Stenographisches Protokoll

704. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 18. Dezember 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

704. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 18. Dezember 2003

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 18. Dezember 2003: 9.01 – 23.58 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portu­giesischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Ver­einigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) und der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik über den Bei­tritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Re­publik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Euro­päischen Union samt Schlussakte

2. Punkt: Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 (2002/772/EG, Euratom) zur Änderung des Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom samt Erklärungen

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert und ein Bun­desgesetz über die Europawahl 2004 erlassen wird

4. Punkt: Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Organi­sa­tion für die Nutzung von Meteorologischen Satelliten (EUMETSAT) in der Fassung der Änderung vom 26. Juni 2001

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Ar­beitsmarktservicegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden

6. Punkt: Übereinkommen (Nr. 183) über die Neufassung des Übereinkommens über den Mutterschutz (Neufassung) samt Erklärung der Republik Österreich sowie die Empfehlung (Nr. 191) betreffend die Neufassung der Empfehlung betreffend den Mut­terschutz


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 2

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung (FTE-Nationalstiftungsgesetz) erlassen wird, das Einkommensteuergesetz 1988, das Bundesfinanzgesetz 2003 und das Bundes­finanzgesetz 2004 geändert werden, ein Bundesgesetz, mit dem Überschreitungen von Ausgabenansätzen der Anlage I des Bundesfinanzgesetzes 2003 bewilligt werden (Bud­getüberschreitungsgesetz 2003 – BÜG 2003), erlassen wird, das ERP-Fonds-Gesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird, das Bundesgesetz über die vorübergehende sachliche Immunität von Leihgaben zu Ausstellungen der Bundesmuseen erlassen wird sowie das ASFINAG-Gesetz geändert wird (Wachstums- und Standortgesetz 2003)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz und das Pensionskassengesetz geändert werden

10. Punkt: Änderung von Anhang II des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen

11. Punkt: Zusatzabkommen zu dem Abkommen vom 4. Oktober 1954 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Dop­pelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Mongolei auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

13. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gie­rung der Republik Kuba zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Ver­hinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

14. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung der Demokratischen Volksrepublik Algerien über die Förderung und den ge­gen­seitigen Schutz von Investitionen

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­halts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landesleh­rer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensions­gesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Bundesbe­diensteten-Sozialplangesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Bun­des-Personalvertretungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Wachebe­diensteten-Hilfeleistungsgesetz, das Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz, das Mutterschutzgesetz, das Väter-Karenzgesetz, die Reisegebührenvorschrift, das Ein­satz­zulagengesetz, das Unterrichtspraktikumgesetz, das Universitäts-Abgeltungs­ge­setz und das Akademie der Wissenschaften-Gesetz geändert werden sowie das Militärberufsförderungsgesetz 2004 geschaffen wird (2. Dienstrechts-Novelle 2003)

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz geändert wird (Bedienstetenschutz-Reformgesetz – BS-RG)

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Informationssicherheitsgesetz geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung der Presse (Presseförderungsgesetz 2004 – PresseFG 2004) erlassen sowie das KommAustria-Gesetz, das Publizistikförderungsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2004 geändert werden


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 3

19. Punkt: Zusatzprotokoll zur Anti-Doping Konvention

20. Punkt: Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen vom 2. Dezember 1961, revidiert in Genf am 10. November 1972, am 23. Oktober 1978 und am 19. März 1991

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinar­ge­setz 2002, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Militär­befugnisgesetz, das Sperrgebietsgesetz 2002, das Munitionslagergesetz 2003 und das Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 geändert werden (Wehrrechtsänderungs­gesetz 2003 – WRÄG 2003)

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz 1992, das Schienen­infra­strukturfinanzierungsgesetz, das Hochleistungsstreckengesetz, das Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Eisenbahn GmbH“, das Bundespflegegeldgesetz, das Kriegs­gefangenenentschädigungsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz und das An­gestelltengesetz geändert werden und mit dem das Bahn-Betriebsverfassungs­gesetz aufgehoben wird (Bundesbahnstrukturgesetz 2003)

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße-TGSt) geändert wird

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (5. Ärztegesetz-Novelle)

25. Punkt: Bundesgesetz betreffend Hygienevorschriften für nicht für den mensch­lichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und Materialien (Tiermaterialien­gesetz – TMG)

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tiergesundheitsgesetz (TGG) geändert wird

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird

28. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen geändert wird (DokuG-Novelle 2003)

29. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozial­ver­sicherungs-Änderungsgesetz 2003 – 2. SVÄG 2003)

30. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird

31. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das 1. Halbjahr 2004

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Schüssel betreffend Nominierung von Herrn Ministerialrat Dr. Klaus Öhler für die Neubestellung des ordentlichen Mitgliedes des Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank gemäß § 23c Abs. 5 in Verbindung mit Artikel 23c Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz                   15


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 4

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl eines neuen Ersatzmitgliedes des Bundesrates ................................................................................................................... 15

Redezeitbeschränkung auf Grund eines Übereinkommens in der Präsidial­konferenz                  16

Sitzungsunterbrechungen .................................................................................  57, 103

31. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das 1. Halbjahr 2004 ............................................................................................................................. 217

Personalien

Krankmeldung ................................................................................................................ 15

Entschuldigung ............................................................................................................... 15

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 15

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 16

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 16

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Inneres betreffend den enormen Anstieg der Kriminalität bei gleich­zeitig sinkender Aufklärungsquote (2136/J-BR/03)          ............................................................................................................................. 103

Begründung: Albrecht Konecny ................................................................................. 103

Bundesminister Dr. Ernst Strasser ......................................................................... 109

Debatte:

Reinhard Todt ............................................................................................................. 113

Sissy Roth-Halvax ...................................................................................................... 115

Stefan Schennach ...................................................................................................... 120

Sissy Roth-Halvax (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 124

Christoph Hagen ........................................................................................................ 124

Johann Kraml ............................................................................................................. 129

Helmut Wiesenegg ..................................................................................................... 133

Werner Stadler ............................................................................................................ 135

Günther Molzbichler .................................................................................................. 137

Günther Kaltenbacher ............................................................................................... 138

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 139

Dr. Franz-Eduard Kühnel .......................................................................................... 141

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 144

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend einen Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bun­desrepublik Deutschland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 5

der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, dem Groß­herzog­tum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Republik Öster­reich, der Portugiesischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) und der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Re­publik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union samt Schlussakte (230 d.B. und 286 d.B. sowie 6929/BR d.B.)                     17

Berichterstatter: Johann Höfinger ................................................................................ 17

Redner:

Ludwig Bieringer .......................................................................................................... 18

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 20

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 23

Stefan Schennach .................................................................................................  25, 56

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 27

Karl Bader ..................................................................................................................... 31

Johanna Schicker ......................................................................................................... 32

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 34

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 35

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner ........................................................ 37

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 40

Ernst Winter .................................................................................................................. 41

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann ............................................................................ 42

Eva Konrad ................................................................................................................... 45

Dr. Franz-Eduard Kühnel ............................................................................................ 47

Reinhard Todt ............................................................................................................... 48

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 50

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg ............................................................................ 51

Roswitha Bachner ........................................................................................................ 52

Herwig Hösele .............................................................................................................. 54

Karl Boden .................................................................................................................... 55

Entschließungsantrag der Bundesräte Roswitha Bachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung der Europäischen Union und innerösterreichi­sche flankierende Maßnahmen – Ablehnung                53, 57

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slo­wenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union die verfas­sungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ......................... 57

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend einen Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 25. Juni 2002 und 23. Sep­tember 2002 (2002/772/EG, Euratom) zur Änderung des Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parla-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 6

ments im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom samt Erklä­rungen (209 d.B. und 287 d.B. sowie 6930/BR d.B.) ................................................................................................................. 57

Berichterstatter: Johann Höfinger ................................................................................ 58

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert und ein Bundesgesetz über die Europawahl 2004 erlassen wird (250/A und 288 d.B. sowie 6920/BR d.B. und 6931/BR d.B.) .......................................................... 57

Berichterstatter: Johann Höfinger ................................................................................ 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 59

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend das Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Organisation für die Nutzung von Meteorologischen Satelliten (EUMETSAT) in der Fassung der Änderung vom 26. Juni 2001 (218 d.B. sowie 6932/BR d.B.)                59

Berichterstatter: Paul Fasching .................................................................................... 59

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ......................................... 59

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeits­marktservicegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Insol­venz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden (308 d.B. und 318 d.B. sowie 6927/BR d.B. und 6933/BR d.B.) ................................................... 60

Berichterstatter: Engelbert Weilharter ......................................................................... 60

Redner:

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 60

Herta Wimmler ............................................................................................................. 62

Günther Kaltenbacher ................................................................................................. 63

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann ............................................................................ 64

Eva Konrad ................................................................................................................... 65

Dr. Erich Gumplmaier ................................................................................................. 66

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................... 67

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 72

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Übereinkommen (Nr. 183) über die Neufassung des Übereinkommens über den Mutterschutz (Neufassung) samt Erklärung der Republik Österreich sowie die Empfehlung (Nr. 191) betreffend die Neufassung der Empfehlung betreffend den Mutterschutz (22 d.B. und 319 d.B. sowie 6934/BR d.B.) ............................................. 72

Berichterstatter: Engelbert Weilharter ......................................................................... 72

Redner:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 7

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 73

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem Beschluss des Nationalrates betreffend Übereinkommen (Nr. 183) im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 3. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben und 4. die Empfehlung (Nr. 191) betreffend die Neufassung der Empfehlung betreffend den Mutterschutz zur Kenntnis zu nehmen                73

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Nationalstiftung für For­schung, Technologie und Entwicklung (FTE-Nationalstiftungsgesetz) erlassen wird, das Einkommensteuergesetz 1988, das Bundesfinanzgesetz 2003 und das Bundesfinanzgesetz 2004 geändert werden, ein Bundesgesetz, mit dem Über­schreitungen von Ausgabenansätzen der Anlage I des Bundesfinanzgeset­zes 2003 bewilligt werden (Budgetüberschreitungsgesetz 2003 – BÜG 2003), erlassen wird, das ERP-Fonds-Gesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird, das Bundesgesetz über die vorübergehende sachliche Immunität von Leihgaben zu Ausstellungen der Bundesmuseen erlassen wird sowie das ASFINAG-Gesetz geändert wird (Wachstums- und Standortgesetz 2003) (313 d.B. und 324 d.B. sowie 6921/BR d.B. und 6935/BR d.B.) ................................................................................................................. 74

Berichterstatter: Franz Wolfinger ................................................................................. 74

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (325 d.B. sowie 6922/BR d.B. und 6936/BR d.B.)                       74

Berichterstatter: Franz Wolfinger ................................................................................. 75

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz und das Pensionskassengesetz geändert werden (276 d.B. und 326 d.B. sowie 6937/BR d.B.) ........................................................................................ 74

Berichterstatter: Franz Wolfinger ................................................................................. 75

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend eine Änderung von Anhang II des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Be­zeichnung von Edelmetallgegenständen (295 d.B. und 327 d.B. sowie 6938/BR d.B.) ........................................................................................ 74

Berichterstatter: Franz Wolfinger ................................................................................. 75

Redner:

Wolfgang Schimböck .................................................................................................. 75

Sonja Zwazl (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 78

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................... 79

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 80

Engelbert Weilharter .................................................................................................... 82

Günther Molzbichler .................................................................................................... 83

Jürgen Weiss ................................................................................................................ 84

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 85


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 8

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................... 86

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................................................... 90

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 90

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 90

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 90

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend das Zusatzabkommen zu dem Abkommen vom 4. Oktober 1954 zwischen der Re­publik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Dop­pelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern (256 d.B. und 328 d.B. sowie 6939/BR d.B.) ................................................................................................................. 90

Berichterstatter: Günther Molzbichler ......................................................................... 91

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Mongolei auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (257 d.B. und 329 d.B. sowie 6940/BR d.B.) ......................................... 90

Berichterstatter: Günther Molzbichler ......................................................................... 91

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kuba zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhin­derung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (259 d.B. und 330 d.B. sowie 6941/BR d.B.)                   90

Berichterstatter: Günther Molzbichler ......................................................................... 91

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Demokratischen Volksrepublik Algerien über die Förderung und den ge­gen­seitigen Schutz von Investitionen (258 d.B. und 331 d.B. sowie 6942/BR d.B.)           ............................................................................................................................... 91

Berichterstatter: Günther Molzbichler ......................................................................... 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................. 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................. 93


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 9

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 13, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................. 93

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 14, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................. 93

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsge­setz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Lan­des­lehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Pensionsgesetz 1965, das Bundes­theater­pensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Teilpensions­ge­setz, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Ausschrei­bungs­gesetz 1989, das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz, das Auslands­zulagen- und -hilfeleistungsgesetz, das Mutterschutzgesetz, das Väter-Ka­renz­gesetz, die Reisegebührenvorschrift, das Einsatzzulagengesetz, das Unterrichts­praktikumgesetz, das Universitäts-Abgeltungsgesetz und das Akademie der Wissenschaften-Gesetz geändert werden sowie das Militärberufsförderungsge­setz 2004 geschaffen wird (2. Dienstrechts-Novelle 2003) (283 d.B. und 320 d.B. sowie 6923/BR d.B. und 6943/BR d.B.) ............ 94

Berichterstatter: Ing. Franz Gruber .............................................................................. 94

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz geändert wird (Bedienstetenschutz-Reformgesetz – BS-RG) (284 d.B. und 321 d.B. sowie 6944/BR d.B.) ................................................................................. 94

Berichterstatter: Ing. Franz Gruber .............................................................................. 94

Redner:

Harald Reisenberger .............................................................................................. ..... 95

Josef Saller ................................................................................................................... 99

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 99

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 100

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 103

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 103

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Informationssicherheitsgesetz geändert wird (312 d.B. und 322 d.B. sowie 6924/BR d.B. und 6945/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 146

Berichterstatter: Dr. Andreas Schnider ..................................................................... 146

Redner:

Johann Kraml ............................................................................................................. 147


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 10

Herwig Hösele ............................................................................................................ 147

Stefan Schennach ...................................................................................................... 149

Ing. Gerd Klamt .......................................................................................................... 150

Staatssekretär Franz Morak ...................................................................................... 151

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 151

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung der Presse (Pres­seförderungsgesetz 2004 – PresseFG 2004) erlassen sowie das KommAustria-Gesetz, das Publizistikförderungsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2004 ge­ändert werden (292/A und 323 d.B. sowie 6946/BR d.B.) ........................................... 151

Berichterstatter: Dr. Andreas Schnider ..................................................................... 151

Redner:

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 152

Herwig Hösele ............................................................................................................ 154

Stefan Schennach ...................................................................................................... 157

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann .......................................................................... 162

Staatssekretär Franz Morak ...................................................................................... 163

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben                            165

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend das Zusatzprotokoll zur Anti-Doping Konvention (207 d.B. und 315 d.B. sowie 6947/BR d.B.) ................................ 165

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................. 165

Redner:

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................. 165

Johanna Auer ............................................................................................................. 166

Christoph Hagen ........................................................................................................ 167

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 167

Theodor Binna ............................................................................................................ 168

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ....................................................................... 168

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ....................................... 169

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen vom 2. Dezember 1961, revidiert in Genf am 10. November 1972, am 23. Oktober 1978 und am 19. März 1991 (195 d.B. und 266 d.B. sowie 6948/BR d.B.) ....................................................................................................................................... 170

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ......................................................................... 170

Redner:

Johanna Auer ............................................................................................................. 170

Ing. Franz Gruber ....................................................................................................... 171

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 172

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 173


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 11

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ...................................................................... 174

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Be­schluss des Nationalrates, im Sinne des Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegen­ständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben ......................................................................................................................... 174

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinar­ge­setz 2002, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Militärbefugnisgesetz, das Sperrgebietsgesetz 2002, das Munitionslagerge­setz 2003 und das Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 geändert werden (Wehr­rechts­än­derungsgesetz 2003 – WRÄG 2003) (260 d.B. und 333 d.B. sowie 6928/BR d.B. und 6949/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 175

Berichterstatter: Josef Saller ...................................................................................... 175


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 12

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 176

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz 1992, das Schieneninfrastruktur­finanzierungsgesetz, das Hochleistungsstreckengesetz, das Bundesgesetz zur Errichtung einer „Brenner Eisenbahn GmbH“, das Bundespflegegeldgesetz, das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz und das Angestelltengesetz geändert werden und mit dem das Bahn-Betriebsverfas­sungsgesetz aufgehoben wird (Bundesbahnstrukturgesetz 2003) (311 d.B. und 340 d.B. sowie 6925/BR d.B. und 6950/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 176

Berichterstatter: Ing. Franz Gruber ............................................................................ 176

Redner:

Dr. Elisabeth Hlavac ................................................................................................... 177

Karl Bader ................................................................................................................... 180

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 183

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 185

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ............................................................  186, 206

Theodor Binna ............................................................................................................ 192

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................. 193

Eva Konrad ................................................................................................................. 195

Christoph Hagen ........................................................................................................ 197

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 197

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 202

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 203

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend das Bundesbahn­struk­tur­gesetz 2003 (311 d.B. und 340 d.B. sowie 6925/BR d.B.) gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 GO-BR einen Einspruch zu erheben – Ablehnung (namentliche Ab­stim­mung)       206, 210

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung .................................... 210

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstimmung) ................................................................................................................ 211

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung .................................... 211

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße-TGSt) geändert wird (233 d.B. und 342 und Zu 342 d.B. sowie 6951/BR d.B.) .................................... 212

Berichterstatter: Ing. Franz Gruber ............................................................................ 212

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 213

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (5. Ärztegesetz-Novelle) (306 d.B. und 334 d.B. sowie 6952/BR d.B.)               ............................................................................................................................. 213

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ...................................................................... 213

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 213

Gemeinsame Beratung über

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz betreffend Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und Materialien (Tiermaterialien­gesetz – TMG) (314 d.B. und 336 d.B. sowie 6953/BR d.B.)                213

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ....................................................................... 214

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tiergesundheitsgesetz (TGG) geändert wird (293 d.B. und 337 d.B. sowie 6954/BR d.B.)                          213

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ....................................................................... 214

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird (292 d.B. und 338 d.B. sowie 6955/BR d.B.)                            214

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ....................................................................... 214

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 25, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 214

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 26, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 214

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 27, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 215


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 13

28. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Dokumentation im Ge­sundheitswesen geändert wird (DokuG-Novelle 2003) (282 d.B. und 335 d.B. sowie 6956/BR d.B.) ............................................................................... 215

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ....................................................................... 215

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 215

29. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003 – 2. SVÄG 2003) (310 d.B. und 316 d.B. sowie 6926/BR d.B. und 6957/BR d.B.) ........................................................................................................ 215

Berichterstatter: Mag. John Gudenus ........................................................................ 216

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 216

30. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird (252/A und 317 d.B. sowie 6958/BR d.B.)                    216

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................. 216

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 216

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Masernepidemie im Flüchtlingslager Traiskirchen und die daraus zu ziehenden Konsequenzen (2134/J-BR/03)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Masernepidemie im Flüchtlingslager Traiskirchen und die daraus zu ziehenden Konsequenzen (2135/J-BR/03)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend den enormen Anstieg der Kriminalität bei gleichzeitig sinkender Auf­klä­rungsquote (2136/J-BR/03)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 14

Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Eisenbahntunnel durch den Pfänder (2137/J-BR/03)

Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verbesserung der Personalsituation bei der Vorarlberger Gendarmerie (2138/J-BR/03)

Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Neugestaltung der Wegekostenrichtlinie (2139/J-BR/03)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen (1943/AB-BR/03 zu 2117/J-BR/03)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen (1944/AB-BR/03 zu 2121/J-BR/03)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bun­desräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen (1945/AB-BR/03 zu 2120/J-BR/03)

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 15

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 


Präsident Hans Ager: Ich eröffne die 704. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 703. Sitzung des Bundesrates vom 27. November 2003 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Ing. Hermann Haller.

Entschuldigt hat sich das Mitglied des Bundesrates Dr. Robert Aspöck.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Hans Ager: Ich gebe bekannt, dass vom Bundeskanzleramt eine Mitteilung über die Entschließung des Herrn Bundespräsidenten eingelangt ist, wonach auf Vor­schlag des Bundeskanzlers innerhalb des Zeitraumes vom 17. bis 19. Dezember 2003 der Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter durch den Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser vertreten wird.

Auf Grund eines weiteren Schreibens des Bundeskanzleramtes wird mitgeteilt, dass unter teilweiser Reassumierung der Entschließung des Herrn Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundeskanzlers am 18. Dezember 2003 für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Landesverteidigung Günther Platter der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll mit der Vertretung betraut ist.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Hans Ager: Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Bundeskanzlers, in dem er gemäß § 23c Abs. 5 in Verbindung mit Artikel 23c Abs. 2 Bundes-Verfas­sungs­gesetz mitteilt, dass der Ministerrat nach Durchführung von Konsultationen mit den im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Parteien in seiner Sitzung am 4. No­vember 2003 beschlossen hat, für die Neubestellung des ordentlichen Mitglieds des Verwaltungsrates der Europäischen Investitionsbank den sachlich zuständigen Abtei­lungsleiter-Stellvertreter im Bundesministerium für Finanzen, Herrn Ministerialrat Dr. Klaus Öhler, zu nominieren.

Das diesbezügliche Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates wurde gemäß Artikel 23c Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz in dessen Sitzung vom 25. No­vember 2003 hergestellt.

*****

Eingelangt ist ferner ein Schreiben des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages betreffend die Mitteilung, dass Ing. Michael Chapo sein an fünfter Stelle gereihtes Mandat als Ersatzmitglied des Bundesrates mit Wirkung vom 16. Oktober 2003 zurück­gelegt hat und in der Sitzung des Wiener Landtages vom 27. November 2003 Dr. Matthias Tschirf als neues Ersatzmitglied an die fünfte Stelle gewählt wurde.

*****

Eingelangt sind auch die Anfragebeantwortungen 1943/AB bis 1945/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 16

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste.

Ferner eingelangt ist ein Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Haftungsübernahme für von der Gesellschaft „Österreichische Bundesbahnen“ bei der „EUROFIMA“ (Euro­päische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial) aufzunehmende Anleihen, Darlehen und sonstige Kredite geregelt wird, geändert wird.

Dieser Beschluss unterliegt im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungs­ge­setz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates.

Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen über die eingelangten Beschlüsse abge­schlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe diese Vorlagen sowie die Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schrift­führer und der Ordner für das 1. Halbjahr 2004 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

*****

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, verweise ich darauf, dass die Fraktionen in der Präsidialkonferenz vom 16. Dezember 2003 für die Behandlung des Tagesord­nungspunktes 1 eine so genannte Blockredezeit von insgesamt 3 Stunden festgelegt haben, wovon 55 Minuten auf die ÖVP, 55 Minuten auf die SPÖ, 25 Minuten auf die FPÖ und 25 Minuten auf die grüne Fraktion entfallen. Das zuständige Mitglied der Bundesregierung wird eine Gesamtredezeit von 20 Minuten nicht überschreiten.

Die jeweils in Anspruch genommene Redezeit und die auf die Fraktionen entfallenden Restredezeiten können von den Bildschirmen abgelesen werden.

Weiters gebe ich bekannt, dass in der Präsidialkonferenz vereinbart wurde, die Sitzung nach Beendigung des Tagesordnungspunktes 1 – voraussichtlich um 12 Uhr – zu unter­brechen und diese um 13 Uhr wieder aufzunehmen.

Damit soll – wenn der nationale Ratifizierungsprozess der EU-Beitrittsverträge mit ihrer Behandlung im österreichischen Bundesrat auf parlamentarischer Ebene abgeschlos­sen sein wird – allen Mitgliedern des Bundesrates in der Säulenhalle Gelegenheit zu einem Gedankenaustausch mit den Präsidenten der Parlamente unserer unmittelbaren Nachbarländer, der Slowakischen Republik, der Slowenischen Republik, der Tschechi­schen Republik und der Republik Ungarn, gegeben werden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Hans Ager: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, die Debatte über die Punkte 2 und 3, 7 bis 10, 11 bis 14, 15 und 16 sowie 25 bis 27 der Tagesordnung jeweils unter einem abzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 17

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Hans Ager: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bun­desrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend den enormen Anstieg der Kriminalität bei gleichzeitig sinkender Aufklärungsquote an den Bundesminister für Inneres vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend einen Vertrag zwi­schen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Fran­zö­sischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxem­burg, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) und der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Re­publik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union samt Schlussakte (230 d.B. und 286 d.B. sowie 6929/BR d.B.)

 


Präsident Hans Ager: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Johann Höfinger übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Johann Höfinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Da­men und Herren des Bundesrates! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 3. De­zember 2003 betreffend einen Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Re­publik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Re­publik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Finnland, dem König­reich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitglied­staaten der Europäischen Union) und der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Re­publik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 18

Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union samt Schlussakte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher zum Beschluss kommen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Re­publik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen.

 


Präsident Hans Ager: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Bieringer. Ich erteile ihm dieses.

 


9.12

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute einen Grund, freudig zu sein, freudig deswegen, weil wir heute die Ratifizierung des EU-Beitrittsvertrages beschließen.

Meine Damen und Herren! Es ist dies gewiss ein historischer Tag, weil die Euro­päische Union um zehn weitere Länder vergrößert wird. Hat man ursprünglich immer von einer „Osterweiterung“ gesprochen, ist man jetzt richtigerweise auf den Terminus „Er­weiterung der EU“ gekommen. Ich sage ein herzliches Willkommen allen zehn Staaten, um die die EU erweitert wird. Ein herzliches Willkommen zehn neuen Partnern in der Europäischen Union! (Der Redner und weitere Bundesräte der ÖVP halten Tafeln mit dem Wort „Willkommen“ in der jeweiligen Landessprache der betreffenden zehn Staaten in die Höhe.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war ein langer Weg bis zu dieser Ver­einigung. Blicken wir einige Jahrzehnte zurück. Was war vor gut fünf Jahrzehnten? – Europa lag nach dem Naziterrorregime in Trümmern. Europa war geteilt und durch verschiedene Grenzen auch erschwert passierbar. Heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, können wir jenen Staatsmännern danken, die gesagt haben, dass in diesem Europa niemals mehr Diktaturen herrschen sollen und innerhalb der verschie­denen Nationen keine Feindschaft herrschen soll. Dazu ist es notwendig, dass eine wirt­schaftliche Verflechtung da ist, dazu ist es notwendig, dass wirtschaftlicher Zu­sammenhalt gegeben ist. Wirtschaftlicher Zusammenhalt allein kann aber nicht alle Probleme lösen, man muss auch die nationalistischen Tendenzen hintanstellen.

Erinnern wir uns! Machen wir einen Blick in die Geschichte! Als am 15. Mai 1955 Leopold Figl stolz vom Balkon des Belvedere sagen durfte „Österreich ist frei“, sind für unser Land die Demarkationslinien gefallen. Leider gab es 1956 die so genannte Ungarnkrise. 1968 fuhren Panzer des Warschauer Paktes in Prag ein. Der große Moment kam allerdings 1989: Als die Berliner Mauer fiel, war das nicht nur ein Fest für Deutschland, sondern ein Fest für Europa. Damit wurde eindrucksvoll bestätigt, dass die Idee der Einigkeit stärker ist als jeglicher Nationalismus. Die Idee der europäischen Einigung ist stärker als menschenverachtender Nationalsozialismus oder ein undemo­kratisches Regime, wie es der Kommunismus über Jahrzehnte gewesen ist. Die euro-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 19

päische Vereinigung, meine Damen und Herren, ist stärker als alles Menschenver­achtende.

Denken wir auch an jene Österreicher, die auf den österreichischen Beitritt gedrängt haben. So war es als Erster Leopold Figl, der am ÖVP-Bundesparteitag 1956 gesagt hat: Es muss als Zukunftsvision Österreichs gelten, dass eine europäische Einigung unter Einbeziehung Österreichs stattfinden soll.

Ich bin stolz darauf, dass hier in diesem Hohen Haus als erster Parlamentarier der Wie­ner Bundesrat Dkfm. Karl Pisec 1976 den Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft gefordert hat. Ich denke, wir alle haben erlebt, als Dr. Alois Mock mit dem Eintritt der ÖVP in die österreichische Bundesregierung die Weichen für die österreichische Mitgliedschaft in der EU eindrucksvoll gestellt hat.

Wir dürfen auch mit Stolz daran erinnern, dass es unter der österreichischen Präsi­dentschaft war, nämlich unter dem damaligen Außenminister Dr. Wolfgang Schüssel, dass die Beschlüsse zu Erweiterungsverhandlungen gefasst wurden und konkret be­gonnen wurde. Auch dafür gebührt dem damaligen Außenminister, unserem hoch geschätzten heutigen Bundeskanzler unser aufrichtiger Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

Warum, meine Damen und Herren, ist diese Einigung so wichtig? – Mit der Einigung allein werden wir nicht viel weiterkommen. Wir müssen mit den Menschen diskutieren und müssen unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern sagen, dass es wichtig ist, dass diese EU nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft ist, sondern auch eine Friedens­gemeinschaft. Wir leben in der längsten friedlichen Phase in diesem Europa, die es in der Geschichte dieses Europa jemals gegeben hat.

Wir müssen weiter darauf achten, dass in dieser EU gleichberechtigte Staaten bleiben, gleich, ob sie wirtschaftliche Stärke aufweisen oder größer sind als so manch andere. Wir müssen den Menschen vermitteln, dass in dieser Europäischen Union nicht Technokraten und Bürokraten das Sagen haben, dass diese Europäische Union nicht nur dem Euro verschrieben ist, um als wirtschaftliche Stärke dazustehen, sondern dass dieses Europa eine Wertegemeinschaft werden muss.

Dieses Europa muss eine Sicherheitsgemeinschaft werden, die dem Menschen Sicher­heitsperspektiven gibt. Dieses Europa muss der Demokratie verpflichtet werden, und dieses Europa muss auch der Marktwirtschaft verpflichtet werden. – Das sind Maß­stäbe für die Diskussionen für die europäische Verfassung, und ich bin sehr zuver­sichtlich, dass die gescheiterten Verhandlungen über eine europäische Verfassung durch die irische Präsidentschaft im kommenden Jahr wieder aufgenommen und zu einem guten Abschluss gebracht werden.

Ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich bei unserem Herrn Bundeskanzler Dr. Wolf­gang Schüssel und bei der hoch geschätzten Frau Bundesministerin für aus­wärtige Angelegenheiten dafür bedanken, dass sie die österreichischen Visionen in österreichische Positionen umgesetzt haben und diese bei den Regierungskon­fe­renzen immer äußerst klar und zielstrebig vertreten. Dafür sei Ihnen, sehr geschätzte Frau Außenministerin, und dir, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr herzlich ge­dankt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Für uns Österreicher ist diese Erweiterung ein ganz entscheidendes Projekt. Wir liegen im Herzen dieses Kontinents und sind dadurch in besonderer Weise betroffen. Dieses Im-Herzen-Liegen soll aber auch dazu dienen, dass Wachstumsmöglichkeiten und Beschäftigungsmöglichkeiten für unsere Bevölkerung eröffnet werden. Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Exporte in diese Länder unsere Arbeitsplätze sichern und neue Arbeitsplätze schaffen werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 20

Wir – die Österreichische Volkspartei – sind der Meinung, dass die Projekte und die Zielsetzungen der EU mit gleichberechtigten Partnern besser lösbar sind. Wir sind überzeugt davon, dass drinnen besser als draußen ist. Und wenn ich das sage, dann meine ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Initiativen für die Infra­struktur für die Schieneninfrastruktur große Investitionen in den kommenden Jahren nach sich ziehen werden. Es ist besser, dass die Länder, die heute beitreten, drinnen sind, als wenn sie draußen wären. Ich halte aber auch ausdrücklich fest, dass histo­risches Unrecht – das ganz klar auch als solches bezeichnet werden muss – beseitigt und durch menschenrechtskonforme Lösungen ersetzt werden muss.

Ich gehe davon aus, dass etwa das Abkommen von Brüssel über die nukleare Sicher­heit selbstverständlich gilt und auf Punkt und Beistrich erfüllt werden muss. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist eine Forderung, die die Österreichische Volks­partei niemals fallen lassen wird!

In diesem Sinne nochmals ein herzliches Willkommen an die neuen zehn EU-Länder! Es liegt in unserer Hand, meine Damen und Herren, was wir mit diesen neuen EU-Ländern machen – zum Wohle der Bevölkerung dieses Landes. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

9.24

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Professor Ko­necny. Ich erteile ihm dieses.

 


9.24

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Außenminister! Ich gebe zu, vor etwa zehn Tagen hätte ich leicht die gleiche Rede halten können, wie sie Kollege Bieringer heute gehalten hat. Ja, es ist wahr: Es ist eine Freude für uns, dass wir unsere Nachbarländer, und nicht nur diese, in der Europäischen Union als vollberechtigte Partner begrüßen können! Ja, es ist richtig, dass für Angehörige einer Generation – den geringfügigen Unterschied zwischen uns darf ich vernachlässigen – immer Paris und alles Mögliche näher war als Bratislava, weil die 80 Kilometer zwar geographisch ein Naheverhältnis ausgedrückt haben, das sich aber mental und politisch nicht realisieren ließ.

Das alles ist richtig, und wir sollen den Tag trotzdem auch in der Richtung würdigen, dass wir einem Erweiterungsprozess zustimmen, der nicht unumstritten war – in un­serem Land nicht unumstritten war, in der Europäischen Union nicht unumstritten war. Es ist vielen Anerkennung dafür zu zollen, dass sie im Laufe der Jahre, im Laufe der Diskussion ihre Einstellung geändert und erkannt haben, dass es natürlich richtig ist, dass jede Veränderung auch Risken beinhaltet, aber dass zwei Elemente stärker sind: einmal die Chancen, die diese Erweiterung beinhaltet – auch für unser Land und unsere Wirtschaft –, und zum Zweiten die moralische und über das Ökonomische hinaus­weisende Dimension einer europäischen Vereinigung, die gegenüber diesen Ländern und ihren Menschen auch ein Stück Wiedergutmachung sind, weil sie, durchaus gegen ihren Willen so lange vom europäischen Hauptstrom abgetrennt, nun die Chance haben, das zu sein, was sie im Inneren immer waren: Europäer.

Aber wir müssen – ich gebe zu, dass ich dem einige Zeit widmen werde – an einem Tag wie diesem, der nach einem Sonntag wie jenem liegt, auch die Frage stellen: Welche Europäische Union ist das eigentlich, in die diese neuen Mitglieder kommen? Kann der hohe Anspruch, der formuliert wird, das europäische Friedensprojekt, die europäische Wertegemeinschaft, die große Chance für alle 25 Mitgliedstaaten, kann dieser hohe Anspruch aufrechterhalten werden angesichts einer Situation, in der in Wirklichkeit 25 nationale Egoismen nicht unter einen Hut zu bringen waren – 15 und 10?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 21

Es ist zu einfach, das jetzt an einem – noch dazu neuen – Mitgliedsland festzumachen, obwohl dieses wahrlich auch nicht hilfreich war. Aber es ist natürlich bei diesem Versuch, Europa eine Verfassung zu geben, so, dass sich all das, was es in der Vergangenheit an angeblichen Interessenkonflikten – ich kann sie ja so nicht erkennen, aber dazu werde ich noch etwas sagen – gab, als nicht vereinbar erwiesen hat.

Ich sage nochmals – ich habe das bei anderen Debatten schon gesagt –: Es hat sich gezeigt, dass jene Recht hatten, die davor warnten, das Paket, das der Konvent in langer Arbeit geschnürt hat und mit dem naturgemäß nicht jeder zufrieden war, nochmals aufzumachen. Es ist genau jene Büchse der Pandora geworden, vor der die Konventualen, die daran mitgearbeitet haben – auch Kollege Tusek, ehemals aus unserem Kreis –, so sehr gewarnt haben.

Wenn man beginnt, im Stil der seinerzeitigen Gipfel zu versuchen, Interessen abzu­gleichen, dann landet man, wie in Nizza, in einer Sackgasse, in der Formel­kom­promisse und offene Unvereinbarkeiten entweder gerade noch übertüncht werden können oder, wie eben diesmal, nicht mehr.

Ich sage sehr offen: Auch wir selbst – und die österreichische Bundesregierung – haben uns zu fragen, wie hilfreich wir und die Bundesregierung in diesem Fall waren. Nochmals: Die einfachen Schuldzuweisungen sind mit Sicherheit falsch. Es waren auch nicht die Polen und die Spanier. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.) – Reklamieren Sie sich jetzt als Schuldiger hinein, Herr Bundes­kanz­ler? (Heiterkeit bei Bundeskanzler Dr. Schüssel.)

Es freut mich, dass ich zu Ihrer Erheiterung beitrage, Herr Bundeskanzler. Sie haben ja sonst wenig zu lachen. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Na, das weiß ich nicht so recht – aber soll sein. Herr Kollege, Heiterkeit hält aufrecht und hält auch jung – ich wünsche Ihnen das. Bei limitierter Redezeit muss ich allerdings darum ersuchen, ein bisschen Mitleid walten zu lassen mit dem Fortgang meines Rede­flus­ses.

Wir sind gemeinsam für das Prinzip eingetreten, und die Bundesregierung hat das ver­sucht – erfolgreich, soweit man das von Zwischenergebnissen ablesen kann –, dass jedes Land einen Kommissar haben soll. Das ist etwas, was in unserer Bevölkerung durchaus populär ist, das ist etwas, wo wir sagen können, das gehört zu unserem politischen Selbstbewusstsein, das ist ein Stückchen unserer nationalen Identität. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.) Ganz im Gegen­teil, ich habe Sie gerade gelobt, Herr Bundeskanzler! Sie sollten meine Beistriche nicht für Interventionen benützen, erst die Punkte. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Es wird schon noch was kommen!) – Es kommt sicher noch etwas.

Das war also, wenn man so will, ein Erfolg. Ja, wenn man so will, war auch das Festhalten Polens an der Nizza-Stimmrechtsgewichtung ein Erfolg. Ich weiß nicht, wie viele solche „Erfolge“ sich die Europäische Union noch leisten kann. (Ruf bei der ÖVP: Keine Sorge! Die hält das schon aus!) – Herr Kollege, ich danke Ihnen für Ihre tiefen Einsichten.

Wahr ist, dass ich mit Schrecken beobachtet habe – und das schon vor acht Jahren –, dass es einen Satz gegeben hat, den jeder österreichische Politiker – bis hinunter auf die Gemeindeebene – innerhalb von drei Monaten nach dem Beitritt hervorragend auszusprechen gelernt hat: dass nämlich die berühmten Bürokraten in Brüssel an allem schuld sind, auch am Nichtfunktionieren der örtlichen Müllabfuhr. Dieses Aus­reden auf Brüssel – was nicht heißt, dass dort keine Fehler passieren! –, dieses Ab­schieben der Verantwortung und dieses Festhalten an so genannten nationalen For­derungen ist ein heikles, kritisches und gefährliches Vorzeichen für die Entwicklung der Union.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 22

Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, diese Union zu teilen in Gruppen unter­schiedlicher, zweier oder mehrerer Geschwindigkeiten. Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, ein Kerneuropa zu schaffen, auch wenn ich es für richtig halte, dass sich unser Land aus dem Kern, in dem es ist, nicht verdrängen lassen sollte. Aber das euro­päische Projekt wird dadurch nicht besser, dass man es multipliziert. Das europäische Projekt lässt sich dadurch nicht besser realisieren, denn nichts von den Problemen, die in der Regierungskonferenz eine zentrale Rolle gespielt haben, lässt sich in einem Kerneuropa anders und besser lösen.

Wenn wir heute Gäste aus jenen neuen Mitgliedstaaten in unserem Haus haben werden, die Nachbarn sind, dann sollten wir, glaube ich, auch sehr deutlich aus­sprechen, dass uns weder Blockbildungen innerhalb der EU noch egoistisches Fest­halten an Einzelinteressen, aber auch nicht Illusionen über den Charakter des euro­päischen Projekts weiterhelfen. Wir sollten ihnen – und sie haben das ja bemerkt – sehr deutlich sagen, was das für eine Union ist, in die sie kommen: nicht die Union der Sonntagsreden, sondern die Union der täglichen und manchmal schmerzhaften Praxis, die wir nicht zu verklären haben.

Je realistischer wir das europäische Projekt sehen, je weniger wir hineingeheimnissen, umso mehr können wir den politischen Inhalt auch tatsächlich realisieren. Das war das Geheimnis des Konvents, der auch seine Kompromisse geschlossen hat und der auch seine Differenzen gehabt hat – und in dem im Übrigen auch Vertreter jener Re­gierungen gesessen sind, die das Ergebnis jetzt in die Luft gesprengt haben. Das sollte nachdenklich machen.

In diesem Konvent waren im Wesentlichen – zwei Drittel – Parlamentarier, Parla­men­tarier der nationalen Ebene und der europäischen Ebene. Sie haben ein Ergebnis zu­stande gebracht – die Regierungschefs nicht. Sollte uns das nicht zu denken geben, dass das im Bereich des Parlamentarismus, wo scharf miteinander gerungen und gestritten wird, aber dennoch klar ist, dass am Ende kein Veto steht, sondern ein Beschluss, der so oder so aussieht – und in einem guten Parlamentarismus auch ein Beschluss, der Kompromisse beinhaltet –, vielleicht die tauglichere Methode ist, zu europäischen Einigungen zu kommen?

Die Europäische Union ist mit Sicherheit mit 25 Mitgliedern nicht leichter geworden als mit 15, aber sie darf sich nicht in dieser Menge auflösen. Das Konzept eines recht­lichen, verrechtlichten, Menschenrechte, Rechtssicherheit umfassenden Raums, das Konzept eines Friedensprojekts, das Konzept der Solidarität zwischen jenen, die auf Grund einer ganz bestimmten ökonomischen und historischen Entwicklung mehr ha­ben, die teilen mit denen, die noch aufholen müssen, all das muss in die größere EU uneingeschränkt eingehen. Wir müssen es lernen – ich sage bewusst: wir müssen es lernen; das ist für die österreichische Innenpolitik genauso eine Aufgabe wie für jede andere der weiteren 24 Innenpolitiken –, einander nicht dauernd des Verrats an Öster­reichs Interessen zu verdächtigen, sondern zuerst einmal darüber nachzudenken, was auch dem gemeinsamen Ganzen der EU dient. Und da mag es sein, dass ein kleiner symbolischer Erfolg in Rot-Weiß-Rot weniger bringt als ein großer materieller Erfolg in goldbesterntem Blau.

Das ist, glaube ich, keine Kritik – darum ging es heute nicht –, sondern eine Einladung, eine Politik zu formulieren, die hier eine Balance hält, nachdem die Politik der grenzen­losen Interessenvertretung – man kann auch sagen: des grenzenlosen Egoismus – am vergangenen Sonntag zunächst einmal gescheitert ist.

Die Freude darüber, dass es zehn neue Mitglieder gibt, die ernsthafte Diskussion, wie unser Land mit den natürlich vorhandenen Konsequenzen dieser Erweiterung zu Rande kommt, das alles soll damit nicht weggeredet werden, aber es ist eben nicht nur


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 23

ein Festtag, es ist auch ein Tag der Reflexion. Und ich lade Sie ein, an dieser Reflexion teilzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

9.39

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. Ich erteile ihm dieses.

 


9.39

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundeskanzler! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wenn das Hohe Haus heute die Verträge mit den Beitrittsländern ratifiziert, so hätte das im Hin­blick auf die größte Erweiterungsrunde der Europäischen Union seit den Gründungs­verträgen tatsächlich ein historischer Tag sein können. Ich sage bewusst: Es hätte so sein können.

Zum einen hat die Europäische Union nach meiner Überzeugung nicht das Nötige und Gebotene getan, ihr institutionelles Gefüge auf die Erweiterung ausreichend vorzu­berei­ten und auszurichten, um die effektive Handlungsfähigkeit der erweiterten Ge­meinschaft sicherzustellen. Der Beweis dafür ist die Krise nach dem Scheitern des jüngsten Europäischen Rates von Brüssel und die Nichteinigung auf die vom Ver­fassungskonvent der Europäischen Union ausgearbeitete neue EU-Verfassung.

Allein der Umstand, dass daraufhin erneut das Konzept eines Kerneuropas – unter der Dominanz von Frankreich und Deutschland – beziehungsweise das Europa der zwei Geschwindigkeiten wieder einmal auftauchte, macht mehr als deutlich, dass sowohl die Erweiterung als auch die Vertiefung der Union nicht zugleich realisierbar sind.

Zum anderen aber belastet auch der Umstand, dass nicht alle Erweiterungsländer den­selben Stand erreicht haben und dass einige von ihnen bis heute nicht alle Auf­nahmekriterien erfüllt haben, die Weiterentwicklung der Europäischen Union.

Wenn meine Fraktion heute dennoch mehrheitlich der Ratifikation zustimmen wird – das darf ich vorweg ankündigen –, so hat sie sich dazu im Bewusstsein unserer Verantwortung für die definitive Überwindung der Zweiteilung Europas durch den Zwei­ten Weltkrieg und in seinem Gefolge bewusst durchgerungen. Wir sehen sowohl die Chancen als auch die Risken, die die Erweiterung mit sich bringen wird.

Zu ihrem im Ergebnis positiven Votum führt meine Kollegen auch die Überlegung, dass es gewiss nicht angeht, insgesamt gegen die Aufnahme sämtlicher Beitrittsländer zu stimmen, und das allein deshalb, weil wir mit einzelnen von ihnen Probleme und mit einem einzigen große Probleme haben.

So sehr ich selbst diese Erwägungen teile und daher die Grundhaltung meiner Fraktion voll billige, bedarf es aus unserer Sicht zugleich eines politischen Zeichens, dass wir es nicht akzeptieren können, wenn vornehmlich in einem Beitrittsstaat historisches Un­recht unter klarer Verletzung der Menschenrechte bis heute nachwirkt. Daher werde ich in meiner Funktion als Fraktionssprecher der Volksgruppen und der Heimat­vertriebenen den Beitritt dieses Staates und daher zwangsläufig der Ratifikation des Gesamtvertrages nicht zustimmen können.

Bekanntlich war es eine der zentralen Aufnahmebedingungen, dass jeder Beitritts­kan­didat die so genannten Kopenhagener Kriterien erfüllt, mit denen die europäischen Wert­vorstellungen konkretisiert worden sind. Zu ihnen zählt vorrangig die Wahrung und Gewährleistung der Menschenrechte im Sinne der Europäischen Menschenrechts­kon­vention und jetzt auch der EU-Grundrechtecharta. Eben diesem Kriterium wird die Tschechische Republik nicht gerecht – zumindest gilt das für das Vertreibungsdekret, das Zwangsarbeiterdekret und das Konfiskationsdekret im Rahmen der so genannten


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 24

Beneš-Dekrete und für das eine Generalamnestie gewährende Straffreistellungs­ge­setz. Leider kann man das nicht bloß als historische Rechtsakte in Reaktion auf die vorangegangene Besetzung und NS-Herrschaft abtun, somit als eine Rechtslage, die heute überholt und bedeutungslos geworden ist. Vielmehr berufen sich bis heute Be­hörden und Gerichte in aktuellen Entscheidungen auf diese immer noch in Geltung stehenden Dekrete. Mit anderen Worten: Sie stellen daher nicht obsoletes, das heißt totes Recht dar, sondern bilden lebendes Unrecht.

Obzwar ich selbst landsmannschaftlich familiär vom Vorgehen gegen die Altöster­rei­cher deutscher Muttersprache betroffen bin, habe ich mit dem tschechischen Volk, das keinesfalls kollektiv verantwortlich zu machen ist, meinen persönlichen Frieden ge­schlossen. Wir lehnen ja bekanntlich jede Kollektivschuldthese ganz entschieden ab. Und schon gar nicht kann die heutige Generation dafür verantwortlich gemacht wer­den, die ja in der kommunistischen Ära über diese historischen Ereignisse überhaupt nicht oder nur ganz einseitig informiert worden ist.

Gleiches beanspruche ich für die sudetendeutschen Landsmannschaften, denn relativ frühzeitig haben sie in der Charta der Heimatvertriebenen jedem Revanchedenken abgeschworen und sich für die Versöhnung beider Völker ausgesprochen. Aber jede echte Aussöhnung kann keine Einbahnstraße bilden. Und gerade in Bezug darauf ist Österreich, ist meine Fraktion und bin ich persönlich höchst enttäuscht.

Ausgehend davon, dass der Raum der heutigen Tschechischen Republik über Jahr­hunderte hindurch dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und danach der Österreichisch-Ungarischen Donaumonarchie angehört hat, bevor er ein eigener Na­tional­staat geworden ist, bin ich von der notwendigen Zugehörigkeit dieses Staats­gebietes und dieses Volkes zu einer zukunftsfähigen Europäischen Union voll über­zeugt. Das würde ja auch die Heimatvertriebenen ihrer alten Heimat näher bringen.

Aus dieser Sicht habe ich auch sehr gerne an den Besuchen österreichischer Par­lamentsdelegationen in die Tschechische Republik teilgenommen. Wir haben damals dem Wunsch der tschechischen Führung Rechnung getragen, vor dem Referendum über den Beitritt zur Europäischen Union keine österreichischen Forderungen in der Öffent­lichkeit zu stellen, die in der innenpolitischen Debatte der Tschechischen Re­publik kontraproduktiv hätten wirken können. In durchaus offenen, ergiebigen und weiterführenden Hintergrundgesprächen mit Abgeordneten des tschechischen Par­lamentes, beider Häuser – auch Kollege Konecny war dabei –, haben wir allerdings keinen Zweifel daran offen gelassen, dass sich Österreich bis zur Ratifikation der Bei­trittsverträge eine politische Entwicklung innerhalb der Tschechischen Republik erwar­tet, die zumindest zu symbolischen Gesten in Richtung einer Aufarbeitung des histo­rischen Unrechts führen sollten. – All das ist bis heute nicht geschehen.

Die bekannte Göttweiger Erklärung des Premierministers Špidla war dazu ein erster Schritt in die richtige Richtung; das ist voll anzuerkennen, auch der Herr Bundeskanzler hat das getan. Es ist später freilich wieder aus innenpolitischen Gründen relativiert worden.

Wenn man dem entgegnet, dass sich vergleichbare Übergriffe nach dem Zweiten Welt­krieg und in Reaktion auf die Geschehnisse davor auch in anderen osteuro­päischen Ländern ereignet haben, so muss das doch aus heutiger Sicht relativiert werden. In der Slowakischen Republik etwa hat sich Staatspräsident Schuster von den Beneš-Dekreten, insoweit sie Volksgruppen der Volksdeutschen und Magyaren kollektiv ent­eignet und diskriminiert haben, klar distanziert.

Nicht minder als die Beneš-Dekrete haben die so genannten AVNOJ-Bestimmungen im Raum des ehemaligen Jugoslawiens die Volksdeutschen diskriminiert, vertrieben und ihr Eigentum konfisziert.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 25

Im Vergleich zur Tschechischen Republik ist aber anzuerkennen, dass die Slowakische Republik in Bezug auf die menschenrechtswidrigen Beneš-Dekrete und die Slowe­nische Republik in Bezug auf die AVNOJ-Bestimmungen die Bereitschaft zu einer rechtsstaatlichen Korrektur gezeigt haben.

Vor allem in Ungarn sind vorbildliche Lösungen sowohl zum Schutze der ethnischen Minderheiten als auch zur Beseitigung diskriminierender Maßnahmen zu Lasten be­stimmter Volksgruppen getroffen worden. Das ist voll anzuerkennen. Auch in Kroatien und selbst in Serbien-Montenegro ist unseren Anliegen in dieser Richtung entsprochen worden. Sollte sich auch die Tschechische Republik in diese Richtung hin bewegen, wäre ich der Erste, der das begrüßt.

Mein abschließendes Kontravotum versteht sich daher vor allem als Appell an die Tsche­chische Republik, auch im Sinne der Empfehlung, wie sie im Nationalrat be­schlossen worden ist, die Menschenrechtsverletzungen gegenüber der deutschen Volks­gruppe zu beenden und gutzumachen. Sollte das geschehen, würde sich der heutige Beschluss auf Aufnahme auch der Tschechischen Republik noch nachträglich rechtfertigen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.49

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


9.49

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geschätzte Frau Minister! Lieber Herr Staats­sekre­tär! Meine Damen und Herren! Bei aller persönlichen Wertschätzung, Herr Kollege Böhm, vermisse ich in Ihrer Beschäftigung mit der tschechischen Vergangenheit, mit der Situation der Sudetendeutschen einfach immer einen Punkt: Der Böse war am Anfang nicht der Tscheche, wie es jetzt in Ihrer Rede aber herausgekommen ist. Sie vergessen einmal mehr, dass viele Sudetendeutsche von 1938 bis 1945 als Kollabo­rateure des nationalsozialistischen Regimes unterwegs waren. (Zwischenruf des Bun­desrates Dr. Böhm.)

Es rechtfertigt das nicht, Herr Kollege Böhm, die Beneš-Dekrete und ihre menschen­rechtsverletzenden Auswirkungen, aber man kann nicht ständig von B reden und A vergessen. Es hat eine Geschichte, und die haben Sie leider heute nicht gesagt. (Bun­desrat Dr. Böhm: Das habe ich erwähnt!) – Nicht in dieser Deutlichkeit! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Bei aller Kritik, die die beiden Vorredner zum heutigen Tag angebracht haben, möchte ich doch sagen: Es ist ein historischer Tag. Und bei aller Kritik, die wir heute schon gehört haben: Es ist ein historischer Schritt, es ist ein wichtiger Schritt, es ist die größte Erweiterung der Europäischen Union in einem.

Viele – viele! – haben nicht daran geglaubt, dass das Jahr 2004, das schon vor Jahren angedeutet wurde, als Zeitpunkt der Erweiterung überhaupt zu halten ist. Damit, somit auch mit der heutigen Beschlussfassung, wird ein großer Schritt in Richtung Besei­tigung der Teilung Europas – eines der wichtigsten Ziele – gesetzt.

Diese Erweiterung in den Norden, in den Süden und in den Osten ist auch ein sym­bolischer Schritt zur Verringerung der nationalen Grenzen, die wie Mauern in unseren Köpfen sind, und treibt vielleicht das Gespenst des Nationalismus, das noch immer durch Europa geistert, aus oder macht es zumindest ein wenig kleiner.

Meine Damen und Herren! Es ist mehr denn je ein Friedensprojekt. Wenn wir bedenken, dass die Erweiterung um Portugal, Spanien und Griechenland das Salazar-Regime, den Franco-Faschismus und die griechische Obristendiktatur abgelöst hat,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 26

Demokratien stabilisiert hat, müssen wir sagen, es kommen nun junge Demokratien – wahrlich junge Demokratien! – in das gemeinsame Haus Europa. Und gerade dieses gemeinsame Haus bietet ihnen auch die große Chance, die Demokratien zu stabi­lisieren.

Deshalb wäre es gefährlich, die Europäische Union nur als eine Wirtschaftsunion zu sehen – sie ist eine politische, eine kulturelle, aber auch eine soziale Union. Und dieser große Wurf, diese große Erweiterung ist nicht ganz ohne Raffinesse und Pikanterie an rechtlichen Fragen, wenn wir nur einmal die Zypernfrage hernehmen – Zypern, immer­hin ein geteiltes Land, das hier aufgenommen wird, wobei ein Teil derzeit eine Patt­stellung hat, ob mit oder dagegen.

Eine für mich ganz spannende Frage ist auch – sie wird zeigen, ob wir die Geschichte in negativer Weise umkehren oder ob uns hier eine ganz große Handreichung auch mit Russland gelingt – die Enklave Kaliningrad, ein Korridor. Wird es nun Korridore durch die Europäische Union geben, wie wir sie durch die DDR nach Westberlin hinein hatten? Oder werden wir da vielleicht zu anderen Modellen für die Zukunft kommen? Oder wird Russland gemeinsam mit der EU die Chance ergreifen, Shanghai als Modell für Kaliningrad heranzuziehen, hier die Beziehungen zwischen der EU und Russland zu vertiefen? Denn die Enklave Kaliningrad ist dann, meine Damen und Herren – für die, die die Landkarte nicht ganz genau im Kopf haben –, zur Gänze von der EU umschlossen und hat keine Anbindung mehr zum Mutterland.

All das sind spannende Dinge; genauso spannend, Herr Kollege Böhm, wie die Beneš-Dekrete. Ich hoffe, dass man in einem gemeinsamen Haus, in einem gemeinsamen Parlament dann in einer anderen Art und Weise miteinander diskutieren kann als am Anfang eines Beitrittsprozesses, wenn die Forderungen von außen an ein Land herangebracht werden.

Für mich genauso spannend wie die Frage der Sudetendeutschen oder der Beneš-Dekrete ist die Frage der Sinti und Roma, deren rechtliche Absicherung und Situation auf den Staatsgebieten von Ungarn, Slowakei und Tschechien. Aber all das sind Fra­gen, die man in einem gemeinsamen Haus, in einer parlamentarischen Gemein­schaft anders diskutiert, als wenn man sie in einem Prozess ständig von außen an ein Land heranträgt.

Insofern haben wir keine Ressentiments gegenüber einem Land, das nun beitritt. Wir finden es als einen großartigen Schritt, dass etwa das Baltikum beitritt. Mit dem Balti­kum kommt vielleicht auch eine Frühform der Europäischen Gemeinschaft wieder dazu. Der uralte Verbund der Hansestädte – Riga gehörte auch dazu – war wohl ein Beispiel dafür, schon vor Hunderten von Jahren, wie eine Europäische Union aus­schauen könnte, nämlich gleichberechtigt. Es war egal, wie reich und wie groß eine Hansestadt war, sie alle waren gleichberechtigt und hatten die gleichen Stimmrechte. Insofern ist das ein spannender Prozess.

