker zu sein.

Diese Entscheidung war falsch, sie wurde damals ohne großes Theater gefällt. Ich weiß nicht, ob Sie zugestimmt haben, aber in der Regierung bestand damals darüber Einvernehmen. Es war nicht richtig, es war schlichtweg nicht richtig, weil andere Entwicklungen eingetreten sind.

Aber es gibt auch Dinge, die einfach "ermordet" werden. Road-Pricing: Dazu zu sagen, wir sollen freundlich diejenigen fragen, die es nicht zusammengebracht haben, da schaue ich einmal ganz energisch und entschieden in diese Richtung. (Der Redner schaut in Richtung ÖVP.) Road-Pricing war nun eine jener Fragen, deren Realisierung zu Tode diskutiert wurde. Das ist das Handicap von Koalitionsregierungen zwischen einem treibenden und einem bremsenden Partner. Wenn man einen positiven Beschluss braucht, ist der bremsende Partner alle Mal in der Vorderhand.

Dieses System wäre, wenn die sozialdemokratischen Konzepte in diesem Bereich realisiert hätten werden können, unmittelbar vor der Einführung; um es technisch korrekt zu sagen, vielleicht per 1. Jänner – aus heutiger Sicht schon vor diesem 1. Jänner.

Aber da hatte es einen schwierigen Dissens gegeben. Natürlich wird Ihnen niemand sagen, Sie sollen in diesen drei Monaten das Road-Pricing neu erfinden und möglichst auch schon technisch eingeführt haben, aber es geht doch darum, dass zunächst einmal ein Jahr versäumt wurde. Eine Verkehrspolitik der Ära Schmid hat es nämlich nicht gegeben.

Panikmache ist nicht im Spiel. Dieses Jahr hat Panik verbreitet bei allen, die mit diesem System etwas zu tun haben: bei den Auftragnehmern, die auf ein "go!" gewartet haben, bei den Beamten Ihres Ressorts, die eben das und das Gegenteil davon als Arbeitsauftrag bekommen haben und insbesondere bei allen anderen, die mit dieser Verkehrspolitik kooperieren sollten – also bei den Ländern, bei den anderen Gebietskörperschaften. Wo immer der Bund als Partner gefragt war, hat das in diesem Jahr nicht stattgefunden.

Es ist schon zitiert worden, auch wenn ich mich als Wiener Mandatar mit Herrn Görg in einem heftigen Wahlkampf befinde: Die Beurteilung als Chaos ist für dieses Jahr eine außerordentlich freundliche und zurückhaltende, und diese milde Formulierung ist offenbar nur durch das Koalitionsbündnis zu erklären. Die Bezeichnung Katastrophe traue ich persönlich mich auf Grund Ihrer kurzen Amtszeit jetzt noch nicht zu unterschreiben. Ich hatte auch nichts mit Ihnen


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zu verhandeln, Kollege Görg hatte das sehr wohl, also nehme ich doch an, dass er als ein verantwortungsvoller ÖVP-Politiker weiß, wovon er spricht, wenn er ein solches Urteil fällt.

Sie haben da eine schnoddrige Bemerkung gemacht: Frau Bundesministerin! Schauen Sie sich die 21 Fragen an! Wenn wir die Absicht hätten, den Wiener Wahlkampf in diesem Rahmen zu führen, dann hätten wir ganz andere Fragen gestellt. Nein, darum geht es nicht!

Es geht vielmehr darum, in einer Frage, die für die ökonomische Zukunft unseres Landes von zentraler Bedeutung ist, endlich gesicherte und die richtigen Grundlagen zu bekommen. Dies war ein Jahr, in dem nichts davon möglich war. Wir hätten Ihnen all das gern bei Ihrem Amtsantritt gesagt. Ich sage das ganz ehrlich, ich betrachte das auch als ein Stück Missachtung dieses Hauses: Wünsche nach einem versäumten Jahr an eine neue Ressortchefin. Aber wenn es denn erst jetzt sein kann, dann nehmen Sie diese Forderung und diese Wünsche tatsächlich mit.

Es muss in diesem Bereich wieder ein kalkulierbarer Zustand hergestellt werden, ein Zustand, der in Rechnung stellt – ich zitiere in diesem Fall Michael Häupl –, dass es bei einem Tunnel nicht genügt, eine Einfahrt und eine Ausfahrt zu haben, sondern irgendetwas muss da noch dazwischen sein. (Bundesrat Prähauser: Der Tunnel! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Haunschmid: Hochintelligente Aussage!)

Auch eine Klärung, dass eine Stadt von der internationalen Verkehrsbedeutung Wiens natürlich eine entsprechende Bahnhofsituation haben muss, steht aus. Sie sagen, da ist vieles nicht geschehen. Sie wissen selbst, welche Vorlaufzeiten, nämlich Planungszeiten, solche Projekte haben, die natürlich auch mit der Stadtplanung abgestimmt werden müssen. Wenn Sie sich in Sankt Pölten – aber Melk ist noch eine besseres Beispiel – anschauen, wie vor hundert Jahren Stadtplanung und Stadtentwicklung durch Bahnhofsbauten in ganz bestimmte Richtungen gelenkt wurden, so sind in diesem Fall die Baupolitik der ÖBB, die Entscheidungen des Ressorts, aufs engste abzustimmen mit dem, was es an planerischen Vorstellungen gibt. Auch das erfordert Zeit, aber wenn Abstimmungen getroffen sind, dann muss sich der Partner darauf verlassen können, dass das hält.

Sie haben in Ihren ein bisschen beleidigten Antworten deutlich gemacht, dass Sie selbst spüren, wie sehr Sie – das gar nicht nur bei politischen Gegnern, die wir natürlich sind, das will niemand bestreiten – in der Öffentlichkeit, in der Wirtschaft, in den Fachkreisen in dieser kurzen Zeit unter Beschuss gekommen sind. Es ist tatsächlich eine Kunst, in drei Monaten in so viele Fettnäpfchen zu treten, mit oder ohne Stöckelschuhe. (Bundesrat Hagen: Das ist aber frauenfeindlich!)

Der Punkt ist, dass Sie mit der Beantwortung dieser Fragen die Möglichkeit hätten ... (Bundesrat Dr. Nittmann: Jetzt reden Sie nicht nur, sagen Sie auch etwas! ...!)  – Herr Kollege! Ich nehme zur Kenntnis, dass ich von Ihnen ein "Nicht genügend" bekommen habe, ich habe aber den Eindruck, Sie haben die Lehramtsprüfung nicht gemacht. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Ihre Arroganz wird nur durch Ihre Eitelkeit übertroffen!)  – Bitte, Herr Kollege, ich glaube nicht, dass ich Ihnen dabei das Wasser reichen kann, aber wenn Sie versuchen, einen Zwischenruf zu machen, dann probieren Sie es! (Bundesrat Dr. Nittmann: Wenn Sie sich auf Ihren Volkshochschul-Professor so viel einbilden, dann tun Sie mir wirklich Leid!)

Die Frau Bundesministerin hat 21 Fragen nicht beantwortet. (Bundesrat Dr. Nittmann: Rhetorische Niveaulosigkeit!) Sie werden jede dieser 21 Fragen als schriftliche Anfrage vorfinden. Sie werden daher Gelegenheit haben, sich die Antworten etwas länger zu überlegen. Sie werden Gelegenheit haben, Berater heranzuziehen, aber wir erwarten, dass diese Antworten dann auf die Substanz eingehen, und wir werden uns gestatten, mit Ihnen dann weiter zu diskutieren, wenn von Ihnen Antworten vorliegen.

Sie werden vielleicht wissen, dass das Institut einer Debatte über die Beantwortung einer schriftlichen Anfrage besteht. Wenn Sie uns dann wirklich geantwortet haben werden, werden wir in jedem einzelnen Fall dafür sorgen, dass die Möglichkeit besteht, mit uns zu diskutieren.


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Wir werden aber nicht zur Kenntnis nehmen, dass jemand, der einem Minister eine Anfrage stellt, mit freundlichen und unverbindlichen Erörterungen wie etwa über die Wertschätzung des ländlichen Raumes und ob man vielleicht noch etwas zum Transitvertrag hören wolle, abgespeist wird.

Das ist nicht die Ausdeutung des parlamentarischen Kontrollrechtes, die die Bundesverfassung meint, und das werden auch Sie zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

16.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Maier. – Bitte.

16.47

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist dies meine erste Wortmeldung in dieser Sitzung im neuen Jahr und somit eigentlich eine Wortmeldung nach jenem Redebeitrag, den ich im letzten Jahr gehalten habe, für den ich einen Ordnungsruf bekommen habe, weil ich damals gemeint habe, dass die SPÖ Betriebe wie die Länderbank, die Zentralsparkasse, die Bank Austria oder den "Konsum" als Selbstbedienungsladen verwendet hat.

Ich muss zugeben, ich habe nicht an die OMV gedacht, sonst hätte ich sie ebenfalls schon im vergangenen Jahr erwähnt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich habe aber, nachdem mir der Ordnungsruf erteilt wurde (Zwischenruf des Bundesrates Prähauser ), das noch einmal wiederholt und hätte erwartet, dass Sie sich noch einmal aufregen. Sie haben es nicht getan, daher haben Sie das akzeptiert, und ich bereichere diese damalige Wortmeldung nun noch um die OMV, die offensichtlich ein Selbstbedienungsladen ist, denn sonst könnte der Herr Bundeskanzler außer Dienst Viktor Klima nicht mit 10 Millionen Schilling irgendwo in Argentinien sitzen – und nur sein Hund Grolli ist hier. (Bundesrätin Fuchs: Der arme Maier nagt am Hungertuch!) Ich erwarte von Ihnen irgendwann eine Dringliche darüber, wie es dem Hund Grolli geht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen aber gleichzeitig auch danken. Der Herr Professor (Bundesrat Konecny blättert in einem Wochenmagazin)  – der nie aufpasst, wie man sieht! – hat offensichtlich die Beantwortung der Frau Bundesministerin nicht wirklich gehört, weil sonst hätte er nicht so geredet, wie er geredet hat. (Bundesrätin Fuchs: Diese Auffassungsunterschiede gehören aber geklärt!) Aber es ist ihm als Fraktionsführer seiner Partei trotzdem zu danken, dass er das Instrument der Dringlichen neuerlich gebraucht. Ich bin dankbar, muss ich Ihnen sagen. (Bundesrätin Fuchs: Es wird sich klären!) Sie, Frau Fuchs, sollten es auch sein, weil es ein paar Informationen gegeben hat, einige werde ich auch an Bernhard Görg weiterleiten, denn da waren auch aufklärende Worte, was die Projekte in Wien anlangt, dabei. (Bundesrätin Mag. Trunk: Gut wenn Sie das klären!)

Ich halte es einfach für wichtig, dass es einen Informationsaustausch gibt. Sie von der Opposition müssten natürlich auch froh darüber sein, dass Sie jetzt Ihrem Bürgermeister Häupl sagen können, was wirklich in Wien an Projekten läuft und wo es keinen Stopp gegeben hat. (Bundesrätin Fuchs: Ich habe ja genau aufgepasst, aber ein gezieltes Projekt habe ich nicht gehört!)

Jetzt weiß ich schon, Frau Fuchs, dass in den Zeiten, als Sie noch wahlgekämpft haben und in der Bundesregierung waren, natürlich nie das Instrument der Dringlichen von Ihnen verwendet wurde. Da hat es etwas ganz anderes gegeben: Da hat man es sehr schlau gemacht, so wie damals Bürgermeister Zilk, Hans Mayr und wie sie alle geheißen haben. (Bundesrätin Mag. Trunk: Wie viele Dringliche haben denn Sie eingebracht?)  – Nein, sie haben Artikel 15a-Staatsvertrag erfunden. Vor jedem Wiener Wahlkampf wurde ein 15a-Staatsvertrag abgeschlossen, in dem der Bund dem Land Wien Projekte versprochen hat. Das war eine Freude! Es ist natürlich nie etwas geschehen, und in diesem Sinn möchte ich noch ein wenig darauf zu sprechen kommen.

Ich glaube, dass diese Regierung – immerhin spricht sie auch von "Österreich neu regieren" – vorbildhaft agiert hat, indem sie zwei Kompetenzen zusammengeführt hat, nämlich die Kompetenz, was die Frage der Schiene betrifft, und jene der Straße. Das war, meine Damen und Her


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ren von der Sozialdemokratischen Partei, mit Ihnen nicht möglich! Man hat in all den Jahren, als die große Koalition bestanden hatte und Koalitionsverhandlungen geführt wurden, auch versucht, Ressorts zu verändern. Es gab die Diskussion: Ändern wir einmal den Innenminister und den Verteidigungsminister, ändern wir einmal den Bildungsminister und den Wissenschaftsminister (Bundesrat Prähauser: Beim Außenministerium haben Sie nicht mitgetan!), ändern wir den Verkehrsminister und den Bautenminister! Was hat die Sozialdemokratische Partei ge-macht? – Gemauert, wie Sie halt immer mauern, darum sind Sie dort hingekommen, wo Sie jetzt sind! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrätin Fuchs: Jetzt ist alles "anders"!)

Jetzt hat Professor Konecny wieder einmal nicht aufgepasst, weil eine Anfrage, die zum Beispiel von der Frau Bundesministerin, für mich beeindruckend (Bundesrätin Fuchs: Aber nur rhetorisch beeindruckend!), beantwortet wurde, war die Frage des Bundesverkehrswegeplans. Sie hat gesagt: Den Bundesverkehrswegeplan wird es geben! Sie haben gefragt, und sie hat geantwortet. Jetzt frage ich Sie aber: Warum haben Sie nicht das Instrument der dringlichen Anfrage in den letzten zehn Jahren an Ihre Verkehrsminister gerichtet? (Bundesrätin Fuchs: Da haben wir Informationen gekriegt!) Da hätten Sie die Burschen treiben können, dass wir endlich eine Planungssicherheit in diesem Land haben. Das haben Sie natürlich nicht gemacht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Konecny hat – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! – erklärt: Na ja, die Strecke Wien–Brünn ist wieder irgendwann aus dem Gesetz genommen worden, denn es konnte niemand erkennen, dass der Eiserne Vorhang fällt. – Wissen Sie, es gibt eine Reihe von Politikern in der Österreichischen Volkspartei, die in den siebziger und achtziger Jahren darauf hingewiesen haben, was die oppositionellen Gruppen in jenen Ländern, unseren Nachbarländern, diskutieren, was sich da entwickelt. Da dann Ihr damaliger Bundeskanzler Vranitzky und der damalige Gewerkschaftspräsident Benya versehentlich zu den falschen Leuten gefahren sind, weil sie gar nicht gewusst haben, was sich dort politisch abspielt, ist es natürlich dazu gekommen, dass die Planung so ausschaut, wie sie ausschaut – man hat nämlich genau den falschen Schritt gemacht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Es ist auch keine besondere Meisterleistung, wenn man sich anschaut, was Viktor Klima, damals noch Verkehrsminister, so dann und wann vollbracht hat. Herr Landeshauptmann Haider hat heute vom Korridor V gesprochen und darauf hingewiesen, dass die transeuropäischen Netze an Österreich vorbeiführen. (Bundesrat Gasteiger: Schämen würde ich mich an Ihrer Stelle! Das Büchel täte ich zurückgeben, das blaue!) Das war damals eine Meisterleistung des für die Planung verantwortlichen Ressortministers Klima, den wir heute mit einer OMV-Pension beschenken. Er bekommt für den Mist, den er gebaut hat, jetzt noch 10 Millionen Schilling! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich weiß nicht, ob Sie Ihren Vorarlberger Kollegen, den dortigen SPÖ-Vorsitzenden Lackner kennen. Ich kenne ihn nicht, aber er gefällt mir, er hat heute nämlich Folgendes von sich gegeben:

Erstens regt er sich fürchterlich auf und spricht von einer "verheerenden Optik", die Herr Klima mit seiner Pensionsversorgung ausstrahlt. Weiters meint man aber dort – vielleicht können Sie mit ihm einmal darüber diskutieren –: "Außerdem müsse das Bekanntwerden von hohen Zusatzpensionen für OMV-Manager Anlass sein, die Treibstoffpreise an den Tankstellen zu senken." – Lackner scheint also ein kluges Bürschchen zu sein, denn ihn regt zumindest die Pension des Herrn Klima auf. Das scheint bei Ihnen offensichtlich nicht der Fall zu sein. (Bundesrätin Mag. Trunk: Wie schaut es bei Raiffeisen aus?) Ich glaube aber, dass die Leistung des Herrn Klima am Beispiel Korridor V zeigt, dass man sehr wohl überlegen müsste, ob man nicht etwas von dem Herrn zurückfordern sollte. (Bundesrätin Mag. Trunk: Sie könnten sich ja einmal outen! Sagen Sie einmal offen und ehrlich: Was kriegen Sie?)

Schauen wir uns jetzt noch kurz ein paar Projekte in Wien an. Ich sage Ihnen, dass in Wien zum Beispiel beim Lainzer Tunnel (Bundesrätin Mag. Trunk: Nicht zum Beispiel! – Bundesrat Gasteiger  – in Richtung der Bundesrätin Mag. Trunk –: Nein, er hat das falsche Parteibuch! Er weiß


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nicht, wo er hingehört!) – das hat die Frau Bundesministerin auch deutlich gesagt – überhaupt nichts passiert ist. Die Wiener reden natürlich davon, dass es einen Planungsstopp gibt. Wenn Michel Häupl sehr klug meint, da gebe es eine Zufahrt und eine Abfahrt, aber in der Mitte müsste auch etwas sein, dann muss man ihm sagen: Wenn in der Mitte etwas ist, gehören auch eine Zu- und eine Abfahrt dazu – was nämlich die Planung von Wien nach St. Pölten anlangt! Insofern ist das eine sehr schlüssige Argumentation.

Ich bin sehr froh, dass die S 7 gebaut wird. Ich bin sehr froh, dass die B 301 im Verordnungswege jetzt erst unterschrieben wurde. Das Problem ist nur, dass die Grünen dagegen sind.

Meine Damen und Herren! Wir haben einen Wahlkampf in Wien. Ich lese auf den diversen Plakaten, es droht Rot-Grün. Das heißt aber gleichzeitig auch, dass das, was in der dringlichen Anfrage, die Sie heute in Zusammenhang mit der B 301 gestellt haben, gefordert wird, natürlich nie gehen wird. Es sind aber die grünen Kollegen des Michel Häupl, die sich offensichtlich dagegen quer legen. Sie müsste sich doch überlegen, welche Koalition Sie in Wien künftighin eingehen. (Bundesrat Konecny: Das sind Bewerbungsgespräche, die Sie da führen!)

Es war auch interessant, etwas zur Bahnhofsoffensive zu hören, nämlich in die Richtung, dass ich glaube, dass in Wien die Frage des Westbahnhofes, des Südbahnhofes, des Bahnhof Wien-Mitte enorm wichtig ist. Aber da sollte doch einmal Bürgermeister Häupl – dann haben wir noch den Spezialisten Svihalek – mit Draxler sprechen. Sie haben, so glaube ich, noch dazu das gleiche Parteibuch, sie brauchen doch nur zu reden und zu sagen: Burschen, das machen wir! – Dazu brauchen wir keine dringliche Anfrage. (Bundesrätin Fuchs: Das ist vielleicht in Ihrer Partei so! Bei uns wird etwas nicht so vereinbart! Vereinbarungen laufen bei uns anders!)

Sie brauchen sich hier gar nicht zu bemühen! Sagen Sie Michel, dass er mit den Leuten reden soll! Dann könnte unter Umständen auch etwas weitergehen.

"Es ist verdammt hart, der Beste zu sein!" heißt es in einem Werbespruch. Das gilt natürlich auch für Rudi Streicher – Viktor Klima habe ich schon erwähnt – und Einem. Erinnern wir uns zurück! Da habe ich eine Dringliche von Ihnen an Rudi Streicher vermisst. (Bundesrätin Mag. Trunk: Sie könnten ... schreiben ...!) Dieser hat es nämlich geschafft, leere Züge im Austrotakt durch Österreich zu schicken. Das muss man sich einmal vorstellen! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wann haben Sie darüber eine dringliche Anfrage gestellt und ihn gefragt, ob es gescheit ist, dass man leere Züge im Takt durch das Land schickt? – Damals habe ich Sie nirgends gehört! – Daher bin ich Ihnen dankbar, dass Sie jetzt diese Dringliche gemacht haben. Es war sehr informativ, wir haben eine Reihe von Informationen darüber bekommen, dass die Gefahr nicht so ist, wie Sie sie gerne sehen.

Es fällt mir noch etwas ein: Sie hätten auch eine Dringliche an Viktor Klima richten können. (Bundesrätin Mag. Trunk: Sie können selbst auch schreiben! Können Sie schreiben? Anträge schreiben?!) Wenn Sie nämlich in Brüssel wären und nicht nur immer in Kärnten, dann würden Sie wissen oder hätten in Erfahrung bringen können, dass Österreich in der Frage der Liberalisierung des Telekommunikationsbereiches ähnlich "gut" war wie Portugal. Die Portugiesen haben nämlich von vornherein gesagt: Wir brauchen den letztmöglichen Termin! – Viktor Klima ist gekommen und hat gesagt: Da schließen wir uns an! (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Sie stellen jetzt eine dringliche Anfrage, wie es denn mit UMTS- und GSM-Installationen ausschaut! Hätten Sie doch damals die Dringliche an Klima gestellt! Aber das war Ihnen wieder Wurscht! Das ist das Problem.

Ein Letztes noch, um auch die Qualität Ihrer Dringlichen ein wenig ins rechte Licht zu rücken: Wenn Sie tatsächlich ein breites Diskussionsforum, was Verkehrsprobleme in diesem Land anlangt, gewollt hätten, dann hätten Sie auch etwas über die Frage der Luftfahrt und auch ein wenig über die Schifffahrt in der Dringlichen anführen müssen.


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Das haben Sie vergessen, was mir Leid tut, denn dann hätten wir vielleicht noch ein paar posi-tive Informationen von der Frau Bundesministerin bekommen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hagen. – Bitte.

16.58

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kollegen! Hohes Haus! Diese SPÖ-Anfrage zu den Defiziten im Verkehrsinfrastrukturausbau ist deutsch gesagt eine Farce. (Bundesrat Mag. Trunk: Das ist französisch! – Bundesrat Dr. Böhm: Sehr gebildet!) Ich glaube, dass Sie die Bildung dazu haben, das zu verstehen. (Bundesrat Mag. Trunk: Oui! J’ai compris!) Man könnte glauben, die SPÖ war noch nie in der Regierung und hat mit dem Verkehrsministerium noch nie etwas zu tun gehabt. Es wird von Chaos im Verkehrsministerium gesprochen. Ich sage Ihnen: Chaos hatten wir in den letzten Jahren, in den letzten 30 Jahren in der Regierung (Bundesrat Mag. Hoscher: Das hat Görg gesagt!) und vor allem in den letzten vier Jahren, bevor diese Regierung gekommen ist. Das war Chaos!

Defizite im Verkehrsministerium wurden angesprochen. Trotz 30 Jahren überwiegend SPÖ-Verkehrsminister ist Ihnen das nicht aufgefallen? – Da gibt es doch einen gewissen Herrn Einem, der das Ganze in Händen gehabt und die Bahn forciert hat.

Heute schreien Sie, heute schreit die SPÖ, wie man sieht, wenn man die Medien verfolgt, wenn man die Zeitungen aufschlägt, dass die Bahnhöfe nicht renoviert werden und so weiter. Wenn man bedenkt, dass diese Bahnhöfe seit den fünfziger Jahren nicht mehr renoviert worden sind, dann frage ich mich schon: Wer ist für die Versäumnisse oder Defizite verantwortlich? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mag. Trunk: Kennen Sie Villach?)

Aber Sie haben auch noch etwas anderes getan, Sie haben immer beteuert, die Hauptinvestitionen gingen in die Bahn – ganz logisch, SPÖ-nahe –, aber trotzdem ist, wie wir jetzt gesehen haben, bei der Bahn nichts in Ordnung. Trotz dem 3,4 Milliarden Schilling zur Verfügung gestanden sind, sind nur 10 Prozent davon verwendet worden. Wo haben Sie denn da geschrien? – Das fragt man sich schon.

Aber Sie haben noch mehr geleistet: Die Straße wurde vernachlässigt, weil man alles in die Bahn investieren wollte.

Fazit – das ist eine ganz klare Sache –: 82 Milliarden Schilling Schulden bei der ASFINAG, verursacht durch die SPÖ. Man hat diese Situation natürlich genützt, die ASFINAG ausgegliedert und das Pickerl eingeführt, weil man diese Schulden abbauen will. (Bundesrat Marizzi: Dafür habt ihr es gleich auf einen Tausender erhöht!) Jetzt schreien Sie gegen die Erhöhung des Pickerlpreises, wollen aber gleichzeitig, dass man Straßen saniert, dass man neue Straßen baut. – Womit denn, bitte? – Das frage ich mich schon. (Bundesrätin Mag. Trunk: Aber Sie schauen nach kurzer Zeit schon sehr alt aus!) – Ja, ich glaube, ich habe die Hälfte von den Jahren, die Ihnen zustehen.

Aber schauen wir weiter zum Infrastrukturministerium. Diese Regierung hat mit dem Infrastrukturministerium zirka 250 Milliarden Schilling Schulden übernommen, wenn ich da richtig liege. Die Frau Ministerin wird mich verbessern, sollte ich falsch liegen. Woher kommen diese Schulden? – Jetzt schreien Sie, dass man Geld investieren soll: in Baumaßnahmen bei der Bahn, beim Straßenverkehr und so weiter. Also ich muss schon sagen, dass Sie jetzt noch eine Anfrage dazu stellen – nicht schlecht!

Weiters steht drinnen, dass Kärnten bevorzugt werde. Herr Haider hat das heute ganz klar erklärt, warum Kärnten bevorzugt wird. Das betrifft ganz Österreich, das betrifft die Wirtschaftsregion und so weiter. Herr Konecny scheint diese Antwort nicht verstanden zu haben, aber vielleicht ist Herr Landeshauptmann Haider bereit, Ihnen das schriftlich mitzuteilen, damit es ein


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bisschen einfacher ist. (Bundesrätin Mag. Trunk: Aber Sie könnten persönlich mit ihm reden!) – Ich werde mich dafür einsetzen.

Ich finde es schlichtweg eine Frechheit (Bundesrätin Fuchs: Nachdenken, was Sie sagen!), ich finde es eine Frechheit, an eine Ministerin (Bundesrätin Fuchs: Zweimal "Frechheit"!), die erst paar Monate im Amt ist, die einer Regierung angehört, die nur ein Jahr im Amt ist, eine Anfrage zu stellen und ihr Vorwürfe zu machen ... (Bundesrätin Mag. Trunk: Fragen stellen ist eine Frechheit! Ist das demokratisch?) Sie müssen mich ausreden lassen! (Bundesrätin Fuchs: So viel können Sie jetzt gar nicht mehr erklären, dass Sie sich da herausreden können! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich glaube, da wäre eine schöne Wand zum Dagegenschreien. (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Fuchs. )

Ich muss Ihnen sagen, an eine Ministerin, die ein paar Monate im Amt ist, die einer Regierung angehört, die erst ein Jahr im Amt ist, eine Anfrage zu stellen und ihr Vorwürfe zu machen, die die Unfähigkeit und die Schuldenpolitik der 30-jährigen SPÖ-Regierungszugehörigkeit widerspiegeln, ist eine Farce, das sage ich Ihnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Schluss bleibt mir nur mehr zu sagen: Die SPÖ war auch schon besser. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesrat! Ich möchte Sie nur auf eines aufmerksam machen: Das Wort "Frechheit" ist an sich im parlamentarischen Wortgebrauch nicht üblich. (Bundesrat Marizzi: Wir sind keine Mimosen, wir halten das aus!) Manchmal zieht es auch einen Ordnungsruf der Präsidenten nach sich. Ich tue es nicht, aber ich weise Sie darauf hin, dass Fragestellen ein Recht aller Parlamentarier ist und nicht etwas, was sie sich herausnehmen.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fuchs. – Bitte.

17.05

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Über die Wortwahl meines Vorredners möchte ich kein Wort verlieren, außer dass ich gehört habe – anscheinend einige andere nicht, obwohl Sie sehr lautstark hier vorgetragen haben –, dass Sie gesagt haben: Sie können sich an die Wand stellen!, oder so ähnlich. (Bundesrat Hagen: "Gegen die Wand schreien" habe ich gesagt!) Ich kann nur sagen, ich habe das nicht ... (Bundesrätin Mühlwerth: Wir hören genug von Ihnen! – Bundesrat Dr. Aspöck: Das bleibt den Linken vorbehalten, die Forderung, sich an die Wand zu stellen!)

Ich möchte schon festhalten, weder hier in diesem Haus noch anderswo – nirgendwo! – wird jemand an die Wand oder zur Wand gestellt oder sonst etwas! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die Sorge des Herrn Dr. Maier über andere in der OMV, über Abfertigungen und Pensionen kann ich nicht ganz nachvollziehen. Jetzt sitzt nämlich Herr Dr. Schenz von Ihrer Partei im Aufsichtsrat, und ich nehme nicht an, dass er ein Armutsgelübde abgelegt hat oder auf jedes Einkommen verzichtet. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Maier. )

Herr Dr. Maier! Erklären Sie Ihren Kleinbauern und vielleicht auch uns, in welcher Gehaltsklasse Sie als Generalsekretär des Raiffeisenverbandes die Interessen der Kleinbauern vertreten! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ledolter: Neid ist ein bisschen zu wenig!) Herr Bundesrat! Ich habe noch nie Neid empfunden für etwas, was jemand anderer hat. Ich gehöre der Sozialdemokratischen Partei an, und da gibt es das kaum. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Da gibt es das kaum! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Thema Gehalt, Abfertigung und Pension haben Sie in eine Diskussion eingebracht, die damit überhaupt nichts zu tun hatte. Die Anfrage an die Frau Verkehrsministerin war überhaupt nicht ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Maier. ) Aber mit keinem Wort war irgendeine Pensionsregelung oder Gehaltsregelung betroffen. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie selbst


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haben geglaubt, Sie müssen das zur Diskussion bringen. Es war ein Eigentor: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen! Das ist ein altes Sprichwort. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber jetzt zum eigentlichen Thema: Ich persönlich fühle mich auch als Wienerin auf Grund der Maßnahmen und Aussagen der Frau Bundesministerin beleidigt, nicht nur das einfache Parteimitglied in Kärnten. (Bundesrat Bieringer: Na geh! Na geh!) Ich bin auch ein einfaches Parteimitglied, allerdings gehöre ich einer anderen Partei an (Ruf bei den Freiheitlichen: Gott sei Dank!) und nehme auch einmal für mich in Anspruch, beleidigt sein zu dürfen.

Ich habe zwar keine persönlichen Vereinbarungen getroffen, aber es gibt auch für Wien bestehende Zusagen, die mit einem Handstrich vom Tisch gewischt wurden.