Es ist ein ebenso spannender Prozess, ob wir es schaffen werden, die Grenze, die Teilung Zyperns in einem relativ raschen Schritt zu überwinden.

Meine Damen und Herren! Herr Professor Konecny ist auf den gescheiterten Gipfel eingegangen. Meine Meinung ist: Das Scheitern ist keine europäische Tragödie!

Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Es ist mir lieber, der Gipfel ist gescheitert, als ein Ministerpräsident Berlusconi, über dessen demokratische Qualitäten ganz Europa nachdenkt, hätte einen großartigen Sieg auf der diplomatischen Bühne erreicht.

Ich vertraue den Iren und auch den nach ihnen kommenden Niederländern, dass sie das ordentlich, anständig und sauber im Dialog mit den Ländern, mit Spanien, mit Polen, klären werden, aber auch mit jenen, die etwas anderes Scheitern haben lassen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 27

nämlich Deutschland und Frankreich den Stabilitätspakt, zumindest die Stabilitätskrite­rien in der Form, wie vereinbart.

Es ist nicht eine polnische Mär, die hier ausgebrochen ist. Meine Damen und Herren! Ich habe wirklich Verständnis für das Ringen der Polen. Bedenken Sie, wie oft dieses Land in der Geschichte schon allein in seinen Grenzgebieten hin und her geschoben wurde, dass es dann unter russische oder sowjetische Vormachtsstellung kam, jetzt einen ersten demokratischen Frühling erlebt – und nun bereits wieder fürchtet, seine Souveränität abgeben zu müssen.

Wir müssen die Traumata verstehen, die dahinter stehen. Aber eines – und das teile ich jetzt mit Professor Konecny – ist, glaube ich, klar: Der Parlamentarismus hat sich als stärker herausgestellt als die Konferenz – Voggenhuber sagt immer: der Reichs­fürsten – der Staats- und Regierungschefs, die offensichtlich andere Zwänge haben, wenn sie um 6 Uhr in der Früh in Nizza unterschreiben – und dann aufwachen und in einer Katerstimmung sind.

Wir müssen hier stärker denn je auf die gewählten Versammlungen, auf die gewählten Parlamente vertrauen, da die Staats- und Regierungschefs immer wieder dafür anfällig sind, Geschäfte zu machen. Das brauchen gewählte Gremien und Versammlungen nicht. Gib mir das, gebe ich dir das – dieses Spiel, meine Damen und Herren, führt dann zu solchen Tragödien oder Nicht-Tragödien. Ich halte es für keine Tragödie.

Aber es ist ein Innehalten, es ist ein Aufwecken. Allein die Verhaftung von Saddam Hussein hat das Scheitern des Gipfels am nächsten Tag aus allen Zeitungen und aus allen Titelzeilen verschwinden lassen. Aber es ist ein Innehalten, es ist ein Nach­denken darüber, dass Erweiterung und Vertiefung zwei Paar Schuhe sind.

Wenn Kollege Böhm meint, jetzt sei Schluss mit dem Erweitern, meine Damen und Herren, ... (Bundesrat Dr. Böhm: Das habe ich überhaupt nicht gesagt!) – Okay, ich korrigiere mich, ich habe das nur in dem Duktus so verstanden. Entschuldigung, Herr Kollege Böhm!

Wenn Herr Kollege Böhm meint, jetzt etwas langsamer oder einmal eine Pause einlegen, Kraft sammeln bei der Erweiterung: Meine Damen und Herren! Für das Friedensprojekt Europa dürfen wir eine Region nicht vergessen: den Balkan. Ein Frie­densprojekt Europa wird nur gelingen, wenn der gesamte Balkan Mitglied der Euro­päischen Union ist. Das, meine Damen und Herren, ist die wirklich große Heraus­forderung – nicht die EU-Regierungskonferenz über Stimmgewichte. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.00

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Bundeskanzler Dr. Wolf­gang Schüssel. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


10.00

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich freue mich sehr, dass wir heute einen für Europa und für unsere Nachbarn und vor allem auch für Österreich wirklich historischen Beschluss fassen, nämlich die Wiederverei­nigung Europas. Ein Thema, das uns eigentlich in der Hoffnung, in der Perspektive seit Jahrzehnten begleitet hat. Und wenn ich ganz ehrlich bin, ich bin 1989 als Re­gierungsmitglied angelobt worden, ich hätte mir nicht erträumt, dass es in einer so kurzen Zeit, in einer politischen Generation von 1989 – unser eigener Beitritt war dann 1994, wirksam 1995 – bis 2004 so weit kommt. Das ist eigentlich alleine schon der Beweis dafür, dass Europa lebt, dass Europa viel mehr Kraft hat, als man ihm vielleicht am Anfang zugetraut hat, und dass wir auch in diesem Herzen Europas langsam den


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 28

Platz einnehmen, den wir uns selber wünschen, der uns in der Bundeshymne von Preradović zugewiesen ist und der jetzt langsam mit Leben erfüllt wird.

1989 der Fall des Eisernen Vorhangs – seit damals haben sich unsere Wirtschaftsbe­ziehungen mit den Nachbarländern verdreifacht. Wir sind einer der großen Investoren dort, wir sichern hier bereits weit über 150 000 Arbeitsplätze, nur im Export für die Länder Mittel- und Osteuropas. Wir haben auch sehr viel investiert in dieser Zeit. Seit 1989 haben wir etwa 8 Milliarden € in die Verbesserung der Verkehrswege, Schiene und Straße, investiert. Seit unserem Beitritt zur Europäischen Union haben wir etwa 13 Milliarden € in die Infrastruktur, in die Strukturpolitik, ländlicher Raum, Aufwertung, Sozialprogramme und so weiter, investieren können. Wir haben seit dieser Finanzperiode über 1 Milliarde € nur für die Grenzregionen zur Verfügung. Ich sage das deswegen, damit man schon auch sieht, dass hier nicht nur ein Vertragswerk dahinter steht, sondern eine sehr ausgefeilte Logistik und eine Fülle von hunderten, ja tausenden einzelnen Projekten, die in dieses Erweiterungs- und Wiedervereinigungs­projekt Europas hinein verwoben sind.

Jetzt begrüßen wir zehn neue Mitgliedsländer, und ich sage ganz offen, ich tue das mit großer Freude, denn Benita Ferrero-Waldner und ich waren 1998 diejenigen, die im Rahmen des EU-Vorsitzes, den Österreich innegehabt hat, im Allgemeinen Rat der Außenminister den Beginn der Verhandlungen eigentlich erzwungen haben. Wir sind damals heftig kritisiert worden von manchen unserer Mitgliedsländer, unserer Kolle­ginnen und Kollegen, Außenministern oder Regierungschefs, wir haben aber das ganz bewusst als eine österreichische Priorität angesehen, mit diesen Verhandlungen zu beginnen. Es waren damals sechs. Ich habe immer schon die Perspektive erhofft, dass wir die anderen mitnehmen können – letztlich ist es ja auch gelungen und genauso gekommen.

Jetzt fehlen noch Bulgarien und Rumänien, das muss man ehrlicherweise dazusagen. Die sind eigentlich in diesem Beitrittsprozess schon drinnen, haben auch ein festes Datum, nämlich mit 2007. Aber ich gebe auch allen, die hier genickt haben, Recht: Man muss, glaube ich, die Dinge wirklich sehr nüchtern betrachten, das Ganze erst einmal setzen lassen und muss, ehrlich gesagt, diese große Aufgabe verkraften können. Das ist schon auch sehr wichtig, denn wir haben uns eigentlich eine ganze Reihe von ziemlichen Megaprojekten aufgeladen: auf der einen Seite vor zwei Jahren die Ein­führung der europäischen Währung, des Euro, der sich eigentlich gut bewährt hat: niedrige Inflationsrate, sehr stabile Strukturen ringsherum, es gibt Probleme rund um den Stabilitätspakt, aber immerhin, das Projekt funktioniert.

Auf der anderen Seite haben wir gleichzeitig diese riesige Erweiterungsgeschichte, die Vergrößerung der Europäischen Union und zugleich die Vertiefung, die Europäische Verfassung. Ich werte das schon als nicht nur einen Zufall, sondern eigentlich als ein ganz bewusstes gemeinsames Projekt: erweitern und vertiefen. Und ich hätte mir, ehrlich gesagt, eigentlich gewünscht – ich habe deswegen auch einen Zwischenruf von der Regierungsbank aus gemacht, bitte um Vergebung, Bundesrat Konecny, das tut man sonst nicht, das weiß ich eh –, dass wir heute mehr über die Erweiterung und weniger über den Konvent reden. Mit Verlaub gesagt, ich sehe das Projekt als ein eigenständiges Projekt, und das ist heute das Wichtigste, das ist die Entscheidung des Tages.

Es verdienen eigentlich auch die zehn Beitrittskandidaten, dass man sich mit ihnen stärker auseinander setzt und nicht sofort eine kleine Schuldzuweisung macht. Es geht nicht darum, ob der italienische Vorsitz oder die österreichische Regierung oder die Spanier oder die Polen schuld waren – nein, es verdienen die Zehn unsere Auf­merksamkeit, weil sie auch eine Würde hier haben! (Beifall bei der ÖVP.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 29

Es ist mir auch wichtig, dass man die Vernetzung herstellt, dass wir nicht nur nach innen jetzt eine große Entwicklung haben, sondern dass wir auch nach außen, in der Außen- und Sicherheitspolitik handlungsfähig werden müssen. Das muss man, glaube ich, schon allen, gerade von der Sozialdemokratie, immer wieder sagen. Wenn – und ich sage das jetzt nicht polemisch, sondern mit großer Freude und Zustimmung – Ab­geordneter Gusenbauer, Klubobmann Cap, Klubobmann Konecny, wenn Peter Schie­der und viele andere jetzt sagen, dass Österreich zum Kern Europas bei allen Aufga­ben dazugehören soll, dann hat das bitte sehr natürlich auch Auswirkungen in der Außen- und Sicherheitspolitik, denn das ist ja der Kern. Wenn ich den Konvententwurf hernehme, der vorgelegt wurde (der Redner zeigt ihn): Da ist ein Kern im Bereich der außen- und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit angedacht. Ich bin gerne bereit, hier mitzugehen. Wenn wir da einen politischen Konsens bekommen, dann tut der Europa gut und tut natürlich auch Österreich gut, aber dann darf ich nicht eine pole­mische politische Diskussion im Inland bei jedem einzelnen Schritt entfachen. Ich begrüße also diese Richtungsänderung, ich glaube, dass sie gut und notwendig ist, und wir sollten sie gemeinsam gehen, Herr Bundesrat Konecny. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Viel wird jetzt geredet über Kerneuropa, und ich glaube, das wirkliche Kerneuropa ist ein geistiges, ist eigentlich ein werteorientiertes Kerneuropa. So ist ja auch die ursprüng­liche Gründungsgemeinschaft entstanden, nämlich aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs, aus dem Wissen, nie wieder Krieg ist die einzige Chance für diesen gepeinigten Kontinent. Das muss man wissen, dass es nicht um Stimm­pro­zente, um Macht oder um Geld geht, sondern der Kern Europas ist eigentlich die Frie­densidee, ist die Solidaritätsidee und ist auch die Perspektive eines erweiterten Eu­ropa, zu dem alle Zutritt haben dürfen und wo es nicht einen close job geben darf, eine versperrte Tür, wo man 25-mal anklopfen muss, bevor halt mühsam gerade ein Guck­loch aufgemacht wird.

Das heißt, diese Größe gehört auch dazu, dass nicht wir, die wir relativ kurz dabei sind, acht Jahre, diejenigen sind, die quasi beckmesserisch darüber richten: Hat jeder von den Neuen alle Herausforderungen, alle Aufgaben jetzt auf Punkt und Beistrich erfüllt? Ehrlich gesagt, wir haben es ja auch nicht gemacht. Oder die Spanier, die Portugiesen und die Griechen sind durch eine politische Entscheidung aufgenommen worden, und siehe da, oh Wunder, es hat funktioniert. Es hat sogar blendend funktioniert, viel besser, als man ursprünglich angenommen hat.

Bundesrat Böhm, Fraktionsvorsitzender der Freiheitlichen, hat mit Recht auf die offenen Probleme hingewiesen, völlig richtig, und es ist auch gut, dass das heute hier in einem guten Geist angesprochen und ausgesprochen wird. Nur: Welches dieser offenen Probleme, ob es die nukleare Sicherheit, ob es die Frage des Arbeitsmarktes, ob es die Frage der Vergangenheitsbewältigung, die Frage der Menschenrechte ist, welches dieser Probleme ist leichter lösbar, wenn die Zehn oder ein Land der Zehn heute nicht in die Europäische Union aufgenommen wird? Ich glaube, diese große Perspektive müssen wir im Auge behalten. Jedes einzelne dieser Probleme, schwierig genug, wird leichter lösbar sein, wenn unsere Nachbarländer mit uns in dieser ge­meinsamen Familie sind. Deswegen bin ich aus wirklicher Überzeugung dafür.

Und es wirkt ja auch: Der tschechische Regierungschef Vladimir Špidla wäre nie nach Göttweig gekommen und hätte nie seine für ihn große und auch für uns wichtige Rede gehalten, hätte er nicht diese Perspektive einer vertieften Freundschaft zwischen Prag und Wien, dem tschechischen und dem österreichischen Volk vor Augen gehabt. Das sollte man, glaube ich, an einem Tag wie heute betonen – nichts unter den Teppich kehren, in offener, direkter Aussprache die Fragen klären und heute einfach weit die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 30

Arme ausbreiten und die Freunde aus Nord, aus Süd, aus West in diesem neuen erweiterten Europa willkommen heißen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Konvent wurde erwähnt; die Regierungskonferenz ist am Samstag zu Ende ge­gangen, ich sage es nur der Ordnung halber. Also so ein demokratisches Hochamt, Herr Fraktionsvorsitzender, war der Konvent wirklich nicht. Ich sage das nur, damit man die Legenden wieder ein bisschen relativiert und auf ein Normalmaß zurückstutzt. Oder was hat der Herr Voggenhuber alles über das Präsidium und die Alleinherrschaft, die Diktatur von Giscard d’Estaing geredet? – Auf einmal ist alles anders? Das war die große demokratische Hochkultur?

Der ganze Teil 3 ist im Plenum des Konvents nie diskutiert worden, niemals! Der Teil 3, damit Sie sich das anschauen können, beginnt hier. (Der Redner nimmt den Konvents­entwurf zur Hand und macht den jeweiligen Umfang der Seiten anschaulich.) Das ist im Plenum diskutiert worden, dieser Teil ist im Plenum nie diskutiert worden! Wenn Sie mir jetzt erklären, dass wir praktisch alles „abnicken“ sollen, was dort vorbereitet wurde, dann möchte ich schon dazusagen: Das sind nicht nationale Egoismen, wirklich nicht, aber jeder dieser 25, die rund um den Tisch sitzen, hat daheim ein nationales Parlament, das ratifizieren muss. Wenn ich richtig gezählt habe, sechs haben schon jetzt erklärt, sie machen ein Referendum. Das genügt nicht, wenn Giscard d’Estaing und Voggenhuber und ein paar andere sagen, großartig, sondern du musst das zu Hause erklären, du musst die Menschen mitnehmen.

Ehrlich gesagt, da sind doch jetzt gewaltige Verbesserungen gegenüber diesem Kon­ventstext gelungen. Ich erwähne jetzt nur stichwortartig das für Österreich wichtige Thema der Daseinsvorsorge: deutlich verbessert. Die ganze Frage der Zusammen­setzung der Kommission, der rotierenden gleichberechtigten Präsidentschaft ist endlich geregelt, die Frage der Kontrolle des Europäischen Gerichtshofes über die Beschlüsse des Europäischen Rates, die Frage der Beistandsgarantien, in einer klugen Form jetzt von den Italienern vorgelegt und plötzlich, oh Wunder, in Österreich aus dem politi­schen Streit herausgenommen.

Oder: die ganze Frage der Sicherheits- und Verteidigungspolitik: nicht mehr ein close job einiger weniger Gründerstaaten, sondern offen für alle. Der Tierschutz wurde erst­mals in die europäische Verfassung aufgenommen, Grenzregionen, Berggebiete als Sonderförderung aufgenommen. – Ist das nichts?

Also bitte, seien Sie mir nicht böse, aber ein bisschen mehr Gelassenheit in diesem Ver­handlungsprozess wünsche ich uns. Der Konvent hatte 18 Monate, die Re­gierungskonferenz tagt gerade zehn Wochen. Darf ich offen sagen: Geben Sie uns einmal zumindest die gleiche Zahl von Wochen, wie der Konvent Monate zur Ver­fügung gehabt hat, und dann werden wir hoffentlich weitersehen! Ich bin da durchaus zuversichtlich: Wenn wir eine Lösung wollen, dann werden wir sie zusam­menbringen. Aber wir werden sie nicht zusammenbringen, wenn wir heute weniger über die Er­weiterung als über den Konvent reden. Und ich glaube, wir werden sie dann zusam­menbringen, wenn wir ein bisschen mehr zuhören, ein bisschen mehr aufeinan­der eingehen und versuchen, auch tragfähige Kompromissformeln zu entwickeln, das ist meine Absicht. Aber heute freue ich mich gemeinsam mit Benita Ferrero-Waldner, die das großartig ausverhandelt und viele regionale Netzwerke geknüpft hat, auf die Auf­nahme von zehn neuen Nachbarn in diese gemeinsame europäische Familie. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.13

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karl Bader. Ich erteile es ihm.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 31

10.13

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundeskanzler! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekre­tär! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich gebe dem Herrn Bundeskanzler sehr Recht, wenn er davon gesprochen hat, dass der heutige Tag ein historischer Tag ist: Zehn neue Mitglieder werden in die Familie der Europäischen Union aufgenommen, und das in zirka nur mehr 20 Wochen.

Ich gebe auch zu, dass es mich selbst mit einem gewissen Stolz erfüllt, hier als Par­lamentarier dabei sein und an diesem Beschluss mitwirken zu dürfen, vor allem als einer, der 1960 geboren ist und beim Heranwachsen in seinem Heimatland keinen Krieg mehr miterleben musste. Ich sehe das für mich persönlich, aber auch für alle Verantwortlichen in der Europäischen Union als Auftrag, alles in Zukunft dafür zu tun, dass dies in Europa auch so bleibt.

Ich möchte einleiten mit einem Zitat von Kardinal Schönborn, der meinte: Ich gehöre nicht zu jenen, die meinen, dass die Europäische Union das Paradies auf Erden ist. Doch nach der Geschichte mit so viel Kriegen, Auseinandersetzungen und Konflikten ist es richtig, einen gemeinsamen Weg in Europa zu gehen.

Ich kann das vollinhaltlich unterstreichen und meine daher auch, dass es ein Schritt in die richtige Richtung war.

Das große Ziel der europäischen Integration ist die Schaffung einer Zone der Stabilität, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und des Friedens. Die Europäische Union ist und hat in erster Linie auch eine Friedensgemeinschaft zu sein, und sie muss für mich auch eine Wertegemeinschaft sein und bleiben, die in erster Linie das christliche Europa zu repräsentieren hat. Dies sei vor allem jenen ins Stammbuch geschrieben, die aus kurz­sichtiger, rein parteipolitischer Absicht bei Menschen Hoffnungen auf einen EU-Beitritt wecken, was für eine überwiegende Mehrheit unserer Bevölkerung unverständlich ist und leider nicht mitgetragen wird.

Die Erweiterung um zehn neue Staaten ist eine gewaltige Herausforderung für Europa. In Europa genauso wie in Österreich ist man unterschiedlich darauf vorbereitet. Ich freue mich, dass gerade mein Bundesland Niederösterreich die Chancen dieser Erwei­terung frühzeitig erkannt hat und auch die entsprechenden Weichenstellungen recht­zeitig eingeleitet hat. Kein anderes Bundesland ist so massiv von der Erweiterung betroffen wie Niederösterreich. Kein anderes Bundesland hat aber so große Chancen, die damit verbunden sind, und ich denke, dass auch kein anderes Bundesland so gut vorbereitet ist wie eben Niederösterreich. Wir müssen aber weiterhin wachsam sein und auf mögliche Probleme, die es gibt und die es geben wird, auch entsprechend kom­petent reagieren.

Schon der Fall des Eisernen Vorhanges im Jahr 1989 hat sich auf Niederösterreichs Wirtschaft sehr positiv ausgewirkt. Das Wachstum der niederösterreichischen Wirt­schaft ist in diesen Jahren, vor allem im nördlichen Teil, bei mehr als 10 Prozent gelegen. Es sind in diesen Jahren seit dem Fall des Eisernen Vorhanges in unserem Bundesland 130 000 Arbeitsplätze geschaffen worden – in den nächsten zehn Jahren erwarten wir dies noch einmal. Und was auch sehr positiv ist: Jetzt schon gehen 22 Prozent der niederösterreichischen Exporte in die neuen Mitgliedsstaaten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade daher sehen wir als Niederöster­reicher in dieser Erweiterung eine historische Chance für die Entwicklung unseres Bun­deslandes.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 32

Ich möchte aber auch ein paar kleine kritische Anmerkungen machen, weil gerade in den letzten Wochen und Monaten die Euphorie unserer Bürger in einem gewissen Maß eingebremst wurde.

Zum Ersten denke ich, dass die Transitentscheidung die Anliegen der betroffenen Men­schen nicht berücksichtigt hat. Zum Zweiten ist auch im Hinblick auf den Stabilitätspakt eine sehr schiefe Optik gegeben. Die Bürger draußen können und wollen es nicht verstehen, wenn es sich große Staaten in dieser Frage ganz einfach richten oder richten wollen.

Das Scheitern des EU-Gipfels hat zwar mit dem Beschluss heute an und für sich nichts zu tun, aber dennoch birgt es eine Gefahr. Nicht das Scheitern ist in meinen Augen die Gefahr, sondern die ersten Aussagen, die möglicherweise im Schock geschehen sind. Dennoch denke ich, dass Aussagen im Hinblick auf ein Kerneuropa der Grün­derstaaten, Aussagen im Hinblick auf ein Europa der zwei Geschwindigkeiten eine gefährliche Drohung darstellen und daher auf das Schärfste zurückzuweisen sind.

Wir müssen die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen, und daher ist es auch klar, dass die Europäische Union nur so gut und so erfolgreich sein kann und sein wird, wie es ihr gelingt, die Menschen in diese weitere Entwicklung mitzunehmen.

Insgesamt aber überwiegt die Freude über die Aufnahme dieser zehn Staaten bei weitem die Bedenken. Daher kann ich von dieser Stelle aus sagen: Liebe Tschechen, Slowaken, Ungarn, Slowenen, Polen, Esten, Litauer, Zyprioten und Malteser, ein herzliches Willkommen im gemeinsamen Europa, in einem Europa des dritten Jahr­tausends, in einem Europa, das christlich wertorientiert ist, Stabilität, Sicherheit und vor allem Frieden garantiert! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

10.19

 


Präsident Hans Ager: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile dieses.

 


10.20

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein erfreulicher Tag heute im Bundesrat – analog zu jenem vor zwei Wochen im Nationalrat –, wenn wir mit der Beschluss­fassung über den Beitritt von zehn neuen Mitgliedstaaten zur Europäischen Union von Seiten Österreichs das Zeichen setzen, dass wir uns mit großer Mehrheit auf ein großes vereintes Europa freuen.

Wir freuen uns auch deshalb, weil wir historisch betrachtet auch so zusam­men­gehören, auf dieses größere vereinte Europa, in dem aber nicht – wie heute schon des Öfteren angesprochen – die so genannten Großen alleine das Sagen haben sollen, sondern in dem ein auf Vertrauen und gegenseitigen Respekt aufgebautes Miteinander aller Mitgliedstaaten Platz greifen sollte.

Gerade das ist seit der vorigen Woche, dem Scheitern der Regierungskonferenz in Brüssel, in Frage gestellt. Diese Regierungskonferenz ist – entschuldigen Sie den Aus­druck – an der Sturheit sowohl eines Beitrittslandes als auch eines schon älteren Mit­gliedslandes, aber auch an der Kompromisslosigkeit federführender Regierungsver­treter und der EU-Ratspräsidentschaft gescheitert. Dieses Scheitern ist natürlich ein ganz schlechtes Zeichen, sowohl im Hinblick auf die im nächsten Jahr stattfindenden EU-Wahlen als auch im Hinblick darauf, dass es in Zukunft immer schwerer werden wird, Kompromisse zwischen 25 Mitgliedsländern zustande zu bringen, denn es wird immer wieder nationale Begehrlichkeiten geben, die es in ihrer Dimension abzuwägen gilt beziehungsweise für die Kompromisse gefunden werden müssen, die für alle


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 33

tragbar sind und bei denen es nicht nur Verlierer geben darf. Unsere Transit-Proble­matik, so glaube ich, ist das beste Beispiel dafür, wie es nicht sein dürfte.

Trotzdem kann ich von dieser Stelle aus sagen: Wir freuen uns – vor allem auf unsere neuen Nachbarn! Mit ihnen haben wir ja schon seit längerem grenzüberschreitende Beziehungen sowohl auf lokaler als auch auf regionaler und bundesweiter Ebene aufgebaut, und ich bin sicher, dass sich diese Verbundenheit durch den Beitritt noch intensiver gestalten wird, auf der Basis sowohl wirtschaftlicher als auch kultureller Beziehungen.

Leider sind wir Österreicher und Österreicherinnen in Bezug auf das Erlernen von Sprachen dieser neuen Nachbarn nicht wirklich fortschrittlich. Wenngleich seit den letzten Jahren in Grenzregionen zu Tschechien, zur Slowakei, zu Ungarn und Slo­wenien Sprachkurse in unseren Schulen angeboten werden, gehen wir Erwachsene eher davon aus – ich nehme mich da selbst nicht aus –, dass man mit Deutsch und Englisch das Auslangen fände.

In den neuen Beitrittsländern habe ich durch viele Kontakte auf Grund meiner Euro­paratstätigkeit, und hier vor allem als Vorsitzende des Ausschusses für Städte- und Gemeindepartnerschaften, feststellen können, dass dort die jüngere Generation bestens auf die EU vorbereitet ist – vor allem was die Sprachen betrifft – und über ausgezeichnete Fremdsprachenkenntnisse verfügt.

In Litauen zum Beispiel beherrscht der Großteil der in der Verwaltung Tätigen Englisch und Deutsch sowie teilweise auch Französisch. Russisch wird dort verständlicherweise etwas vernachlässigt. Dort hat man insofern bereits Angst, dass die gut ausgebildeten jungen Leute nach dem EU-Beitritt das eigene Land verlassen und auf Grund besserer Aufstiegs-, aber vor allem auch Verdienstmöglichkeiten in andere Staaten abwandern werden.

Der Europarat, meine sehr geehrten Damen und Herren – das muss heute auch einmal gesagt werden –, hat es in vielen Beitrittsländern erst möglich gemacht, dass diese Staaten europatauglich geworden sind. Durch die Entsendung vieler Experten wurden sowohl auf der Verwaltungsebene als auch auf Regierungsebene demokratische Struk­turen geschaffen, die nach dem Fall des Eisernen Vorhanges einen Neuaufbau nach westlichen demokratischen Standards erforderten. Ob bei der Vorbereitung demo­kratischer Wahlen, ob bei der Mithilfe bei der Schaffung von neuen Verfassungen – der Europarat hat überall an vorderster Stelle gewirkt und mitgewirkt.

Aber ich habe in diesen neuen Beitrittsländern auch nicht nur Positives erlebt. Anläss­lich einer Diskussion mit über 700 Maturantinnen und Maturanten in Klaipeda – das ist die drittgrößte Stadt in Litauen – war das Thema Nummer eins die Frage: Wie gehen wir in Zukunft mit der Korruption um?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es macht sehr betroffen, wenn diese Jugend­lichen nicht wissen, wie es weitergehen wird, aber ich meine, dass das – bei all den Hilfestellungen, die diesen Ländern gewährt werden müssen – Hausaufgaben sind, die von den jeweiligen Ländern selbst erledigt werden müssen. Es hat vorher bereits auch der Herr Bundeskanzler gesagt, dass nicht alles zum Zeitpunkt des Beitrittes möglich sein wird, sondern dass diese Länder sich sehr anstrengen werden müssen, um diese Angelegenheiten in Zukunft ins rechte Lot bringen zu können. Wir dürfen die Jugend­lichen auch dort nicht enttäuschen, wenn sie mit solchen Themen leben müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle wissen, dass es noch Jahre dauern wird, bis diese Beitrittsländer – von einigen Ausnahmen abgesehen – unseren Stan­dard in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht erreicht haben werden. Deshalb wird es notwendig sein, dass die EU dort zusätzliche Fördermittel einsetzt, um den Aufhol-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 34

prozess zu beschleunigen. Aus unserer Sicht ist es am wichtigsten, dass am Ende des Tages das Friedensprojekt Europa in die Zielgerade kommt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

10.26

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile dieses.

 


10.26

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Kollegen und Kolleginnen!  „Mein Europa liegt im Osten.“ „Ich habe ... eine Schwäche für alles, was rechts vom siebzehnten Grad östlicher Länge liegt.“ – Dies schreibt ein polnischer Schriftsteller, Andrzej Stasiuk, und ich habe zu dieser Sym­pathie nur meine hinzuzufügen – welche sich aber heute aus Gründen, die ich im Weite­ren erklären werde, nicht in einer Stimmabgabe meinerseits für eine Erweiterung ausdrücken wird.

Ich fühle mich in meiner Reserve durch Präsident Fischer bestärkt, welcher im Na­tional­rat in Bezug auf die diesbezügliche Abstimmung sagte, dass die Mehrheit im Nationalrat wahrscheinlich größer ist als die Zustimmung der Bevölkerung. Ich glaube, meine Haltung ist auch eine durchaus berechtigte Berücksichtigung der Notwendigkeit, dass wir auch Anliegen der Bevölkerung aufgreifen.

Die polnische Botschafterin, Frau Professor Lipowicz, meinte, nachdem die Abstim­mung im Konvent mit dem polnischen und dem spanischen Nein erfolgte, dass Polen sowohl für unsere Freiheit als auch für die christlichen Wurzeln Europas gekämpft hat und dass man, wenn man einmal alleine oder in einer geringen Anzahl bei einer Abstimmung unterliegt, durchaus auch auf der richtigen Seite stehen kann.

Ich bringe viel Verständnis für diese Aussagen von Frau Botschafter Professor Lipowicz – sie ist Völkerrechtsprofessorin – auf. Sie meint auch, dass man in Europa oft nicht die Wahrheit schreiben oder sagen darf. Es ist eher bedenklich, wenn so etwas festgestellt wird – vermutlich hat sie sogar Recht, aber das ist nicht das heutige Thema.

Was ich an Europa und an der Erweiterung kritisiere, ist, dass immerhin eine weitere Zunahme der Verkehrsbelastung droht. Heute wird dieses Thema im Brüsseler Par­lament diskutiert, und es wird sicherlich im wahrsten Sinne des Wortes über die öster­reichischen Argumente hinweggefahren werden. Einer der Landeshauptleute meinte auch, Österreich dürfe nicht „der Auspuff Europas“ werden – eine harte Aussage. Ich hoffe, dass das nicht in dieser krassen Form eintreten wird, aber auf dem Weg dorthin sind wir.

Immerhin wird es einen zusätzlichen Druck auf den derzeit ohnedies belasteten Ar­beitsmarkt geben. Immerhin werden manche Gewerbebetriebe in Grenzregionen ins Schleudern kommen. Immerhin ist die Haltung der Tschechischen Republik zu den menschenrechtswidrigen Beneš-Dekreten noch immer fragwürdig. Kollege Böhm hat darauf hingewiesen, und ich ergänze, dass Ende November das oberste Verwaltungs­gericht in Tschechien die Existenz und die Gültigkeit der Beneš-Dekrete in einem Restitutionsverfahren bestätigt hat, liebe Kollegen und Kolleginnen.

Immerhin werden diese neuen Länder in der EU der Republik Österreich künftig ganz kräftige Konkurrenz bei der Ansiedelung von Betrieben machen.

Immerhin ist Temelín weiter in Betrieb, und unsere Vetodrohungen wurden nicht eingesetzt – auch beim Verkehr nicht, auch in anderen Fällen nicht. Man sieht aber, dass eine Nein-Stimme oder zwei Nein-Stimmen Europa nicht zum Einsturz bringen, sondern zum Nachdenken anregen. Österreich hat das leider verabsäumt. Und was die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 35

Kraftwerke anbelangt, so ist festzustellen, dass man zwar in der Lage ist, einheitliche Normen für Traktorsitze und für die berühmten Gurkenkrümmungen zu schaffen, aber nicht einheitliche EU-Normen für Kernkraftwerke – ein großes Versäumnis!

Immerhin öffnen sich die Grenzen auch für marginalisierte Volksgruppen wie Hun­dert­tausende Zigeuner, deren Popularität auch bei uns eine sehr geringe ist.

Immerhin stellt die EU-Kommission das Bozener Autonomiestatut – siehe heutige Zeitungen – in Frage.

Immerhin ist die Neuverteilung der EU-Finanzen nicht geklärt. Es kommen also zehn Staaten dazu, und vier Staaten sind jetzt Nettoempfängerländer, aber keiner will sich etwas nehmen lassen, sondern alle wollen – am liebsten jetzt schon, aber spätestens ab 2007 – Empfänger sein.

Immerhin wurde der Stabilitätspakt von zwei europäischen Großmächten, Deutschland und Frankreich, gebrochen.

Und immerhin ist, wie wir gerade heute vom Herrn Bundeskanzler gehört haben, Teil III der europäischen Verfassung im Rat nie diskutiert worden – und das ist der dickste Teil der europäischen Verfassung!

Professor Öhlinger erwähnt zusätzlich noch, dass in fünf Scheiben die Neutralität extrem ausgehöhlt worden ist.

Warum haben die Schweden ihre Krone behalten? Warum wurde in der Schweiz ein extremer – sagen wir einmal – EU-Gegner gewählt und in die Regierung genommen? – All das sind Punkte, die uns nachdenklich stimmen müssen, wenn es um eine Zu­stimmung zur EU geht. Dr. Payrleitner schreibt dazu im „Kurier“ Folgendes:

„Dennoch wurde dieses Europa durch Erweiterung überdehnt. Nun scheiterte erstmals ein Gipfel und es gibt eine Denkpause, was gut ist. Denn endlich platzte auch jene hohle Europa-Rhetorik, die mit Phrasen die eigentlichen Probleme und Gegensätze nur noch überkleisterte.“

Mein Kollege Böhm hat es bereits vorweggenommen: Wir brauchen Nachdenkpausen. Wir brauchen nicht ein schnelleres Europa, wir brauchen ein gediegeneres Europa! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.33

 


Präsident Hans Ager: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichten­ecker. Ich erteile dieses.

 


10.33

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Gleich vorab: Es ist gut, dass es zu einem geeinten Europa kommt, dass wir einen wichtigen Schritt dorthin getan haben und dass jede Volksgruppe – und es ist gut und schön, dass wir so viele haben – in diesem geeinten Europa auch die gleichen Rechte und Freiheiten hat. – Dies sei eingangs festgehalten, weil mich die diesbezüglichen Ausführungen von Herrn Mag. Gudenus doch etwas erschüttert haben.

Generell, so denke ich, ist dieses Projekt Europa, das wir jetzt einen großen Schritt vorwärts gebracht haben, eine große Chance im Hinblick auf die Überwindung von Nationalismen, eine große Chance auch im Hinblick auf die Überwindung der Tren­nung zwischen einem reichen und einem armen Europa und damit auch eine große Chance für die Überwindung der Spaltung Europas.

Ein historischer Moment ist eingetreten, und große Herausforderungen kommen auf uns zu. Was jetzt sicherlich auch gefragt ist, ist europäische Solidarität. Es gilt jetzt,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 36

diese Staaten zu unterstützen, damit sie die entsprechenden wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Standards erreichen können.

Klar ist aber auch, dass offene Grenzen und Straßen, die wir bauen, noch längst nicht die Ängste der Menschen und die Verletzungen, die sie in der Vergangenheit erlitten haben, überwinden. Das heißt, wir sind gefordert, als gleichberechtigte Partner ge­mein­sam in einen Dialog einzutreten, um schwierige Themen und natürlich auch Differenzen, die aus der gemeinsamen Geschichte herrühren, mit gegenseitigem Respekt bewältigen zu können, um sie einer Lösung zuführen zu können.

Wichtig ist, so denke ich, in diesem Prozess auch eine Form von kreativer Nachbar­schaftspolitik. Ich komme aus einem Bundesland, das direkt an Tschechien grenzt, aus Oberösterreich, und dort sind wir natürlich mit vielfältigen Fragen konfrontiert, die bis­lang noch keiner Lösung zugeführt wurden. Es gilt daher sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene und natürlich auch auf Ebene des Bundeslandes dies­bezüglich entsprechende Schritte zu setzen.

Eine dieser bislang noch offenen Fragen ist eine ganz zentrale, nämlich die ökologi­sche Frage, das Thema Temelín. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, jetzt auch zu einer internationalen Ausstiegskonferenz einzuladen. Da die Frau Bundesministerin jetzt wieder anwesend ist, möchte ich sie bitten, dieses Anliegen mitzunehmen und – auch im Sinne Oberösterreichs und der Menschen, die in diesem Bundesland leben – aktiv voranzutreiben. Es geht auch darum, ein konkretes Stilllegungsangebot zu ent­wickeln, auch um eine sachliche Information in Tschechien vor Ort, auch über die Unwirtschaftlichkeit des Projektes Temelín – das ist ein ganz wichtiger Punkt! –, und gleichzeitig auch darum, die Thematik EU-Wettbewerbsrecht im Kontext mit Temelín zu thematisieren und auf EU-Ebene weiter voranzutreiben.

Aber natürlich geht es auch um das Thema Transit. Wichtig ist es – das ist ganz klar –, die Nord-Süd-Bahnverbindungen auszubauen und diesen Bereich auch zu stärken.

Dies wären sozusagen einmal die ersten Schritte, die im Bereich der ökologischen Fragen gesetzt werden müssen. Aber in diesem Zusammenhang gibt es auch umfang­reiche Thematiken wie das Thema Naturschutz, Grenzregion Böhmerwald, das Setzen grenzübergreifender Initiativen gemeinsam mit anderen Staaten, um hier auch gemein­sam etwas zu bewegen.

Was mir ganz wichtig ist – und wo ich glaube, dass es Versäumnisse gibt –, ist die Vorbereitung der Wirtschaft, der Unternehmungen und des Arbeitsmarktes auf diesen Beitritt. Ich glaube, dass es jetzt wichtig ist, Initiativen für Grenzlandförderprogramme für Klein- und Mittelunternehmungen zu setzen, denn es wird eine Tatsache sein – so ist es eben im Bereich der Ökonomie –, dass es einen Wettbewerb geben wird und in diesem Sinne auch Wettbewerbsnachteile eintreten werden – die aber gleichzeitig auch eine Chance bedeuten, nämlich für einen Strukturwandel; aber hier gilt es offen­siv vorzugehen –, und auch eine Qualifizierungsoffensive am Arbeitsmarkt durchzu­führen, damit diese Bereiche gestärkt und sozusagen mit Rückenwind in diese Erwei­terung hineingehen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Dazu gehört natürlich auch die Erhöhung des gegenseitigen Verständnisses auf kulturellem Gebiet ebenso wie eine Sprachoffensive.

Diese Punkte halten wir in diesem Zusammenhang für ganz zentral. Und noch einmal: Es freut mich sehr, heute der Erweiterung der Europäischen Union zustimmen zu kön­nen, und ich freue mich auf den Beitritt der zehn neuen Staaten und auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit ihnen sowohl im kulturellen als auch im wirtschaft-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 37

lichen, ökologischen und sozialen Bereich. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.38

 


Präsident Hans Ager: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte, Frau Ministerin.

 


10.38

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen sage, dass ich glücklich bin, dass ich erstens heute an dieser Debatte teilnehmen darf, zweitens die Erwei­terung mitgestaltet habe und dass wir diese drittens heute zu einem positiven Ab­schluss bringen.

Tatsächlich wird heute und wurde am 3. Dezember im Nationalrat Geschichte ge­schrie­ben. Das ist nicht nur ein Schlagwort, sondern das ist die Realität, die vielleicht in fünf, zehn Jahren eine noch viel größere Bedeutung haben wird, als wir sie heute, aktuell sehen. Ich darf mit Walter Hallstein sagen: In Europa muss man Visionen haben, wenn man Realist sein will.

Wir haben gerade den Bogen gespannt von 1989 bis zum heutigen Tag – eigentlich eine kurze Zeitspanne. Andererseits muss ich sagen: Für die Länder, die heute bei­treten, die sozusagen mit uns heute beitreten, ist es eine lange Zeit. Das ist das Spannungsfeld, in dem wir uns hier bewegen.

Ich war auch wirklich dankbar dafür – verstehen Sie mich richtig! –, dass ich zusam­men mit dem Bundeskanzler den Beitrittsvertrag in Athen, an der Wiege der euro­päischen Kultur, unterzeichnen und in der letzten Sitzung des Nationalrates mit Ihren Kollegen das Pro und Kontra erwägen konnte, wobei für mich eindeutig das Pro überwiegt.

Ich denke, verehrte Damen und Herren, es ist viel über das Scheitern dieser Regie­rungskonferenz gesprochen worden. Ich möchte das auch kurz ansprechen. Das soll aber die Erweiterung in keiner Weise schmälern. Ich glaube, wir erwiesen hier der Erweiterung einen ganz schlechten Dienst, wenn wir das täten.

Dass der Verfassungsvertrag nicht zustande gekommen ist, ja, das ist eine Enttäu­schung – das war es auch für mich. Es war ein bitterer Tag. Ich war ja selbst in Nizza und habe diese langen Nächte hindurch mitverhandelt. Ich habe es mir bezüglich der EU-Verfassung von der Choreographie her ähnlich vorgestellt. Ich habe gedacht, der multilaterale Druck wird kommen, und wir werden schließlich zu einer Einigung gelan­gen. Leider war dem nicht so, aber auch das muss man wieder relativieren. Wenn wir uns anschauen, wie Europa vorangeht, so waren das immer zwei Schritte voran und vielleicht einmal ein halber Schritt zurück.

Denken wir zum Beispiel an die „Politik des leeren Stuhls“ in den sechziger Jahren, an den Haushaltsstreit, der sich 1979 bis 1984 ergeben hat! Erinnern Sie sich, was Mar­garet Thatcher damals gesagt hat: „I want my money back!“ Oder: die schwierigen Verhandlungen vor dem Zustandekommen der Einheitlichen Europäischen Akte und des Maastricht-Vertrages. Ich glaube, daraus haben wir alle gelernt: Europa ist schließlich geeinter und sogar stärker hervorgegangen. Deshalb sage ich: Wir werden alles daransetzen – und wir müssen alles daransetzen –, dass unter der irischen oder der niederländischen Präsidentschaft das, was wir gemacht haben, gesichert wird; der Rechtsbestand muss gesichert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sollten uns auch noch einmal die großen Fortschritte der Europäischen Union vor Augen halten. Denken wir an die erfolgreichen Verhandlungen für den Beitrittsvertrag! Denken wir an die hohen Zustimmungsraten bei den Referenden in den Beitritts-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 38

ländern – das sagt ja auch etwas –, denken wir an das Funktionieren von Schengen, an die Einführung des Euro, an die Krisenmanagementfazilitäten in der EU, zum Beispiel für Südosteuropa oder auch kürzlich für Afrika! Oder: Denken wir auch an die erst kürzlich erfolgte Verabschiedung der Europäischen Sicherheitsstrategie von Javier Solana, wovon niemand redet! Diese macht uns endlich zu einem globalen Akteur.

Verehrte Damen und Herren! Von 1998 an, also seit der österreichischen Präsident­schaft – der Bundeskanzler hat es schon angesprochen –, war ich in diesen Prozess voll mit eingebunden. Wir hatten damals auf der einen Seite die Luxemburger Grup­pe – diese hat Herr Dr. Schüssel damals als Außenminister betreut. Ab Februar 2000 betreute ich als Außenministerin diese, zusammen mit der inzwischen dazu gestoße­nen Helsinki-Gruppe.

Wir haben versucht, zum ersten Mal mit einer Tour des capitales die Verhandlungen vor­zubereiten. Ich sage Ihnen ehrlich: Wir haben die Verhandlungen von Anfang an fair geführt. Wir haben auch die Karten auf den Tisch gelegt. Natürlich sind wir als Land in der Mitte Europas auch berührt und betroffen. Das muss man ganz offen aussprechen, und wir haben das immer getan. Selbstverständlich haben wir die Ängste und Sorgen unserer Bevölkerung ernst genommen. Diese Fragen sind alle schon angesprochen worden, ich werde auch im Einzelnen darauf eingehen. Man kann das nicht einfach vom Tisch wischen. Aber ich denke, wir haben sehr gute Lösungen dafür gefunden, wofür wir in den Verhandlungen auch Zeit gebraucht haben. Die besten Verhandlungen sind jedoch immer Verhandlungen, bei denen im Endeffekt beide Partner glauben, dass sie fair waren, auch wenn sie vielleicht nicht ganz zufrieden mit allem sind.

Verehrte Damen und Herren! Der Arbeitsmarkt, die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Dienstleistungsfreizügigkeit, das alles ist für mich ein Schlüsselergebnis unserer Verhandlungen. Dass wir eine bis zu siebenjährige Übergangszeit herausverhandeln konnten, hat ja niemand für möglich gehalten. Ich halte das aber für ganz essenziell für uns, gerade auch deshalb, weil sich die Menschen in den Grenzgebieten natürlich auf die Öffnung der Grenzen einstellen müssen. Es sind hier wirklich sehr gute Übergangs­regelungen geschaffen worden. Das ist wesentlich, und damit können wir den Wettbewerb ausgleichen. In Zukunft wird auf der anderen Seite langsam das Wirt­schafts­wachstum steigen, und wir werden auch davon wieder profitieren.

Ein anderes offenes Problem, das angesprochen wurde und das man auch anspre­chen muss, sind die Fragen der Beneš-Dekrete und der AVNOJ-Bestimmungen und auch Temelín. Ich glaube, es ist ganz wesentlich, dass man auf der einen Seite den Tsche­chen immer wieder sagt: Ihr habt zwar einen ersten Schritt getan, ja, das war auch gut so, aber ihr müsst weitere Schritte tun. Und ich bin auf der anderen Seite auch sehr zuversichtlich, dass diese weiteren Schritte bald kommen werden, denn die Tschechen haben gesehen, dass hier ein Land offen, mit offenen Karten und offenem Visier verhandelt hat.

Auch die Frage Temelín wurde gerade vorhin angesprochen – mit Recht. Natürlich ist Temelín für uns, ich würde sagen, ein nicht einfaches Problem gewesen. Wir hätten uns natürlich die Nulloption gewünscht, aber wir konnten jemandem anderen nicht das aufoktroyieren, was wir selbst auch in unserer eigenen Souveränität entscheiden, nämlich die Entscheidung, wie die Energiegewinnung ausgerichtet ist. Deshalb haben wir mit Recht auf die größtmögliche Sicherheit gesetzt. Daher: absolute Umsetzung des Brüsseler Abkommens und natürlich auch des Melker Vertrages! Das ist wichtig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf Ihnen gleich dazusagen: Ich denke, das, was wir jetzt schon bei der Regie­rungskonferenz erreicht haben, von dem ich hoffe, dass es sozusagen Bestand dieser Regierungskonferenz ist, den wir am Ende auch beschließen werden, ist, dass wir eine


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 39

gemeinsame Erklärung mit Deutschland zusammengebracht haben – immerhin –, in der wir sagen, dass wir eine Revision des EURATOM-Vertrages so schnell wie möglich haben wollen. Da haben sich auf unser Lobbying hin Irland, Griechenland und Est­land – einige andere Länder überlegen noch – angeschlossen – zum ersten Mal! –, denn alle, die im Konvent waren, wissen ja, dass in diesem Punkt dort nichts zustande gebracht wurde. Auch das ist wieder ein Grund, weiterzugehen.

Verehrte Damen und Herren! Auch die Grenzregionen sind mit Recht angesprochen worden. Diese waren von Anfang an auch ein Anliegen dieser Bundesregierung und auch mein persönliches Anliegen. Nicht umsonst gibt es für die österreichischen Grenz­regionen im Zeitraum von 2000 bis 2006 700 Millionen € aus den Strukturfonds der Europäischen Union, die wir zur Verfügung stellen. Denken Sie nur an die Therme Laa an der Thaya, den Industriepark Gmünd, die Machbarkeitsstudien für Eisenbahn­korridore nach Prag, den grenzüberschreitenden Naturpark am Günser Gebirge zwi­schen dem Burgenland und Ungarn oder das Projekt „Urlaub grenzenlos“ zwischen Kärnten, Friaul und Slowenien!

Selbstverständlich gibt es schon jetzt eine Reihe von Projekten für Klein- und Mittel­betriebe in diesen Regionen. Aber da müssen auch die Bundesländer das ihrige dazu tun. Sie wissen schon, dass diese Förderungen sehr stark von den Bundesländern be­stimmt werden, die die Projekte mit aussuchen können. Da, so glaube ich, muss ich den Ball schon wieder zurückspielen. Selbstverständlich sind solche Projekte wichtig. Das trifft auch auf die Qualifizierungsoffensive zu. Es ist völlig richtig, dass man dort, wo noch zu wenig an Erziehung, an Bildung gegeben ist, diese besonders fördern muss. Aber auch das ist ebenfalls enthalten und jedenfalls möglich.

Ganz besonders müssen wir uns in Zukunft auch in Richtung einer europäischen Verfassung anstrengen. Wie ich bereits gesagt habe: Das, was wir anstreben sollten, ist das große, das ungeteilte Europa. Natürlich kann man über ein Kerneuropa dis­kutieren, und wenn, dann sollte Österreich dabei sein. Aber bevor wir darüber diskutieren, müssen wir zuerst versuchen, das Ganze zusammenzuhalten. Ich bin schon eine EU-Veteranin, meine Damen und Herren. Seit dem Jahr 1995 sitze ich in den Räten. Ich habe immer wieder gesehen, wenn es ein Scheitern gibt, dann gibt es auch wieder einen neuen Anlauf. Manchmal tut das auch gut; das halte ich für besonders wichtig.

Zum Abschluss, verehrte Damen und Herren, möchte ich Folgendes sagen: Das Wich­tigste ist, die Herzen der Menschen auf beiden Seiten zu erobern, die Herzen unserer Bevölkerung, die natürlich auch noch nicht mit allem einverstanden ist oder noch gewisse Ängste hat, aber auch die Herzen der anderen. Ich habe mich mit der so genannten Regionalen Partnerschaft darum bemüht, frühzeitig diese Ängste abzu­bauen. Das hat gut gewirkt, auch bei der Regierungskonferenz, denn diese Länder haben inzwischen großes Vertrauen zu uns aufgebaut. Und so muss es sein: Nur wenn man gemeinsam Vertrauen hat, kann man vorangehen.

Das gilt auch für die ganze Frage der Kultur. Wir haben eine gemeinsame mitteleuro­päische Kultur. Diese haben wir im Außenministerium mit einer eigenen Plattform, die wir Plattform „Culture for Enlargement“ nennen, also „Kultur für die Erweiterung“, voll herausgestellt. Wir haben bereits unzählige, Hunderte Projekte gemeinsam gemacht, und das macht sich bezahlt. Wir haben eine gemeinsame Musik. Denken Sie an einen Smetana oder denken Sie an die vielen anderen Künstler in allen Bereichen, die für uns Selbstverständlichkeit geworden sind! Ich meine, damit können wir auch erreichen, dass sich die Menschen hüben und drüben eigentlich als dieselben Menschen fühlen – mit derselben geistigen Gemeinschaft und derselben Wertegemeinschaft. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der Freiheitlichen und der Grünen.)


10.51


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 40

Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


10.51

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie kennen die Volksweisheit, die da lautet: Die haben aus der Geschichte nichts gelernt.

Heute, bei diesem Ratifizierungsbeschluss im Bundesrat, wird ein Schlussstrich unter diese Volksweisheit gezogen. Wir haben aus der Geschichte gelernt. Ich denke, dass dieser Kontinent, seitdem er so heißt – das war, glaube ich, als der phönizische König Agenor vor mehr als 2000 Jahren seine Tochter Europa gezeugt hat –, gepeinigt und geknechtet von Streit und Krieg war. Ja, man hat sich auf diesem Kontinent durch mehr als zwei Jahrtausende hindurch oft die Schädel eingeschlagen.

Während der letzten gut 57 Jahre haben wir aus Erfahrung festgestellt, dass die Probleme trotz Schädeleinhauens und trotz Kriegen nach Ende derselben immer größer waren als vorher. Somit kann diese Volksweisheit ein für alle Mal als über­wunden betrachtet werden. Wir haben unsere Lehren aus der Geschichte gezogen. Wir als Europa haben früher nicht nur Kriege produziert, sondern auch Kriege expor­tiert. Eine schlechte Exportware, eine äußerst schlechte Exportware! Heute exportieren wir Frieden, auf alle Fälle Frieden in die zehn Beitrittsstaaten. – So viel können wir sagen.

Ich will gar nicht an die vielen Versuche erinnern, dieses Europa zu einigen, angefan­gen von den Römern bis hin zum viel zitierten „Tausendjährigen Reich“ mit seinen fatalen Folgen und verheerenden Konsequenzen für diesen Kontinent. Aber es war eben ein Erfahrungsprozess notwendig, um zusammenzurücken. Die Friedenssehn­sucht war größer, der Wiederaufbaubedarf war damals enorm. Über die Wirtschaft sind wir zusammengekommen, und zwar über die Montanunion und die EWG, die Euro­päische Wirtschaftsgemeinschaft. Wir stehen jetzt mitten in einer Erfolgsstory, in einer europäischen Erfolgsstory, an der Österreich sehr stark mitgearbeitet hat und mitge­staltet hat: Das ist die wirtschaftliche Union, die politische Union, die Währungsunion.

Das, was mir noch etwas abgeht, ist eine gewisse europäische Identität, ein euro­päisches Gesamtdenken, weniger: Was kann ich heimbringen, was kann ich mir in Brüssel „abschneiden“?, sondern mehr: Was können wir dazu beitragen?

Ich stehe auch zum Status Österreichs als Nettozahler, weil damit Ungerechtigkeiten auf diesem Kontinent abgebaut werden, soziale Missstände abgebaut werden können, auch infrastrukturelle Missstände, die ja immer Ursachen für neue Probleme sind, etwa der Migration. Ich rede da gar nicht vom Asylsachverhalt, sondern von der einfachen Migration. Dass die Menschen dort bleiben können, wo sie ihre Heimat haben, dazu müssen wir auch unsere Beiträge leisten.

Dazu braucht es auch etwas Geduld: Etwas, was sich in Jahrhunderten, in zweieinhalb Jahrtausenden an Vorurteilen, an Problemen aufgebaut hat, kann nicht von einem Tag auf den anderen abgebaut werden. Deshalb stört es mich überhaupt nicht, dass eine Regierungskonferenz einmal nicht zu einem Erfolg geführt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen mit diesem Europa auch etwas Geduld haben. Dieser Erfolgszug lässt sich ohnehin nicht aufhalten. Ich bedanke mich auch bei allen, die dazu beigetragen haben, insbesondere bei Ihnen, Frau Bundesministerin, und zwar für Ihre konkreten Beiträge zur Weiterführung des europäischen Einigungsprozesses in den vergangenen Jahren.

Ich halte besonders dieses kulturelle Forum für die Erweiterung als eine Brücke zu die­sen Ländern, für neue Kontakte für wichtig. Kultur verbindet, Musik verbindet, Kunst verbindet. Da gilt es, diese Brücken weiterzubauen, weiterzuentwickeln.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 41

Was noch übrig bleibt, ist eben der Aufbau einer europäischen Identität, eines gemein­schaftlichen Denkens auf diesem Kontinent. Das wünsche ich mir aus ganzem Herzen. Wenn das gelingt, dann sind die Erfolgsstory und der Erfolgszug dieses Europas nicht aufzuhalten. Ich heiße alle Beitrittsstaaten herzlich willkommen! Mit Österreich wird das sicher ein guter Weg werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Dr. Lichten­ecker.)

10.57

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winter.

Bevor ich ihm das Wort erteile, gestatten Sie mir, in aller Kürze zu sagen, dass ich heute in der Früh die ehrenvolle Aufgabe als Präsident dieses Hauses hatte, Kollegem Winter das vom Bundespräsidenten verliehene Große Silberne Ehrenzeichen der Re­publik Österreich überreichen zu dürfen. Ich gratuliere hier vor versammelter Mann­schaft noch einmal recht herzlich dazu. (Allgemeiner Beifall.) – Bitte, Herr Bundesrat.

 


10.57

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Danke, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Der Bundesrat ist heute in einer äußerst interessanten Situation, die in Zweikammer­systemen selten eintritt. Heute hat der Bundesrat eine vom Nationalrat abweichende Debatte zu führen. Dies deswegen, da zwischen der Ratifizierung der so genannten EU-Osterweiterung – wenn dieser Begriff auch geographisch unscharf ist – im Na­tional­rat und der nunmehrigen Ratifizierung im Bundesrat diese durch das Scheitern des EU-Verfassungsgipfels am letzten Wochenende völlig neu zu bewerten ist.

War in den Reden im Nationalrat noch vom größten Friedensprojekt Europas, von einem historischen Beschluss die Rede, so ist nunmehr die Zukunft der EU vielleicht doch etwas gefährdet. Auch ich persönlich habe in meinem Wahlkreis und im ge­samten Bundesland Niederösterreich für die EU-Erweiterung geworben. Es ist dabei aber auffällig, dass der großen Zustimmung zur EU-Erweiterung im Parlament der Republik Österreich eine deutlich geringere Zustimmung der österreichischen Bevöl­kerung gegenübersteht.