Frau Ministerin! Sie zerstören mit Ihren Planungs- und Baustopps einen guten Teil des Wiener Strategieplans, der bis jetzt bestens vorbereitet und teilweise auch schon umgesetzt wurde. Wien wird trotzdem zu einem Wissenschaftsstandort ersten Ranges und zum Mekka der Biotechnologie werden. Das kann ich Ihnen versichern!

In dieser Frage ist SPÖ-Bürgermeister Dr. Häupl einer Meinung mit seinem ÖVP-Vizebürgermeister Dr. Görg: Die Interessen Wiens müssen über den Parteiinteressen stehen. Wir Wiener Mandatare können die Konzeptlosigkeit und Destruktivität der Frau Infrastrukturministerin nicht hinnehmen. Die erfolgreiche Aufbauarbeit dieser Stadt ist durch das mittlerweile legendär gewordene rote Wien in die Geschichte eingegangen (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), und die Wienerinnen und Wiener wissen das auch quer durch alle Parteien zu schätzen.

Da Sie in der Zeitung schon von Wahlkampftaktik in Wien gesprochen haben, zitiere ich Ihnen jetzt den ÖVP-Landesparteivorsitzenden und Vizebürgermeister Dr. Görg (Bundesrat Ledolter: Aber richtig, bitte!), für den ich nicht zu werben beabsichtige. Ich nehme an, Sie werden mir jetzt nicht unterstellen, hier eine Wahlkampfrede für den ÖVP-Bürgermeister zu halten. Das überlasse ich ihm selbst. (Bundesrat Dr. Nittmann: Die würde ich gerne hören! – Bundesrat Ledolter: Da wird er sich freuen!)

Ich zitiere nun Vizebürgermeister Dr. Görg: ",Was Forstinger bei der Infrastruktur für Wien getan hat, ist katastrophal‘, lautet Görgs Frontalangriff auf die neue Infrastrukturministerin." (Ruf bei der ÖVP: Sie wiederholen Herrn Kollegen Konecny!) Ja, Sie sollen es noch einmal hören, dann wissen Sie es! (Bundesrat Konecny: Diese Sätze kann man nicht oft genug sagen!) Verschiedene Dinge verfestigen sich durch Wiederholung. (Bundesrat Bieringer: Wenn man es zehnmal wiederholt, wird es deswegen nicht gescheiter!) – Gescheit sind sie ohnehin nicht! Das habe ich nicht behauptet, Herr Kollege! Ich habe nie behauptet, dieser Satz wäre gescheit. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich bin eine Zeitungsleserin – wie hoffentlich Sie auch –, und ich entnehme einen Teil meiner Informationen auch den Zeitungen. Jetzt zitiere ich die "Wiener Zeitung", ein amtliches Organ, und ich denke, da können Sie keine Parteilichkeit unterstellen.

Ich fahre also mit dem Zitat fort: "Sie vermittle" – nämlich die Frau Infrastrukturministerin – "nur tiefes Unverständnis für die Bedürfnisse des österreichischen Wirtschaftsmotors Wien. Auf die Briefe und Anfragen der Stadtregierung habe sie noch kein einziges Mal reagiert. Görg: ,Doch leider sind wir beim Verkehr auf die Bundesregierung angewiesen.‘ Häupl ist in jedem Kritikpunkt einig: ,Soviel Autismus in der Politik habe ich noch nie erlebt.‘ Nur Kärnten käme zum Zug. Deshalb, so kündigt er an, werden die drei Landeshauptleute aus Wien, Niederösterreich" – bekanntlich auch ein "Roter" – "und dem Burgenland nächste Woche zusammentreffen, um ein gemeinsames Vorgehen auszuhandeln."

Das war jetzt ein Artikel aus der "Wiener Zeitung". Ich kann aber auch einen Artikel aus dem "Standard" von gestern zitieren. (Bundesrat Mag. Gudenus: Aber bitte keine Auslassungen!) Er, Görg – noch einmal eine Anmerkung von mir: ÖVP-Vizebürgermeister –, sei mit Rücktrittsaufforderungen immer vorsichtig, aber Frau Forstinger ist für Wien eine Katastrophe. Schmid war chaotisch – das haben wir heute auch schon einmal gehört –, Forstinger ist katastrophal. Aber aus dem Chaos entsteht manchmal doch etwas Sinnvolles – aber nur manchmal! Für Görg ist Forstinger indiskutabel. – Zitatende des "Standard"-Artikels.


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Ich kann auch noch andere ÖVP-Funktionäre zitieren, nämlich den Landesparteiobmann der ÖVP-Kärnten, Wurmitzer, der gemeint hat, nicht mehr länger zuzuschauen, wie die neue Verbindung von Wien über Graz nach Klagenfurt ständig auf die lange Bank geschoben wird. Er kündigte auch politische Maßnahmen, wie zum Beispiel Volksbefragung und Volksbegehren, an. – Na super! Das finde ich einmalig: Ein Regierungspartner initiiert eine Volksbefragung gegen den anderen Regierungspartner. Das ist "Regieren-Neu", das ist auch eine Wende. Der Kuschelkurs ist, so glaube ich, auch nicht ganz perfekt. Wahrscheinlich ist man auch sprachlos, weil Gespräche anscheinend auch nicht geführt werden.

Wenn aber alles nicht ganz so ist, sondern ganz anders, wie die Frau Ministerin vorhin erklärt hat, dann frage ich mich: Warum haben die Mandatare Ihrer Regierungskoalition all das erfunden? Warum sind sie so empört? – Es muss sich hier tatsächlich um ein eklatantes Missverständnis handeln, das ganz dringend mit dem Wiener Bürgermeister und auch Vizebürgermeister geklärt werden sollte – vor allem aber innerhalb der Koalition. Denn wenn die Landesparteivorsitzenden von zwei sehr großen Bundesländern der ÖVP keine Gesprächsbasis zu ihrer Ministerin haben, dann ist das nicht mein Problem, aber es ist ein riesengroßes Problem für Österreich und für dieses Land ganz sicher nicht von Vorteil.

Meine Damen und Herren! Werte Frau Ministerin! Ich habe hier die Interessen meines Bundeslandes zu vertreten, daher kann ich, wie selbstverständlich alle Wiener Bundesrätinnen und Bundesräte, nicht unwidersprochen hinnehmen, was in Ihrem Ministerium passiert. Damit meine ich jetzt nicht das kolportierte "Stöckelschuh-Verbot" oder die Vorschreibung von bestimmten Rocklängen oder Buchstabengrößen oder die "Gehordnung" – nein, ich meine Entscheidungen, die für Wien existenziell wichtig sind: zum Beispiel die Infrastrukturmaßnahmen und Verkehrsprojekte, die bereits akkordiert waren und jetzt gestrichen sind – oder doch nicht. Aber darauf sind schon meine Wiener Kollegen Konecny und Mag. Hoscher eingegangen, und ich will das nicht wiederholen, weil Sie das nicht noch einmal hören wollen. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Sagen Sie es noch einmal, Frau Kollegin, damit es sich verfestigt!) – Nein, ich erspare Ihnen das. So rücksichtsvoll bin ich.

Ich möchte nur festhalten: Wiener Mandatarinnen und Mandatare und auch Wiener Bürgerinnen und Bürger werden sich diese Vorgangsweise nicht gefallen lassen. Niemand wird diesen Protest mit dem Argument des Wahlkampfes abtun können, denn dieser ist bekanntlich am 26. März vorbei (Bundesrat Weilharter: Machen Sie doch Wiener Wahlkampf hier?), und spätestens dann werden Sie Farbe bekennen müssen! (Beifall bei der SPÖ.)

17.15


Bundesrat
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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Hagen gemeldet.

Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf, und sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhalts zu beschränken. – Bitte, Herr Bundesrat.

17.16

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Kollegin Fuchs hat vorhin geäußert, dass ich gesagt hätte, sie könnte sich gegen die Wand stellen. – Diese Aussage ist nicht richtig.

Ich habe gesagt: Die Kolleginnen da drüben können gegen die Wand schreien (Bundesrätin Fuchs: Stellen!), da ich mein eigenes Wort nicht mehr verstanden habe (Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist aber nicht weniger unfreundlich!), und das war laut Aussage der Kollegin Fuchs sehr lautstark.

Ich möchte mich trotzdem bei den Kolleginnen entschuldigen, dass ich mich emotional habe hinreißen lassen, eine Aussage zu machen, die diesem Hohen Haus vielleicht nicht würdig ist, möchte dies aber damit begründen, dass der Lärmpegel so hoch war, dass ich mein eigenes Wort nicht mehr verstanden habe. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Marizzi. )

17.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Grissemann. – Bitte.

17.17

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Kollege Konecny ist jetzt leider nicht da, ich hätte es ihm gerne persönlich gesagt. Das ist eine bestimmte Art oder ein bestimmter politischer Stil: Zuerst zitiert man die Frau Ministerin mittels dringlicher Anfrage in den Bundesrat – das ist euer gutes Recht, meine Damen und Herren von der sozialistischen Fraktion –, und dann nützt man die Gelegenheit, die Frau Ministerin – ich sage es ganz tirolerisch – zu frotzeln. Das ist nicht der Stil, den ich mir in diesem Haus erwarte.

Ich glaube, meine Damen und Herren, ihr habt mich ganz gut verstanden, wie ich das meine. Das ist eine – ich nenne es so – Frotzelei.

Nun aber zu einzelnen Punkten – ich habe mir nur drei, vier herausgepickt –:

Zur so genannten Bahnhofsoffensive: Die Bundesbahn kommt nach Jahrzehnten darauf, dass unsere Bahnhöfe verlottert, verludert und in keinem erfreulichen Zustand sind. So weit, so gut. Aber ich habe eine ganz andere Befürchtung: Ich glaube eher, dass diese Bahnhofsoffensive nur einer Sache dient, nämlich der finanziellen Aufmöbelung, indem man aus wichtigen Bahnhöfen Einkaufszentren macht. Da ist in Wahrheit geplant, dass man diese Einkaufszentren unter Umgehung der Ladenöffnungszeiten natürlich attraktiv Tag und Nacht betreiben kann, und man wird auch die entsprechenden Mieter finden. Das ist nur eine Geldbeschaffungsaktion und dient nicht dem wahren ÖBB-Zweck, nämlich Personen und Waren pünktlich, schnell und sicher zu transportieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP sowie der Bundesrätinnen Fuchs und Mag. Trunk. )

Welche Nebenbahnen sollen eingestellt werden? – Wir wissen es, und jeder von uns hier weiß ... (Bundesrat Konecny: Sie wissen es! Wir wissen es noch immer nicht!) Herr Kollege! Hören Sie mir zu, dann werden Sie wissen, wovon ich rede! Wir wissen, dass Nebenbahnen natürlich defizitäre Betriebe sind, dass Nebenbahnen Unmengen von Geld, Millionen, Milliarden, verschlingen, sehr große Verluste machen. Das wissen wir. Es wird also primär Aufgabe der Länder sein, wichtige Nebenstrecken zu erhalten, wenn es im Interesse der Länder ist. Aber ich betone noch einmal: Es wird in erster Linie Länderinteresse sein.

Die Frau Ministerin hat darauf hingewiesen, dass man bei der Außerfernbahn im Außerfern eine sehr kreative Lösung gefunden hat, indem die DB-Regio, die Deutsche Bundesbahn, im Auftrag des Landes Tirol diese Strecke seit einer Woche betreibt. Wie gesagt, das ist eine kreative Lösung. So wird es auch in Zukunft sinnvoll sein, dass sich die einzelnen Länder mit dem Ministerium, mit der Frau Ministerin in Verbindung setzen. In erster Linie wird es natürlich Aufgabe der ÖBB sein, die notwendigen Daten zu liefern, damit man überhaupt in Verhandlungen treten kann.

Ich komme zu der leidigen Geschichte Ökopunkte-Sünder. Diesbezüglich verstehe ich unseren Landeshauptmann Weingartner nicht ganz. Es kann das nur eine atmosphärische Störung sein. Es ist ganz klar, dass Frächter, die gegen das Gesetz verstoßen, zu bestrafen sind. Das ist meine Auffassung und mein Rechtsempfinden. Was die Wege dorthin betrifft, macht es sich der Herr Landeshauptmann leicht. Wer bestraft schon gerne? – Das ist mir schon klar, und es ist mir auch klar, dass es die einheimischen Frächter trifft; das ist immer eine bittere Geschichte.

Dass aus Gründen des Datenschutzes die Beschaffung der Kennzeichen der ausländischen Frächter sehr schwierig sein wird, ist auch klar. Es gibt die so genannten ID-Nummern. Über diese Nummern – das ist inzwischen auch bekannt – können die ausländischen Frächter auch herangezogen werden. So viel ich weiß, ist jetzt eine Gruppe von, wie ich glaube, fünf, sechs Leuten, die extra dafür eingesetzt wurde, mit dieser Materie befasst. Dann ist die Gerechtigkeit wieder hergestellt.


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Mein Rechtsempfinden – so bitter das auch für die inländischen Frächter sein wird – sagt mir, wenn Verstöße da sind und wenn ohne Ökopunkte durch das Land gefahren wird, dann ist das ein untragbarer Zustand. Allerdings muss ich auch dazu sagen, wer auch immer diesen Transitvertrag ausgehandelt hat: Ich glaube, das Ganze war eine sehr unglückliche, komplizierte und eine, wie sich jetzt herausstellt, in letzter Konsequenz sinnlose Lösung. Ich glaube, Ökopunkte hin oder her, es hat sich die ganze Situation nur verschlimmert, und im Grunde genommen ist das Ganze ein Streit um des Kaisers Bart. Das einzig "Positive" daran ist vielleicht, dass die zu bestrafenden Ökopunkte-Sünder eine neue Einnahmenquelle darstellen, aber, wie gesagt, das kann es auf Dauer nicht sein.

Zum Abschluss möchte ich nur ein Wort zu Herrn Görg sagen – das ist meine persönliche Meinung und, wie ich glaube, auch die Meinung meiner Partei –: Die Meinung eines Mannes, der die ÖVP mit 15 Prozent Wähleranteil in Wien in die Bedeutungslosigkeit geführt hat, ist für mich wahrlich nicht maßgeblich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.22


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672. Sitzung / Seite 121

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winter. – Bitte.

17.22

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Mandatar, der aus einer Region kommt, die bei Gott nicht zu den reichsten zählt, möchte ich Ihnen, Frau Ministerin, die Sie der Freiheitlichen Partei angehören, einer Partei, die damit geworben hat, die "kleinen Leute", die Arbeiter, die Beamten, die "kleinen Pensionisten", also mit einem Wort die fleißigen Österreicher unterstützen zu wollen, sagen, dass Sie mit vielen Ihrer Aktionen in Wirklichkeit Wählertäuschung betrieben haben. – So hört man.

Ich darf an erster Stelle die fleißigen, braven und anständigen Postbediensteten in meinem Bezirk, in meinem Bundesland und darüber hinaus in ganz Österreich erwähnen: Postbedienstete, die, egal in welcher Funktion, hervorragende Arbeit leisten (Bundesrat Ing. Gruber: Poststrukturgesetz!)  – ich rede von unserer Anfrage, lies sie dir einmal durch! –, Postbedienstete, die von dieser Regierung, meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz einfach vor den Kopf gestoßen werden und nicht mehr wissen, wie es morgen oder übermorgen mit ihnen und mit ihren Familien weitergehen wird. Laut Generaldirektor Wais sollen zirka 6 000 Beschäftigte gekündigt werden. Es gibt weder einen akzeptablen Sozialplan, noch kümmert sich jemand in dieser Bundesregierung um das Schicksal dieser Menschen. Niemand anerkennt die Qualität der Arbeit, die diese Menschen für unsere Heimat und für unsere Gemeinde leisten.

Ich möchte zum Zweiten, Frau Ministerin, meine sehr geehrten Damen und Herren, an jene Menschen – Steuerzahler! – erinnern, die mehr als 5 Kilometer von dem nächsten Postamt entfernt leben und in Zukunft vielleicht nur mehr Zustellfächer anstelle von Hausversorgung haben werden. Diese Menschen werden Fristen versäumen, weil es zu Verzögerungen kommen wird. Dies ist, wie ich meine, eine gravierende Verschlechterung der Nahversorgung für ältere Menschen, für Familien mit Kindern, weil der Alleinverdiener mit dem einzigen Auto vielleicht auspendeln muss, oder für Menschen, die aus mancherlei Gründen nicht so mobil sein können.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich habe unter dem Titel "Stoppt den Einsparungshorror bei der Post!" fast 1 300 Unterschriften im engsten Raum, nämlich in meinem Bezirk, gesammelt, Unterschriften von Bürgermeistern, von Vizebürgermeistern, von Stadträten, von Gemeinderäten, und sogar von einem FPÖ-Funktionär – nur einem, denn in meinem Bezirk gibt es nicht sehr viele. Ich darf Ihnen, Frau Ministerin, diese Unterschriften überreichen und Sie bitten: Stoppen Sie als Postministerin diesen Einsparungshorror bei der Post! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Winter überreicht Bundesministerin Dr. Forstinger die gebündelte Unterschriftensammlung. – Rufe bei der ÖVP: Sogar mit rotem Mascherl! – Bundesrat Winter: Persönlich gemacht!)

17.26

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. d'Aron. – Bitte.

17.27

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin froh, dass sich die Reihen der SPÖ-Bundesrätinnen und Bundesräte wieder etwas mehr füllen. Ich kann sagen, dass die SPÖ noch immer nicht gelernt hat, dass man bei der Behandlung von dringlichen Anfragen vor allem der eigenen Partei anwesend sein muss. Wenn man schon selbst eine dringliche Anfrage einbringt, muss man doch daran Interesse haben, was von den entsprechenden Rednern und auch vom Vertreter der Regierung gesagt wird.

Ich möchte konkret auf diese dringliche Anfrage eingehen; sie trägt eine interessante Überschrift: "an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Defizite im Verkehrsinfrastrukturausbau in Österreich ...". Ich bedanke mich bei Herrn Professor Konecny dafür, dass er uns auch dargelegt hat, dass Projekte im Rahmen der Verkehrsinfrastruktur langfristig sind. Das heißt, eigentlich müsste diese Anfrage rückblickend auch an die entsprechenden Bundesminister für Verkehr in der Vergangenheit gerichtet sein, also zum Beispiel an Herrn Klima oder an Herrn Bundesminister Einem.

Mit "Demolierung des öffentlichen Nahverkehrs" müssen das EIRAG gemeint sein, das Eisenbahnrechtsanpassungsgesetz, und das Poststrukturgesetz. Das sind Gesetze, die im Rahmen der Koalition SPÖ/ÖVP vom sozialdemokratischen Verkehrsminister eingebracht wurden.

Bezüglich "... die Verschlechterungen in der Postzustellung" – das Poststrukturgesetz ist auch ein Gesetz, das vom sozialdemokratischen Minister eingebracht wurde. Ich möchte mich an dieser Stelle bei Kollegen Winter dafür bedanken, dass er uns dargelegt hat, dass es, nämlich durch die Regierungsvorlage betreffend Zergliederung der Post in insgesamt vier Bereiche, die seitens der SPÖ damals eingebracht wurde, ein großes Verdienst der Sozialdemokraten war, letztlich die Bediensteten bei der Post dramatisch zu verunsichern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wir werden heute hier im Bundesrat noch über eine Regierungsvorlage reden, die den Postautobusdienst betrifft. Sie haben dieses Thema in der Annahme, der Bundesrat werde ohnehin zustimmen, er sei offenbar nicht so wichtig, er werde ohnehin dieser Gesetzesvorlage zustimmen, daher können wir schon davon ausgehen: Es ist ohnehin schon beschlossen!, schon in die Anfrage aufgenommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie sich die Regierungsvorlage, die wir heute vermutlich am späteren Abend besprechen werden, genau anschauen, werden Sie sehen, dass das Dienstrechtsverhältnis der Postbediensteten im Postautobusdienst genau abgesichert ist. Das ist genau das, was Sie wollen, das können wir verstehen, und wir tun es. Wir beschließen kein Poststrukturgesetz in einer ersten Vorlage, in der wir daran nicht denken, wir machen das jetzt! Wir müssen die Versäumnisse der SPÖ, die damals stattgefunden haben, im Rahmen des ursprünglichen Poststrukturgesetzes, nunmehr nachholen.

Herr Kollege Mag. Hoscher! Ich hoffe, Sie hören mir jetzt ein bisschen zu. (Bundesrat Mag. Hoscher: Immer!) Sie plaudern gerade mit Ihrem Nachbarn; auch interessant. (Bundesrat Mag. Hoscher: Das schaffe ich!) Ich habe mich sehr über Ihre Ausführungen zur BIG-Novelle im Zusammenhang mit dieser dringlichen Anfrage gewundert. Sie haben uns etwas von den BIG-Stollen erzählt – ich weiß nicht unbedingt, was sie mit Verkehr zu tun haben –, Sie haben uns auch etwas über die Militärliegenschaften erzählt, die vielleicht auch nicht unmittelbar etwas mit Verkehr zu tun haben. Sie haben uns auch dargelegt, wie die Tarifstruktur in Österreich ausgerichtet ist. Vielleicht haben Sie da über die Gesetzesvorlagen hinweggesehen, die seitens des SPÖ-Verkehrsministers zum Beispiel im Rahmen des Bundesbahngesetzes eingebracht wurden, die vorgesehen haben, dass der Hauptausschuss des Parlaments und auch der Minister grundsätzlich nicht mehr für Tarifangelegenheiten zuständig sind, sondern das wird von den einzelnen Verkehrsunternehmen gemacht, und dann können zum Beispiel im Rahmen von Ver


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kehrsdiensteverträgen oder Verkehrsverbundverträgen zusätzliche Vereinbarungen getroffen werden.

Sie haben auch dargelegt, welche Probleme es im Zusammenhang mit der Gefährdung der AUA gibt. Es ist interessant, dass Sie das gegenüber dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie dargelegt haben, der nämlich für die AUA, was das wirtschaftliche Bild anlangt, nicht zuständig ist. (Bundesrat Mag. Hoscher: Darum haben wir von der Bundesregierung gesprochen!)

Herr Kollege Konecny! Ich möchte mich bei Ihnen für eine für uns aufbauende Aussage bedanken. Sie haben uns nämlich dargelegt, dass Sie von den Freiheitlichen im Rahmen ihrer Oppositionsrolle gelernt haben. – Danke. Ich habe den Eindruck, wir haben unsere Oppositionsrolle offenbar nicht schlecht gemacht, dass Sie noch etwas davon lernen können. (Bundesrat Weilharter: Aber Sie müssen noch viel lernen!)

Frau Kollegin Trunk – Sie ist nicht da, ich vermisse Sie auch – hat sich sehr über Infrastrukturvorhaben betreffend Kärnten alteriert, die Sie auch in der dringlichen Anfrage monieren. Ich bin froh, dass unser Herr Landeshauptmann von Kärnten heute dargelegt hat, wie viele Jahre lang das Bundesland Kärnten vernachlässigt wurde und dass auch Kärnten im Rahmen eines Nord-Süd-Verkehrs entsprechend aufholen muss. Er hat darauf verwiesen, dass durch die Pontebbana-Verbindung der Italiener, die schon Richtung Norden denken, auch ein entsprechender Anschluss von Norden nach Süden in Richtung Grenze erfolgen muss.

Frau Kollegin Fuchs! (Bundesrätin Fuchs: Bitte!) Was mir im Zusammenhang mit der Anfrage, die die Sozialdemokraten hier eingebracht haben, unklar war, war Folgendes: Auf der einen Seite teilt uns Herr Professor Konecny mit, es handle sich um keinen Wahlkampf für Wien, es sei keine dringliche Anfrage, die Wien betrifft. Sie wiederum haben Wien argumentiert, weit über diese Frage hinaus. Sie haben hier bei uns Wahlkampf für Wien gemacht, und das ist auch gut so. (Bundesrätin Fuchs: Ich bin eine Wiener Abgeordnete so wie Sie auch!)

Man muss sich damit auseinander setzen, was Sie über Wien zum Ausdruck gebracht haben. Es dürfte Ihnen unbekannt sein, dass es zwischen dem Bundesland Wien und dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Vereinbarungen über Infrastrukturtragungen, Infrastrukturausbauten gibt. (Bundesrätin Fuchs: Sie sollten auch die Interessen Wiens in den Vordergrund stellen!) Das ist das so genannte Chaos, das Sie nennen. Sie wollen diese Vereinbarungen offenbar nicht. Sie wollen offenbar auch keine Verkehrsverbünde, keinen Verkehrsverbund Ost-Region. (Bundesrätin Fuchs: Oh doch! Habe ich auch gesagt!) Wie wir wissen, ist der Bund massiv am Verkehrsverbund Ost-Region beteiligt. Das interessiert Sie nicht, es sei alles Chaos, was in Wien stattfindet.

Sie können auch nicht zur Kenntnis nehmen, dass Bahnhofsprojekte – eine operative Planung auf der ganzen Welt – nicht von einem Verkehrsministerium gemacht werden, sondern von den Eigentümern oder von den wirtschaftlichen Stellen, die einen Bahnhof übertragen bekommen, aber niemals von einem Verkehrsministerium! (Bundesrätin Fuchs: Schnellbahnen schon!) Ich habe jetzt von einem Bahnhofsausbau gesprochen – Bahnhofsausbau! (Bundesrätin Fuchs: Sie, aber nicht ich!) Das ist das Gebäude. Sie haben in Ihrer Wortmeldung darüber gesprochen. Sie haben gesagt, dass die Wiener Bahnhöfe nicht ausgebaut werden (Bundesrätin Fuchs: Nein, das habe ich überhaupt nicht gesagt! Das Wort "Bahnhof" ist in meiner Rede nicht vorgekommen!) und dass es da Versäumnisse gibt. Sie haben das gesagt. Ich habe das mitgeschrieben. (Bundesrätin Fuchs: Sie haben ein sehr selektives Wahrnehmungsvermögen!)

Diese Aussagen, die Sie hier pflegen, nämlich dass die Republik, dass das Verkehrsministerium – das wurde von Ihrer Fraktion mehrmals gesagt – im Zusammenhang mit den Bahnhofsausbauten nicht entsprechend "Gas gibt", nicht etwas Entsprechendes herstellt – auch Kollege Konecny, so kann ich mich erinnern, ist darauf eingegangen –, sind unzutreffend, denn der Impulsgeber für einen Bahnhofsumbau muss der Verkehrswirtschaftsbereich sein, zum Beispiel das Verkehrsunternehmen oder derjenige, dem der Bahnhof übertragen wird. Das Verkehrsministerium auf der anderen Seite muss auf diese Konzepte warten und hat sie offenbar nicht.


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Es ist auch unzutreffend, dass die Frau Bundesministerin diese Frage zum Beispiel nicht beantwortet hat. Sie hat sie genau beantwortet, sie hat auch die Zahlen genannt. Sie hat gesagt: Das war ursprünglich im Plan vorgesehen, das wurde verbaut, in 10 Prozent gibt es erst eine Planung, diese Projekte befinden sich im Realisierungsstadium, und das wird auch koordinierend mit dem Vorschlag, der von den ÖBB kommen muss, voraussichtlich in der Verordnung vorgesehen sein.

Ich würde Herrn Bürgermeister Häupl – weil das hier auch zur Sprache gekommen ist – empfehlen, jene Vorgangsweise zu pflegen, die in allen Bundesländern, zum Beispiel in Salzburg seitens der sozialdemokratischen Landesrätin Mag. Burgstaller, gepflegt wird: dass das Einvernehmen mit dem Verkehrsministerium hergestellt wird (Bundesrätin Fuchs: Auf Briefe wird nicht geantwortet!) und nicht gesagt wird, sie müssen tun, auch wenn sie operativ nicht planen können. Es muss eine Koordinierung stattfinden, und das würden wir uns seitens eines sozialdemokratischen Bürgermeisters in Wien erwarten. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.36


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kaltenbacher. – Bitte.

17.37

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! In der dringlichen Anfrage wird in der Frage 8 betreffend Aus-, Umbau entsprechender baulicher Maßnahmen auch die Steiermark angesprochen.

Angesichts der Entwicklung der letzten Monate müssen wir sagen, wir haben neidvoll nach Kärnten geschaut, welche Mittel dort in die Infrastruktur geflossen sind. Frau Bundesministerin! Sie argumentieren immer damit und sagen, Sie seien für Verbindlichkeiten, Sie treten für Verbindlichkeiten ein, Sie treten für einen Lückenschluss von Bauprojekten und Straßenprojekten ein. Vor mir liegt ein zwischen Bundesminister Farnleitner und der Steiermärkischen Landesregierung nach langen Verhandlungen gefasster Vorschlag betreffend Ausbauplan der B 317, Friesacher Bundesstraße, zwischen Judenburg und Dürnstein vor. In mehreren Gesprächen mit Ihrem freiheitlichen Landesrat Dipl.-Ing. Schöggl mussten wir immer wieder zur Kenntnis nehmen, dass gewisse Bauvorhaben nicht gestattet werden können, weil die finanzielle Bedeckung nicht vorhanden ist.

Ein wesentlicher Punkt in diesem Bauvorhaben ist die Tangente Scheifling, die Anbindung der B 317 an die B 96, Planungsstadium 3/2003. Wenn man aber weiß, dass im Jahr 2003 die Snowboardweltmeisterschaften am Kreischberg in der Steiermark stattfinden, dann muss man erkennen, für uns ist es von größter Bedeutung, dass dieses Vorhaben, diese Maßnahme vorgezogen wird. Bis dato – daher verstehe ich, dass auch Ihr Landesrat nicht weiß, wie die finanzielle Bedeckung ausschaut – hat es noch keinen Termin gegeben. Wir fordern die vorrangige Behandlung dieses Projektes, weiters die verbindliche Einhaltung dieses Bundesstraßenverbauungsplanes.

Ein weiteres Projekt ist die Umfahrung Weißkirchen-Zeltweg, die Anbindung des Murtals, des Aichfeldes, an die Süd Autobahn Richtung Pack.

Alle Ausschreibungen und alle Ablöseverhandlungen sind abgeschlossen. Bereits voriges Jahr sollte mit den Ausschreibungen begonnen werden. Auf Grund des Wahlkampfes und auf Grund der Änderung der Ressortaufteilung wurde dieses Projekt wieder zurückgestellt.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie treten, wie Sie gesagt haben, für einen Lückenschluss im Straßenbaubereich ein. Sie treten für die Einhaltung von Vereinbarungen ein. Füllen Sie diese Worthülsen mit Inhalt und stellen Sie die benötigten finanziellen Mittel zur Verfügung! (Beifall bei der SPÖ.)

17.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist nun die Frau Bundesministerin. – Bitte.

17.41

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich glaube, dass ich die einzelnen Punkte der dringlichen Anfrage sehr detailliert beantwortet habe, denn es sind nur noch einige Punkte zusätzlich angeführt worden, und auf diese möchte ich jetzt reagieren. Erlauben Sie mir aber auch, manches richtig zu stellen.