In vielen Gesprächen wurde mir bewusst, dass die Bevölkerung diesem Projekt skep­tisch, reserviert und zum Teil auch ängstlich gegenübersteht. Es waren dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, Ängste um den Arbeitsplatz, Ängste vor mehr Verkehr, vor mehr Umweltbelastung und natürlich vor dem Verlust der Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien. All das sind Ängste, die von der Regierung vielleicht auch nicht in ausreichendem Maße ausgeräumt werden konnten.

Ich habe auch eine Reihe von Betrieben in meinem Wahlkreis besucht und dort fest­gestellt, dass sich einige Betriebe in Eigeninitiative äußerst gut auf die EU-Erweiterung vorbereitet haben und schon jetzt eine intensive Zusammenarbeit, beispielsweise mit Betrieben in Tschechien, pflegen, und zwar eine Zusammenarbeit, die für beide Seiten von Vorteil ist. Daneben gibt es aber auch eine Reihe von Betrieben, bei welchen dies leider noch nicht festzustellen ist.

Die Diskrepanz zwischen der hohen Zustimmung in den Parlamenten und der eher reservierten Zustimmung in der Bevölkerung ergibt sich, wie ich schon ausgeführt habe, aus dem Unterschied im Zugang. So wählten die Politiker – und an dieser Stelle möchte ich nochmals auf die Reden im Nationalrat verweisen – eher einen theore­tischen Zugang zur Beurteilung der EU-Erweiterung. Im Gegensatz dazu ist es für die Bevölkerung vielleicht viel wichtiger, welche praktischen Auswirkungen ein solcher Schritt auf sie und natürlich auch auf ihre Familien hat.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 42

Ich möchte mich daher dafür aussprechen, dass wir Politiker in allen Zukunftsfragen nie die praktischen Auswirkungen auf die Bevölkerung vernachlässigen dürfen, son­dern diese in den Mittelpunkt unserer politischen Beurteilung stellen müssen!

Ich bin überzeugt davon, dass durch eine wirksame und intensive und rechtzeitig begonnene Vorbereitung auf die EU-Erweiterung die Zustimmung in der Bevölkerung vielleicht doch um einiges höher wäre.

Der Bundesrat hat heute, wie schon in meiner Einleitung erwähnt, die Aufgabe, die EU-Erweiterung auch unter der Berücksichtigung des Scheiterns des Verfassungsgipfels zu beurteilen. Ich möchte den von mir im Hinblick auf seine praktische Arbeit sehr geschätzten österreichischen EU-Kommissar Franz Fischler hier zitieren, welcher Folgendes ausführte:

„Es gibt die Gefahr, dass diese Niederlage der Anfang vom Ende Europas sein könnte. Wenn tatsächlich einige Staaten enger kooperieren werden, dann wird es zwei Europa geben, denn sie werden nicht bereit sein, auf die anderen zu warten. Die Idee des geeinten Europa könnte auf dem Altar nationaler Interessen geopfert werden.“

Das sind sehr pessimistische Worte, die Franz Fischler am Wochenende zum Schei­tern des EU-Gipfels fand. Ich finde diesen Pessimismus auch angebracht, denn aus dem Friedensprojekt Europa wurde ein Ringen um nationalen Einfluss, ein Ringen um Stimmgewichtungen und ein Ringen darum, wer mehr Einfluss auf die Verteilung der Geldmittel in Zukunft haben wird.

Es ist den Österreicherinnen und Österreichern noch in einem relativ großen Ausmaß klar, wie in Österreich auf nationaler Ebene Gesetze entstehen und wie man an der politischen Willensbildung teilnehmen kann. Hingegen ist dies bezüglich der EU nur einigen Expertinnen klar, den breiten Schichten der Bevölkerung jedoch nicht. Doch gerade eine neue Verfassung hätte dazu beitragen können, mehr Verständnis für das politische System der Europäischen Union und damit auch für die Europäische Union selbst zu finden.

Dass dieses wichtige Projekt für die Bevölkerung nunmehr an nationalen Egoismen gescheitert ist, ist beinahe unverzeihlich. Ich glaube daher, dass die Zukunft Europas, wie wir alle sie uns wünschen, nur durch ein geeintes Europa, durch ein Europa mit identischen Normen und identischen Zielen gesichert werden kann. Es bleibt daher nur mehr eines zu tun: an die Vernunft aller Beteiligten zu appellieren, damit dieses Projekt Europa nicht zerschlagen wird! Wir als sozialdemokratische Fraktion sind jedenfalls gerne bereit, alle geeigneten Bemühungen in diese Richtung zu unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu meinem Stimmverhalten muss ich allerdings festhalten, dass ich natürlich für die EU-Erweiterung stimmen werde, nicht aber mit jener Freude, mit welcher ich es noch vor einigen Tagen getan hätte. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.06

 


Präsident Hans Ager: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Ka­novsky-Wintermann. – Bitte.

 


11.06

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehr­te Frau Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatsekretär! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Es sind heute in den Reden schon mehrfach zwei Dinge angeklungen: Zum einen ist davon die Rede gewesen, dass heute ein historischer Tag sei, zum anderen wurde aber auch mit einer gerechtfertigten Kritik die Realpolitik der derzeitigen Europäische Union und die der Beitrittsländer unter die Lupe genommen. Ich meine, dass beides seine Berechtigung hat.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 43

Meine Damen und Herren! Ich gehe nicht konform mit jenen, die sagen, es sei heute nicht der Tag, um zu reflektieren, was in der EU richtig ist und was wir verbessern könnten, sondern ich meine, dass es auch heute unsere Aufgabe ist, sich diese Fragen zu stellen.

Eines ist klar: Wenn wir ein Haus haben und dieses erweitern wollen, was wir ja heute vorhaben, dann müssen wir auf jeden Fall – zumindest gleichzeitig, wenn wir es nicht schon vorher geschafft haben – dafür sorgen, dass die Säulen auch stabil sind, dass in diesem Haus nichts morsch ist, denn nur dann wird der Zubau auch einen Sinn haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Träume, ein geeintes Europa zu haben, so wie wir es heute beschließen werden, reichen in der Geschichte weit zurück. Die Frau Außenministerin hat hier schon gesagt, dass ab dem Jahr 1989 der Einigungs­prozess massiv fortgeschritten ist, aber ich darf doch reflexartig einige Jahrhunderte weiter zurückgehen und einige Namen sozusagen als Schlaglichter erwähnen, und zwar Namen von Personen, welche die Vision des geeinten Europas schon damals gehabt haben, und dies natürlich in unterschiedlicher Art unter den Rahmenbedin­gungen, die damals gegeben waren.

Ich darf als Ersten Pierre Dubois erwähnen, der in der Zeit der Kreuzzüge eigentlich ein geeintes Europa als das einzige Bollwerk gegen die damals „islamische Fein­deswelt“ – unter Anführungszeichen – gesehen hat, und auch als eine Sicherheit dafür, Jerusalem zurückzuerobern.

Man hat damals auch eigenartige Vorstellungen vom Schlichten von Streitigkeiten gehabt. So war zum Beispiel Dubois der Ansicht, dass der Papst Schiedsrichter sein sollte, wenn die Staaten Europas streiten. Dante Alighieri hingegen, der eine ähnliche Vision gehabt hat, jedoch auf einer anderen Ebene, hat wiederum gemeint, der Kaiser sollte der Schiedsrichter in einem geeinten Europa sein.

Interessant ist für mich auch die Idee von Abbé de St. Pierre , eines Franzosen, der gemeint hat, es soll einen gemeinsamen europäischen Bundesrat geben. Das halte ich als Bundesrätin für eine sehr charmante Vorstellung! Gleichzeitig hätte er diesen ge­samteuropäischen Bundesrat mit sehr hohen Kompetenzen ausgestattet, nämlich mit richterlichen Kompetenzen.

Wichtig finde ich es, aus der Zeit der Französischen Revolution Graf de Saint-Simon zu erwähnen, der eine sehr moderne Idee gehabt hat, die wir heute eigentlich zum Leben erwecken sollten. Er hat gemeint, dass in einem Europa ohne eine gemeinsame Verfassung auch weiterhin alles mit Gewalt entschieden werde. Das heißt: Er hat ein friedliches Miteinander an das Vorhandensein einer gemeinsamen Verfassung ge­knüpft. Das ist, wie ich meine, eine durchaus interessante und höchst aktuelle Idee, die aufgegriffen werden sollte.

Ich will die anderen Vertreter, die auch sehr interessante Theorien zu diesem Thema gehabt haben, aus zeitökonomischen Gründen nicht nennen. Nur noch erwähnen möchte ich Coudenhove-Kalergi, der für Paneuropa eingetreten ist, der aber gewisse Staaten von einem Einigungsprozess ausschließen wollte, wie zum Beispiel Russland und auch Großbritannien.

Interessant ist auch die Tatsache, dass dann viele Politiker auf diesen Einigungszug aufgesprungen sind, wie zum Beispiel Churchill, der aus anderen Intentionen, und zwar, um sein eigenes Land zu stärken, vor allem aber, um wieder Frankreich und Deutschland auszusöhnen, für Vereinigte Europäische Staaten, und zwar mit Aus­nahme Großbritanniens, plädierte.

Diese Visionen und Pläne haben dann in den fünfziger Jahren in bekannter Art und Weise bei den ersten Sechser-Gemeinschaften zu den Verbindungen EWG,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 44

Montanunion und EURATOM geführt, die letztlich aus mehreren Wirtschafts­bünd­nis­sen zu einem Wertebündnis wurden, das uns heute sehr wichtig ist. Diese Werte, die am heutigen Tag schon mehrfach angeschnitten worden sind, bedeuten uns viel, und ich glaube daher, dass das heutige Haus Europa ein Europa der Grundwerte, der Demokratie und der gemeinsamen Menschenrechte sowie ein Europa mit einer stabil­en Friedenssicherung zu sein hat. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP und der SPÖ.)

Daher ist es auch notwendig – und ich muss es wiederholen, weil es uns wesentlich ist –, dass die neuen Mitgliedstaaten, wenn sie Teil dieser Wertegemeinschaft sein wollen, wenn sie sich dazu bekennen, auch in ihrem eigenen Bereich einen Reini­gungs­prozess und einen Bewusstseinsprozess durchzuführen haben. In diesem Zu­sammenhang muss ich die Beneš-Dekrete erwähnen. Das ist meiner Meinung nach ein wichtiges Thema, auch wenn der Kollege Schennach darüber nicht mehr reden will oder meint, dass wir ein geteiltes Schuldverhalten sehen. Dazu muss ich sagen: Das ist nicht richtig!

Uns geht es dabei auch um die Tatsache, Herr Kollege Schennach, dass wir Öster­reicher sehr wohl unsere eigene Geschichte aufgearbeitet haben. (Bundesrat Schen­nach: Dabei sind!) Das ist nicht immer schmerzlos abgelaufen. Es ist zu erwarten, dass auch die neuen EU-Beitrittsländer – davon ist Tschechien das am meisten be­troffene – aufgefordert werden, endlich auch einmal ein Bekenntnis zum eigenen Fehl­verhalten abzugeben und mit der eigenen Geschichte auf ehrliche Weise ins Reine zu kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bin leider zeitlich eingeschränkt, aber ein paar Sätze erlaube ich mir doch noch zu sagen: Viele Dinge sind uns beim Beitritt Österreichs zur EU versprochen worden, die nicht in der Form, wie wir es eigentlich erwartet haben, umgesetzt worden sind. Ich erinnere nur ganz kurz an Folgendes: Man hat uns demokratische Rechtsinstitutionen, verbesserte Rechtsinstrumentarien versprochen, die teilweise durchgesetzt worden sind, aber was den Transitvertrag anlangt, frage ich mich: Wo sind die Interessen der kleinen Völker und auch der Nettozahler in der EU berücksichtigt worden? Werden sie so wahrgenommen, wie wir uns das einmal vorgestellt haben, wie man uns das auch beim EU-Beitritt versprochen hat?

Ich erinnere auch an die Zusicherung, dass die EU für die Bürger jederzeit erreichbar sein wird. Wenn ich die neuesten Untersuchungsergebnisse der „Frankfurter Allge­meinen Zeitung“ zitiere, dann stelle ich fest, dass das ein erschreckendes Ergebnis ist. So wurden in der EU von 1996 bis 2000 rund 11 400 rechtswirksame Beschlüsse ge­fasst. Gleichzeitig ist aber die Situation die, dass nur ein ganz kleiner Teil der Be­völkerung überhaupt weiß, dass jetzt die Kompetenzen im Wesentlichen in der EU liegen. Ein Großteil der Deutschen – es geht dabei um eine deutsche Befragung – glaubt noch immer, dass eigentlich alle Entscheidungen auf nationaler Ebene gefällt werden. In Anbetracht dessen meine ich, dass hier ein Handlungsbedarf gegeben ist. Ich muss feststellen: Es entwickelt sich die EU vom Bürger weg und nicht zum Bürger hin.

Ich zitiere aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 17. Dezember 2003: „Das geringe Interesse an europapolitischen Fragen geht mit einer schwerwiegenden Unter­schätzung der europäischen Institutionen einher. Die überwältigende Mehrheit ist über­zeugt, dass die künftige wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in erster Linie von Entscheidungen der Bundesregierung abhängt, mit einigem Abstand gefolgt von den Entscheidungen der deutschen Unternehmungen.“ (Präsident Ager gibt das Glocken­zeichen.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 45

Das ist ein Beispiel dafür, wie man eigentlich Europapolitik nicht machen soll. Da läuft die Entwicklung in eine falsche Richtung, und diese müssen wir stoppen, damit wir den Bürger auf unserem Weg in ein friedliches, demokratisches Europa führen können. Der Bürger muss sich auch verstanden fühlen, er muss das Gefühl haben, wirklich an den Entscheidungen mit teilhaben zu können.

Des Weiteren erinnere ich an den Ausspruch der ehemaligen Staatssekretärin Mag. Brigitte Ederer, der EU-Beitritt brächte dem Österreicher im Monat zirka 1.000 S. Ich werde diesen Sager nie vergessen! Mittlerweile brauchen wir von 1.000 S mehr – auch in Euro umgerechnet – gar nicht mehr zu reden, denn mittlerweile hat sich der Euro zu einem Teuro entwickelt. Das wissen die Leute, die nicht viel Geld in der Tasche haben. Das muss ich leider sagen!

Ein letzter Punkt: Es wurde die Aussage getroffen, dass wir uns zu gemeinsamen Werten bekennen. – Ich habe es bereits gesagt: Es geht darum, dass nicht mit unter­schiedlichem Maß gemessen werden darf. Ich erinnere an die gegen Österreich aus­gesprochenen Sanktionen, die völkerrechtswidrig waren. Nur weil wir ein kleiner Staat sind, hat man es gewagt, Österreich deswegen, weil es eine Regierung gehabt hat, die einigen EU-Staaten nicht passte – ich betone: eine demokratisch gewählte Regierung, die von der Mehrheit des Volkes getragen war –, mit Sanktionen, die durch nichts be­gründbar waren, zu belegen. Das sind nicht die Wertvorstellungen, die wir in einem vereinten Europa gemeinsam tragen können, denn wenn auf der einen Seite Werte zählen, dann muss es auch auf der anderen Seite so sein!

 


Präsident Hans Ager: Frau Kollegin, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass wir eine Blockredezeit vereinbart haben. Die Redezeit der FPÖ ist jetzt aufgebraucht, auch die Ihres Kollegen Klamt. Ich muss Sie bitten, zum Schlusssatz zu kommen.

 


Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (fortsetzend): Gut, dann komme ich jetzt zum Schluss, obwohl ich verwundert bin, dass man hier so eingeschränkt ist. Aber bitte! (Allgemeine Heiterkeit.)

Es geht also darum, dass wir heute grundsätzlich einem Friedensprojekt zustimmen wol­len. Wir gehen allerdings dabei davon aus, dass die Staaten guten Willens sind, sich mit all den Vorstellungen, die ich jetzt kurz angerissen habe, zu beteiligen und ihren Beitrag einzubringen. Ich wünsche mir, dass dieser Staatenkomplex ein fried­licher und ein demokratischer wird und dass die Realpolitik innerhalb der EU den Visionen, wie wir sie haben, in Zukunft näher kommen wird, als dies derzeit der Fall ist. In diesem Sinne möchte ich sagen, dass unsere Fraktion mehrheitlich die Ratifizierung mitbegrüßen und mitbeschließen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundes­räten der ÖVP.)

11.17

 


Präsident Hans Ager: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. Ich erteile ihr dieses.

 


11.17

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde in meinen Erläuterungen zeitlich nicht so weit zurückgehen wie meine Vor­rednerin, sondern ich möchte mit dem heute schon oft zitierten Jahr 1989 beginnen.

Dieses Jahr des Falles der Berliner Mauer ist vom Kollegen Bieringer als Fest für Eu­ropa bezeichnet worden. In diesem Jahr war ich neun Jahre alt, und als ich im Fernsehen die Berichterstattung über den Fall der Berliner Mauer gesehen habe, wusste ich nicht recht, was ich mit diesen Nachrichten anfangen soll. Ich habe nicht verstanden, warum es zwei Länder, die beide Deutschland sind, gibt. Ich fragte mich:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 46

Was ist da passiert? Weshalb war da eine Grenze? – und zwar eine Grenze, die mir logisch nicht nachvollziehbar war.

Meine Mutter hat mir das zu erklären versucht. Es war eine komplizierte Materie. Ganz habe ich es damals, glaube ich, noch nicht verstanden. Dieser erste Kontakt mit der Politik, der für mich als ein Kontakt mit willkürlichen Grenzen stattgefunden hat, war für eine Weile auch der erste Kontakt mit Europapolitik. Erst viele Jahre später habe ich mich mit diesem Thema wieder befasst, und zwar besonders intensiv anlässlich des Jugend-Konvents vor etwa eineinhalb Jahren, an dem ich teilnehmen konnte. Das war eine Veranstaltung, die in Brüssel nach dem Modell des Konvents stattgefunden hat, wo sich über 300 Jugendliche getroffen haben und eigentlich alle Themen, die auch im Konvent besprochen worden sind, diskutiert haben. Diese Veranstaltung hat in etwa vier Tage gedauert. Es war also nicht eine so ausführliche Diskussion, wie sie im Konvent selbst stattgefunden hat.

Diskutiert wurde fast alles: ob Wirtschafts-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, ob Themen wie Bildung, Kultur oder ob nur das jeweilige Fernsehprogramm der Her­kunfts­länder der Teilnehmer dieser Konferenz. Es war eine sehr interessante Veran­staltung – jedoch nicht allein wegen der inhaltlichen Diskussionen, sondern vor allem wegen der Begegnung mit Menschen aus allen Ländern Europas, auch wegen der Begegnung mit Menschen aus den neuen EU-Beitrittsländern.

Mir ist in diesen drei Tagen klar geworden, wie vielfältig, interessant und bunt Europa eigentlich ist und dass nicht, wie heute schon erwähnt wurde, Paris näher ist als zum Beispiel Bratislava, sondern dass wir im Zentrum eines Europa sind, das nach allen Seiten hin bereichernd und für uns sehr interessant sein kann.

Ich glaube, dass viel der Angst, die auch Menschen in Österreich vor der EU-Erwei­terung haben – oder vor der EU generell –, einfach daher kommt, dass viel zu wenig Möglichkeit zur Begegnung mit diesen anderen Menschen da ist. Ich glaube, dass das einer der wichtigsten Punkte ist, wo wir ansetzen müssen. Es muss für die Menschen in Europa solche Möglichkeiten geben, sich zu treffen, denn nur so wird auch die Kern­idee eines vereinten Europa, nämlich ein „Europa für die Menschen“ zu sein, mit Sinn erfüllt.

Dabei geht es nicht in erster Linie um die wirtschaftliche Union, auch nicht um Fragen des freien Binnenmarktes, sondern dabei geht es um gleiche Rechte für alle Men­schen, die in Europa leben. Aber dabei geht es auch um ein Gegenmodell zu anderen herrschenden Modellen, wie zum Beispiel dem der USA. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Es geht um eine eigene europäische Identität, die nicht nach Nationen ausgerichtet ist, sondern darüber hinausgeht. Wir müssen es den Menschen ermöglichen, Europa zu erleben. Für mich und für über 300 andere Jugendliche war das möglich; es war eine große Bereicherung, und ich glaube, ich werde mein Leben lang von diesem Erlebnis profitieren. Allerdings müssen wir das auch vielen anderen Menschen ermöglichen. Europa muss für die Bevölkerung spürbar werden! Das war auch eine der Aufgaben, die der Konvent hatte, und das wäre auch einer der wichtigsten Punkte, die eine Ver­fas­sung erfüllen könnte: ein gemeinsames Gefühl, eine Grundlage für Europa dar­zustellen.

Dass dieser Prozess jetzt vorerst gescheitert ist, ist zwar ein Rückschlag, aber, wie ich meine, ein Rückschlag, der vielleicht dazu führt, dass wieder mehr Energien in diesen Prozess investiert werden, dass es neue Anregungen gibt und dass einfach mehr Leute daran mitarbeiten werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 47

Dieser Rückschlag darf nicht dazu führen, dass bereits bestehende Differenzen insti­tutionalisiert werden, vielmehr muss er einen Anstoß geben, diese Differenzen durch weitere Anstrengungen zu verkleinern.

Unsere Aufgabe als Abgeordnete wird es sein, mehr Nähe zwischen den Menschen herzustellen und so dieser Idee von Europa zum Durchbruch zu verhelfen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Bieringer.)

11.21

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile dieses.

 


11.21

Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Meine Fraktion und ich betrachten die zehn Beitrittskandidaten als Gesamtheit. Wir wollen keinen herausnehmen.

Für uns ist es aber auch wichtig, zu sagen, dass es sich heute um einen Tag der Freu­de, um einen Tag der Dankbarkeit, um einen Tag der Nachdenklichkeit – allerdings nicht zu lange – und auch um einen Tag der Sehnsucht handelt. (Beifall des Bundes­rates Dr. Liechtenstein.)

Ein Tag der Freude ist er, weil wir heute als Mitgliedstaat der EU unseren Zustim­mungs­beitrag leisten. Ab 1. Mai 2004 ist Europa fast zur Gänze weit über das Wirt­schaftliche hinaus vereint. Die Schweiz will nicht, Rumänien und Bulgarien haben eine Perspektive, andere Länder streben mit unterschiedlicher Intensität in die Europäische Union hinein.

Das Friedensprojekt der EU wird damit auf 25 Länder ausgedehnt. Die Visionen der Vierzigerjahre und Fünfzigerjahre eines Monnet, eines Alcide de Gasperi, eines Konrad Adenauer und eines Schuman sind damit Realität geworden. Außerdem hat dieser Prozess Europa 58 Jahre Frieden gebracht, also einen wirklich langen Zeitraum in der Geschichte der Menschheit.

Die Reiche der Antike, sei es das Hellenistische, sei es das Römische gewesen, aber auch das Reich des Justinian, eines Karl des Großen und auch eines Napoleon haben immer wieder nur Teile Europas umfasst. Die Friedensordnungen, größtenteils selbst verschuldet, nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg waren zu künstlich, um Bestand zu haben. Jetzt steht eine ganz andere Qualität im Vordergrund, nämlich der friedliche freiwillige Zusammenschluss von Staaten.

So viele Romanen, Germanen, Slawen und andere Völker hat es noch nie vereint in so einem großen Raum gegeben. Wohlstand und soziale Gerechtigkeit sind die Maximen der praktischen Politik geworden – wahrlich ein Anlass zur Freude!

Was die Dankbarkeit betrifft, darf ich nur kurz daran erinnern, dass wir geglaubt haben, es sei ein ehernes Gesetz, dass Europa nach dem Zweiten Weltkrieg geteilt ist. Dass der Eiserne Vorhang so schnell überwunden werden konnte, im Grunde genommen in zirka 15 Jahren, ist atemberaubend, verpflichtet uns zu Dankbarkeit, aber auch zu Ehr­furcht.

Dankbar sollten wir aber auch gegenüber der Tatsache sein, dass sich durch die EU-Erweiterung für Österreich neue Chancen eröffnen. Diese Chancen müssen wir jedoch auch nützen und sollten nicht, wie ich zumindest in einigen Untertönen vernommen habe, schon jetzt gleich wieder jammern.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 48

Österreich rückt nämlich in die Mitte Europas. Wir waren oft Randlage: zum Beispiel im Römischen Reich als Pannonium und Noricum oder als Ostmark während der Zeit Karls des Großen oder der Zeit Ottos des Großen oder, um gleich einen großen Sprung zu machen, 1945, als wir zum demokratischen Erker Europas geworden sind. Dass wir aus dieser Randlage herauskommen, ins Zentrum rücken, ist wichtig. Als Stra­tege würde ich sagen: Die innere Linie ist immer günstiger als die äußere.

Dankbarkeit aber sollte uns alle ergreifen, da wir diese historischen Momente erleben dürfen. Der Dank gilt auch den politischen Entscheidungsträgern, dem Herrn Bun­deskanzler, der Frau Außenministerin, dem Herrn Staatssekretär, die in langen, schwie­rigen Verhandlungen das erreicht haben, über das wir heute abstimmen dürfen. (Beifall bei der ÖVP.)

In aller Kürze auch ein bisschen Nachdenklichkeit, aber keine pessimistische: nach­denklich in der Richtung, dass die 25 unbedingt eine europäische Verfassung brau­chen. Sie ist notwendig und nützlich, um die Interessen gegeneinander abzuwägen. Es ist aber falsch, auf den Umstand, dass die Regierungskonferenz letzte Woche, aus welchen Gründen auch immer, nicht zu einem Ende geführt werden konnte, mit Aufge­regtheit zu reagieren. Bleiben wir gelassen! Vertrauen wir auf unsere politischen Ent­scheidungsträger, darauf, dass sie im nächsten Jahr eine ordentliche Lösung zustande bringen, denn in der Krise bewährt man sich, und nicht, wenn Schönwetter herrscht.

Es ist aber auch ein Tag der Sehnsucht, und zwar deswegen, weil der Friede immer Gegenstand der Sehnsucht der Menschheit war. Wir als Politiker haben uns oft zu fragen, was unser Beitrag dazu sein kann. Das europäische Friedensmodell, das im letzten halben Jahrhundert entwickelt worden ist, hat sicher Beispielswirkung für die Welt. Wir sollten versuchen, das, ohne lehrmeisterlich zu sein, auch in andere Teile der Erde zu tragen.

Die Erweiterung der EU ist ein weiterer Schritt dazu, die Sehnsucht des Menschen nach Frieden zu erfüllen. Meine Fraktion und ich heißen daher alle zehn Länder mit Freude willkommen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.28

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Todt. Ich erteile ihm dieses.

 


11.28

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Außenministerin! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Die EU-Erweiterung ist eines der wichtigsten Projekte dieses Jahrhunderts. Ich freue mich, dass es gelungen ist, zehn neue Mitgliedstaaten in die EU aufzunehmen. Es gilt, die europäische Ge­schichte zu überwinden, die Gräben der Vergangenheit zu schließen. Das Gelingen dieses Vorhabens erfordert jedenfalls politischen Mut und Unterstützung durch die Be­völkerung, und diese wird man erhalten, wenn die Menschen mit ihren Sorgen nicht allein gelassen werden.

Ein Schwerpunkt ist die Notwendigkeit, dass die Europäische Union eine Verfassung erhält, mit der sich die Bürgerinnen und Bürger identifizieren können. Die Europäische Verfassung ist nicht nur auf die Stimmrechte einzelner Länder zu reduzieren oder auf die Frage, ob jedes Land einen Kommissar stellen soll, oder die Frage, ob jetzt gespart werden muss und ob die Nettozahler nicht mehr bezahlen, sondern Europa hat mehr verdient: Es muss sich in seiner Vielfalt entwickeln können.

Besonders wichtig ist mir dabei die Daseinsvorsorge. Diese Leistungen sind ein essentieller Bestandteil des ökonomischen und sozialen Aufbaus Europas. In diesem


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 49

Zusammenhang ist es – ganz im Sinne des Subsidiaritätsprinzips – unabdingbar, dass die Regionen selbst bestimmen können, wie die Daseinsvorsorge zu organisieren ist. Die letzte Entscheidung darüber, auf welche Weise Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger erbracht werden, sollte bei den demokratisch legitimierten Organen verbleiben.

Die „Europa Region Mitte“ wird Österreichs Konjunktur und Arbeitsmarkt einen starken Impuls bescheren. Österreich ist einer der Hauptgewinner dieser EU-Erweiterung. Ich bin davon überzeugt, dass die Osterweiterung einen großen Konjunktur- und Wirt­schaftsschub mit sich bringen wird. Österreich wird also der Hauptprofiteur sein. Mit der „Europa Region Mitte“ von St. Pölten über Wien, Wiener Neustadt, Eisenstadt, Sopron, Szombathely, Györ, Pressburg, Trnava bis Brünn wird ein einheitlicher Wirtschaftsraum mit sechs Millionen Einwohnern entstehen.

Die EU-Erweiterung bietet vor allem der Ostregion große Chancen. Schon jetzt profitiert diese Region vom Aufschwung in den osteuropäischen Ländern. Die aktuellen Konjunktur- und Beschäftigungsprognosen verlangen nach wirtschafts-, infrastruktur- und beschäftigungspolitischen Sofortmaßnahmen, um Österreich nicht um die Vorteile der EU-Erweiterung zu bringen. Die Entwicklung der Ostregion mit ihrem Zentrum Wien ist für ganz Österreich von immenser Bedeutung. Wien ist nach wie vor das Zentrum der wirtschaftlichen Dynamik in Österreich. Die Entwicklung des Wirtschafts­standortes Wien und der Ostregion hat unmittelbare Auswirkungen auf den Wirt­schafts­standort Österreich.

Umso bedauerlicher ist es, dass die Bundesregierung keine Vorbereitungen oder zu wenige Vorbereitungen zur Schaffung von Wirtschaftsräumen trifft. Es ist für mich un­denkbar, dass die Politik des Versagens und der Untätigkeit in der Infrastrukturpolitik dieser derzeitigen Bundesregierung fortgesetzt wird. (Zwischenruf.) – Wenn es nicht stimmt, warum fahren wir auf dem Weg nach Pressburg noch immer durch Orte durch und nicht auf einer Autobahn? Warum ist die Bahnverbindung nach Pressburg nicht ausgebaut?

Frau Bundesministerin! Sagen Sie mir, warum das so ist! Warum hat die österrei­chische Bundesregierung diese Infrastrukturpolitik, die notwendig wäre, nicht gemacht? (Bundesrätin Roth-Halvax: Wer waren denn die Verkehrsminister früher?)

Diese Bundesregierung hat diese Maßnahmen nicht durchgesetzt. (Bundesrätin Roth-Halvax: In drei Jahren kann man kaum ...! – Bundesrat Kraml: Sie haben ja noch nicht einmal angefangen! – Bundesrat Manfred Gruber: ... Schaden ...! – Bundesrätin Roth-Halvax – in Richtung des Bundesrates Manfred Gruber –: Was haben denn Sie früher gemacht? – Bundesrat Manfred Gruber: Was haben die letzten vier gemacht? – Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Ja, aber der Transitvertrag ...!) – Frau Kolle­gin! Ich habe jetzt nicht über den Transitvertrag geredet, sondern ich habe darüber geredet, dass infrastrukturelle Maßnahmen nicht gemacht wurden. (Neuerlicher Zwi­schen­ruf der Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann.) – Das geht jetzt auf die Rede­zeit meiner Fraktion, daher werde ich jetzt weiterreden.

Verkehrswege sind angesichts der bevorstehenden EU-Erweiterung so voraussehbar wie notwendig. Ich habe schon gesagt: Das wurde nicht gemacht. Sie müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass es den Eisernen Vorhang nicht mehr gibt.

Die Straßenverbindungen in die slowakische Hauptstadt Bratislava und in die Haupt­stadt der Tschechischen Republik Praha sind einfach unzureichend. Es hat vor den nie­derösterreichischen Landtagswahlen einen Spatenstich für die Errichtung der Nord Autobahn in Richtung Brno und Praha gegeben, seither lese ich nichts mehr darüber, ob überhaupt gebaut wird oder dass es konkrete Baufortschritte gibt. Es ist hier wieder Stille eingekehrt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 50

Ich denke noch an eine weitere Angelegenheit, die gestoppt wurde. Die Bahnhof­sanierungsoffensive müsste in Wien endlich wieder aufgenommen werden, Wien braucht auch einen Zentralbahnhof – und wir sind weit entfernt davon, dass diese Dinge verwirklicht werden –, denn Wien wird für diese Region, für Mitteleuropa, zur Ver­kehrsdrehscheibe werden und eine sehr starke Funktion übernehmen.

Um den Verkehr entsprechend bewältigen zu können, ist jedenfalls eine deutliche Intensivierung der Maßnahmen seitens des Bundes im Infrastrukturbereich unbedingt notwendig. Die Ostregion Österreichs darf nicht zum Verkehrsnadelöhr werden.

Auch beim notwendigen Ausbau der Schienenverkehrswege in der Ostregion ist der Bund mehr als säumig. Niemand hindert diese Bundesregierung daran, diesbezüglich endlich initiativ zu werden. Doch statt mehr Geld für den Ausbau der Eisen­bahn­infra­struktur zur Verfügung zu stellen, setzt die Bundesregierung genau dort den „Kaputt­sparstift“ an.

Gute Infrastruktur ist zur Förderung der Wirtschaft notwendig. Ein Ausbau der Infra­struktur schafft auch Arbeitsplätze. Wir sollten uns aber alle dessen bewusst werden, wie wichtig dieses europäische Friedensprojekt für die Menschen ist, und dafür sorgen, dass die Menschen das gemeinsame Europa auch verstehen.

Ein gemeinsames Europa hat Verantwortung gegenüber allen in der Union lebenden Menschen. Viele Aufgaben stehen vor uns, es geht um die Bekämpfung der Geißel Ar­beitslosigkeit und um die Sicherung eines gemeinsamen Lebensstandards in Gesamt­europa. Europa hat nämlich nicht nur christliche Werte, sondern Europa hat vor allem auch soziale Werte. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.36

 


Präsident Hans Ager: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Kerschbaum zu Wort ge­meldet. Restliche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


11.36

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Lieber Herr Kollege Todt, ich muss Sie leider korrigieren: Dieser Spatenstich zur A 5 – da war ich dabei beziehungsweise habe das sehr genau mitverfolgt – war kein Spatenstich für den Beginn des Straßen­baues, sondern ein Spatenstich für den Beginn der archäologischen Ausgraben, die man vorher machen muss. (Bundesrat Todt: Danke für die Korrektur!) Ich bin persön­lich auch gar nicht so unglücklich darüber, dass die A 5 selbst noch nicht gebaut wird, denn es gibt sehr viele Anrainergemeinden, sehr viele Menschen, die sich Sorgen machen, wie sie mit dieser A 5 dann leben werden.

Einen anderen Spatenstich, der leider auch keine Fortsetzung erfährt – und da wurde nun schon zum dritten Mal vor einer Landtagswahl „Spaten gestochen“ –, gab es bei der S 2, der Schnellbahn nach Laa und dann weiter nach Brünn. Meines Wissen wird jetzt wieder nur ein Stück ausgebaut, die Elektrifizierung bis Laa ist wieder auf den Nimmerleinstag verschoben. (Bundesrat Schennach: Prölls Liebe zum Spatenstich!)

Zu der angeblich so tollen Vorbereitung Niederösterreichs auf die EU-Erweiterung, die Herr Kollege Bader gesehen haben will: Gerade in puncto Verkehrspolitik bereitet sich Niederösterreich meiner Ansicht nach eher darauf vor, vom Transitverkehr überrollt zu werden. Der Ausbau der Schiene ist nach wie vor nicht finanziert und immer wieder ein großes Problem. (Zwischenruf.)

Ein weiterer Punkt, bei dem ich die Vorbereitung der Niederösterreichischen Landes­regierung nicht so großartig sehe, ist die Atompolitik. In der letzten Sitzung des Land­tags gab es einen EuratoM-Antrag der Grünen, den die ÖVP abgelehnt hat, dem aber SPÖ und FPÖ zugestimmt haben. (Bundesrat Schennach: Na hallo!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 51

Prinzipiell möchte ich in meinen Ausführungen geschichtlich nicht so weit zurückgehen wie manche meiner Kollegen. Ich möchte nur an die Zeit vor 25 Jahren erinnern, an die Zwentendorf-Abstimmung. Österreich hat sich mit damals noch nicht so überwie­gender – inzwischen aber mit wachsender – Mehrheit gegen die friedliche Nutzung der Atomkraft ausgesprochen. Seit 25 Jahren ist dieser Ausstieg beziehungsweise Nicht­einstieg in Österreich unbestritten, er wird immer unbestrittener. Seit 25 Jahren wissen wir in Österreich also, dass ein Atomkraftwerk mehr Schaden anrichten kann, als es Nutzen bringt.

Mit dem EU-Beitritt haben wir aber auch den EuratoM-Vertrag unterzeichnen müs­sen, und seither subventioniert auch Österreich die Atomwirtschaft. Der EuratoM-Vertrag ist seit 1957 EU-Primärrecht und beschreibt die Kernenergie unter anderem als „unentbehrliche Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der Wirtschaft und für den friedlichen Fortschritt.“ – Die Österreicher haben das vor 25 Jahren zum Glück nicht geglaubt. Und sie glauben, wie man im vergangenen Jahr bei der Inbetriebnahme von Temelín gesehen hat, noch immer nicht daran.

Es ist uns ein Anliegen, dass wir hier nicht eine Insel der Glückseligen bleiben, sondern es ist unser Ziel, dass ganz Europa atomkraftfrei wird.

Die Atomkraft ist eine veraltete Technologie, und die EU investiert nach wie vor Un­summen in die Reparatur dieser Technologie, anstatt neue Technologien, die sicherer und sanfter sind, aufzubauen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die EU-Kommission will jetzt das EURATOM-Kreditvolumen von 4 auf 6 Milliarden € erhöhen. Der Bundestag hat beschlossen, dass die deutsche Regierung diese Erhö­hung ablehnen wird. Solch einen Beschluss würde ich mir auch im österreichi­schen Nationalrat wünschen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Was hat das eigentlich mit dem Beitritt zu tun?) – Das hat insofern mit dem Beitritt zu tun, als wir ja wünschen, dass ganz Europa, inklusive der Beitrittsländer, atomkraftfrei wird.

Ich würde mir wünschen, dass die Regierung diesen Mut aufbringt, das nach außen zu tragen, wonach wir in Österreich seit 25 Jahren leben. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen.)

11.40

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Spiegel­feld-Schneeburg. Ich erteile ihm dieses.

 


11.41

Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Als ich ge­meinsam mit einigen Kollegen aus Oberösterreich vor einigen Wochen hier als neuer Bundesrat angelobt worden war, war eine der ersten Dinge, die wir machten, eine Führung durch das Haus. Wir kamen dabei unter anderem auch in den Reichsratssaal, und in diesem Reichsratssaal haben bereits vor 120 Jahren Parlamentarier auf das Heftigste diskutiert. Einige dieser Parlamentarier damals kamen aus Gegenden, die heute zum Beitritt zur Europäischen Union anstehen.

Ich möchte jetzt nicht lange auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts eingehen, auf das viele Leid und auf das viele Unglück, das über diesen Kontinent gekommen ist, son­dern ich möchte nur meiner Freude darüber und meiner Dankbarkeit dafür Ausdruck verleihen, in einem solch historischen Moment wie heute Mitglied dieses Hauses sein zu dürfen – in einem Moment, in dem ein Einigungsprojekt, ein Friedensprojekt, ein ganz großes Projekt für unseren Kontinent einen entscheidenden Schritt nach vorne tut.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 52

Es kommen zehn Länder zu unserer Gemeinschaft. Österreich rückt wieder in die Mitte. Ich möchte aber auch dazu sagen, dass der europäische Kontinent, die Eu­ropäische Union sicher noch nicht vollständig ist. Der Herr Bundeskanzler hat heute schon Länder genannt, die noch in diese Gemeinschaft kommen sollen, und ich denke, auch einige andere – wenn ich an das alte Österreich denke – stehen noch an.

Ich möchte diesen Moment auch dazu verwenden, den politischen Entscheidungs­trä­gern, die diese Verhandlungen in jahrelanger Kleinstarbeit geführt haben, für die Kom­petenz, für den Mut und für die Visionen, die diese Realisten verwirklicht haben, zu danken. Ich bin stolz, an diesem Tag hier sein zu dürfen, und freue mich auf die Ab­stim­mung. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

11.43

 


Präsident Hans Ager: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bachner. Ich erteile ihr dieses.

 


11.43

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Außenministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Bundesra­tes! Natürlich glaube ich, dass wir uns heute alle freuen und dass das für uns alle ein denkwürdiger Tag ist. Auch ich sehe das so, dass es eine Ehre ist, an solch einem Tag dabei sein zu dürfen. Wenn wir aber wollen, dass das heute nicht nur ein historisches Datum ist und die Ratifizierung stattfindet, dann haben wir schon noch einige Dinge zu erledigen, weil – und das wurde heute auch schon mehrfach angesprochen – in der Bevölkerung zunehmend Skepsis gegenüber der EU vorhanden ist.

Diese ist durch einige Faktoren vor allem in der letzten Zeit ausgelöst worden. Nicht nur der Transitvertrag oder der Abbruch der Verhandlungen sind Faktoren, die in der Be­völ­kerung Unsicherheit hervorrufen, sondern auch Fragen wie: Wie geht es weiter mit meinem Arbeitsplatz? Wie geht es weiter mit meinem Einkommen? Was wird sich da verändern? Welche Auswirkungen hat die Erweiterung?

All diese Befürchtungen sind nicht ganz unbegründet. Ich meine das jetzt nicht als populistische Kritik, sondern ich möchte das als Hinweise einbringen, weil wir ja noch die Möglichkeit haben, vieles dazu zu tun, dass wir diese Ängste durch Maßnahmen, die wir setzen, der Bevölkerung wieder nehmen.

Da eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in den mittel- und osteuropäischen Ländern erst längerfristig zu erwarten ist, besteht natürlich die Gefahr, dass die beschlossenen Übergangsregelungen ohne entsprechende Steuerungs­mecha­nismen Lohndumping und zusätzliche Arbeitslosigkeit vor allem – und das wurde heute schon gesagt – jener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in schwä­cheren Positionen nach sich ziehen.

Am 21. November 2001 hat der Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ einen Entschließungsantrag verabschiedet, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, schwerpunktmäßig innerstaatliche Vorbereitungsmaßnahmen zur Erweiterung der EU zu treffen. Wenn wir uns jetzt, kurz vor dem Beitritt, anschauen: Was wurde an diesen innerstaatlichen Vorbereitungsmaßnahmen schon umgesetzt?, dann muss ich sagen, dass die Bilanz noch nicht sehr zufrieden stellend ausfällt. Insbesondere im arbeitnehmerInnenrelevanten Politikbereich ist die Regierung hinsichtlich der Einleitung und der Umsetzung der erforderlichen innerösterreichischen Vorbereitungsmaß­nah­men säumig.

Maßnahmen für eine ausgewogene Entwicklung des Arbeitsmarktes fehlen in den An­sätzen. Wohl wurde eine – und das wurde ja erwähnt – siebenjährige Übergangsfrist für die Arbeitnehmerfreizügigkeit und sensible Branchen der grenzüberschreitenden


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 53

Dienstleistungserbringung ausverhandelt, doch sind parallel hiezu gesetzliche Maß­nah­men im Zusammenhang mit dem Fremdenrechtspaket 2002 getroffen worden, die wiederum aus sozial- und arbeitsmarktpolitischen Überlegungen in Wirklichkeit be­denk­lich sind, so zum Beispiel die Ausweitung des Saisonnierstatus auf den indus­triellen und gewerblichen Bereich, die Erleichterung der Beschäftigung von so ge­nannten Volontären im Rahmen von Joint Ventures oder die Erhöhung der Quoten der Saisonniers.

Als dringend notwendig – und Sie, Frau Außenministerin, haben heute schon gesagt, dass das auch vorgesehen ist; diesbezüglich besteht auch Konsens – werden ziel­gerichtete Qualifizierungsoffensiven für potentiell gefährdete ArbeitnehmerInnen erach­tet. Darüber, wie gesagt, besteht zwar Konsens, ich fürchte nur, angesichts der derzeit prekären Situation der Finanzmittel, was den AMS-Bereich betrifft, wird es schwer möglich sein, das auch wirklich noch umzusetzen, wobei das das Um und Auf ist, dass es Zusatzqualifizierungen für die ArbeitnehmerInnen gibt, damit sie dann am Arbeits­markt auch bestehen können.

Zum Schutz des Arbeitsmarktes sind die Übergangsregelungen für die Personen­freizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit von außerordentlicher Bedeutung. Zu­nächst ist die offensive Ausnützung der Übergangsfrist von Interesse. Die entspre­chenden Vorkehrungen im Ausländerbeschäftigungsgesetz sind noch vor dem Beitritt zu treffen. Auf Grund der gegenwärtig schlechten wirtschaftlichen Situation und Ar­beits­marktlage ist natürlich auch eine laufende Prüfung der relevanten Entwicklung der Arbeitsmärkte sowie der Einkommen, um bei schockartigen Entwicklungen eine im EU-Recht durchaus mögliche Schutzklausel in Anspruch nehmen zu können, erforderlich.

Es muss in Zukunft, um die Bevölkerung die EU auch wirklich in der Form, wie wir sie sehen, spüren zu lassen, ein gemeinsames Ziel sein, die Einhaltung österreichischer Sozial- und Lohnstandards sicherzustellen und für eine positive Entwicklung dieser Standards zu sorgen. Die arbeitsrechtlichen und sozialpolitischen Vorschriften dürfen nicht aus Wettbewerbsgründen abgesenkt werden. Es darf zu keinem Sozialdumping kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte natürlich noch eine Reihe von not­wendigen Maßnahmen aufzählen, möchte mich aber darauf beschränken, dass ich für meine Fraktion folgenden Entschließungsantrag einbringe:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Roswitha Bachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung der Europäischen Union und innerösterreichische flankierende Maßnahmen

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Bundesrat hat beschlossen:

Die Bundesregierung wird angesichts der angespannten Lage am Arbeitsmarkt aufge­fordert, alle nationalen Spielräume zu nutzen, um das Wirtschaftswachstum und damit die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen zu fördern. In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung auch aufgefordert, europäische Wachstumsinitiativen und eine vernünftige Weiterentwicklung des Wachstums- und Stabilitätspakts zu unterstützen.

Die Bundesregierung wird ferner aufgefordert, umgehend eine Novellierung des Aus­länderbeschäftigungsgesetzes vorzuschlagen, damit die vereinbarten Übergangsfristen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 54

im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit auch wirksam genutzt werden können.

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.50

 


Präsident Hans Ager: Der von den Bundesräten Roswitha Bachner und Kollegen ein­gebrachte Entschließungsantrag betreffend Erweiterung der Europäischen Union und innerösterreichische flankierende Maßnahmen ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hösele. Ich erteile ihm dieses.

 


11.51

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Hoch geschätzte Frau Bundesministerin! Lieber Herr Staatssekretär! Ich freue mich, dass ich in einem Au­genblick sprechen kann, in dem mein slowenischer Amtskollege Sušnik, den ich im ersten Halbjahr, während meiner Bundesrats-Präsidentschaft, besuchen konnte, und viele andere Kollegen aus unseren Nachbarstaaten im Saal anwesend sind. Es ist das eine bewegende Stunde, das muss ich ganz ehrlich sagen.

Mein Vorredner von der ÖVP-Fraktion hat das auch schon angesprochen: Hier in die­sem Haus waren vor etwas mehr als 100 Jahren wichtige politische Verantwortungs­träger aus vielen Nationen vertreten, die nach 1918 die Demokratien in Italien – Alcide de Gasperi –, in der Tschechoslowakei – Masaryk –, in Slowenien – Korošec – und im SHS-Staat aufgebaut haben, und heute ist ein Tag, an dem wir wieder zusam­menfinden können. Dass die Parlamentspräsidenten aus unseren Nachbarstaaten zu uns gekommen sind, ist ein sehr schönes und großes Zeichen an diesem Tag.

Ganz besonders erfreulich ist es auch, dass die Landeshauptleute jener Regionen, die seit vielen Jahren wesentliche Vorarbeiten geleistet haben, damit diese Brücken ge­baut werden konnten, die sich sozusagen am 1. Mai nächsten Jahres materialisieren werden, hier anwesend sind. Sehr herzlich begrüßen darf ich Frau Landeshauptmann von der Steiermark Waltraud Klasnic (allgemeiner Beifall), Herrn Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider und Herrn Landeshauptmann vom Burgenland Hans Niessl. (Allgemeiner Beifall.)

Der Heilige Vater, Papst Johannes Paul II., hat unendlich viel für die europäische Einigung getan. Er hat eigentlich wesentliche Wegbereitungen gesetzt. Er hat vor fünf Jahren hier in Österreich darauf hingewiesen, dass Wien in der Vergangenheit oft im Brennpunkt europäischer Geschichte gelegen ist. Wien werde nun zum Zentrum vieler Hoffnungen werden, hat er 1998 gesagt. Er hat weiters gemeint, er hoffe, dass Schritte gelingen, um den Westen und den Osten dieses Kontinents einander näher zu bringen, jene beiden Lungen, ohne die Europa nicht atmen kann. Deshalb sollte man, so sagte der Heilige Vater, vielleicht weniger von einer Osterweiterung als vielmehr von einer Europäisierung des gesamten Kontinents sprechen.

Ich denke, das ist ein sehr gutes Wort. Das ist ein Wort, das sich jetzt erfüllt. Das ge­meinsame Haus wird größer, Europa atmet mit beiden Lungenflügeln, wobei wir für die eine Seite des Lungenflügels sehr zuversichtlich sind, dass er noch kräftiger wird; ich denke hier insbesondere an Kroatien und die anderen schon angesprochenen Staaten. Wir alle haben eine Verantwortung und eine große Chance, gemeinsam diese euro­päische Zukunft zu gestalten und dieses europäische Haus zu bauen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 55

Insofern darf und muss ich auch kurz auf den Entschließungsantrag, den Kollegin Bach­ner eingebracht hat, eingehen. Sie rennen hier offene Türen ein, Sie tragen Eulen nach Athen – in Athen wurden heuer auch die Erweiterungsverträge unterzeichnet – oder Sie schütten Wasser in die Donau und die Mur. Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen, weil das ohnehin erfüllt wird und weil das ein Teil der Maßnahmen der Bundesregierung unter Führung des Herrn Bundeskanzlers, aller anderen Minister und insbesondere der hoch geschätzten Frau Außenministerin ist.

Der heutige Tag und vor allem auch das Datum 1. Mai sind für uns alle ein Datum der Freude und des Ansporns, sind Auftrag und Verantwortung, trotz aller immer wieder neu auftretenden Schwierigkeiten mit Zuversicht am gemeinsamen Haus Europa wei­terzubauen.

In diesem Sinne: Das Parlament hat ein Buch herausgegeben: „Von der Donaumo­nar­chie zum Vereinten Europa“. Es berichtet über 20 Reichsratsabgeordnete, die Ge­schich­te schrieben, von Masaryk bis Korošec und De Gasperi.  Ganz zum Schluss steht: „Dieses Buch ist ein Willkommensgruß – ein freudiger Willkommensgruß – an die zehn europäischen Länder, deren Beitritt ... in Athen unterschrieben wird.“ – Herzlich willkommen im größeren Europa! (Allgemeiner Beifall.)

11.56

 


Präsident Hans Ager: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, freue ich mich ganz besonders, den Präsidenten des slowakischen Nationalrates Dr. Pavol Hrušovský, den Präsidenten des slowenischen Staatsrates Janez Sušnik, den Vize­präsidenten der slowenischen Nationalversammlung Valentin Pohorec, den Präsiden­ten der tschechischen Nationalversammlung Dr. Lubomir Zaoralek, den Vizepräsiden­ten des tschechischen Senats Jan Ruml und die Präsidentin der ungarischen National­versammlung Dr. Katalin Szili hier in der Länderkammer der Republik Österreich sehr herzlich willkommen heißen zu dürfen. (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

Ich freue mich auch über die Anwesenheit der Herren Präsidenten des Nationalrates Universitätsprofessor Dr. Andreas Khol und Dr. Heinz Fischer (allgemeiner Beifall), die gemeinsam mit ihrer ungarischen Amtskollegin und den Amtskollegen der anderen Nachbarstaaten im Beisein deren außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter die Debatte und Abstimmung über die Ratifikation des EU-Beitrittsvertrages im öster­reichischen Bundesrat mitverfolgen werden.

Mein besonderer Gruß gilt auch den höchsten Repräsentanten der benachbarten Bun­desländer. Ich begrüße sehr herzlich Frau Landeshauptmann von der Steiermark Waltraud Klasnic (allgemeiner Beifall), Herrn Landeshauptmann vom Burgenland Hans Niessl (allgemeiner Beifall) und Herrn Landeshauptmann von Kärnten Dr. Jörg Haider. (Allgemeiner Beifall.)

Ich denke, dass der heutige Tag nicht nur symbolischen Charakter hat, sondern dass dieser Tag den Beginn einer parlamentarischen Kooperation mit einem neuen euro­päischen Verständnis manifestiert. In diesem Sinne heiße ich Sie alle nochmals sehr herzlich willkommen.

Wir setzen die Debatte fort. Nächster Redner ist Herr Bundesrat Boden. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.59

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Herr Staatssekretär! Auch ich möchte mich diesen Willkommensgrüßen an­schließen, auch ich darf alle Parlamentspräsidenten der zukünftigen EU-Mitglieds­län­der, unserer Nachbarländer hier in unserem Parlament sehr herzlich willkommen heißen. – Herzlich willkommen in Wien! (Allgemeiner Beifall.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 56

Mir bleibt nicht mehr viel Redezeit, da wir eine Blockredezeit beschlossen haben und die Sitzung um 12 Uhr unterbrechen wollen, daher ganz kurz:

Ich möchte wirklich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass die Europäische Union um zehn Länder erweitert wird. Wir in Niederösterreich sind durch eine we­sent­lich längere Außengrenze mehr als andere Bundesländer davon betroffen. Uns ist sehr wohl bewusst, dass viele Risiken, aber auch viele Chancen damit verbunden sind.

Ich möchte nur einige davon anführen: Eines der Risiken ist – wie wir schon gehört haben – das Kernkraftwerk Temelίn. Ich persönlich habe auch nicht sehr viel Freude damit, ich wohne in unmittelbarer Nähe. Der Gedanke, dass ein Unfall in wenigen Minuten eine Katastrophe auslösen könnte, macht mich nicht sehr glücklich.

Denken wir aber auch an die Chancen, die diese Erweiterung in sich birgt: Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden sehr viele Freundschaften geschlossen und sehr viele Kulturveranstaltungen durchgeführt. Die regionalen Innovationszentren, die im Grenz­raum gebildet wurden, tragen meiner Meinung nach maßgeblich zur Vermehrung der Chancen bei.

Leider ist meine Redezeit zu Ende. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten aller Frak­tionen.) Ich möchte Sie nicht länger auf die Folter spannen, ich wünsche allen, die hier anwesend sind, dass wir in Zukunft in einem vereinten Europa unsere Kulturen und Wünsche austauschen und neue Freundschaften schließen können. (Allgemeiner Beifall.)

12.02

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Restliche Redezeit: 1 Minute. (Heiterkeit bei Bundesräten aller Fraktionen.)

 


12.02

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Meine Damen und Herren! Liebe Prä­sidenten der neuen Beitrittsländer! Auch namens meiner Fraktion, der grünen Fraktion, ein herzliches Willkommen. Ich darf wohl die Debatte, die wir heute hier geführt haben, so zusammenfassen, dass über alle Fraktionsgrenzen hinweg eine große Freude, eine große Begeisterung darüber herrscht, dass wir diesen Akt setzen und dass wir Sie alle im gemeinsamen Haus Europa bei diesem großen gemeinsamen Projekt willkommen heißen können. (Allgemeiner Beifall.)

12.02

 


Präsident Hans Ager: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Re­publik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 57

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ich bitte weiters jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Re­publik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union die Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist ebenfalls die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates im Sinne des Bundes­verfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages über den Beitritt der Tsche­chischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union die Zu­stimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusser­fordernisse angenommen. Ausdrücklich stelle ich die erforderliche Zweidrittelmehrheit fest. (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

Wie Sie gehört haben, liegt ein Antrag der Bundesräte Roswitha Bachner, Kolleginnen und Kollegen vor. Ich lasse über den Entschließungsantrag betreffend Erweiterung der Europäischen Union und innerösterreichische flankierende Maßnahmen abstim­men.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Ich unterbreche nun die Sitzung.

(Die Sitzung wird um 12.07 Uhr unterbrochen und um 13.04 Uhr wieder aufge­nom­men.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend einen Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 (2002/772/EG, Euratom) zur Änderung des Akts zur Einführung allgemeiner un­mittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom samt Erklärungen (209 d.B. und 287 d.B. sowie 6930/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem die Europawahlordnung geändert und ein Bundesgesetz über die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 58

Europawahl 2004 erlassen wird (250/A und 288 d.B. sowie 6920/BR d.B. und 6931/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 2 und 3 hat Herr Bundesrat Höfinger über­nommen. – Ich bitte um die Berichte.

 


Berichterstatter Johann Höfinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend einen Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 zur Änderung des Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom samt Erklärungen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich kom­me daher zum Beschluss.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert und ein Bundesgesetz über die Europawahl 2004 erlassen wird.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich darf daher zum Beschluss kom­men.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Es liegen keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Berichterstattung hat uns die Vorschläge für die Abstimmung gebracht, und wir kom­men jetzt zur Abstimmung.