Herr Professor Konecny! Ich glaube, Sie waren im Rechnungshofausschuss nicht anwesend, denn es kann in keinem Protokoll stehen, dass ich gesagt habe, dass eine Niederlage gut dargestellt wurde. Ganz im Gegenteil! Ich habe mich sehr gefreut, dass das Verhandlungsergebnis sehr positiv dargestellt wurde, habe mich auch entsprechend gefreut, als das in Oberösterreich der Fall war. Wenn man zeitliche Achsen mitberücksichtigt, so sieht man, dass es Milliardenprojekte in jedem Bundesland und nicht nur in Kärnten sind. So werde ich es auch weiterhin halten und bleibe dabei, dass das, was vereinbart worden ist, auch hält.

Ein weiterer Punkt war das Thema LKW-Maut. Ich habe in diesem Zusammenhang sehr deutlich dargestellt, welch intensive Bearbeitungen in der sehr kurzen Zeit bereits geschehen sind. Ich bestätige auch nochmals die richtige Entscheidung meines Vorgängers, sich für das elektronische System zu entscheiden, und möchte Ihnen ganz klar sagen – ich glaube, das wissen Sie alle –, dass die Einführung der LKW-Maut ein Teil des Planes ist, die Finanzierung der Straßenbauvorhaben sicherzustellen. Es wird dazu sicherlich viele Modelle geben, einige sind auch schon in Vorbereitung beziehungsweise in Realisierung. Dabei wird man nicht nur mit Vorfinanzierung, sondern auch mit Beteiligung der Länder mit finanziellen Mitteln, die aus Privatisierungserlösen kommen – diese wurden durch diese Regierung ermöglicht, zum Beispiel mittels Wohnbaudarlehen –, entsprechende Maßnahmen im Infrastrukturbereich setzen.

Es ist einfach, wenn man die Bedeutung der Infrastrukturmaßnahmen dadurch bekundet, dass man sie braucht, dass man alle Vorschläge von den Politikern bezüglich dessen, was erforderlich ist, auf dem Tisch haben will. Jedem ist – das ist auch verständlich und richtig – sein Hemd näher als der Rock, und jede kleine Umfahrungsstraße ist oft wichtiger als strategisch große Projekte. Daher glaube ich, dass es wesentlich ist, dass wir uns nicht nur mit der Finanzierung, sondern auch mit der Organisation der Straßenprojekte unterhalten sollten. Diese Regierung hat nicht nur ein deutliches Zeichen gesetzt, wie wesentlich der Straßenbau ist, indem sie eine Sonderdotierung von schon angesprochenen 2 Milliarden Schilling für die nächsten drei Jahre und die Bereitstellung der finanziellen Mittel für ein Grundprogramm auf die Beine gestellt hat, sondern sie wird sich auch damit beschäftigen, wie es möglich ist, durch Vereinfachung und zum Beispiel auch durch Verländerung im Bereich Bundesstraßen ein System einzuführen, dass alle dafür verantwortlich sind, was ihnen übertragen ist. Dann wird es auch nicht mehr lange Diskussionen darüber und Ausreden geben, von welchen Bundesländern sie auch kommen mögen. Die Prioritätenreihung und die Maßnahmen und die Listen werden sehr wohl von den Ländern vorgelegt und dann in den Verhandlungen mit dem Bund die Realisierung gemeinsam verordnet.

Herr Bundesrat Kaltenbacher! Herzlichen Dank für Ihre Liste aus der Steiermark! Sie ist mir nicht unbekannt, denn Kollege Schöggl hat sie selbstverständlich auch vorgelegt. Sie können sicher sein, dass auch die Steiermark entsprechend bedient wird. Es besteht kein Zweifel, dass die südlichen Bundesländer in den letzten Jahren sehr wohl vernachlässigt wurden. Ein kleiner Spielraum bleibt, um diese Ungleichheit auszumerzen. Die Verantwortlichen für die angesprochene Weltmeisterschaft waren schon bei mir und haben in einer sehr sachlichen Diskussion dargestellt, welche Bedürfnisse sie haben. Es wird daran liegen, dass auch sie ihre Bedeutung darin bekunden, dass in der Prioritätenreihung bei der Ausführung dieses Vorhabens entsprechend Rücksicht genommen wird.


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Es ist auch wichtig, dass diese Diskussionen geführt werden, denn sonst könnte es passieren, dass der Vorwurf im Raum stehen bleibt, dass Briefe nicht beantwortet oder "Schimmelbriefe" geschickt würden. Tatsache ist, dass wir das gesamte Archiv nach Briefen, die nicht beantwortet wurden, durchgesehen haben, und wir stellten fest: Es liegen keine auf. Ich muss Ihnen schon sagen: Wenn Anfang Jänner drei Landeshauptleute ein Memorandum über die Medien schicken, das eine Woche später bei uns einlangt, und zwar ein Memorandum, in welchem man von einer Infrastrukturlösung spricht, die außerhalb Österreichs läuft, dann kann das wohl nicht wirklich ernsthaft gemeint sein als Vorschlag zum Ausbau der Infrastruktur und zur wirtschaftlichen Bereicherung eines Gebietes im Osten. Das kann doch wohl nicht so gemeint sein!

Ich habe damals schon gesagt, dass es insbesondere für den Osten und auch für die Anbindung an den Süden eine fachliche Diskussion geben muss. Ich lege Wert darauf, dass diese nach dem Wahlkampf stattfindet, denn – das möchte ich ganz klar sagen – Infrastrukturprojekte sind langfristige Planungen und sind nicht dazu angetan, Verunsicherungen in einen Wahlkampf zu bringen. Ich muss leider dabei bleiben und halte fest: Es ist auch tatsächlich kein Grund dafür gegeben! Es gibt keinen Baustopp! Alle Projekte laufen! Es sind insbesondere die Fragen der Verkehrspolitik und der eigenen Verantwortung zu klären. Es ist nicht richtig, derartige Sachen abzuschieben; man muss sich schon der eigenen Verantwortung bewusst sein.

Herr Bundesrat Winter! Ich bin ganz bei Ihnen, wenn Sie sagen, dass es darum geht, den Postbediensteten nicht zu verunsichern. Daher glaube ich auch, dass es nicht der Polemik bedurft hat, als ich sagte, die Versorgung im ländlichen Raum sei wichtig. Ich sage noch einmal: Gerade dort ist es wichtig, dass die Erreichbarkeit gegeben ist. Gerade dort ist es wichtig, dass die Leute ihre entsprechenden Postdienststellen haben.

Herr Professor! Es wurden einige Fragen nicht richtig gestellt, da es nicht meine Zuständigkeit ist, aber ich werde mich nicht an Formalitäten binden und werde darauf die entsprechenden Antworten geben. Sie bestätigen auch, dass es in der richtigen Richtung geschah. Ich bin ganz Ihrer Meinung und werde alles tun, um das zu unterstützen. Das bestätige ich Ihnen von hier aus. Das gilt auch für die neue Postuniversaldiensteverordnung.

Ein Punkt, den ich noch ansprechen darf, ist der Wiener Strategieplan, den es angeblich bereits gibt. Ich hoffe, dass auch ich diesen Wiener Strategieplan bald zu Gesicht bekommen werde. Er liegt zwar in der direkten Verantwortung des Herrn Landeshauptmannes, aber wenn Sie den Forschungsstandort ansprechen, so freut mich das ganz besonders, denn auch ich bin der Meinung, dass wir in Österreich alles dazu beitragen sollten, um das zu forcieren. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, wie es im Zusammenhang mit den Fehlentscheidungen des Infrastrukturbereiches oder meiner vermeintlichen Baustopps zu sehen war.

Aber ich sehe auch da, dass das gemeinsame Interesse – da bin ich ganz Ihrer Meinung – jenes ist, dass wir nicht nur Wien, sondern ganz Österreich weiterhin zu einem sehr starken Wirtschaftsstandort ausbauen sollten. Wir haben schon einen sehr guten Standort erreicht, und dazu trägt die Infrastruktur einen wesentlichen Teil bei. Ich bin mir auch sicher, dass alle ihren Beitrag dazu leisten werden, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen. Ich werde mich auf jeden Fall dafür einsetzen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegt noch die Wortmeldung von Herrn Bundesrat Weilharter vor. Ich bitte ihn, das Wort zu ergreifen.

17.49

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es war heute schon eine "beachtliche" Leistung der SPÖ, sich über die, wie ich meine, sehr präzisen und seriösen Antworten der Frau Bundesministerin zu alterieren und darüber zu mokieren. All jene Damen und Herren im Hohen Haus, die hier im Bundesrat schon einige Jährchen hinter sich gebracht haben, werden sich noch daran erinnern können, dass, als in der alten Koalition der damalige Finanzminister zur budgetären


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und finanziellen Lage Österreichs befragt wurde, aus dem Mund des damaligen Ministers Edlinger von dieser Regierungsbank aus nur mit Ja oder Nein geantwortet wurde.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ist Ihnen das vielleicht entgangen, oder ist das die Form der Präzision, die Sie sich wünschen? (Bundesrat Dr. Böhm: Selektive Wahrnehmung! – Ruf bei den Freiheitlichen: Klima hat gar nichts gesagt!)

Meine Damen und Herren! Danke für das Stichwort, Herr Kollege! Sie werden sich sicherlich auch noch daran erinnern können, dass der Fraktionsführer der Sozialdemokratie, Professor Konecny, heute am Beginn seiner Rede zur dringlichen Anfrage bemängelt hat, dass es Frau Bundesministerin Forstinger bisher verabsäumt hat, der Länderkammer ihre Präferenz zu erweisen. (Bundesrat Konecny: Reverenz! Ob sie eine Präferenz hat, weiß ich nicht!) Ich korrigiere: Ihre Reverenz zu erweisen.

Ich erinnere mich noch sehr genau – sicher viele von uns –: In den letzten vier, fünf Jahren sind viele dringliche Anfragen an den damaligen Regierungschef Mag. Klima gerichtet worden. Er war fast permanent durch Staatssekretär Wittmann vertreten. Nur ein einziges Mal nach drei Jahren hat er sich herabgelassen und hat dieser Länderkammer 20 Minuten seiner Zeit geschenkt. (Ruf bei den Freiheitlichen: Dann ist er wieder gegangen!)

Meine Damen und Herren! Es ist von Seiten der Sozialdemokratie der Einwand gekommen: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen! – Das ist in diesem Fall zutreffend. Sie hätten all diese Mokierungen, diese Alterierungen längst bei Ihren Regierungsmitgliedern in der Vergangenheit anbringen können.

Meine Damen und Herren! Es hat sich halt auch eines geändert – das möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ins Stammbuch schreiben –: Die Zeit der Illusion, die politischen Märchenstunden sind zu Ende. Antworten werden in Hinkunft präzis und mit Kompetenz gegeben (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), wahrheitsbezogen und realitätsbezogen, wenn es auch ab und zu weh tut, Herr Kollege Konecny. Das heißt “Österreich neu regieren”.

Weil Frau Kollegin Fuchs in ihrem Redebeitrag mehrmals ÖVP-Repräsentanten und Vertreter der ÖVP, insbesondere Herrn Dr. Görg aus Wien, zitiert hat: Frau Kollegin! Ist Ihnen nicht vielleicht ein Computerfehler unterlaufen, weil Sie die ÖVP so oft zitieren? – Sie sind nicht mehr in der Koalition mit der ÖVP! (Bundesrätin Fuchs: Ich wollte nur klarstellen, dass ...! Selbst diese deutlichen Hinweise sind missverstanden worden! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Es hat zwar Ihr Fraktionsführer, Professor Konecny, auf seine Art, wie wir sie alle kennen, aber doch sehr glaubwürdig versucht, die Notwendigkeit dieser dringlichen Anfrage aus seiner Sicht zu begründen, und in aller Deutlichkeit in Abrede gestellt, dass der Wiener Wahlkampf das Motiv für diese Dringliche wäre. Aber Frau Kollegin Fuchs hat ihn in ihren Schlussbemerkungen doch wieder erwähnt und auf den Punkt gebracht, dass es Ihnen bei dieser Anfrage gar nicht um die österreichische Infrastruktur, um die österreichischen Verkehrswege geht, sondern darum, den Wiener Wahlkampf in dieses Hohe Haus zu bringen. (Bundesrätin Fuchs: Das haben Sie auch falsch verstanden! Genau das Gegenteil habe ich gesagt! – Bundesrat Konecny: Das ist wirklich an den Haaren herbeigezogen!)

Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratie hat sich wieder einmal in diesem Haus entlarvt, und ich kann nur eines sagen, Herr Professor Konecny: Sie werden Opposition lernen. Sie werden lernen, die demokratischen Einrichtungen einzusetzen, Sie werden aber von der derzeitigen Regierung, von den Regierungsparteien viel Zeit und hoffentlich viele Jahre zum Lernen bekommen! (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen sowie Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

17.54

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.


Bundesrat
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Die Debatte ist daher geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir nehmen die Verhandlung zur Tagesordnung wieder auf.

Wir setzen die Verhandlung über den Tagesordnungspunkt 4 fort. Es ist dies ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz).

Zu Wort kommt Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

17.55

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Herrn Kollegen Prähauser für die Einsicht danken – wo ist er denn? (Bundesrat Konecny: Er ist schon unterwegs!) –, die er heute in diesem Hohen Hause an den Tag gelegt hat, indem er selbstkritisch gemeint hat, dass das bestehende Privatradiogesetz von der vergangenen Bundesregierung sehr halbherzig entwickelt wurde, das dann beschlossen wurde. Er hat gesagt, die SPÖ wollte den ORF dabei besonders schützen, und dies wäre der Grund dafür gewesen, dass dieses Gesetz letztendlich verfassungswidrig zu Stande gekommen ist. Es hat uns nun der Verfassungsgerichtshof aufgefordert, ein neues Privatradiogesetz zu schaffen.

Dieses neue Privatradiogesetz liegt nunmehr vor. Die Bundesregierung ist angetreten, die Altlasten in diesem Bereich, so wie in vielen anderen Politikfeldern, aufzuarbeiten, auch den Stillstand in der Medienpolitik zu überwinden und neue Perspektiven einer modernen und zukunftsorientierten Medienpolitik zu entwickeln.

Herr Bundesrat Prähauser hat gemeint, er sei für das alte Gesetz mitverantwortlich gewesen. Meiner Meinung war es schon ein sozialdemokratischer Bundeskanzler, der für die Medienpolitik hauptverantwortlich gezeichnet hat, und ich glaube, das sollte man in diesem Zusammenhang auch erwähnen.

Wenn die SPÖ in der Vergangenheit von Medienpolitik gesprochen und vor allem wenn sie medienpolitisch gehandelt hat, ist es ihr vorrangig um die Wahrung und sogar um den Ausbau ihrer ureigensten Interessen gegangen. Dazu merkt heute der "Kurier" in seinem Bericht über die neue Medienbehörde an: "Heftige Kritik an den jahrelangen Versäumnissen der Medienpolitik in Österreich." – Der Autor ist kein Geringerer als Wolf-Dieter Ring, Leiter der Bayerischen Landesmedienanstalt.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Jetzt hat diese Regierung das neue Privatradiogesetz vorgelegt, und zentraler Punkt dieser Konzeption ist es, das bisher zweigeteilte Bewilligungsverfahren für Privatradioveranstalter zusammenzuführen und die Prüfung sowohl in rundfunkrechtlichen als auch in fernmelderechtlichen Aspekten einer zentralen Regelungsbehörde zu übertragen.

Dieses neue Privatradiogesetz ist nicht nur verfassungskonform, sondern es bringt auch wichtige medienpolitische Fortschritte, so unter anderem die Öffnung der bisherigen Beschränkungen für Medieninhaber und die Möglichkeit der Mehrfachbeteiligungen an Hörfunkveranstaltern. Ein weiterer Fortschritt ist die neue Regelung, nach der in Hinkunft die Zuordnung von Übertragungskapazitäten durch die Regulierungsbehörde von Amts wegen laufend auf die Doppel- und Mehrfachversorgung zu überprüfen ist.

Alles in allem gesehen ist das vorliegende neue Privatradiogesetz ein medienpolitischer Quantensprung aus der Verfassungswidrigkeit der alten SPÖ-Medienpolitik in die Normalität moderner und zukunftsorientierter Rahmenbedingungen im Hörfunkbereich.


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch eine kritische Betrachtung aus der Warte der Länderkammer, nämlich was die Mitbestimmung und die Mitentscheidung in der noch zu bildenden Medienkommission betrifft.

Gemäß § 3 Abs. 2 letzter Satz steht den Ländern in dieser noch zu bildenden Kommission lediglich der Besetzungsvorschlag für ein einziges Mitglied in der Medienkommission zu, und dieses ist außerdem in dieser Funktion nur nebenberuflich tätig.

Bei der Bestellung der übrigen Mitglieder der Medienkommission – diese soll aus 13 Mitgliedern bestehen – ist die Bundesregierung an Besetzungsvorschläge des Hauptausschusses des Nationalrates gebunden. Den Vorsitz der Medienkommission führt ein geschäftsführendes Mitglied dieser noch zu bildenden "KommAustria". (Präsident Ing. Klamt übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte als Vertreter eines Landes schon feststellen, dass angesichts dessen, dass gemäß § 3 Abs. 2 des Entwurfes zum Privatradiogesetz in der Zulassung das Versorgungsgebiet festzulegen ist, und im Hinblick auf den damit zusammenhängenden Lokalbezug – es geht da um Lokalradio, das sehr wohl Länderinteressen betrifft – die Reduzierung der nach dem geltenden Radiogesetz bisher existierenden drei Ländervertreter auf ein Mitglied in der "KommAustria" den Erfordernissen der Länderinteressen keineswegs entspricht und sachlich nicht gerechtfertigt ist. Es ist daher auch von der Warte der Länderkammer aus die dringende Forderung zu erheben, diese zu bildende Kommission auch den Bedürfnissen und Interessen der Länder entsprechend einzurichten – ich habe schon die Festlegung des Versorgungsgebietes und so weiter genannt. – Ich glaube, wenn dieser Mangel in den nächsten Tagen behoben wird, steht einer modernen und zukunftsorientierten Medienpolitik nichts mehr im Wege.

Da ich gerade bei den berechtigten Länderinteressen bin und Kollege Stefan Prähauser – ich bitte, ihm das auszurichten; ich glaube, er ist nicht mehr im Hause – in seiner Abschiedsrede angeboten hat, in seiner neuen Funktion im Nationalrat auch für die berechtigten Interessen der Länderkammer einzutreten, möchte ich ihm gleich eines mitgeben, nämlich den Antrag auf Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates zu Gesetzesvorschlägen, der einstimmig von allen Gruppen des Hauses unterschrieben und beschlossen wurde. Damit kann er dann im Nationalrat auch gleich sein Versprechen einlösen, sich auch für die Interessen der Länderkammer, der er mehrere Jahre lang angehört hat, zu verwenden und einzutreten. Ich bin überzeugt davon, dass die offenen Fragen, die damit verbunden sind und die in diesem Zusammenhang angesprochen werden müssen, dann auch einer im Sinne der Länder zufrieden stellenden Lösung zugeführt werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

18.03

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Jürgen Weiss. Ich erteile ihm das Wort.

18.03

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ersatzweise und übergangsweise ausgestellten Lizenzen für den Betrieb von Privatradio von Gesetzes wegen mit 29. Juni befristet sind, gibt es aus Ländersicht ein großes Interesse daran, dass das Gesetz tatsächlich am 1. April in Kraft treten kann und die Voraussetzungen dafür schafft, dass in gesetzeskonformer Weise kein Stillstand im Privat- und Regionalradio eintritt.

Es ist bezeichnend für die von den Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion vorgebrachten Ablehnungsgründe, dass sie dafür kein einziges föderalistisches Argument ins Treffen geführt haben – was, wenn man schon einen Einspruch einer Länderkammer haben möchte, wohl nahe liegend wäre. Es wäre auch tatsächlich schwierig, ein solches Argument zu finden, weil ein wesentlicher und Kritik hervorrufender Mangel des Begutachtungsentwurfes dadurch bereinigt wurde, indem das Stellungnahmerecht der Länder, das sie im bisherigen Regionalradiogesetz hatten und das im Begutachtungsentwurf gefehlt hat, in den Gesetzesbeschluss wieder aufgenommen wurde.


Bundesrat
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Bei Gesetzesbeschlüssen ist es teilweise ähnlich wie bei Verträgen: Es kommt sehr stark auf das Kleingedruckte beziehungsweise hier auch auf das Nicht-Beschlossene an. Das betrifft zwei wesentliche Bereiche: zunächst einmal die Frage, was denn diese Regulierungsbehörde sei, der im Privatradiogesetz mehrere Aufgaben zugewiesen werden, ohne dass dem Gesetz selbst entnommen werden könnte, wie diese Behörde kreiert wird, wie sie zusammengesetzt ist und dergleichen mehr. – Das hat natürlich seine Ursache darin, dass nicht gleichzeitig im Nationalrat und damit auch bei uns im Bundesrat das "KommAustria"-Gesetz, sage ich jetzt vereinfacht, beschlossen werden konnte – die Regierungsvorlage und der Ausschussantrag haben im Nationalrat nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit gefunden, und daher kommt es nicht zu dieser gleichzeitigen Beschlussfassung, die an sich wünschenswert gewesen wäre.

Es gibt inzwischen einen Selbständigen Antrag, der zeitgerecht zum 1. April, dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes, Klarheit darüber schaffen soll, wie diese Regulierungsbehörde zusammengesetzt ist, wie sie tätig wird und dergleichen mehr.

Zum Nicht-Beschlossenen gehört in diesem Zusammenhang auch eine entsprechende Repräsentanz der Länder in den Beratungsgremien. – Es wurde schon darauf hingewiesen: Die Länder hatten bei der früheren Privatradiobehörde eine gewisse Zahl von Mitgliedern, die über ihren Vorschlag bestellt wurden; die Regierungsvorlage für die "KommAustria" sah ebenfalls die Berücksichtigung eines Ländervertreters vor. Der Selbständige Antrag tut das nicht mehr. Ich möchte daher anknüpfen an das, was meine Kollegen Hösele und Kneifel schon deponiert haben, und nachdrücklich ersuchen, das nachzubessern und jedenfalls den Stand der Regierungsvorlage herzustellen. Es ist nicht recht verständlich, dass das, was in einer Regierungsvorlage offenbar als sinnvoll angesehen wurde, jetzt im Kleide eines Selbständigen Antrages zu Lasten der Länder nicht mehr sinnvoll sein sollte.

Wir bedauern natürlich aus mehrfachen Gründen – einerseits aus Gründen der Rechtsklarheit, andererseits auch aus Gründen medienpolitischer Grundsatzüberlegungen –, dass diese unabhängige Regulierungsbehörde, die mit diesem Bundesverfassungsgesetz hätte geschaffen werden sollen, nicht zu Stande kam. Ich halte die Integration audiovisueller Medien, von Rundfunk, auch neuen allgemein verbreiteten Medien wie Internet und dergleichen mehr, für inzwischen so weit fortgeschritten, dass es unerlässlich ist, das auch legistisch und gesetzgeberisch ganzheitlich zu sehen und der Verwaltung auch die entsprechenden Grundlagen dafür zu geben.

Dass dieses Bundesverfassungsgesetz im Nationalrat nicht die erforderliche Mehrheit fand, ist auf der einen Seite bedauerlich, auf der anderen Seite enthebt es die Fraktionen des Bundesrates einer Antwort auf die Frage, ob wenigstens gegen eine Ausbootung des Bundesrates selbst einmal ein Einspruch erhoben werden sollte. Es war nämlich, da es sich um eine unabhängige Behörde handelt, notwendig, im Verfassungsrang ein entsprechendes Interpellationsrecht der gesetzgebenden Organe, so wie das jetzt – nicht hinsichtlich aller Teile der Tätigkeit der Privatrundfunkbehörde, aber doch beispielsweise hinsichtlich Fragen der Frequenzzuteilung und dergleichen mehr – gegeben war, auch künftig vorzusehen. Wenn ich "der gesetzgebenden Organe" gesagt habe, muss ich mich berichtigen: Es stand nur der Nationalrat darin.

Wir haben das im Begutachtungsverfahren kritisiert, und es hätte sich für uns die Frage gestellt: Was machen wir mit einem solchen Verfassungsgesetz, das uns in einer völlig sachwidrigen Weise nicht berücksichtigt? – Angesichts der nun schon über sechs Jahre andauernden allgemeinen Einspruchshemmung des Bundesrates und vor allem wegen der zu beachtenden zeitlichen Rahmenbedingungen – 29. Juni und entsprechende Vorlaufzeit – wäre die Antwort wohl nicht ganz leicht gewesen.

Ich möchte jetzt anknüpfen an das, was Kollege Gottfried Kneifel hier schon, an die Adresse von Kollegen Prähauser gerichtet, angesprochen hat: All das ist ein neuerlicher Hinweis darauf, wie wichtig die rasche Umsetzung des schon mehrfach in Aussicht genommenen Stellungnahmerechts des Bundesrates wäre, weil der Einspruch und insbesondere die Nichtzustimmung vielfach eine unverhältnismäßig scharfe Waffe sind, um die Interessen der Länder oder unsere eigenen Interessen durchzusetzen.


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 130

Das Vorabstellungnahme-Recht, das über die etwas beschwerliche Möglichkeit des Begutachtungsverfahrens hinausgeht und ein bisschen mehr Nachdruck verleihen kann, wäre wesentlich angemessener.

Da dieses Anliegen schon viele Jahre zurück stets von allen drei Fraktionen im Bundesrat gemeinsam vertreten wurde und das wohl auch, wie ich jetzt mit einem Blick auf die Praxis meine, mit Ermächtigung der Parlamentsklubs geschah, dürfte einem Beschluss im Nationalrat eigentlich nichts mehr im Wege stehen – es sei denn ein Nichts an Interesse an Länderstellungnahmen im Wege des Bundesrates. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

18.11

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Franz Morak. – Bitte, Herr Staatssekretär.

18.11

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Nur ein paar Anmerkungen zu dem substanziellen Beitrag des Herrn Vizepräsidenten des Bundesrates. Wir haben schon in der Pause, die uns der dringliche Antrag gegeben hat, darüber gesprochen, dass ich schon der Meinung bin und mir vorstellen kann, dass ich in dieser von ihm und von einigen seiner Vorredner angeregten Art und Weise tätig werden sollte und auch tätig werden werde, möchte aber darauf hinweisen, dass es sich natürlich, wie bereits von ihm angesprochen, um einen Selbständigen Antrag, also einen Initiativantrag, handelt. Ich glaube, wir werden das auf Klubebene beraten, und ich werde diesen, wie ich meine, guten Anregungen nahe treten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.12

Präsident Ing. Gerd Klamt: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht?  Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (350/A und 475 sowie 6300/BR der Beilagen)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und über Restitutionsmaßnahmen (Entschädigungsfondsgesetz) sowie zur Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des Opferfürsorgegesetzes (476 sowie 6301/BR der Beilagen)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 131

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird, und

ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und über Restitutionsmaßnahmen (Entschädigungsfondsgesetz) sowie zur Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des Opferfürsorgegesetzes.

Die Berichterstattung über die Punkte 5 und 6 hat Herr Bundesrat Gottfried Kneifel übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Gottfried Kneifel: Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird, bringen.

Ich gehe davon aus, dass dieser Bericht vollinhaltlich Ihren Unterlagen angeschlossen wurde und eine Verlesung im Detail daher nicht erforderlich ist.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Auch der zweite Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus, der den Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und über Restitutionsmaßnahmen (Entschädigungsfondsgesetz) sowie zur Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des Opferfürsorgegesetzes betrifft, ist vollinhaltlich den Anlagen beigeschlossen, sodass ich auf eine detaillierte Präsentation verzichte.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. – Bitte.

18.17

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was die beiden Gesetze betreffend Nationalfonds und Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus anlangt, darf ich zunächst sehr glücklich sagen: Die positive Einstimmigkeit aller vier Parteien im Nationalrat, von denen die Gesetzesbeschlüsse gleichermaßen getragen wurden, ist ein Verdienst der Bundesregierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Sie sind aber genauso von der Sozialdemokratie unter Heinz Fischer und vielen anderen und von den Grünen getragen worden.

Ich glaube, dass wir aber auch all jenen danken können, die mitgewirkt haben, vor allem dem stellvertretenden Finanzminister der USA Stuart Eizenstat, dem Botschafter Sucharipa, dem Botschafter Winkler, dem Vertreter der Wirtschaft Dr. Herbert Pichler, der heute hier anwesend ist, Maria Schaumayer, der Botschafterin der USA Hall und vielen anderen.

Mit dem Entschluss, den Opfern des Nationalsozialismus mit dem Nationalfonds zu helfen, widerrechtliche Enteignungen aus der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur rückgängig zu machen und den damals betroffenen jüdischen Mitbürgern und ihren Erben zu erstatten, was ihnen


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geraubt worden ist – soweit dies heute überhaupt noch möglich ist –, fällt eine Entscheidung von doppelter Dringlichkeit.

Die Dringlichkeit ist zum einem vom Zeitpunkt her gegeben: 56 Jahre nach dem Krieg, nach Ende des NS-Verbrechensregimes, darf es nicht mehr sein, dass die notwendige Wiederherstellung weiter hinausgezögert wird, soweit dies überhaupt noch möglich ist. Die Opfer von damals haben Anspruch auf die Wiederherstellung des Rechtsfriedens, der so lange gebrochen ist, wie die durch das Verbrechen herbeigeführte Lage anhält.

Doch nicht nur die Opfer haben ein Interesse an Gerechtigkeit und Rechtsfrieden; auch alle anderen, die sich nach dem Krieg die Aufgabe gestellt haben, eine materiell wie ethisch übergroße Hypothek abzuarbeiten, sollten alles tun, um dieses ihr Ziel auch zu erreichen und so einen Beitrag dazu zu leisten, dass mit Gerechtigkeit und dem Rechtsfrieden auch der Friede der Herzen und des Verzeihens das weitere Miteinander bestimmt.

Die Dringlichkeit, von der ich gesprochen habe, liegt aber auch in der Sache, nämlich in der Schwere der Verbrechen, die leider auch durch manche unserer Landleute begangen worden sind. Mit den offenen Fragen der Enteignungen verbinden sich Erinnerungen an noch viel schlimmeres, millionenfaches Leid, an Tod und Vernichtung, die wir ohnehin nicht aus der Welt schaffen können.

Umso mehr muss es unser Ziel sein, das wieder in Ordnung zu bringen, was unserer Zuständigkeit und Entscheidung unterliegt. Erst jetzt wurde vom Bund so manches von den Nazis geraubte Gut wieder an die Eigentümer zurückgegeben. Diesbezüglich hat vor allem auch Frau Bundesministerin Gehrer gehandelt.

Dies gilt aber auch auf Landes- oder Gemeindeebene dort, wo noch nicht alles gerichtet ist. Ich halte es beispielsweise für sehr positiv, dass die Stadt Wien dahin gehend aktiv geworden ist, dass die HAKOA-Sportanlage, die jüdische Sportanlage, wieder errichtet wird.