Zunächst stimmen wir ab über den Beschluss des Nationalrats vom 3. Dezember 2003 betreffend einen Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 zur Änderung des Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom samt Erklärungen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrats vom 3. De­zember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert und ein Bundesgesetz über die Europawahl 2004 erlassen wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 59

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies wiederum die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Ein­spruch zu erheben, ist somit angenommen.

Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt zwei Beschlüsse in aller Geschwindigkeit beschlossen, die aber durchaus im Zusammenhang mit all dem stehen, was wir heute Vormittag besprochen und jetzt gerade gefeiert haben: Wir haben es ermöglicht, dass wirklich alle, die bei uns leben, auch an den Europawahlen teilnehmen können. Ich glaube, das ist etwas, worüber wir uns freuen können. (Allgemeiner Beifall.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend das Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Organisation für die Nut­zung von Meteorologischen Satelliten (EUMETSAT) in der Fassung der Änderung vom 26. Juni 2001 (218 d.B. sowie 6932/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Fasching übernommen. – Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Paul Fasching: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend das Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Organisation für die Nutzung von Meteorologischen Satelliten (EUMETSAT) in der Fassung der Änderung vom 26. Juni 2001.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich auf die Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage vom 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, erstens gegen den Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und zweitens dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B‑VG die verfas­sungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Es liegen auch zu diesem Tagesordnungspunkt keine Wortmeldungen vor.

Ich frage: Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Daher kommen wir zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B‑VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorlie­genden Beschluss des Nationalrats gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B‑VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, wieder um ein Handzeichen. – Auch hier ist die Stimmeneinhelligkeit gegeben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 60

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrats gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B‑VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarkt­servicegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Insolvenz-Ent­geltsicherungsgesetz geändert werden (308 d.B. und 318 d.B. sowie 6927/BR d.B. und 6933/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tages­ordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Weilharter übernommen. – Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Engelbert Weilharter: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zum Tagesordnungspunkt 5.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, sodass ich mit Ihrem Einverständnis auf einen inhaltlichen Vortrag verzichten darf und mich auf die Antragstellung beschränke.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 16. De­zember 2003 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke vielmals für den Bericht.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet hat sich Frau Dr. Lichtenecker. – Ich bitte sie, das Wort zu neh­men.

 


13.13

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte gleich eingangs zu einem Punkt Stellung nehmen, nämlich zur Veränderung der Deckung des Lebensunterhalts. Letztere wird im Gesetz auch kurz mit „DLU“ bezeichnet und dient dazu, die finanzielle Existenz von arbeitslosen Menschen während Qualifizierungs- und Berufsorien­tie­rungs­maßnahmen zu sichern.

Es ist dies ein gutes, kluges und bewährtes Instrument, in das jetzt massiv eingegriffen wird, und zwar in der Form, dass die Maßnahmen nun tatsächlich auch Nachteile nach sich ziehen und die Rechte im Zusammenhang mit dem Bezug der DLU, die vorher erworben wurden, nun nicht mehr gewährleistet sind. – Ich meine, dass das in der jetzigen Situation sehr wohl eine sehr drastische und schockierende Maßnahme seitens der Regierung ist, denn immer mehr Menschen sind von Arbeitslosigkeit betrof­fen. Wenn man den Vergleichszeitraum 2002 betrachtet, dann ist festzustellen, dass es eine Steigerung um 4,7 Prozent gegeben hat: In absoluten Zahlen ausgedrückt handelt es sich hiebei um 11 086 Frauen und Männer.

Auf den ersten Blick ist das eine Zahl aus irgendeiner Statistik. Aber stellen Sie sich einmal vor: Diese Zahl entspricht der Einwohnerzahl einer Kleinstadt wie zum Beispiel der idyllischen Kleinstadt Gmunden in Oberösterreich: Wären dort auf einmal alle Men­schen arbeitslos, dann gäbe es große Betroffenheit und tatsächlich einen Aufschrei.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 61

Drückt man das aber in Form von Statistiken aus, dann geht das in diesem Land ein Stück unter!

Zu diesen offiziellen Zahlen kommt außerdem eine erhebliche Zahl an Menschen dazu, die sich sozusagen hinter diesen Statistiken verstecken: Selbstverständlich wollen die­se sich nicht verstecken, aber dadurch, wie man Statistiken erstellt, wird geschickt geregelt, was als arbeitslos gewertet wird und was nicht, und letztlich gelten alle als nicht arbeitslos, die sich in Schulungsmaßnahmen befinden, sei es zur Berufsorien­tierung, sei es zur Qualifizierung. Als nicht arbeitslos gelten auch all jene, die zum Beispiel die Schule abgeschlossen haben und sich noch nicht beim AMS gemeldet haben, und es fallen auch die Wiedereinsteigerinnen darunter, die zwar Arbeit suchen, sich aber nicht beim AMS gemeldet haben, weil sie nicht anspruchsberechtigt sind.

Die Aufzählung jener, die von den offiziellen Statistiken nicht erfasst sind, kann bis zu jenen Akademikerinnen und Akademikern fortgesetzt werden, die ihr Studium abge­schlos­sen haben, keinen Job haben und sich auch nicht beim AMS melden. Wie wir gehört haben, nimmt auch diese Zahl zu. – Es ist dies die „versteckte Arbeitslosigkeit“.

Es gibt auch noch einen zweiten Bereich, der in der Fachliteratur als der Bereich der „discouraged workers“ bezeichnet wird. Das sind sozusagen die Entmutigten. Ein guter Teil davon sind jene Menschen, die zum Klientel der älteren Arbeitslosen gehören. – Auch diese sind nicht von den Statistiken erfasst. Sie können aber sicher sein, dass es sich hiebei um eine beträchtliche Zahl an Betroffenen handelt!

Was sind denn die Gründe für diese Steigerung der Arbeitslosigkeit in diesem Land? – Es wird immer wieder auf die Globalisierung, die internationale Konjunkturlage und so weiter verwiesen. Dennoch ist klar – und das zeigen auch die wissenschaftliche Lite­ratur und die Analysen der Wirtschaftsdaten der letzten 30 Jahre –, dass man sehr wohl agieren und nicht nur reagieren kann. Und wenn man nur reagiert, dann muss man zumindest frühzeitig und nicht zu spät entsprechende Maßnahmen setzen, wie es in diesem Land geschieht. Man muss auf die eingebrochene Konjunktur rechtzeitig ent­sprechend reagieren, denn es genügt nicht, wenn man verspätet ein Konglomerat von Maßnahmen setzt, die unter dem Schlagwort „Wachstumspaket“ zusammengefasst werden, meiner Meinung nach aber diesen Namen nicht verdienen.

Angemessene Maßnahmen bestünden meiner Meinung nach auch in der Anhebung der Investitionen in den Bereichen Bildung, Forschung und Qualifikation. Natürlich kann man auch Anreize für Klein- und Mittelunternehmungen setzen, entsprechende Investitionen zu tätigen, welche dann auch die Schaffung von Arbeitsplätzen zur Folge haben.

Besonders betroffen macht in diesem Zusammenhang die Thematik der Jugend­arbeitslosigkeit. Gestern war im Wirtschaftsteil der „Presse“ zu lesen, dass der Bun­desanteil an den AMS-Mitteln jetzt wiederum um 50 Millionen gekürzt wird. Im Gesetz steht jetzt zwar, dass man für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit 20 Millionen mehr aufwenden will, was in dieser Situation jedoch ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Sie müssen sich einmal vorstellen: Zum jetzigen Zeitpunkt sind gut 39 000 junge Menschen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren in diesem Land arbeitslos!

In diesem geschätzten Gremium befinden sich einige Herren, die Bürgermeister sind, und Gott sei Dank auch eine Dame, die Bürgermeisterin ist. (Bundesrätin Schlaffer: Hier ist noch eine!) Verzeihung! Es sind zwei. Ich bitte vielmals um Entschuldigung! (Bundesrat Kraml: Nein, es sind drei!) Stellen Sie sich einmal vor, dass Sie Chefin oder Chef einer solchen Gemeinde sind! Es geht hier durchaus um Größenordnungen wie jene der Städte Dornbirn und Steyr! In diesem Bereich bedarf es eines umfas­senden Maßnahmenpakets!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 62

Herr Minister! Ich glaube nicht, dass die jetzt gewährten Mittel ausreichen. Faktum ist: Wir hier im Bundesrat sind die Ländervertreterinnen und -vertreter. Und in diesem Zusammenhang erhebt sich die Frage: Wie werden Sie reagieren, wenn die einzelnen Maßnahmen und Initiativen betreffend die Arbeitslosen umgesetzt werden sollen? Soll jetzt stellvertretend das Land dafür einspringen, dass sich der Bund sukzessive aus diesen Bereichen zurückzieht? Wie wird man konkret vorgehen? – Das heißt, auch Sie werden in diesem Zusammenhang gefordert sein! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Wenn Sie sich die Jugendarbeitslosigkeit anschauen, dann ist klar, dass es dabei um sehr viele Bereiche geht. Es müssen nicht nur Maßnahmen per se getroffen werden, sondern es muss zum Beispiel sehr wohl auch das Berufsausbildungsgesetz novelliert werden – damit setzt man sich teilweise nicht wirklich intensiv auseinander –, um die Chance zu ergreifen, neue Berufe und neue Berufsbilder zu schaffen.

Es gibt schon entsprechende Pilotprojekte wie etwa die Schaffung von Ausbildungs­verbünden, die forciert werden müssten. Weiters müsste auch die Ausbildungsbe­reitschaft der Betriebe durch Anreizsysteme forciert werden. Aber natürlich muss auch die Qualität der gesamten Ausbildungsprojekte gesichert und forciert werden, von den Produktionsschulen bis zum trialen System, das sich sehr bewährt hat.

Es ist die Frage, ob es sich ein Land wie Österreich tatsächlich leisten kann oder auch leisten sollte, Kürzungen auf dem Rücken der Schwächsten durchzuführen. Es ist auch fragwürdig, wenn es eine Novellierung des Arbeitslosengesetzes in Bezug auf die Nebenerwerbslandwirte gibt, was an sich sehr okay ist, aber es betrifft eben nur ein Klientel von 200 Menschen. Die Frage ist doch: Wer kümmert sich um den Rest der 248 000 Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind?

In diesem Sinne daher auch ein Appell an die Regierungsparteien beziehungsweise deren Abgeordneten, sich auch in den Ländern dieses Problems vermehrt anzu­nehmen. So, wie es jetzt aussieht, ist es an der Zeit, auch in den Ländern das umzu­setzen, was ich bundesweit für einen wesentlichen Punkt halte, nämlich die Einführung einer Anwaltschaft für Arbeitslose, sodass genau diese Menschen Rückendeckung be­kommen und ihnen zu ihrem Recht verholfen wird. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.21

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Wimmler. – Bitte.

 


13.22

Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Gerade jener Punkt, den Frau Kollegin Lichtenecker zuletzt angeschnitten hat, hat mich bewegt, zu diesem Punkt zu reden. Ein mir wichtiger Punkt dieses Abänderungsantrags ist die weitere Förderung von Beschäftigungsmöglichkeiten für Jugendliche. Sie wissen, dass seit Herbst 2002 ein Sonderprogramm für Jugendliche umgesetzt wird, wobei 200 Mil­lionen € für Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung zur Verfügung stehen.

Da wir weiterhin – und ich denke, das steht wohl überall – das EU-Land mit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit bleiben wollen und jeder Jugendliche ohne Be­schäf­tigung einer zu viel ist – das ist mir vollkommen klar, denn ich habe sehr viel mit Ju­gendlichen zu tun –, muss neben den angeführten Maßnahmen ein Sonder­programm zur Fortführung der Jugendausbildungssicherung gestartet werden, und das ist nun die Initiative „Jobs for You(th)“. Sie wird 2004 gestartet, und es werden für diesen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 63

Bereich – Sie haben es ja schon gesagt – durch den Insolvenz-Ausfallsgeldfonds 2004 20 Millionen € und im Jahr 2005 5 Millionen € zur Verfügung gestellt.

Dieses Sonderprogramm wird eine nachhaltige Verbesserung – und davon bin ich über­zeugt – bei der Jugendarbeitslosigkeit bringen. Wichtig ist aber auch, dass die Wirtschaft in Zukunft Lehrstellen anbietet und Jugendliche in bewährter dualer Aus­bildung einen Beruf erlernen und einen qualifizierten Abschluss machen können. Frau Präsidentin, davon bin ich überzeugt! Durch die Modularisierung des dualen Systems soll die Ausbildung flexibler werden und auf die zunehmende Spezialisierung in den Unternehmen eingegangen werden.

Wie anfangs erwähnt, ist natürlich jeder Jugendlicher, der noch keine Ausbildung hat, einer zu viel, und wir müssen uns alle gemeinsam anstrengen, dass es nicht dabei bleibt. Im Besonderen brauchen aber auch jene größtes Augenmerk, die nicht dem Bild eines raschen, flexiblen und lernfähigen Jugendlichen entsprechen. Es ist daher Aufgabe aller Verantwortlichen, sich gerade jener anzunehmen.

Wie mir in letzter Zeit ein Kammerobmann versichert hat, werden seine Kammer­mit­glieder gerade jetzt trainiert, besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass die Ju­gendlichen in vielen Gesprächen mit ihrem – es gibt noch kein neutrales Wort und auch kein weibliches Wort, und ich denke, das müsste man auch bald einmal ändern – Lehrherrn motiviert werden, nicht leichtfertig eine Lehre abzubrechen, selbst wenn es nicht der ersehnte Beruf ist.

Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam auf dem richtigen Weg sind, gemeinsam mit den Auszubildenden, den Ausbildnern und den arbeitspolitischen Maßnahmen, sodass unsere Jugend für die nächsten Herausforderungen gerüstet ist. Ich danke der der­zeitigen Regierung und auch Ihnen, Herr Bundesminister, dass Sie sich trotz schwie­riger Ausgangspositionen für die Jugend einsetzen, und bin überzeugt, dass die Maß­nahmen, welche die Jugend betreffen, auch greifen werden. Ich stimme diesem Antrag deswegen gerne zu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Boden: Bei der Jugendarbeitslosigkeit hat die Regierung keinen Dank verdient!)

13.25

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Kaltenbacher. – Bitte.

 


13.26

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute einige Än­derungen im Bereich des Arbeitslosenversicherungsgesetzes und Arbeitsmarktför­de­rungsgesetzes. Notwendig waren diese Änderungen, weil – wie immer bei dieser Re­gierung – Schnellschüsse repariert werden müssen. Wir begrüßen diese Repara­turen, keine Frage, sie zeigen uns aber auch, dass viele Gesetzesbeschlüsse ober­flächlich und inhaltlich nicht durchdacht erfolgen.

Seit Monaten weisen wir darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit permanent zunimmt, und insbesondere bei den Jugendlichen unter 25 Jahren dramatisch. In der Steiermark – und von dort komme ich ... (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: In Wien steigt sie besonders stark!) Na dann schauen wir uns die Wirtschaftsentwicklung in Wien an! Wie sieht es damit aus?

In der Steiermark waren Ende November 32 900 Personen arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote beträgt 7 Prozent. Zudem befinden sich 7 000 Personen in Qualifi­zierungsmaßnahmen und – das wurde früher bereits erwähnt – scheinen deshalb in dieser Statistik nicht als arbeitslos auf.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 64

722 Burschen und Mädchen, um über 14 Prozent mehr als im Vorjahr, suchen eine ent­sprechende Lehrstelle. Gleichzeitig sank die Zahl der gemeldeten offenen Lehr­stellen um 12 Prozent auf 254. Obwohl Sie, Herr Minister, Österreichs Arbeitslosigkeit und insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit im internationalen Vergleich positiv dar­stellen, erfolgt mit Ihrer destruktiven Arbeitsmarktpolitik, mit massiven Einschrän­kungen bei den Budgetmitteln eine sukzessive Nivellierung der Arbeitslosigkeit nach oben.

Es geht hier nicht um Vergleichszahlen, es geht hier nicht um Statistiken, es geht hier um Personen und Einzelschicksale. Wir begrüßen, dass gleichzeitig mit dieser No­vellierung Sondermittel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit bereitgestellt wer­den.

Und eines, Herr Bundesminister, können Sie mir glauben: Als Geschäftsstellenleiter des AMS Judenburg weiß ich, wovon ich spreche! Allein in unserem Bezirk stieg die Jugendarbeitslosigkeit innerhalb eines Jahres bei den Burschen um 30 Prozent, bei den Mädchen um 27 Prozent. Gleichzeitig muss ich 2004 im Bereich der aktiven Arbeits­marktpolitik mit 1 Million € Budgetmittel weniger auskommen. Die Konsequenz ist: Durch die erwähnten 20 Millionen €, die ein bissel mehr werden durch die Auf­stockung des Vorstandes des AMS, werden zwar mehr Jugendliche in Qualifizierung gehen können, aber für jene, die es genauso brauchen, nämlich Personen zwischen 25 und 49 Jahren, also Personen, die im Haupterwerbsalter und arbeitslos sind, gibt es für nächstes Jahr keine finanziellen Mittel.

Wer bei der Jugend spart, nimmt ihr sämtliche Zukunftschancen. Wenn Jugendliche keine Möglichkeit haben, an der Arbeitswelt teilzunehmen, nimmt man ihnen die Chance auf ein selbst bestimmtes Leben, und man nimmt ihnen vor allem Selbst­vertrauen und Perspektive. Ändern wir nicht nur das Arbeitslosenversicherungsgesetz, sondern schaffen wir echte Zukunftschancen für alle arbeitslosen Personen in Öster­reich mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.30

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Dr. Ka­novsky-Wintermann. – Bitte.

 


13.30

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister! Frau Präsidentin! Es wurde schon gesagt, dass es uns natürlich insgesamt ein großes Anliegen ist, die Jugend in Arbeit zu geben, die Ausbildungsmaßnahmen zu verbessern und auf die Weiter- und Fortbildung von Jugendlichen großen Wert zu legen. Ich denke, da sind wir uns alle einig, darüber bräuchte man gar nicht zu debattieren und überhaupt nicht zu streiten.

Die Frage ist natürlich immer auch ein bisschen die des lieben Geldes. Wie viel haben wir dafür übrig? Und ich muss sagen, dass dafür nicht so wenig da ist, wie von einem meiner Vorredner behauptet wurde. (Bundesrat Kaltenbacher: Es geht seit 2000 bergab!) Natürlich könnte es immer mehr sein, ich gebe Ihnen da völlig Recht. Es ist richtig, dass man immer verdoppeln und aufdoppeln könnte, aber wir müssen uns natürlich in allen Bereichen nach der Decke strecken, dieses Budget ist derzeit überall knapp. Die Zahlen sind Ihnen genauso bekannt, wie sie mir bekannt sind.

Das heißt also, wenn ich gleich auf die Maßnahmen und die Finanzierung eingehe: Wir haben immerhin 22 Millionen €, die vorgesehen sind, dann noch meines Wissens aus einem besonderen Kredit des Ministers 5 Millionen €, und dann sollen auch noch insgesamt 23 Millionen € aus Arbeitsmarktrücklagen für den Bereich der Jugend­beschäftigung aufgewandt werden. Natürlich kann man sagen, das sei noch immer zu


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 65

wenig, aber man muss natürlich auch sehen, wie ich schon vorhin erläutert habe, dass dieser Betrag unter den derzeitigen budgetären Rahmenbedingungen eine durchaus attraktive Budgetierung für den Jugendlichenbereich darstellt.

Ich darf zur Arbeitslosigkeit von Jugendlichen insgesamt auch meine Bemerkungen machen: Ein bisschen vermisse ich in manchen Bundesländern auch Eigeninitiative. Wir in Kärnten haben ein Sonderjugendbeschäftigungspaket geschnürt, weil auch un­ser Landeshauptmann der Meinung ist, jeder Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren sollte entweder in einer Ausbildung sein oder eine Arbeit haben. Es ist für die Jugendlichen nicht gut, wenn sie zu Hause nur mehr vor dem Fernseher sitzen oder mit Computerspielen beschäftigt sind – ich will den Computer nicht insgesamt verdam­men –, aber wenn nur mehr Spiele am Computer gespielt werden oder nur mehr in Kaffeehäusern herumgehangen wird, dann ist das sicherlich für die Weiterbildung und auch für die Wertevermittlung für Jugendliche nicht das Ideale.

Wir haben daher eine Initiative ergriffen, und das hat uns auch zusätzlich Geld ge­kostet, das muss man auch sagen, aber da hat eben das Land selbst auch einen Schwerpunkt gesetzt, und mittlerweile haben wir die Jugendarbeitslosigkeit auf 4,5 Pro­zent herabgedrückt. Wenn ich da Wien zum Vergleich heranziehe mit fast 10 Prozent, dann muss ich schon sagen, in Wien fehlen Eigeninitiativen. Maßnahmen der Landeshauptleute könnten in den verschiedenen Bundesländern gesetzt werden. Sie müssen die Probleme im eigenen Land sehen und Gelegenheiten beim Schopf packen und nicht nur jammern, sondern auch etwas tun und auch eigenes Geld dafür ausgeben. Das ist meine Anmerkung dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ansonsten wurde bereits vieles gesagt. Ich möchte das nicht wiederholen: Es gibt Änderungen im Bereich des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, des Arbeitsmarkt­ser­vice­gesetzes, des Familienlastenausgleichsgesetzes, und auch das Insolvenz-Entgelt­sicherungsgesetz musste abgeändert werden. Alle diese Abänderungen sind für die Betroffenen positiv, führen zu Ausbildungsverbesserungen und auch zu finanziellen Zuwendungen, sodass man im Großen und Ganzen allen diesen Bereichen zustimmen kann, und ich hoffe, das werden auch die Grünen tun, weil es insgesamt eine Verbes­serung für die Betroffenen darstellt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.34

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Konrad. – Bitte.

 


13.34

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Einen Satz zu den Ausführungen mei­ner Vorrednerin: Die fehlende Wertevermittlung ist nicht das Hauptproblem von ar­beitslosen Jugendlichen, die keine Lehrstelle haben. Das Kernproblem ist, es sind Men­schen, die Arbeit brauchen. Ich denke, es ist jedem klar: Man braucht Arbeit, das ist die Grundlage für einen Sozialstaat und dafür, dass man mit seinem Leben über­haupt etwas anfangen kann. Sie sind nicht in der Lage, einen Job zu finden. Die Folge sind zunächst einmal finanzielle Schwierigkeiten, dann aber auch Demotivation für den Rest des Lebens. Es ist also nicht die Wertevermittlung als solche das Problem, sondern es sind schon fundamentalere Bedrohungen.

Ich freue mich, dass wir uns alle darüber einig sind, dass Jugendarbeitslosigkeit ein großes Problem darstellt und dass es unbedingt angegangen werden muss, und ich freue mich auch, dass dieses Problem hier jenen Platz findet, der ihm meiner Meinung nach auch zusteht. Über die Mittel und darüber, wie man die Probleme bekämpft, ist man sich dann meistens nicht mehr so ganz einig wie auch in diesem Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 66

Finanzielle Mittel sind einmal ein erster Anfang, und die grüne Fraktion ist da der Meinung, dass es leider zu wenig ist. Jeder Cent, der in diesen Bereich investiert wird, ist wichtig, gut und ausgezeichnet investiert, aber es ist unserer Meinung nach einfach zu wenig. Dieser Bereich ist so wichtig, es ist der Beginn des Arbeitslebens, um den es geht, und hier müsste einfach mehr investiert werden.

Davon abgesehen ist natürlich generell eine gut funktionierende Wirtschaft eine weitere Möglichkeit, um das Problem der Jugendarbeitslosigkeit ein bisschen in den Griff zu bekommen. Die Lehrlingsausbildung, die wir haben, dieses duale System ist im Prinzip gut und wird inzwischen auch von vielen anderen Ländern kopiert. Ein Problem dabei ist vielleicht mittlerweile eine zu starke Spezialisierung. Einer solchen könnte man, so meine ich, eventuell durch ein Modulsystem abhelfen. Sinn der Sache sollte sein, dass die Menschen in einem breiteren Bereich ausgebildet werden, dass sie auch in den Berufschulen Allgemeinbildung erfahren und sich dann spezialisieren können. Die klas­sischen Fachidioten, wie sie oft genannt werden, haben größte Schwierigkeiten, sich auf dem Arbeitsmarkt einzubringen.

Im EU-Vergleich sind wir leider nicht das beste, sondern nur das zweitbeste Land. Ich stimme meinen Vorrednerinnen zu: Jede einzelne Person, die keinen Beruf und keine Lehrstelle hat, ist einfach eine zu viel.

Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, dass man die Lehrlingsausbildung als Teil eines Gesamtbildungskonzeptes sieht. Ich habe mir die Protokolle des Nationalrats zu diesem Thema durchgelesen. Dort ist darüber diskutiert worden, dass es Betriebe gibt, die nur Lehrlinge aufnehmen wollen, die schon Matura haben. Darauf hat jemand an­derer geantwortet, dass das verständlich sei, wenn man hohe Qualifikationen wolle. Das sind meiner Meinung nach eher etwas absurde Diskussionen. Generell wird ein Bildungskonzept benötigt, in dem auch die Lehrlingsausbildung etwas besser einge­glie­dert ist, weil die Trennung zwischen Schülern, Studenten und Lehrlingen eine sehr starke ist. Das ist auf Dauer, so meine ich, auch nicht sehr sinnvoll.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch kurz etwas aus einem Kommentar, der vor einigen Monaten in der „Tiroler Wirtschaftszeitung“ erschienen ist, zur Kenntnis brin­gen. Dort hat jemand die Situation der Jugendarbeitslosigkeit und der Lehrstellen kommentiert und gemeint, es gebe so viele Lehrstellen, die freistünden, vor allem im Tourismusbereich, aber die jungen Menschen wollten diese Stellen einfach nicht und man müsse eben akzeptieren, dass es dann Menschen gebe, die eben nur als ungelernte Hilfsarbeiter ihr Leben fristeten.

Dazu muss ich schon eines sagen: Die Frage ist letztendlich, ob die Menschen für die Wirtschaft da sind oder ob die Wirtschaft dazu da ist, den Menschen ihren Lebens­standard zu sichern. Meiner Meinung nach ist das Zweite richtig. Wenn Lehrstellen vorhanden sind, für die sich einfach niemand interessiert, auch wenn es nur wenige sind, dann muss man sich sehr gut überlegen, ob man nicht vielleicht gewisse andere Bereiche stärker fördern sollte. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desräten der SPÖ.)

13.38

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Gumpl­maier. – Bitte.

 


13.39

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­siden­tin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kollegen Bundesrätinnen und Bundesräte! Das heute vorliegende Gesetz ist eine weitere Maßnahme, mit der ein Problem nicht gelöst, sondern nur verdeckt und verschoben wird. Öffentlich wird der Eindruck ver-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 67

wischt, der eigentlich zum Kern des Problems führen sollte. Wir lösen das Problem der in zu geringer Anzahl vorhandenen Lehrplätze jedes Jahr wieder mit kleinen Pflastern, die die Wirklichkeit verdecken, und es wird in der Öffentlichkeit der Anschein erweckt, als wären es die Jugendlichen, die schuld sind, die sich zu wenig vorbereitet haben, um einen Lehrplatz zu finden. In Wahrheit liegt seit Jahrzehnten ein strukturelles Problem vor, und seit Jahrzehnten wird dessen Lösung vertagt.

Sie wird auch deswegen verschoben, weil man mit kurzfristigen Maßnahmen immer wieder das Problembewusstsein verdeckt und nicht den Mut hat, das Problem wirklich beim Namen zu nennen.

Die Lehrlingsausbildung und Jugendbeschäftigung in Österreich sind im Wesentlichen noch auf den Fundamenten der zünftlerischen Berufsorganisation aufgebaut, sie sind aufgebaut auf der Berufskarriere Lehrling – Geselle – Meister. Dem globalisierten Wirtschaftsleben trägt dieses Grundmuster einfach nicht mehr Rechnung. Es braucht größere Lösungen, es braucht große Entwürfe, es braucht den Mut zu dem Ein­geständnis, dass wir hier neue Lösungen benötigen.

Wir retten uns darüber hinweg, indem wir mit Vergleichen mit anderen europäischen Ländern argumentieren, in denen wir wieder gut dastehen. Ich komme aus dem Bun­desland Oberösterreich, dort wird mit den anderen Bundesländern verglichen. In Wirklichkeit gibt es Hunderte Jugendliche mit ihren Familien, mit ihren Einzelschick­salen, deren Probleme nicht zu unterschätzen sind und deren persönliche Probleme sehr groß sind, die wir damit verursachen, dass wir die Lösung dieses Struktur­problems immer wieder hinausschieben. Es bräuchte wirklich ernsthafte Maßnahmen.

Ich hoffe sehr, dass die Maßnahme jetzt ein Zeichen und vielleicht wirklich ein ernst­hafter Lösungsansatz ist, dass der Vorarlberger Manager Blum zum Lehrlings­be­auftragten der Bundesregierung ernannt worden ist und dass er wirklich ernsthaft und erstmalig auch Lösungsansätze anschneidet, wie er sie in seinem eigenen Land mit der Umlage angegangen ist.

Herr Minister! Eines müssen Sie eingestehen, und ich als Gewerkschafter höre das auch immer wieder von Unternehmen: Eine der Hauptursachen besteht darin, dass die Betriebe belohnt werden, die nicht ausbilden, und jene bestraft werden, die ausbilden. Haben Sie den Mut und springen Sie über den ideologischen Schatten, um endlich dieses Problem anzugehen! Dann haben wir im Nu, binnen Jahresfrist und ohne kurz­fristige Lösungsverdeckungsgesetze, wie wir sie heute wieder beschließen, eine Lö­sung, die in die Zukunft weist, eine Lösung, die die Jugendlichen und auch die Wirt­schaft die globalisierten Herausforderungen bestehen lässt. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.42

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

 


13.43

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Danke vielmals, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Ich glaube nicht, Herr Bundesrat Gumplmaier, dass wir durch unser System der dualen Berufs­ausbildung einen strukturellen Nachteil haben. Ich bin vielmehr zutiefst davon über­zeugt, dass es sich hier um einen strukturellen Vorteil handelt, den Österreich, den auch Deutschland, die Schweiz und Südtirol, den also, auf gut Deutsch, das deutsch­sprachige Mitteleuropa haben.

Wieso komme ich zu dieser Auffassung? – Zum einen, weil wir im internationalen Vergleich eine niedrige Jugendarbeitslosenrate haben. Es ist richtig, dass EUROSTAT


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 68

aus statistischen Gründen die Parameter geändert hat, dass Holland neu berechnet wurde und dass wir vor einigen Wochen hinter Holland zurückgereiht wurden. Wir waren über viele Monate, um nicht zu sagen Jahre vor den Holländern, wir waren die Nummer eins und sind jetzt die Nummer zwei.

Auch die Deutschen haben im Vergleich zu ihrer relativ hohen Arbeitslosenrate, die sie insgesamt aufweisen, eine relativ niedrige Jugendarbeitslosenrate. Wie gesagt, ich komme nicht umhin, zu meinen, dass diese duale Berufsausbildung, die vielen jungen Menschen eine gute Chance gibt, ins Arbeitsleben einzusteigen und trotzdem noch die Schule und Qualifikation zu machen, etwas ist, was das Risiko, in jungen Jahren arbeitslos zu werden respektive nach der Schulausbildung keinen Arbeitsplatz zu finden, jedenfalls deutlich reduziert.

Wenn Sie, Herr Bundesrat, meinen, dass unter den Unternehmen die Guten bestraft und die Bösen belohnt werden, so ist auch das für mich nicht nachvollziehbar. Ich denke an ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes Jubiläum bei einem der Parade­unter­nehmen Österreichs und Oberösterreichs, der MIBA. Die Feierlichkeiten haben in Gmunden stattgefunden, und an diesem großen Festtag hat sich der Eigentümer­unternehmer – und gleichzeitig Präsident der Vereinigung der österreichischen Indus­trie – vor allem über eines gefreut, nämlich über die Leistungen seines Unternehmens in Sachen Lehrlingsausbildung über Jahrzehnte.

Ähnlich ist es bei der Firma Blum. Blum und Blum sind im Übrigen gleichnamig, aber nicht verwandt; das heißt, Manfred Blum kommt von dort und ist ein exzellenter Ma­nager, aber er ist – aus seiner Sicht vielleicht leider – mit den Eigentümern nicht direkt verwandt. Dort legt man extrem viel Wert auf die Lehrlingsausbildung, nicht etwa deswegen, weil man in den „Vorarlberger Nachrichten“ oder sonst wie gut wegkommen will, sondern weil man weiß, dass diese Lehrlingsausbildung im eigenen Unternehmen die Gegenwart des Unternehmens absichert und die Zukunft des Unternehmens erst recht absichert. Es mag schon sein, dass es Unternehmer gibt, die eigentlich Lehrlinge ausbilden könnten und es nicht tun; diese werden aber – wie heißt es so schön: wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte! – in Zukunft eben die qualifizierten Fach­arbeiter nicht haben und bestraft werden.

Dass man über ein Vorarlberger Modell und das VEM in anderen Bundesländern Öster­reichs nachdenken soll, entspricht durchaus meiner Meinung. Ich habe im Aus­schuss des Nationalrates zum ersten Mal von Ihrer Seite gehört: Das ist nicht un­bedingt Verpflichtung und zwingend, Freiwilligkeit ist hier eine denkbare Variante. Wenn man spartenspezifisch – sektionsspezifisch, wie das in der Kammer so schön heißt oder hieß, jetzt heißt es spartenspezifisch – zu Vereinbarungen kommt und sagt: Wir machen Ausbildungsverbünde, wir verteilen die Schwerpunkte und die Lasten in der Lehrlingsausbildung!, dann ist das sicherlich sinnvoll und zweckmäßig.

Wenn es allerdings in Richtung einer Lehrlingsstrafsteuer geht – wie das zum Beispiel in Deutschland die sozialdemokratische Bundestagsfraktion gegen den Willen meines sozialdemokratischen Wirtschafts- und Arbeitsminister-Kollegen Clement beschlossen hat –, dann ist das eine Zwangsgeschichte mit irgendeinem zentral verwalteten Fonds in Wien, der wieder teuer kommt. Das wollen wir nicht. Ganz in unserem Sinne ist jedoch das Vorarlberger Modell und sind insgesamt Vorschläge des Kollegen Blum. Ich freue mich, dass das ein Mann ist, der auch in Gewerkschaftskreisen in hohem Maße akzeptiert ist.

So gesehen bin ich hier also diametral anderer Auffassung als Sie, Herr Bundesrat. Ich glaube, das ist ein Asset, und es ist im Übrigen auch ein Asset und ein Vorteil österreichischer Unternehmungen im internationalen Wettbewerb. Bei der tertiären


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 69

Ausbildung bin ich mir nicht so sicher, ob wir international besonders gut liegen, aber im Bereich der dualen Ausbildung bin ich ganz sicher dieser Auffassung.

Die aus meiner Sicht bemerkenswerte Stellungnahme der Frau Bundesrätin Konrad hat viel Wahres an sich gehabt. Natürlich gehört das weiterentwickelt! Ich darf daran erinnern, dass wir – ich glaube oder bin mir sogar sicher, im Rahmen einer Allparteien-Vorgangsweise – die integrierte Berufsausbildung entwickelt haben, vor einigen Monaten auf Basis einer Sozialpartnereinigung, weil eben nicht alle Menschen gleich sind, auch nicht gleich begabt. Es gibt nun einmal weniger begabte junge Menschen, es gibt lernschwache und lernunwillige junge Menschen, es gibt leider Gottes auch behinderte junge Menschen. Für diese das Modell einer integrierten Berufsausbildung zu schaffen, mit einer Teillehre, mit durchaus auch erheblichen finanziellen Stützungen durch AMS und anderes mehr, das ist etwas, bei dem ich davon überzeugt bin, dass jetzt einmal einige hundert und später einige tausend junge Menschen zumindest in Richtung einer Berufsausbildung, in Richtung einer Qualifizierung gehen und bessere Chancen als bisher auf dem Arbeitsmarkt haben werden.

Ich glaube auch, dass man für die begabten jungen Menschen noch mehr tun soll. Es gibt zum Beispiel Vorschläge meines Kollegen Fasslabend für eine „Superlehre“; ich bin mir nicht sicher, ob dieser Begriff so vernünftig ist, aber es geht darum, eine Lehre zu entwickeln, die den besonders Begabten Chancen und Möglichkeiten gibt. Blum schlägt beispielsweise vor, dass man für die lernscheuen jungen Menschen, die sehr talentiert sind, aber von der Schule einfach genug haben, Lehrberufe entwickelt, die Basislehrberufe darstellen, aber vielleicht nicht ganz so weit gehen, wie das mancher High-Tech-Lehrberuf heute tut. Vielleicht kann man das auch mit der Modularisierung, die Frau Bundesrätin Konrad angesprochen hat, zusammenhängen. Wir wollen ja aus den derzeit zirka 270 Lehrberufen rund 100 Basismodule entwickeln. Ähnlich wie im AMS-Bereich – darauf komme ich noch zu sprechen – ist auch im Bereich der Berufs­ausbildung der Konsens auf Sozialpartnerebene in Wirklichkeit viel, viel größer, als man es im Plenum des Hohen Hauses, des Nationalrates und heute auch des Bun­desrates, hört.

So zünftlerisch sind die Kammern nicht! Was jetzt die Sozialdemokratie in Deutschland gerade als Kompromiss in Sachen deutsche Gewerbeordnung herausgeholt und aus­verhandelt hat, das haben wir in Österreich schon längst gemacht. Bei uns ist das weit liberaler geregelt, und Sie wissen das auch, sehr geehrter Herr Bundesrat.

Was die Arbeitsmarktentwicklung anbelangt: Herr Bundesrat Kaltenbacher, es ist Ihnen unbenommen, mir als Arbeitsminister eine destruktive Arbeitsmarktpolitik vorzuwerfen. Es gilt das Prinzip der freien Rede für Sie und auch für mich. Ein bisschen bemerkens­wert finde ich es schon, dass Sie das so sagen, weil Sie als Geschäftsführer einer regionalen Geschäftsstelle des AMS hoffentlich eine andere Arbeitsmarktpolitik und keine destruktive mitgestalten. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Bundesrat Kraml: Gott sei Dank macht er das!)

Auch habe ich den Eindruck, sehr geehrter Herr Bundesrat, dass gerade in der Steier­mark ausgezeichnete Arbeitsmarktpolitik gemacht wird. Ich darf dem Hohen Bundesrat mitteilen – wir veröffentlichen das normalerweise nicht, also bitte nicht weitersagen –, wir haben uns Mitte Dezember die Arbeitsmarktdaten aus den diversen Computern heraus­geholt, und es ist so, dass die Steiermark per Mitte Dezember mit einer Ar­beitslosenquote von minus 3,9 Prozent österreichweit den zweitbesten Wert aufzu­weisen hat. Das mag in Judenburg und Umgebung ein bisschen anders sein, aber in der Steiermark insgesamt ist es sehr gut. Das beste Bundesland in dieser Stichtags­betrachtung ist Oberösterreich, sehr geehrter Herr Bundesrat – ich weiß mich mit der Geschäftsführung des AMS Oberösterreich im Regelfall sehr einer Meinung und Sie sicher auch –; Oberösterreich: minus 4,1 Prozent.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 70

Ohne jetzt polemisch sein zu wollen: Man muss sich da Wien schon etwas genauer anschauen, weil sich erstmals, seitdem ich Statistiken in der Hand habe, Folgendes feststellen lässt. Niemand bedauert das Ansteigen der Arbeitslosigkeit in Österreich, erst recht der Jugendarbeitslosigkeit, mehr als ich, das können Sie mir glauben. Aber von im Jahresabstand plus 8 124 Arbeitslosen insgesamt in Österreich, von 8 124 mehr Arbeitslosen im Jahresabstand per Mitte Dezember kommen plus 8 422 aus Wien! Hoher Bundesrat, das heißt, dass Österreich ohne Wien im Jahresabstand zurzeit sogar eine leicht sinkende Arbeitslosigkeit, nämlich um etwa 300, hätte.

Ich begrüße es sehr, dass jetzt Kollege Rieder die Sozialpartner und viele andere einlädt und 2 Millionen € aus Wiener Landesmitteln drauflegt. Es ist gut, dass das gestern so gelaufen ist. Mein Haus war da ebenfalls vertreten, wir arbeiten auch gerne mit und gut zusammen. Aber so kann es nicht sein, dass überall anders auf der Welt in den Ballungsräumen, in den Hauptstädten die Arbeitsmarktsituation im Regelfall eine günstigere als an der Peripherie ist – auf dem flachen Land, wie es so schön heißt –, und nur in Österreich ist es umgekehrt. Das wird also seine Gründe haben, und ich glaube, das sollte man auch im Bundesrat ganz offen ansprechen.

So gesehen sage ich daher: Die Arbeitsmarktsituation ist nicht so, dass ich mich darüber freue, aber es muss festgehalten werden, dass wir im europäischen Quer­vergleich in Sachen Arbeitsmarkt insgesamt die drittniedrigste Arbeitslosenquote ha­ben, Hoher Bundesrat, und in Sachen Jugendarbeitslosigkeit die zweitniedrigste; das habe ich schon gesagt. Ich gehe davon aus, dass dann, wenn im nächsten Jahr das Wachstum zurückkehrt – das Wachstum 2004 wird kommen! –, uns das Wachstum innerhalb von sechs Monaten in eine Lage versetzen wird, dass es, Herr Professor Böhm, auf dem Arbeitsmarkt insgesamt auch wieder erfreulicher wird. (Bundesrat Kraml: ... Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen sagen, Herr Bundesminister!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit zu den Anmerkungen der Frau Bun­desrätin Lichtenecker, ich würde oder wir würden die Arbeitslosigkeit in Statistiken verstecken: Glauben Sie mir, ich habe in den Statistiken nichts, aber auch schon gar nichts verändert, seit ich Arbeitsminister geworden bin! Das war schon immer so oder fast schon immer so. Jedenfalls habe ich das, was ich von meinen sozialdemo­kra­tischen Vorgängern übernommen habe, fortgeführt.

Frau Petrovic, Ihre Parteifreundin, hat mir im Plenum mehrfach vorgeworfen, wir wür­den die Arbeitslosenstatistik schönen, indem dort geringfügig Beschäftigte angerechnet würden. Es hat Monate, um nicht zu sagen Jahre gedauert, bis ich Frau Dr. Petrovic davon überzeugen konnte, das die nie drinnen waren: Geringfügig Beschäftigte sind dort nicht als beschäftigt erfasst! Ich bin ja immer gerne bereit, kleine Irrtümer aufzu­klären. Man kann natürlich sagen, dass diejenigen Menschen, die in Schulungen sind, Arbeit suchen. Aber es hat nur einen Sinn, Statistiken im europäischen Quervergleich und auch in einer österreichischen Kontinuität zu betrachten, und da waren eben diejenigen Menschen und diejenigen Arbeitslosen, die in Schulungsmaßnahmen befindlich waren, immer nicht mitgerechnet. Auch da habe ich nichts geändert.

Die Veränderungen in Sachen Arbeitslosengeld und DLU sind schon mit dem Budget­begleitgesetz, dem der Hohe Bundesrat im Juli zugestimmt hat, beschlossen worden, sehr geehrte Frau Bundesrätin. Was wir mit dieser kleinen Veränderung jetzt er­mög­lichen, ist die gleichzeitige Beziehung von DLU und Arbeitslosengeld. Das ge­schieht also durchaus im Sinne und zum Vorteil von arbeitslos gewordenen Menschen.

Im Übrigen darf ich hier Ihren Sozialsprecher Öllinger zitieren, normalerweise ein harscher und harter, meistens auch ein ernsthafter und seriöser Kritiker meiner Arbeitsmarktpolitik. Er hat unlängst – vielleicht in einer Minute der honorigen, ehrlichen Schwäche – in einem Ausschuss Folgendes gesagt, und zwar nicht zu mir, sondern zu


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 71

einem anderen Abgeordneten, und ich habe mir das Zitat sehr genau gemerkt: Da können Sie machen, was Sie wollen, ohne Wachstum werden Sie keine Beschäftigung bekommen. – Das ist das, was ich Jahr und Tag sage: Der Schlüssel für mehr Be­schäftigung, der Schlüssel für eine Reduktion der Arbeitslosigkeit ist Wachstum, ist letztlich Wirtschaftsaufschwung! Dieser kommt jetzt hoffentlich, drei Jahre lang hatten wir ihn nicht. Die aktive Arbeitsmarktpolitik – in Richtung Langzeitarbeitsloser, Junger, Älterer, auch in Richtung von Frauen selektiv und bevorzugt vorzugehen – läuft in Österreich relativ gut, aber das kann leider den generellen Trend, ohne dass wir Wachstum zurückbekommen, nicht ausgleichen.

Sie kritisieren Mittelkürzung. – Ja und nein! Es hilft einfach nichts, wenn ich im Jah­re 2003 die Möglichkeit gehabt habe, eine Arbeitsmarktrücklage aufzulösen. 112 Mil­lionen € waren als Rücklage noch vorhanden, diese haben wir zum Ende des Jah­res 2002, im Jahre 2003 und mit 23 Millionen € noch im Jahre 2004 zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit investiert. Dann ist diese Rücklage fort, sie ist aufgebraucht, und es steht keine weitere Rücklage zur Verfügung.

Es ist aber gelungen – und dafür danke ich den Arbeitgebern sehr, weil das ihr Geld ist, weil das ihre Beiträge aus dem Insolvenzentgeltsicherungsfonds sind –, erhebliche Mittel freizumachen. So kann ich sagen, dass im nächsten Jahr über „Jobs for you(th)“ und die Verlängerung des Programms insgesamt rund 60 Millionen € zur Verfügung stehen werden, wenn ich hier auch die eine oder andere Million aus den Ländern hin­zurechne. Das ist im Vergleich zu den 80 Millionen des Jahres 2003 zwar weniger, aber doch nicht so wenig, und es ist jedenfalls ein klares Mehrergebnis gegenüber dem, was wir im Jahre 2002 zur Verfügung hatten.

Lassen Sie mich zum Thema Jugendbeschäftigung auch sagen, dass es im National­rat – und darum habe ich mich sehr bemüht – eine Dreiparteieneinigung gegeben hat, nämlich eine Einigung mit den Sozialdemokraten. Ich habe darüber mit Präsident Verzetnitsch verhandelt, und er konnte die sozialdemokratische Fraktion dazu moti­vieren, hier mitzugehen, weil wir sinnvolle Maßnahmen setzen. In diesem Bereich lege ich sehr stark Wert auf Konsens. Wir haben zum Beispiel auch vereinbart – und ich habe dann das AMS dazu angewiesen –, junge Menschen, die jetzt in einem Lehrgang sind, entweder seitens des AMS auf eine Lehrstelle zu vermitteln oder, wenn eine solche Lehrstelle nicht verfügbar ist, quasi automatisch in einen nächstjährigen Lehr­gang zu transferieren. Das war in dieser Automatik bisher nicht der Fall. Präsident Verzetnitsch hat diesen Vorschlag an mich gerichtet, wir sind hier übereingekommen, und es war dies dann mit die Basis für eine Dreiparteieneinigung im Nationalrat, über die ich mich sehr gefreut habe.

Das heißt, wir bleiben dabei: Jeder junge Mensch, der eine Lehrstelle sucht und keine be­kommt, erhält zumindest einen Lehrgangsplatz. Diese Garantie gibt es, das Ju­gendausbildungs-Sicherungsgesetz, das Netz von 5 500 Lehrgangsplätzen sorgt dafür, dass niemand auf der Straße bleibt, und für die 19- bis 24-Jährigen sorgen wir mit einer Verlängerung und Verbesserung des „Jobs for you(th)“-Programms sowie auch einer finanziellen Dotierung dafür, dass zumindest 6 000 junge Menschen auf diese Art und Weise eine zweite Qualifizierungschance bekommen – oder auch eine dritte, wenn es sein muss –, die sie sonst nicht gehabt hätten.

Eine Vielzahl von anderen Maßnahmen: Lehrlingsausbildungsprämie, den Rechts­an­spruch oder den Anspruch auf Qualifizierung von Arbeitslosen, wenn sie unter 25 Jah­re alt sind, Lohnnebenkostensenkung speziell auch für jüngere Menschen und für Lehrlinge, all das erwähne hier auch, weil diese Bundesregierung und mein Haus in den letzten Monaten sehr, sehr engagiert Maßnahmen zur besseren Jugend­beschäfti-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 72

gung gesetzt haben. – Ich danke sehr, Frau Präsidentin. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

13.59

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Übereinkom­men (Nr. 183) über die Neufassung des Übereinkommens über den Mutterschutz (Neufassung) samt Erklärung der Republik Österreich sowie die Empfehlung (Nr. 191) betreffend die Neufassung der Empfehlung betreffend den Mutterschutz (22 d.B. und 319 d.B. sowie 6934/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Weilharter übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Engelbert Weilharter: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zu Tagesord­nungs­punkt 6.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, sodass ich auf einen inhaltlichen Vortrag verzichten darf und mich auf die Antragstellung beschränke.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates betreffend Übereinkommen (Nr. 183) gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen,

3. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Absatz 2 B-VG den ge­gen­ständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Ein­spruch zu erheben.

4. Die Empfehlung (Nr. 191) betreffend die Neufassung der Empfehlung betreffend den Mutterschutz zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht und die Antrag­stellung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Kerschbaum. – Bitte.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 73

14.02

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich bin offensichtlich die einzige berufene Mutter hier herinnen. Ich freue mich, dass wir dieses Übereinkommen zum Mutterschutz beschließen. Es ist internationales Recht und im nationalen Recht bereits großteils umgesetzt.

Ein einziger Punkt, der auch im Nationalrat schon einmal erwähnt worden ist und den ich jetzt noch einmal vorbringen möchte: „Die Geldleistungen sind auf einem Niveau festzusetzen, das den Unterhalt der Frau und ihres Kindes in einwandfreien ge­sund­heitlichen Verhältnissen und bei angemessener Lebenshaltung gewährleistet.“ – Ich denke, dies ist ein Punkt, den man vielleicht im nationalen Recht noch ein wenig nach­bessern könnte. Ansonst sind wir da sicher in vielen Punkten schon weiter voraus.

Leider ist dieses Übereinkommen erst von 27 Staaten unterzeichnet worden. Weltweite arbeitsrechtliche Mindeststandards sind aber eine Grundvoraussetzung für einen gerechten Welthandel. Deshalb ist es wichtig, dass diese Bestimmungen weltweit anerkannt werden.

Aber auch in Österreich sind nicht alle diese Bestimmungen und alle Übereinkommen der ILO unterzeichnet worden. Wir haben hier das Übereinkommen Nr. 183. Österreich hat bisher 52 Übereinkommen ratifiziert. Es ist natürlich unbestritten, dass die meisten dieser Übereinkommen im österreichischen Recht ohnehin umgesetzt sind. Es wäre trotzdem schön und gut, würden diese Ratifizierungen möglichst rasch nachgeholt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.03

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Daher ist die Debatte ge­schlos­sen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich erinnere: Der vorliegende Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder. Daher bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jetzt einmal jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Ein­spruch zu erheben, ist somit angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Na­tional­rates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen, ist somit angenommen.

Ferner bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, ge­gen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegen­ständ­lichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies wieder Stimmenein­hellig­keit. Der Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 74

gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Schließlich bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die Empfehlung (Nr. 191) betreffend die Neufassung der Empfehlung betreffend den Mutterschutz zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies wieder Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, die Empfehlung (Nr. 191) betreffend die Neufas­sung der Empfehlung betreffend den Mutterschutz zur Kenntnis zu nehmen, ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung (FTE-Nationalstiftungsgesetz) erlassen wird, das Einkommensteuergesetz 1988, das Bundesfinanzgesetz 2003 und das Bundesfi­nanz­gesetz 2004 geändert werden, ein Bundesgesetz, mit dem Überschreitungen von Ausgabenansätzen der Anlage I des Bundesfinanzgesetzes 2003 bewilligt werden (Budgetüberschreitungsgesetz 2003 – BÜG 2003), erlassen wird, das ERP-Fonds-Gesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird, das Bundesgesetz über die vorübergehende sachliche Immunität von Leihgaben zu Ausstellungen der Bundesmuseen erlassen wird sowie das ASFINAG-Gesetz geändert wird (Wachstums- und Standortgesetz 2003) (313 d.B. und 324 d.B. sowie 6921/BR d.B. und 6935/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (325 d.B. sowie 6922/BR d.B. und 6936/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz und das Pensions­kas­sengesetz geändert werden (276 d.B. und 326 d.B. sowie 6937/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend eine Änderung von Anhang II des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen (295 d.B. und 327 d.B. sowie 6938/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 bis 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 7 bis 10 hat Herr Bundesrat Wolfinger übernom­men. Ich bitte um die Berichte.

 


Berichterstatter Franz Wolfinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung erlassen wird, das Ein­kom­mensteuergesetz 1988, das Bundesfinanzgesetz 2003 und das Bundesfinanzge-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 75

setz 2004 geändert werden, ein Bundesgesetz, mit dem Überschreitungen von Ausga­benansätzen der Anlage I des Bundesfinanzgesetzes 2003 bewilligt werden (Budget­über­schreitungsgesetz 2003), erlassen wird, das ERP-Fonds-Gesetz und das Aus­länder­beschäftigungsgesetz geändert wird, das Bundesgesetz über die vorüberge­hende sachliche Immunität von Leihgaben zu Ausstellungen der Bundesmuseen erlas­sen wird sowie das ASFINAG-Gesetz geändert wird.

Der Inhalt des Berichtes liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezem­ber 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird.

Der Inhalt des Berichtes liegt in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezem­ber 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebliche Mitarbeiter­vorsor­gegesetz und das Pensionskassengesetz geändert werden.

Der Inhalt des Berichtes liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 3. De­zember 2003 betreffend eine Änderung von Anhang II des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen.

Hier liegt ebenfalls der Inhalt des Berichtes in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte bezie­hungs­weise für die Antragstellung.

Wir gehen in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 


14.10

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich mir dieses Gesetzeskonvolut, dieses Gesetzespaket ansehe, dann kann ich grundsätzlich nur sagen: Wir brauchen Wachstums- und Standortmaßnahmen mehr denn je.

Es hat im Oktober einen OECD-Wirtschaftsbericht gegeben, der Herr Staatssekretär wird ihn ja besser kennen als ich. Ich kann aus diesem Bericht hier wörtlich zitieren: In den letzten Jahren hat sich die Wachstumsentwicklung gegenüber den anderen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 76

Staaten mit hohem Einkommensniveau verschlechtert, und die Arbeitslosigkeit stieg in Österreich auf ein bisher kaum verzeichnetes Niveau an. – Zitatende.

Weiters wird in diesem Bericht noch kritisiert, dass eigentlich unsere Budgetkonso­lidierung im Wesentlichen kaum ausgabenseitig, sondern eben fast nur einnahmen­seitig erfolgte. Was von dieser Bundesregierung als Kosteneinsparung im öffentlichen Dienst verkauft wurde, das hat sich eigentlich durch ganz extensive Frühpensionie­rungsmaßnahmen in diesem Bereich mehr als aufgehoben.

Da wir eine Wirtschaftskammerpräsidentin unter den Bundesräten haben, gestatten Sie mir hier ein Bonmot am Rande. Diese Frühpensionierungsprogramme der Bundes­regierung wurden, wie ich meine, nur noch durch die Maßnahmen der Bundeswirt­schaftskammer übertroffen, wo man Mitarbeiter – darunter sogar welche mit 49 Jah­ren – mit halben Bezügen nach Hause geschickt hat. Das sind eigentlich Maßnahmen, die geradezu ein Hohn sind, wenn ich daran denke, dass diese Bundesregierung an­getreten ist, die Erwerbsbeteiligung in dieser Republik anzuheben.

Ich muss sagen, der Wirtschaft in diesem Land kommt jetzt ein weiterer wesentlicher Impulsgeber abhanden. In der heutigen Ausgabe der „Oberösterreichischen Rund­schau“ findet sich ein Hilfeschrei des Gemeindebundpräsidenten – übrigens ein ÖVP-Mandatar. Gemeindebundpräsident Franz Steininger, ein oberösterreichischer Bürger­meister, sagt, jede zweite Gemeinde werde im nächsten Jahr Verluste schreiben. Was bedeutet das? – Wir haben hier eine Reihe von Bürgermeistern aller Couleurs. – Das bedeutet auch, dass das Wachstum in diesem Land, das ganz wesentlich von den Gemeinden als ganz große Auftraggeber abhängt, gebremst wird. Es gibt vom Ge­meindebund sogar eine Aussage dahin gehend, dass die Gemeinden in dieser Re­publik der größte Auftraggeber an die Wirtschaft sind, dass dieser Auftraggeber lang­sam abhanden zu kommen droht. Da muss man eigentlich eine sehr klare Schuld­zuweisung vornehmen, denn der Gemeindebundpräsident sagt, die Finanzmisere der Gemeinden sei nicht hausgemacht, sondern die Ursache sei der Finanzausgleich zwischen dem Bund und den Gemeinden, der für die Gemeinden einfach nicht mehr tragbar sei.