Es gibt Sünden, die ihre Strafen in sich bergen. Im größten Umfang gehört die Verfolgung der Juden in Österreich im Rahmen des Nationalsozialismus dazu. Im Zuge dieser Ereignisse wurde eine über lange Zeit überaus fruchtbare und harmonische Einheit brutal zerstört, die durch Jahrhunderte jüdische Mitbürger mit denen christlichen Glaubens verbunden hatte. Diese Zerstörung brachte deren Opfern Verfolgung und Tod, den Tätern aber keinen Gewinn. – Wer weiß, in welch überproportional großem Umfang im alten Österreich Juden zum wirtschaftlichen wissenschaftlichen und künstlerischen Glanz beigetragen haben, der kann ermessen, wie sehr sich die Verblendung des Hasses gegen alles Menschliche richtete. Nobelpreisträger, weltberühmte Literaten, Wissenschaftler, wertvollste Landsleute, Männer, Frauen und Kinder wurden vom Verbrechensregime der Nazis verfolgt, vertrieben und umgebracht.

Darum verbinde ich mit der heutigen Entscheidung die Hoffnung, dass diese auch als Wegweiser zum Wiedererstehen und Wiedererblühen neuer jüdischer Gemeinden in Österreich beiträgt. Aus Deutschland, wo man mit diesen Bemühungen schon einige Schritte weiter ist, gibt es Beispiele, die zu Hoffnung Anlass geben. Die Quote der aus Russland emigrierten Juden, die sich auf Dauer in Deutschland niederlässt, ist erstaunlich hoch.

Wir aber haben das eigene Haus zu richten, und dazu haben wir heute einen wichtigen Beitrag, spät, aber doch, geleistet. Dabei soll auch nochmals bedacht werden, dass sich die Parteien in dieser Frage in seltener Einmütigkeit zusammengefunden haben. Es gibt eben nicht nur die Hässlichkeit des ewig Unbelehrbaren, sondern auch die Schönheit eines gemeinsamen Gedankens und Wollens, was sich auch zum allgemeinen Wohlergehen auswirken wird.

Der neue Sprecher des US Außenamtes Richard Boucher stellte am 1. Februar fest, dass die USA sehr zufrieden sei, dass es zu diesem Abkommen gekommen und dieses am 31. Jänner im österreichischen Nationalrat umgesetzt worden ist. Bei der internationalen Holocaustkonferenz am 1. Februar wurde dieses äußerst positiv dargestellt und begrüßt. Es war eine große Leistung aller Beteiligten, dass innerhalb von dreieinhalb Monaten eine so komplexe Materie


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ausverhandelt werden konnte. Daher gilt es, allen Beteiligten sehr zu danken, auch der Wirtschaft und jenen österreichischen Firmen, die finanziell dazu beitrugen.

Gottlob ist es zu dieser Einigung gekommen, welche von allen Parteien gemeinsam getragen wird, und zwar nicht nur im Nationalrat, sondern mit erfreulicher Sicherheit auch hier im Bundesrat! – Danke sehr. (Allgemeiner Beifall.)

18.24

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach. – Bitte.

18.24

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Es sei mir gestattet, heute auch die Beamten auf der Beamtenbank zu begrüßen, denn sie haben sehr Wertvolles für uns geleistet! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Wir werden heute zwei Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates zustimmen, die uns – lassen Sie mich das, hoffentlich nicht unpassend, so formulieren – von einem Gewissensdruck befreien. Immer schon war den Verantwortlichen und Verantwortungsbewussten in diesem Staat klar, dass Zeichen gesetzt werden müssen, die Bedauern und gleichzeitig den Willen zum Gutmachen von erlittenem Unrecht deutlich erkennen lassen. Doch für die Umsetzung fehlte sehr lange der gesellschaftliche Konsens. Die Geschichte um die Maßnahmen der Republik für die Opfer ist so alt wie die Zweite Republik selbst.

Bei der Betrachtung der Entwicklung der verschiedensten Maßnahmen im Laufe der Zeit sehen wir sehr deutlich den jeweiligen gesellschaftlichen Bewusstseinsstand. In diesem Zusammenhang muss man kritisch bemerken, dass jenen Gruppen, die schon vor 1938 einem starken Druck und Vorurteilen ausgesetzt waren, auch nach 1945 relativ große Schwierigkeiten bei der Erlangung von Entschädigungen gemacht wurden. Durch mühevolle jahrzehntelange Arbeit von großartigen Menschen – ich nenne jetzt zwei beim Namen, nämlich Professor Erika Weinzierl und Rosa Jochmann – ist es gelungen, die Herzen und Hirne zu öffnen. Wenn es nämlich keinen gesellschaftlichen Grundkonsens gibt, können wir als Parlamentarier uns zwar etwas wünschen, die Menschen werden uns aber keine Gefolgschaft leisten.

Meine Damen und Herren! Es ist vor allem Herrn Botschafter Sucharipa und Herrn Botschafter Winkler sowie Herrn Dr. Pichler aus dem Bereich der Wirtschaft, aber auch allen anderen zu danken, die am Zustandekommen des Abkommens und den sich daraus ergebenden Gesetzesbeschlüssen mitgewirkt haben! Zu danken ist dem Nationalfonds mit Präsident Fischer an der Spitze. Er hat mit unendlicher Feinfühligkeit Österreichs Position bei jeder nur möglichen Gelegenheit im Ausland erklärt. Zu danken ist den Zeitzeugen, die seit Jahren in die Schulen gegangen sind, um die Jugend zu sensibilisieren. Auch das hat mein verehrter Vorredner schon gesagt. Es ist den Opfern für ihre Geduld zu danken, und ich glaube, wir sollten ihnen auch dafür danken, dass sie die Bitte um Vergebung und den Willen zur Versöhnung anerkannt haben.

Meine Damen und Herren! Die, die sich heute an Erlebtes und Erlittenes oder auch Erzähltes erinnern können, tun dies auf unterschiedlichste Weise in Abhängigkeit von ihrer eigenen einstigen Rolle beziehungsweise oder auf Grund von später gewonnenen Einsichten und Haltungen. Noch immer ist es leider häufig den einen unmöglich, davon zu sprechen, was ihnen oder ihren Verwandten geschehen ist, andere wiederum schweigen in dem Bewusstsein, was sie oder die Ihren getan oder schlicht und einfach unterlassen haben. Doch Sprachlosigkeit, so verständlich sie im Einzelfall auch sein mag, bringt unsere Gesellschaft nicht weiter, wenn wir wollen, dass es am Ende unserer Bemühungen Versöhnung gibt.

Unser Gerechtigkeitssinn muss uns befähigen, in gleicher Weise mitzufühlen, wenn wir einerseits daran denken, wie Vater, Onkel oder Großvater in einem Krieg, den er selbst nicht wollte, seelisch und körperlich verstümmelt wurde oder vielleicht irgendwo unter Qualen erfroren ist, und wenn wir andererseits durch ein Dokument etwas über das Schicksal des Kaufmannes Blumenschein erfahren. Dem Dokument aus dem Verzeichnis über das Vermögen von Juden mit der Aktenzahl 13133 hat Herr Leopold Blumenschein eine handschriftliche Erklärung pflichtge


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mäß beigefügt. – Ich habe hier eine Kopie dieses Originaldokuments. Der Brief ist vom 10. Dezember 1938. Leopold Blumenschein schreibt an die Vermögensverkehrsstelle in Wien. "Unter Hinweis auf meine im Juli des Jahres dortamts eingebrachte Vermögensaufstellung gebe ich höflichst die Veränderung bekannt. – Am 10. November 1938 wurde mir aus meinem versperrten Geschäftslokal in Wien XIV ... die Ware beschlagnahmt und weggeschafft. ... Ich bitte nun, diese Mitteilung gefälligst zur Kenntnis nehmen zu wollen. Hochachtungsvoll Leopold Blumenschein."

Heute wissen wir, dass die Ereignisse des Novemberpogroms nur der Beginn des Leidensweges von Herrn Blumenschein waren. Er wurde schließlich im KZ ermordet.

Sollte er aber einen überlebenden Verwandten haben und dieser einmal mit dem Sohn des erfrorenen Soldaten zusammentreffen, und sollten beide einander sagen können: Ich begreife deinen Schmerz, ich leide mit dir!, dann, meine Damen und Herren, sind wir am Ziel unserer Hoffnungen für ein gemeinsames Österreich! – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

18.32

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. – Ich erteile es ihm.

18.32

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wenn heute alle Fraktionen der Zweiten Kammer in parteienübergreifendem Konsens einhellig beiden Vorlagen zustimmen, so beschließen wir damit eine Regelung, die in mehrfacher Hinsicht einen historisch bedeutsamen Schlusspunkt setzt.

Erstens ist es ein Schlusspunkt nach einer bedauerlichen langjährigen Verzögerungspolitik früherer Regierungen. Es kann aber kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass das wieder erstandene Österreich, die Zweite Republik, angesichts ihrer zunächst tristen ökonomischen Lage durchaus beachtliche Bemühungen unternommen hat, das schwere Unrecht, das den Opfern des Nationalsozialismus zugefügt worden ist, nach Kräften materiell auszugleichen; ein Unrecht, das freilich nicht vom österreichischen Staat ausging, der völkerrechtlich gar nicht mehr existierte - so die Annexionstheorie - beziehungsweise zumindest nicht mehr handlungsfähig war, weil er von reichsdeutscher Herrschaft überlagert war - so die heute herrschende Okkupationstheorie.

Dass die angesprochenen Unrechtsakte somit dem politischen System eines totalitären Regimes und klarerweise nicht der demokratischen Republik Österreich zuzurechnen sind, kommt in der Wendung zum Ausdruck, dass wir mit den vorgesehenen Entschädigungen rein rechtlich gesehen eine freiwillige Leistung erbringen. – Darauf wurde schon hingewiesen. Die maßgebliche Beteiligung österreichischer Akteure an menschenrechts- und grundrechtswidrigen schwersten Übergriffen nicht nur in Reichsstellen, sondern in großer Zahl auch auf österreichischem Gebiet rechtfertigt jedoch allein schon aus rechtsethischen Gründen die heute zu beschließenden Maßnahmen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich wiederholen, dass ich keineswegs leugne, dass in dieser Richtung nicht auch schon früher wichtige Restitutionsakte erfolgt wären. So verweise ich etwa auf das Nichtigkeitsgesetz von 1947 und die sieben Rückstellungsgesetze, auf Grund welcher 43 000 Rückstellungsverfahren abgewickelt wurden, auf zahlreiche Regelungen im Bereich der Opferfürsorge, insbesondere auch auf pensionsrechtliche Sondervorschriften und schließlich auf das Nationalfondsgesetz, um dessen Novellierung es unter anderem auch heute geht, sowie auf das Gesetz über die Restitution von Kulturgut.

Richtig ist aber auch, dass man sich in Bezug – ich erwähne jetzt nur einen Teilbereich – auf entzogene Mietwohnungen und darin verbliebenen Hausrat bis heute zu keiner Entschädigung hatte durchringen können. 150 Millionen Dollar sollen diese Verluste künftighin ausgleichen; sonstige offene Entschädigungsansprüche sollen in der Gesamtabfindungssumme von 210 Millionen Dollar nach Möglichkeit Deckung finden.


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Meine Damen und Herren! Sie werden – vor allem auch auf Seiten der SPÖ – verstehen, wenn ich mit einer gewissen inneren Befriedigung hervorhebe, dass es zu einer diese letzten Gerechtigkeitsdefizite bereinigenden Lösung erst in einer Regierungskonstellation gekommen ist, der die FPÖ angehört, während eine solche Regelung früheren Regierungen unter Führung der SPÖ leider nicht geglückt ist. Das erwähne ich jetzt bloß deshalb, weil die gegenwärtige Bundesregierung und insbesondere meine sie mittragende Fraktion noch vor kurzem EU-weit verfemt war, und dies nicht zuletzt wegen der völlig unzutreffenden Unterstellung, dass sich die FPÖ nicht klar genug von der NS-Vergangenheit distanziert hätte. Auch daran wird deutlich, welche Heuchelei hinter den im Anschluss an die Konferenz in Stockholm 1999 beschlossenen Sanktionen der EU-14 stand!

Aber kehren wir zum parteienübergreifenden Positiven zurück! Den die gewiss äußerst schwierigen Verhandlungen führenden österreichischen Repräsentanten – sie wurden heute schon zu Recht von den Vorrednern genannt, allen voran Sonderbotschafter Dr. Ernst Sucharipa und Botschafter Dr. Hans Winkler – sind voller Respekt und hohe Anerkennung für ihre verdienstvolle Leistung zu zollen! Diese besteht darin, dass es gelungen ist, das rechtsethisch Gebotene – Frau Präsidentin Haselbach hat von einem Gewissensdruck gesprochen – mit dem realpolitisch und finanziell Vertretbaren in einem konsensual erzielten Verhandlungsergebnis zu vereinen.

Erlauben Sie mir noch eine weitere Klarstellung. – Wie auch Abgeordneter Dr. Harald Ofner im Nationalrat zutreffend betont hat, darf selbst eindeutig eingetretener Verjährung oder Verfristung, die im Normalfall zum Anspruchsverlust führt, im Kontext von Menschenrechtsverletzungen keine rechtliche Relevanz zukommen. Freilich sei aus diesem Anlass gleichzeitig bemerkt, dass Verjährung ebenso wenig ein Argument dafür sein kann, um Opfer der kollektiven Vertreibung und entschädigungslosen Enteignung von Volksdeutschen ost- oder südostdeutscher Staaten rechtlos zu stellen. Dabei geht es mir nicht um die verpönte historische "Aufrechnung", die in diesem Zusammenhang völlig verfehlt wäre, und zwar schon angesichts der ganz unterschiedlichen und miteinander kausal gar nicht verknüpften Opfergruppen. Vielmehr geht es darum – das habe ich, wie auch Abgeordneter Dr. Ofner in der erwähnten Nationalratssitzung am 31. Jänner 2001, aus vergleichbarem Anlass bereits früher im Bundesrat betont –, dass das Recht und daher natürlich auch das Unrecht unteilbar sind. Mit der stets problematischen Aufrechnung von Schuld, die sich auf verschiedene Seiten verteilt, hat das auch deshalb nichts zu tun, weil die Kompensation als rechtliches Institut die wechselseitige volle Tilgung, also ein Nullsummenspiel, bedeutet. Mit anderen Worten ist ein beiderseitiges politisch historisches Unrecht, vor allem wenn es nicht in einem Kausalnexus steht, niemals kein Unrecht mehr, sondern bleibt vielmehr stets doppeltes Unrecht.

Wenn ich von Schlusspunkten sprach, so meine ich allerdings auch, dass es mit der vorliegenden Regelung zugleich einen prinzipiellen rechtlichen Schlussstrich unter weitere materielle Entschädigungsforderungen geben muss; ist doch damit eine letzte echte Lücke geschlossen worden. Wir erkennen und akzeptieren dabei durchaus, dass an sich nicht abzugeltende ideelle und emotional nachwirkende Beeinträchtigungen dennoch offen bleiben. Sie müssen allerdings, so weit das überhaupt möglich scheint, auf ihrer je eigenen Ebene behandelt werden. Der vornehmlich materiellen Ansprüchen verpflichtete Gesetzgeber kann das gewiss nicht leisten. In diesem Sinne erscheint es mir begründet, wenn es der Nationalrat in seinem Entschließungsantrag begrüßt – ich zitiere –, "dass die Restitutions- und Entschädigungsgesetzgebung jetzt abgeschlossen werden konnte".

Damit komme ich noch zu einem kritischen Punkt. Analog zum Prozedere im Rahmen der Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter strebt Österreich auch bei der vorliegenden Regelung "Rechtsfrieden" mit den USA an. Dieses Ziel soll zweistufig erreicht werden. Diejenigen Anwälte der Organisationen der Geschädigten, welche die Vereinbarung zwischen den Vereinigten Staaten und Österreich mit unterfertigt haben, verpflichten sich darin, die von ihnen eingereichten Sammelklagen zurückzuziehen. Da das jedoch nicht alle anhängigen Gerichtsverfahren erfasst, haben die Vereinigten Staaten verbindlich erklärt, ein so genanntes "Statement of Interest" zu erlassen. Damit wird den Gerichten notifiziert, dass es die USA als ihren außenpolitischen Interessen zuwiderlaufend erachten, wenn die Gerichte Klagen in diesen zwischenstaatlich geregelten Angelegenheiten in der Sache behandeln und ihnen stattgeben.


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Freilich sind die Gerichte im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit und das natürlich auch nach der amerikanischen Verfassung geltende Prinzip der Gewaltenteilung an diese politische Erklärung der US-Administration nicht gebunden. In den bisherigen Präzedenzfällen haben die mit derartigen Sammelklagen befassten Gerichte allerdings eine entsprechende Erklärung der Regierung durchaus respektiert. Sie lehnten die sachliche Erledigung der Klagen mit dem Argument ab, dass die betreffende Materie dadurch keine reine Zivilrechtssache mehr sei, sondern vielmehr auf die völkerrechtliche beziehungsweise außenpolitische Ebene gehoben worden sei, für welche Zivilgerichte an sich nicht zuständig sind. Das von mir angedeutete Unsicherheitsmoment ist daher wohl in Kauf zu nehmen.

Alles in allem begrüßt meine Fraktion somit die im Interesse gerechter Aufarbeitung historischen Unrechts – soweit das heute überhaupt noch möglich ist – und im Zeichen versöhnenden Ausgleichs gefundene Lösung. Sie sieht darin die gebotene Schließung einer Lücke und zugleich den rechtlichen, wenn auch längst nicht tatsächlichen, Abschluss der materiellen Restitutionen. Sie ist sich auch des Zeitdrucks bewusst, unter welchem diese Entschädigungsleistungen erbracht werden müssten, sollen sie doch den wahren, individuellen Opfern, soweit sie noch am Leben sind, oder ihren Erben und nicht etwa abstrakten Organisationen und ihren Anwälten zugute kommen.

In dieser Intention stimmt meine Fraktion aus geschichtlicher Verantwortung und rechtsethischen Erwägungen beiden Vorlagen vorbehaltlos zu. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall. )

18.41

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Georg Keuschnigg. Ich erteile es ihm.

18.42

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir verabschieden heute in diesem Haus ein Paket von neuen und geänderten Gesetzen.

Es wurde schon in berührender Weise dargestellt, dass in diesem Zusammenhang der Rahmen der üblichen politischen Aktualität weit gesprengt wird und dass diese Gelegenheit uns alle zu politischer und historischer Besinnung innehalten lassen soll. Wenn wir – ich meine jetzt vor allem jene Generationen, die auf die Gnade der späten Geburt verweisen können – die aktuellen Ereignisse auf den Kriegsschauplätzen unserer Welt, von Tschetschenien und Palästina bis zum ehemaligen Jugoslawien – ohne in irgendeiner Weise einen Vergleich zulassen zu wollen – betrachten, dann wird ersichtlich, welch unermesslichen Wert Friede, Toleranz und Menschenwürde haben und dass die Sorge über die Verletzung der Menschenrechte ständig wachgehalten und geschärft werden muss. Der ehrlichen und konsequenten Aufarbeitung zumindest des materiellen Unrechtes des Naziregimes, die mit diesem Gesetzeswerk abgerundet wird, kommt deshalb hohe Bedeutung zu. Es muss dies ein Signal für alle Menschen dieses Landes, insbesondere auch für die Jugend, sein, welche Verantwortung uns die eigene Geschichte noch viele Jahre danach auferlegt und dass diese Verantwortung selbstverständlich und mit Nachdruck anzunehmen ist.

Das Bemerkenswerteste am Gelingen dieses Regelwerkes scheint mir das Maß zu sein, mit dem alle Beteiligten zu Werke gegangen sind. Nichts hätte die Würde der Betroffenen mehr geschädigt und vor allem deren auch seelischen Schmerz noch mehr vertieft als ein langwieriger, mühsamer Verhandlungsverlauf. Dafür, dass nach nur dreieinhalbmonatigen Verhandlungen ein anständiges Ergebnis vorliegt, ist vielen zu danken.

Als Erstes möchte ich die Bundesregierung nennen, weil sie keinen Zweifel daran gelassen hat, dass sie eine seriöse, ernsthafte Aufarbeitung und Erledigung dieser so leidvollen und belasteten Materie wirklich will. Sie hat das bei den Verhandlungen über die Entschädigungen für die Sklaven- und Zwangsarbeiter schon unter Beweis gestellt, und die Arbeit von Frau Dr. Schaumayer, die über alle Lager hinweg Anerkennung gefunden hat, hat natürlich auch in der Frage der Restitution den Weg gewiesen und jeden möglichen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der


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Vorgangsweise zerstreut. Auch mit der Auswahl von Dr. Sucharipa als Verhandlungsführer und seines Teams mit Botschafter Dr. Winkler und Dr. Pichler hat die Regierung eine sichere Hand bewiesen. Der Dank gilt im höchsten Maße auch den Vertretern der Opferverbände und deren Anwälten sowie der US-amerikanischen Regierungsdelegation mit Vizefinanzminister Stuart Eizenstat an der Spitze. Ohne deren Sinn für das Machbare, das Erreichbare und das vernünftige Maß der Dinge wäre eine so rasche Erledigung im Interesse aller nie möglich gewesen.

Bis dato ist aber auch der hierzulande seltene Fall zu beobachten, dass sich alle uneingeschränkt der staatspolitischen Verantwortung gestellt haben. Mir ist jedenfalls kein schriller Ton in Erinnerung, und die gemeinsame Beantragung und Beschlussfassung im Nationalrat sprechen für sich. Zu danken ist natürlich auch der Wirtschaft für ihren Beitrag und der gesamten Bevölkerung für den Rückhalt, den sie diesen Maßnahmen der Entschädigung entgegenbringt. Das Wort vom rotweißroten Konsens, das der Bundeskanzler gebraucht hat, trifft die Sache wohl im Kern.

In diesen Kontext passt sehr gut auch die Information, dass die Umsetzung der Zwangsarbeiterentschädigung – das diesbezügliche Gesetz ist erst am 27. November 2000 in Kraft getreten – mit Hochdruck läuft.

Gemessen werden wir letztlich an den Taten und nicht an den Worten. – Noch vor Weihnachten hat sich der Versöhnungsfonds unter dem Vorsitz von Botschafter Dr. Steiner konstituiert, und über die Feiertage wurden die Büros aufgebaut. In der Zwischenzeit wurden in den wichtigsten Herkunftsländern, insbesondere in Mittel- und Osteuropa, in Polen, Ungarn, Tschechien und in der Russischen Föderation sowie in der Ukraine, bereits Informationskampagnen abgewickelt und Verträge mit den Partner-, sprich Opferorganisationen abgeschlossen. Eine Datenbank ist im Aufbau begriffen. Sobald die Sammelklagen zurückgezogen sind, steht der Auszahlung nichts mehr im Wege.

Hohes Haus! Ich betone das hohe Tempo der Erledigung deshalb, weil wir damit nicht nur den formalen Rechtsfrieden gewinnen, der für unsere politischen und wirtschaftlichen Beziehungen so wichtig ist, sondern auch ein Stück Glaubwürdigkeit, das vielleicht noch mehr wiegt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, dass mit diesem Gesetzespaket die letzten Lücken bei der materiellen Entschädigung der Opfer – das echte menschliche Leid kann nie entschädigt werden! – des Naziregimes geschlossen werden. Damit wird ein weiteres Stück Klarheit und Sicherheit in mehrfacher Hinsicht geschaffen.

Wir verneigen uns vor den Opfern und bringen den Wunsch zum Ausdruck, für alle Zukunft, bei jeder Gelegenheit und immer wieder für Freiheit, Menschenwürde und die Unantastbarkeit des Lebens einzutreten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

18.47

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Marizzi. Ich erteile ihm dieses.

18.47

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Viele von uns waren schon bei verschiedensten Veranstaltungen in Konzentrationslagern, entweder in Mauthausen oder in Auschwitz, und viele, die hier anwesend sind, haben dabei wahrscheinlich so wie ich die Erfahrung gemacht, dass man nachher erschüttert ist, vielleicht tagelang über die schwärzeste Zeit unserer Geschichte nachdenkt und sehr betroffen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute in einem politischen Grundkonsens aller im Parlament vertretenen Parteien diese Gesetzesmaterien beschließen, dann sind wir der Überzeugung, dass dieses Parlament gemeinsam nach mehr als 50 Jahren über alle Parteigrenzen hinweg die durchaus richtigen Entscheidungen getroffen hat. Ich möchte auch nicht anstehen, besonders zu betonen, dass ich der derzeitigen Bundesregierung für das Tempo und das Handling der ganzen Angelegenheit sehr herzlich danke! Bis es so weit war, meine sehr


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geehrten Damen und Herren, waren allerdings heikle Verhandlungen vonnöten, und die entsprechenden Entscheidungen wurden gut vorbereitet. Herr Botschafter Sucharipa, Gesandter Winkler und auch Frau Präsidentin Schaumayer wurden heute schon einige Male erwähnt.

Ich möchte nichts wiederholen, was heute schon gesagt wurde. Unerwähnt ist noch geblieben, dass auch wir Österreicher Mitverantwortung tragen. Darauf hat der ehemalige Bundeskanzler dieser Republik Dr. Vranitzky in seiner Erklärung im Nationalrat 1991 und in seiner Erklärung 1993 in Israel hingewiesen. Letztlich hat es länger gedauert, schließlich ist aber eine von allen Seiten akzeptierte Lösung zu Stande gekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wiedergutmachung ist eine politisch, moralisch und rechtliche Forderung. Sechs Millionen Morde an Frauen, Männern, Kindern und Greisen kann man jedoch nie wieder gutmachen! Viele Betroffene sind gestorben. Viele sind krank, und diese werden dieses Gesetz als Geste aufnehmen, und so soll es auch sein. Es soll auch Gesten geben, denn mit Geld allein können Ungerechtigkeiten und Schrecklichkeiten in dieser Welt nicht mehr gutgemacht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die vom Nazi-Regime ermordeten sechs Millionen Menschen gibt es keine Wiedergutmachung. Es kann keinen Schlussstrich unter diese Geschichte geben, und es gibt auch keinen Schlussstrich unter den Holocaust. Aber es gibt nun Hilfe und Gesten für die lebenden Betroffenen. Daher danke ich der österreichischen Bundesregierung, dem Nationalrat, dem Bundesrat und allen, die letztlich an dieser Gesetzeswerdung mitgewirkt haben, und sage, dass meine Fraktion natürlich die Zustimmung gibt. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

18.52

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Franz Morak. – Bitte.

18.52

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke Peter Marizzi für seine klärenden Worte. Auf diese Weise wurde auch in dieser letzten Wortmeldung von SPÖ-Seite der rotweißrote Grundkonsens in dieser so schwierigen und so sensiblen Frage hergestellt. Eine Wortmeldung hat mich daran schon etwas zweifeln lassen.

Ich meine, es ist dies nun ein großer Augenblick in dieser Republik. Daher sollten wir auch hier im Bundesrat innehalten und uns nicht selbstgerecht beurteilen, sondern und dessen bewusst sein, dass die Bundesregierung ein Kapitel unserer Geschichte aufgearbeitet hat und diese Aufarbeitung hoch an der Zeit war.

Ich zitiere aus der Präambel der Regierungserklärung: "Die Bundesregierung bekennt sich zur kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Sie wird für vorbehaltlose Aufklärung, Freilegung der Strukturen des Unrechts und Weitergabe dieses Wissens an nachkommende Generationen als Mahnung für die Zukunft sorgen." – In Anbetracht dessen ist es besonders erfreulich, dass es am 17. Jänner gelungen ist, in der Frage der Restitution unrechtmäßig entzogener Vermögenswerte an jüdischem Eigentum nach nur viermonatigen Verhandlungen zu einer umfassenden Einigung mit der amerikanischen Regierung, den Opferverbänden und den Klagsanwälten zu kommen. Ich glaube, dass diese Einigung einen großen Schritt im Rahmen der Bemühungen seit Beginn der neunziger Jahre, den Opfern nationalsozialistischen Unrechts in Österreich die Hand zur Versöhnung zu reichen, darstellt.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Geschichte der Schaffung des im Parlament angesiedelten Nationalfonds, der Einsetzung der Historikerkommission, der Initiative zur Rückgabe von unrechtmäßig in den Besitz der österreichischen Bundesmuseen gelangten Kunstgegenständen, der Beteiligung Österreichs am internationalen Nazi Persecutee Relief Found und zuletzt der erfolgreichen Lösung der Entschädigungsfrage für Zwangsarbeiter.


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Heute liegt Ihnen nicht nur der auf der Rahmenvereinbarung zwischen Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel und Vizefinanzminister Stuart Eizenstat aufbauende Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich geändert wird, vor, sondern auch die Beschlussfassung eines eigenen Bundesgesetzes betreffend einen Entschädigungsfonds, mit welchem die Ergebnisse der Einigung vom 17. Jänner materiellrechtlich umgesetzt werden.

Wir haben es heute schon gehört: Wir verdanken es der aufopfernden Tätigkeit unserer Beamten und insbesondere Sonderbotschafter Dr. Sucharipa und Botschafter Dr. Winkler, die mit viel Verhandlungsgeschick mit Vizefinanzminister Stuart Eizenstat die so genannte gemeinsame Erklärung vom 17. Jänner konsensfähig gemacht haben und seither in Rekordzeit das vorliegende Gesetzeswerk zur raschen rechtlichen Umsetzung der Maßnahmen in einem umfassenden Entschädigungsfondspaket, das vor allem auch wichtige sozialversicherungsrechtliche Maßnahmen enthält, zu Stande gebracht haben.

Die nun gesetzten Maßnahmen werden im Bewusstsein getroffen, dass das Leid, das zwischen 1938 und 1945 in unserem Land als Folge von Diktatur und Rassenwahn hervorgerufen wurde, mehr als ein halbes Jahrhundert später materiellrechtlich nicht wieder gutgemacht werden kann. Das heißt, das dieser Vertrag, wie Dr. Wolfgang Schüssel schon in der Debatte im Nationalrat gesagt hat, nicht der moralische Schlussstrich unter alles sein kann, was geschehen ist. Es ist dies aber doch ein Versuch, für die Zukunft möglichst große Rechtssicherheit für alle Betroffenen in Österreich zu schaffen. Dieser Vorschlag stellt daher in erster Linie auch eine Geste der Versöhnung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus dar.

Genauso wichtig wie diese materiell-rechtlichen Maßnahmen scheint mir das Wachhalten des Bewusstseins zu sein, dass zahlreiche Österreicherinnen und Österreicher in die Verbrechen des Nationalsozialismus involviert waren und an der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in weiten Teilen Europas aktiv mitgewirkt haben. Ich darf in diesem Zusammenhang das vor einigen Monaten enthüllte Mahnmal auf dem Wiener Judenplatz erwähnen. Es verleiht dieser schmerzhaften, aber wichtigen Erinnerung mit den eindrucksvollen Mitteln der Kunst einen sichtbaren Ausdruck. – In diesem Sinne danke ich Ihnen für den heute im Bundesrat erfolgenden Konsens bei den Diskussionen über dieses Gesetzeswerk. Es ist dies ein rotweißroter Konsens! Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

18.56

Präsident Ing. Gerd Klamt: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und über Restitutionsmaßnahmen (Entschädigungsfondsgesetz)


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sowie zur Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des Opferfürsorgegesetzes.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrechts des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

7. Punkt

Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 1999 (III-209-BR/2000 und 6302/BR der Beilagen)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 1999.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ing. Franz Gruber übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Ing. Franz Gruber: Herr Präsident! Geschätzte Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 1999.

Der dem Verfassungsausschuss vorliegende Bericht umfasst in dessen Hauptteil die Erfahrungsberichte der drei Volksanwälte. Geordnet nach Bundesministerien dokumentieren die Volksanwälte Dr. Christa Krammer, Horst Schender und Ingrid Korosec eine Reihe von Einzelfällen und machen auf generelle Probleme aufmerksam, mit denen sie im Rahmen ihrer Tätigkeit konfrontiert wurden. Darüber hinaus enthält der Bericht eine Reihe von legislativen Anregungen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich erteile es ihm.

19.01

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen der Volksanwaltschaft! Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft für das Jahr 1999 zur Diskussion vorliegen haben und zur Kenntnis nehmen, so handelt es sich fürwahr nicht um die letzten News der Republik. Ich glaube aber, es ist trotzdem notwendig und angebracht, an dieser Stelle den Damen Volksanwältinnen und dem Herrn Volksanwalt sowie auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Volksanwaltschaft ein herzliches Danke dafür zu sagen, dass dieses wichtige Instrument den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes die Möglichkeit gibt, wenn sie sich im Unrecht fühlen, eine entsprechende Anlaufstelle zu haben.

Dabei stehe ich nicht an, gewisse Dinge zu relativieren. Denn wenn im Jahr 1999 9 186 Eingaben an die Volksanwaltschaft erfolgt sind und wir einmal ungefähr schätzen, wie viele Fälle entschieden werden, so können wir davon ausgehen, dass wir ein hohes Maß an Rechtssicherheit und auch das subjektive Gefühl unserer Bevölkerung haben, dass sie gut in diesem Land eingebettet ist, was die Rechtssicherheit betrifft. Wenn dann noch dazu von diesen 9 186 Anträgen nur knapp 4 000 weiterverfolgt worden sind, so ist das ein weiterer Beweis dafür, dass,


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soweit es die Verwaltung überhaupt betrifft, dem Legalitätsprinzip in hohem Maß entsprochen wird.

Dem Bericht ist auch zu entnehmen – dafür sage ich ebenfalls danke –, dass die Volksanwaltschaft eine sehr bürgernahe Institution ist, weil auch die tägliche Erreichbarkeit per Telefon gegeben ist. Wenn ich den Bericht richtig analysiert habe, so kann ich herauslesen, dass von den 5 162 persönlichen und telefonischen Fällen nur 2 332 die Verwaltung betroffen haben und beinahe 3 000 privatrechtlichen Dingen gegolten haben. Auch das ist meiner Ansicht nach notwendig in einer Zeit, in der da und dort durchklingt, dass die Verwaltung ihren Aufgaben nicht ganz nachkommt.

Meine Fraktion wird diesen Bericht uneingeschränkt zur Kenntnis nehmen.

Ich habe heute im Laufe der Diskussion manches Mal den Eindruck gehabt, dass für den einen oder die andere Kollegin von der sozialdemokratischen Fraktion das Kreisky-Gedenkjahr sehr stark zum Tragen kommt. Man hat gesagt, man wird ja noch gescheiter werden dürfen. Kollege Prähauser hat beim Rundfunkgesetz gesagt: Na ja, wir haben einen Fehler gemacht. Kollegin Mertel hat in ihrem Debattenbeitrag am 31. Jänner zum Bericht der Volksanwaltschaft die Verwaltung und die Regierung kritisiert und dabei anscheinend außer Acht gelassen, dass es sich in dem Bericht um einen Zeitraum der Regierung Klima handelt. Ich weiß nicht, war die Sorge um den daheim gelassenen Grolli oder um die mitgenommenen Millionen so stark, dass Kollegin Mertel das nicht ganz objektiv gesehen hat? – Aber vielleicht ist auch das unter "Man wird ja noch gescheiter werden dürfen" zu subsumieren.

Ich möchte daher noch einmal festhalten, dass wir diesen Bericht uneingeschränkt zur Kenntnis nehmen.

Eines möchte ich jetzt als niederösterreichischer Mandatar feststellen; bedauerlicherweise ist Kollege Marizzi nicht im Saal. Ihm fällt reflexartig immer wieder eines ein, wenn niederösterreichische Organe angesprochen werden: Er tut dann immer so, als ob die Beschäftigten im Land Niederösterreich allein deswegen, weil sie bei Personalvertretungswahlen in einem relativ hohen Ausmaß der Wählergruppe des ÖAAB und der christlichen Gewerkschafter die Zustimmung geben, vielleicht schlechtere Verwaltungsbeamte wären. Ich werte das nicht. Ich halte nur fest, dass im Anhang 2 des Berichtes der Volksanwaltschaft die Beschwerdehäufung so dargestellt ist, dass im Burgenland und in Wien, also in zwei Ländern mit sozialdemokratischen Regierungsmehrheiten, die Beschwerdehäufigkeit am größten ist. (Volksanwältin Dr. Krammer: Die trauen sich mehr, die Burgenländer!)

Ich behaupte nicht das Gegenteil von dem, was Kollege Marizzi vielleicht immer suggestiv in den Raum zu stellen versucht, nämlich dass in Niederösterreich die Verwaltung schlechter ist. Ich stelle nur schlicht und einfach fest, dass sie in Niederösterreich gut ist, weil wir nach dem Motto "Näher zum Bürger" schneller zur Sache kommen und auch die Dinge zu lösen versuchen. (Bundesrat Winter: Stimmt nicht ...!)

In diesem Sinn darf ich festhalten, dass die ÖVP-Fraktion den Bericht der Volksanwaltschaft uneingeschränkt zur Kenntnis nimmt. (Beifall bei der ÖVP.)

19.06

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Kraml. Ich erteile es ihm.

19.07

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen der Volksanwaltschaft! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute also den 23. Bericht der Volksanwaltschaft, und die Fälle gleichen jenen der Vorjahre. Der Bericht zeigt die ganze Breite und die ganze Palette von Beschwerdefällen auf. Er zeigt auch, dass die Volksanwaltschaft bei den Beschwerdeführern eigentlich als der letzte Unterstützer gesehen wird, wenn sie um die Rechtsdurchsetzung kämpfen. Ich darf den Volksanwältinnen, dem Volksanwalt und dem ganzen Team recht herzlich für die Mitarbeit danken.


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Wenn Entscheidungen von Ämtern und Behörden in einem Bericht kritisch hinterfragt werden und dabei auch die Fehlleistungen der Ämter zutage kommen, sollte das als Ansatzpunkt für Verbesserungen dienen. Grundsätzlich meine ich, dass bei den Zigtausenden von Akten, die von den Gemeinden, Ländern und Bundesstellen jährlich zu erledigen sind, gute Arbeit geleistet wird und die Bürgerinnen und Bürger im Großen und Ganzen anstandslos zu ihrem Recht kommen.

Meine Damen und Herren! 9 186 eingebrachte Fälle führten laut Bericht zu 3 791 Prüfungsverfahren. 4 674 Verfahren konnten im Berichtszeitraum abgeschlossen werden. – Soweit die nackten Zahlen.

Hinter diesen Zahlen stehen aber auch Einzelschicksale, die für den einen oder anderen Beschwerdeführer zu großer Frustration gegenüber den Behörden führen. Ich sage immer: Wenn der Behördenmotor einmal zu stottern beginnt, dann stottert er zumeist sehr kräftig und sehr lang, und für die Beschwerdeführer folgt ein jahrelanger Leidensweg, der Nerven, Kraft und auch sehr viel Geld kostet.

Der vorliegende Bericht widerspiegelt die gesamte Bandbreite an Fällen, mit denen sich die Volksanwaltschaft befassen muss. Da geht es um Nichtberücksichtigungen bei Beförderungen, die zumindest einmal für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar sind, um Mobbing von nicht ganz bequemen Mitarbeitern oder um ungerechte Versetzungen. Bemerkungen im Bericht wie: "Friedlicher Urlaubsgast in Handschellen abgeführt", "Versäumung von Rechtsmitteln infolge von Nachlässigkeit der Behörde" oder "Auflagen wurden erteilt und nicht umgesetzt" dürfte es eigentlich nicht geben – es gibt sie aber.

Sehr oft kann man sich auch des Eindruckes nicht erwehren, dass die Behörde sich auf einen Justament-Standpunkt zurückgezogen hat und dem Beschwerdeführer das ihm zustehende Recht mit allen Mitteln verwehren will. Die Kosten für den Staat spielen dabei anscheinend keine Rolle, und wenn einmal eine Fehlentscheidung getroffen wird, dann dauert es meistens jahrelang, bis diese – wenn überhaupt – revidiert wird, nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. – Meine Damen und Herren! In solchen Fällen ist die Volksanwaltschaft die einzige Institution, die noch helfen kann. Der Einzelne ist da zumeist chancenlos. Die Volksanwaltschaft zeigt die Fälle aber nicht nur auf, sondern gibt in jedem Bericht auch Anregungen und schlägt Änderungen vor, um damit in genauso verfahrenen Fällen einen besseren Rechtszugang zu schaffen. Wenn man ganz ehrlich ist, muss man auch sagen, dass sich der Gesetzgeber nicht immer daran erinnert.

Meine Damen und Herren! Von der Verwaltung wird verlangt, dass sie schnell und effizient entscheidet. Das tut sie meistens, aber nicht immer, wie aus dem vorliegenden Bericht hervorgeht. Da ist zum Beispiel ein Bescheid aus dem Jahre 1991 noch immer offen, und in einem weiteren Fall ist eine Behörde seit sechs Jahren säumig. Diese Behörde ist – das darf ich Kollegen Schöls sagen – in Salzburg. Das gibt es also auch in anderen Bundesländern und nicht nur dort, wo es sozialdemokratische Landeshauptmänner gibt. (Bundesrat Schöls: Habe ich nicht behauptet! – Bundesrat Mag. Hoscher: Aber suggeriert!)

Wenn jahrelang herumgestritten wird und sich ein Heer von Beamten bis hinauf zu den höchsten Dienstklassen damit befasst, wie die Rechte der Bürgerinnen und Bürger abgewehrt werden können, dann kann nicht von "schnell und effizient" gesprochen werden. Die Verwaltung hat für den Bürger da zu sein und nicht umgekehrt, meine Damen und Herren! Der vorliegende Bericht zeigt, dass es immer dieselben Bereiche sind, die Schwierigkeiten verursachen beziehungsweise in denen sich die Bürger ungerecht behandelt fühlen. Diese Bereiche sollte man sich einmal genauer ansehen.

Meine Damen und Herren! Auf der einen Seite steht die schlanke Verwaltung, die gewünscht wird, und auf der anderen Seite stehen der Bürger und sein Zugang zum Recht. Genau in diesem Bereich läuft die Diskussion meiner Meinung nach falsch. Da gibt es jeden Tag neue Überlegungen, wie wir Tausende Beamte in der Verwaltung einsparen können. Wir haben das heute


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Vormittag schon vom Kärntner Landeshauptmann gehört, der in seiner Aufzählung auch einige Tausend zusammengebracht hat, die man letztendlich nicht mehr brauchen kann.

Da geht es um Bezirksgerichte, die geschlossen werden sollen. Da geht es um Finanzämter und Postämter, die zur Diskussion stehen. All das geht es um Strukturen, die sich seit Jahrzehnten bewährt haben. Das alles wirkt sich natürlich am meisten im ländlichen Raum aus. Da hilft es auch nichts, wenn in schönen Sonntagsreden immer wieder gegen die Ausdünnung des ländlichen Raumes gewettert wird und am Montag darauf in Wien die Zusperrpläne verhandelt werden. Dem Bürger wird mit all diesen geplanten Maßnahmen der Zugang zum Recht erschwert, und das ist demokratiepolitisch sehr bedenklich. Eigentlich sollte es umgekehrt sein: Der Zugang zum Recht sollte erleichtert werden. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: So ist es ja nicht! Das ist ja eine Polemik!)

Die Volksanwälte haben im Ausschuss für Verfassung und Föderalismus festgestellt, dass sie eindeutig für den kostenlosen Rechtszugang sind. Das finde ich für sehr positiv.

Meine Damen und Herren! Die Volksanwaltschaft ist eine nicht mehr wegzudenkende Institution in unserem Land. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: ... die Bezirksgerichte zu?) Freilich, dort wird man sich informieren können. Das wird man am Bezirksgericht und nicht sonst irgendwo machen. – Meine Damen und Herren! Die Volksanwaltschaft braucht aber, um für die Bürger weiter erfolgreich zu sein, auch eine verbesserte Rechtsgrundlage. Diese müssen wir schaffen. Aus der Volksanwaltschaft darf kein zahnloser Tiger werden.

Meine Damen und Herren! Wir werden diesem Bericht unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.14

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. André d'Aron. Ich erteile es ihm.

19.14

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Volksanwältinnen! Sehr geehrter Volksanwalt! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Volksanwaltschaft ist in den Artikeln 148a ff Bundes-Verfassungsgesetz und im Volksanwaltschaftsgesetz geregelt. Sie ist für Missstände in der Verwaltung zuständig, wobei bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesregierung und Volksanwaltschaft der Verfassungsgerichtshof angerufen werden kann.

Was bedeutet das konkret für die Institution Volksanwaltschaft? – Das bedeutet einerseits eine Gleichordnung zwischen einzelnen Ministerien und der Volksanwaltschaft und auf der anderen Seite die Möglichkeit der Aufzeigung von Missständen, in der Verfolgung von Prozessabläufen und Verwaltungsverfahren und auch in der Beurteilung von Verwaltungsverfahren.

Die Volksanwaltschaft ist ein Kollegialorgan. Im Artikel 148g Bundes-Verfassungsgesetz steht, dass die Volksanwaltschaft aus drei Mitgliedern besteht. Das stimmt natürlich nicht – hier widerspreche ich der Bundesverfassung, obwohl ich auf die Bundesverfassung angelobt wurde. Die Volksanwaltschaft besteht nicht nur aus den drei Spitzenvertretern, sondern auch aus allen Beamten. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit namens meiner Fraktion für die Tätigkeit der Spitzenorgane der Volksanwaltschaft und aller Beamter herzlich bedanken, und ich bitte die Spitzenvertreter – die Volksanwältinnen und den Volksanwalt –, diese Danksagung der freiheitlichen Fraktion auch den Mitarbeitern zukommen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte nunmehr konkret auf den Bericht der Volksanwaltschaft eingehen. Es ist ein umfassender Bericht, den wir hier in Händen halten dürfen. Er unterscheidet – wenn man sich den Bericht genau anschaut – zwischen den Einzelfällen. Wir haben hier 9 186 Anfragen, und aus diesen Anfragen im Rahmen der Volksanwaltschaft, die den einzelnen Ministerien nach dem neuen Bundesministeriengesetz zugeordnet sind, ergeben sich auch grundsätzliche Problematiken.


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Frau Kollegin Fuchs! Wir haben anlässlich der dringlichen Anfrage, die Ihre Fraktion, die Fraktion der Sozialdemokraten, gegenüber Frau Bundesministerin Forstinger eingebracht hat, über die Gemeinde Wien geredet. Sie haben auch die Wiener Problematik diskutiert. Ich bin sehr dankbar dafür, dass im Bericht der Volksanwaltschaft zum Beispiel auf den Parteienproporz bei der Besetzung von Schulleitern und Lehrerposten eingegangen wird. Das scheint mir ein Paradebeispiel einer Notwendigkeit zu sein, die gelöst werden muss. Wir ersehen aus dem Bericht der Volksanwaltschaft zum Beispiel auch genau, wie Wien derzeit – im Rahmen der Sozialdemokratie – regiert wird.

Wir können aus dem Bericht der Volksanwaltschaft auch den Bereich Mobbing ablesen. (Zwischenruf der Bundesrätin Fuchs. ) Mobbing findet auch in den Schulen statt, das entspricht ebenfalls der "Kultur", die wir im Rahmen der Gemeinde Wien haben. Es gibt dann noch allgemeine Überlegungen, zum Beispiel ... (Bundesrätin Fuchs: Mobbing-Beispiel haben wir heute auch eines, das hatte allerdings Ihre Fraktion ...!) Es stehen genug Mobbing-Beispiele in diesem Bericht. Diesen müssen Sie durchblättern, er ist interessant: Er betrifft Sozialdemokratie, lebende Sozialdemokratie!

Die Volksanwaltschaft hat im Rahmen ihrer Tätigkeiten natürlich legislative Anregungen eingebracht. Das ist gut, denn wie wir wissen, sind die Normen, die wir hier im Hohen Haus beschließen, generell abstrakte Normen. Sie versuchen also, einen möglichst großen Personenkreis zu erfassen, und können oft auf individuell-konkrete Verhaltensstrukturen und -vorfälle nicht eingehen. Die Volksanwaltschaft hat mit sehr vielen Vorfällen zu tun, und die Volksanwaltschaft kann im Bereich dieser Tätigkeit natürlich auch Änderungswünsche im Bereich der Legislative aufzeigen. Sie tut dies auch, und sie tut es sehr erfolgreich.

Es war interessant, als ich diesen Bericht durchgelesen habe, zu sehen, wie die Beschwerden im Rahmen der Volksanwaltschaft auf die Bundesländer aufgeteilt sind. Die zweitmeisten Beschwerden betreffen Wien, das ist interessant. (Bundesrätin Fuchs: Kann es sein, dass das das größte Bundesland ist? Dass es ein bisschen größer ist?) Niederösterreich zum Beispiel hat nur zwei Drittel der Beschwerden, die Wien hat. Also dürfte in Wien vielleicht etwas nicht stimmen, so scheint es mir zu sein. (Bundesrätin Fuchs: Vielleicht sind wir eine Großstadt!)  – Gut, Frau Kollegin Fuchs!

Wie soll die Zukunft der Volksanwaltschaft ausschauen? – Es gibt seitens der freiheitlichen Fraktion schon Vorstellungen und Ideen, wie dieser Prozess, der durch ein Bestehen der Volksanwaltschaft eingeleitet wird, dynamisiert werden kann. Es soll nicht nur die Möglichkeit bestehen, Notwendigkeiten für Gesetzesnovellierungen oder Verordnungsveränderungen aufzuzeigen, sondern es soll auf der einen Seite auch die Möglichkeit geschaffen werden, tatsächlich Gesetzesanträge einzubringen.

Auf der anderen Seite haben wir in Österreich die Gewaltentrennung, was aber nicht bedeutet, dass man sich nicht über eine der Staatsgewalten äußern darf und äußern soll, zum Beispiel über die Gerichtsbarkeit. Wir wissen, dass eine Vielzahl von Gerichten auch kraft der Flut der Gesetze überlastet ist; es kommt zu sehr langen Verfahren. Hier besteht auch seitens der freiheitlichen Fraktion der Wunsch, dass eine Beschwerdemöglichkeit gegeben sein soll – nicht, was den Inhalt eines Urteils, sondern was die Abfolge des Verfahrens betrifft. Wenn Verfahren zum Beispiel sechs oder sieben Jahre lang laufen und durch alle Instanzen gehen, dann soll die Möglichkeit bestehen, dass dieses Verfahren verkürzt wird. (Volksanwältin Dr. Krammer: Das ist möglich!) Das ist auch ein sehr sinnvoller Schritt im Rahmen der Demokratiereform.

Ich möchte mich bei den – leider scheidenden – Volksanwälten nochmals herzlichst für die sehr engagierte Tätigkeit bedanken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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19.21

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Jürgen Weiss. Ich erteile es ihm.

19.21

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Im öffentlichen Bewusstsein steht hinsichtlich der Tätigkeit der Volksanwaltschaft ohne Zweifel im Vordergrund, dass sie Missstände in der Verwaltung bearbeite und aufdecke. Das steht auch so in der Verfassung. Aber ins öffentliche Bewusstsein gerückt wird das deshalb, weil sich die Beschreibung von Missständen für die mediale Darstellung am besten eignet.

Dabei tritt in den Hintergrund, dass die Herstellung von Bürgernähe im Nachhinein zwar eine wichtige Funktion ist, die aber inzwischen doch auch abgelöst wurde von der Überlegung, wie man Bürgernähe sozusagen im Vorhinein gewährleisten könnte. Es ist zum einen eine gewisse erzieherische Wirkung, die Missstandsfeststellungen bei den Betroffenen ohne Zweifel haben. Aber – das wird häufig übersehen – es sind sehr stark die legistischen Anregungen, die die Volksanwaltschaft immer als Anhang zu ihrem Bericht darlegt.

Wir haben uns in der Diskussion mit den Volksanwälten im Verfassungsausschuss darüber unterhalten, und wir haben gehört, dass die Verfolgung dieser legistischen Anregungen durch den Nationalrat sehr zu wünschen übrig lässt. Das ist auch der Eindruck, den ich gewonnen habe. Ich verstehe das in mancher Hinsicht, weil beim Nationalrat vielleicht eine gewisse Befangenheit mitschwingen mag, ein Gesetz, das man mühsam errungen hat und auf das man vielleicht stolz ist, wieder in Frage gestellt zu sehen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich der Bundesrat da etwas leichter täte, und würde mir wünschen, dass wir von dem Recht auf Gesetzesinitiative, fußend auf den Anregungen der Volksanwaltschaft, vermehrt und meiner Ansicht nach durchaus auch parteiübergreifend Gebrauch machen könnten.

Ich möchte nun einen kleinen Blick voraus machen und ein bisschen auf den Bereich des Internets als neuer Kommunikationsform – auch als Grundlage für das Schlagwort "e-Government", das heute so oft verwendet wird – zu sprechen kommen. Zunächst ein Wort zur Volksanwaltschaft selbst: Wir haben uns bei früheren Berichten erkundigt, wie es denn mit der Möglichkeit stehe, Beschwerden online einzubringen.

Ich habe mir die Mühe gemacht, einmal die Seite der Volksanwaltschaft im Internet aufzurufen, und gesehen, dass das tatsächlich funktioniert. Es ist auch so, dass das Informationsangebot hinsichtlich seiner Aktualität vorbildhaft ist. Die Presseaussendungen, die man aus den Medien kennt, die Berichte und alle sonstigen News sind auf dem aktuellen Stand. Das ist bei einem Vergleich mit anderen Darbietungen in diesem Medium nicht so selbstverständlich, wie man das annehmen möchte. Einen herzlichen Dank dafür!

Wenn ich noch einen kleinen Wunsch anbringen darf – der richtet sich jetzt aber nicht unmittelbar an die Volksanwaltschaft –: Wenn man bei einer Suchmaschine den Suchbegriff "Volksanwaltschaft" eintippt, funktioniert das ganz hervorragend, dann kommt als Top-Meldung die österreichische Volksanwaltschaft, ohne dass man das näher spezifizieren müsste. Wenn man in der Link-Sammlung des Rechtsinformationssystems des Bundes nach der Volksanwaltschaft sucht, dann muss man schon sehr geduldig sein, weil man das unter "Dienststellen" oder ähnlichen Überschriften nicht findet. Man findet es in der Sammlung legistischer Links, zusammen mit dem Institut für Verfassungsrecht der Universität Sowieso und so weiter – insoweit in guter Gesellschaft, aber der Durchschnittsbürger wird es nicht gerade in diesem Zusammenhang vermuten.

Ich bin der Volksanwaltschaft auch sehr dankbar dafür, dass sie aufgezeigt hat, wie notwendig es wäre, die Bezahlung von Gebühren auch über das Internet – Electronic Banking – möglich zu machen. Ich halte das für notwendig, wenn wir darüber reden, dass man Anträge elektronisch einbringen will und auch Bescheid-Erledigungen auf diesem Weg zustellen kann, was nach dem AVG heute an sich unter bestimmten Voraussetzungen schon möglich wäre, dann muss aber auch möglich gemacht werden, dass man Gebühren oder sonstige Abgaben nicht nur mit Bankomat-Karte – zögerlich, aber jetzt doch allmählich schon –, sondern auch über das Internet bezahlen kann. Ich halte es für sehr wichtig, dass sich die Volksanwaltschaft dieses Themas schon angenommen hat.


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Ein zweites Thema kommt verstärkt auf uns zu: Ich habe in den letzten Tagen den Medien die Klage darüber entnommen, dass es die ÖBB-"Vorteils-Card" zum Halbpreis nur noch via Internet und A1-Handy gibt. So ganz stimmt das nicht. Aber es ist zweifellos so, dass ein Internet-User einen finanziellen Vorteil bei der Bestellung einer solchen "Vorteils-Card" hat. Das rührt an ein Problem, mit dem wir uns in Zukunft gemeinsam mit der Volksanwaltschaft stark auseinander setzen müssen.

Durch die wissenschaftliche Literatur geistern heute schon Fachausdrücke wie die Anglizismen "digital divide" oder "e-inequality". Das meint nichts anderes als eine neue Spaltung der Gesellschaft, eine neue Form von Analphabetismus, nämlich bei denjenigen, die keinen Internet-Zugang haben – solche wird es noch eine erhebliche Zeit lang geben – oder ihn nicht in einer sachgerechten Weise, wie das von der Behörde vorausgesetzt wird, nutzen können. Wenn wir wissen, für wie viele Leute es heute schon schwierig ist, ein Papierformular sachgerecht auszufüllen, und wie oft dabei Hilfe in Anspruch genommen werden muss, dann kann man sich leicht ausmalen, welche Hindernisse dem elektronischen Ausfüllen eines Formulars am PC, dem Abschicken und so weiter entgegenstehen werden.

Hier denke ich, dass bei allem Bemühen, e-Government zu fördern und auch elektronische Behördenerledigungen, den papierlosen Akt und die papierlose Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung voranzubringen, auf diesen Umstand nicht vergessen werden darf. Es wird noch erhebliche Zeit viele Bürger geben, die dieses Mediums als Kommunikationsform mit der Behörde nicht mächtig sein werden. Ich glaube, wir müssen viel Nachdenklichkeit dafür einsetzen, dass diese Leute nicht unter die Räder kommen.

Das Beispiel ÖBB-"Vorteils-Card" ist ein warnender Hinweis in diese Richtung. Es wäre ganz abträglich, wenn das nicht nur bei einem nunmehr ausgegliederten oder vielleicht auch privatwirtschaftlich tätigen Unternehmen feststellbar ist, sondern wenn es in den Bereich der staatlichen Aufgabenerfüllung hineinreichen würde, dass derjenige, der über die von der Behörde vorausgesetzte Kommunikationsfähigkeit nicht verfügt, Nachteile hat – sicherlich nicht finanzieller Art, aber etwa hinsichtlich der Erledigungsdauer, der Zugänglichkeit und dergleichen mehr.

Ein Zweites möchte ich noch sagen, weil jetzt viel von Konzentration der Behörden und dergleichen gesprochen wird. Da gibt es sicherlich Rationalisierungspotenzial. Aber man sollte sich nicht an Vorstellungen annähern, wonach die Verwaltung sozusagen als Maschine funktioniert, in die der Bürger ein Anliegen hineinwirft und am Schluss die Erledigung herauskommt. So lange es sich noch um Menschen handelt, die mit dem Staat in Berührung treten und von ihm etwas wollen, oder von denen unter Umständen der Staat etwas will, solange wird es auch auf der anderen Seite Menschen brauchen und nicht nur PCs und automatisierte Erledigungen – so wichtig und vorteilhaft diese für alle auch sein können.

Ich sehe, dass das ein sehr reichhaltiges Betätigungsfeld für die Volksanwaltschaft sein wird, und ich denke, dass wir sie dabei nach besten Kräften unterstützen wollen. (Allgemeiner Beifall.)

19.30

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Brunhilde Fuchs. Ich erteile ihr dieses.

19.30

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen Volksanwältinnen! Herr Volksanwalt! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Bericht der Volksanwaltschaft 1999 zeigt die vielfältigen Tätigkeiten, die diesbezügliche Problematik, aber auch die Erfolge deutlich auf.

Fast 1 000 Bürger dieses Staates haben sich an die Volksanwaltschaft um unbürokratische Hilfe gewandt. – Ich bedanke mich für diese Arbeit, die von den Volksanwälten geleistet wurde. Ich bedanke mich auch für den Bericht, der für alle Mandatare dieses Hauses eine wichtige Arbeitsgrundlage ist. Herzlichen Dank! (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)


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672. Sitzung / Seite 147

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte mich auf einige wenige Beispiele aus dem Bereich der Frauenpolitik beschränken, weil ich erstens glaube, dass hier noch viele Verbesserungen zu erreichen wären, und weil ich zweitens meine, dass die jetzige Bundesregierung für den Bereich der Frauenpolitik viel zu wenig Verständnis aufbringt. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) – Ich habe in keiner Weise den Bericht kritisiert! Wenn Sie zugehört haben, dann konnten Sie feststellen, dass ich gesagt habe, dass ich auf frauenpolitische Dinge hinweisen möchte, weil ich der Meinung bin, das dieser Bereich durch die Bundesregierung mehr Beachtung erfahren sollte, und zwar nicht ausgehend von den schlechten Erfahrungen, sondern davon, dass in der Frauenpolitik noch sehr viel zu tun ist.

Ich meine zum Beispiel das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen, das vor allem für nachmittags oder während der Schulferien in vielen Gemeinden noch immer unzureichend sind. (Bundesrätin Haunschmid: Es müssen vor allem Altlasten aufgearbeitet werden!) Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang doch einen Hinweis auf die jetzige Bundesregierung! Die letzte Bundesregierung – für diese gilt dieser Bericht – hat die Kindergartenmilliarde zur Verfügung gestellt. Die jetzige Regierung hat diese wieder gestrichen. Auf diese Tatsache möchte ich besonders und gezielt hinweisen!

Die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess wird vielen Frauen dadurch wesentlich erschwert. Vor allem in Krisenregionen mit hoher Frauenarbeitslosigkeit fehlen viele Kindereinrichtungen und auch Förderungsmodelle für Betriebe, die hinsichtlich Arbeitszeit auf die Bedürfnisse von Alleinerzieherinnen Rücksicht nehmen. Die Volksanwaltschaft hat dazu bemerkenswerte Vorschläge gemacht, welchen ich mich gerne anschließe.

Auch eine Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes wäre nötig. Das wäre eine wirkliche treffsichere Hilfe für viele betroffene Frauen! Vielleicht geht aber das Wunschdenken unserer Bundesregierung in Erfüllung, dass mit der gemeinsamen Obsorge diese Probleme wegfallen, weil sich nun alle Männer ihren Kindern verpflichtet fühlen. – Ich glaube allerdings nicht an Wunder, und daher wird es notwendig sein, entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Zurzeit sehen wir nur, dass es massive Einkommenskürzungen bei der Gruppe der Arbeitslosen und der NotstandshilfebezieherInnen gibt. Vielleicht kann sich die Bundesregierung in Anbetracht dessen doch den Vorschlägen der Volksanwaltschaft zu diesem Thema anschließen.