Herr Staatssekretär! Da besteht, wie ich meine, ganz dringender Handlungsbedarf Ihres Ressorts. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das liegt auch am abgestuften Bevöl­kerungsschlüssel!) – Ja, ich darf Ihnen dazu sagen, ich komme aus der Stadt Linz. Wenn ich mir das nach den Maastricht-Kriterien jetzt ansehe, dann stelle ich fest, auch dort werden im Jahr 2004 20 Millionen € fehlen, die man in der oberösterreichischen Landeshauptstadt auch nicht investieren kann. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das hat nichts damit zu tun!) Das ist die Gangart des Herrn Bundesministers Grasser, der das so nach Brüssel berichtet hat. (Bundesrat Konecny: Die Bürger sehen das etwas anders!) Ja, die Bürger sehen das anders. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Herr Doktor, Sie kommen, wie ich meine, aus dem öffentlichen Dienst, wo es andere Pen­sionen gibt. Ich kann Ihnen nur sagen, auch mir als Wirtschaftstreibendem war das soziale Thema sehr wichtig. Ich war lange Zeit Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz. Die 20 Millionen €, die uns nächstes Jahr in Linz fehlen, sind, Frau Bürgermeister, genau der Betrag, den wir bräuchten, um die 36 Millionen für die sechs Altenpfle­geheime in Linz abzudecken. (Bundesrat Konecny: Und die Regierung lässt sie im Stich!) Dort gibt es nämlich viele Pensionisten, die nur 600 € im Monat haben, der restliche Betrag muss abgedeckt werden, aber die Regierung lässt sie im Regen stehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich muss bitten, dass man das nicht auf meine Redezeit anrechnet. (Bundesrat Schennach: Sie ist nicht beschränkt!)

Eine Stadt und auch eine Gemeinde muss man meiner Meinung nach wie einen Be­trieb betrachten. Da werde ich wahrscheinlich hier sogar die Unterstützung der ÖVP-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 77

Regierungsmitglieder finden. Wenn ich eine Berechnung vornehme, dann stelle ich fest, dass das Eigenkapital der Stadt Linz in Relation zum Schuldenstand etwa 80 Prozent beträgt. Wenn ich die Zahlen der Nationalbank richtig im Kopf habe, dann beträgt die durchschnittliche Eigenkapitalquote eines österreichischen Unternehmens 26 Prozent und nicht 80 Prozent. So sieht es also aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Da die Redezeit beschränkt ist, nun wirklich zurück zu unserer Wirtschafts- und Stand­ortsicherung. (Anhaltende Zwischenrufe.) Ich glaube, dass auch die Stadt Wien viele Struk­turmaßnahmen setzt, die von Einpendlern genutzt werden und dergleichen mehr.

Aber vielleicht sollten wir uns noch etwas ansehen. Ich möchte hier noch einen sehr fachkundigen Landsmann zitieren, und zwar Professor Schneider von der Universität Linz, der von der Industriellenvereinigung kürzlich den Auftrag erhielt, festzustellen, wie denn eigentlich die Standortkriterien in Österreich noch sind. Er hat 24 Stand­ort­kriterien verglichen – er hat die Schweiz, Schweden, Holland, Finnland, Dänemark, Bel­gien, Irland und Österreich verglichen –, und ich muss Ihnen sagen, Herr Staats­sekretär, bei diesen 24 Standortkriterien konnten wir nur mehr bei sieben den Durch­schnitt erreichen. Bei 17 Standortkriterien sind wir zurückgefallen und bereits unter­durchschnittlich.

Es ist eigentlich für die Einrichtung von Dingen wie einem nationalen Forschungsfonds und dergleichen mehr nicht mehr fünf vor zwölf, sondern bereits fünf nach zwölf.

Wenn ich jetzt die Vorstellungen der Bundesregierung im Bericht zu diesem Bundes­gesetz lese, dann frage ich mich schon, ob man eigentlich die forschende Wirtschaft sehr ernst nimmt. Da steht zum Beispiel, die Abwicklung soll über bestehendes Instru­mentarium, über Einrichtungen, die bereits vorhanden sind, und dergleichen mehr erfolgen.

Ich habe eigentlich nur die eher sehr glücklos agierende Austria Wirtschaftsservice GmbH gefunden, und ich muss sagen, das geht dort schon los. Wenn Sie als mittleres Unternehmen auf der Homepage diese Institution suchen, dann finden Sie unter „AWS“ die Abfallwirtschaft Schwechat, weil man vergessen hat, sich rechtzeitig die Domain zu sichern. Es gibt dort freilich noch eine Vielzahl von Ressourcen. Ich habe mir das herausgesucht: Dort geht seit einem halben Jahr, glaube ich, schon ein gewisser Herr Percival Pachta-Rayhofen nicht mehr seiner Arbeit nach, sondern wird dort voll be­soldet als Vorstandsdirektor. Man findet dort auch viele leere Büros, denn im Rahmen der Übersiedlung wurde vergessen, dass man im Gasometer Hunderte Quadratmeter für diese Institution angemietet hat, die jetzt leer stehen, wo weiter Miete bezahlt wird. Es ist, wie ich meine, ein wenig eine Zumutung für die Wirtschaft, zu glauben, dass dort jetzt eine florierende Wirtschaftsförderung für forschende Unternehmen erfolgreich abgewickelt werden kann.

Ein Meisterstück ist der Bundesregierung mit dieser neuen Forschungsinstitution dann noch gelungen, indem man den BÜRGES-Fonds aufgelöst hat. Ich habe mir die Zahlen herausgesucht, und zwar jetzt aus einem anderen Bereich, nämlich aus dem touristischen, dort hat man das jetzt in die ÖHT übergeführt. Da wurden immerhin im Jahr 2000 noch 422 Betriebe gefördert und 240 Haftungen übernommen.

Wie geht es den kleinen Betrieben in Österreich jetzt in dieser Branche? – Im Jahr 2002 wurden von der neuen Institution für Förderungen, die Sie geschaffen ha­ben, 240 Förderungen und ganze 10 Haftungen übernommen! Ich glaube, da wird es auch bei der Forschungsförderung zu Problemen kommen, denn es ist nicht ganz nach­vollziehbar, wie heute Betriebe das machen, die dringend Haftungsübernahmen, Bürgschaften brauchen, wenn Basel II Platz greift, die eigentlich auf so etwas zugreifen sollten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 78

Abschließend – die rote Lampe leuchtet schon –: Mir kommt das, was Sie hier machen, eigentlich vor wie ein Zaubertrick. Sie schreiben hier hinein: 70 Millionen für diesen Fonds kommen aus der Nationalbank – soweit ich weiß, wurden bereits jetzt solche Mittel über den Jubiläumsfonds zur Verfügung gestellt –, und 50 Millionen ... (Zwi­schen­bemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) – Ja, aber ein Teil davon! Und aus den Gewinnen!

Mir fehlt ja eigentlich in dem Gesetz: Wer garantiert dafür, dass, wenn die Nationalbank keine Gewinne macht, in diesem Topf dann überhaupt noch Geld ist? – Denn die zweite Tranche, Herr Staatssekretär, hat es ja überhaupt in sich: 50 Millionen sollen aus dem ERP-Fonds kommen. Wer das nicht weiß: Das sind die Gelder, die die Vereinigten Staaten damals im Rahmen des Marshall-Planes zum Wiederaufbau der Republik zur Verfügung gestellt haben. Und soweit ich eruieren konnte, ist Ihr Haus, Herr Staatssekretär, in diesem Bereich erst in einem Notenwechsel mit den Vereinigten Staaten.

Wir haben heute Landeshauptmann Haider hier gehabt. Er war ja vor fünf Jahren im Sommer längere Zeit in einem Ausbildungsverhältnis in den Vereinigten Staaten und hat uns damals erklärt: Das politische System, die Administration in den Vereinigten Staaten – dort hat man den Stein der Weisen gefunden. – Wer sich damit ein bisschen näher beschäftigt, wird feststellen, dass solche Dinge dort sogar bis in den Kongress gehen! Also ich wünsche jedem, der auf diese Gelder zugreifen will, rasch zugreifen will, viel Glück! Vor allem werden Sie das Tempo, das hier notwendig wäre im Sinne der österreichischen Wirtschaft, nicht halten können.

Ich glaube, dass wir es hier eigentlich mit einer Mogelpackung zu tun haben: Wir beschließen hier – oder: sollen hier beschließen – über Gelder, über die eigentlich gar nicht disponiert werden kann. Und ich kann Ihnen sagen: Unsere Fraktion, unser Klub nimmt die österreichische Wirtschaft und vor allem die kleinen und mittleren Betriebe, die es sich nicht richten können, die keine Lobby in der Wirtschaftskammer und in der Industriellenvereinigung haben (Ruf bei den Freiheitlichen: Oja, haben sie!), zu ernst, um solch einem Gesetz, solch einer Mogelpackung, solch einem Etikettenschwindel zustimmen zu können. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.22

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Kollegin Zwazl gemeldet. – Bitte.

 


14.22

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesrat Schimböck! Sie konzentrieren sich immer auf die Wirtschaftskammer und natürlich auf mich – es freut mich, dass hier sehr oft die Wirtschaft angesprochen wird. Ich bin Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich, und für die stehe ich jetzt auch hier.

Wir haben in der Wirtschaftskammer Niederösterreich 500 Mitarbeiter, mit den Inter­naten 800 Mitarbeiter, und von diesen Mitarbeitern sind zwölf in gesetzliche Alters­teilzeit gegangen und vier in freiwillige, und das betrifft Männer mit 58,5 bis 60 Jahre und Frauen mit 53,5 ... (Bundesrat Wiesenegg: Das ist jetzt ein Debattenbeitrag!) – Nein. Er hat mich angesprochen und hat gesagt, die Wirtschaftskammer hat mit 49 ... (Bundesrat Manfred Gruber: Er hat von der Bundeswirtschaftskammer gesprochen! – Bundesrat Kraml: Sie sind jetzt eine Klasse darunter, Frau Kollegin!)

Wenn er mich anspricht als Präsidentin der Wirtschaftskammer, dann erlauben Sie mir bitte, dass ich hier etwas richtig stelle. Man kann ja immer ... (Bundesrat Manfred Gru­ber: Er hat von der Bundeswirtschaftskammer gesprochen!) Er hat mich als Präsi­dentin angesprochen – und als Präsidentin stehe ich hier, meine Herren! Er hat gesagt:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 79

Hier sitzt die Präsidentin!, und ich kann nur über das reden, wobei ich mich auskenne, und das ist die Wirtschaftskammer Niederösterreich. Und da habe ich Ihnen jetzt gesagt, dass dieser Anteil wirklich verschwindend klein ist. (Beifall bei der ÖVP.)

14.23

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zum Wort gemeldet: Kolle­ge Mag. Baier. – Bitte.

 


14.24

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Schimböck! (Der Redner macht eine kurze Pause, bevor er weiterspricht. – Bundesrat Manfred Gruber: Ihnen fehlen die Worte!) Sie werden draufkommen, dass sie mir nicht fehlen!

Wenn die SPÖ und Sie als Bundesrat – als Mitglied der Bundesratsfraktion der SPÖ – von Budgetkonsolidierung sprechen, dann wird mir schon ein wenig schwummrig. (Bun­desrat Manfred Gruber: Uns ist schon schwummrig! Wissen Sie, wovon Sie reden? Sie haben keine Ahnung!) – Denken wir nur an die 30 Jahre SPÖ-Regie­rungs­beteiligung, wo Sie Jahr für Jahr Abermilliarden von Schulden gemacht haben, die letztlich der Jugend und der jungen Generation, zu der ich zähle, die Zukunft geraubt haben. (Bundesrat Manfred Gruber: Sie scheinen keine Ahnung zu haben! – Bundes­rätin Schlaffer: Sie werden auch nicht die Mittäterschaft der ÖVP leugnen können!) Da können Sie noch so sehr dazwischenrufen, das ist die Wahrheit – und die werden Sie nicht wegwischen können! (Beifall bei der ÖVP.)

Und da Sie, was ich nicht gewusst habe, die Finanzsituation der Stadt Linz ange­spro­chen haben – Sie waren ja Gemeinderat, was ich mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt habe –, darf ich Sie daran erinnern, dass die freie Finanzspitze der Landes­hauptstadt Linz nahezu gleich null ist. Und auch wenn Sie uns das Märchen vom Unternehmen mit so viel Anlagevermögen und mit so viel Eigenkapital immer wieder auftischen wollen – es wird dadurch nicht wahrer werden.

Faktum ist, dass in Linz die Gebühren wahrscheinlich demnächst angehoben werden müssen. Das ist das Faktum! Diese Wahrheit verschweigen Sie, aber das muss ich auch hier im Bundesrat klarstellen. (Bundesrat Manfred Gruber: Sie scheinen von Kom­munalpolitik keine Ahnung zu haben! Sie sind ein kommunalpolitisches Nacker­batzerl!)

Warum hier etwas beschlossen wird, was quasi erst als Note in einem anderen Land eingebracht werden müsse, fragten Sie. – Ich möchte hier keine staatsrechtliche Vorlesung halten, aber wenn nicht der Gesetzgeber eine gesetzliche Grundlage schafft für die Handlungen der Regierung, ja wer soll es dann sonst tun, wer als das Hohe Haus, der Nationalrat und der Bundesrat? Wer soll es denn dann tun?

Im Besonderen möchte ich hier auf die Nationalstiftung eingehen: Ich beurteile den Vorgang und die Absicht, dass eine Nationalstiftung eingerichtet werden soll, sehr, sehr positiv. Es gibt damit letztlich die Möglichkeit, relativ unabhängig, natürlich immer wieder unter wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – Sie haben die Gewinne der Nationalbank bereits angesprochen –, Gelder für die Forschungs- und Technologie­entwicklungsförderung bereitzustellen.

Diese Stiftung ist ein nachhaltiger Beitrag zur langfristigen Finanzierung besonderer For­schungsvorhaben. Sie kann unabhängig vom Haushalt des Bundes finanziell agieren und damit langfristige Strategien und Projekte in Forschung, Technologie und Entwicklung schaffen und auch betreuen. Es handelt sich meiner Ansicht nach um eine Initialzündung in der österreichischen Forschungsgeschichte, die maßgeblich zur Positionierung und Internationalisierung nationaler Forschungsexzellenzen beitragen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 80

wird. Es wird erstmals nicht nur von einer zusätzlichen Forschungsmilliarde gespro­chen, sondern tatsächlich danach gehandelt! Mit der Dotierung der Stiftung aus den Kapitalstöcken des ERP-Fonds sowie aus der Nationalbank wird ein zusätzliches Volumen von rund 100 Millionen € geschaffen – das sind in der alten Währung 1,3 Mil­liar­den Schilling und damit mehr als die viel zitierte Forschungsmilliarde.

Die vorgesehene Umwidmung des Gewinns aus den Rücklagen der Nationalbank führt zudem zu einer Umleitung von zirka 40 Millionen € zugunsten der Forschung und Entwicklung in Österreich, und ich meine, dass damit auch ein erheblicher Beitrag von Seiten des Bundes geleistet wird.

Ich sehe das als sehr erfrischenden Beitrag in der Diskussion um die For­schungs­förderung insgesamt und würde Sie deshalb ersuchen, diesem Antrag zuzustimmen und damit dem Forschungsstandort Österreich einen guten Dienst zu erweisen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.29

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet hat sich Frau Dr. Lichtenecker.

 


14.29

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Es dürfte, scheint es, eine Oberösterreich-Debatte werden – da sieht man, wie ernst man in Oberösterreich das Thema Forschung nimmt!

Generell ist einfach einmal klarzustellen, wie wichtig der Bereich Forschung ist und wie wenig er bislang von dieser Regierung wahrgenommen wurde – aber auch von vorher­gegangenen Regierungen, das sei an dieser Stelle gesagt. Forschung und Lehre sind sehr wohl eine zentrale Aufgabe des Staates, die er wahrzunehmen hat, und das ist auch wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung, für die kulturelle Entwicklung, für die soziale Entwicklung.

Welche Forschungsquote haben wir in Österreich? – In Österreich haben wir 1,9 Pro­zent des BIP. Das muss man sich einmal vorstellen! Und wissen Sie, wer noch schlechter ist? – Schlechter in Europa sind Großbritannien, Irland, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland – toll! Das muss man einmal zusammenbringen!

Spannend ist es auch, wenn Sie jetzt einen wirtschaftlichen Kontext suchen, dass Länder mit hohen Forschungsquoten – vielleicht können Sie das dem Herrn Finanz­minister mitteilen –, wie Finnland – die haben 3,37 Prozent – und Schweden – die haben 3,78 Prozent –, auch den höchsten Budgetüberschuss haben: Finnland 2,4 Pro­zent, Schweden 0,2 Prozent. Also auch das ist zu beachten.

Aber letztendlich wird diese Forschungsdiskussion in Österreich auch ein wenig ver­kürzt gesehen. Es ist ganz wichtig, zu sehen, was jetzt bei uns in Bezug auf die ge­setzlichen Regelungen an den Universitäten abgelaufen ist: Es sind Rahmen­bedin­gungen eingeführt worden, die es fast unmöglich machen, einem qualitativ hochwer­tigen Forschungsstaff die Arbeit in diesem Land zu ermöglichen. Einen schönen Gruß an die Frau Ministerin Gehrer! Man wird die Folgewirkungen bedauerlicherweise nicht sofort sehen, sondern das hat mittelfristige und sehr langfristige Wirkungen. – Sehr bedauerlich!

Beim Hochschulbudget liegen wir bei knapp 1,1 Prozent. Der OECD-Durchschnitt beträgt 1,6 Prozent.

Zur Akademikerinnen- und Akademikerquote, die ja letztendlich auch ein Signal ist, wer denn künftig forschen soll – wobei wir uns natürlich freuen, dass Gott sei Dank heute wieder die Grenzen geöffnet wurden und Brücken geschlagen wurden, dass auslän-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 81

dische Forscherinnen und Forscher ins Land kommen. Die Akademikerquote beträgt in Österreich 7 Prozent, schwache 7 Prozent. Sie wissen, international ist das ein wirklich schlechter Wert.

Zur Information für meine oberösterreichischen Kollegen und Kolleginnen: Oberöster­reich liegt überhaupt nur bei 5,2 Prozent.

Dass jetzt Forschungsstrukturen geschaffen werden müssen, die auch die Bezeich­nung „innovativ“ verdienen, da gebe ich Ihnen Recht. Die Absicht, eine Nationalstiftung einzurichten – sehr gut, das ist zu begrüßen und auch zu unterstreichen! Die Vor­gangsweise ist es aber nicht: Einerseits gibt es eine zu geringe Dotierung. Ande­rerseits werden die Mittel des Jubiläumsfonds der Nationalbank – und ich kenne viele aus dem wissenschaftlichen Bereich, die über diese Mittel geforscht haben, span­nende, interessante Projekte durchgeführt haben – lediglich transferiert! Ich kann das nicht einrechnen! Das wäre ein klassischer Fall von Doppelzählung, und das kann es ja wohl nicht sein.

Also: Von wo kommen neue Mittel? – Ich weiß, es wird aufgestockt, aber das ist wirklich nicht das, was mich jetzt tatsächlich bewegt. Ich hätte mir mehr gewünscht.

Das andere ist der heute schon vielmals zitierte ERP-Fonds. Es gibt eine zwölfköpfige ERP-Kreditkommission, die über die Mittelvergabe entscheidet. Ich bin Mitglied in diesem Gremium. Letzte Woche war Sitzung. Ich war in Wien und stellte die Frage: Was ist? Ist die Zustimmung für diesen Transfer von Amerika schon da? Da hieß es: Nein. Gestern hieß es noch immer nein. Ich frage mich: Wie wird da vorgegangen?

Man kann dafür sein oder auch nicht. Ich finde es durchaus begrüßenswert, auch als ERP-Kreditkommissionsmitglied, Mittel in die Forschung überzuleiten, aber über eines müssen sich alle Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft und der Bundesländer hier schon klar sein: Letztendlich sind das Mittel, die dann bei der KMU-Förderung, bei der Regionalförderung und bei der Wachstums- und Infrastrukturförderung fehlen! Das ist so. Aber man muss das einfach festhalten und feststellen: Das sind keine zusätzlichen Mittel, sondern sie werden von woanders abgezogen. Dann habe ich in diesen Be­reichen eben weniger.

Und bei allem Verständnis dafür, dass im Forschungsbereich Feuer am Dach ist und ein zügiges Tempo vorgelegt werden soll, ist eines klar: Man muss die Zustimmung des Verantwortlichen auch abwarten. Da kann ich Herrn Mag. Baier in keiner Weise Recht geben. Meines Erachtens ist diese Vorgangsweise ein Affront gegenüber Amerika – es ist schade, dass das die Frau Außenministerin nicht gehört hat; ich bin überzeugt, sie hätte mir Recht gegeben –, und es ist ein Affront gegenüber dem National- und dem Bundesrat, dass hier etwas beschlossen werden soll, wo jemand anderer in keinerlei Weise zugestimmt hat. Das kann doch wohl so nicht gehen, so macht man doch keine Gesetzesvorlagen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Staatssekretär Finz! Ich bitte um Aufklärung: Woher sollen die neuen Mittel kom­men? Gibt es außer dieser kleinen Aufstockung sonst noch etwas, wovon ich nicht weiß? Als Ziel ist anvisiert: 2006 eine F&E-Quote von 2,5 Prozent. – Sehr gut. Ich bitte aber um Aufklärung, wie das funktionieren soll.

Das wären die zentralen Bereiche im Rahmen der Thematik Stiftung.

Das andere ist die Erhöhung des Forschungsfreibetrages von 15 auf 25 Prozent. Das begrüßen wir prinzipiell, nur sehen wir einige Punkte, die etwas schwierig sind. Da ist einerseits der Mitnahmeeffekt, dass es Firmen jetzt leichter haben, die so oder so Forschung machen würden, aber jetzt ein Zuckerl dafür bekommen. Okay. Aber der andere Punkt ist, dass Klein- und Mittelunternehmungen diese Regelung nicht in vollem Ausmaß nutzen können, weil sie in der Regel ja nicht Forschungsetats in dieser


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 82

Größenordnung haben. Hier müsste man ganz anders ansetzen, nämlich auch Klein- und Mittelunternehmungen den Zugang zu Forschungsergebnissen in diesem Land ermöglichen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.36

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

 


14.36

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Ich glaube, alle kennen den Ausspruch, denn es ist bereits eine Binsenweisheit: Es gibt nichts Älteres als eine Zeitung von gestern.

Meine Damen und Herren! Eine Volkswirtschaft, ein Staat, eine Gemeinschaft, die nicht in Forschung und Technologie investiert, verliert Chancen und läuft dabei auch Gefahr, dass sich der Markt an ihr vorbei entwickelt und diese Volkswirtschaft, diese Gemeinschaft nur mehr das Nachsehen hat und somit gleich uninteressant wird wie eine Zeitung von gestern.

Ich darf das, meine Damen und Herren, an einem Beispiel dokumentieren. – Alle hier im Hause erinnern sich an die erfolgreiche Zweirad-Produktion im Grazer Puch-Werk. Dort wurden Jahrzehnte hindurch Fahrräder, Zweiräder mit einer bestimmten Qualität produziert. Niemand hat darüber nachgedacht: Wie könnte sich das Fahrrad in zehn Jahren, in 20 Jahren, wie könnte sich das Zweirad in der Zukunft entwickeln?

Meine Damen und Herren! Weil man darüber nicht nachgedacht hat und nicht in Entwicklung und Forschung investiert hat, hat man sich entschlossen, diese Produktion zu veräußern. Das Puch-Werk wurde damals an den Piaggio-Konzern, an die Italiener verkauft. Die damaligen Ausverkäufer im Land Steiermark, meine Damen und Herren, waren auch die ÖVP und SPÖ. Der neue Eigentümer, der Piaggio-Konzern, hat zu dem Zeitpunkt, als er das Kaufinteresse angemeldet hat, bereits in die Marktforschung investiert. Der Konzern hatte Entwicklungsstudien, und er hatte insgesamt über die Weiterentwicklung des Zweirades nachgedacht und in sie investiert. Man könnte sagen, er hat damit in die Zukunft investiert – und dieser Zukunft stand nichts mehr im Wege.

Werte Damen und Herren! Wenn man ein Fahrrad der achtziger Jahre mit einem heu­tigen Fahrrad vergleicht, dann muss man zugestehen: Der Piaggio-Konzern, die Italiener hatten Recht. Es haben sich in dieser Produktion Welten aufgetan und ver­ändert! Es wurde das Design geändert, die Technik wurde verändert, die Funk­tionalität und auch die Sicherheit. Die neuen Eigentümer trafen die richtige Ent­scheidung. Sie hatten in Forschung und Technik investiert und das Produkt damit marktgerecht aus­gerichtet. Sie haben damit dem Trend der gesunden Mobilität Rechnung getragen. Da­mit ist der Piaggio-Konzern zum weltgrößten Zweirad-Produ­zenten geworden. Sie sind Marktleader in diesem Bereich – leider nicht mehr mit dem Standort in Österreich.

Meine Damen und Herren! Beim vorliegenden Regelwerk und bei der vorliegenden Gesetzesmaterie handelt es sich nicht nur um gesetzliche Bestimmungen – denn diese gesetzlichen Bestimmungen hatten die Italiener auch bei der Zweiradproduktion –; es handelt sich meiner Meinung nach und nach Meinung meiner Fraktion vielmehr um eine Investition in die Zukunft, damit österreichische Leistungen und Produktionen Marktchancen haben.

Meine Damen und Herren! Produktionen basieren immer auf der Grundlage einer nationalen Entwicklung und Forschung. Und wenn wir in Entwicklung und Forschung investieren, dann investieren wir in die Zukunft. Ein ähnlicher Höhenflug, wie ihn das


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 83

Fahrrad, das Zweirad erlebt hat, wäre auch für viele Wirtschaftszweige in Österreich notwendig.

Meine Damen und Herren! Gerade mit der Zustimmung zur Investition in die Technik und Forschung setzt die Politik einen Schritt in die richtige Richtung und leistet ihren Beitrag dazu, dass – wie am Beispiel Fahrrad – die österreichische Wirtschaft einer guten, erfolgreichen Zukunft entgegengeht. Deswegen wird meine Fraktion in keiner Weise Einspruch erheben, sondern gerne zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.41

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Molzbichler. – Bitte.

 


14.41

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme zum Punkt Änderung des AsfinaG-Gesetzes, der von vielen in unseren Reihen eigentlich wenig bedacht oder angesprochen wird, aber ich glaube, es geht um sehr schwerwiegende Ange­legen­heiten, die heute hier gesagt werden müssen.

Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft wird ermäch­tigt, den zuständigen Behörden besonders geschulte Personen zur Betrauung als Or­gane der Straßenaufsicht vorzuschlagen. – Wie Sie wissen, untersteht die Asfinag, also die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-AG, dem Bund. Die Asfinag gibt den zuständigen Ländern das Budget, und die Straßenerhaltungsmaßnahmen erledigen die Länder.

Ich möchte Folgendes festhalten: Die Asfinag möchte die Erhaltung und Instand­set­zung der Autobahnen in Zukunft nicht mehr von den Bundesländern besorgen lassen, sondern selbst übernehmen. Es sollen eigene Strukturen geschaffen werden, weitere vier Betriebsgesellschaften gegründet werden.

Die Asfinag selbst beziehungsweise zwei ihrer Töchter erhalten bereits jetzt 13 Pro­zent der Autobahnen; 87 Prozent der Autobahnen werden von den Ländern erhalten. Nachweislich ist die Asfinag bei der Erhaltung der Autobahnen teurer als die Bundesländer. Worin besteht daher in diesem Sinne die Legitimation für die Über­nahme der Erhaltung? – Es kann nicht das Ziel sein, etwas unwirtschaftlicher zu machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bundesländer haben sich bei der gemeinsamen Erhaltung der Autobahnen und hochrangigen Landesstraßen große Synergien erarbeitet – mit gemeinsamen Werk­stätten, Geräten und Lagerhaltung et cetera. Die Asfinag müsste bei einer Über­nahme dieser Leistungen Parallelstrukturen aufbauen, was meiner Meinung nach ge­waltige Kosten verursachen würde und auch nicht sinnvoll wäre.

Es ist geplant, die Asfinag in sieben Gesellschaften, Aktiengesellschaften und Ges­mbHs, neu zu organisieren. Dabei besteht die Gefahr, dass es mehr Vorstands­mitglieder, Geschäftsführer und Aufsichtsratsmitglieder gibt als produktive Mitarbeiter vor Ort – nach dem Sprichwort: Es gibt mehr Häuptlinge als Indianer.

Kärnten ist ein Paradebeispiel für Sparmaßnahmen im Straßenbereich. Dazu möchte ich nur festhalten, dass bei der letzten Landeshauptleutekonferenz in Tirol am 1. De­zember auch dieses Thema Ausgliederung der Landesgesellschaften zur Sprache gekommen ist. Landeshauptmann Haider hat versprochen: Es gibt einen Kärntner Weg, und es kommt zu keiner Ausgliederung. Nur: Bis heute haben wir keine Ga­rantien dafür, dass dies zutrifft. Die einzige Garantie kommt von Herrn Landeshaupt­mann Pröll aus Niederösterreich, wo es eine sechsmonatige Übergangsfrist gibt, und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 84

dann wird entschieden, ob die Asfinag diese Agenden selbst übernimmt oder ob sie bei den Ländern bleiben. So ist es zurzeit auch in Kärnten. Wie Sie wissen, sind dort im März Landtagswahlen, und ich bezweifle, dass diese Aussagen des Landes­hauptmannes auch danach noch Bestand haben werden.

In Kärnten wurden zum Beispiel in den letzten zehn Jahren über 400 Planstellen im Straßenbereich eingespart. Ich muss sagen, wir sind ein Vorreiter, was Sparmaß­nahmen im Straßenbereich betrifft. Und da muss ich schon sagen: Ich glaube nicht, dass es sinnvoll wäre, die Asfinag mit diesen Agenden zu betrauen.

Ich bitte daher um Unterstützung der Kollegen aus den anderen Bundesländern, die­sen Ausgliederungsbestimmungen nicht zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.45

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

 


14.45

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Wenn man im Internet die parlamen­tarischen Materialien der letzten Zeit aufruft, erzielt man mit dem Suchbegriff „Umsatz­steuergesetz“ eine hohe Trefferquote. Und wenn ein Außenstehender das Zustande­kommen des heutigen Gesetzesbeschlusses betreffend Änderung des Umsatzsteuer­gesetzes verfolgt, wird er – das wird man verstehen müssen – etwas verwirrt sein. Das liegt weniger am Gesetzgebungsvorgang, den der Nationalrat zu verantworten hat, sondern dazu hat vielmehr das Finanzministerium einen kräftigen Beitrag geleistet.

Ein kurzer Blick auf die Geschichte dieses Gesetzes: Ende September hat das Finanz­ministerium einen Entwurf für eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes versandt – unter Hinweis auf notwendige Anpassungen an EU-Richtlinien. Dieser Entwurf hat bei den Ländern und Gemeinden heftigen Widerspruch ausgelöst, weil damit – vereinfacht gesagt – die vielfach durchgeführte Leasingfinanzierung, von der vor allem die Ge­mein­den immer stärker Gebrauch machen, stark beeinträchtigt worden wäre, indem der Vorsteuerberichtigungszeitraum für Grundstücke und Gebäude verdoppelt worden wäre.

Es wurde in Abrede gestellt, dass das zwingend erforderlich sei, um die EU-Richtlinien auszuführen. Wie auch immer, in der Regierungsvorlage hat sich dann die kritisierte Bestimmung nicht mehr gefunden, was von den Ländern und Gemeinden dankend zur Kenntnis genommen wurde.

Im Nationalrat wurde im Rahmen des Abgabenänderungsgesetzes dann das Um­satzsteuergesetz wieder herausgenommen, weil es offenbar zwischen den Fraktionen noch Klärungsbedarf gab – ich habe das Gefühl, auch innerhalb der Fraktionen. Jeden­falls wurde das damals nicht beschlossen.

Die Beratung im Ausschuss des Nationalrates anlässlich des Hauptpunktes dieser Debatte hat dann dazu geführt, dass die Änderung des Umsatzsteuergesetzes als Ausschussantrag wieder das Licht der Welt erblickte, nun aber nicht in der Fassung der Regierungsvorlage, sondern in der Fassung des Begutachtungsentwurfes. Die Be­schlussfassung dieses Ausschussantrages im Nationalrat wäre für die Länder und Gemeinden in gleicher Weise nachteilig gewesen, wie es der Begutachtungsentwurf war.

Die Mitglieder des Finanzausschusses im Nationalrat waren dann offenbar selbst etwas überrascht darüber, was ihnen da zur Beschlussfassung vorgelegt worden war.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 85

Jedenfalls entsprach es offenkundig nicht ihren Intentionen, und in zweiter Lesung des Nationalrates wurde dieser strittige Passus wieder herausgenommen.

Das ist an der Schnittstelle von Bundesgesetzgebung und Ländern und Gemeinden kein vertrauensbildender Vorgang. Daher möchte ich ihn – bei aller Zustimmung zum jetzigen Gesetzesbeschluss – doch zur Sprache bringen, einfach im Sinne einer gewissen vorbeugenden Wirkung.

Zu dieser etwas verwirrenden Vorgangsweise beim Umsatzsteuergesetz trägt auch bei, dass, obwohl die jetzige Änderung noch gar nicht beschlossen ist, im Nationalrat schon wieder ein Antrag auf Änderung des Umsatzsteuergesetzes liegt, der auch aus Anpassungsbedarf an die EU eingebracht wurde. Diesmal geht es um den lebens­nahen Sachverhalt einer Verordnungsermächtigung für das Finanzministerium, wonach der Finanzminister aus Vereinfachungsgründen mit Verordnung bestimmen kann, dass eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen entfällt.

Das ist ein Abbild der Realverfassung in Österreich. Es ist mir gestern Abend passiert, dass ich bei einer nicht geringen Restaurantrechnung für eine größere Gesellschaft einen Zettel bekommen habe (Bundesrat Konecny: Keine Rechnung!), für den sich jede italienische Bar für zwei Cappuccino und jeder Wirt einer kleinen griechischen Insel schämen würde. – Das zur Gestaltungsfreiheit, die heute offensichtlich schon besteht.

Insgesamt ist dem Gesetzesbeschluss natürlich zuzustimmen, angesichts der geschil­derten Vorgangsweise aber mit großer Aufmerksamkeit für die Zukunft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.50

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Vizepräsident! Ich hoffe, Sie waren jetzt nicht vom roten Lämpchen irritiert, denn da hat irgendetwas nicht gestimmt. Sie haben nicht 10 Minuten, die jeder freiwillig zur Verfügung hat, sondern lediglich 4 Minu­ten gesprochen. Ich hoffe, es hat Sie nicht irritiert. (Bundesrat Weiss: Soll ich fort­setzen? – Heiterkeit.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


14.51

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Machen Sie sich keine Sorgen, ich kümmere mich nicht um rote Lichter. (Heiterkeit. – Ruf: Hoffentlich im Straßen­verkehr doch!) Ja. – In diesem Haus.

Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ähnlich wie Herr Kollege Weiss möchte ich mich nicht mit dem meritorischen Inhalt eines der vier Gesetze, die uns hier vorliegen, beschäftigen, sondern Tagesordnungspunkt 7 zum Gegenstand der Erinnerung an einen einstimmigen Beschluss dieses Hauses nehmen.

Tagesordnungspunkt 7 betrifft den „Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bun­desgesetz,“ – ich werde meinen Atem brauchen –, „mit dem ein Bundesgesetz über die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung ... erlassen wird, das Einkommensteuergesetz 1988, das Bundesfinanzgesetz 2003 und das Bundesfinanz­ge­setz 2004 geändert werden, ein Bundesgesetz, mit dem Überschreitungen von Ausgabenansätzen der Anlage I des Bundesfinanzgesetzes 2003 bewilligt werden ..., erlassen wird, das ERP-Fonds-Gesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz ge­ändert wird, das Bundesgesetz über die vorübergehende sachliche Immunität von Leihgaben zu Ausstellungen der Bundesmuseen erlassen wird sowie das ASFINAG-Gesetz geändert wird“. – Also eine der üblichen Sammelnovellen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 86

Ich habe jetzt nicht mitgezählt, aber etwa zwölf Gesetzesmaterien, von denen ... (Bundesrat Bieringer: Das haben wir von der SPÖ gelernt!) – Nicht wirklich, oder sagen wir einmal so: So gelehrige Schüler hätten wir uns nicht gewünscht. Aber ich gestehe freimütig (Zwischenruf bei der ÖVP), dass an dieser Praxis auch frühere Bundesregierungen, denen, wie ich mich düster erinnern kann, auch die Österreichi­sche Volkspartei angehört hat, nicht ganz unschuldig sind.

Nicht wegen des langen Gesetzestitels lehnen – das möchte ich am Rand erwähnen – wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten diesen Gesetzesbeschluss des Na­tionalrates ab. Etwas leichteren Herzens, wie ich sagen muss, als im Nationalrat, weil die Bestimmungen des Bundesfinanzgesetzes nicht unserem Einspruchsrecht unter­liegen und daher das so genannte Sicherheitspaket, das dort versteckt ist, in Wirk­lichkeit hier nicht zur Abstimmung steht.

Aber ich erinnere daran, dass es ... (Zwischenbemerkung des Staatssekretärs Dr. Finz.) – Ja, selbstverständlich. Herr Staatssekretär! Ich lade Sie ein, bei uns zu bleiben, Sie werden diese Diskussion in absehbarer Zeit in großer Ausführlichkeit bei uns verfolgen können. Sie können aber auch gerne ein paar Milliarden zu dieser Dis­kussion beisteuern, die diese tausend Polizisten ermöglichen. Nein, so teuer sind sie nicht.

Wie gesagt, wir haben auf Initiative von Vizepräsidenten Weiss einstimmig einen An­trag des Bundesrates an den Nationalrat beschlossen, der aus unserer Gesetz­ge­bungs­praxis heraus außerordentlich sinnvoll und richtig ist.

Da dem Bundesrat nur der Gesamteinspruch offen steht, nicht aber ein Einspruch gegen Teilmaterien, könnte man auch in diesem Fall das Abstimmungsverhalten, wenn das politische Bedürfnis vorhanden wäre, nicht differenzieren.

Es erscheint mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass es seitens der sozialde­mokra­tischen Fraktion im Nationalrat zwei Versuche gegeben hat, diesen Antrag des Bun­desrates im Verfassungsausschuss auf die Tagesordnung zu bringen. Beide Versuche sind von der Regierungsmehrheit – ich bedauere, das sagen zu müssen – abge­schmettert worden.

Es wird am 13. Jänner, weil das die einzige Möglichkeit ist, dass die SPÖ dieses Thema überhaupt dort zur Verhandlung bringen kann, im Rahmen einer von der Vorsitzenden in Aussicht genommenen aktuellen Aussprache diese Materie behandelt werden.

Ich darf sowohl an die freiheitliche Fraktion des Hauses als auch an die ÖVP-Fraktion des Hauses aus Anlass der Behandlung einer weiteren Sammelnovelle den Appell richten, in ihren Klubs unser Interesse an einer Änderung zu unterstreichen und darauf hinzuwirken, dass der Verfassungsausschuss unseren gemeinsamen Antrag endlich auch in Verhandlung nimmt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.56

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Himmer! Ich finde es zwar ganz nett, wenn man in der Vorweihnachtszeit etwas zu sich nimmt, das Flügel ver­leiht, es ist nur nicht üblich, hier im Plenum Speisen und Getränke zu sich zu nehmen.

Herr Staatssekretär Dr. Finz! Ich darf Sie bitten, das Wort zu ergreifen.

 


14.57

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich möchte auf die einzelnen Ausführungen ein­gehen. Aber bevor ich auf die Maßnahmen und darauf, was wir budgetär alles geleistet haben, was wir jetzt mit dem Wachstumspaket leisten und weiterhin leisten werden,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 87

eingehe, möchte ich schon darauf hinweisen, welches Erbe wir im Jahr 2000 übernom­men haben.

Unser Erbe: Wir müssen bei einem Bundesbudget in der Höhe von 60 Milliarden € allein für die Zinsen für die aufgenommenen Schulden jährlich 7 Milliarden € zahlen! Als seinerzeit ein Bundeskanzler Kreisky die Regierung übernommen hat, hat er ein ausgeglichenes Budget übernommen; das Defizit betrug damals 1,2 Milliarden Schil­ling. Das entspräche heute sicher einem anderen Wert, aber die Relation: Das Defizit betrug 0,7 Prozent des BIP – so hatte er es übernommen –, die gesamte Staatsschuld betrug 12 Prozent.

Wir haben – wieder in diesen Quoten ausgedrückt – ein Defizit von 3 Prozent über­nom­men, die gesamte Staatsverschuldung lag bei über 60 Prozent! – Das sind die Unterschiede. Und wir können nicht von einem Tag auf den anderen das Budget sanieren, aber Folgendes ist uns gelungen: im Jahr 2001 ein Überschuss und im Jahr 2002 trotz Hochwasserkatastrophe ein nahezu ausgeglichenes Budget mit einem Defizit von 0,1 Prozent. (Bundesrat Konecny: Budget nicht! Maastricht, mit Ländern und Gemeinden!) Das sind die Unterschiede in der Finanzpolitik heute.

Wir hatten im Jahr 1999 – und das ist jetzt für Sie, Herr Bundesrat Schimböck – eine Ausgabenquote von 52 Prozent des Bruttosozialproduktes. Wo, glauben Sie, liegt sie heute? – Unter 50 Prozent, weil wir Ausgaben gekürzt haben, wirklich Ausgaben ge­kürzt haben!

Wir haben seit dem Jahr 2000 über 13 000 Planstellen nicht mehr nachbesetzt, und zwar natürliche Pensionsvorgänge, weil wir über 70 Verwaltungsreform-Projekte laufen haben und E-Government betreiben.

Ich lade Sie ein, gehen Sie mit mir auf ein Finanzamt und schauen Sie, wie dort heute die Steuererklärung elektronisch gemacht wird. Dort arbeitet ein virtueller Finanz­beamter (Bundesrat Konecny: Einen wirklichen könnt ihr euch ja nicht mehr leisten!), also der Computer bearbeitet die Steuererklärung; binnen 24 Stunden bekommen Sie schon den Bescheid. Das sind unsere Verwaltungsreformmaßnahmen! Ein Drittel besetzen wir nicht mehr nach, ein Drittel wird für Auskunftsstellen zur Verfügung stehen – jeder Standort verfügt über eine genormte Informationsstelle, wo man sich Rat holen kann, vor allem als Arbeitnehmer, weil man sich keinen Steuerberater leisten kann, auch für KMUs –, und ein Drittel der Bediensteten setzen wir zur verstärkten Korruptionsbekämpfung ein.

Der Vorruhestand wurde nur in jenen Fällen gewährt, wo durch Wegfall einer Aufgabe für den Betreffenden keine Arbeit mehr vorhanden war. Zum Beispiel in der Bundes­polizeidirektion hätten wir das Problem gehabt, dass durch Kompetenzverlagerungen im Zuge der Verwaltungsreform 2000 70 Hofräte keine Beschäftigung mehr gehabt hät­ten und spazieren gegangen wären. Deshalb haben wir für diese Personen einen vorzeitigen Ruhestand ermöglicht, der mit dem heurigen Jahr ausgelaufen ist. Dieser vorzeitige Ruhestand hat insgesamt 3 300 Personen betroffen, ist also nicht zu ver­gleichen mit den 13 000 Planstellen, die wir bisher durch Nichtnachbesetzung abge­baut haben. Wir werden bis zum Ende der Legislaturperiode noch weitere 10 000 Per­sonen abbauen.

Zum Vergleich Wien: In Wien hat man in dieser Zeit überhaupt niemanden abgebaut. (Bundesrat Konecny: Deshalb funktioniert es ja!) Wien ist auch bei den Bezügen „spitze“. Bei uns beträgt der höchste Bezug 7 000 €, in Wien beträgt der höchste Spitzenbezug eines Beamten 13 300 €. Das ist Wien!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 88

Forschungsförderung. Ich habe den Eindruck, Sie haben nur nachgesagt, was im Plenum von der Opposition gesagt wurde, und haben noch nie den Gesetzesbeschluss durchgelesen. Wie kann man sagen, da werde nichts für die Forschung gemacht?!

Also einmal zur Nationalstiftung: In der Nationalbank wird jetzt ein 1,5-Milliarden-€-Paket genommen und nur für diesen Zweck gewidmet. Wenn wir die ERP-Fonds-Mittel dazunehmen, werden insgesamt 125 Millionen € pro Jahr ausgeschüttet. Übrigens: Auf Beamtenebene haben wir schon die Zustimmung. Ich habe jetzt extra nachfragen lassen: Auf Regierungsebene noch nicht, aber auf Beamtenebene haben wir schon die Zustimmung. Also ich bin überzeugt, dass das auch klappen wird.

Jetzt sagt man: Na Ihr macht es euch leicht, Ihr finanziert die Nationalstiftung praktisch über die Nationalbank! (Bundesrat Konecny: Damit die das Geld nicht in der Ju­biläums­stiftung haben!) Ja, aber wesentlich mehr Mittel, bitte, Herr Bundesrat, we­sentlich mehr Mittel! (Bundesrat Konecny: Das ist eine klare politische Einflussnahme! Keinen Schilling mehr!) Ja, weil es wesentlich höhere Mittel sind! (Bundesrat Konecny: Das ist alles ein Etikettenschwindel!) Was bedeutet das? Durch die Widmung dieser 1,5 Milliarden € werden wir jährlich, und zwar überwiesen an das Finanzministerium, weniger Erlöse und weniger Erträge bei der Körperschaftssteuer haben. Das macht pro Jahr 42 Millionen € aus. (Bundesrat Konecny schüttelt den Kopf.) Weil die Mittel, die Gewinne nicht mehr zur Verfügung stehen, weil sie für die Forschungsförderung gewidmet sind! Also das ist eine sehr attraktive Anlage. (Bundesrat Konecny: Bisher hat die Nationalbank aus dem versteuerten Gewinn zugewiesen an den Jubiläums­fonds!) Ja, aber wie viel hat sie zugewiesen? Wesentlich weniger (Bundesrat Ko­necny: Nein!), als jetzt damit zur Verfügung steht. (Bundesrat Konecny: Ich weiß nicht, was die Nationalbank jetzt noch ...!) 30 Millionen bestenfalls! Jetzt stehen dann insgesamt 125 ... (Bundesrat Konecny: Entschuldigen Sie, ich bin im Generalrat gesessen!) Anscheinend wissen Sie das nicht! Das waren Zufallsprodukte einzelner Jahre, aber nicht Werte aus dem langjährigen Schnitt.

Was Sie übersehen oder überhaupt nicht anführen, ist die Neueinführung eines steuerlichen Forschungsfreibetrages. Wir haben bisher einen 35-prozentigen For­schungs­freibetrag gehabt – allerdings war dafür eine Bescheinigung durch das Wirtschaftsministerium erforderlich –, und jetzt kommt zusätzlich ein steuerlicher Forschungsfreibetrag von einheitlich 25 Prozent dazu – das ist doch etwas! –, wo man keine Bestätigung braucht, plus eine Forschungsprämie von 8 Prozent. Also das ist mehr, als wir bisher hatten.

Wir haben für das nächste Jahr ein Universitätspaket im Ausmaß von immerhin 22 Millionen €. Die Investitionszuwachsprämie wird auch für das Jahr 2004 gelten. Es wird der Ausgleich für Katastrophenschäden fortgesetzt. Für die Generalsanierung der Wirtschaftsuniversität werden Mittel in Höhe von 57,7 Millionen € zur Verfügung gestellt, damit auch die räumlichen Rahmenbedingungen passen. Zusätzlich erhält der Denkmalschutz 5,2 Millionen €.

Die KMUs sind angeführt worden. Wir haben ein Sonderprogramm für KMUs, das aus verschiedenen Töpfen, Projektfonds zusammengesetzt wird. Daran werden sich auch die Länder beteiligen, damit jene KMUs etwas bekommen können, die im Zuge der EU-Förderung für Grenzregionen keine EU-Mittel erhalten können.

Zur Umsatzsteuer möchte ich Folgendes anführen: Das wird, kann ich garantieren, weiter ein Thema bleiben, weil es durch ein Erkenntnis des Europäischen Gerichts­hofes in diesem Bereich zu gewaltigen Einnahmenausfällen kommen wird, die jetzt schon zum Teil bestehen, und das muss saniert werden. Es geht dabei um das be­rühmte Seeling-Urteil. Bei einer gemischten Nutzung von Liegenschaften, also wenn ich mir eine Privatvilla baue und ein Kellerabteil jemand anderen als Weinlager zur


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 89

Verfügung stelle und dafür Pacht verlange, dann kann ich auf Grund dieses Er­kenntnisses die gesamte Vorsteuer abschreiben. Wir haben das hochgerechnet, wir schätzen, dass das, weil das schon intensiv beworben wird, bei der Umsatzsteuer zu einem Einnahmenausfall von bis zu 500 Millionen € führen kann – und da muss man gegensteuern.

Natürlich gibt es Probleme bei einem solchen Gegensteuern. Wenn man das in das private Eigentum überführt – da hat bisher der Zeitraum 10 Jahre gegolten –, und die 20 ... (Zwischenruf bei der SPÖ.) Dann hat man Probleme bei Leasing-Finanzierungen von Gemeinden. Aber bitte, man muss doch sehen, was durch dieses Urteil auf uns zukommt, denn bei der langen Abschreibungsdauer bekommt man dann die Um­satzsteuer mit der Eigenverbrauchsbesteuerung erst in 20, 30 Jahren stückweise herein, und jetzt hat man den großen Einnahmenausfall durch den Vorsteuerabzug. Das wird weiter ein Thema bleiben, das müssen wir diskutieren. Dazu muss sich auch die Wirtschaft bekennen. Man muss sich fragen: Ist es wert, dass sich eine bestimmte Personengruppe, die Villenbesitzer ist, auf diese Weise die Umsatzsteuer holen kann und wir um 500 Millionen € weniger für die Steuerreform haben?

Darüber muss man sich im Klaren sein, und das wird auch Thema bleiben. Wir suchen nach Lösungen, die eine Zustimmung finden können. Nur möchte ich, bitte, sagen: Es hat in diesen Fällen der Finanzausschuss des Nationalrates zweimal zugestimmt. Ich finde es eigentlich bemerkenswert, wenn man zu den eigenen Abgeordneten im eige­nen Klub kein Vertrauen hat und einer Regelung zugestimmt wird, die dann im Plenum ausgehebelt wird. Also das ist eine Frage, die sich die Klubs intern ausmachen müssen. (Bundesrat Konecny: Von welchem Klub sprechen Sie jetzt?) Von ver­schiedenen Parlamentsklubs, die dieser Regelung dann nicht zugestimmt haben.

Wir werden weitere Diskussionen zu diesem Thema führen, und es wird sicherlich noch­mals die Umsatzsteuer zur Debatte stehen. (Bundesrat Konecny: Könnten Sie präziser werden?) Es war ein einstimmiger Beschluss im Finanzausschuss. Alle dort vertretenen Parteien haben dieser Regelung zugestimmt, und dann wurde dieser nicht mehr zugestimmt, weshalb es zur Absetzung dieser Materie gekommen ist. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.08

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Beschluss des Nationalrats vom 3. Dezember 2003 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung erlassen wird, das Einkommensteuergesetz 1988, das Bundesfinanzgesetz 2003 und das Bundesfinanzgesetz 2004 geändert werden, ein Bundesgesetz, mit dem Überschreitungen von Ausgabenansätzen der Anlage I des Bundesfinanzgesetzes 2003 bewilligt werden (Budgetüberschreitungs­gesetz 2003), erlassen wird, das ERP-Fonds-Gesetz und das Ausländerbeschäfti­gungs­gesetz geändert werden, das Bundesgesetz über die vorübergehende sachliche Immunität von Leihgaben zu Ausstellungen der Bundesmuseen erlassen wird sowie das ASFINAG-Gesetz geändert wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 90

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrats vom 3. De­zember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. De­zember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebliche Mitarbeiter­vorsorgegesetz und das Pensionskassengesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend eine Änderung von Anhang II des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend das Zusatz­ab­kommen zu dem Abkommen vom 4. Oktober 1954 zwischen der Republik Öster­reich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbe­steu­erung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern (256 d.B. und 328 d.B. sowie 6939/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Mongolei auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (257 d.B. und 329 d.B. sowie 6940/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kuba zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuer-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 91

umgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (259 d.B. und 330 d.B. sowie 6941/BR d.B.)

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der De­mo­kratischen Volksrepublik Algerien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (258 d.B. und 331 d.B. sowie 6942/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 bis 14 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 11 bis 14 hat Herr Bundesrat Molzbichler übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

 


Berichterstatter Günther Molzbichler: Frau Präsidentin! Meine Herren Staats­sekre­täre! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend das Zusatzabkommen zu dem Ab­kommen vom 4. Oktober 1954 zwischen der Republik Österreich und der Bundes­republik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bringe weiters den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 3. De­zem­ber 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Mon­golei auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Proto­koll.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen vor, und es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ferner bringe ich den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 3. De­zem­ber 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Öster­reich und der Regierung der Republik Kuba zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Ein­kommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen vor, und daher erübrigt sich dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 92

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich komme zum letzten Bericht: Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Demokratischen Volksrepublik Algerien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen vor, und es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. De­zember 2003 betreffend das Zusatzabkommen zu dem Abkommen vom 4. Ok­tober 1954 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 93

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ich bitte ferner jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies wieder die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Mongolei auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ferner bitte ich die Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. De­zember 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kuba zur Vermeidung der Doppelbe­steuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Da der vorliegende Beschluss wieder Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ich bitte ferner jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. De­zember 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Demokratischen Volksrepublik Algerien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ferner bitte ich die Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 94

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richterdienstgesetz, das Landesleh­rer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensions­gesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Bundes­bediensteten-Sozialplangesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Wache­bediensteten-Hilfeleistungsgesetz, das Auslandszulagen- und –hilfeleis­tungs­gesetz, das Mutterschutzgesetz, das Väter-Karenzgesetz, die Reisegebüh­renvorschrift, das Einsatzzulagengesetz, das Unterrichtspraktikumgesetz, das Universitäts-Abgeltungsgesetz und das Akademie der Wissenschaften-Gesetz geändert werden sowie das Militärberufsförderungsgesetz 2004 geschaffen wird (2. Dienstrechts-Novelle 2003) (283 d.B. und 320 d.B. sowie 6923/BR d.B. und 6943/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz geändert wird (Bediens­tetenschutz-Reformgesetz – BS-RG) (284 d.B. und 321 d.B. sowie 6944/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 15 und 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte gleichfalls unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 15 und 16 hat Herr Bundesrat Gruber über­nommen. Ich darf ihn um die Berichterstattung bitten.

 


Berichterstatter Ing. Franz Gruber: Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehalts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richterdienstgesetz, das Lan­deslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensions­ge­setz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Bundesbediens­teten-Sozialplangesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz, das Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz, das Mutter­schutz­gesetz, das Väter-Karenzgesetz, die Reisegebührenvorschrift, das Einsatz­zulagen­gesetz, das Unterrichtspraktikumgesetz, das Universitäts-Abgeltungsgesetz und das Akademie der Wissenschaften-Gesetz geändert werden sowie das Militär­berufs­förderungsgesetz 2004 geschaffen wird (2. Dienstrechts-Novelle 2003):

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher von einer Verlesung Abstand nehmen.

Ich komme sogleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 95

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich von einer Ver­lesung Abstand nehmen kann.

Ich komme sogleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reisenberger. – Bitte.

 


15.24

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren Staatssekretäre! Die 2. Dienstrechts-Novelle 2003 ist ein sehr umfangreiches Paket – man hat ja bereits bei der Berichterstattung gehört, was da alles aufzuzählen ist – und ist, was ihren Inhalt betrifft, massiv unterschiedlich zu bewerten. Es gibt darin etliche Punkte, die durchaus okay sind, die durchaus auch in unserem Sinne sind, wo durchaus auch gemeinsam gute Arbeit geleistet wurde und gegenseitige Vorstellungen umgesetzt wurden.

Natürlich ist der Abschluss der Gehaltsrunde im öffentlichen Dienst positiv zu sehen – darüber gibt es keine Diskussion. Ich glaube, dass dies auch Anlass dazu geben sollte, den Beamtinnen und Beamten – auch jenen, die in diesem Haus tätig sind –, die tag­täglich ihre Arbeit, die nicht immer ganz einfach ist, auch für uns verrichten, einen Dank auszusprechen. Ein recht herzliches Dankeschön dafür!

Ebenfalls zu begrüßen ist die Regelung der Erweiterung des Rechtes auf Teilzeit. Die­ses Recht auf Teilzeit ist gerade für Frauen wichtig, sollte aber auch für Männer die Möglichkeit bieten, bei ihren Kindern zu sein, und ist daher als sehr positiv zu sehen. Ich glaube, wir müssen aber gerade bei diesem Punkt auch noch berücksichtigen und uns genau ansehen, wie die Bewertung dieser Zeiten im Hinblick auf ihre Anrechnung für die Pension tatsächlich erfolgt. Ich sehe nämlich – und das ist jetzt keine politische, sondern ganz einfach eine gewerkschaftliche Frage, die jeder von uns eigentlich ge­nauso sehen muss – die Gefahr, dass es, wenn hier andere Bewertungskriterien zu­grunde gelegt werden, zu einer Schlechterstellung bei der Pension kommen könnte. Ich denke daher, dass man sich diese Bewertungen noch genau wird ansehen müs­sen.

Ich meine aber, dass wir damit nicht sagen können, es sei alles erledigt, sondern dass wir die Aufgabe haben und aufgefordert sind, auch für viele andere, möglichst alle an­deren Berufsgruppen solche Regelungen zu finden und solche Anstrengungen zu unternehmen, um diesen ebenfalls ein derartiges Recht zukommen zu lassen.