Diese Expertenmeinungen sollten nicht nur gelobt, sondern auch umgesetzt werden. Damit würde die Arbeit der Volksanwälte entsprechend gewürdigt werden. Verbale Bekenntnisse sind zu wenig. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.34

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Volksanwalt Schender das Wort. – Bitte.

19.34

Volksanwalt Horst Schender: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich als derzeitiger Vorsitzender einige Sätze zu den Wortmeldungen der Damen und Herren Bundesräte namens meiner Amtskolleginnen und im eigenen Namen an Sie richte.

Herrn Bundesrat Schöls ist, wie ich glaube, ein kleiner Irrtum beim Studium des Berichtes der Volksanwaltschaft unterlaufen. Er hat gemeint, dass von 5 000 Beschwerden 3 000 das Privatrecht betroffen hätten. – Das wäre denn doch zu viel! Diese 5 000 Beschwerden, von denen er gesprochen hat, betreffen nur den mündlichen telefonischen Auskunftsdienst. (Bundesrat Schöls: Das habe ich gesagt!) Von diesen Fällen ist die Mehrzahl privatrechtlicher Natur, wofür wir unzuständig sind, und nur die Minderzahl, etwa 1 500, betreffen Verwaltungsakte.

Von den etwa 4 000 bis 5 000 Beschwerden, die direkt an die Volksanwälte herangetragen werden, kommen ungefähr die Hälfte brieflich an uns heran, und die andere Hälfte wird bei den Sprechtagen an uns herangetragen, die wir regelmäßig in den Bundesländern und in der Bundeshauptstadt durchführen. Von den Volksanwälten werden weit über 100 Sprechtage im Jahr in


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Österreich abgehalten. Es findet also, wenn man die Sprechtage aller drei Volksanwälte zusammenzählt, fast täglich irgendwo in Österreich ein Sprechtag einer der drei Volksanwälte statt. Der unmittelbare, direkte Zugang ist für den Bürger also sehr unkompliziert und unkonventionell und vor allem kostenlos jedem Bürger jederzeit möglich.

Gerechterweise muss man sagen, dass die Wiener den leichtesten Zugang haben, weil jeder der drei Volksanwälte in Wien zumindest einmal wöchentlich einen Sprechtag durchführt. Daher haben es die Wiener natürlich leichter, und sie kommen auch häufiger als andere Bürger aus anderen Bundesländern zu uns.

Ich muss dazu sagen, dass die Zahl der Beschwerden nicht unbedingt Rückschlüsse auf die Qualität der Verwaltung in einem Bundesland zulässt. Das beste Beispiel dafür ist das Bundesland Vorarlberg: Die Vorarlberger sind die beschwerdefreudigsten Bürger von ganz Österreich. Das heißt aber beileibe nicht, dass dort die Verwaltung die schlechteste und ineffizienteste ist! – Wie aus der Statistik ersichtlich ist, sind wir in Vorarlberg nur für die Bundesverwaltung zuständig, während für die Beschwerden betreffend die Landes- und Gemeindeverwaltung der Landesvolksanwalt zuständig ist. Würde man zu den Beschwerden, die pro 100 000 Einwohner gerechnet werden, noch die etwa 50 Prozent an Landesbeschwerden dazuzählen, dann wäre Vorarlberg sogar noch vor Wien führend, obwohl es so weit im Westen liegt! Daran sieht man, dass die Alemannen sehr beschwerdefreudig sind! Sie machen mit Begeisterung von der Institution Gebrauch. Wir sehen bei den Sprechtagen, dass wir dort den meisten Zulauf haben. Ich will jetzt aber weder über die Tiroler noch über die Vorarlberger Verwaltung etwas sagen. Vorarlberg und Tirol sind Nachbarbundesländer, in Tirol ist die Beschwerdefreudigkeit erstaunlicherweise aber wesentlich geringer. Ich glaube, dass das eine Mentalitätssache ist. Das hängt nicht so sehr mit der Qualität der Verwaltung dort oder da zusammen, sondern damit, dass der eine Bürger halt beschwerdefreudiger und der andere zurückhaltender ist, oft Schwellenangst hat und sich scheut, sich an eine Behörde zu wenden, und die Volksanwaltschaft wird fälschlicherweise oft auch als Behörde angesehen.

Wir sind keine Behörde, sondern wir sind ein Hilfsorgan zur Unterstützung des Nationalrates, des Bundesrates und von sieben Landtagen. Wir bieten Hilfestellung, und daher erhoffen wir uns von den Damen und Herren Abgeordneten zum Nationalrat, zum Bundesrat und zu den Landtagen, dass sie unsere Anregungen aufgreifen, die aus unserer täglichen Erfahrung resultieren, etwa in Unterausschüssen darauf zurückgreifen und diese an die Regierung herantragen. Wir treffen nicht irgendwelche Anregungen aus heiterem Himmel, nur weil uns irgendetwas einfällt und wir das für lustig halten, sondern unsere Anregungen werden nur dann in einen Bericht aufgenommen, wenn wir den Eindruck gewinnen, dass bei korrekter Gesetzesanwendung durch die Verwaltung unbillige Härten entstehen, die im Gesetz begründet sind. Wir machen also dann legistische Anregungen an den Nationalrat, an den Bundesrat, die Landtage und natürlich, wenn nicht die Verwaltung an einer unbilligen Härte, die viele Bürger trifft, schuld ist, sondern wenn der Gesetzgeber der Verursacher dafür ist.

Daher bitten wir sehr, dass man uns dabei unterstützt und in den Ausschüssen oder etwa in Fragestunden Initiativen in diesem Sinne ergreift, dass man vor allem aber bei der Behandlung von Gesetzen und Änderung von Gesetzen auf diese Anregungen zurückgreift.

Daher wäre es für unsere Tätigkeit auch sehr wichtig, wenn eine Absichtserklärung der derzeitigen Bundesregierung verwirklicht werden könnte, dass nämlich die Volksanwälte das Initiativrecht an den Nationalrat, also die Möglichkeit bekommen sollen, Gesetzesinitiativen in den Nationalrat einzubringen. Dann könnten wir die Probleme des Bürgers im zuständigen Ausschuss des Nationalrates oder des Landtages nämlich viel direkter und unmittelbarer an die Damen und Herren Abgeordneten herantragen. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass man die Verwirklichung solcher Anliegen auf diese Weile eher erreichen kann, als wenn im Anhang zu einem mehrhundertseitigen Bericht einige Punkte aufgezählt werden, die meistens – wie ich fürchte – von vielen Damen und Herren der Legislative auch übersehen oder nicht entsprechend gewürdigt werden.


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Der kostenlose Zugang zum Recht ist uns ein wichtiges Anliegen, und wir wären, würde man diese Möglichkeit für den Bürger durch Auferlegung von Kosten erschweren, eher besorgt, denn es ist ungemein wichtig, dass man dem Bürger, dem man immer wieder sagt, dass Unkenntnis des Gesetzes vor Strafe nicht schützt, wenigstens einen kostenlosen Zugang zum Recht und zur Rechtsinformation ermöglicht. Denken Sie auch an die Bezirksgerichte, an die Rechtsanwaltskammern und an die Notariatskammern, die diesbezüglich wichtige Arbeit verrichten! Würde die Republik Österreich den Zugang zu den Rechtsinformationssystemen für den Bürger jetzt erschweren oder gar schwer zugänglich machen, dann würden wir das sehr bedauern! In diesem Punkt sind wir alle drei zweifellos einer Meinung. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen, der ÖVP und der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ebenso unterstützen wir natürlich jene Anregung, die von Herrn Vizepräsidenten Weiss gemacht wurde, dass die Anwendung der elektronischen Medien allen Bürgern möglichst leicht zugänglich gemacht wird. Wir bemühen uns, zumindest unsere Institution den Bürgern möglichst leicht nahe zu bringen, und wenn jemand mit dem elektronischen Medium umgehen kann und einen Internetanschluss hat, dann kann er mit der Volksanwaltschaft ohne irgendwelche Probleme wirklich ständig in direktem Kontakt sein und kann jederzeit mit einer unmittelbaren und kostenlosen Antwort rechnen.

Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass Sie heute schon sehr lange getagt haben und noch länger tagen müssen, und ich möchte das auch entsprechend berücksichtigen. Ich bedanke mich sehr für die lobenden und anerkennenden Worte für unsere Tätigkeit und für die Tätigkeit vor allem unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hoch qualifizierte und ambitionierte Damen und Herren sind und uns bei unserer wichtigen Tätigkeit enorm unterstützen und uns diese Tätigkeit erst wirklich ermöglichen! Ohne diesen Mitarbeiterstab, der uns von der Republik zur Verfügung gestellt wird, könnten wir die vielen Anliegen der Bevölkerung zweifellos nicht in dem Ausmaß und in der – wie ich doch zu sagen können glaube – zufrieden stellenden Weise erledigen, wie das jetzt der Fall ist.

Meine Damen und Herren des Bundesrates! Ich danke Ihnen für jene zumindest moralische Unterstützung, die wir hier immer wieder erfahren haben, sowohl im Ausschuss als auch im Plenum. Wir finden hier ein offenes Ohr für unsere Anliegen, und wir haben immer zumindest verbale Unterstützung aus dem Bundesrat, und zwar sogar meistens von allen drei Fraktionen, für unsere wichtigen Anliegen bekommen. Ich danke Ihnen für diese Unterstützung! Sie tut gut, und wir brauchen diese, und auch unsere Nachfolger, die ab 1. Juli im Amt sein werden, werden diese Unterstützung brauchen.

Ich danke Ihnen herzlich für Ihr Verständnis für unsere Tätigkeit und wünsche Ihnen für Ihre Aufgaben weiterhin viel Erfolg! – Danke.

19.45

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.


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8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Poststrukturgesetz geändert wird (Poststrukturgesetz-Novelle 2000) (351/A und 435 sowie 6303/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Poststrukturgesetz geändert wird (Poststrukturgesetz-Novelle 2000).

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Willi Grissemann übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Wilhelm Grissemann: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Poststrukturgesetz geändert wird (Poststrukturgesetz-Novelle 2000).

Zur Entwicklung einer eigenen, von der ÖIAG kontrollierten Privatisierungsstrategie für den Österreichischen Postbus ist es notwendig, den Betrieb Postautodienst zu einer Tochtergesellschaft der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft (ÖIAG) beziehungsweise einer Schwestergesellschaft der Österreichischen Post Aktiengesellschaft zu machen.

Mit dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates werden die rechtlichen Voraussetzungen für die Abspaltung der Österreichischen Postbus Aktiengesellschaft in eine Schwestergesellschaft der Österreichischen Post Aktiengesellschaft, die direkt im Eigentum der ÖIAG steht, geschaffen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher das Wort. – Bitte.

19.47

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Abspaltung der Österreichischen Postbus AG in eine Schwestergesellschaft der Österreichischen Post AG, die direkt im Eigentum der ÖIAG steht – so heißt es im Ausschussbericht –, ist nur vordergründig das Ziel gegenständlicher Novelle. Ehrlicherweise wird dies in der Begründung auch weiter ausgeführt, denn da heißt es, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen im Hinblick auf die Entwicklung einer eigenen, von der ÖIAG kontrollierten Privatisierungsstrategie für den Österreichischen Postbus notwendig seien.

Lassen wir einmal dahingestellt, ob die Privatisierungspläne der ÖIAG erstens wirklich ihre eigenen sind – hier scheint es in der Konstellation Auftraggeber und Lieferant in der Vergangenheit gewisse Verwirrung gegeben zu haben – beziehungsweise ob der Begriff "Strategie" in Wahrheit nicht weit hergeholt ist. Immerhin ist bemerkenswert, dass sich etwa der Aufsichtsratsvorsitzende der ÖIAG bemüßigt fühlt, in einer Pressekonferenz extra darauf hinzuweisen, dass er nicht unter Kuratel eines bestimmten Nationalratspräsidenten steht.

Betrachtet man zunächst die nüchternen Zahlen, dann ist zu erkennen, dass unter der schlichten Firma Postbus AG ein auch nationalökonomisch bedeutendes Unternehmen zusammengefasst ist: 3 300 Mitarbeiter, 1 600 Busse, 150 Millionen Kunden per anno, 700 Linien, 80 Millionen gefahrene Kilometer. Es ist dies also ein Unternehmen, das wesentlich zur Abdeckung des öffentlichen Verkehrsnetzes in Österreich beiträgt und sicherstellt, dass alle Gemeinden in Österreich in der Regel mehrmals täglich angefahren werden und die Bevölkerung gerade im ländlichen Raum somit auch ohne eigenen Pkw mobil sein kann.

Diese Postbus AG soll also der ÖIAG übertragen und anschließend verkauft werden. Nun könnte man finanzwissenschaftliche Ansätze bemühen, gemäß welchen – und zwar unabhängig


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von irgendeiner ideologischen Ausrichtung – Einigkeit darüber besteht, dass derartige Versorgungseinrichtungen einer Privatisierung insofern nur schwer zugänglich sind, als damit entweder eine Minderversorgung der Bevölkerung generiert wird oder letztlich die gewinnträchtigen Teile privatisiert und die Verluste sozialisiert werden. Eine Ausdünnung des öffentlichen Verkehrsangebotes kann also genauso wenig ausgeschlossen werden wie steigende Tarife und zusätzliche finanzielle Belastungen für Gebietskörperschaften.

Zugegeben: Es muss nicht so kommen, denn ab und zu sollen auch noch Wunder geschehen. An derartige Wunder scheinen die Koalitionsparteien allerdings selbst nicht zu glauben, denn es wurden im Rahmen des Antrages – und, wie ich glaube, aus gutem Grund – weder die genannten finanziellen noch die ökonomischen Auswirkungen analysiert, und selbst der regierungseigene Verfassungsdienst kritisierte die kurze Begutachtungsfrist in diesem Zusammenhang.

Im Grunde zeigt sich ohnehin, dass die genannten Gefahren zumindest der ÖVP klar sind, aber bewusst in Kauf genommen werden, denn wenn man sich etwas mit dem Alpbacher ÖVP-Programm beschäftigt, dann kann man dort unter anderem lesen: Das Angebot im öffentlichen Verkehr ist an realistischen Nachfragepotenzialen zu orientieren. Und weiter: Nur im Rahmen der Finanzierbarkeit ist auch ein Mindestangebot für periphere Gebiete festzulegen. – Wer also zu abgelegen wohnt, ist selbst schuld!

In Zukunft werden also Private entscheiden, was peripher bedeutet und was finanzierbar ist, und mit dem Rest werden dann die Bevölkerung und/oder die Gebietskörperschaften, insbesondere die Länder und Gemeinden, allein gelassen. Da bekommt der Slogan "Das Land muss leben!" gleich einen anderen Beigeschmack! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Einstellung verlustträchtiger Strecken durch einen privaten Betreiber, der möglicherweise sogar aus dem Ausland, vielleicht aus Frankreich, kommt, lässt sich nicht verhindern. Das bisherige Kostendeckungsprinzip geht dann über Bord. Sogar der Personalchef der ÖBB, der sicherlich nicht im Verdacht steht, der Opposition nahe zu stehen, kritisiert – wie ich meine: zu Recht – den anstehenden Verkauf der Postbus AG, denn es könnte durchaus auch eine heimische Busgesellschaft gebildet werden, etwa durch Zusammenlegen der Postbusse mit den ÖBB-Bussen. Auf die Weise könnten Synergien von etlichen hundert Millionen Schilling wahrgenommen werden, sei es im Werkstattdienst, sei es bei der Abstimmung der Fahrpläne. Stattdessen nimmt man die Möglichkeit des Verkaufes eines Schlüsselunternehmens der öffentlichen Verkehrsversorgung ans Ausland in Kauf, eigentlich nur um die eigene Ideologie befriedigen zu können, und dies vor dem Hintergrund eines europäischen Verkehrsmarktes, der sich immer stärker oligopolistisch konzentriert, was noch selten Vorteile für die Konsumenten gebracht hat. – Meine Fraktion wird daher diesem Antrag nicht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.52

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Franz Gruber. Ich erteile ihm das Wort.

19.53

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Hoher Bundesrat! Im Hinblick auf die Poststrukturgesetz-Novelle 2000 malt die SPÖ wieder einmal das Privatisierungsgespenst an die Wand. Die Regierung bekennt sich aber zu diesem Schritt, der einer Modernisierung des öffentlichen Infrastrukturnetzes dient. Auch aus diesem Unternehmen wird die Regierung ein florierendes machen, sehr geehrte Damen und Herren!

Durch die Ausgliederung der Postbusse werden wir die Voraussetzungen für ein modernes Busunternehmen schaffen. In Zukunft werden der Postbus und der ÖBB-Bus nicht mehr um die Wette eine Talschaft aufwärts und abwärts ohne Fahrgäste fahren. (Bundesrat Marizzi: Ein Formel-I-Rennen!) Die ländliche Mobilität wird nicht in Frage gestellt, die Mobilität wird durch angepasste Fahrpläne für die ländlichen Regionen verbessert. (Bundesrat Konecny: Wieso wissen Sie das?) Der Slogan von Alpbach "Das Land muss leben!" wird gelebt. (Beifall bei der ÖVP.)


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Sehr geehrte Damen und Herren! Über die Überlegungen betreffend drastische Einsparungsmaßnahmen bei der Qualität der Postzustellungen werden wir noch hart diskutieren müssen. Ich weiß schon, dass das momentan nicht Gegenstand ist, aber Frau Ministerin Forstinger hat heute eine klare Stellungnahme dazu abgegeben. Es kann nämlich nicht so sein, liebe Freunde, dass Tausende Landbewohner ihre Post bald selbst abholen müssen, die Bewohner in der Stadt die Post hingegen zugestellt bekommen. Wo bleibt denn da der Gleichheitsgrundsatz, sehr geehrte Damen und Herren? (Bundesrat
Konecny: Uns dürfen Sie das nicht fragen!) – Dann stellen wir doch am Anfang einer Stichstraße Abgabekästen auf, und die Stadtbevölkerung soll ihre Post auch vorne an der Straßenecke abholen! – Das war nur ein kleiner Seitensprung betreffend das, was wir demnächst diskutieren werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden dem Antrag des Berichterstatters beitreten und keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der ÖVP.)

19.56

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. André d'Aron das Wort. – Bitte.

19.56

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Mag. Hoscher! (Bundesrat Mag. Hoscher: Ich passe diesmal auf!) Sie passen diesmal auf! Ich bin ganz glücklich, dass Sie meinen Ausführungen zuhören!

Meine erste Rede im Bundesrat habe ich im Dezember 1998 gehalten, und diese betraf das Poststrukturgesetz, das eingebracht wurde. Ich kann mich genau erinnern: Ich bin hier gestanden, und rechts drüben ist Ihr viel gerühmter Herr Bundesminister für Finanzen Edlinger gesessen! (Bundesrat Mag. Hoscher: Ich bin aber nicht da gesessen!) Sie waren noch nicht da und wissen es nicht, aber ich schildere es Ihnen jetzt! Ich muss es Ihnen schildern, damit Sie wissen, wie die Genesis dieses Gesetzes war, denn ich habe den Eindruck, Sie kennen diese nicht!

Ihr viel gerühmter Finanzminister Edlinger hat damals ausgeführt, dass es unbedingt notwendig ist, die Post in vier Bereiche zu gliedern, drei Bereiche betreffen unterschiedliche Kerngeschäfte und darüber die Holding. Ich habe damals in meiner Rede zum Ausdruck gebracht, dass man auf den Busautobusdienst nicht vergessen sollte, dass – natürlich nicht ganz Maastricht-konform – seinerzeit eine Quersubventionierung zwischen den Bereichen stattgefunden hat und dass es die Postbediensteten gibt und man sich darum kümmern muss, dass die Postbediensteten abgesichert sind.

Wie ist es dann weitergegangen? – Die Post in ihrer Gesamtheit wurde in diese vier Teilbereiche zerlegt, und es haben – wie wir wissen – Verhandlungen zwischen den Österreichischen Bundesbahnen und dem Postautobusdienst bezüglich einer Zusammenlegung stattgefunden. Diese Zusammenlegung war eine alte Forderung der Freiheitlichen Partei, die seit etwa zehn Jahren immer wieder gestellt wurde, weil meine Fraktion die Synergien sehr deutlich gesehen hat, und zwar nicht nur in der Zusammenlegung von Werkstätten, sondern auch in der Zusammenlegung von Linien mit dem Effekt einer besseren Anbindung an den restlichen öffentlichen Verkehr, einer besseren Vereinheitlichung im Rahmen der Verkehrsverbünde und möglicherweise auch einer Reduzierung der Zuschusszahlungen durch die Gebietskörperschaften.

Diese Gespräche haben relativ lang, etwa eineinhalb Jahr, gedauert, was für eine Fusionsbestrebung sehr lang ist, und sind letztlich daran gescheitert, dass sich die zwei Managements nicht einigen konnten, was auch am Management der Österreichischen Bundesbahnen lag – und wir wissen, welcher Fraktion der Generaldirektor der Österreichischen Bundesbahnen angehört! (Bundesrat Mag. Hoscher: Woher wissen Sie das?) Sie wissen es nicht, Herr Kollege Hoscher? Dann erkundigen Sie sich einmal! Sie werden Ihr Wunder erleben, wenn Sie es noch nicht wissen!

In weiterer Folge hat sich also gezeigt, dass diese Zusammenlegung nicht möglich war, weil sich Managements nicht einigen konnten. Das ist die traurige Tatsache! Außerdem wurden auch die


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möglicherweise erzielbaren Synergien im Rahmen der Linienführung, nicht im Rahmen der Werkstätten, angezweifelt.

Wie ist es weitergegangen? – Da diese Synergien nicht lukriert wurden, weil diese Zusammenführung der Postautobusdienste, die wir uns sehr gewünscht haben, nicht durchgeführt werden konnte, musste eine für die Mitarbeiter sozial verträgliche Lösung gefunden werden, welche durch die derzeitige Novelle – die nicht wir losgetreten haben, das war ursprünglich keine Novelle der freiheitlichen Fraktion, sondern der sozialdemokratischen Fraktion, da brauchen Sie keine Kindesweglegung zu machen! – zum Poststrukturgesetz abgesichert wurde. Das heißt, die Mitarbeiter haben in der heutigen Situation keine Veränderung oder Verschlechterung ihrer dienst- und besoldungsrechtlichen Stellung zu gewärtigen.

Worum wird es in Zukunft gehen? – Es müssen sich, auf Sicht gesehen, natürlich jede Verkehrsinfrastruktur und jeder Verkehrsbetrieb letztlich rechnen, und zwar insofern, als er möglicherweise aus seinem Cashflow seine Erhaltung nicht durchführen können wird. Jeder Verkehrsbetrieb, der in derart dünn besiedelten Regionen tätig ist, wird zusätzlich auch noch Zuschüsse der Gebietskörperschaften brauchen. Hier gibt es, wie Sie wissen, das ÖPlNVG, das die entsprechenden Zuschüsse vorsieht, hier gibt es die Verkehrsdiensteverträge, hier gibt es die Verkehrsverbünde, die diese Zuschüsse gewährleisten. Nur ist die Frage, wie hoch diese Zuschüsse in Zukunft sein sollen.

Da muss man natürlich in einer Situation nach 30 Jahren – nach Finanzminister Edlinger, der hier gesessen ist, wie ich bereits gesagt habe – schon erwähnen, dass wir uns diese Zuschüsse im derzeitigen Ausmaß nicht mehr leisten können werden. Man muss zu neuen Modellen finden, und jetzt wird es an der ÖIAG liegen, diese neuen Modelle zur Absicherung des öffentlichen Verkehrs in der Region und zur bereits erfolgten Absicherung der Mitarbeiter des Postautobusdienstes zu finden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ernst Winter. Ich erteile ihm das Wort.

20.01

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Finanzminister! Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Herr Kollege Gruber hat gesagt: Das Land muss leben; wir werden uns darum kümmern, dass die Busversorgung gegeben und gesichert ist. – Lieber Kollege Gruber. Ich hoffe, ihr kümmert euch nicht so um die Busversorgung in Österreich wie die ÖVP um die Landwirtschaft. (Bundesrat Keuschnigg: Wir haben keinen BSE-Fall in Österreich!)

Ich weiß, einen Autobus kann man nicht mit Tiermehl füttern. Aber man braucht dazu gute Kraftfahrer und gutes Fachpersonal in den Werkstätten, und darum müssen wir Sozialdemokraten uns kümmern. (Bundesrat Marizzi: Den Niki Lauda habt’s auße ...!) Die F-Gewerkschaft gibt es, so glaube ich, gar nicht mehr, und der ÖAAB ist von diesen Dienstnehmern auch schon sehr weit entfernt. (Widerspruch bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde mit dieser Poststrukturgesetz-Novelle ein schmerzhaftes Gesetz gemacht. Dieses Gesetz schmerzt uns ganz besonders in kleinen und armen Regionen. Dass sich diese FPÖ- und ÖVP-Regierung aber, wie ich glaube, derzeit in einem Machtrausch befindet, wird einmal mehr zur Schau getragen. (Bundesrat Dr. Aspöck: Ah, du hast Entzugserscheinungen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn es von Regierungsseite abgestritten wird (Ruf bei der ÖVP: Wer hat einen Rausch?): In Wirklichkeit handelt es sich bei dieser Gesetzesnovelle um den Verkauf der Postautobus-AG. Es gibt, wie wir schon gehört haben, bereits Verhandlungen mit französischen Unternehmen, und das streitet auch niemand mehr ab. Ich glaube, dass es dieser Regierung in Wirklichkeit egal ist, ob die Grundversorgung des Verkehrsangebots auch im ländlichen Raum gegeben ist oder nicht. Tatsache ist, dass sich diese Regierung vom öffentlichen Verkehr verabschiedet hat. Volksvermögen wird auch in diesem


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Bereich verschleudert, so wie schon bei der Telekom. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten werden diesen Privatisierungswahn, den man mit der Postautobus-AG treibt, sicher nicht hinnehmen. Ein Unternehmen mit 3 300 Beschäftigten und 1 600 Bussen, ein Unternehmen, das jährlich 150 Millionen Fahrgäste transportiert, darf nicht verschleudert werden – verschleudert, damit Reiche reicher und Arme ärmer werden! (Bundesrat Marizzi: An die Franzosen!) In Wirklichkeit kümmert es niemanden, wie es den Beschäftigten, den Buslenkern, den Mechanikern und allen daran beteiligten Menschen, geht.

Zurzeit werden alle Gebiete besonders im ländlichen Raum von Postautobussen versorgt, was gerade für Bürger, die über keinen PKW verfügen, für viele Senioren und Schüler von größter Wichtigkeit ist. Das erfolgt auch bei jenen Linien, die von der Fahrgastzahl her nicht so Gewinn bringend wie andere sind. Das würde sich aber ändern. Oder glaubt hier wirklich jemand, dass bei einem privaten Konzern – womöglich auch noch bei einem ausländischen – dieser gemeinwirtschaftliche Auftrag erfüllt werden würde? – Dort würden die Routen vom Rechenstift bestimmt werden, aber nicht vom Bedarf!

Der derzeitige Postautobusbetrieb hat das Prinzip der Kostendeckung, ein neuer Betreiber muss dagegen Gewinne machen. Dies würde nicht nur zu Preiserhöhungen, sondern auch zur Einstellung vieler Linien führen. Dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wir Sozialdemokraten nicht zu haben! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Herrn Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser das Wort. – Bitte.

20.05

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eingangs wurde die Frage gestellt: Hat die ÖIAG eine Privatisierungsstrategie, und wie sieht diese Privatisierungsstrategie aus? – Sie hat eine klare Privatisierungsstrategie, die sich für den österreichischen Steuerzahler so auswirkt, dass man Schulden von der Vorgänger-Regierung und von meinem Vorgänger im Amte des Finanzministers in einer Größenordnung von 86 Milliarden Schilling in der ÖIAG übernommen hat. Die ÖIAG hat es mit einem hervorragenden Aufsichtsrat und Vorstand geschafft, 40 Milliarden Schilling innerhalb eines Jahres zurückzuzahlen. Das ist mehr, als zuvor zwei Bundesregierungen in zwei Legislaturperioden geschafft haben, das ist wirkungsvolles Management für die Bevölkerung! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Marizzi: Die "Volksaktie" war sehr "gut": 30 Prozent Verlust!)

Da Sie den zarten Versuch gemacht haben, einen Keil zwischen ÖVP und FPÖ zu treiben, und gesagt haben, die ÖVP sei sich der Gefahren sehr wohl bewusst, aber sie lasse das zu, darf ich Ihnen Folgendes sagen: Beide Regierungsfraktionen haben ein klares Bekenntnis zur Privatisierung abgelegt, weil beide Regierungsfraktionen wissen, dass privat besser ist als der Staat. Ich glaube, dass es gut ist, dass uns diese Fragen hier trennen. Damit hat es die Bevölkerung in ihrer Hand, zu entscheiden, welche Auswirkungen es auf den Steuerzahler hat, welche Auswirkungen es auf die Unternehmen hat und welche Auswirkungen es auf das jeweilige Angebot hat.

Wir haben in der Vergangenheit nur allzu oft Lehrgeld bezahlen müssen für eine Position, die gelautet hat: Wir versuchen, mit staatlichen Unternehmen Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik zu machen. – Meine Damen und Herren! Das ist eine Politik der Vergangenheit, die wir nicht weitergehen wollen, weil wir wissen: Es ist ein globaler Wettbewerb, es ist eine Konkurrenzsituation, die jedes Unternehmen und all die Mitarbeiter dort jeden Tag vor eine Herausforderung stellt, und es ist sehr klar bewiesen worden, dass über viele Jahre hinweg Milliarden Schilling an Steuergeld hineingezahlt wurden und trotzdem Zigtausende Arbeitsplätze verloren gegangen sind.


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Das kann nicht die Strategie sein, sondern wir wollen attraktive Rahmenbedingungen, und wir wollen eine Industriepolitik, die zeigt, dass man auch über privates Eigentum und über Unternehmer, die ihr Geld dort haben und Gewinne machen sollen, Arbeitsplätze schaffen und Wertschöpfung für Österreich zu Stande bringen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Herr Bundesrat! Sie haben selbst den Postbus und dieses Poststrukturgesetz angesprochen. Sie haben gesagt, dass man die zwei Busbereiche von Post und ÖBB zusammenlegen könnte und dass mit Synergien Hunderte Millionen Schilling eingespart werden könnten. Sie haben das gesagt, und das ist auch richtig, was Sie gesagt haben.

Ich darf Sie bei dieser Gelegenheit Folgendes fragen, beginnend bei Rudi Streicher, der Ihnen das erzählt haben wird und mir auch erzählt hat. Er hat versucht, das zusammenzulegen. Sie wissen besser als ich, wie lange die beiden Ressorts, sowohl Finanzministerium als auch Verkehrsministerium, in sozialdemokratischer Hand waren. Ich frage Sie: Warum ist es Ihnen nicht gelungen, diese zwei Unternehmen zusammenzulegen und Hunderte Millionen an Synergiepotenzial zu erreichen? – Sie hätten es in Ihrer Verantwortung gehabt, diese zwei Unternehmen effizient zu führen, Synergien zu nutzen, damit Arbeitsplätze abzusichern und ein besseres Produkt für den Konsumenten zu Stande zu bringen. Sie haben es nicht geschafft. Wir werden Ihnen vorzeigen, wie das funktioniert. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon.  – Bundesrat Marizzi: Und Sie verkaufen nach Frankreich!)