Negativ und für meine Fraktion jedenfalls inakzeptabel sind aber zum Beispiel jene Re­gelungen, mit denen das Dienstrecht an die Universitätsreform 2002 angepasst werden soll. Sie kennen die diesbezügliche Diskussion, Sie wissen es auch: Wir waren aus guten Gründen gegen das Universitätsgesetz als solches. Wir sind daher aus den glei­chen Gründen auch – das ist die logische Folgerung – gegen die Anpassung des Dienst­rechtes an dieses Gesetz.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 96

Große finanzielle Schwierigkeiten an den Unis – und ich sage: teilweise hausge­machte – führen nicht allein dazu, dass dort Zustände vorhanden sind, die unserer Meinung nach wahrscheinlich auch gar nicht rechtswirksam sind. Nicht zuletzt – und das, meine Damen und Herren, soll man nicht vergessen – weiß man bis heute nicht, ob das Universitätsgesetz verfassungsrechtlich überhaupt hält; das ist noch immer in der Schwebe. Wenn man sich Berichte von Leuten anhört, die tagtäglich mit diesem Gesetz arbeiten müssen – zum Beispiel von der Rektorenkonferenz, bei der man ja nicht davon ausgehen kann, dass sie eine überwiegend sozialdemokratische Linie vertritt –, weiß man – und wissen auch Sie –, dass diesbezüglich immer wieder sehr massive Bedenken geäußert worden sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Herren Staatssekretäre! Ich glaube, es steht außer Zweifel, dass diese Regierung als Dienstgeber auch die Obsorgepflicht für ihre Beamten hat. Diesbezüglich muss man ganz klar und deutlich feststellen, dass man den Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst zumindest die Chance geben muss, ihren ohnehin oft alles andere als einfachen Dienst – einen Dienst für uns, für die Menschen, wie wir ihn tagtäglich brauchen, erbracht durch Kolleginnen und Kol­legen, die überall eingesetzt werden – auch auszuüben. In Wirklichkeit schaut es näm­lich immer anders aus. Ich komme nicht darum herum, es hier wieder zu sagen – auch wenn es, wie wir dann gleich hören werden, ein paar zusätzliche Planstellen gibt –: Wir haben im Bereich der Exekutive eingespart, von Wien angefangen bis in die Bundes­länder – dort teilweise noch viel mehr. Wir haben Kommissariate geschlossen, wir haben Wachzimmer aufgelöst, und wir haben Gerichte geschlossen. Angesichts all dessen sprechen wir davon, dass in diesem Bereich alles in Ordnung ist!

In einem ganz schnellen Abänderungsantrag, meine sehr verehrten Damen und Her­ren, haben Sie noch schnell hineingeschwindelt, dass Sie 150 Planstellen für das Innenministerium brauchen. – Wunderbar, klar, nur – und Sie waren ja dabei! –: Als Sie in den Monaten davor, im letzten Jahr, in diesem Jahr darauf angesprochen wurden, und zwar nicht nur einmal, haben Sie immer gemeint: Das brauchen wir nicht, wir haben davon mehr als genug! – Es ist also offensichtlich doch so, dass es nicht nur – wie dann immer von der Regierungsbank aus und von den Regierungsparteien zu hören war – Oppositionsgeunke gewesen ist, dass wir diese Leute brauchen. Sie haben es jetzt durch die Einbringung dieses Antrags selbst außer Diskussion gestellt.

Wir haben dann noch – und das ist natürlich die Krönung dessen, was wir in der letzten Zeit erlebt haben – die Situation, dass 1 500 Lehrerinnen und Lehrer beziehungsweise deren Lehrerposten nicht mehr nachbesetzt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Teilzeitkarenzierung ist gut, ist ein tauglicher Schritt, auch Arbeitsplatzpolitik zu betreiben, nur: Bitte mit Verstand, mit Kompetenz und mit Weitsicht – und nicht husch-pfusch, so wie es hier gemacht wurde! (Bundesrat Fasching: So wie bei der Bundesbahn!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege! Ich würde mich beim Thema Bundesbahn nicht sehr weit hinauslehnen! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich würde mich da gar nicht weit hinauslehnen. Schaut euch doch bitte an, was da passiert ist! Sprich mit deinen Kollegen – ein paar gibt es noch von deinen Kollegen bei der Bundesbahn, wahrscheinlich nicht mehr lange! Aber ich würde mich nicht zu weit hinauslehnen (Bundesrat Fasching: Kehren Sie vor der eigenen Tür!), denn das Geländer ist dort sehr locker! Da fliegst du nämlich sehr tief, das kann ich dir sagen!

Aber mit der Pensionsreform, die hier stattgefunden hat, meine sehr verehrten Damen und Herren, ... (Bundesrat Dr. Kühnel: ... redet heute überhaupt niemand mehr, weil sie so gut ist!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 97

Kühn gesagt, Kollege Kühnel – nur nicht richtig! Aber das ist bei Ihnen meistens der Fall. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Die Pensionsreform, in die man im Sommer noch schnell hineingeschrieben hat, dass diese Kolleginnen und Kollegen mit 1. Dezember – meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Ihnen ja bekannt – in Pension gehen müssen – und hier liegt die Be­tonung auf „müssen“ –, entbehrt natürlich jeglicher Logik, denn mitten in einem Schul­jahr nicht die Möglichkeit zu schaffen, wenn man das in Anspruch nehmen will, zumin­dest das Jahr zu beenden, ist schon mehr als eigenwillig und mehr als unlogisch – ich sage es noch einmal.

Von uns wurden diesbezüglich in verschiedensten Sitzungen immer wieder vernünftige Regelungen vorgeschlagen. Aber sie wurden von Ihnen – wie heißt es so schön auf Wienerisch? – „nicht einmal ignoriert“. Das ist das, was man hier immer wieder fest­stellen musste. Aber das deckt sich ja auch mit der Politik von Frau Bundes­ministerin Gehrer, die für unsere Jugend ja „tolle“ Ideen hat: Macht lieber Kinder anstatt Partys! (Ruf bei der ÖVP: Das hat sie nicht gesagt!) – Das zeugt auch ein bisschen von der Bildungspolitik und von der Einstellung dieser Regierung und davon, wie hier gear­beitet wird.

Es kann doch nicht sein, dass Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungs­parteien, die Ausbildung und damit die Zukunft unserer Kinder egal ist. Die SPÖ hat im Nationalrat einen Abänderungsantrag eingebracht, bei dem sich die Regierungspar­teien auch wiederum einheitlich dafür ausgesprochen haben, ihn nicht zu berück­sichtigen. Ich nenne Ihnen im Folgenden nur einige Punkte dessen, was wir wollten, worum es uns dabei geht. (Bundesrat Fasching: Haben Sie die Alternativen?) – Hören Sie zu, dann erfahren Sie es vielleicht! 

„Mit 1. Dezember 2003 haben rund 3 000 LehrerInnen den vorzeitigen Ruhestand ange­treten. Allein in Wien sind 1 075 LehrerInnen in Pension gegangen, davon 750 an Pflichtschulen. Dadurch werden die SchülerInnen mitten im laufenden Schuljahr von ihren vertrauten LehrerInnen getrennt, was schwerwiegende pädagogische Nachteile für sie bringt; die Qualität des Unterrichts ist damit massiv bedroht. Und wegen dieser Folgen, die aus der LehrerInnen-Abbaupolitik der VP-/FP-Bundesregierung entstan­den ...“ (Bundesrat Dr. Kühnel: ... was Sie da vorlesen!)

Sie wollten wissen, was wir vorschlagen, und ich lese Ihnen hier gerade die Be­gründung vor, die Sie abgelehnt haben. Sie wissen offensichtlich nicht einmal, was Sie ablehnen! Hören Sie daher zu und passen Sie auf! Vielleicht können Sie doch noch etwas dazulernen.

„... und durch die einschneidende Maßnahme des Budgetbegleitgesetzes 2003 noch zusätzlich verschärft worden sind, ist eine kompensatorische Initiative erforderlich. Insbesondere deshalb, da Bildungsministerin Elisabeth Gehrer zwar zunächst ange­kün­digt hat, die freiwerdenden LehrerInnen-Dienstposten mit JunglehrerInnen zu be­setzen, aber diese Ankündigung nicht realisiert hat.“ (Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

„Die kompensatorische Maßnahme soll dadurch erfolgen, dass die betreffenden Leh­rerInnen, die per 1. Dezember 2003 in vorzeitigen Ruhestand versetzt wurden, auf frei­williger Basis das Schuljahr in ihren Klassen vollenden können. Somit hätte die Dienst­behörde den geltenden Stichtag der Ruhestandsversetzung 30. November 2003 auf Antrag des Lehrers/der Lehrerin auf den 31. August 2004 abzuändern.

Diesen LehrerInnen sind jedenfalls die pensionsrechtlichen Bestimmungen zu erhalten, die für sie mit dem Stichtag der Ruhestandsversetzung 30. November 2003 gelten wür­den.“


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 98

Das war Ihr Zwischenruf, Herr Kollege. Und das habt ihr abgelehnt – ÖVP und Freiheit­liche, einheitlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Entweder Sie wissen nicht, wovon Sie spre­chen, oder Sie machen es wider besseres Wissen und gegen Ihr Gewissen! (Zwi­schenrufe der Bundesräte Bader, Fasching und Roth-Halvax.)

Diese Forderungen, die ich Ihnen jetzt gerade noch einmal klarzumachen versucht habe, sind eigentlich Forderungen und Überlegungen, die über alle Fraktionsgrenzen hinweg selbstverständlich und klar sein müssten. Sie haben wieder einmal wider besseres Wissen mit Ihrer Politik nach dem Motto „Ich bin ich“ gezeigt, dass es Ihnen nicht darum geht, wie es um die Ausbildung, um die Jugend und um die Zukunft der Österreicherinnen und Österreicher bestellt ist (Bundesrätin Giesinger: Das stimmt ja gar nicht! – Ruf bei der ÖVP: Sie haben keine Ahnung!), sondern, meine sehr ver­ehrten Damen und Herren, Sie haben bewiesen, dass von Ihnen eine Politik durch­gezogen wird, die darin besteht, alles zu machen, nur ja keine Kompromisse zu finden, nur ja nicht etwas Logisches, wenn es von uns vorgeschlagen wurde, zu tun.

Die Österreicherinnen und Österreicher haben sich Sie nicht verdient! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Kühnel: Bitte, Frau Präsidentin, das ist eine Beleidigung, der letzte Satz, dass jemand nicht verdient hat und so weiter! – Bundesrat Rei­sen­berger – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Da wage ich den Wahrheitsbeweis anzutreten! – Ruf: Das ist eine Entscheidung des österreichischen Volkes!)

15.36

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesrat! Ich darf zuerst einmal etwas tun, was ich schon vorgehabt habe. Ich darf Ihnen den Punkt 32 der Haus­ord­nung des Parlaments, und zwar beider Kammern, des Nationalrates und des Bun­desrates, vorlesen. Ich weiß zwar, dass jeder, wenn er die Funktion im Bundesrat be­ziehungsweise im Nationalrat antritt, die Hausordnung zumindest ausgehändigt be­kommt; es scheint sie nicht jeder zu lesen. Ich darf Ihnen daher im Folgenden den Punkt 32 vorlesen – der übrigens von Nationalratspräsident Khol so streng gehandhabt wird, dass er bei Verstößen gegen diese Bestimmung Ordnungsrufe austeilt –:

„Während der Sitzungen ist in den Sitzungssälen der Bundesversammlung, des Na­tionalrates, des Bundesrates oder von deren Ausschüssen, Unterausschüssen, Unter­suchungsausschüssen sowie in Enqueten und Enquetekommissionen der Betrieb und die Verwendung von Handtelefonen nicht gestattet.“

Ich bitte, das wirklich zu beachten. Ich bin nicht so wie Kollege Khol, dass ich, wenn im Haus telefoniert wird, einen Ordnungsruf erteile. Ich bitte nur darum, die Handys zumindest auf leise zu stellen und, wenn telefoniert wird, hinauszugehen.

Im Hinblick auf alles Weitere – wenn also hier bemängelt wird, dass Worte gebraucht werden, die vielleicht der Würde des Hauses nicht entsprechen, und Ähnliches mehr –möchte ich sagen, dass man, weil wir uns in einer Sitzung befinden, die die letzte im Jahr ist, vielleicht doch nicht jene Strenge walten lässt, die sonst angebracht ist. Ich kann nur darum bitten, dass man sich so verhält, dass man weder einen Kollegen kränkt oder beleidigt noch die Frage gestellt wird, was hier mit der Würde des Hauses passiert ist.

Ich bitte Sie, alle Kolleginnen und Kollegen, ein bisschen darüber nachzudenken, wie wir miteinander umgehen.

Jetzt würde ich aber darum bitten, dass Herr Bundesrat Saller das Wort ergreift, denn er ist schon lange zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 99

15.39

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf zuerst noch einen Satz zu Herrn Kollegen Reisenberger sagen. Weil die Lehrersituation in Wien ja offensichtlich so dramatisch ist, muss ich ihn schon fragen: Haben sich da immer alle an die Dienstpostenpläne gehalten? Wie hat man sich darauf vorbereitet? Bei uns in Salzburg sind auch 155 Personen in den Vorruhestand gegangen. Da haben sich eben die Schulaufsicht und auch die Schulleitungen darauf vorbereitet, und man hat bereits im September beim Erstellen der Stundenpläne berücksichtigt, dass im Dezember ein Wechsel stattfinden wird – und hat nicht die Sache einfach herankommen lassen und dann über die Medien diese Panik verbreitet. – Diese Frage möchte ich hier nur stellen, denn auch das muss einmal gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Dienstrechts-Novelle als solche ist das Ergebnis der Sozialpartnerverhandlungen zwischen Gewerkschaft und Regierung. Die Inhalte derselben sind, wie wir schon gehört haben, eine ganze Fülle an Gesetzen. Ich möchte drei hervorheben, weil sie mir besonders positiv aufgefallen sind.

Erstens: Das Verwaltungspraktikum löst die Eignungsprüfung ab. Junge Menschen müssen sich heute in der Bildung sehr rasch entscheiden, welcher der richtige Beruf für sie ist, wofür sie geeignet sind. Maturanten, Absolventen der mittleren Schulen, Uni-Absolventen und Personen mit abgeschlossener Lehre haben die Möglichkeit, für die Dauer von maximal einem Jahr ein Ausbildungsverhältnis mit dem Bund einzugehen. Das Verwaltungspraktikum leistet daher, so glaube ich, eine wertvolle Entschei­dungs­hilfe und erreicht auch eine Steigerung der Qualität der Fachkräfte.

Das zweite Gesetz ist das Militärberufsförderungsgesetz. Dieses ermöglicht Militärper­sonen einen besseren Wiedereinstieg in das private, zivile Leben. Es ermöglicht die Ausbildung im Ausland, es kann auch während des Dienstverhältnisses eine ent­sprechende Berufsförderung erfolgen. Der Bund trägt die Kosten und zusätzlich wird dem Prinzip des lebenslangen Lernens beziehungsweise der Weiterbildung besonders Rechnung getragen.

Das dritte Gesetz ist das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz. Sicherheit und Gesund­heits­schutz sind besondere Anliegen. Arbeit darf und soll nicht krank machen. Dieses Arbeitnehmerschutzgesetz wurde bereits mit diesem Ziel reformiert, jetzt soll es auch für den Bundesdienst Geltung erlangen, um unnötigen Verwaltungsaufwand hintanzu­stellen und Einsparungspotentiale zu nutzen. Das Ziel durch diesen Bediensteten­schutz ist, Dienstunfälle, Berufskrankheiten und sonstige arbeitsbedingte Krankheiten zu vermeiden.

Alles in allem ist dies ein gutes Reformgesetz und ganz im Sinne eines sparsamen Umganges mit Steuermitteln. (Beifall bei der ÖVP.)

15.42

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


15.43

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Es ist tatsächlich schade, dass nicht differenziert abgestimmt wird, sondern eine Unmenge an Änderungen in einem Text enthalten ist; es gäbe nämlich sehr wohl Verbesserungen in der vorliegenden Fassung, denen wir zustimmen könnten. Einerseits gebe ich Herrn Bundesrat Saller Recht, es hat natürlich Vorteile, Verwaltungspraktika im Bundesdienst einzuführen. Andererseits muss man aber klarstellen, was die Ziele und Aufgaben davon sind. Man muss entsprechend nach einem bestimmten Zeitraum evaluieren, ob das tatsächlich zielgerichtet ist.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 100

Auch die Schaffung eines Diskriminierungsverbotes für befristet beschäftigte Vertrags­bedienstete ist ein begrüßenswerter Schritt und entspricht einer Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie. Besonders möchte ich betonen, dass wir die Gehalts­erhöhung für das Jahr 2004, die ausgehandelt worden ist und bei 1,85 Prozent liegt, sehr gut finden.

Es ist heute schon erwähnt worden, dass die Dienstrechts-Novelle auch Anpassungen bezüglich des neuen UG 2002 im Dienstrecht enthält. Wir haben das UG 2002 abgelehnt und können dem hier nicht zustimmen.

Ich selbst komme von einer Universität, ich bin mir nicht sicher, ob sich alle Mitglieder des geschätzten Bundesrates und Nationalrates klar darüber sind, was das an den Unis tatsächlich für Konsequenzen hat. Es ist momentan alles in Schwebe, Personen, die Vertragsverlängerungen oder Neuerrichtungen von Verträgen vor sich haben, wis­sen nicht, welche Grundlagen, welches Dienstrecht es geben wird. Es gibt keinen Kollektivvertrag. Es sind auch viele andere Punkte nicht geregelt. Das ist etwas, was ich hier noch einmal betonen möchte. Wenn wir bezüglich anderer Dienstrechte davon reden, wie toll und fortschrittlich diese seien, so gilt es hier, einfach klarzustellen, dass großer Handlungsbedarf besteht, und zwar nicht nur im Sinne dessen, dass es eine ausgezeichnete und qualitativ hochwertige Lehre gibt, sondern dass auch die heute schon viel diskutierte Forschungsquote künftig gesichert und angehoben werden kann. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.45

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


15.45

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Frau Präsiden­tin! Hoher Bundesrat! Herr Bundesrat Reisenberger, Sie haben mich gereizt, etwas zu den Themen Sicherheitspaket und Vorruhestand zu sagen. (Bundesrat Reisenberger: Das freut mich!) Als Wiener rede ich jetzt speziell mit Ihnen.

Wissen Sie, wie viele Polizisten im Exekutivdienst es im Jahr 1999 gegeben hat, und wissen Sie, wie viele es heute gibt? – Es gibt heute um 300 Polizisten mehr! (Bun­desrat Konecny: Nein!) Wie ist das gelungen? – Durch organisatorische Maß­nahmen ... (Bundesrat Reisenberger: Dienstposten werden nach wie vor nicht be­setzt!) – Fragen Sie heute den Innenminister, der wird es Ihnen bestätigen! (Bundesrat Konecny: Wir fragen ihn eh!)

Wie ist ihm das gelungen? – Durch organisatorische Maßnahmen, zum Beispiel durch die Zusammenlegung von Kommissariaten (Bundesrat Konecny: Die Zahl der Krimi­nalbeamten in Wien um 20 Prozent reduzieren!) und die Abgabe bestimmter Aufgaben an die Gemeinde Wien, zum Beispiel das Fund- und Passwesen. Dadurch ist es gelun­gen, in der Polizeiverwaltung zivile Planstellen in Planstellen für die Exekutive um­zuwandeln. Er bekommt jetzt durch ... (Bundesrat Schimböck: Ohne Kostenrefun­die­rung!)

Die Frage der Kostenrefundierung ist im Verwaltungsreformpaket 2000 – vier Landes­vertreter, vier Bundesvertreter – derart vereinbart worden, dass es keine Kostenüber­tragung aus diesem Titel gibt, weil wir ja andererseits in die Finanzämter gewisse Auf­gaben, zum Beispiel Einhebung der Kommunalabgaben, übernommen haben – eben­falls kostenlos. Das war ein Abkommen.

Weiters bekommt der Innenminister durch das Sicherheitspaket jährlich 36,7 Mil­lionen € dazu. Das ermöglicht ihm die Aufnahme von 150 neuen Leuten für die Exe­kutive. Es kommen insgesamt bis zum 1. Mai 2004 1 030 Zollwachebeamte dazu – 100 hat er bereits bekommen –, die schon eine Exekutivausbildung haben. (Zwischenruf


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 101

des Bundesrates Reisenberger.) – Er hat schon 100 bekommen und bis zum 1. Mai 2004 kommen weitere 930 dazu. Wir sorgen also für die Sicherheit in diesem Lande; das möchte ich feststellen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Das merkt man!)

Betreffend Landeslehrervorruhestand möchte ich Folgendes festhalten: Kein Landes­lehrer wurde in Pension geschickt, sondern nur auf Antrag des jeweiligen Lehrers konnte überhaupt eine Pensionierung ausgesprochen werden. Das ist kein In-die-Pen­sion-Schicken! Jeder Lehrer konnte selbst bestimmen, ob er in Pension geht. (Bun­desrat Reisenberger: ...! Stimmt das?) – Hören Sie zu, damit Sie das Dienstrecht näher kennen lernen!

Außerdem war bei jedem Antrag zu prüfen, ob diesem Antrag nicht dienstliche Gründe entgegenstehen. In allen Landesschulbehörden wurde das geprüft, in vielen Fällen wurde dem Ansuchen nicht stattgegeben. In Wien allerdings wurde allen Anträgen stattgegeben, weil es dort eine starke Gewerkschaft gibt und sich die Frau Stadt­schulratspräsidentin Brandsteidl nicht getraut hat, nein zu sagen (Bundesrat Reisen­berger: Das ist ja lächerlich!), obwohl in vielen Fällen kein Ersatzlehrer vorhanden war. Trotzdem hat sie den Ansuchen stattgegeben, dadurch ist das Chaos entstanden. (Beifall bei der ÖVP.)

Wie haben es andere Landesschulräte gemacht? – Diese haben im Sommer eine Er­hebung gemacht, wer in den Vorruhestand treten will, und haben dann mit den betref­fenden Lehrern gesprochen und gesagt: Bitte, geht vor dem Schuljahr, und wir neh­men, soweit es die Stellenpläne erlauben, Ersatzpersonal auf! – So haben es diese Landesschulräte gemacht. Dadurch wurde ein Wechsel im Schuljahr vermieden – der nicht gut ist, das gebe ich zu –, aber das hätte man überhaupt vermeiden können, indem man vorher plant. Es ist ja die Aufgabe einer Behörde, ein Schulmanagement durchzuführen. In Wien hat jedoch kein Schulmanagement stattgefunden.

Nun zum Schlüssel. Wir haben im Finanzausgleich 2000 einen Schlüssel ausgemacht. Das ist der beste Schlüssel betreffend Verhältnis Lehrer : Schüler im ganzen OECD-Raum. Dieser Schlüssel beträgt zum Beispiel in der Volksschule 14,5 Schüler für einen Lehrer. Der OECD-Schnitt ist über 17 Schüler pro Lehrer. In der Hauptschule kommen auf einen Lehrer zehn Schüler, im OECD-Schnitt sind es 15. Sie können also nicht sagen, dass das ein unfairer Schlüssel ist. Das ist der beste Schlüssel im OECD-Raum! Und für sechs behinderte Kinder sieht der Schlüssel zwei Lehrer vor! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben weiters vereinbart, dass auf Grund dieses Schlüssels neue Planstellen fest­zulegen sind, und zwar auf Basis der Vollbeschäftigungsäquivalente – Vollbeschäfti­gungs­äquivalente deshalb, weil es sehr viele teilzeitbeschäftigte Lehrer gibt. Das ist umzuwandeln, neue Stellenpläne sind auszuarbeiten.

Wien hat im Jahr 2001 den ersten Plan vorgelegt, den ersten Ist-Stand gegenüber den Stellenplänen. Dabei ist herausgekommen, dass Wien den Stand um 800 Personen überschreitet. Um 800 Vollbeschäftigungsäquivalente! Wir haben gesagt, Wien ist ein Sonderfall und haben über dieses Kontingent, was gesetzlich zusteht, hinaus Wien 600 Planstellen mehr für Sonderaufgaben, Unterricht in Spitälern und Migranten­schu­lung gewährt. Insgesamt hatten wir einen Stock von 1 220 Posten, allein Wien hat hie­von 600 Posten bekommen – weil Sie immer sagen, der Bund sei so unfreundlich gegenüber Wien. (Bundesrat Reisenberger: Das ist auch Aufgabe des Bundes, nicht der Länder!) – Bitte, das ist der Schlüssel, der Schlüssel wurde überschritten!

Dann ist Folgendes herausgekommen: Auf einmal ist von Wien eine Wendung ge­kommen. Man hat gesagt: Bei den Vollbeschäftigungsäquivalenten haben wir uns geirrt. – Es hat zwei Jahre lang gedauert und bis heute haben wir noch keine neue


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 102

Bestätigung von Wien bekommen, wie viele Vollbeschäftigungsäquivalente Wien der­zeit ausnützt. Das ist wirklich ein Skandal! Alle Bundesländer können es, Wien kann es nicht! (Bundesrat Bader: Wien ist anders!)

Übrigens – ich habe mir extra nochmals das Protokoll durchgelesen – hat Herr Bür­germeister Häupl diesem Schlüssel damals zugestimmt. (Bundesrat Schennach: Das ist jetzt schon die Rede des Landesparteiobmannes?! – Bundesrat Konecny: Das ist auch die Länderkammer! Da darf er!) – Oder der Herr Landeshauptmann von Wien, weil wir eine Länderkammer sind. Der Landeshauptmann von Wien hat im Oktober 2000 ohne Einspruch – kein einziger Einspruch! – diesem Schlüssel zugestimmt. Die damalige Landesfinanzreferentin, Frau Stadträtin Brigitte Ederer, die im Verhand­lungs­komitee war, hat extra empfohlen, dem gesamten Paktum zuzustimmen. – Stichwort „Pakttreue“.

Darum sage ich, ich freue mich schon auf den Prozess, den der Herr Landes­haupt­mann immer ankündigt. (Bundesrat Konecny: Da werden Sie sich wundern!) – Ich wundere mich nicht, aber jemand anderer.

Jetzt haben wir als Angebot für Wien gesagt, wenn ihr die Zahlen nicht vorlegen könnt und nicht zu diesem Ergebnis kommt, dann ermitteln wir den Stand auf der Grundlage, wer eine Bildungszulage erhält. Das begünstigt Wien extrem, denn Wien hat etliche Leh­rer in der Verwaltung eingesetzt, zum Beispiel beim Stadtschulrat. Diese bekom­men jetzt auch Mittel, werden auch mit dazugerechnet. Da wäre es doch fair, wenn Wien schon den Stand überschreitet, wenn Wien schon einen Teil vom Bund abge­golten bekommt, nämlich 600 Lehrer, dass Wien auch einen eigenen finanziellen Bei­trag dazu leistet. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.54

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär Morak! Darf ich Sie als Vertreter des eigentlich Zuständigen fragen: Wollen Sie noch ein Schlusswort ha­ben? – Nein. (Heiterkeit des Bundesrates Konecny. – Bundesrat Schennach: Erklä­rung aus niederösterreichischer Sicht!)

Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des National­ra­tes getrennt erfolgt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. De­zember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter­dienst­gesetz und das Landeslehrer-Dienstrecht 1984, das Land- und forstwirtschaft­liche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Pensionsgesetz 1965, das Bundes­theaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechts­gesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz, das Auslandszulagen- und –hilfeleistungs­gesetz, das Mutterschutzgesetz, das Väter-Karenzgesetz, die Reisegebührenvorschrift, das Einsatzzulagengesetz, das Unterrichtspraktikumgesetz, das Universitäts-Abgel­tungs­gesetz und das Akademie der Wissenschaften-Gesetz geändert werden sowie


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 103

das Militärberufsförderungsgesetz 2004 geschaffen wird. Es ist dies die so genannte 2. Dienstrechts-Novelle 2003.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 3. De­zember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbediensteten-Schutz­gesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind 4 Minuten vor dem Zeitpunkt, an dem ich die Dringliche Anfrage aufzurufen habe. Ich würde daher meinen, dass wir die Sitzung bis 16 Uhr unterbrechen, denn es macht wenig Sinn, jetzt nur den Bericht zum nächsten Tagesordnungspunkt zu verlesen und die Debatte erst später zu führen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 15.57 Uhr unterbrochen und um 16.04 Uhr wieder aufgenom­men.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Inneres betreffend den enormen Anstieg der Kriminalität bei gleich­zeitig sinkender Aufklärungsquote (2136/J-BR/2003)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Inneres.

Da diese Dringliche Anfrage inzwischen allen Bundesräten und Bundesrätinnen zuge­gangen ist, erübrigt sich deren Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile zur Begründung dieser Dringlichen Anfrage Herrn Bundesrat Professor Konecny als erstem Anfragesteller das Wort.

 


16.04

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Es ist nun tatsächlich nicht das erste Mal, dass sich dieses Hohe Haus mit der Frage der Sicherheit in unserem Land auseinander setzt. Wir alle haben mit angehört, wie der Herr Bundesminister hier und bei anderen Gelegenheiten eine Unmenge an neuen Beamten versprochen hat, von einem Ansteigen der Aufklärungsquote gesprochen hat, also mit einem Wort versucht hat, das Problem schönzureden.

Die Zahl der geklärten Fälle steige massiv, und zwar mehr als die Kriminalität steigt, das sei ein gutes Zeichen, das sei schon eine Trendumkehr, hat der Herr Innenminister am 28. Oktober 2003 in der Sendung „Report“ erklärt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 104

Doch nichts von dem, was sich in Zahlen festmachen lässt, rechtfertigt den Optimismus des Herrn Bundesministers, dass eine Trendumkehr zum Besseren stattfindet. Er hat vor einigen Monaten – auch dieses Mal wieder im Oktober – alar­mierende Daten, die bekannt geworden sind, als Rohdaten ohne Aussagekraft herun­tergemacht, und er hat versucht, eine Entwicklung, die klar erkennbar war – auch für die Bürgerinnen und Bürger auf der Straße und in ihren Wohnungen –, schönzureden.

In den ersten elf Monaten des heurigen Jahres hat es praktisch in allen Kriminalitäts­kategorien eine Steigerung gegenüber dem Vergleichszeitraum 2002 gegeben: Hand­lungen gegen Leib und Leben: plus 3,5 Prozent, Vermögensdelikte: eine Zunahme von 13,6 Prozent, Sittlichkeitsdelikte: eine Zunahme von 19,9 Prozent, sonstige strafbare Handlungen nach dem Strafgesetzbuch: ein Plus von fast einem Viertel, Einbruchs­diebstähle: ein Plus von 27,7 Prozent, gewerbsmäßiger Diebstahl und Bandendieb­stahl: ein Plus von 32,3 Prozent, Raub: ein Plus von 25,4 Prozent.

Dabei zeigt sich, dass naturgemäß in den Ballungszentren – und da ist Wien in beson­derem Maße betroffen – diese Steigerungen noch wesentlich stärker sind. Zwei Bei­spiele: In Wien gibt es beim gewerbsmäßigen Diebstahl beziehungsweise Banden­dieb­stahl eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 39,7 Prozent und beim Raub ein Plus von 33,8 Prozent.

Gleichzeitig ist die Aufklärungsquote – nicht so dramatisch, aber deutlich genug – auf 39,7 Prozent zurückgegangen. Sie ist erstmals – ich weiß nicht, ob das so ist, seitdem es eine Kriminalitätsstatistik gibt, aber jedenfalls ist diese Entwicklung so, seitdem ich mich mit der Kriminalitätsstatistik beschäftige – auf unter 40 Prozent gesunken.

Das ist keine Trendwende, zumindest keine zum Besseren, sondern das ist – ganz im Gegenteil! – eine Entwicklung, von der sich zu Recht die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande massiv bedroht fühlen! Diese Zahlen – Steigerungen innerhalb eines Jahres!; ich muss es nochmals dazusagen – führen dazu, dass immer mehr Menschen Betroffene werden, und das ist nichts, was verantwortungsbewusste Politiker auf die leichte Schulter nehmen können und dürfen.

Opfer eines Raubs oder eines Einbruchs zu werden heißt ja nicht nur, bestimmte Güter zu verlieren, sondern es heißt auch, ein traumatisches Erlebnis zu haben, es heißt des Weiteren, sich monatelang mit Versicherungen, wenn man denn eine hat, herum­schlagen zu müssen, und im Fall des Einbruchs heißt es, dass man auf Wochen eine kaum benützbare Wohnung hat und Wiederherstellungsarbeiten veranlassen muss. – Jeder von Ihnen – Sie genauso wie wir – kennt Menschen, die unter einer solch mas­siven Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität leiden, ganz abgesehen davon, dass damit natürlich auch gewaltige materielle Verluste verbunden sind.

Es ist sicherlich richtig, dass ein gut Teil dieses Anwachsens der Kriminalität durch eine höhere internationale Mobilität von Kriminellen verursacht wird – gar keine Fra­ge! –, aber dass sich die Tätigkeit dieser – nicht nur aus Österreich stammenden –Kriminellen so reibungslos abwickeln lässt, hat etwas damit zu tun, dass die Exekutive sehr im Gegensatz zu Ihren schönfärberischen Meldungen immer kleiner wird, immer weniger präsent ist und als Abschreckungsinstrument so gut wie überhaupt nicht mehr in Erscheinung tritt.

Wir haben Ihnen im Text – aber ich darf es trotzdem zitieren – ein paar Beispiele dafür genannt, wie denn so die Präsenz der Exekutive in der Realität aussieht.

Es gibt nach unseren Informationen im Bundesland Niederösterreich in der Nähe von Wien, und zwar bei der SCS, angeblich ein Stützpunktzimmer der Gendarmerie. Nun ist ein großes Einkaufszentrum für bestimmte Kriminalitätsformen, wie etwa Taschen­diebstahl, ein bevorzugtes Areal. Wenn aber ein Bestohlener glaubt, er könne bei dem


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 105

Stützpunktzimmer irgendeine Hilfe finden, dann täuscht er sich. Er kann dort warten, bis die Beamten vom Gendarmerieposten Vösendorf in die SCS fahren. Dass ein solcher Hot Spot des Taschendiebstahls regelmäßig patroulliert gehört, ist ja fast schon – ein paar Tage vor Weihnachten mag das erlaubt sein – ein Wunsch ans Christkind.

Wir haben beim letzten Mal auf den Sachverhalt hingewiesen, dass es den Posten am Bahnhof Steyr gibt, wo es zwar noch ein Schild und auch eine Glocke gibt, aber keine Möbel mehr und vor allem keine Beamten mehr, was die Sinnhaftigkeit dieses Postens, bei welchem der Betrieb angeblich noch aufrecht ist, in den Augen der Bevölkerung doch ganz entscheidend reduziert.

Wir können Ihnen aus unseren Gesprächen mit den Exekutivbeamten jederzeit und für bestimmte konkrete Tage den Nachweis dafür erbringen, dass in Niederösterreich pro Nacht ein einziges Einsatzfahrzeug für einen Bereich von hundert Quadratkilometern unterwegs ist. – Eine „enorme“ Abschreckungswirkung gegenüber jenen, die auf einen Einbruchsdiebstahl aus sind! Ich kann leider die statistische Wahrscheinlichkeit, dass dieses Einsatzfahrzeug dort vorbeikommt, wo es gerade vonnöten wäre, nicht aus­rechnen. Eine derart höhere Mathematik, wo es um so viele Nullen nach dem Komma geht, übersteigt meine Fähigkeiten. (Bundesrat Dr. Kühnel: 190 Einsatzfahrzeuge sind nach Ihrer Rechnung in ganz Niederösterreich in der Nacht unterwegs!) Sie meinen, Einbrecher sind so viele unterwegs?! (Bundesrat Dr. Kühnel: 190 Einsatzfahrzeuge sind nach Ihrer Rechnung in der Nacht unterwegs!) Ja, aber seien Sie mir nicht böse: Das Einsatzfahrzeug kommt dann zum Teil bis zu 40 Kilometern entfernt vom eigenen Posten zum Einsatz, der währenddessen – in aller Regel! – unbesetzt ist. Wenn Sie glauben, dass diese Dichte der Exekutivpräsenz irgendetwas bewirkt, dann sind Sie – ich will nicht schon wieder das Christkind bemühen – jedenfalls für Illusionen anfällig.

Der Herr Bundesminister hat mit großem Pomp Kontaktbeamte der Wiener Polizei an­gekündigt. In einigen Teilen der Stadt war es tatsächlich so, dass sich Beamte am Be­ginn dieser Aktion in Geschäftslokalen vorgestellt haben. Sie wurden, was bei der gerin­gen Zahl an Wiener Polizisten kein Wunder ist, danach nie wieder gesehen, und zwar weder auf der Straße noch in den Geschäften.

Ich frage Sie daher: Welchen Sinn hat es, überbeschäftigten Polizeibeamten einen Pflichtbesuch aufzuzwingen, obwohl man ganz genau weiß, dass es in der Nachfolge dieser Maßnahme keine tatsächliche Streifentätigkeit und vor allem keine tatsächliche Kontaktnahme mit den Geschäftsbesitzern, die vielleicht interessante Beobachtungen machen könnten, geben wird?

Herr Minister, Sie erzählen uns seit Jahren, dass es mehr Exekutivbeamte gibt. Es ha­ben vor einigen Tagen bei den Wiener Kriminalbeamten Personalvertretungswahlen stattgefunden. In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen Folgendes sagen: Man kann bei allem möglichen jonglieren, aber bei der Zahl der Wahlberechtigten kann man das nicht. Es hat bei der vorigen Personalvertretungswahl – da sei alles ganz anders und natürlich viel schlechter organisiert gewesen, werden Sie sagen – über 900 Kriminal­beamte gegeben. Dann haben Sie Organisationsreformen, wie Sie es gerne nennen, durchgeführt, und danach waren etwas über 700 Kriminalbeamte wahlberechtigt.

Jetzt frage ich Sie: Ist es ein Zufall, dass die Aufklärungsquote sinkt, wenn die Zahl der Kriminalbeamten um rund 20 Prozent kleiner wird? (Zwischenbemerkung von Bundes­minister Dr. Strasser.) Herr Minister, nach den Zahlen Ihrer eigenen Statistik nein! (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser.) Die Zahl ist gestiegen – was bei einer rund 20-prozentigen Steigerung der Zahl der kriminellen Fälle kein Wunder ist! Wir haben Ihnen das in der Fragestellung ganz deutlich


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 106

gemacht. Bleiben Sie bitte bei vergleichbaren Daten! Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass numerisch mehr Fälle aufgeklärt werden als früher. Das ist richtig!

Die Aufklärungsquote ist nach Ihren eigenen Daten um 1,2 Prozent gesunken. Sie können jetzt sagen, dass Ihre eigenen Daten falsch sind. (Bundesminister Dr. Stras­ser: In Wien!) Auch das ist nach Ihren Daten so nicht richtig! Aber wir können das, Herr Minister, gemeinsam an Hand der provisorischen Statistik gerne überprüfen. (Bundes­minister Dr. Strasser: In Wien ist sie gestiegen!) Nein! (Bundesrat Schennach: Um 0,1 Prozent!) 0,1 Prozent, okay! Aber nach Ihrer Argumentation – und Sie haben sie auch hier sprachlich korrekt, aber politisch irreführend verwendet – heißt das, dass die Zahl der aufgeklärten Fälle gestiegen ist. Aber wenn ich um 20 Prozent mehr Fälle habe, dann kann ich auch ein paar mehr davon aufklären. Es bleiben aber trotzdem mehr unaufgeklärt, und es sind davon mehr Menschen, wie ich es einleitend schon sagte, betroffen.

Diese Bundesregierung hat eine Kriminalitätssituation mit rund 500 000 Straftaten pro Jahr übernommen. Wir werden das heurige Jahr mit einer Zahl von etwa 660 000 abschließen. Das ist das Ergebnis einer, wie uns versprochen wurde, „konsequenten“ Bekämpfung der Kriminalität! Das ist das Ergebnis einer „erfolgreicheren“ Arbeit der Exekutive, die Sie, Herr Bundesminister, damit beschäftigen, wie ein Puzzle ständig neu zusammengesetzt zu werden! Ich habe vorhin die Wiener Kriminalbeamten er­wähnt, im Übrigen ist auch die Wiener Zentralverwaltung in derselben Situation.

Sie haben so intensiv umorganisiert, dass – zwar sehr gegen Ihren Willen, aber auf Grund von gerichtlichen Entscheidungen – neue Personalvertretungswahlen, die Sie gerne vermieden hätten, was ich nach dem Ergebnis auch durchaus verstehe, statt­finden mussten, weil die ursprüngliche Zuordnung, für die Vertrauenspersonen gewählt waren, nicht einmal annähernd mehr erkennbar war.

In der neueren österreichischen Geschichte pflegen – ich darf das anmerken – Polito­logen Zugewinne von 17 Prozent als Erdrutschsieg zu bezeichnen – zumindest dann, wenn es bei Nationalratswahlen der Fall ist –, und genau diesen Zuwachs hat es für unsere Freunde von der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter im Kriminal­dienst gegeben, die von einer Minderheitsfraktion nun mit etwas mehr als 58 Prozent zu einer deutlichen Mehrheitsfraktion wurde, was dann sogar den geschlagenen Frak­tionsführer der christlichen Gewerkschafter zu der zweifellos richtigen Feststellung ver­anlasst hat, dass dieses Wahlergebnis einer von den Kolleginnen und Kollegen absolut nicht verstandenen Politik des Ministers zu verdanken ist. Ihr Parteifreund wird das vermutlich besser beurteilen können als ich, aber ich möchte ihm da nicht Unrecht geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt sicherlich die Notwendigkeit, Organisationsstrukturen geänderten Erfordernis­sen anzupassen. Aber das, was Sie, seitdem Sie im Amt sind, in Ihrem Ministerium und in nachgeordneten Dienststellen veranstalten, hat mit einer funktionsgerechten Or­ganisationsreform wenig bis nichts zu tun.

Wenn Sie es – was mit einer gewissen politischen Vorerfahrung ja so sein mag – als Erfolg betrachten, eine große Anzahl von sehr erfolgreichen und bewährten Spitzen­beamten, Kriminalisten, Leitern irgendwo in die Wüste oder allenfalls auch in die Pen­sion zu schicken, dann ist es ein Erfolg. Dass diese zu einem hohen Prozentsatz, aber keineswegs zu 100 Prozent politisch zufällig der Sozialdemokratie nahe standen, mag Ihnen eine besondere Befriedigung sein. Aber wenn Sie glauben, dass Sie auf all diese exzellenten Kräfte Ihres Hauses verzichten können, wenn Sie glauben, dass das stets neue Zusammenfügen von Organisationsstrukturen irgendeine Verbesserung bewirkt, dann werden Sie von der Kriminalitätsentwicklung eindeutig Lügen gestraft.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 107

Nun bin ich Wiener Bundesrat und gebe zu, dass ich einige Beispiele aus diesem Bereich genannt habe. In der Begründung unserer Dringlichen Anfrage, aber auch im Fragenkatalog finden Sie eine Reihe von Fragen, die andere Bundesländer betreffen und bei denen ich mich nicht im gleichen Umfang legitimiert fühle, sie zu interpretieren, weil ich die Begleitumstände nicht so im Detail kenne. Aber meine Kolleginnen und Kollegen werden diese Aufgabe im weiteren Verlauf der Debatte gerne übernehmen.

Wahr ist und bleibt: Überall verfügt die Exekutive über zu wenig Personal. Die von Ihnen versprochene – wenn ich das so nennen darf – höhere Produktivität der Exe­kutive ist nirgendwo erreicht worden. Sie hat sich in Scheinaktivitäten, mit denen man einmal in die Zeitungen und ins Fernsehen kommt, erschöpft, aber nicht den ge­ringsten positiven Einfluss auf die Kriminalitätsentwicklung und eben auch keine posi­tive Auswirkung auf die Aufklärungsrate gehabt.

Ich bin ja selten mit Herrn Minister Böhmdorfer einer Meinung – das gebe ich freimütig zu –, aber seinem Wutausbruch – anders kann ich das nicht bezeichnen – im Fern­sehen, als er gemeint hat, dass uns Sicherheit auch etwas wert sein muss, kann ich im Namen auch all derjenigen, die von der zusammenbrechenden Sicherheitssituation in diesem Land betroffen sind, nur Recht geben.

Die Exekutive ist von Ihnen, Herr Bundesminister, kaputtgespart worden. Was immer Sie, der Sie doch innerhalb der Bundesregierung auch ein Interessenvertreter im Be­reich der Sicherheit der Bevölkerung sowie Ihrer Mitarbeiter sein sollten, dazu be­wogen hat, zum Musterschüler der Budgetkürzungen zu werden, weiß ich nicht. Aber das, was Sie veranstaltet haben ... (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Der Schulden­hau­fen, den ihr uns hinterlassen habt!) – Ach Gott! (Bundesrat Manfred Gruber – in Rich­tung ÖVP –: Ihr wart immer dabei! Kindesweglegung!) – Herr Kollege, der Schul­denhaufen ist dank dieser segensreichen Bemühungen um einiges höher geworden. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... 30 Jahre Finanzminister ... in einer Hand!)

Also einer war es ja nun wirklich nicht, und bei manchen sind schon drei Jahre viel zu viel! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Kühnel: Er hat immerhin das Nulldefizit zusammengebracht, was Ihre ja nie ...!) – Also er hat kein Nulldefizit zusam­men­gebracht (Bundesrat Manfred Gruber: Nur für die Statistik!), tatsächlich haben die Länder und Gemeinden jene Überschüsse erzielt, die es ihm ermöglicht haben, ein gesamtstaatliches Nulldefizit nach Brüssel zu melden – wenn wir schon bei der Wahrheit bleiben wollen –, wofür ich mich bei allen Landesfinanzreferenten und Finanz­­referenten der Gemeinden bedanke. (Beifall bei der SPÖ.) Ich habe nicht den Eindruck gehabt, dass der Finanzminister das Bedürfnis hatte, diesen Dank auszu­sprechen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sind die meisten ÖVPler!) – Nicht vom Budget­volumen, lieber Herr Kollege! Vom Budgetvolumen her sind schon die meisten rot!

Wahr ist – und, Herr Bundesminister, daran muss ich Sie schon erinnern –, dass Sie uns beim letzten Mal eine objektive Unwahrheit über die Kriminalitätsentwicklung be­richtet haben; Sie haben dasselbe auch im Juni 2003 im Budgetausschuss des Na­tionalrates getan. Herr Bundesminister, jeder – das ist menschlich – versucht, die Tat­sachen aus dem für ihn erfreulichsten Blickwinkel zu betrachten. Aber Sie haben offen­bar den Punkt erreicht, an dem die Wirklichkeit für Sie oder zumindest für Ihre Dar­stellungsweise nicht mehr erkennbar ist.

Sie haben in den letzten Wochen und Monaten – da waren übrigens auch Wahlen, und es war wahrscheinlich ganz nützlich, wenn man da ein bisschen kalmieren kann – eine für jeden, der die Zahlen lesen konnte, erkennbare Entwicklung wegzureden versucht. Sie haben von falschen Statistiken, Rohdaten und Ähnlichem gesprochen. Jetzt sind es keine Rohdaten mehr, und es ist jenes statistische System, das Sie eingeführt haben. Die Ergebnisse sind haarscharf dieselben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 108

Sagen Sie uns jetzt bitte nicht – und auch das haben wir uns gestattet, schriftlich in unserer Anfrage zu deponieren –, dass die Zahlen nicht vergleichbar sind! Sie sind vergleichbar! Die anderen Darstellungsmethoden, die angeblich kriminalistisch weiter­helfen, was ich nicht wirklich beurteilen kann, ändern nichts daran, dass die Zahl der zu behandelnden Fälle in jenem Ausmaß, wie ich es dargestellt habe, gestiegen ist.

Herr Bundesminister, der Punkt ist erreicht, an dem Sie den Offenbarungseid gegen­über den Österreicherinnen und Österreichern ablegen müssen. Diese Bundesregie­rung ist mit dem selbstgestellten Anspruch ... (Abg. Wittauer betritt in seiner Winter­jacke den Saal.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, die Garderobe ist draußen abzu­geben! Ich verweise noch einmal auf die Hausordnung!

 


Bundesrat Albrecht Konecny (fortsetzend): Ich erinnere mich an vieles, was hier gegen den vorangegangenen Bundesminister für Inneres von Seiten der heutigen Regierungsparteien an Kritik vorgebracht wurde. Sie sind an dem selbstgestellten Anspruch, es besser zu machen, jämmerlich gescheitert.

Ihre Mitarbeiter sind demotiviert und verunsichert, weil natürlich auch ein junger Polizist, ein junger Gendarm durchschaut, was eine Alibiaktion ist, wenn er oder sie zu einer Geschäftsfrau geschickt wird, um die Hand zu schütteln, und dabei der Foto­apparat von irgendeinem Journalisten blitzt, weil man freundlicherweise sagt, jetzt haben wir eine neue Aktion. Glauben Sie nicht, dass Ihre Mitarbeiter diese PR-Taktik durchschauen und sich nur denken: Statt dass ich etwas Gescheites tun kann, muss ich da jetzt für die PR-Aktion herhalten und sinnlose Kilometer laufen!?

Ich habe das pausenlos vor Augen: Sie haben, um die Präsenz der Polizei auf der Straße zu erhöhen, angeordnet, dass Polizisten ihre Einsatzfahrzeuge irgendwo par­ken und dann in der Umgebung des Fahrzeuges auf Streife gehen sollen. Ich konnte das gestern Abend hier beim Parlament beobachten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein! Aber es ist das ein ganz untauglicher Versuch, den Personalmangel zu über­decken. Ich kann nicht von einem Fahrzeug aus – und es gibt auch eine Vorschrift dafür, wie weit sie weggehen dürfen – eine wirkungsvolle Streife durchführen.

Ich kann in einem Siedlungsgebiet, das einbruchsgefährdet ist, am Ende der ersten Straße stehen bleiben und die nächsten eineinhalb Stunden dort Streife gehen und schauen, ob ich etwas Verdächtiges bemerke. Das ist wahrscheinlich sinnvoll. Aber mich nicht mehr als 50 Meter vom Auto entfernen zu dürfen, ist – was doch jeder weiß – eine völlig sinnlose Demonstrativaktion, durch die, falls inzwischen eine Mobilisierung für dieses Einsatzfahrzeug erfolgt, auch noch eine Zeitverzögerung eintritt, für das „Streife gehen“ selbst wird jedenfalls überhaupt kein Effekt erzielt. Herr Kollege Hagen, Sie können dazu vielleicht sachdienlicher und kompetenter sprechen als ich, aber ich glaube nicht, dass Sie mir in dieser Sache widersprechen. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: ... unter Einem eingeführt worden!) – Nein, das nun wirklich nicht, Herr Kollege! Diese Idee ist dem gegenwärtigen Minister vorbehalten geblieben.

Und ich wiederhole: Mit den Umorganisationen, mit solch sinnlosen Demonstrativ­aktionen wird ein exzellentes Korps der Sicherheitsexekutive demotiviert und verun­sichert. Es ist kein Zufall, dass wir auch hier eine Reihe von freiwilligen Rückzügen im Rahmen der Pensionierungsmöglichkeit hatten, weil eben Mitarbeiter nicht mehr das Gefühl hatten, dass sie geschätzt werden und dass ihre Arbeit effektiv ist und etwas erbringt.

Sie stehen am Ende und auch vor den Trümmern einer Politik, die, wenn das Ihr Erfolgs­kriterium ist, politisch absolut erfolgreich war. Ja, Sie haben ein Ressort um­gefärbt. Sie haben an jeden für Sie – und sei es durch die künstlichsten Umgrup-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 109

pierungen – greifbaren Spitzenposten einen politischen Vertrauensmann oder auch eine politische Vertrauensfrau gesetzt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich fürchte, dass das die Kriminellen nicht sehr beeindruckt hat. Ich fürchte auch, dass das die Aufklärungsquote nicht zum Positiven beeinflusst hat. Und wie man sieht, hat es auch die Meinung der Exekutivbeamten über Ihre Politik, ausgedrückt in Per­sonalvertretungswahlergebnissen, nicht beeinflusst, ganz im Gegenteil! (Bundesrat Ing. Franz Gruber: ... die Falschen wegrationalisiert!) – Herr Kollege, bitte! Der Ein­zige, der da wegrationalisiert werden könnte und sollte, sitzt in diesem Raum, womit ich nicht Kollegen Hagen meine. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrätin Roth-Halvax: Diese Aussage ist eine Frechheit!) – Auf den besagten groben Klotz, Frau Kollegin, darf ich auch ein bisschen zurückschlagen. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Passt schon!) Lassen Sie es uns als Auseinandersetzung deux à deux gelten! Es war nicht auf Sie, Frau Kollegin Roth-Halvax, gemünzt.

Meine Damen und Herren! Diese Dringliche Anfrage ist nicht am Schreibtisch ent­standen. Diese Dringliche Anfrage ist entstanden (Ruf bei der ÖVP: Am Computer!) als Ausfluss unendlich vieler Gespräche, die jeder von uns in den letzten Monaten geführt hat. Was Sie nämlich überhaupt nicht berücksichtigen, Herr Minister, ist, dass Ihre Schönwettermeldungen von Menschen gehört, im Fernsehen gesehen, in den Zei­tungen gelesen werden, die selbst Opfer sind. Diese Menschen fühlen sich genauso verhöhnt wie die Exekutivbeamten, die auf die besagten leeren Kilometer geschickt werden.

Jeder von uns – und sagen Sie nicht, dass das noch niemandem von Ihnen passiert ist –, jeder von uns ist mit Verbrechensopfern konfrontiert, die sagen: Was soll denn das? Bei mir haben sie eingebrochen, der Nachbarin haben sie das Geldtascherl gezogen, in der Trafik haben sie den Rollbalken aufgebrochen, aber der Herr Minister erzählt uns, wie erfolgreich er bei der Kriminalitätsbekämpfung ist! (Bundesrätin Roth-Halvax: Das ist ja totaler Blödsinn!)

Und glauben Sie, dass sich bei uns die Gendarmerie- und Polizeibeamten melden und ihr Berufsleid loswerden. Das erklärt auch, warum das zum Teil etwas unsystematisch zusammengefügte Fragen sind, Fragen, die sich aus Einzelfällen und Einzelbeschwer­den ergeben, welche wir nun im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage zusammengefasst haben.

Herr Bundesminister! Sie haben beim letzten Mal und beim vorletzten Mal und beim vorvorletzten Mal, bei verschiedenen Gelegenheiten die Situation schöngeredet. Wir sind sehr gespannt, ob Sie sich heute einmal Ihrer Verantwortung stellen oder uns wieder erklären, was alles auf Grund der undurchdachten Maßnahmen, die Sie uns er­zählen werden, besser werden wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

16.35

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der an ihn gerichteten Anfrage erteile ich Herrn Bundesminister Dr. Strasser das Wort.

 


16.36

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Vor der Beantwortung nur ein kleiner Hinweis: All das, was da jetzt an – ich sage es einmal vorsichtig und freundlich, Herr Bundesrat – Nichtvertrauen in die Arbeit der Polizei (Widerspruch bei der SPÖ – Bundesrat Konecny: Nein! In Ihre Arbeit!) und in die Arbeit der Gendarmerie gesetzt wird ... (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Nehmen Sie einfach das her, wie es die Bevölkerung sieht! (Bundesrat Manfred Gruber: Wir vertrauen Gendarmerie und Polizei, nur nicht ihrem Minister!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 110

Und nehmen Sie die heutige APA, die ich soeben während Ihrer Rede bekommen habe (Bundesrat Konecny: Die ist seit drei Stunden da, tun Sie nicht so! – anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen), Herr Bun­desrat, die ausdrücklich ... (Bundesrat Konecny: Entschuldigen Sie! ... ausge­schickt, nachdem wir die Dringliche eingebracht haben! Das ist doch Theaterschmäh!)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Am Wort ist der Herr Bundesminister!

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser (fortsetzend): Ich darf zur Information der Damen und Herren Bundesräte die Quelle nennen: Die Quelle ist die Austria Presse Agentur, genauer das Institut für Trendanalysen und Krisenforschung, und nicht das Innenministerium, das darf ich sehr klar festhalten. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Und wer hat dem den Auftrag erteilt?)

Damit das auch festgehalten ist: Das war kein Auftrag des Bundesministeriums für Inneres (Bundesrat Konecny: Sondern?), sondern ich habe von dieser Untersuchung und von deren Ergebnissen jetzt hier während Ihrer Rede Kenntnis erhalten. Das ist die Wahrheit, Herr Bundesrat! Und lassen Sie die anderen Dinge so, wie sie sind! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zum Zweiten: Sie wollen doch nicht verhindern, dass wir hier im Bundesrat darüber diskutieren, welcher Art das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei ist? Nur das, kann ich mir vorstellen, wird nämlich mit Ihren Zwischenrufen jetzt versucht. (Bundesrat Konecny: Kein Mensch redet von der Polizei!) Diese Unterlage zeigt sehr klar – und so ist auch die Überschrift auf dieser Unterlage –, dass die österreichische Be­völkerung Vertrauen in die Polizei hat. (Bundesrat Konecny: Großes Vertrauen in die Polizei! Vom Innenministerium war nicht die Rede!)

Auf die Frage: „Wie sicher fühlen Sie sich, wenn Sie nachts in Ihrer Nachbarschaft unter­wegs sind?“ sagen „ziemlich sicher“ 50 Prozent, „sehr sicher“ 27 Prozent; „unsicher“ 21 Prozent. (Bundesrat Konecny: „Ziemlich sicher“ ist kein Lob!)

„Sehr sicher“ oder „ziemlich sicher“ fühlen sich also 77 Prozent der Österreicher, wenn sie des Nachts unterwegs sind. (Bundesrat Manfred Gruber: Das waren schon einmal fast 100 Prozent!) Das ist ein sehr ordentlicher Beweis für das Vertrauen der Be­völkerung in unsere Polizei und Gendarmerie. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf nun die Dringliche Anfrage der Bundesräte Konecny und GenossInnen betref­fend den enormen Anstieg der Kriminalität bei gleichzeitig sinkender Aufklärungsquote nach den mir vorliegenden Informationen beantworten.

Zu den Fragen 1 und 2:

Ein Vergleich zwischen 1999 und 2001 ist unzulässig (ironische Heiterkeit des Bundes­rates Konecny), weil die Erfassung in der Kriminalstatistik umgestellt wurde. Die zah­lenmäßigen Steigerungen sind auf den Anstieg der Massenkriminalität, vor allem durch importierte Kriminalität, zurückzuführen. Computer, Unterhaltungselektronik, Mobiltele­fone, Bargeld und Schmuck sind die am häufigsten ausgewiesenen Beutestücke. (Bundesrat Konecny: Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Sie das gefragt habe!)

Zur Frage 3:

Die Anzahl der geklärten Fälle ist von Jänner bis November des Jahres 2002 mit einem Wert von 220 335 auf 241 408 Fälle von Jänner bis Oktober – nicht November! – 2003 gestiegen, das ist ein Plus von 9,6 Prozent. (Bundesrat Konecny: Quote! „Quote“ heißt die Frage! Sie können lesen und Sie wissen, was ...!)

Ausländische Tätergruppen reisen in das Bundesgebiet ein, halten sich nur kurz auf, verlassen das Land wieder und verbringen die Beute organisiert und arbeitsteilig.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 111

Dieses Phänomen zeigt sich im gesamten europäischen Raum. Europol hat über Initiative auch Österreichs ein europaweites Projekt zur Bekämpfung gestartet.

Zur Frage 4:

In Anbetracht der aktuellen internationalen Kriminalitätsentwicklung habe ich dargelegt, dass zur noch wirksameren Bekämpfung der Kriminalität zusätzliche Exekutivbe­diens­tete erforderlich sind. In einem ersten Schritt hat der Nationalrat mit den Stimmen der Volkspartei und der Freiheitlichen Partei – ich bedanke mich bei diesen Abge­ord­neten – 150 Exekutivbeamte für die verstärkte Kriminalitätsbekämpfung über den nor­malen Stellenplan zur Verfügung gestellt. (Beifall bei der ÖVP.)

Genauso stellt die Eingliederung von 1 030 Zollwachebediensteten mit 1. Septem­ber 2003 und 1. Mai 2004 ins Innenministerium eine wesentliche Verstärkung des Außendienstes dar. Im Jahr 2004 werden zusätzlich noch mindestens 620 Neuauf­nah­men erfolgen. Das bedeutet, dass das Innenministerium als einziges aller Ministerien im Jahr 2004 mehr Beamte haben wird, als es heuer, im Jahr 2003, hatte.

Das ist die Antwort auf die steigende Kriminalität, auf die importierte Kriminalität, Herr Bundesrat! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Könn­ten Sie auch die Frage beantworten!)

Zum Stand der Vollbeschäftigungsäquivalente, der systemisierten und der besetzten Planstellen: Die Planstellenzahl für das Jahr 2002 lautete 32 051, zum 3. Oktober 2003 hatten wir 31 440.

Aufgeteilt auf die Exekutive und die Verwaltung und auf die Bundesländer – so die mir hier vorliegende Unterlage, Stand 1. November 2003 –:

Burgenland: ein Soll von 1 677, ein Ist von 1 693; in Kärnten – die zweite Zahl ist immer die Ist-Zahl, die erste Zahl ist die Soll-Zahl, wenn Sie gestatten, werde ich das nicht jedes Mal vorlesen –: 2 235,5, 2 223,7; in Niederösterreich: 5 126,0, 5 022,5; in Oberösterreich: 3 935,5, 3 804,3; in Salzburg: 1 713,5, 1 666,4; in der Steiermark: 3 814,0, 3 657,4; in Tirol: 2 072,0, 1 999,0; in Vorarlberg: 763,5, 734,8; in Wien: 8 209,0, 8 113,6.

Nicht inkludiert in diese Zahl sind 130 Eko-Cobra- und 159 Mitarbeiter der Bildungs­zentren. Auch nicht inkludiert in diese Zahl sind die Observationseinheiten im Bundes­kriminalamt. (Bundesrat Konecny: Herr Bundesminister! Ist es möglich, dass diese Unterlage verteilt wird?)

Zur Frage 5:

Gemäß Ressortübereinkommen sind 1 030 Zollwachebedienstete vorgesehen und ste­hen ab 1. Mai 2004 schon während der Ausbildung für exekutivspezifische Aufgaben zur Verfügung.

Was weitere Aufgaben betrifft, so sind die Übernahme der noch an Zollorgane über­tragenen Grenzkontrolle und in einem geringeren Ausmaß eine Mitwirkung gemäß § 15a Zollrechtsdurchführungsgesetz vorgesehen.

Zu den Fragen 6 und 7:

Verschiedene Modelle werden diskutiert. Eine Entscheidung ist nicht getroffen. Jeden­falls vorgesehen ist eine Einsatzleitung und Kommandoführung für jeden politischen Bezirk. Das SPÖ-Modell, das zur Gänze die Abschaffung der Bezirksgendar­meriekom­manden vorsieht, lehne ich ab! (Bundesrat Manfred Gruber: Das ist ein Weihnachts­märchen! Kein Mensch macht so einen Vorschlag!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 112

Zur Frage 8:

Kein einziger.

Zur Frage 9:

Das vorgeschlagene Dienstzeit-Modell ist eine Diskussionsgrundlage. Konkrete Aus­wir­kun­gen können erst nach Entscheidungen berichtet werden. Karrierechancen wer­den nach dem vorliegenden Konzept durch die geplanten durchlässigen Ausbildungs­modelle erhöht werden.

In Bezug auf die Pauschalierung der Reisegebühren, Neudefinition des Dienstortes sowie Zuteilungs- und Trennungsgebührenrechnung kann ich mangels eines mir be­kannten konkreten aktuellen Entwurfs keine Stellung nehmen.

Zur Frage 10:

Diese Frage kann erst nach dem Ende des Diskussionsprozesses und nach Vorliegen der endgültigen Entscheidung beantwortet werden.

Zur Frage 11:

Ich kenne keine Äußerung von mir, in der ich so etwas verweigert hätte.

Zur Frage 12:

Ich versuche das nicht.

Zur Frage 13:

Der Stützpunkt des Gendarmeriepostens Vösendorf im SCS-Bereich dient nur zur Wahr­nehmung von Amtshandlungen, die aus dem Nahbereich dieses Gebietes re­sultieren. Eine dauernde Besetzung dieser Diensträumlichkeiten ist nicht vorgesehen. Es ist jedenfalls besser und vernünftiger, wenn die Kollegen auf Fußstreife im SCS-Gelände unterwegs sind, als sich in dem Bürogebäude aufhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu den Fragen 14 und 15:

Ich verweise auf die Beantwortung der Frage 6.

Zur Frage 16:

Mir ist Derartiges nicht bekannt. Im Zusammenhang mit Team 04 ist keine Posten­schließung oder -zusammenführung geplant.

Zu den Fragen 17 und 18:

Zum 1. Februar 2004 wurden im Bereich der Bundesgendarmerie in Vorarlberg 25 Neu­aufnahmen fixiert. Des Weiteren werden ab 31. August 2004 27 BeamtInnen und ab 31. Dezember 2004 19 BeamtInnen ihre theoretische und praktische Ausbil­dung beenden und den Exekutivdienst des Landesgendarmeriekommandos ver­stär­ken. Mit dem Übertritt der insgesamt 930 Zollwachebediensteten am 1. Mai 2004 wird auch für das Bundesland Vorarlberg entsprechend Vorsorge getroffen werden. Weitere Kurse sind nach dem Vorhandensein freier Planstellen einzuberufen und werden dort einberufen.

Zur Frage 19:

Eine entsprechende Konzeption liegt vor, sodass eine Schengen-konforme Grenzkon­trolle durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gewährleistet ist.

Zur Frage 20:

Der Eko-Cobra-Stützpunkt Salzburg wurde mit 1. Jänner 2003 errichtet. Nach einem be­stimmten Zeitraum wird jeder – auch dieser – Stützpunkt einer routinemäßigen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 113

Evaluierung unterzogen werden. Eine Schließung des Cobra-Stützpunktes Salzburg wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ins Auge gefasst.

Zur Frage 21:

Betreffend den Planstellenbedarf darf auf die Frage 4 verwiesen werden.

Zum 1. Februar 2004 wurden im Bereich des Bundeslandes Salzburg 35 Neuauf­nahmen fixiert. Mit dem Übertritt der insgesamt 930 Zollwachebediensteten mit 1. Mai 2004 wird auch für das Bundesland Salzburg entsprechende Vorsorge getroffen wer­den.

Des Weiteren werden ab 31. Juli 2004 14 BeamtInnen, ab 31. Dezember 2004 25 Be­amtInnen ihre theoretische und praktische Ausbildung beenden und den Exekutivdienst im Bundesland Salzburg verstärken.

Zur Frage 22:

Für persönliche Dienstreisen des Bundesministers für Inneres erfolgt beim Kapitel XI, Inneres, keine gesonderte Budgetierung, daher kann die in der Anfrage angeführte elffache Überschreitung aus Sicht der Budgetabteilung nicht nachvollzogen werden.

Hinsichtlich der entstandenen Kosten für persönliche Dienstreisen im Jahr 2003 samt Begleitung darf ich Ihnen mitteilen, dass sich eine gegenständliche Gesamtaufstellung für die Beantwortung der schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Dr. Cap und KollegIn­nen an den Bundesminister für Inneres betreffend Finanzgebarung seit 25. Novem­ber 2002 in Bearbeitung befindet.

Auslandsdienstreisen begründen sich nach sicherheitspolitischen Zielsetzungen be­ziehungs­weise der Mitwirkung bei der Zusammenarbeit und Rechtsetzung der Europäischen Union. Begleitungen bei Ministerreisen wurden nach dem Thema der zu erwartenden Gespräche ausgewählt. (Beifall bei der ÖVP.)

16.48

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass nach der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Todt das Wort.

 


16.49

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, Sie haben uns in Ihrem Einleitungsstatement unterstellt, dass diese Dringliche Anfrage darauf abzielt, dass unser Vertrauen in die Polizei erschüttert ist. – Das ist nicht der Fall! Der Fall ist vielmehr, dass unser Vertrauen in Sie erschüttert ist, und daran ändern auch Ihre Antworten auf unsere Fragen nichts. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Wir sind sehr hellhörig geworden, als selbst die Zeitung „Die Presse“ von einem dramatischen Anstieg der Kriminalität berichtet hat und Sie selbst das in diesem Artikel auch zugegeben haben. – Ich frage mich, weshalb Sie die Fra­gen, die wir jetzt an Sie gerichtet haben, nicht vollständig beantworten können. Das frage ich mich, weshalb Sie das hier nicht tun. Ich weiß nicht, was Sie dazu bewegt, darauf keine klaren Antworten zu geben.

Sie, Herr Bundesminister Strasser, haben hier im Bundesrat einmal erklärt, Ihre Re­formen seien rot-weiß-rot. – Ich sage Ihnen: Ihre so genannten Reformen führen Rot-Weiß-Rot von einem der sichersten Länder Europas zu einem der unsichersten Länder in Europa! (Rufe bei der ÖVP: Geh, geh, geh!) Wenn Sie sich den Vergleich


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 114

anschauen, können Sie doch nicht übersehen, wie sehr die Kriminalitätsrate steigt! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der ÖVP, selbst die Zeitung „Die Presse“ schreibt von einem dramatischen Anstieg der Kriminalität sowie darüber, dass die Straftaten im Zeit­raum von Jänner bis November 2003 erstmals den Grenzwert von 600 000 über­schreiten. Von 1. Jänner bis 30. November 2003 wurden österreichweit 607 323 straf­ba­re Handlungen bekannt. Im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2002 – 1. Jänner bis 30. November – bedeutet das einen Anstieg um 68 400 Delikte! Das ist also ein Anstieg um 12,7 Prozent! – Ich weiß nicht, weshalb man das nicht zugeben kann und weshalb Sie versuchen, all diese Dinge hier schönzureden.

In Wien ist die Kriminalitätsrate um 26 Prozent gestiegen. (Ruf bei der ÖVP: Das ist kein Wunder!) Weshalb ist das kein Wunder? – Deshalb nicht, weil Exekutiv- und Kriminalbeamte zur Aufklärung fehlen; Albrecht Konecny hat ja in seiner Rede bereits darauf hingewiesen: Die Zahl der Kriminalbeamten ist gesunken, und zwar von 900 auf 700. Das sind 200 Beamte weniger, und daher steigt die Kriminalität, so einfach ist die Rechnung! Auf diese Frage hätten wir gerne eine wirkliche Antwort – und nicht solch ein einfaches Dahergerede und ein Herunterbeten von irgendwelchen Zahlen und Ziffern. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das war kein Gerede des Ministers! – Bundesrat Manfred Gruber: Aber auch keine Antworten!)

Die Aufklärungsquote ist gesunken, das ist ganz einfach Faktum! Tatsache ist, bitte, dass die Aufklärungsquote gesunken ist. Ich hätte daher auch gerne auf die Fragen, die gestellt wurden, eine Antwort!

Herr Bundesminister Dr. Strasser! Sie behaupten immer wieder, dass die Schließung von Wachzimmern von Polizei- und Gendarmerieposten dazu führe, dass mehr Polizei und Gendarmerie zur Sicherheit der Bevölkerung auf den Straßen sei. – Die Be­völkerung nimmt aber etwas anderes wahr, denn die Menschen kommen zu uns und klagen darüber, dass sie kaum Exekutivbeamte auf der Straße sehen – außer vielleicht zum Schein; Albrecht Konecny hat ja bereits darauf hingewiesen. Verstärkt wird dieser Trend noch durch die Frühpensionsregelung: Hunderte Exekutivbeamte sind in die Frühpension geflüchtet.

Auch der Versuch, die Übernahme von Zollwachebeamten als „Personalaufstockung“ im Innenministerium zu verkaufen, ist schlichtweg der Versuch einer Fehlinformation, denn diese Beamten nehmen nämlich ihre Aufgaben der Grenzkontrolle und damit zusammenhängender Tätigkeiten zum Großteil mit! Ich hätte gerne eine Antwort auf diese Frage, die Sie nicht gegeben haben, Herr Minister! In Wirklichkeit handelt es sich bei dieser „Personalaufstockung“ um einen schlichten Aufgabentransfer vom Finanz- ins Innenministerium.

Die wenigsten Zollwachebeamten werden, solange Österreich Schengen-Außen­gren­zen hat, zusätzlich für polizeiliche Aufgaben zur Verfügung stehen, was uns ja auch vorliegende Informationen in Bezug auf diese geplante Zuteilung zeigen: 1 050 Zoll­wachebeamte sind das – und gerade einmal 40 sollen der Bundespolizei­direktion Wien zugeteilt werden. Da frage ich mich schon, woher Sie die anderen 1 000 fehlenden Beamten nehmen werden!

Woher sollen diese fehlenden Beamten kommen? Wann werden sie Dienst tun? Wann wird sich dieses durch Sie verursachte Chaos ändern?

Unser Vertrauen in Sie, Herr Bundesminister, ist mehr als erschüttert! Hören Sie auf mit Ihren so genannten Reformen und Organisationsänderungen! Sie verunsichern


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 115

Beamte nur! Lassen Sie ordentliche Polizeiarbeit wieder zu – und fordern Sie mehr Beamte, denn diese sind dringend notwendig! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.55

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. Ich erteile ihr das Wort.

 


16.55

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich werde mich bemühen, auf die großen Fragegruppen, in welche diese Dringliche zumindest einigermaßen gegliedert ist, einzugehen.

Um damit zu beginnen: Sie von der SPÖ bekritteln den Anstieg der Kriminalität und auch den Anstieg der Zahl ungeklärter Fälle.

Der Großteil des Anstiegs der Kriminalität ist auf die vermehrte Straffälligkeit von ausländischen Tätergruppen zurückzuführen (Bundesrat Manfred Gruber: Frau Kolle­gin! Das mag schon sein, aber das ist nicht alles!), die nach Österreich einreisen, um hier eben Straftaten zu begehen – und das Land dann sofort wieder verlassen. Da­durch erfährt natürlich die Aufklärung eine besondere Erschwernis – und ich meine, das ist doch logisch und nachvollziehbar. (Bundesrat Konecny: Das habe ich ge­sagt!) – Was haben Sie gesagt? (Bundesrat Konecny: Genau das, was Sie wiederholt haben! Das brauchen Sie uns nicht erklären!)

Wenn Sie mich weiterreden ließen, könnte ich darauf eingehen, welche Maßnahmen auf Grund dieser Vorkommnisse gesetzt werden. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Gearbeitet wird mit Deutschland, Belgien und den Niederlanden an einem Projekt, das die Bekämpfung mobiler Strukturen osteuropäischer Tätergruppen zum Ziel hat. In diesem Zusammenhang sollte aber auch erwähnt werden, dass es notwendig sein wird, dass osteuropäische Länder ihren Standard in Bezug auf Verbrechens­bekämp­fung anheben und auch ihrerseits einen Teil dazu beitragen, dass Verbrecherbanden aus osteuropäischen Ländern nicht in jenem Maße zu uns kommen, wie das eben derzeit der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt auch eine Reihe von internationalen Sicherheitspartnerschaften, um eben die Kriminalität auch international besser bekämpfen und rechtzeitig einschreiten zu können. Diesbezüglich hat Österreich auch so genannte Verbindungsbeamte in an­deren Staaten, überwiegend in östlichen Ländern – und umgekehrt ist es auch so, dass wir hier in Österreich einen Verbindungsbeamten aus Rumänien haben, der eben an der Aufklärung von Verbrechen mitwirkt, die von rumänischenTätern begangen wur­den. (Bundesrätin Schicker: Prävention ist angesagt!) – Ich bin davon überzeugt, dass das eine sinnvolle Maßnahme ist, denn dieser rumänische Verbindungsbeamte ist doch bitte kein Verbrecher, sondern er ist zur Aufklärung beziehungsweise zur Prä­vention von Straftaten hier! Nochmals: Das stellt auch eine präventive Maßnahme dar! (Bundesrätin Schicker: Sie haben mich falsch verstanden!) – Pardon, kann sein; ja. (Bundesrat Konecny: Sie wissen nicht, was „Prävention“ heißt!)

Unter Bundesminister Strasser eingeführt wurde auch der so genannte Sicher­heitsmonitor, eine sehr effiziente Einrichtung, auf die jeder Exekutivbeamte Zugriff hat, sodass er, wenn es in „seinem“ Gebiet zu bestimmten Straftaten kommt, online punkt­genau feststellen kann, wo diese noch passieren, dann kann er sich eben mit den hiefür Zuständigen in diesem Gebiet kurzschließen und so feststellen, ob das wieder eine bestimmte Tätergruppe ist, die da auf ihrer Kriminalitätstour unterwegs ist, um eben so gezielt die erforderlichen Maßnahmen setzen zu können. Mit der Neu-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 116

einführung des so genannten Sicherheitsmonitors können also sehr, sehr gute Erfolge erzielt werden. (Bundesrat Manfred Gruber: Dann werden wir ja bald was machen!)

So zum Beispiel konnte eine Einbruchsserie in Steyr aufgeklärt werden; auch jene 93 Fälle, in denen Geld aus öffentlichen Telefonzellen gestohlen wurde, konnten in­nerhalb kürzester Zeit aufgeklärt und die Täter gefasst werden.

Ein Schluss, den Sie von der SPÖ ziehen, ist für mich nicht ganz schlüssig: Die Krimi­nalitätsrate steigt doch nicht, weil es eine Reform gibt, die in Ihren Augen nicht greift, sondern: Diese Reform ist notwendig und muss durchgeführt werden, weil eben die Kriminalitätsrate steigt. Ihr Umkehrschluss ist also ein total falscher! (Zwischenruf des Bundesrates Manfred Gruber.)

Herr Minister Strasser wird mit dieser Reform den steigenden Anforderungen moderner Verbrechensbekämpfung gerecht, etwas, was doch absolut notwendig ist.

Sie haben bekrittelt, dass es zu wenig Beamte gibt. (Bundesrat Manfred Gruber: Die Statistiken beweisen, dass er den Anforderungen nicht gerecht wird!) Sie haben ein so lautes Organ! (Bundesrat Manfred Gruber: Damit Sie es auch hören!) Könnten Sie etwas leiser sein? – Sie haben bekrittelt, dass wir zu wenig Beamte haben. Ich möchte hier erwähnen, dass sich derzeit 540 Exekutivbeamte in Ausbildung befinden, von wel­chen 401 im Jahre 2004 fertig sein werden. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist eigentlich verwunderlich: Sie haben ja eine Anfrage gestellt! Könnten Sie daher jetzt auch einmal etwas ruhiger sein? (Bundesrat Manfred Gruber: Sie sind doch die, die immer schreit! Und dann wundern Sie sich, wenn man auch etwas sagt!) Herr Präsident! Sie ziehen mir die Zeit der Zwischenrufe ab, nicht? (Bundesrat Manfred Gruber: Wie man in den Wald hineinschreit, so kommt es zurück!) Das möchte ich Ihnen heute auch noch sagen!

Es verwundert mich trotzdem, sehr geehrte Damen und Herren Genossen: Sie stellen eine Anfrage, und wenn der Herr Bundesminister hier die Antworten gibt, dann ist die Hälfte von Ihnen nicht im Saal! Das verwundert mich sehr! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Er beantwortet die Fragen eben nicht!)

Sie haben bekrittelt, dass es zu wenig Beamte gibt, oder zumindest sehen Sie oder die Leute, die Sie nennen, diese nicht. (Bundesrat Manfred Gruber: Das sind wir!) Im Hinblick darauf möchte ich hier noch einmal erwähnen, dass 540 Exekutivbeamte in Ausbildung stehen, von welchen 401 im Jahre 2004 fertig sein werden. Es werden im Jahre 2004 770 Exekutivbeamte neu eingestellt werden, und in weiterer Folge werden noch 930 Zollwachebeamte hinzukommen. Wenn man das zusammenzählt, dann kommen wir auf eine Summe von 2 240 neuen Beamten.

Was mich sehr, sehr verwundert, ist, dass Sie wohl bekritteln, dass wir keine zusätz­lichen Beamten bekommen, dass Sie aber trotzdem gegen das Wachstumspaket, in dem 150 zusätzliche Planstellen und 36 Millionen an zusätzlichen Mitteln beinhaltet waren, gestimmt haben. Diese Logik kann ich nicht nachvollziehen! (Bundesrätin Schicker: Sie wissen auch, warum wir dagegen gestimmt haben! Wir haben es immer wieder argumentiert! Sie verdrehen die Tatsachen!) Dass Sie aber dagegen gestimmt haben, das stimmt schon.

Das Konzept „Team 04“ bezeichnen Sie in Ihrer Anfrage als massive Macht‑ und Personenkonzentration mit militärisch‑hierarchischer Ausrichtung unter zentralistischer Leitung. – Das vorliegende Papier – das wissen Sie sehr wohl – ist nicht von oben oder von einer Parteizentrale verordnet worden oder von externen Beratern vorgelegt worden, sondern es wurde in 20 Arbeitsgruppen von erfahrenen, kompetenten Leuten aus der Praxis, also von Beamten, die wissen, wovon sie reden, erarbeitet. (Bundesrat


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 117

Manfred Gruber: Solche gibt es gar nicht mehr! Die sind alle in Pension oder wurden versetzt!) Bitte beleidigen Sie die Beamten nicht, die mitgearbeitet haben! Ich bitte Sie darum! Das ist sehr, sehr unhöflich!

Das Papier wurde von Beamten, die wissen, wovon sie reden, erarbeitet. Es ist dies ein Vorgang, der demokratischer eigentlich nicht mehr stattfinden kann, und auch vom Blickwinkel der Mitarbeiterführung könnte dieser Vorgang gar nicht mitarbeiterorien­tier­ter durchgeführt werden! Dieses Papier wird nun, wie mittlerweile bekannt ist, von Minister Strasser und Brigadier Lang in den Bundesländern vorgestellt und diskutiert.

Meine Herrschaften! Auch das ist eine Tatsache: Ich kann mich nicht erinnern, dass ein Innenminister je in die Lande gefahren ist und mit seinen Mitarbeitern über Reformen diskutiert hat. Das war nämlich nicht möglich, weil Sie keine Reformen in diesem Umfang durchgeführt haben! (Bundesrat Manfred Gruber: Dafür hat die Sicherheits­politik funktioniert!)

Viele Vorgänger von Bundesminister Strasser haben wohl angedacht oder darüber ge­redet, dass es sinnvoll wäre, Polizei und Gendarmerie zusammenzulegen. Die Projekte wurden jedoch schubladisiert und nie durchgeführt. Sie trauten sich nicht über ein solches Projekt, beziehungsweise liegt auch der Verdacht nahe – entschuldigen Sie! –, dass Sie sich durch diese komplexe Aufgabe überfordert gefühlt haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich kann nur die Tatsache feststellen, dass sich Bundesminister Strasser traut, dieses große Projekt anzugehen. Er packt das an, worüber sich seine Vorgänger nicht getraut haben, und ich gratuliere Ihnen zu dieser Umsetzung, Herr Bundesminister! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Die Statistik beweist das Gegenteil!)

Ein großes Kapitel Ihrer Anfrage beschäftigt sich mit parteipolitisch motivierter Per­sonalpolitik oder Umfärbung, wie Sie das nennen. (Bundesrat Manfred Gruber: Ge­nauso ist es!) Was Sie da unterstellen, verwundert mich schon sehr! (Bundesrat Man­fred Gruber: Das verwundert nur Sie, sonst niemanden mehr in diesem Land!) Sie unterstellen nämlich, dass die Reform, die längst überfällig ist und mit welcher nicht mehr zeitgemäße Abläufe neu strukturiert werden müssen, gar nicht erforderlich ist und dass der Anlass der Umstrukturierung parteipolitisch motiviert ist und diese der Um­färbung dient, wie Sie sich ausdrücken. (Bundesrat Manfred Gruber: Genauso ist es! – Bundesrat Reisenberger: Wir stellen fest, aber wir unterstellen nicht!)

Meine Damen und Herren! Sie demaskieren sich mit dieser Unterstellung selbst, denn es tritt dabei eine Denkungsweise Ihrerseits zutage, die ich entschieden ablehne! (Bundesrat Manfred Gruber: Wir stellen fest!) Das heißt, Sie sagen, Sie verändern nur etwas, wenn es parteipolitisch motiviert ist! (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)

Sehr geehrter Herr Professor! Ich darf Sie auf die Tatsache aufmerksam machen, dass bis vor einigen Jahren das Innenministerium bis unter das Dach zu 95 Prozent mit So­zialdemokraten besetzt war! Darf ich Sie auf diese Tatsache aufmerksam machen? Wenn man Umstrukturierungen durchführt, dann kann es nur diese Leute betreffen, denn andere hat es ja nicht gegeben! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Frei­heitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)

Es gab keinen einzigen Landesgendarmeriekommandanten, der nicht der Sozial­demo­kratie angehört hat! Es gab im Personalwesen keinen einzigen Abteilungsleiter, der nicht dieser Partei angehört hätte! Da kann es ja nur, wenn man etwas ändert, diese Leute betreffen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bun­des­rat Manfred Gruber: Im Landwirtschaftsministerium sind zu 100 Prozent Schwarze!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 118

Ich kann in dieser Sache nur einen Vergleich zur Privatwirtschaft ziehen: Ich war 35 Jahre in der Privatwirtschaft und habe dort meinen Weg gemacht, wobei ich be­tonen möchte: Ich war 35 Jahre in einem Unternehmen, möchte aber dazusagen, dass ich mit meinen Vorgesetzten, ob anfänglich auf Abteilungsleiterebene oder später mit dem Generaldirektor selbst, nicht immer einer Meinung war und es sehr wohl auch heiße Diskussionen in Sachbereichen gegeben hat. Aber ein Chef muss eben Loyalität von seinen Mitarbeitern erwarten können. Je höher man kommt, umso wichtiger ist das. Man kann intern in der Sache diskutieren, nach außen hin muss man aber in einem Unternehmen dem Chef loyal gegenüberstehen. Wenn ich mich meinem Chef gegenüber aufgeführt, das Unternehmen schlecht gemacht und Dinge behauptet hätte, die gar nicht geschehen sind, dann wäre ich keinen Moment länger in der Firma gewesen. Ich wäre entsorgt worden! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Wer hat so etwas denn gemacht? – Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)

Ich bin jetzt am Wort, und ich werde jetzt weiterreden! Es gibt in der Privatwirtschaft einen Spruch (Bundesrat Konecny: Wem unterstellen Sie das, was Sie soeben gesagt haben? Wovon sprechen Sie? Wer sind die Leute, denen es an Loyalität fehlt? Sie sprechen ungeheuerliche Verdächtigungen aus!) Ich kann Ihnen einige nennen, aber das ist nicht Inhalt meiner Rede. Regen Sie sich nicht künstlich auf, Herr Kollege! (Bundesrat Konecny: Ich rege mich nicht künstlich auf, sondern ehrlich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es gibt in der Privatwirtschaft – bleibt ganz ruhig, werdet nicht nervös, ich bin noch am Wort! – einen Spruch, den ich Ihnen ans Herz legen möchte. (Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) Bei den kolossalen und raschen Veränderungen, die heute vor sich gehen, nicht nur gesellschaftspolitisch, sondern auch auf einem breiteren Sektor, müssen die Menschen heute sehr flexibel und wendig sein. (Bundesrat Konecny: Wir brauchen den wendigen Kriminalbeamten! Hört! Hört! Ungeheuerlich!) Bringen Sie das nachher an!

In der Privatwirtschaft gibt es, wie gesagt, einen Spruch, der wohl hart ist, aber so läuft es ab. (Bundesrat Konecny: Was Sie sagen, ist ungeheuerlich!) Dieser Spruch in der Privatwirtschaft lautet: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. – Das ist in der Privatwirtschaft notwendig! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Frei­heitlichen. – Zwischenruf der Bundesrätin Schlaffer.) Frau Kollegin! Sprechen Sie von sich? Nehmen Sie das Maß bei Ihnen?

Ich möchte jetzt zuletzt noch auf die politische Kultur zu sprechen kommen. Ich habe schon erwähnt, dass es Teil der politischen Kultur ist, dass man, wenn man an einen Minister eine Anfrage stellt und dieser dann die Anfragen beantwortet, doch anwesend zu sein hat! Wenn dann aber die Hälfte der Leute nicht da ist, dann frage ich Sie: Wozu stellen Sie überhaupt eine Anfrage, wenn Sie die Beantwortung gar nicht anhören?

Wenn ich mir die Anfrage durchlese (Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Präsident! Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, so weiterzutun! (Bundesrat Konecny: Frau Kollegin! Sie nehmen jetzt Wahlergebnisse vorweg! Das ist nicht die Hälfte meiner Fraktion! Sie wird es aber nach der nächsten Wahl sein! – Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Ja jetzt! Herr Konecny, da haben Sie nicht gut aufgepasst! Die Besetzung, die jetzt hier ist, war während der Anfragebeantwortung durch den Herrn Minister nicht anwesend. Ich habe genau geschaut. Da müssen Sie Ihre Mannschaft besser im Auge haben. (Zwischenruf des Bundesrates Manfred Gruber.)

Wenn ich mir die Anfragebeantwortung im Groben durchlese und überfliege, sehe ich darin Ausdrücke und Worte wie „Unsicherheitspolitik“, „billiger Trick“, „sagt Un­wahrheit“, „belogen“. – Ich muss sagen, meine Herrschaften: Dieses Niveau ist be-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 119

schämend! Die Ausdrucksweise, die in dieser Anfrage vorkommt, ist einer parlamen­tarischen Anfrage nicht würdig! Ich denke mir, Sie könnten sich wohl der Mühe unterziehen, mit anderen Worten das Gleiche auszudrücken! Aber nicht einmal dieser Mühe unterziehen Sie sich! (Bundesrat Manfred Gruber: Kehren Sie vor der eigenen Tür!)

Sie betreiben eine Verunsicherungspolitik! Sie verhetzen die Bevölkerung! Sie äußern persönliche Verunglimpfungen und Beleidigungen. Ja, das ist es! (Zwischenruf der Bundesrätin Schlaffer. – Weitere Rufe bei der SPÖ, darunter: Haben Sie Kontakt mit Ihrer Bevölkerung?) Sehr! Sonst hätte ich meine Gemeinde nicht umgedreht, Frau Kollegin, wenn ich das nicht hätte! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Frei­heitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Das bekommt den Charakter eines Kaba­retts!)

Ich habe 20 Jahre gelitten unter sozialistischer Herrschaft! Ich weiß, was es heißt, von Sozialisten niedergebügelt zu werden! (Bravorufe und Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich vermisse von Ihrer Seite die Mithilfe an diesem gewaltigen Projekt der Umor­ganisation dieser Strukturen. Sie sind eingeladen, sich positiv einzubringen, anstatt destruktiv zu arbeiten! Herr Professor Konecny! Allein wenn Sie immer das Wort in den Saal schmettern: „Wahr ist, “, dann frage ich Sie: Wähnen Sie sich im Besitz der absoluten Wahrheit? (Zwischenruf des Bundesrates KonecnyWeitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nein? Es gibt sie auch nicht! Und Sie sind mit Sicherheit nicht der Einzige, der in deren Besitz ist!

Ich habe einige Male auch schon hier in diesem Haus – und werde es immer wieder tun – zur politischen Kultur gemahnt. (Bundesrat Konecny: Dann schauen Sie doch in den Spiegel!) Das sagen gerade Sie! (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Ich bemühe mich, in meiner Verhaltens- und Aus­drucksweise  (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen, Herr Professor! (Bundesrat Konecny: Ich bin Opposition!) Sie dürfen nicht erwarten, dass man sich nicht Ihrer Diktion anpasst!

Ich bemühe mich, mich sowohl in meiner Verhaltensweise als auch in meiner Aus­drucksweise als Katholikin neutestamentarisch zu verhalten. (Bundesrätin Schlaffer: Das auch noch!) Wenn aber der Leidensdruck der politischen Agitation zu groß wird, wenn Maßnahmen bewusst verdreht und schlecht gemacht werden, wenn persönliche Untergriffe erfolgen, dann bitte ich doch um Verständnis, wenn ich mich auch der alttestamentarischen Wurzeln besinne, gemäß welchen es heißt: Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Da Weihnachten nicht weit weg ist, sei es mir erlaubt, darauf hinzuweisen, dass jede Partnerschaft, egal, ob eine private, eine geschäftliche oder eine politische Part­nerschaft – und ich denke, auch wir im Bundesrat sind so etwas wie eine Part­ner­schaft –, gleichsam ein kommunizierendes Gefäß ist. (Bundesrat Reisenberger: Rich­tig, Frau Kollegin! – Bundesrat Manfred Gruber: Da bin ich ja ein Waserl dagegen!) Und ich denke, dass Sie nicht verwundert sein dürfen, wenn es in der Art, wie so manches daherkommt, dann auch wieder zurückkommt.

Ich denke, es hat jeder von uns Anlass, sich zu beherrschen und darüber nach­zuden­ken, wie er sich äußert, was er tut und was er von sich gibt. Ich kann in einer Part­nerschaft nicht von jemandem etwas verlangen, was ich nicht selbst zu tun bereit bin. – Das lege ich besonders dieser Hälfte (in Richtung SPÖ) sehr ans Herz und ver­abschiede mich mit besten Weihnachtswünschen. (Bundesrat Manfred Gruber: Die Wünsche geben wir zurück!) Der Friede sei mit euch, meine Herrschaften! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 120

Manfred Gruber: Wer eine solche Bürgermeisterin hat, braucht keinen Innenminister! – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

17.14

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun als nächstem Redner (Lebhafte Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Ich unternehme einen zweiten Anlauf, den nächsten Redner zu Wort kommen zu lassen: Es ist dies Bundesrat Stefan Schennach. – Ich erteile ihm das Wort.

 


17.15

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Jetzt zu reden ist natürlich keine leichte Aufgabe.

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich denke, wer eine Roth-Halvax als politische Leibwache hat, der kann seine polizeiliche Leibwache entlassen oder in den Straßendienst schicken! (Beifall und Heiterkeit bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Herr Minister! Ich kann Ihnen nur zu der Person gratulieren, die Sie da aus Ihrem Bun­desland mitgebracht haben. Sie ist eine sehr wehrhafte Bürgermeisterin, die aber die Kraft der Agitation und auch der Polemik nicht minder beherrscht! (Bundesrat Dr. Küh­nel: Als Sie!) Nein, ich versuche, mich jetzt ganz sachlich mit dem Herrn Minister über einige grundlegende Dinge zu unterhalten, und lasse dann Frau Roth-Halvax den nächsten Reigen in einer zweiten Wortmeldung eröffnen. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Minister! Im Rahmen des Projekts „Bürger und Polizei“ – die Runden gibt es ja – werden wir jetzt sehr intensiv kommunalpolitisch über die Situation aufgeklärt. Ich finde das gut! Ich sage das überhaupt nicht zynisch, ich möchte das ganz einfach feststellen: Ich finde, das ist eine sehr gute Maßnahme, damit die Politik und die Polizeibehörden und -beamten mit der Bevölkerung in einen direkteren Dialog kommen.

Jetzt gerade sind wir über die Entwicklungen in Wien informiert worden, und ich glau­be, die Ausreißer sind hier in Wien zu sehen. Es lässt sich nicht leugnen, dass es in Wien eine Zunahme der Fälle um 26 Prozent gibt. Das ist eine Tatsache. Dafür ist nicht der Minister a priori schuld, denn er steht nicht Schmiere, und er leitet auch nicht an. Vielmehr herrschen in Wien jetzt auch in diesem Zusammenhang die Verhältnisse ei­ner Großstadt. – Es gibt Mobilität, im Bereich des Sozialen herrschen große Mängel, Jugendliche sowie Erwachsene sind ohne Arbeit, es gibt viele desillusionierte Men­schen, und die Zunahme der Bandenkriminalität, woher immer diese kommt, ist Realität.

Wir von den Grünen – und das hat immer wieder so manchen zu großer Verwunderung herausgefordert – sagen, dass wir um 1 500 Polizisten mehr brauchen. Wir brauchen den Polizisten, aber auch die Polizistin auf der Straße. Wir brauchen die Möglichkeit dieses persönlichen Gesprächs, diese Vertrauensbildung im Sinne des Gefühls – ich sage es jetzt einmal auf Wienerisch, obwohl das für einen Tiroler nicht so einfach ist – „mei Freund, der Kiberer“. Diese Vertrauensbildung muss es wieder geben, dass man einander begegnet. Auf diese Weise ist präventiv wesentlich mehr möglich.

Die jetzigen Einsparungen sind dem jedoch abträglich, denn durch diese werden nun einige der wirklich guten Maßnahmen den Polizisten unmöglich. So haben zum Bei­spiel Polizisten mit ganz bestimmten Jugendlichen Fußball gespielt, nämlich mit gefährdeten Jugendlichen, mit jenen Jugendlichen, die in einer gewaltbereiten Ecke sitzen. Zum ersten Mal hatten diese einen Polizisten zum Anfassen, sie konnten einen Polizisten ohne Strafe foulen, nämlich auf dem Fußballplatz. Das war eine wirklich gute Maßnahme, und die Polizisten haben das gerne gemacht. Das können und dürfen sie


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 121

jetzt aber nicht mehr tun, weil es nicht mehr geht, weil das im Zeitbudget nicht mehr drinnen ist. Und die Polizisten jammern darüber, dass sie das nicht mehr machen kön­nen. Ich habe das aber als eine der ganz wichtigen und interessanten Maßnahmen ge­sehen.

Ein anderes Beispiel sind die Betreuungspolizisten in Wien. Ich spreche jetzt von einem problematischen Feld, wo es Dutzende Vorfälle und entsprechende Polizei­berichte darüber gibt. Ich glaube, der jüngste Mörder Österreichs wohnt derzeit auch dort. Wenn ein Vertrauenspolizist jetzt nur einen halben Tag in der Woche vorbei­kommen kann, dann frage ich Sie: Wie soll dieser von wem auch immer wahrge­nom­men werden? Es bedarf einfach eines Mehr an Einsatz, und wenn es in Wien nunmehr um 26 Prozent mehr Fälle gibt, dann hat etwas zu geschehen!

Herr Minister! Ich saß bei Ihnen im Büro, und ich habe mich am Anfang Ihrer Polizei­reformbemühungen sehr angetan davon gezeigt, weil manche Maßnahmen vom Grund­satz der Idee gut waren. – Es muss wirklich nicht jeder kleine Bezirk in Wien ein eigenes Kommissariat haben. Die Grundidee wäre gewesen, den Oberbau sozusagen zu verschlanken und unten mehr zu bekommen. Das wäre im Prinzip keine schlechte Idee gewesen! So ist es aber nicht geworden!

Jetzt sage ich: Lieber Ernst Strasser! Da ist plötzlich – Frau Kollegin, Sie können sofort wieder in die Rüstung hüpfen! – die niederösterreichische Sozialisation durchge­kommen. Er konnte es sich nicht verkneifen, das, was man Umstrukturierung nennt, zu einem politischen Einschwärzen zu benützen, dem doch manche Leute und manche Strukturen zum Opfer fielen. Das erinnert mich an Ihren Ausspruch von soeben, Frau Kollegin, den ich mir aufgeschrieben habe und der sensationell ist. Ich werde ihn mir in mein Poesiealbum schreiben. Sie haben gesagt: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ – Habe ich das richtig aufgeschrieben? (Zwischenruf des Bundesrates Ko­necny.)

Ich frage Sie: Was soll denn das? Ist das Ihr Ruf nach einem amerikanischen System? Wollen Sie ein System, in dem die neue Regierung kommt und die Beamtenschaft ausgewechselt wird? Oder wollen Sie rückgratschwächere Beamte, die ihr Fähnchen nach dem Wind hängen, damit es besonders flattert und wendig ist? Oder was wollen Sie? (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.)

Ich möchte Beamte, die mir ihre Meinung ins Gesicht sagen, mit denen ich darüber diskutieren kann und die nicht deswegen gehen müssen, weil sie eine Meinung haben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrätin Kerschbaum: So ist es!)

Wenn es einen Polizeichef von Wien namens Schnabl gab, der sicherlich gute Arbeit geleistet hat, dann frage ich mich: War es Jux und Tollerei, oder war es dieses Jucken, jetzt endlich einmal im Innenministerium doch eine andere Mehrheit zu schaffen? – Frau Kollegin, bitte lassen Sie die Rüstung noch abgelegt, Sie können sie später ruhig wieder anlegen! – Wenn dem so war, dann soll man es aber auch sagen, dann braucht man die Maßnahmen nicht „Umstrukturierung“ zu nennen!

Ich bin Ernst Strasser im ersten Moment ein bisschen auf den Leim gegangen. Es gibt Aussendungen von mir, in denen ich sogar begrüßt habe, dass es diese Polizeireform in Wien gibt. Im Prinzip habe ich diese vom ganzen System her richtig gefunden, weil wir damit mehr Beamte und vor allem mehr Beamte auf der Straße bekommen sollten. Wir haben sie aber nicht bekommen!

Ich bin neugierig, ob Ihre Rechnung aufgehen wird, wenn man jetzt Zollwachebeamte zu „Straßenbeamten“ machen will! Der Sicherheitsdienst auf der Straße und die Zollwache sind doch ganz andere Paar Schuhe! Da muss fraglos eine entsprechende


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 122

Umschulung erfolgen, denn sonst fängt der Beamte an, Zoll auf den Straßen einzu­heben! Das ist aber nicht beabsichtigt, sondern er soll etwas anderes tun. Sie müssen also sehr wohl eine gewisse Umschulungsphase mit berücksichtigen. Ob das alles in der kurzen Zeit geht, wage ich zu bezweifeln.

Übrigens, Herr Kollege Konecny, nehme ich an, dass Sie die Frage 19 nicht als Bos­heitsakt oder als diplomatische Unhöflichkeit gegenüber der Schweiz gemeint haben, dass von dort das Böse komme und der Schwerpunkt der Kriminalität einsickere. Ich hoffe, dass Sie das nicht so gemeint haben, denn sonst müsste ich jetzt sagen, dass das nicht das große Problem ist. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. –Bundesrat Dr. Kühnel: Der Herr Professor hat genau gearbeitet!)

Lieber Herr Minister Strasser! Wir brauchen mehr Beamte! Das ist eine Frage, in der Sie sich durchsetzen müssen. Konecny hat Recht – auch wenn es Ihnen und auch Frau Kollegin Roth-Halvax nicht gefällt –: Das Korps ist verunsichert. Ich habe Kon­takt zu den Wiener Wachebeamten, ich sitze mit ihnen etwa im Rahmen des Projekts „Bürger und Polizei“ häufig zusammen, ich treffe mich mit ihnen bei Kom­mis­sionie­rungen und, und, und. Die Polizisten sind tatsächlich verunsichert. Es gibt zum Beispiel in den Wiener Bezirken Regionalforen, in welchen die Polizisten und jene sitzen, die für die Jugendarbeit et cetera zuständig sind. Und da hört man immer wie­der, dass die Polizei verzweifelt ist. Die Polizisten sagen: Wir haben nicht mehr genug Zeit, wir bekommen nicht mehr genug Stunden! Wo soll das hinführen? Wir wissen es nicht!

Ich glaube, da muss wieder Ruhe hinein. Und es muss auch neue Perspektiven geben. Eine Perspektive lautet auf jeden Fall, dass es mehr Personal geben muss.

Sie haben, glaube ich, gesagt, dass die Gründe für die große Zunahme der Kriminalität bei der Ausländerkriminalität zu suchen sind. Dessen bin ich mir nicht sicher! Wenn ich mir zum Beispiel die Zuwachsrate beim sexuellen Missbrauch Unmündiger von 95 Pro­zent ansehe, dann meine ich, dass das wahrscheinlich nichts mit Ausländern zu tun hat. Auch die Zunahme der Fälle von schwerem sexuellem Missbrauch von Unmün­digen um 4,6 Prozent hat vermutlich nichts damit zu tun. Andererseits können wir im Hinblick auf gewerbsmäßigen Diebstahl und Bandendiebstahl, ohne irgendjemanden hier in diesem Raum der Ausländerfeindlichkeit zu zeihen, sagen: Ja, es ist Tatsache, dass die Bandenkriminalität aus ganz bestimmten Ländern, die wir jetzt gar nicht zu nennen brauchen, kommt!

Wir sehen das leider an den Zahlen von jugendlichen Häftlingen in Wien. Ich möchte jetzt nur ein paar Sätze zu einer Problematik sagen, über die ich auch mit Minister Böhmdorfer schon mehrfach debattiert habe, nämlich zum Unterschied der Praxis der Untersuchungsrichter zwischen Tirol und Wien: Wien: 135 Prozent Häftlinge in den Gefängnissen, Tirol: 76 Prozent. Es herrscht in Wien der Wahnsinn, zu verhaften, zu verhaften und zu verhaften und manche kleine Eigentumsdelikte völlig überzube­wer­ten. Dem gegenüber steht das weitaus größere Laisser-faire, mit dem die Unter­suchungsrichter im Westen agieren, wobei der Westen schon ab Krems beginnt, wie man leider dazusagen muss.

Hier herrscht eine absolute Konzentration. In Wien sitzen 600 Jugendliche, die schwer­punktmäßig – unscharf gesprochen – aus zwei Ländern stammen, unnötig im Gefäng­nis! Unnötig! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Herr Kollege, da gäbe es andere Möglichkeiten! Er ist nicht von Ihrer Partei, aber Herr Minister Böhmdorfer, der sicherlich ein Mann von Law und Order ist, meint ebenfalls, dass diese 600 zu Unrecht sitzen. Wenn Sie wollen, dass diese Leute sitzen, dann überholen Sie den Mann von Law und Order rechts.

Jedenfalls müssten diese 600 Personen, die wegen des Diebstahls einer Videokas­sette oder dergleichen sitzen, anders behandelt werden, als in Acht- und Zwölf­bett-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 123

zimmer gesteckt zu werden. Sie brauchen eine andere Behandlung, als dass man die Freizeiträume des Gefängnisses mit Stockbetten vollrammelt und diese Leute noch mehr in eine kriminelle Laufbahn hineindrückt. Diesbezüglich gibt es bereits einige Vor­stellungen, auch der EU. Österreich unterstützt diese. Die entsprechende Umsetzung dauert aber viel zu lange. Diesbezüglich brauchen wir auch eine Aufklärung im Bereich der Gerichte.

Der Zuwachs der Kriminalitätsrate um 24,5 Prozent beziehungsweise der Zuwachs in Wien ist klarerweise alarmierend. Lieber Ernst Strasser! Einem Bereich gilt allerdings die Schwerpunktsetzung dieser Regierung. Es ist dies ein politischer Ansatz, wenn man sich, weil dem die politische Leidenschaft gilt, geradezu im Übermaß auf den Suchtgiftbereich konzentriert und die Mittelzuwendung und die Zahl der Maßnahmen erhöht, die vielleicht in diesem Bereich gar nicht in der Form gebraucht werden. Wenn man sich auf diesen Bereich in dem Maß konzentriert, dann zieht man entsprechende Maßnahmen und Mittel natürlich von anderen Bereichen ab. Hiebei geht es um die Frage, wo man die Schwerpunkte setzt: Ist einem die Bekämpfung der Banden­kri­minalität wichtiger, oder jagt man lieber jedem Jugendlichen nach, den man nur ein bisschen in irgendeiner Rauschgiftszene vermutet. – Das ist eine politische Frage. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sind in diesem Bereich keine Banden tätig?)

Natürlich! Ich rede jetzt aber von der Drogenbeschaffungskriminalität, und das ist kei­ne Bandenkriminalität! Beim Drogenhandel und -verkauf handelt es sich um Ban­denkriminalität, und diese muss man auch entsprechend bekämpfen. Ich spreche jetzt aber davon, dass wir diesen kleinen Suchtgiftkranken, die natürlich auch Delin­quenten sind, nachjagen.

Wenn ich dann in der Statistik sehe, dass wir bei den Delikten nach strafrechtlichen Nebengesetzen einen Hoppsala-Zuwachs haben, dann muss ich schon darauf auf­merksam machen: Herr Minister Strasser! Nicht Sie und diese Regierung, sondern eine andere Parlamentsmehrheit hat sich das selbst eingebrockt, nämlich dieses un­aus­gegorene Gesetz über Suchtgiftgenuss hinter dem Lenkrad, bei welchem man nicht einmal weiß, nach welchen Kriterien man das messen muss. Wenn irgendjemand irgend­wann einmal etwas geraucht hat, dann ist er nach drei, vier Tagen natürlich völlig in der Lage, ein Auto zu chauffieren. Kommt er aber in eine Kontrolle, dann hängt er. Und in diesem Bereich haben wir plötzlich den enormen Zuwachs, etwa in dem Bezirk, in dem der Herr Minister und ich wohnen, von, ich glaube, 263 Prozent! Ich meine, das ist ja absurd, dort wurde bisher Wein getrunken, und jetzt kommen wir auf einmal zu solchen Zahlen. Da fragt man sich: Leben Strasser und ich in einem Hascherbezirk? – Ich glaube nicht! Ich glaube, wir produzieren solche Fälle durch eine zum Teil unaus­gegorene Gesetzgebung selbst, und diese Zahlen drücken natürlich auf die Kriminal­statistik.

Der langen Rede kurzer Schluss: Herr Minister Strasser! Ohne eine wirklich eklatante Erhöhung des Personalstandes an Polizisten wird es nicht gehen. Aber wir brauchen nicht den Einheitstypen! Wir brauchen nicht für alle präventiven Maßnahmen den voll ausgestatteten Polizisten, der auf 100 Meter jeden ins Knie zu schießen versteht, sondern wir brauchen Spezialisten im Suchtgiftbereich, wir brauchen Spezialisten für die Straßenverkehrssicherheit, wir brauchen Spezialisten im Wirtschaftsbereich, wir brauchen Spezialisten für den Bereich Drogen-, Jugendkriminalität. Da gibt es jeweils ganz differenzierte Bilder.

Wir brauchen nicht den „Allgemeinpolizisten“, aber wir brauchen vor allem mehr Polizisten, um zu ermöglichen, dass das Wort „mein Haberer – der Kiberer“ wieder Realität wird. Das müssen Menschen wie du und ich zum Anfassen sein. In der kleinen Ortschaft, in der ich aufgewachsen bin, gab es keinen Gendarmerieposten, in der Nach­barortschaft auch nicht, aber in der nächsten. Trotzdem haben wir die alle


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 124

gekannt, und es gab ein ganz anderes Verhältnis zwischen Bürger und Polizei. Bei den Zollwachebeamten war das eine andere Sache. Die wurden immer von ganz woanders hergeholt, denn die durften ja nicht mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt sein, die Polizisten aber wohl.

Ich denke, so etwas bewirkt einfach auch, dass man bei dem einen oder anderen Jugendlichen sagt: Du, komm jetzt, ich kenne deinen Vater, ich bin mit deinem Vater in die Schule gegangen! – Das sind andere Verhältnisse, aber dazu müssen die Men­schen einander kennen, und sie müssen auch in einer Großstadt die Möglichkeit haben, einander zu kennen. Wenn man einander kennt, dann wird man weniger leicht kriminell.

Deshalb, lieber Ernst Strasser, 1 500 Polizisten mehr in Wien, das muss das Ziel sein, und der Wert von 26 Prozent wird dramatisch fallen. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.31

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Sissy Roth-Halvax gemeldet. Ich mache auf die Redezeitbegrenzung von 5 Minuten und die entsprechenden Vorschriften der Geschäftsordnung aufmerksam.

 


17.32

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Kollege Schennach! Da ich Sie persönlich sehr schätze, möchte ich von Ihnen nicht miss­interpretiert werden und möchte daher klarlegen, dass ich über meine Erfahrungen in der Privatwirtschaft gesprochen habe und dass das ein Ausspruch ist, der nach meinen Erfahrungen von dorther stammt.

Ich habe 35 Jahre lang in einem Unternehmen gearbeitet, das mein sehr tüchtiger Generaldirektor als schwer defizitären Staatsbetrieb übernommen und zu einem erfolg­reichen Unternehmen gemacht hat, und es war eines seiner Mottos, das ich hier zitiert habe: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit!

Wenn ich eines gemacht hätte, nämlich gegen seine Firmenziele zu demonstrieren, dann hätte ich dieses Haus am nächsten Tag nicht mehr zu betreten brauchen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schlaffer: Wozu demonstrieren? Es gab ja auch keinen Grund!)

17.32

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Christoph Hagen. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.33

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Vize­präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ich habe jetzt ein bisschen einen schwierigen Stand da, das muss ich ganz offen sagen. (Bundesrat Schennach: Sind Sie noch im Dienst? – Bundesrat Konecny: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit! – Allgemeine Heiterkeit.)

Um alle Unklarheiten zu beseitigen: Ich bin noch im Dienst, und das sehr gerne! (Beifall des Bundesrates Konecny.)

Meine Damen und Herren! Kollege Schennach hat vorhin gesagt, er sei für mehr Poli­zisten auf der Straße. Das schätze ich sehr hoch ein, dass er diese Meinung hat. Man sollte allerdings nicht Wasser predigen und Wein trinken. (Bundesrat Schennach: Wie kommen Sie darauf?)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 125

Es wird Ihnen vielleicht entgangen sein, dass es mittlerweile den Exekutivbeamten in vielen Bereichen fast unmöglich wird, ihre Tätigkeit in der Kriminalitätsbekämpfung auszuüben. Ich möchte hiezu ein Beispiel aus der Praxis bringen: Wenn ich zum Bei­spiel heute einem Verdächtigen Handschellen, Handfesseln anlege, und die sind eben ziemlich starr und scharf, und er bloß einen kleinen Kratzer an der Hand hat, dann bin ich auf Grund der grünen Politik der vergangenen Jahre dazu verpflichtet, eine Selbst­anzeige wegen Körperverletzung zu erstatten, obwohl ich damit nichts zu tun habe. (Bundesrat Schennach: Ich wusste gar nicht, dass wir so erfolgreich sind!) Das ist Bürokratie, die Sie uns aufgehalst haben, und es sind deswegen weniger Exekutiv­beamte auf der Straße, weil sie mehr mit Schreibarbeiten eingedeckt sind. Nur so viel dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Schennach hat es auch, wenn ich gleich dabei bleiben darf, ein bisschen ins Witzige gezogen, dass die Zollwachebeamten mit Zolltätigkeiten beschäftigt sind und nicht Exekutivaufgaben wahrnehmen. Selbstverständlich werden sie entsprechend aus­gebildet, sie haben zwei Module, die sie absolvieren müssen, um richtige Exekutiv- beziehungsweise Polizeibeamte, wie es in Zukunft heißt, werden zu können. Sie haben den Schmäh gebracht, dass die wohl so quasi Zollkontrollen auf der Straße machen würden. Glauben Sie mir, diese Leute sind auch keine Deppen, sondern sind zu Recht Beamte! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schennach: Genau für die Aus­bildung habe ich mich ausgesprochen!)

Es wurde die Verunsicherung in der Exekutive angesprochen. Das ist richtig: Die Exekutivbeamten sind sehr verunsichert. Ich möchte auch hiefür ein Beispiel aus der Praxis bringen. Wir erinnern uns, vor einigen Jahren ist die Beamtenreform durchge­führt worden. Ich kann mich noch gut erinnern, dass es dazu Veranstaltungen der Per­sonalvertretung in jedem Landesgendarmeriekommando gegeben hat. Ich war selbst anwesend und habe mir das vor Ort angehört. Es war nicht uninteressant, was da den Leuten alles an angeblichen Fakten präsentiert wurde, was sie jetzt alles weniger be­kommen würden, wie Leistungen gekürzt würden und was sie alles erleiden müssten. Ich habe mich davor noch bei der damaligen Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer, die für die Beamten zuständig war, informiert, wie die Sache wirklich ausschaut, habe das dann dort erklärt und wurde ausgepfiffen. Faktum war, dass die roten, aber auch teilweise die schwarzen Personalvertreter, was mir sehr wehgetan hat, Falschmel­dungen kursieren haben lassen.