Wir haben das zur Kenntnis genommen, nachdem wir ein Jahr lang der ÖBB und den Postbus-Verantwortlichen gesagt haben: Versucht, zusammenzulegen! Wir haben gelernt daraus, dass beide Unternehmensvorstände gesagt haben, das funktioniert so nicht. Daher ist es die klare Strategie, zu sagen: Wenn die Zusammenlegung nicht gelingt – was in Österreich offensichtlich seit zehn und mehr Jahren nicht erfolgen konnte –, dann muss man versuchen, ein Unternehmen einer neuen Bestimmung im Sinne von mehr Synergie, mehr Effizienz und durchaus mehr und besserem Angebot für die Bevölkerung zuzuführen.

Franz Gruber hat vorhin von den leeren Bussen gesprochen, die parallel durch die Täler fahren. Ich war in genau diesem Bundesland auch Verkehrsreferent, Verkehrsreferent des Landes Kärnten, und habe gesehen, dass wir die Bahn, den Postbus und den ÖBB-Bus haben, die wirklich parallel fahren und dort ein Angebot entwickeln, das von der Bevölkerung nicht angenommen wird.

Ich bekenne mich hier wirklich zu einer attraktiven verkehrspolitischen Leistung für unsere Bevölkerung. Das ist etwas, das sicherlich uns alle hier eint. Wir alle wollen, dass die Bevölkerung jede Mobilität, die wir nur zur Verfügung stellen können, im öffentlichen Angebot hat. Nur sollten wir gleichzeitig dagegen sein, dass wir Dreifach-Parallelitäten haben, die nicht angenommen werden und mit denen das Geld des Steuerzahlers verschwendet wird. Deswegen gehen wir diesen Weg in Richtung Privatisierung des Postbusses.

Es ist eine Privatisierung, die konsequent auch das fortsetzt, was bereits angesprochen worden ist, nämlich eine Verselbständigung der Bereiche Post, Telekom und Bus, weil es einfach verschiedene Märkte sind und weil die Marktabgrenzungsmerkmale deutlicher nicht sein könnten. Schauen wir uns die Kundschaften in dem Bereich an, schauen wir uns die Konkurrenz an, schauen wir uns die Produkte an, schauen wir uns die Dienstleistungen an! Dann wird man draufkommen müssen: Es braucht eine eigene Strategie für diese Unternehmen.

Genau deswegen gehen wir den Weg, zu versuchen, den Postbus eigenständig zu führen, und auch deshalb, weil eines völlig klar ist: Wenn Sie in der Post Generaldirektor Wais fragen, wie viel an Managementkapazität er für den Postbus aufwenden konnte, dann wird er Ihnen sagen: Er ist damit zufrieden und hält es für eine kluge Entscheidung, dass man hier trennt und dass man das zu einer Tochter der ÖIAG macht, weil man sich bisher nicht ausreichend um den Postbus kümmern konnte und dort eine Überlastung vorhanden war. Daher ist es vernünftig, hier eine Verantwortung in direkter Hand der ÖIAG herzustellen, weil dieser Bus auch keine Kernaktivität der Post sein kann.


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Insofern bin ich mir sehr sicher, dass das in letzter Konsequenz für das Angebot und für die Mitarbeiter vernünftig sein wird. Sie werden sehen, dass der Markt zwar sicherlich einen Druck auf das Unternehmen im Sinne von Gewinnabsicht, von Gewinnerzielungsabsicht mit sich bringt. Das ist etwas, zu dem sich beide Regierungsfraktionen bekennen. Wir haben keine Angst vor Gewinnen, wir finden Gewinne auch nicht für schlecht. Gewinne sind die Voraussetzung dafür, dass es Arbeitsplätze in Unternehmen geben kann und dass dieses Land eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung erfährt. Aber Sie werden gleichzeitig sehen, dass es möglich ist, im Verkehrsbereich Gewinn zu machen und viel Steuergeld dadurch einzusparen, dass wir die Ineffizienzen und die Parallelitäten in den Linienführungen wegbekommen und damit klare Effizienzvorteile das Ergebnis sein werden.

Damit bleibt in letzter Konsequenz übrig, dass dieses Gesetz sehr viel Sinn macht. Es stellt jetzt sicher, was schon vor mehr als zehn Jahren in Österreich hätte realisiert werden sollen. Daher bedanke ich mich für die Unterstützung durch die Mehrheit dieses Hauses. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Danke, ebenfalls nicht.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz geändert wird (392 und 434/NR sowie 6304/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Herbert Würschl übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Herbert Würschl: Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluss des Nationalrates wird dem Außerkrafttreten der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung und des Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetzes Rechnung getragen. Der Verweis auf den Honorartarif der Wirtschaftstreuhänder entfällt gänzlich, stattdessen wird eine entsprechende Regelung in die Satzung des Sparkassen-Prüfungsverbandes aufgenommen.

Privatstiftungen gemäß § 27a können nicht Mitglieder des Sparkassen-Prüfungsverbandes sein. Die Bewilligungspflicht der Sparkassenaufsichtsbehörde erster Instanz zur Spendengewährung von Sparkassen ist aus verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten nicht mehr erforderlich.

Ziel des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates ist die Anpassung der Bestimmungen des Sparkassengesetzes an die geänderte Rechtslage und die tatsächlichen Gegebenheiten.

Durch erstens den Wegfall der betroffenen Verweise beziehungsweise des Verweises auf die diesbezügliche Nachfolgebestimmungen des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes, zweitens die Erweiterung des Mitgliederkreises des Sparkassen-Prüfungsverbandes sowie drittens die Ände


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rung der Bewilligungspflicht der Sparkassenaufsichtsbehörde erster Instanz zur Spendengewährung in eine Anzeigenverpflichtung soll dieses Ziel erreicht werden.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Aserbaidschan über die Förderung und den Schutz von Investitionen (271 und 432/NR sowie 6305/BR der Beilagen)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen (299 und 433/NR sowie 6306/BR der Beilagen)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (353 und 430/NR sowie 6307/BR der Beilagen)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (279 und 431/NR sowie 6308/BR der Beilagen)

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (354 und 429/NR sowie 6309/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 10 bis 14 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 158

Es sind dies:

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Aserbaidschan über die Förderung und den Schutz von Investitionen,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen,

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll, und schließlich

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Die Berichterstattung über diese Punkte hat Herr Bundesrat Johann Kraml übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Johann Kraml: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Berichte liegen in schriftlicher Form vor. Ich kann mir daher das Vorlesen ersparen und gehe nur auf die Beschlussanträge ein.

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Aserbaidschan über die Förderung und den Schutz von Investitionen:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 159

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien zur Verhinderung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen mit der Regierung der Republik Aserbaidschan über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Dieser Beschluss bedarf der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen mit der Republik Usbekistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Der vorliegende Beschluss bedarf ebenfalls der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen mit der Republik Usbekistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er ebenfalls der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen mit der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
672. Sitzung / Seite 160

zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll.

Der vorliegende Beschluss bedarf der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen letztlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend ein Abkommen mit der Republik Kroatien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Der vorliegende Beschluss regelt ebenfalls Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder und bedarf daher der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden (311/A, 345 und 404/NR sowie 6292 und 6310/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Dr. Peter Böhm: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich erstatte Ihnen den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden.

Da Ihnen der Text des Berichtes in schriftlicher Fassung vorliegt, beschränke ich mich auf den Beschlussantrag.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Herbert Würschl das Wort. – Bitte.

20.24

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Die Novelle zum Jugendgerichtsgesetz bedeutet für uns einen Rückschritt in der Justizpolitik. Ich darf Ihnen das folgendermaßen begründen:


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Erstens ist es deshalb ein Rückschritt, weil hier nicht der Parteikonsens gesucht wurde. Es haben zwar Parteiengespräche stattgefunden, es haben Enqueten stattgefunden, aber es wurde letztlich nicht versucht, hier einen breiten Konsens innerhalb der Parteienlandschaft sicherzustellen.

Weiters bedauern wir, dass die Expertenmeinungen nicht in entsprechendem Ausmaß berücksichtigt wurden. Unter Experten verstehe ich etwa Berufsgruppen wie jene der Pädagogen, der Psychologen oder auch der Jugendrichter.

Ich darf hier ganz kurz drei anerkannte Persönlichkeiten zitieren, die sich in dieser Frage sehr engagiert haben. Professor Fuchs etwa meint, dass die Jugendkriminalität in Österreich pädagogisch sehr richtig behandelt wurde, und er meint auch, dass das alte Gesetz in Europa vorbildhaft sei. Eine Staatsanwältin aus Linz, Frau Dr. Loderbauer, stellt zum Beispiel fest, dass die Beibehaltung des bisherigen Jugendgerichtsgesetzes voll in Ordnung wäre und das Gesetz keiner Novellierung bedürfe. Vom Jugendgerichtshof meint etwa Dr. Gerstberger – der hier auch sehr engagiert mitgearbeitet hat –, dass keine Notwendigkeit einer Änderung des bestehenden Gesetzes gegeben wäre.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage mich, warum dann, wenn so gewichtige Experten diese Meinung vertreten, trotzdem mit knapper Mehrheit eine derartige Gesetzesnovelle durchgezogen wird. Die Senkung des Volljährigkeitsalters auf das 18. Lebensjahr ist insofern ein sehr positiver Aspekt, als damit gesagt wird, dass man Vertrauen zur Jugend hat, dass man die Jugend so nimmt, wie sie ist, und dass man ihr auch Vorschusslorbeeren zugesteht. Wenn aber damit gleichzeitig – und hierfür besteht kein zwingender Grund – die Anwendung des Jugendstrafrechtes und die Anwendung des Erwachsenenstrafrechtes ebenso verlagert werden, so gibt es unserer Meinung nach dazu keinen Grund.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle kennen in der Öffentlichkeit den Begriff, dass "Jugendsünden" begangen werden. Auch wir haben, wie ich meine, durchaus solche begangen. Ich würde aber dann meinen, dass es absolut notwendig wäre, mit dieser Frage altersadäquat umzugehen. Ich bedauere auch, dass das große Wissen, das Erfahrungswissen der Jugendrichter keine entsprechende Berücksichtigung findet. Persönlich habe ich den Eindruck, dass hier nicht von Sachlichkeit ausgegangen wird, sondern dass man sich eher von Emotionen leiten lässt, die etwa in die Richtung gehen: Man muss einfach gewisse Straftaten auch in der Öffentlichkeit sehr deutlich sanktionieren.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das bedeutet für die Jugendlichen nichts anderes als eine gewisse Stigmatisierung. Das ist meiner Ansicht nach kein positiver Schritt, der gesetzt werden soll. Ich glaube auch, dass damit die Rückfalls- und Kriminalitätsquote angehoben wird. Auch das kann, so glaube ich, kein positiver Beitrag zur Entwicklung unserer Jugend sein. Ich frage mich, wie hier mehr Sicherheit für die Gesellschaft oder mehr Sicherheit für den Einzelnen gegeben sein soll.

Ausgesprochen interessant ist die Lektüre des Begutachtungsentwurfs auch dort, wo ganz konkret – man muss sich das vergegenwärtigen! – von 9 000 zusätzlichen Hafttagen gesprochen wird. Oder: Im Antrag der Koalitionsparteien ist immer noch von 3 000 zusätzlichen Hafttagen die Rede. Ich frage mich, wo hier ein Beitrag zu mehr Sicherheit erkennbar ist. Ich kann das nicht erkennen.

Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde deshalb in die andere Richtung appellieren: dass wir alles daransetzen sollten, ein besseres Umfeld für Jugendliche zu schaffen, die in Gefahr kommen, sich außerhalb des Gesetzesrahmens zu bewegen. Ich würde auch in die Richtung appellieren, dass wir uns verstärkt pädagogischen Anstrengungen unterziehen und uns für eine gute Bildung und Ausbildung unserer Jugend einsetzen, denn das ist meiner Meinung nach ein wesentlich besserer Beitrag zur Entwicklung unserer Kinder. (Beifall bei der SPÖ.)

20.29


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672. Sitzung / Seite 162

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Ich erteile Herrn Bundesminister Dr. Böhmdorfer das Wort. – Bitte.

20.29

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Herr Bundesrat Würschl hat erklärt, dass wir nicht den Konsens gesucht hätten. Das ist nicht richtig. Wir haben dieses Gesetz sehr lange verhandelt, wir haben außerhalb und innerhalb des Justizausschusses verhandelt, wir haben auch ein Expertenhearing gemacht – Sie haben von den Experten aber nur teilweise Zitate gebracht –, und wir haben letztlich eben auf Grund der Konsenssuche und auf Grund der ausführlichen Verhandlungen auch die ursprünglichen Vorschläge sehr stark geändert und reduziert.

Im Ergebnis haben wir nämlich nunmehr ein Heranwachsenden-Strafrecht. Wir nennen die davon Betroffenen "junge Erwachsene" und haben Regelungen im materiellen und im formellen Bereich eingeführt, die es ermöglichen, dass auf die besondere Situation dieser jungen Erwachsenen wirklich eingegangen werden kann. Ich nehme an, Sie wissen das, Herr Bundesrat, und aus diesem Grunde ist es nicht verständlich, dass Sie sagen, wir hätten keinen Konsens gesucht!

Sie sagen, dass das alte Jugendgerichtsgesetz beibehalten werden können hätte. – Das mag sein! Aber Sie haben nicht erwähnt, dass nunmehr eine Altersgruppe, nämlich die der 20- und 21-Jährigen bis zum 21. Geburtstag, ebenfalls die Privilegien hat, die auf die Jugend und die jungen Erwachsenen abgestimmt sind. Sie haben übersehen, dass nunmehr der herabgesetzte Strafrahmen, etwa der Umstand, dass keine lebenslange Strafhaft verhängt werden kann und so weiter, bis zum 21. Geburtstag gilt, was vorher nicht der Fall war. – Also auch dieses Argument ist nicht richtig, und ich muss es zurückweisen.

Sie haben gesagt, dass die Jugendrichter ihr Erfahrungswissen nicht mehr einbringen können. – Das stimmt nicht! Die Jugendrichter sind nunmehr für alle jungen Erwachsenen bis zum 21. Geburtstag, also für eine um zwei Lebensjahre erweiterte Personengruppe, zuständig. Es ist also nicht richtig zu sagen, dass die Jugendrichter ihr Erfahrungswissen nicht einbringen können.

Es ist dies ein gutes Gesetz geworden, und Sie hätten diesem Gesetz durchaus zustimmen können. Ich glaube, dass Sie die Zustimmung eher aus prinzipiellen Gründen verweigert haben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. – Bitte.

20.33

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist schon etliches sehr Wesentliches gesagt worden. Ich werde mich deswegen auch relativ kurz halten können.

Wir müssen uns gerade in Bezug auf die Jugend für Recht, Sicherheit und ein ausgeprägtes Rechtsbewusstsein stark machen. Nur wer ohne Angst um sich, seine Familie und sein Eigentum leben kann, hat Vertrauen in den Rechtsstaat und die demokratische Gesellschaft. Wer Recht bricht und sich damit gegen die Wertordnung der Gesellschaft stellt, muss mit konsequenter Verfolgung und Bestrafung rechnen. Tendenzen, Verbrechen zu verharmlosen oder zu entkriminalisieren, muss man entschlossen entgegentreten.

Wer Ladendiebstahl und Vandalismus als Bagatelldelikte abtun will, verwässert das Rechtsbewusstsein und schwächt die Gewährleistung der Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Eigentum. Null Toleranz gegenüber Rechtsbrechern und Gewalttätern muss die Strategie sein. Das ist auch für die Jugend sehr wichtig, denn da geht es nicht nur um die Spezial


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prävention, sondern vor allem um das Prinzip der Generalprävention, damit die jungen Leute sehen, was rechtens ist und was nicht. – Die mildernden Gründe, die ein Richter aussprechen kann, wurden bereits erwähnt.

Sicherheit der Bürger hat Vorrang. Es geht um den Kampf gegen Kriminalität im Alltag. Kinder und Jugendliche müssen vor gemeingefährlichen Straftätern und zunehmenden Gewalteinflüssen geschützt werden. Gewaltverherrlichende Darstellungen in den Medien und im Internet müssen zurückgedrängt werden. Dies ist für die Jugend besonders wichtig.

Wir brauchen eine bürgernahe und motivierte Polizei, die mit modernster Ausstattung effizient arbeiten kann, und wir müssen natürlich darauf achten – das sehen wir gerade jetzt –, dass jeglicher Extremismus bekämpft wird. Beispiele dafür sehen wir in den westeuropäischen Staaten und zurzeit vor allem auch im ehemaligen Ostdeutschland. Man muss alle aufrufen, Extremisten, seien sie von Rechts wie von Links, mit allen rechtsstaatlichen Mitteln und aller gebotenen Härte zu bekämpfen!

Zur Kinder- und Jugendkriminalität: Kinder- und Jugendkriminalität sind zu einem großen gesellschaftspolitischen Problem geworden, das immer weiter um sich greift. Gerade bei Gewalttaten ist festzustellen, dass die Täter immer öfter jüngere Menschen sind. Manche Eltern werden ihren Erziehungsaufgaben nicht gerecht. Der Staat muss unterstützend eingreifen, wenn junge Menschen wiederholt straffällig werden. Abgestufte Erziehungshilfen bis hin zur Heimerziehung müssten auch für unter 14-Jährige möglich sein. Diesen Kindern müsste geholfen werden, ein normales Unrechtsbewusstsein zu entwickeln.

Heute ist es üblich, Straftäter im Alter zwischen 19 und 21 Jahren nach dem Jugendstrafrecht zu verurteilen. Wir halten das für falsch. Die Altersgrenze wird jetzt auf 18 Jahre gesetzt. Wer reif genug ist, zu wählen oder eine Familie zu gründen, muss auch für seine Taten voll zur Verantwortung gezogen werden können. Deshalb ist das Setzen auf 18 Jahre richtig. Erziehung und Sicherheit der Bevölkerung müssen beim Jugendstrafrecht in den Verfahren und im Vollzug im Mittelpunkt stehen.

In diesem Sinne glaube ich, dass diese neue Gesetzgebung richtig ist, um die Jugend zu schützen und sie auch in dem Bewusstsein zu stärken, was Recht und was Unrecht ist, um sie so wirklich zu starken, normalen, ordentlichen Menschen zu machen. Meine Partei wird die Zustimmung geben. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck. – Bitte.

20.37

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich weiß, dass die Zeit schon sehr fortgeschritten ist. Daher werde ich mich möglichst kurz fassen.

Wie der Herr Bundesminister bereits betont hat, ist das Bild, das Kollege Würschel hier zu erzeugen versucht hat, völlig falsch. Er hat Expertenmeinungen zitiert, die nicht zur Endfassung dieser Novelle passen, sondern die vom Beginn der Arbeit an dieser Novelle stammen. Ganz wesentliche Dinge wurden aber später noch geändert.

Wenn Kollege Winter vor etwa 20 Minuten hier davon gesprochen hat, dass die FPÖ derzeit unter einem Machtrausch leide, dann kann ich nur entgegnen, dass die SPÖ ganz offensichtlich an diesbezüglichen Entzugserscheinungen leidet, denn nur so ist diese Haltung einer Fundamentalopposition, welche die SPÖ in dieser Frage einnimmt, erklärbar: An dieser Regierung darf einfach nichts Gutes dranbleiben, und schon gar nicht am freiheitlichen Justizminister dieser Regierung! – Ich verstehe schon, dass manchen Rosaroten bis Dunkelroten schwindlig wird, wenn sie sehen, wie viele Reformen dieser Minister in seiner kurzen Amtszeit bereits erfolgreich durchgeführt hat und welch gewaltiges und für Österreich sehr positives Programm er noch in petto hat! Es handelt sich hiebei um Reformen, zu welchen man fachlich einfach nicht nein sagen kann, und um dennoch nein sagen zu können, sucht man das berühmte Haar in der


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Suppe und glaubt, so dem berechtigten Vorwurf der Fundamentalopposition entgehen zu können.

Wie der Herr Bundesminister bereits ausgeführt hat, werden halt manche Dinge geflissentlich übersehen. Kein Richter ist jetzt gezwungen, einen 18- bis 21-Jährigen wegen einer so genannten – unter Anführungszeichen – "lässlichen Sünde" der Heranwachsenden strenger als bisher zu bestrafen. Herr Kollege Würschel! Sie übersehen völlig, dass die 19- bis 21-Jährigen jetzt milder beurteilt werden! Sie übersehen völlig, dass in der Endfassung nunmehr bis zum 21. Lebensjahr die Zuständigkeit der Jugendrichter gegeben ist.

Noch etwas wurde zwar nicht in der heutigen Debatte, aber sehr wohl in der Debatte im Nationalrat stark in den Vordergrund gestellt: Es wurde bedauert, dass es den außergerichtlichen Tatausgleich nach dem Jugendgerichtsgesetz für diese Personen nicht mehr gibt. Dabei wurde aber ganz vergessen, dass wir dank dieser Regierung den außergerichtlichen Tatausgleich für die Erwachsenen und damit natürlich auch für die 18- bis 21-Jährigen haben. Aber solche Dinge werden einfach übersehen!

Wir alle wissen, dass wir bei Jugendlichen und auch bei jungen Erwachsenen von einem von der Gesellschaft nicht mehr negierbaren Anstieg der Deliktsfälle ausgehen müssen, und wir wissen auch, dass diese Steigerungsraten zum Großteil dem Drogenkonsum und der Beschaffungskriminalität zu diesem Konsum zuzuschreiben sind. Es gibt jetzt politisch gesehen zwei Wege, diesem Anwachsen der Kriminalität entgegenzutreten. Der eine Vorschlag – ich brauche jetzt gar nicht zu sagen, woher dieser kommt! – ist es, den Drogenkonsum und in der Folge womöglich auch noch die entsprechende Begleitkriminalität freizugeben, zu welcher es verständlicherweise kommt, sodass man zum Beispiel im Großmarkt "fladern" muss, um sich wenigstens etwas Stoff besorgen zu können. – Wer diesen Weg ablehnt, meine Damen und Herren, wird von linken "Gutmenschen" gleich als jemand hingestellt, der nur "law and order" im Sinn hat – und das gleich mit entsprechendem Beigeschmack und dem dumpfen Negativgefühl, ohne dass der Begriff überhaupt hinterfragt wird. Daher frage ich: Was ist eigentlich so dumpf und schlimm an der Forderung, dass Gesetze einzuhalten sind? – Das ist doch eine ganz normale Forderung!

Meine Damen und Herren! Ich nenne Ihnen jetzt ein Gegenbeispiel, wie sehr die "Gutmenschen" für "law and order" sind, wenn es nämlich um ihre Wertvorstellungen geht. Da genügt es, auch nur einen Zentimeter nicht etwa gegen Ausländer, sondern nur für Österreicher zu sein, und schon ist man außerhalb des Spektrums dieser "Gutmenschen"! Jetzt sage ich Ihnen, wie sehr sie dann "law and order" einfordern. – Sie versteigen sich so weit, dass in Sprechchören immerhin verbal gefordert wird: "Widerstand, Widerstand, Schüssel – Haider an die Wand!" Ich habe noch keinen rosaroten bis dunkelroten führenden Politiker in Österreich erlebt, der sich jemals von derartigen Gewaltsprüchen und von dieser Law-and-order-Politik der "Gutmenschen" distanziert hat.

Meine Damen und Herren! Es kommt ein weiteres Argument dazu, aber ich möchte nicht das wiederholen, was mein Vorredner bereits gesagt hat. Ich nenne nur noch einen Aspekt: In Bezug auf die Erteilung von Rechten wird immer wieder gefordert: noch jünger, noch jünger, noch jünger! Die Sozialdemokraten fordern gemeinsam mit den Grünen das Wahlrecht für 16-Jährige und 14-Jährige. Es wird jedoch nicht akzeptiert, dass Rechte in unserer Gesellschaft halt auch mit Pflichten verbunden sein müssen! – Daher und in diesem Sinne werden wir, meine Damen und Herren, diesem Entwurf natürlich zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.43

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.


Bundesrat
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Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten, das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste und das Hochschul-Taxengesetz 1972 geändert werden (389 und 413/NR sowie 6293, 6294 und 6311/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 16. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten, das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste und das Hochschul-Taxengesetz 1972 geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Josef Saller übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Josef Saller: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten, das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste und das Hochschul-Taxengesetz 1972 geändert werden. Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich kann daher auf die Verlesung des Inhaltes verzichten.

Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon das Wort. – Bitte.

20.45

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Wir haben heute Vormittag eine aus meiner Sicht sehr interessante Diskussion – abgesehen von der parteipolitischen Polemik und den offensichtlichen Problemen, die so mancher Kärntner Abgeordneter mit seinem Landeshauptmann hat – mit dem Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz erlebt. Der Landeshauptmann ein paar sehr wesentliche Dinge gesagt, die auch immer wieder von der Bundesregierung kommuniziert werden: Gehen wir weg von den großen Würfen, Entwürfen und den großen Bildern – Thema Bundesstaatsreform –, und bemühen wir uns, die Gesetzesentwicklung an gewissen Grundprinzipien zu orientieren!

Ein Grundprinzip ist das Grundprinzip der Übergabe von Verantwortung an jene Stellen, die diese Verantwortung übernehmen können und denen diese zumutbar ist, was letztlich schlicht und einfach mehr Effizienz bringt. Das zweite Prinzip ist das Prinzip der Subsidiarität. – Ich halte es für sehr gescheit, dass sich die Bundesregierung an solchen Prinzipien orientiert und diese in die Gesetzesentwicklung einfließen lässt.

Ich sage das im Hinblick auf den vorliegenden Gesetzentwurf, und ich möchte einen kleinen Teilaspekt aus diesem Gesetzentwurf näher betrachten, nämlich dass Universitäten nun für die Gestaltung und Abhaltung der Universitätslehrgänge selbst zuständig sind. Ich meine, dass das ein sehr vernünftiger und brauchbarer Ansatz ist. Solche Universitätslehrgänge sind gemäß § 23 des Universitäts-Studiengesetzes derzeit noch nicht in der Teilrechtsfähigkeit, sondern im Rahmen der Funktion der Universität als Einrichtung des Bundes durchzuführen. Das hat natürlich entsprechende Konsequenzen: Es gelten die Haushaltsvorschriften des Bundes bis hin


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zu den dienst- und besoldungsrechtlichen Bestimmungen des Bundes für das Lehrpersonal. Für die Gestaltung eines Universitätslehrganges ergibt sich daher ein relativ großer bürokratischer Aufwand und ein relativ langer Weg, bis man zu einer Entscheidung kommt. Daher ist es meines Erachtens in einer Zeit, in welcher der Bildungsmarkt sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Anbieterseite boomt, ein sehr geschickter und gescheiter Schachzug, dass man Universitäten erlaubt, solche Universitätslehrgänge selbst zu konzipieren und zu vermarkten, und zwar meiner Meinung nach auch deshalb, weil gerade im Bereich "Management und Führungskräfte" – in diesen Ebenen der Wirtschaft sind Akademiker meist zu Hause – sehr oft der Ausbildungs- und Weiterbildungsaspekt vernachlässigt wird.

Ich möchte auf eine aktuelle Untersuchung des Kreditschutzverbandes Bezug nehmen: Der Kreditschutzverband sagt, dass 60 Prozent der Insolvenzen auf Managementfehler zurückzuführen sind. Ich glaube, dass es daher wichtig ist, dass vermehrt ein Bildungsangebot für Manager und Führungskräfte entwickelt wird. Ich kann feststellen, dass solche Universitätslehrgänge sehr oft gerade für Absolventen einen Anreiz bieten, wieder in die Weiterbildung einzusteigen und an die Heimatuniversität zurückzukommen.

An der Montanuniversität ist das beispielsweise sehr klar nachvollziehbar. Die Teilnehmer sind zumeist Absolventen dieser Montanuniversität. Auf diese Weise kommt es auch zu einer Stärkung der Beziehung zu den Absolventen, was in weiterer Folge sehr wichtig für die Entwicklung einer Universität ist.

Mit diesem Gesetz haben die Universitäten künftig die Möglichkeit, im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit über Universitätslehrgänge selbständig zu entscheiden, diese abzuführen und zusätzliche Einnahmen zu lukrieren. Es ist auch sichergestellt, dass der herkömmliche Universitätsbetrieb dadurch nicht beeinträchtigt ist. Es gibt also gute Gründe, diesem Gesetz zuzustimmen. Die ÖVP wird das tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.50

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Brunhilde Fuchs das Wort. – Bitte

20.50

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren! In das zu beschließende Gesetz wurden nach intensiven Diskussionen im Ausschuss viele Verbesserungsvorschläge der Oppositionsparteien eingearbeitet. Daher können wir gerne zustimmen. – Das wollte ich vorweg sagen.

Die Regelung der Universitätslehrgänge einschließlich ihrer Abgeltung im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit hat Herr Bundesrat Missethon soeben näher dargestellt. Das vereinfachte Verfahren zur Bestellung von Ersatzkräften für Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren, die Verkürzung der Frist für die Wiederbestellung von Gastprofessorinnen und Gastprofessoren und auch die Regelung für die Beauftragung von Forschungsassistentinnen und Forschungsassistenten mit der Abhaltung von Lehrveranstaltungen sind absolut positiv zu bewerten. Textliche Anpassungen und Anpassungen an die Einführung des Euro sind wohl selbstverständlich und logisch.

Selbstverständlich ist für mich auch, dass jene unverständliche Aussage des Herrn Finanzministers über die unnötigen Orchideenfächer in dieser Gesetzesänderung keinen Niederschlag findet. – Dafür danke ich! Daher werden wir auch unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.52

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Thomas Ram das Wort. – Bitte.

20.52

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, den Ausführungen von Dipl.-Ing. Missethon ist wirklich nicht mehr sehr viel hinzuzufügen.


Bundesrat
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Selbstverständlich wird auch meine Fraktion zustimmen.

Die sozialdemokratische Bundesrätin Fuchs hat schon gesagt, dass ihre Fraktion an diesem Entwurf mitgearbeitet hat, und es freut mich, dass wir eine breite Basis für diese Novelle finden. Diese Novelle ist ein Schritt zur Modernisierung des Universitätsbetriebs, der in Österreich dringend notwendig ist, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz noch auf den nächsten Tagesordnungspunkt eingehen! Es besteht ein gewisser Zusammenhang zum jetzigen Punkt, und daher kann ich meine Argumentation gleich jetzt vorbringen, um mir und Ihnen eine zusätzliche Wortmeldung beim nächsten Tagesordnungspunkt zu ersparen.

Bei Tagesordnungspunkt 17 steht ebenfalls die Modernisierung des Universitätsbetriebes im Vordergrund, und zwar das so genannte "E-Voting", zu Deutsch: die elektronische Stimmabgabe. Die Ermöglichung der Stimmabgabe auf elektronischem Wege bei den übernächsten ÖH-Wahlen bietet uns die Gelegenheit zu einem Probebetrieb für eine elektronische Stimmabgabe. Das ist insofern wichtig, weil es auf Grund der technischen Entwicklungen und der neuen Medien auch überlegenswert wäre, inwieweit man etwa auch bei kommunalpolitischen Wahlen die elektronische Stimmabgabe ins Kalkül ziehen könnte. – Aber das ist Zukunftsmusik. (Bundesrat Ing. Polleruhs: Auch die Briefwahl ist wichtig!) Die Briefwahl wird sowieso in einigen Bundesländern schon angedacht, und auch das ist natürlich ein positiver Aspekt! – Ich wollte noch sagen, dass auch im Zusammenhang mit dem elektronischen Voting die Universität Vorreiter ist und man sehen wird, inwieweit sich das bewährt.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die verfassungsrechtlichen Auflagen des allgemeinen Wahlrechts hinsichtlich E-Voting erfüllt wurden. Die Möglichkeit für das E-Voting ist mir auch deshalb ein besonderes Anliegen, weil dies ein Wunsch der Österreichischen Hochschülerschaft war, um die Wahlbeteiligung zu steigern. Dabei sollte man allerdings erwähnen, dass bei den Hochschülerschaftswahlen sicherlich nicht nur die Möglichkeit der Stimmabgabe eine bedeutende Rolle zur Steigerung der Wahlbeteiligung spielt, sondern dass es auch an der Hochschülerschaft liegen wird, in Zukunft mehr serviceorientiert zu arbeiten und weniger allgemeinpolitische Dinge von sich zu geben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1998 geändert wird (394 und 414/NR sowie 6295 und 6312/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1998 geändert wird.


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Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Leopold Steinbichler übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Leopold Steinbichler: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1998 geändert wird.

Der vorliegende Gesetzesbeschluss liegt in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur stellt den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon das Wort. – Bitte.

20.56

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich muss gestehen, dass das Thema E-Voting wirklich spannend ist.

Mich persönlich freut es besonders, dass dieses quasi erste Experiment beziehungsweise Pilotprojekt gerade auf den Universitäten stattfindet, weil ich glaube, dass das auch ein Symbol und Signal ist. Die Universitäten sind in den letzten Jahren sehr oft in den Verruf gekommen, dass sie verstaubt und eher stehen geblieben sind. Daher halte ich das für ein wichtiges Signal auch für die Universitäten!

Ich bin schon sehr gespannt auf die Ergebnisse dieses Experimentes, wie sich das nämlich in der Wahlbeteiligung niederschlägt, ob es damit wirklich eine Erleichterung und quasi einen neuen Zugang gibt, damit Menschen wieder motiviert werden können, ihre Stimme abzugeben.

Im Grunde genommen stimmen wir von der Österreichischen Volkspartei diesem Experiment zu und bitten um Veröffentlichung der Ergebnisse dieses Experiments. (Beifall bei der ÖVP.)

20.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Brunhilde Fuchs. Ich erteile ihr das Wort.

20.57

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Auch die Änderung des Hochschülerschaftsgesetzes wurde weitgehend konsensual besprochen.

Auch wir sehen die Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen dafür, dass die Hochschülerschaftswahlen künftig auch per elektronischer Datenübermittlung durchgeführt werden können, als positiv. Es sollen Möglichkeiten geschaffen werden, diese neuen Technologien zu nutzen. Das Image der österreichischen Hochschulen kann damit nur verbessert werden!

Meine Damen und Herren! Die Grundsätze des allgemeinen, gleichen, geheimen und persönlichen Wahlrechtes müssen voll gewahrt bleiben. Darauf werden wir sehr genau achten. Und wir werden auch sehr genau darauf achten, dass die Studierenden dafür keine zusätzlichen Kosten zu tragen haben. Die Bedenken des Datenschutzrates und des Verfassungsdienstes sind durch nochmalige Überarbeitung behoben worden, und daher werden auch wir dieser Gesetzesänderung zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


Bundesrat
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672. Sitzung / Seite 169

20.58

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer das Wort. – Bitte.

20.58

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bedanke mich dafür, dass diese beiden wichtigen Gesetzesentwicklungen in einer konstruktiven Diskussion von allen Fraktionen unterstützt werden.

Wer an unsere Universitäten geht – ich war gestern in Innsbruck –, der sieht, welche Weiterentwicklungen es dort gibt. Wir wollen diese Entwicklungen mit modernsten Methoden unterstützten, etwa mit einer Student-Servicecard, die sowohl für die Inskription als auch für die Abholung von Zeugnissen und für den Zugang zu Bibliotheken verwendet werden kann. Wir wollen die Universitäten auf ihrem Weg zu einem modernen Management weiterhin unterstützen. Heuer werden 500 Millionen Schilling zusätzlich dafür zur Verfügung gestellt, nächstes Jahr wird es die Universitätsmilliarde geben.

Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass wir dieses E-Voting sehr genau beobachten. Ich werde selbstverständlich gerne darüber berichten.

Es stehen nach dem Regierungsübereinkommen sehr wichtige Zukunftsentscheidungen vor den Parlamentariern. Das betrifft ein neues Dienstrecht, das betrifft aber auch eine Weiterentwicklung der Universitäten zu wissenschaftlichen Anstalten. Das werden große Herausforderungen sein. Ich bitte Sie schon heute sehr herzlich, auch diese wichtigen Materien in dieser konstruktiven Art und Weise zu behandeln. (Beifall bei der ÖVP.)

21.00

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 31. Januar 2001 betreffend Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit samt Anhängen (272 und 398/NR sowie 6313/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 18. Punkt der Tagesordnung: Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit samt Anhängen.

Da der vom Ausschuss gewählte Berichterstatter nicht anwesend ist, bitte ich Herrn Professor Albrecht Konecny, der in der Sitzung des Ausschusses den Vorsitz geführt hat, um den Bericht.

Berichterstatter Albrecht Konecny: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, der sich in seiner Sitzung vom 13. Februar 2001 mit dieser Vorlage beschäftigt hat. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Die Bericht in seinem Wortlaut liegt Ihnen vor, sodass ich mich darauf beschränke, Ihnen mitzuteilen, dass der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten den Antrag stellt, dem gegenständ


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lichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

21.02

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Österreich ist bekanntlich Sitz einer ganzen Reihe internationaler Institutionen. Wir sind eigentlich froh und stolz darauf, dass wir eine solch zentrale und wichtige Rolle in Europa spielen.

Nunmehr ist als einzige EU-Institution die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit hier installiert. Bei der Eröffnung wurde gesagt, dass sich diese Beobachtungsstelle als Auge und Ohr der Europäischen Union fühlt. Man hatte zumindest in Österreich eine Zeit lang das Gefühl, dass Augen und Ohren nur auf unser Land gerichtet waren, wobei in dieser Zeit – das muss ich schon anmerken – die Funktionsfähigkeit dieser Sinnesorgane öfters in Frage zu stellen war.

Aber Gott sei Dank ist das jetzt vorbei. Nunmehr sind auch alle Irritationen und Missverständnisse im Vorfeld ausgeräumt. Es gab bekanntlich Schwierigkeiten zwischen der Leiterin der Beobachtungsstelle und der Regierung; auch diese Meinungsverschiedenheiten sind weg. Es ist daher zu begrüßen, dass diese Beobachtungsstelle nunmehr in allen Mitgliedstaaten vertreten ist und dass auch dort die Augen und Ohren offen gehalten werden. Es ist natürlich auch positiv zu bewerten, dass auch in Österreich die Ratifizierung dieses Amtssitzabkommens stattgefunden hat.

Die gute Zusammenarbeit der Beteiligten – ich nenne die drei: die Beobachtungsstelle, den Außenpolitischen Ausschuss und den Menschenrechtsausschuss – ist unerlässlich und notwendig und wird auch die nötigen Ergebnisse und Richtigstellungen zeigen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fuchs. – Bitte.

21.04

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ganz so kurz wie mein Vorredner kann ich es nicht machen, denn ich glaube, dass ich doch einige Worte mehr dazu sagen muss.

Ich kann wirklich nur sagen: Endlich wird dieses Amtssitzabkommen heute beschlossen. Ich sage "endlich", weil die Vorgeschichte sehr mühsam und fast un endlich war. Meine Damen und Herren! Sie alle wissen sicher, dass sich die österreichische Bundesregierung gleich nach dem Beitritt zur Europäischen Union sehr bemüht hat, den Sitz einer europäischen Einrichtung in Österreich zu etablieren. Der Europäische Rat hat dann mit Verordnung vom Juni 1997 die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit mit Sitz in Wien beschlossen und eingerichtet. Ein Jahr später hat diese Stelle ihre Tätigkeit aufgenommen, und im April des Vorjahres wurde sie eröffnet.

Da verwundert es einigermaßen, dass bei der sonstigen Geschwindigkeit dieser Bundesregierung gerade diese – unter Anführungszeichen – "Nur-Ratifizierung" so übermäßig lange gedauert hat. Den Grund dafür kann ich Ihnen nennen, meine Damen und Herren: Die Mitglieder der Regierungsfraktionen im Hauptausschuss haben in zwei Sitzungen ihre Zustimmung verweigert, obwohl der Ministerrat schon einen Beschluss gefasst hatte. Die Leiterin dieser Stelle sollte sich nämlich nach Ansicht der Regierungsfraktionen rechtfertigen und für die Stellungnahmen, die


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sie im Rahmen des Weisenberichtes an das Europäische Parlament abgegeben hatte, entschuldigen, und auch dafür, dass keine Mitglieder der FPÖ-ÖVP-Regierung zur offiziellen Eröffnung im April 2000 geladen wurden. Es ist unglaublich, aber wahr! (Bundesrat Grissemann: Dafür dürfen wir zahlen!)

Es ist wirklich unglaublich, es war leider doch so. Die Einrichtung einer solchen Stelle nicht zu ratifizieren, weil die Äußerungen der Leiterin dieser Regierung nicht passen, steht wohl im Gleichklang zu den Absetzungen und Austäuschen in vielen Vorständen und Aufsichtsräten, zum Beispiel in ÖIAG, Post, AUA, OMV, ÖBB, Telekom und vielen mehr. Die komplette Liste ist für alle Interessierten in "profil" und "Format" nachzulesen. Außenpolitisch und europapolitisch schadet dieses Vorgehen Österreich immens.

Meine Damen und Herren! Frau Dr. Winkler hat in ihrem Bericht Tatsachen aufgezeigt, die auch vom so genannten Weisenrat als sehr negativ bewertet wurden. Diese Tatsachen waren unter anderem die Wahlplakate, die Wahlkampfplakate der FPÖ zur Nationalratswahl 1999 in Wien. Jetzt können wir wieder Wahlplakate der Freiheitlichen, mit den gleichen Themen sehen. Jetzt sagt Frau Dr. Partik-Pablé: "Ausländer: Ich verstehe die Sorgen der Wiener." (Bundesrat Dr. Nittmann: Darf man nicht einmal das mehr sagen?)

Zu Drogen sagt Sie – bitte hören Sie jetzt gut zu! –: "Ich bin selbst Mutter." – Das ist wohl ein sehr erstaunlicher Zusammenhang. Ich bin auch Mutter, aber ich verspreche Ihnen, ich werde das nicht plakatieren. Ich will mir das auch gar nicht leisten.

Ansonsten gibt es noch eine Plakatreihe der FPÖ, da ist aber die FPÖ zu feige, dazu zu stehen und auch nur mit einer Zeile im Impressum festzuhalten, dass das von ihr kommt. (Bundesrat Grissemann: Das ist auch nicht vorgesehen! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Leider so feige – so schaut es aus!

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich sehe schon wieder Arbeit auf die Beobachtungsstelle zukommen. Hören Sie gut zu! (Bundesrat Grissemann: Gleich wieder Vernaderer! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Herr Sichrovsky, FPÖ-Generalsekretär und EU-Abgeordneter, ist zwar laut "NEWS" im Kulturausschuss des Europäischen Parlaments nie anwesend gewesen, hat aber in seiner dadurch gewonnenen Freizeit ein "Wörterbuch der Wende" geschrieben. (Bundesrat Mag. Gudenus: Ja, das ist aber sehr witzig!) Ich darf Ihnen zum Beispiel seine Definition von Rassismus zitieren. (Bundesrat Dr. Nittmann: Verstehen Sie die Ironie nicht, die dahinter steckt?)

Ich kann Ihnen den Inhalt kurz einmal erklären. (Bundesrat Dr. Nittmann: Lesen Sie es vor! – Bundesrat Mag. Gudenus: Wir haben es alle zu Hause!) Die Definition von "Rassismus" lautet: "ein Bedürfnis der Menschen, sich nach Herkunft und Farbe gegenüber anderen abzukoppeln".

Oder: "Antifaschismus" kommt laut Sichrovsky "vom österreichischen Ausdruck Faschieren, durch den Fleischwolf drehen, und drückt den Protest gegen die Fleischlaberlkultur aus". – Das ist wohl wirklich unerhört und unglaublich! (Bundesrat Dr. Nittmann: Was werfen Sie Sichrovsky konkret vor?)

Über "Xenophobie" heißt es, sie ist "die Angst vor der Xenogamie oder Fremdbestäubung". Es beschreibe "die Panik der Bienen, die falschen Blumen zu vermischen und so etwa das Bild eines Gartens zu zerstören".

Ich glaube, diese wenigen Ausschnitte reichen (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie sind empört?), dass sich erstens einmal jeder selbst ein Bild machen möge, der denken kann und der ein bisschen Gefühl für Moral und Anstand hat. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Was schließen Sie daraus?)

Ich meine zweitens, dass ein Rücktritt dieses Herrn überfällig ist. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Sagen Sie, warum! – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Maier. ) – Nein, ich spreche von Herrn Sichrovsky – Sie haben schon wieder einmal nicht gut aufgepasst, werter Herr Kollege! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Maier. )  – Sollte kein Rücktritt dieses Autors er


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folgen, dann muss ich daraus schließen, dass solche ungeheuerlichen Verstöße gegen Ethik, Moral und Anstand von der größeren Regierungspartei toleriert werden. (Bundesrat Grissemann: Wie war denn das mit Ihrem Arztbesuch?)

Da erscheint mir aber jetzt auch wieder ein anderer Zusammenhang, nämlich die Nominierung des Nationalrates Gaugg für den Präsidenten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, in einem ganz anderen Licht. Herr Gaugg hat bekannt traurige Berühmtheit durch das Buchstabieren des Wortes "Nazi" erlangt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wenn heute im Zusammenhang mit dem Entschädigungsfonds noch zusätzlich von Rechtsethik gesprochen wurde, dann bin ich persönlich sehr enttäuscht, das sage ich Ihnen, Herr Bundesrat! (Bundesrat Dr. Nittmann: Warum? – Zwischenruf des Bundesrates Grissemann. ) Das tut mir weh. (Bundesrat Weilharter: Dann müssen Sie auch Ihren Kollegen Arbeiter ...!) Wer wegschaut, macht sich schuldig, gestern und heute. (Bundesrat Dr. Nittmann: Wessen?) An der Aktualität dieses Themas hat sich leider nichts geändert. (Bundesrat Schöls: Schauen Sie einmal zu Grolli!)

Es ist höchst an der Zeit, dass wir im Interesse des Ansehens Österreichs dieser Ratifizierung zustimmen. (Bundesrat Schöls: Sagen Sie ...! Schauen Sie zu Grolli!)  – Wenn Sie jetzt einen Hund damit vergleichen, dann ist das wirklich der Gipfel der Geschmacklosigkeit! (Beifall bei der SPÖ.)

21.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

21.12

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Frau Kollegin Fuchs, die heute zufälligerweise keinen Arztbesuch macht, sondern bei uns ist (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Fuchs: ... heute nicht in der Praxis!) , hat heute um 16.47 Uhr in einer bedeutenden Presseaussendung zu diesem Thema den Inhalt ihrer jetzigen Abendauslassungen veröffentlichen lassen. (Bundesrat Winter: ... haben es heute noch nicht überzogen!)

Von den 15 Zeilen Ihrer Presseaussendung habe ich, als ich Ihrer Rede zugehört habe, nur einen Satz mitbekommen können, der mit dem zusammenstimmt hat, was Sie ausgesendet haben. Aber vielleicht haben Sie eine zweite Version vorbereitet. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Fuchs: Aber der Inhalt!) Wer wegschaut, macht sich schuldig, gestern und heute, es hat sich leider nichts geändert, haben Sie zum Schluss gesagt, und das ist auch das Einzige, was von Ihrer Presseaussendung übrig geblieben ist. (Bundesrätin Fuchs: Aber wahr ist es schon!) Es bleibt Ihnen überlassen, Ihre Vorausschau dessen, was Sie sagen wollen, mit dem, was Sie gesagt haben, in Einklang zu bringen. (Bundesrätin Fuchs: Kann ich ohne Problem!)

Es ist wenig übrig geblieben. Es ist da immer das Problem, es ist wie mit den Wettervorhersagen: Das Wetter kommt dann oft anders, als es vorhergesagt wird. (Bundesrätin Fuchs: Ich bin sehr flexibel!) Insofern sind Sie ein "Wetterfröschchen". (Bundesrat Marizzi: Was haben Sie gesagt? –


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Konecny: Sagen Sie, sind Sie betrunken, eine Kollegin als "Wetterfröschchen" zu bezeichnen?)

Frau Präsidentin! Ich lasse mir vom Herrn Obmann nicht das Betrunkensein vorwerfen! (Bundesrat Konecny: Eine Kollegin als "Wetterfröschchen" anzusprechen, ist ja wohl der Gipfelpunkt der Frechheit!) Das ist doch ungeheuerlich, mit dem Pathos eines Pastors! Sie wissen nicht, was der Messwein ist, Herr Kollege! (Bundesrat Konecny: Wieso? Sind Sie Pfarrer? – Weitere Zwischenrufe.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach (das Glockenzeichen gebend): Meine Herren, darf ich Sie bitten, wieder zur Ruhe zu kommen? (Bundesrat Konecny: Ist ja unerhört! – Bundesrat Mag. Gudenus: Unerhört, dass Sie mir das vorwerfen! Das ist es, da haben Sie völlig Recht! – Bundesrat Konecny: Dass ich es Ihnen vorwerfe, oder dass Sie es sind? – Bundesrat Mag. Gudenus: Herr Kollege! Verlieren Sie nicht die Contenance! – Bundesrat Konecny: Mäßigen Sie sich im Stil gegenüber Kolleginnen und Kollegen! Sie können sich hier nicht hinausstellen und Menschen beschimpfen! – Bundesrat Mag. Gudenus: Sie haben mich beschimpft! – Bundesrat Konecny: Wenn Sie das nicht verstanden haben, tun Sie mir sehr Leid! – Bundesrat Mag. Gudenus: ... nehmen Sie das Wort zurück, ich nehme es auch zurück, dann ist es halb so dramatisch! Aber betrunken ist hier niemand im Raum! Oder kennen Sie einen Kollegen, der hier betrunken ist? – Bundesrat Konecny: Ihre Verhaltensweise legt diese Vermutung nicht ganz fern!)

Meine Herren! Ich werde, wenn das so weitergeht, die Sitzung für eine Abkühlungsphase unterbrechen. Denn das, was sich jetzt abspielt, entspricht nicht der Würde des Hauses. (Allgemeiner Beifall.)

Ich unterbreche die Sitzung auf fünf Minuten.

(Die Sitzung wird um 21.15 Uhr unterbrochen und um 21.18 Uhr wieder aufgenommen. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf. Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, wieder Platz zu nehmen, und Herrn Bundesrat Gudenus wieder an das Rednerpult.

Ich möchte darum bitten, dass wir – wie es heute auch schon Herr Bundesrat Bieringer gesagt hat – etwas vorsichtiger mit unserer Sprache umgehen. Es ist heute eigentlich ein Tag, an dem wir auch sehr viel Großes beschlossen haben. Wir sollten uns so verhalten, wie wir es eigentlich sonst immer tun.

Herr Bundesrat Gudenus! Ich darf Sie bitten, wieder das Wort zu nehmen.

Bundesrat Mag. John Gudenus (fortsetzend): Kolleginnen und Kollegen! Ich erinnere mich an die großen Worte eines großen Bundesrates, Professor Schambeck, der immer wieder davon gesprochen hat, dass wir die Hygiene des Wortes und des Ohres pflegen sollten. Ich stehe nicht an, falls Worte von mir die Hygiene des Ohres jemandes anderen unbequem getroffen haben sollten, mich für diese Worte zu entschuldigen. (Allgemeiner Beifall.) Ich habe nicht die Absicht gehabt, hier nachhaltig beleidigend zu wirken, das betone ich noch einmal. Ich bitte darum, das zur Kenntnis zu nehmen.

Aber zurück zum Thema: Wir stimmen also heute hier einer Rassismus-Beobachtungsstelle zu. Die Regierung hat zweimal die Zustimmung verweigert, wie wir gehört haben. Die Regierung war – und das finde ich wirklich für einen Affront sondergleichen – zu dieser Eröffnung nicht eingeladen, obwohl es die Bundesregierung, sprich: der österreichische Steuerzahler ist, der zu gewissen Graden die Finanzierung dieser Beobachtungsstelle zu tragen hat. Daher hat die Regierung natürlich aus guten Gründen diese Zustimmung zweimal verweigert.

Wie man hört und wie man jetzt weiß, ist das zu Recht geschehen. Es haben auch die inneren Verwaltungsabläufe dieser Beobachtungsstelle einigen Anlass zu Kritik seitens der Europäischen Union gegeben. Etwa 25 Prozent – immerhin 25 Prozent! – aller Ausgaben waren mit Fehlern behaftet. Neben zahlreichen Mängeln in der Buchhaltung wird vor allem die Auftragsabwicklung kritisiert: keine Marktanalyse, keine geeigneten Auswahlverfahren, keine ordnungsgemäßen Verträge. All das sind natürlich Gründe, dass man sagen kann: Man stimmt heute einem Vertrag zu und hofft, dass die Situation für dieses Institut und durch dieses Institut besser wird.

Es gibt keinen Missbrauch und keine Verschwendung von Geldern, so wurde behauptet, sondern nur Verfahrensfehler. – Ich gehe davon aus, dass nicht die Absicht vorhanden war, dieses Institut fehlerhaft zu führen, sondern dass es nur an der mangelnden Routine von Frau Beate Winkler und ihrem Team lag, weil dieses Institut erst seit knapp drei Jahre hier institutionalisiert ist.

Da wir hier gehört haben, dass dieses Institut Österreich zu Recht beobachtet, und da hier Partik-Pablés Aussagen – "Ich verstehe die Sorgen der Wiener" und "Ich bin selbst Mutter" – kri


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tisiert werden, möchte ich wissen, aus welchem Grund überhaupt ein solches Institut in Österreich ist, Frau Kollegin Fuchs! Das Institut ist in Wien situiert, es hat aber nicht auf Wien bezogen und austrozentrisch zu agieren, sondern es hat einen EU-weiten Überblick einzuholen. Es hat den Überblick bis nach Nordafrika und in die nördliche Levante einzuholen – all das sind Länder, die mit der EU engstens assoziiert und liiert sind –, aber nicht Wahlkampfaussagen oder Wahlkampfsprüche aus dem Wiener Raum besonders hervorzuheben. (Bundesrätin Fuchs: Habe ich nicht verlangt!)  – Es wurde hier angedeutet. (Bundesrätin Fuchs: Das ist ein Missverständnis!)

Hingegen wäre es vielleicht zweckmäßig, dass sich die EU besonders jener Länder annimmt, von denen wir wissen, dass rassistische und fremdenfeindliche Handlungsweisen eigentlich blutiger Alltag sind: in Spanien, in der Levante, bei gewissen Regierungen in Nordafrika und in der Levante, in Ländern, die sehr stark EU-abhängig sind. Das wäre eine Aufgabe, aber nicht die Wahlkampfparolen in Österreich.

Österreich ist ein gesuchter Hort für diejenigen, die von ihrer Heimat auf Grund der dortigen politischen Verhältnisse fliehen. Österreich ist ein Hort der Menschlichkeit, und Österreich bleibt das auch, egal, welche Regierung in Österreich an der Macht ist und welche Parteien in der Regierung tätig sind. Die Freiheitlichen mit der ÖVP ebenso wie die SPÖ mit der ÖVP – keine Regierung ist fremdenfeindlich gewesen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.24

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Der Berichterstatter ist noch immer nicht da. Daher nehme ich an, es wird auch kein Schlusswort gewünscht.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird (455/NR sowie 6314/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu Punkt 19 der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Dr. Vincenz Liechtenstein: Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird.


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Ich setze voraus, dass jeder von Ihnen den Bericht vorliegen hat, sodass ich ihn nicht verlesen muss.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 13. Februar 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In diesem Zusammenhang teile ich Ihnen mit, dass der Herr Präsident des Bundesrates gestern ausnahmsweise und ohne jede präjudizielle Wirkung ein Schreiben an den Herrn Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Dr. Martin Bartenstein, mit folgendem Inhalt gerichtet hat:

"In der Anlage übermittle ich namens des Bundesrates den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 (455 der Beilagen) geändert wird, mit dem Ersuchen um Weiterleitung an die Europäische Kommission im Notifikationsverfahren gemäß RL 98/34 unter Inanspruchnahme des Dringlichkeitsverfahrens gemäß § 3 Abs. 4 Z 1 des Notifikationsgesetzes 1999", und zwar mit folgender Begründung:

"Auf Grund der Entwicklungen hinsichtlich der BSE, die eine unmittelbare Beeinträchtigung des Gesundheitsschutzes von Mensch und Tier darstellt, ist Österreich gezwungen, ohne die Möglichkeit einer vorhergehenden Konsultation in kürzester Frist technische Vorschriften festzulegen".

Soweit der Inhalt des Schreibens an den Herrn Bundesminister mit der Bitte um Weiterleitung an die Kommission.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Steinbichler. – Bitte.

21.28

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Ministerin! Sehr verehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Mit dem vorliegenden Gesetz wird das Düngemittelgesetz 1994 um das Ausbringungsverbot für tierische Proteine erweitert. Ich denke, das ist sinnvoll; erinnern wir uns an die heute Vormittag ausführlich geführte Diskussion um das Verfütterungsverbot.

Ich möchte allerdings noch replizieren: Staatssekretär Waneck hat den schlechten Wissensstand der Wissenschaft im Zusammenhang mit BSE kritisiert. Auch hier beim Düngemittelgesetz möchte ich darauf verweisen, dass wir im bereits bestehenden Gesetz nach wie vor die Haftungsfrage bei Klärschlamm offen haben. Auch da sagen Experten heute noch, dieser sei bedenkenlos auszubringen. Aber ich denke, dass auch diese Haftungsfrage ein Thema für die Zukunft ist, damit nicht wieder dann die Bauern als Prügelknaben hingestellt werden. Ich möchte das folgendermaßen begründen.

Bei der Enquete im Parlament, die vorigen Freitag stattgefunden hat, war als einer der Fachleute Herr Professor Haiger geladen. Herr Professor Haiger hat vor zirka 25 Jahren an der Boku, an der Universität für Bodenkultur in Wien, unterrichtet und damals unter anderem den Leistungsgedanken getragen. Es ist von ihm damals das Ende der Zwei-Nutzungs-Rassen prognostiziert worden: Die Bauern müssen sich in Richtung Leistung orientieren und Höchstleistungstiere wie Holstein-Friesen importieren; die Zucht muss Fortschritte machen, das ist das einzige Ziel und die einzige Überlebensstrategie für die Bauern.

Man sieht, wie schnell Fachleute ihre Meinung ändern. So hat Professor Haiger die Seite gewechselt und ist heute auf der Seite der Tierschützer. Die Bauern können jedoch nicht so schnell reagieren wie die Wissenschaft! Im Zusammenhang mit vielen Problemen, die wir heute diskutiert haben, muss unser Berufsstand immer wieder die Ratschläge der Experten und Wissenschafter in Anspruch nehmen, und es fehlt mir, dass, wenn es zu Problemen kommt,


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diese Experten leider nicht stärken beziehungsweise nicht für die von ihnen vertretene Meinung eintreten und dafür geradestehen.

Wir werden dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winter. – Bitte.

21.31

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dieser Novelle des Düngemittelgesetzes wird Blutmehl in Düngemitteln verboten. Das ist gut und sehr wichtig, denn Blutmehl hat in Düngemitteln nun wirklich nichts verloren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden in diesem Bereich noch sehr viel zu diskutieren, zu verändern und zu verbessern haben. Meine Fraktion wird dieser Gesetzesnovelle trotzdem die Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nachdem Herr Bundesrat Gudenus auf seine Wortmeldung verzichtet, ist der nächste Redner Kollege Hensler. – Bitte.

21.32

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Düngemittelgesetz 1999 wurde geändert. Ich glaube, es ist zweifelsohne wichtig, dass dieser Gesetzesbeschluss unter den herrschenden Voraussetzungen gefasst wird.

Es gibt immer wieder Diskussionen über die Bauern in der heutigen Zeit. Ich sage ganz wertfrei: Gerade Österreich hat in diesem Zusammenhang hervorragend gehandelt! Bis zum heutigen Tag, nach 21 000 Proben, die wir durchgeführt haben, gibt es keinen einzigen BSE-Fall!

Ich möchte noch etwas sagen, was mir persönlich sehr wichtig ist: Es geht nicht an, dass Fleisch als Lockmittel für die Supermärkte angesehen wird. Ich meine, dass das Produkt der Bauern, nämlich das Fleisch, seinen Preis haben muss.

Als selbst praktizierender Bauer stehe ich zu den Kontrollen. Kontrollen, die Kennzeichnungspflicht und Verpackungsvorschriften sind sehr wichtig.

Wichtig ist mir persönlich auch das Versorgungsprinzip. In diesem Bereich haben wir sicherlich einen gewissen Nachholbedarf. Einerseits muss das Vertrauen der Konsumenten gestärkt werden. Der Konsument soll und muss Vertrauen in das Produkt der Landwirtschaft haben. Andererseits muss es eine Produktionssicherung für die Bauern geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, unser Bundesminister hat in der österreichischen Landwirtschaft eine hervorragende Politik gemacht, wenn man zum Beispiel bedenkt, dass die Verfütterung des Tiermehls bereits 1990 verboten wurde. Diesbezüglich hatte man Weitblick!

Ich glaube, das vorliegende Gesetz dient einerseits dem Interesse der Konsumenten, andererseits jenem der Produzenten. – Wir werden diesem Gesetzesbeschluss zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
672. Sitzung / Seite 177

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung ist erschöpft, und ich habe den Eindruck, wir alle sind auch ein bisschen erschöpft.

Ich möchte der Frau Bundesministerin herzlich danken, dass sie bis zum Schluss ausgeharrt hat!

Ich darf Ihnen noch mitteilen, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 23 Anfragen eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 15.März 2001, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 13. März 2001, ab 14 Uhr vorgesehen.

Ich wünsche Ihnen ein gutes Nachhausekommen!

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 21.36 Uhr