Faktum war, dass der einzige Beamte, der zum Beispiel im Landesgendarmerie­kom­mando in Vorarlberg betroffen war, der Landesgendarmeriekommandant mit einem Ein­kommen – der Minister weiß es vielleicht, ich weiß es nicht so genau, was er verdient, aber ich rechne jetzt einmal in Schilling – von an die 40 000 S war. Der hat seine Sozialmarken für das Mittagessen verloren. Das war die ganze Auswirkung der Reform, die ihn betroffen hat. Gesprochen hat man aber von horrenden Gehalts­einbußen von tausenden von Schillingen. So viel zur Verunsicherung.

Es wird auch jetzt wieder Verunsicherung geschürt, ich spüre das in den Wachstuben. Ich diskutiere mit den Leuten, frage sie, wovor sie Angst haben und was wirklich los ist. Die Leute erzählen mir dann, was man ihnen alles gesagt hat. Und ich kann ihnen dann zu 99 Prozent sagen: Das, was man euch sagt, ist Blödsinn! Im Zusammenhang mit „Team 04“ wird sehr viel Verunsicherung gestreut. Hier sind ja erst Vorschläge gekommen, die gemeinsam erarbeitet worden sind. Ich habe vor eineinhalb Wochen eine Personalvertretungsschulung besucht, und dort hat mir einer der obersten Personalvertreter gesagt, dass er 80 Prozent dessen, was da drinnen steht, sofort unterschreiben würde.

Das ist ein Faktum, das wir auch einmal sehen müssen: Es wird hier aus politischen Gründen Verunsicherung betrieben, und das demotiviert die Beamten. Sie sind verun-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 126

sichert, sie wissen nicht, was kommt. Sie sehen dann zwar später, dass alles anders ist, als man ihnen prophezeit hat, und sagen dann: Es ist ja gar nicht so arg. – Das ist Ihre Politik, das muss ich ganz klar sagen: zu verunsichern und die Leute fertig zu machen, und daher kommt die Demotivation. Hier muss man einmal das Übel am Stängel anpacken und dieses Unkraut ausreißen.

Es wurde sexueller Missbrauch angesprochen, Herr Kollege. Sie haben da Statistiken zitiert. Ich sage Ihnen ganz offen: Sexueller Missbrauch war vor ... (Bundesrat Schen­nach: Die stammen aus dem Ministerium!) Ja, Sie haben gesagt, deswegen sei die Kriminalstatistik so schlecht oder die Delikte hätten so zugenommen. (Bundesrat Schennach: Das sind keine Ausländer!) Nein, okay, es sind keine Ausländer, aber es gebe eine Steigerung in diesem Bereich, haben Sie gesagt. Das ist aber ganz logisch, weil die Bevölkerung jetzt aufgeklärt ist. Die Leute wissen jetzt, worum es geht, die Leute trauen sich in Missbrauchsfällen eher zur Exekutive zu gehen. Seien wir doch froh, dass die Entwicklung so ist!

Sie haben auch die Suchtgiftkontrollen angesprochen. Ohne Verdacht gibt es keine Sucht­giftkontrolle. Wenn einer ein paar Tage davor gekifft hat und man ihm das nicht anmerkt, dann gibt es das nicht. Ich kann Ihnen sagen, das passiert meistens in Verbindung mit Alkohol, und wenn der Alkohol dann nicht mehr anschlägt und er von diesem Drogenrausch noch etwas benebelt ist, dann wundert man sich und denkt sich, irgendetwas muss es wohl sein. Dann macht man eine Suchtgiftkontrolle, und dann kommt etwas heraus. Dann sind es vielleicht beim Alkohol 0,4 oder 0,5 Promille, und den Rest machen die Drogen. Die Verbindung dieser beiden Rauschmittel, das ist das Problem! Da kann man nicht sagen, jemand wird einfach aus Spaß oder deswegen, weil er einmal Drogen genommen hat, ein paar Tage später kontrolliert, und dann hängt man das an die große Glocke. So funktioniert das nicht! Reden Sie einmal mit Suchtgiftexperten oder mit Therapeuten, die in diesem Bereich tätig sind!

Jetzt muss ich doch auf die Anfrage zurückkommen, wegen der wir eigentlich hier debattieren. Die SPÖ schreibt in ihrer Anfrage, dass die Personalpolitik des Herrn In­nenministers Strasser schlecht ist. Ich habe in gewissen Punkten auch meine Prob­leme damit, muss ich ganz ehrlich sagen, aber da habe ich ihm immer wieder ein biss­chen einen Stoß gegeben, und hin und wieder kommt dann auch etwas heraus, das muss ich ihm auch zugute halten. Wir haben jetzt in Vorarlberg doch einige Kurse bekommen, beziehungsweise es wird sich etwas tun.

Das Ganze ist allerdings reichlich spät gekommen, aber da will ich nicht dem Herrn Minister einen Vorwurf machen, sondern das ist eine Personalpolitik, die seit 10 Jahren so funktioniert. Ich möchte Ihnen das auch aus der Praxis heraus erklären.

Faktum ist, dass das Land Vorarlberg schon früher immer unter Personalnot bei der Exekutive litt und immer wieder um Kurse angesucht hat. Der zuständige Landesrat – ein Schwarzer – hat beim roten Innenminister immer wieder eine Vertröstung bekom­men. Wenn er zum Beispiel am 1. Jänner 1995 gekommen ist und um einen Kurs angesucht hat, hat er ihm auf die Schulter geklopft und gesagt: Du bekommst im Jänner 1996 einen Kurs. Damit hat er dann wieder ein ganzes Jahr gewonnen.

Früher sind alle Gendarmerieschüler über dem Stand gelaufen, denn der tatsächliche Personalstand sollte ja auf den Posten draußen sein. Es ist ein roter Innenminister gewesen, der diese Planstellen den Gendarmerieposten zugeteilt hat. Das heißt, es sitzen dann Schüler mit einer Gendarmerieposten-Planstelle in der Gendarmerie­schule. Die Ausbildung dauert zwei Jahre, und der Posten hat null davon. Das war die Erfindung eines roten Innenministers, und das muss man sich auch einmal vor Augen führen, wenn man solche Probleme aufzeigen oder hier einen Wirbel machen will. – Also wie gesagt: Das Personalproblem ist nicht neu!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 127

Zur Steigerung der Anzahl der Straftaten. Durch die Ostöffnung hat sich auf diesem Gebiet sehr, sehr viel getan, das muss man ganz klar sagen. Es kommen wirklich Banden, und das ist die Praxis. Das stellt sich oft heraus, wenn man schnell ist bei einer Fahndung, wenn man eine Straftat schnell entdeckt und sofort eine Fahndung auslöst und dazu vielleicht noch ein paar brauchbare Spuren hat. Es ist schon mehrfach so gewesen, dass in Vorarlberg eine Straftat verübt wurde und man ein paar Stunden später in Deutschland draußen die Täter erwischt hat. Die Täter waren Ost­block-Staatsbürger, reisende Täter, die – das haben wir in Einvernahmen herausbe­kommen – hier Straftaten begehen: Einer steht Schmiere, schaut also, ob kein Polizei­wagen oder sonst etwas kommt, und dann wird eingebrochen, gleich eine größere Anzahl von Delikten im Nahebereich gesetzt, dann alle hinein ins Auto, und weg sind sie! So funktioniert das! Dass hier die Anzahl der Straftaten gestiegen ist, kann man also sicherlich nicht dem Innenminister vorwerfen, nur weil es zu wenig Personal gibt.

Es mag schon auch ein wenig damit zusammenhängen, das muss man schon sagen, aber die Ursachen des Personalproblems reichen weiter zurück: Ich kann nicht, wenn ich einen Bereich zehn Jahre lang ausgehungert habe, das Ganze innerhalb von drei, vier Jahren in den Griff bekommen. Das ist eine Sache, die schon seit langem ver­schleppt worden ist, und da ist Ihre Partei absolut mit schuld. (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

Es wurde auch festgestellt, dass immer mehr Asylwerber Straftäter in Österreich wer­den. Wir haben ohnehin vor einigen Wochen darüber diskutiert, und ich habe damals einige Beispiele aus Vorarlberg gebracht. Wir haben Asylwerber zugeteilt bekommen, und es ist keine Woche vergangen, bis die beim Stehlen, beim Einbrechen und so weiter erwischt worden sind. Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie dafür plädiert, dass wir mehr Asylwerber hereinlassen müssen und dass den armen Menschen ge­holfen werden muss. Zwecks Gesetzesbruchs wird hier Asylmissbrauch betrieben, und das haben Sie damals gutgeheißen. Und jetzt passt es Ihnen wieder nicht. Also wir müssen uns schon in den Spiegel schauen, bitte. (Bundesrätin Schlaffer: Sie ver­drehen, was wir gesagt haben!) Nein, nein, nein!

Leider wird die Exekutive auch in vielen Bereichen zweckentfremdet, das muss man auch ganz klar sagen. Hier wird es sicher zu einem gewissen Umdenken kommen müssen, damit die Exekutive wieder für ihre wirklichen Aufgaben zur Verfügung steht, für die sie auch ausgebildet ist, und nicht irgendwelche Aufgaben wahrnimmt, die eigent­lich private Vereine oder private Betriebe wahrnehmen sollten. Diese Polizei­reform geht in diese Richtung, und sie ist von daher sicher positiv zu bewerten.

Zur Motivation der Exekutive, weil Sie, Herr Kollege, diese angesprochen haben. Die Motivation ist wirklich nicht gut, und das hängt auch sehr viel mit der Bezahlung zusammen. Die Bezahlung der Exekutive, was den Grundgehalt betrifft, ist äußerst schlecht! In einem Bundesland wie Vorarlberg, wo die Lebenshaltungskosten sehr hoch sind, bekommt ein Exekutivbeamter das Gleiche wie im Burgenland, wo er relativ günstig lebt. Ein Vergleich: Ein Quadratmeter Baugrund kostet im Burgenland zwi­schen 150 und 200 S, ich denke, da bekommt man schon einen guten. In Vorarl­berg bekommt man unter 3 000 S nichts. Auch die Arbeitskräfte und alles andere sind natürlich teurer. So viel dazu.

Das bedeutet: In Vorarlberg bin ich als Exekutivbeamter, wenn ich nicht irgendetwas von zu Hause mitbekomme, dazu verurteilt, in irgendeiner günstigen Mietwohnung zu wohnen, und die BUWOG-Wohnungen sind ja, wie wir alle wissen, auch nicht mehr so günstig. Es müsste daher also beim Grundgehalt etwas getan werden. Ich fordere hier wieder das Exekutivdienst-Gesetz, für das ich immer gestanden bin, für das die frei­heitliche Fraktion immer gestanden ist. Der Herr Innenminister hat Kollegin Partik-Pablé gesagt, dass er auch die Notwendigkeit sieht, dass einmal ein All-inclusive-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 128

Fixgehalt kommt, dass ein Pensionssystem kommt, das auch die Belastung des Wechseldienstes berücksichtigt, und insgesamt auf diesem Gebiet einiges für die Exekutive gemacht wird. Ich denke, dass dann, wenn in diese Richtung etwas geschieht, die Motivation wieder sehr stark steigen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Problem, das ich auch immer angesprochen habe und das auch mit der Personal­situation zusammenhängt – auch hier möchte ich den Ball zu den Kollegen der sozial­demokratischen Fraktion zurückspielen –: Wir haben eine 40-prozentige Frauenquote im Bundesdienst, die haben Sie uns damals aufgebrummt. Ich habe nichts gegen Frauen in der Exekutive, ich freue mich sogar, ich mag die Damen sehr gerne, ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu den Kolleginnen, das wissen Sie auch alle. Sie haben mir auch ihr Leid geklagt, was auf Grund der Karenzierungen natürlich ver­ständlich ist: Wenn die Kolleginnen schwanger werden, wenn sie Kinder bekommen, Familie haben, ist die Planstelle zwar besetzt, aber die Dame sitzt nicht drauf. Hier hat man einmal Überhang-Planstellen eingeführt. Wo die sind, weiß ich nicht. Die waren unter dem roten Innenminister nicht vorhanden und sind jetzt unter dem schwarzen Innenminister auch nicht vorhanden. Vielleicht kann es mir der Herr Innenminister erklären, wo die hingekommen sind, oder vielleicht kann er sie auch erhöhen und den richtigen Stellen zuteilen.

Vorarlberg hat den größten Frauenanteil – und darum sind wir in dieser prekären Situation – in der Exekutive, was ja irgendwie schön ist, das muss ich ganz klar sagen, und auch sehr praktisch in vielen Bereichen, aber natürlich verfolgt uns das Problem der Karenzierungen, das sich auch auf Grund der ohnehin angespannten Per­sonal­situation umso stärker auswirkt.

An den Herrn Innenminister hätte ich jetzt noch eine Frage: Sie haben davon ge­sprochen, dass Vorarlberg 763 Exekutivbeamte hat: Ist da die Sicherheitsdirektion mit eingerechnet? Soviel ich weiß, ist es bei der Gendarmerie so ... (Bundesminister Dr. Strasser: Da ist alles mit drinnen!) Aha, da ist die Sicherheitsdirektion also mit beinhaltet. Dann ist es klar, denn ich weiß nur, dass es etwas unter 600 Exekutiv­beamte sind, und von diesen sind knapp 500 oder ein bisschen mehr im Dienst.

Hier auch mein Aufruf an den Herrn Finanzminister: Der Herr Innenminister hat ohne­hin gesagt, dass man das Budget aufgestockt hat. Ich meine, hier muss vom Finan­ziellen her sehr, sehr viel mehr getan werden. Auch in Zeiten des Sparens darf im Sicherheitsbereich nicht gespart werden und sollte hiefür vom Finanzminister Geld zur Verfügung gestellt werden, das dringend notwendig ist, um mehr Personal einzustellen und diese Leute auch ordentlich zu bezahlen, damit die Motivation wieder gestärkt wird und die Beamten ihren Job gerne machen und nicht nachdenken müssen, welchen Nebenjob sie ausüben könnten, um zu einem halbwegs anständigen Gehalt zu kommen.

Diese Hoffnung darf ich hier an den Herrn Minister weiterspielen, und ich hoffe, dass hier einiges vorwärts geht. Ich bin mit Ihnen ohnehin im Gespräch betreffend die „Team 04“-Angelegenheiten, und ich meine, wir sind auch dabei schon ein Stück weitergekommen.

Die Umfärbungen, die Ihnen hier vorgeworfen werden, kann ich nicht bestätigen. Bei uns gibt es nach wie vor Neubesetzungen mit roten Gendarmerieposten­kommandan­ten, mit blauen oder Blau nahe stehenden, aber genauso auch mit schwarzen. (Bun­desrätin Dr. Lichtenecker: Und Grüne?) Also: Diesen Vorwurf kann ich für die Gen­darmerieposten in Vorarlberg nicht bestätigen.

Es mag sein, dass vielleicht in gewissen Bereichen oben ein bisschen stärker um­gefärbt wird, aber wenn ich daran denke, dass wir früher zirka 100 Prozent Rot im Innenministerium gehabt haben, dann verträgt es ein bisschen eine andere Farbe


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 129

auch. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)

17.49

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Johann Kraml. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.49

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte eingangs einmal feststellen, dass ich in die Arbeit der Exekutivbeamten und Exekutivbeamtinnen vollstes Vertrauen habe. Es kann sein, dass ich heute auch ein paar Dinge kritisiere, und ich möchte nicht in Verruf kommen, hier gegen die Beamten anzugehen.

Herr Bundesminister, ich habe jedoch kein Vertrauen in Ihre Umstruktu­rierungs­maß­nahmen, das sage ich ganz offen. Aber das werden Sie aushalten, so wie ich Sie kenne.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Sie hätten sich die heutige Dringliche leicht ersparen können, wenn Sie uns zum Beispiel im Nationalrat entsprechende Antworten gegeben hätten. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das glaube ich nicht, nein!) Das müssten Sie einmal probieren. Wenn der Herr Minister genaue Antworten gibt, dann sind wir vielleicht in dieser Angelegenheit auch einmal zufrieden. (Bundesrat Dr. Küh­nel: Sie hören nicht zu! Das ist das Problem! – Widerspruch bei der SPÖ.)

Wenn Sie zum Beispiel zu den Zahlen und Fakten, die der Sicherheitsbericht jetzt hergibt, gestanden wären und den Abgeordneten nicht ausgerichtet hätten, dass es sich dabei noch um Rohdaten handelte, dann hätte vielleicht vieles ganz anders ausgesehen. Jetzt sind die Zahlen offiziell, und sie sind sogar von Ihnen bestätigt, nur sind sie jetzt noch schlechter, als wir damals angenommen haben. Die Kernaussage des Sicherheitsberichtes ist folgende: stark ansteigende Kriminalität und stark fallende Aufklärungsquote. Herr Bundesminister, das ist eigentlich dramatisch!

Sie haben uns heute auch hier nicht enttäuscht, Sie sind sehr schnell über unsere Fragen hinweggegangen. Ich meine, dass Sie sie genauso wie immer beantwortet haben. Es haben auch Kolleginnen und Kollegen von mir schon angeführt, dass es ei­gent­lich wieder sehr dürftig war, was Sie uns heute gesagt haben. (Bundesrat Hö­finger: Souverän wie immer!) „Souverän wie immer“, sagen Sie – so kann man es auch nennen, nur ist halt der Informationsgehalt sehr spärlich.

Wenn ich mir zum Beispiel anschaue, wie es mit dem Papier der Gruppe „04“ zuge­gangen ist, dieser Sondergruppe, die angeblich die ganze Reform vorbereitet: Dieses Papier ist irgendwann im Sommer aufgetaucht; dann hat es auch Cobra-Chef Wolf­gang Bachler bestätigt, das war am 12.9.2003. Am 12.9. hat sich auch der Herr Bun­desminister gemeldet und gesagt: Ich weiß nicht, um welches Papier es sich handelt. An sich müssten Sie, Herr Bundesminister, das Papier da bereits gehabt haben, weil es angeblich im Juli dem Minister vorgelegt wurde.

Sie sprechen dann von irgendwelchen 20 Untergruppen, die das Ganze erarbeitet ha­ben. Sie sagen auch, dass es kein politisches Entscheidungspapier ist. Am 16.10. sagen Sie zum Beispiel: In einigen Wochen liegt der Bericht der Experten auf dem Tisch. Dann geht es weiter: In Wien brauchen wir auf jeden Fall mehr Leute. Das ist eine Aussage von Ihnen in der „Presse“ vom 18.10. (Bundesrat Konecny: Aber sie kommen nicht!) Weiters sagen Sie in „Offen gesagt“ am 2.11.: Nach der Reform 500 bis 600 Mitarbeiter mehr für den Außendienst.

Am 3.11.2003 hat sich Ihr Pressesprecher in der „Kleinen Zeitung“ gemeldet und gesagt: „Im Büro des Ministers kennt man kein Reformpapier.“ „Auch Ernst Strasser


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 130

selbst nicht, versicherte Pressesprecher Johannes Rauch. Das von der SPÖ im Som­mer veröffentlichte Papier des Team 04 sei derzeit nicht einmal eine Diskussions­grund­lage.“ Der Minister hatte aber vorher schon zugegeben, dass es ein Papier gab, der Pres­sesprecher hat da noch nichts davon gewusst. Ich hoffe nicht, Herr Bundes­minister, dass Sie mehrere solche Beamte in Ihrem Ministerium haben, die da absolut nichts wissen oder zumindest vorgeben, dass sie nichts wissen. (Bundesrat Konecny: Vielleicht sagen sie ihm nicht alles!)

Da gibt es dann auch Reaktionen zu diesem Bericht. Zum Beispiel hat sich Lan­des­hauptmann Schausberger, ÖVP, gemeldet: „Einer weiteren Schließung von Posten stimme ich nicht zu!“ Dann hat sich der Landeshauptmann von Kärnten gemeldet: „Dieses Papier ist für den Reißwolf“, hat er gesagt. Weiter hat er gesagt: „Machtbe­ses­senheit des Innenministers steht hinter dem Konzept.“ (Ruf bei der ÖVP: Wo?) „Mit­tagsjournal“, 12.9.2003. – Das alles sind Aussagen ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Ja, von wem? – Bundesrat Konecny: Haider und Schausberger! Hat er gesagt!) Ja, das habe ich jetzt gesagt.

Aber es gibt auch eine Kritik von der Vizepräsidentin der Wiener Polizei, Frau Michaela Pfeifenberger. Sie sagt: „Wir wissen nicht, was der aktuelle Stand der Planungen ist. Ich wünsche und erwarte mir Stellungnahmen. Kritik muss erlaubt sein.“ – „profil“, 3.11.2003. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das ist ja keine sensationelle Bemerkung!) Es soll eh nicht alles sensationell sein, Herr Kollege! (Bundesrat Konecny: Das ist ja auch keine sensationelle Kollegin!) Sie brauchen sich hier nicht aufzuregen, wenn ich das sage. (Bundesrat Dr. Kühnel: Eh nicht! Ich sage, was Sie zitiert haben!) Sie wollen immer etwas Sensationelles. (Ruf und Gegenruf zwischen Bundesrat Konecny und Bundesrat Dr. Kühnel.) Etwas Sensationelles haben Sie gehabt, als der Herr Bun­desminister die Fragen beantwortet hat. Das war etwas Sensationelles! (Bundesrat Dr. Kühnel: Haben Sie vielleicht noch so ein paar tief schürfende Zitate? – Bundesrat Konecny: Welche haben Sie denn gesagt? Die kann man dann zitieren!)

Herr Bundesminister! Ich habe bereits in der letzten Diskussion zur Dringlichen gesagt, dass ich hier einfach Probleme mit Ihren Erklärungen, Ankündigungen und Beschwich­tigungen habe, weil ich immer wieder draufkomme, dass letztendlich nicht stimmt, was Sie uns sagen. Das ist mein Problem. Wenn ich irgendwelche Aussagen von Ihnen hören würde, die ich dann wieder höre, dann könnte ich sagen: Okay, der Herr Bun­desminister hat einmal Recht gehabt, das stimmt so. Aber ich höre das nicht! (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie wollen es nicht hören! – Zwischenbemerkung von Bun­desminister Dr. Strasser.)

Ich versuche es ja, Herr Bundesminister, ich versuche es wirklich! Es ist mir ja schon zuwider, wenn ich hier heraußen stehe und immer nur kritisieren muss. Ich möchte ja auch einmal etwas Positives zu Ihnen sagen, Herr Bundesminister. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: ... regieren! – Bundesrat Bieringer: Das wird noch lang dauern!)

Weil Kollege Hagen – er ist jetzt nicht da ... (Bundesrat Hagen: Doch, doch! – Bun­desrätin Diesner-Wais: Hinter Ihnen! – Bundesrat Konecny: O ja! Hinter dir!) Doch! – Er hat die Demotivation der Beamten angesprochen, und er hat eigentlich auch von der Angst gesprochen, die es da gibt. Die gibt es wirklich! Denn da wird von dieser Gruppe „04“ am Gehaltsschema herumgefuhrwerkt, da geht es zum Beispiel darum – das ist mir gesagt worden –, dass Bereitschaftsdienste künftighin nicht mehr finanziell abge­golten werden.

Das ist mir nicht von einem sozialdemokratischen Gewerkschaftsvertreter gesagt wor­den, sondern das habe ich von einem ganz einfachen Gendarmeriebeamten gehört. Er hat mir gesagt: Wenn wir die Bereitschaftsdienste nicht mehr abgegolten bekommen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 131

wenn wir zum Beispiel zusätzliche Wochenenddienste dafür leisten müssen, und das alles um weniger Geld, soll es zu Einbußen von ungefähr 200 bis 300 € im Monat kom­men. Im Monat! Für einen Gendarmeriebeamten mit einem normalen Gehalt sind 200 bis 300 € weniger im Monat eine ganz schöne Sache! Ich glaube schon, dass da die Angst umgeht, denn es wird sehr viele Familienväter geben, die sagen: Wie komme ich da über die Runden, wenn das Gehalt verplant ist und dann 200 bis 300 € fehlen? Herr Bundesminister, das glaube ich schon, für Sie wird das kein Problem sein. Aber für diese Familienväter ist es das mit Sicherheit! (Bundesminister Dr. Strasser: Das stimmt ja nicht!) – Dann werden Sie mir etwas anderes sagen.

Ich frage mich, warum die Beamten hier herumgehen und sagen: Bei uns passiert das und das und das! (Bundesrätin Diesner-Wais: Da hat sich der Konecny aufgeregt, als ich das gesagt habe! – Bundesrat Dr. Kühnel: Bitte, welche Beamten gehen herum und sagen, sie verdienen weniger?) Wissen Sie, Herr Kollege, ich werde mich jetzt hüten, den Namen dieses Kollegen zu nennen. (Bundesrätin Bachner: Der ist nicht mehr lange dort! – Bundesrat Dr. Kühnel: Das ist immer Redaktionsgeheimnis!) Das sage ich jetzt nicht, das ist wirklich mein Redaktionsgeheimnis oder mein Beicht­geheimnis, wenn man es so nennen darf. (Bundesrat Ing. Klamt: Das brauchen Sie nicht ...!) So einfach ist das Ganze ja nicht.

Herr Bundesminister! Nun zu dem Argument, dass durch die Reform mehr Beamte für den Außendienst frei werden. Da denke ich mir: Wie soll das funktionieren? – Es wer­den insgesamt nicht mehr Beamte aufgenommen. (Bundesminister Dr. Strasser: Das stimmt nicht!) Es werden weniger Beamte auf der Straße sein. Sie sagen mir, Sie räumen die Innendienste aus, es gibt also weniger Beamte, die am Schreibtisch arbei­ten. Da frage ich mich wieder: Wie wird denn die Arbeit im Kommissariat oder in der Gendarmeriedienststelle erledigt? – Da wird mir Kollege Hagen Recht geben, es ist ja alles zu protokollieren und aufzunehmen. (Bundesrat Hagen nickt.) Das muss dann ja auch vor Gericht halten, bei Verkehrsunfällen und bei anderen Delikten. Dort ist es zum Teil auch so, dass der Gendarmeriebeamte Aussagen tätigen muss. Das heißt, diese Arbeit im Innendienst wird ja nicht weniger. Oder engagieren Sie dafür künftighin ein Schreibbüro? „Outsourcen“ Sie den Innendienst, damit Sie alle auf der Straße ha­ben? – Wie das funktionieren soll, weiß ich nicht.

Ich glaube, dass weniger Beamte einfach immer mehr leisten müssen und dass sie dann nicht mehr die Zeit haben, sich auch noch mit der Bevölkerung auseinander zu setzen. Sie werden nicht auf die Bevölkerung zugehen können, weil das die Zeit, die sie haben, einfach nicht mehr zulässt. (Bundesrat Dr. Kühnel: Bitte, wie haben sie das früher gemacht? Im Auto sitzend, auf Streife?)

Herr Kollege, ich bin auch schon eine Zeit lang auf der Welt. Vielleicht noch nicht so lang wie Sie, aber ich weiß auch, wie das die Polizei und bei uns auf dem Land die Gendarmerie gemacht haben. Es hat gute Gendarmeriebeamte gegeben, und was haben sie gemacht? – Sie sind draußen bei den Bauern gewesen, sie sind draußen herumgegangen, sonst hätte es eben nicht diese Aufklärungsquote geben können. Sie werden doch nicht glauben, dass Information ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie scheinen den städtischen mit dem ländlichen Bereich zu verwechseln! – Präsident Ager über­nimmt den Vorsitz.)

Nein, darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen, ich kann Stadt und Land schon auseinander halten! So überheblich brauchen Sie nicht zu sein, Herr Kollege, dass Sie glauben, ich könnte Stadt und Land nicht auseinander halten. (Bundesrat Hö­finger: Das war eine andere Form der Kriminalität! Das hat sich ja auch geändert!) Ich will damit ja nur sagen, dass auch die Polizeiarbeit eine Arbeit ist, bei der man mit der Bevölkerung entsprechende Kontakte haben muss. Denn Sie bekommen sonst keine


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 132

Tipps. Sie werden sie sonst nicht bekommen, und Sie können dann nichts aufklären. (Bundesrat Höfinger: Sie kritisieren, dass niemand Kontakte hat! Das stimmt ja nicht!)

Meine Damen und Herren! Das subjektive Sicherheitsempfinden wird ganz besonders auch von der objektiven Sicherheitslage bestimmt. Die Sicherheitslage in Österreich ist in den letzten Jahren durch die falsche Sicherheitspolitik der Bundesregierung und durch Sie, Herr Bundesminister, als Ressortverantwortlichen objektiv wesentlich schlechter geworden! Das beweisen auch die aktuellen Zahlen und Vergleiche zur Kriminalitätsentwicklung. Obwohl die Beamten und die Beamtinnen der Gendarmerie und der Polizei sich wirklich einsetzen, schaffen sie es einfach nicht, eine entspre­chen­de Aufklärungsquote zu Stande zu bringen.

Herr Bundesminister! Ich verweise auf eine Zeitung, die nicht der SPÖ nahe steht. Das oberösterreichische „Volksblatt“, das „Neue Volksblatt“ hat bereits am 18. Juni 2003 darauf hingewiesen und geschrieben: Anders die Situation in Linz – da geht es um die Kriminalstatistik –: Die Zahl der Verbrechen stieg von 18 502 auf 19 864 an. Die Aufklärungsrate liegt lediglich bei 44,66 Prozent. Jeder zehnte Linzer läuft Gefahr, Op­fer einer Straftat zu werden. – Das hat das „Volksblatt“ geschrieben! Es ist also keines­wegs so, dass das nur Panikmache von uns wäre.

Meine Damen und Herren! Ich glaube auch, Österreich ist das einzige Land in Europa, in dem es jetzt weniger Geld für die Sicherheit gibt, als das vorher der Fall war, zum Beispiel vor dem 11. September 2001. Da haben alle aufgestockt, und auch Sie, Herr Bundesminister, haben zum Beispiel noch vor der Nationalratswahl 2002 öffentlich kriti­siert, dass zu wenig Geld für die Sicherheit vorhanden ist. Kritisieren allein ist zu wenig. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser.) Wenn es jetzt um so viel mehr ist (Bundesminister Dr. Strasser: 36 Millionen!), dann beglückwünsche ich Sie hier dazu, aber ich sage Ihnen, es wird noch immer zu wenig sein. (Bundesminister Dr. Strasser: Aber Ihre Kollegen haben nicht mitgemacht!) Es wird eben zu wenig gewesen sein, Herr Bundesminister. Man kann sich ja auch noch Besseres vorstellen. (Bundesrat Höfinger: Die waren sich zu gut für 36 Millionen!)

Als Oberösterreicher interessiert mich natürlich auch, wie das im eigenen Bundesland ausschaut, und da ist mir eine Sache aufgefallen – und ich gehe jetzt gar nicht auf die Zahlen ein –: Es gab im Oktober 2002 von der oberösterreichischen Landesregierung einen Sicherheitsgipfel mit Ihnen, Herr Bundesminister, angeregt von Landeshaupt­mann-Stellvertreter Dipl.-Ing. Erich Haider. Dort ist vereinbart worden, dass es jährlich so viele Aufnahmen in die Exekutivschulung geben sollte, wie Abgänge zu verzeichnen sind. Auch eine zweite Abmachung hat es gegeben: Es sollte zudem bei negativen Ent­wicklungen oder einer negativen Veränderung der Sicherheitslage mindestens einmal jährlich einen Sicherheitsgipfel zwischen Oberösterreich und dem Innenminis­terium geben.

Was ist von den Versprechungen eingetroffen? – Eingetroffen ist eigentlich gar nichts. (Bundesminister Dr. Strasser: Übererfüllt haben wir es!) Übererfüllt haben Sie es? – Das muss auch wieder an mir vorbeigegangen sein, Herr Bundesminister. (Ruf bei der ÖVP: Das glaube ich auch! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Mein lieber Schwan, da müssen Sie aber in Oberösterreich sehr im Geheimen arbeiten! (Bundesrat Dr. Kühnel: ... in den Zeitungen zu lesen! – Bundesrat Ing. Klamt: Lesen!) Ich habe es ganz anders in Erinnerung, wie das in Oberösterreich war. Aber Sie werden mir ohnehin noch sagen, wie Sie das in Oberösterreich „übererfüllt“ haben.

Meine Damen und Herren! Es gäbe hier viel zu diskutieren. Ich habe mir zum Beispiel aufgeschrieben, dass es in Linz einen Nachbarschaftsstreit gegeben hat: Da ist ein Mann mit der Hacke auf den Nachbarn losgegangen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Daran ist er auch schuld? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nein, nicht daran ist der Herr


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 133

Bundesminister schuld; warten Sie einmal, da kommt ja noch etwas! – Auf Grund der Vorschriften, die es da gibt, hätten wir das Mobile Einsatzkommando MEK gebraucht, das war aber nicht mehr da. Daher hat man die Cobra gerufen, und die Cobra ist 40 Minuten später gekommen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie das mit der Hacke normal ausgeht. Das MEK wäre in ein paar Minuten da gewesen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Wenn es etwas gar nicht gibt, kann es gar nicht kommen!)

Das ist auch ein Beispiel dafür, wie es ausschaut, wenn Körperschaften aufgelöst wer­den. In Wels zum Beispiel gibt es keine Sonderstreifen und zusätzlichen Planquadrate mehr. Die gibt es dort nicht mehr! Herr Bundesminister, ob beim Raub oder beim Einbruch, es steigen überall die Zahlen. Die Aufklärungsquote liegt jetzt erstmals unter 40 Prozent. Genau das ist es – das kann man nicht oft genug sagen –, was die Menschen so verunsichert, denn genau diese Massendelikte betreffen den unmittel­ba­ren Lebensbereich, wie wir bereits gehört haben.

Herr Bundesminister! Ich glaube, dass Sie so, wie es jetzt aussieht, in der Sicher­heitspolitik gescheitert sind – und das ist tragisch für die Österreicherinnen und Öster­reicher! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.07

 


Präsident Hans Ager: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Helmut Wiesenegg. – Bitte.

 


18.07

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Liebe Mitarbeiter des Ministeriums! Vor einigen Stunden hat unsere Niki Hosp vom ÖSV den seit einigen Jahren ersten Slalomsieg für die österreichischen Damen in Madonna erreicht (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP) und damit, wie die Medien überall berichteten und verkündeten, eine schwarze Durststrecke – Herr Kol­lege Gruber, eine schwarze Durststrecke! – beendet. Ich bewerte das also nicht poli­tisch, ich möchte nur der Niki Hosp – und Sie haben ja applaudiert – von dieser Stelle aus herzlich gratulieren und mich mit ihr freuen. Sie freuen sich wahrscheinlich auch, und ich glaube, ganz besonders meine Tiroler Freunde.

Sie werden sich jetzt wundern, meine geschätzten Damen und Herren, ganz beson­ders von der ÖVP! (Bundesrat Höfinger: Uns wundert gar nichts mehr!) Sie werden sich aber jetzt wundern, meine geschätzten Damen und Herren von der ÖVP, dass ich dies gerade zu einem Punkt tue, der mit unserer Sicherheit zu tun hat. Niki Hosp kommt nämlich aus meinem Bezirk, dem Bezirk Reutte, einem Bezirk, geschätzte Damen und Herren, der durch den Schwarzstift und die Überlegungen des Herrn Ministers – Streichungen bereits durch die Auflassung der Verkehrsabteilung, durch die Schließung von Gendarmerieposten in einer sehr schwierigen geographischen Region, die Sie nicht kennen; ich habe das letztes Mal miterlebt – von sich reden machte und nun durch Einschränkungen beim Bezirkskommando noch einmal einen weiteren Schritt in die falsche Richtung machen wird.

Ich gehe davon aus, dass Sie die schwierige ... (Bundesminister Dr. Strasser: ... SPÖ-Bezirk!) Wir haben das nie behauptet, das haben wir inzwischen nachgeprüft. Die schwierige regionale Situation des Bezirkes ... (Bundesminister Dr. Strasser: Die SPÖ ...!) Jetzt passen Sie auf, worauf ich noch komme, Herr Minister – mit Verlaub –: dass Sie die regionale Situation des Bezirkes Reutte völlig falsch beurteilen und auch völlig falsch einschätzen! Vielleicht bringen Ihnen aber der Sieg von Niki Hosp und weitere Erfolge – davon bin ich überzeugt – unseren Bezirk doch etwas näher und sagen Ihnen, dass Ihre infrastrukturell negativen Maßnahmen wesentlichere Auswir­kun­gen als anderswo auf die Bevölkerung haben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 134

Ich komme auch darauf zu sprechen, warum das so ist. So haben Sie, Herr Minister, vor Monaten in Reutte bei einer ÖVP-Veranstaltung erklärt, dass das Bezirks­kom­mando in Reutte in vollem Umfang aufrechterhalten bleibt. Das ist in den Medien nach­zulesen. Auch die Tiroler ÖVP-Spitzen – eine sitzt ja auch hier – haben dies bestätigt und bekräftigt.

Nun, geschätzter Herr Minister, stellen wir fest, dass dies eine bewusste Fehlinfor­ma­tion ist, und ich sage Ihnen, warum. Über die Medien hat uns Abgeordnete Stadler mitgeteilt, dass aus dem Bezirkshauptort Reutte wichtige Agenden des Bezirksgendar­meriekommandos nach Imst verlagert werden, nämlich die Personalhoheit. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt ja nicht!) – Das werden Sie mir dann erklären. (Bundesminister Dr. Strasser: Das ist falsch!) – Das ist falsch. Dann bin ich schon beruhigt. Dann bleibt also die Personalhoheit im Bezirk Reutte, und darüber bin ich froh. Ich möchte Ihnen jetzt nämlich erklären, dass gerade die B 179 die zweitwichtigste Transitroute ist, die durch unseren Bezirk führt und durch die Erweiterung der EU zusätzlich belastet wird. Auf Grund der schlechten EU-Verhandlungen über den Transitvertrag werden wir auch eine wichtige Ausweichroute werden. (Zwischenrufe des Bundesrates Ing. Franz Gru­ber.)

Geschätzter Herr Gruber! Wenn Sie mich weiter ausführen lassen, kann ich Ihnen erklären, dass wir auch beschlossen haben – und das auf Landesebene, weil der Bund nicht in der Lage war, die Lkw-Kontrollstelle einzurichten –, dass wir auch diese bedie­nen müssen, weil wir im internationalen Grenzgebiet liegen und die Kriminalität auch bei uns steigt. Die regionale Entwicklung, sehr geehrter Herr Minister, ist bei uns ganz anders als in anderen Bezirken Österreichs, was allerdings nicht berücksichtigt wurde.

Ich erwähne nur am Rande, meine geschätzten Damen und Herren – das werden Sie nicht wissen –, dass Reutte, ganz besonders meine Gemeinde, mit einem Ausländer­anteil von 22 Prozent nach der Bundeshauptstadt den höchsten Ausländeranteil hat. Das nur am Rande.

Umso mehr, geschätzter Herr Minister, ersuche ich Sie – und ich schätze auch die Kultur in diesem Hause –, Ihre Überlegungen ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber.) – Die bin ich! Ich mache natürlich eine Politik in der Form, dass die Tür bei uns für alle offen ist – und das ist wahrlich ein Unterschied zu anderen Bür­germeistern in anderen Gemeinden, wo diese Diskussion geführt wird.

Ich verfolge ja zurzeit – weil Sie das noch einwerfen, Herr Gruber – die Situation mei­nes Kollegen in Landeck, der den Asylwerbern ein Haus zur Verfügung stellt und dann die größten Schwierigkeiten mit den Kollegen der freiheitlichen Fraktion und der ÖVP hat. Das muss man hier doch auch dazu sagen. Da unterscheiden wir uns, Herr Kol­lege, ganz wesentlich von Ihrer Philosophie. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bun­desrat Kritzinger: Das muss ich korrigieren: Da gibt es keine Schwierigkeiten von Seiten der ÖVP, im Gegenteil, ich begrüße das!) – Da bin ich sehr froh, dass Sie das begrüßen, aber da müssen wir alle Aussagen revidieren, auch die des Kollegen der freiheitlichen Fraktion.

Das tut mir sehr weh. Ich habe den Ausländeranteil in meiner Gemeinde hier nur des­wegen skizziert, um Ihnen zu sagen, dass auf Grund der 22 Prozent sehr wohl eine Diskussion innerhalb der Bevölkerung stattfindet. Meine geschätzten Damen und Herren! Das darf doch erwähnt werden.

Daher bitte ich den Herrn Minister – und ich nenne das Kultur; er hat einen Teil ja schon beantwortet –, dass das Bezirksgendarmeriekommando in Reutte zur Gänze erhalten bleibt. Dafür bedanke ich mich recht herzlich und danke für Ihre Auf­merk­sam­keit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.13

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 135

Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Werner Stadler. Ich erteile es ihm.

 


18.14

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Ich glaube, dass das Thema Sicherheit von großer Bedeutung ist und für die Bevöl­kerung sehr wichtig ist, müsste uns allen klar sein. Auf Grund der heutigen Diskussion und der Emotionen, die teils zu verstehen sind, teils wieder weniger, ist mir nicht mehr ganz klar, ob das Thema Sicherheit wirklich für jeden so bedeutend ist.

Ich meine, besonders die Sicherheitspolitik von Ihnen, Herr Bundesminister, und von der ÖVP-dominierten Bundesregierung geht in die falsche Richtung, da kann man die Zahlen drehen und wenden, wie man will. Man kann sie zur Kenntnis nehmen, man kann sie als Rohdaten bezeichnen, aber ich glaube, sie liegen auf dem Tisch, und wenn sie auf dem Tisch liegen, müssen wir sie alle zur Kenntnis nehmen.

Als Oberösterreicher will ich ein paar Zahlen aus unserem Bundesland Oberösterreich nennen, die sicher auch nicht sehr positiv sind, die aber auch nicht als Rohdaten zu bezeichnen sind und die meine Kollegen von der ÖVP Oberösterreich sicher auch bestätigen können.

Es gab im Jahr 1999 72 438 angezeigte Straftaten. Im Jahr 2002 ist diese Zahl schon sehr rasant auf 77 236 angestiegen. Das ist eine Steigerung um 6,2 Prozent. Schaut man sich die Zahlen im Jahr 2003 dann näher an, sieht man, dass von Jänner bis No­vember rund 74 000 Delikte gemeldet und angezeigt wurden, was wiederum eine Stei­gerung um 5,8 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2002 bedeutet. Gleichzeitig ist aber die Aufklärungsquote um weitere 2,1 Prozent eingebrochen.

Und was macht der Herr Bundesminister? – Parallel zur steigenden Kriminalität kürzt er radikal die Zahl der Planstellen bei Gendarmerie und Polizei!

Über den Gipfel 2002 in Oberösterreich ist schon von meinem Kollegen Kraml ge­sprochen worden. Ich warte nur, denn es ist versprochen worden, dass jedes Jahr ein derartiger Gipfel stattfinden wird, aber heuer ist bis jetzt noch keiner ... (Zwischen­be­mer­kung von Bundesminister Dr. Strasser.) – Heuer nicht mehr. Geht es sich nicht mehr aus? Zuerst waren die Landtagswahlen, da hat es vielleicht nicht so gepasst. Jetzt kommt die Weihnachtszeit, da passt es auch nicht mehr. Aber vielleicht passt es dann nächstes Jahr. (Bundesminister Dr. Strasser: In Abstimmung mit der Landes­regierung!) – Passt, danke.

Bei der Gendarmerie in Oberösterreich sollten 2 261 Planstellen besetzt sein – das sind druckfrische Daten –, 2 155 sind bedauerlicherweise nur besetzt; es fehlen also 106 Gendarmen in Oberösterreich. In der Stadt Linz befanden sich im Jahr 1999 noch 765 Sicherheitswachebeamte im Dienst, Anfang Dezember 2003 sind es nur mehr 577, also gleich um 188 weniger. Bei der Kripo wären 116 Kriminalbeamte vorgesehen, Anfang Dezember waren es nur noch 90 Beamte.

Diese Zahlen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister, kann man nicht vom Tisch wischen, sondern das sind Fakten, die auf dem Tisch liegen, und dort bleiben sie auch.

Welch negative Auswirkungen das in der Verkehrsabteilung in Oberösterreich hat, möchte ich Ihnen an einem Beispiel erläutern. Auf dem neu geschaffenen Lkw-Kontroll­platz an der A 8 Innkreisautobahn in Kematen – sicher eine stark befahrene Autobahn, wo mehr Lkw von Suben hereinkommen als über den Brenner fahren – gab es im Jahr 2003 nur 1 500 Kontrollen von Lkw, weil auf Grund von Personalmangel dieser Parkplatz nicht öfters besetzt werden konnte. 1,7 Millionen Lkw pro Jahr passieren diese Stelle – das heißt, nicht einmal jeder tausendste Lkw kann kontrolliert werden! Obendrein gab es dann noch eine angeordnete Überstundenkürzung Mitte dieses


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 136

Jahres, die natürlich wieder schlimme Auswirkungen auf die Sicherheitslage in den Städten und Regionen zur Folge hatte.

Wachzimmer mussten deswegen in der Nacht geschlossen werden. (Rufe bei der ÖVP: Wo?) In einigen Bezirken in Oberösterreich, wahrscheinlich in ganz Österreich, wurden Kriminalstreifen eingestellt. In einigen Bezirken wurden Dienststellen am Wochenende ganz geschlossen. Sehr oft, meine Damen und Herren, kommt es vor, dass Hilfe suchende Bürgerinnen und Bürger vor leeren, also nicht besetzten Wach­zimmern stehen und vergeblich auf Hilfe oder Unterstützung warten. (Rufe: Wo?) Herr Minister, Sie stellen mir eine Frage, ich kann Sie Ihnen beantworten – ganz im Gegen­satz zu Ihnen. Wir haben Ihnen heute sehr viele Fragen gestellt, aber ich habe bei sehr vielen oder bei den meisten Fragen auf die Antwort gewartet.

Ich komme aus dem Bezirk Schärding. Wir kennen einander. Ich kann mich noch erinnern, wie Sie bei der Gleichenfeier des neuen Gebäudes des Bezirksgendar­merie­kommandos kurz vor der Wahl gesprochen und Wahlwerbung betrieben haben. (Bun­desminister Dr. Strasser: Die Gleichenfeier war im Sommer!) – Die war im Sommer, und die Wahl war im September – das war also noch vor der Wahl. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich rede vom Bezirksgendarmeriekommando in Schärding. Das gibt es noch, außer es ist mittlerweile die Baustelle eingestellt worden; ich habe ja von der Gleichenfeier gesprochen. Aber der Herr Minister wird sich noch erinnern können.

Geschätzte Damen und Herren! Die Frauen und Männer der Sicherheitswache – das haben Kolleginnen und Kollegen von mir heute schon hervorgestrichen – leisten unter sehr widrigen Bedingungen hervorragende Arbeit. Trotz eklatanten Personalmangels, ständiger Kürzungen und permanenter Verunsicherung durch undurchdachte, schlech­te Umorganisationen in der Exekutive stimmen die Einsatzfreude und das persönliche Engagement der einzelnen Beamtinnen und Beamten. Nur dadurch konnte bisher noch größerer Schaden im Hinblick auf die Sicherheit der Oberösterreicherinnen und Ober­öster­reicher in unserem Bundesland abgewendet werden. Die jüngsten Fehlentschei­dungen der VP/FP-Regierung und von Ihnen, Herr Minister, schaffen nun aber eine unnötige Gefahrensituation, die auch durch den vollen Einsatz der Exekutivbeamten, den sie an den Tag legen, nicht mehr aufgefangen werden kann.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Der Arbeitsanfall und die Kriminalitätsentwicklung lassen nur eine Möglichkeit für eine Verbesserung der Sicherheitslage zu: Der Bund muss wirklich mehr Planstellen zur Verfügung stellen, anstatt immer nur davon zu reden. Da wird am falschen Platz gespart! Nur ausreichend Personal kann die neuen Herausforderungen bewältigen. Die Organisationsänderun­gen durch Sie, Herr Minister, und die Volkspartei sind der falsche Weg und bringen nur Verunsicherung und Demotivation. Erst wenn genügend Personal zur Verfügung steht, können neue Organisationsformen umgesetzt werden.

Herr Minister! Ich habe Ihre Reden in unserem Land schon angesprochen. Ich bitte Sie, fahren Sie nicht nur durch das Land, um die negativen Statistiken, für die Sie hauptverantwortlich sind, schönzureden! Denn eines ist klar – und es ist heute auch schon sehr oft erwähnt worden –: Mehr Kriminalität kann man nicht mit weniger Exe­kutivbeamten bekämpfen. Mehr Beamte für ein sicheres Österreich und ein sofortiges Ende der Zusperrwelle bei Polizei und Gendarmerie sind das Gebot der Stunde! (Bun­des­rat Bader: Was ist zugesperrt worden?) – Es wird nicht zugesperrt – das haben Sie auch in Schärding erwähnt. Ich muss immer wieder darauf zurückkommen. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Es sind schon sehr viele Posten im Bezirk Schärding zugesperrt worden.

Sie kennen auch den Fall Taufkirchen; auch diesbezüglich ist etwas vereinbart worden. Der Fall Taufkirchen ist ja besonders interessant. Ich habe zum neuen Bürgermeister


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 137

eine sehr gute Beziehung. Dort hat es ja einen Wechsel gegeben von SPÖ- auf ÖVP-Bürgermeister. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich rede von Taufkirchen und nicht von Schärding. – Kurz nach der Wahl ist, wie ich meine, der Herr Bürgermeister bei Ihnen gewesen. Sie haben ihn vertröstet. Das sei das nur ein bisserl hinausgeschoben – wenn er mich nicht angelogen hat. Es war zwar schon vereinbart, dass Sie den Posten dort auflösen, aber Sie, Herr Minister, haben versucht zu erreichen, dass dort in Zukunft wenigstens Sprechstunden stattfinden. Ich meine allerdings, zu einem Gendar­merieposten gehen die Leute nicht, weil dort eine Sprechstunde abgehalten wird, oder zur Seelsorge, sondern der sollte besetzt sein. Wenn die Leute Hilfe brauchen, sollten sie diese auch bekommen, und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit und nicht dann, wenn zufällig eine Sprechstunde abgehalten wird.

Herr Minister! Zum Abschluss bitte ich Sie noch: Machen Sie eine Kehrtwendung in der Sicherheitspolitik! In unserem Land sollen sich die Bürgerinnen und Bürger sicher fühlen und nicht die Kriminellen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.25

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günther Molz­bichler. Ich erteile dieses.

 


18.25

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich will nicht wiederholen, was heute schon alles gesagt worden ist, sondern ich will mich nur den Ausführungen der Kollegen aus meinen Reihen anschließen und auch jener der Grünen. Die Rede des Kollegen Schennach hat mir sehr gut gefallen, er hat mir schon viel vorweggenommen. Stefan, bei dem, was du hier gebracht hast, hast du meine vollste Unterstützung, keine Frage.

Ich möchte ganz kurz auf Kärnten eingehen und zitiere Landeshauptmann Haider: Machtbesessenheit des Innenministers steht hinter dem Konzept. (Ruf bei der ÖVP: Das ist interessant!) – Herr Minister! Das sagt eigentlich schon alles. Das Konzept ist für den Reißwolf! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Frau Kollegin! „Machtbesessenheit des Innenministers“ – also das gefällt mir schon. Interessant ist nur: Wenn sich der Herr Minister in Kärnten aufhält, bewegt er sich mit dem Herrn Landeshauptmann Arm in Arm durch die Lande und sagt, es wird nicht geschlossen, es wird nicht reformiert, es bleibt alles beim Alten. – Dem ist nicht so! In Kärnten betrifft es elf Dienststellen – nachweislich, bitte! Wien ist nicht das einzige Bundesland, das unter Ihrer Unsicherheitspolitik zu leiden hat, Herr Bundesminister, auch in Kärnten hat die Kriminalität gewaltig zugenommen. Sie unternehmen allerdings relativ wenig, muss ich Ihnen sagen.

Beim letzten Besuch in Kärnten am 10. Dezember sprachen Sie davon, dass im nächs­ten Jahr in Österreich rund 1 000 Beamte in den Polizeidienst übernommen würden. Ich glaube, das ist ein etwas billiger Trick (Bundesrat Konecny: Richtig! – Beifall bei der SPÖ), denn tatsächlich handelt es sich dabei um Zollwachebeamte, die ohnehin schon für die Sicherheit im Einsatz sind. Für Kärnten sind im Jahr 2004 genau null zusätzliche Sicherheitswachebeamte vorgesehen sind. Das ist die Tatsache und nachweisbar! (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) – Das ist kein billiger Brief. Auch Landeshauptmann Haider sagt, dass die Länder keine Zustimmung zu dieser Sache geben. Das ist ja sehr interessant, Frau Kollegin, das werden auch Sie mir bestätigen.

Die SPÖ-Fraktion im Kärntner Landtag versucht schon seit zwei Jahren, über Anfragen an Ministerien und an Sie, Herr Minister, auf die Situation in Kärnten aufmerksam zu


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 138

machen. Wir haben bis heute keine Antwort bekommen, nichts Konkretes. Sie haben auch heute hier etwas „dezidiert“ – unter Anführungszeichen – erklärt, wo ich nicht weiß, was Sie gemeint haben. Ich glaube, ich bin auch nicht der dumme Bub vom Land und verstehe auch vieles, aber heute und auch früher habe ich Sie überhaupt nicht ver­standen. Ich bitte Sie, uns Rede und Antwort zu stehen und auf unsere Fragen zu antworten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.28

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günther Kalten­bacher. Ich erteile dies.

 


18.29

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde über die Kriminalitätsent­wicklung bereits gesagt. Generell muss ich feststellen, so wie viele hier im Haus, dass die Entwicklung nicht nur österreichweit, sondern auch im Bundesland Steiermark und vor allem auch in jenem Bezirk, aus dem ich komme, nämlich im Bezirk Murau, besorg­niserregend ist.

Herr Bundesminister! Sie haben eine Statistik über das Befinden der Bevölkerung er­wähnt. In meinen persönlichen Gesprächen mit Menschen aus meinem Bezirk – und da kann ich nur vom Bezirk aus sprechen – habe ich bemerkt, dass die Situation völlig anders aussieht. Die Anzahl der Einbruchsdelikte explodiert. Die KollegInnen von der Gendarmerie vor Ort sind frustriert, aber aus Angst vor Konsequenzen trauen sie sich nicht, das auch öffentlich zu sagen. – Kollege Hagen, du hast das schon angeschnit­ten, ich möchte es nur ein wenig ergänzen.

Eine ähnliche Entwicklung bei der Kriminalität gab es zu Beginn der neunziger Jahre bis Mitte der neunziger Jahre. Da stieg erstmals die Zahl der Fälle über 500 000; 1994 erreichte diese Entwicklung mit 549 000 Fällen ihren Höhepunkt.

Was passierte dann? – Man reagierte rechtzeitig. Es wurde eine Sicherheitsmilliarde bereitgestellt, Gendarmerie und Polizei wurden aufgestockt und mit entsprechenden technischen Mitteln ausgestattet. Die Verbrechen gingen nachweisbar zurück, die Aufklärungsquote stieg wieder auf über 50 Prozent.

Faktum ist, Herr Bundesminister, dass seit Ihrem Amtsantritt die Zahl der Kriminalitäts­fälle wieder steigt und die Aufklärungsquote sinkt. Warum? – Weil Ihre Sparpolitik ver­hin­dert, dass mehr Polizisten und Gendarmen eingestellt werden. Ich möchte in die­sem Zusammenhang ein paar Daten aus unserem Heimatland darlegen.

Kürzlich waren Sie in der Steiermark, und Sie haben dort die Landeshauptstadt besucht und gesagt, es würden 50 zusätzliche Polizisten eingestellt. Aber dass 100 Planstellen nicht besetzt sind, das haben Sie nicht erwähnt! Von den 854 Plan­stellen in der Steiermark sind derzeit nur 740 besetzt. Bei 60 weiteren Planstellen oder Stellen, die besetzt werden sollten, sind die Kollegen auf Karenz oder anderen Dienst­stellen dienstzugeteilt.

Ähnlich ist die Situation bei der Kriminalpolizei in Graz: Statt 125 Beamte gibt es der­zeit nur 87. Das Gleiche kann ich für die Stadt Leoben sagen: Auch dort sind von 144 Planstellen nur 125 besetzt. Die Zahl der Kripobeamten in Leoben wurde fast halbiert, nämlich von 29 auf 15.

Jetzt komme ich auf meinen Bezirk zu sprechen. In meinem Bezirk sind wir mit einer Situation konfrontiert, die wir bis vor kurzem noch nicht gekannt haben. Die Kriminalität verlagert sich von den Städten hinaus in die Dörfer und Ortschaften. In der Ortschaft, in der ich wohne, nämlich in Scheifling, wurden vergangenes Wochenende 13 Einbrüche in einer Nacht getätigt! Zum gleichen Zeitpunkt schlugen die Täter in Murau, Neumarkt


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 139

und anderen Ortschaften zu. Das gleiche Szenario wiederholte sich eine Woche spä­ter.

Es ist dies eine Entwicklung, die wir bis dato in diesem ländlichen Bereich nicht kann­ten. 32 Personen  wohnen im Bezirk Murau. Was ist neben der drastischen Zunahme der Kriminalität im Bezirk Murau im Bereich der Exekutive passiert? – Einsparungen! Von den 65 Planstellen sind derzeit nur 55 besetzt. (Ruf bei der ÖVP: Da kommen eh zwei Gendarmen auf einen Einwohner!)

Auf diese Ebene möchte ich mich gar nicht begeben. (Bundesrätin Schicker: Du hast 32 Einwohner gesagt!) Bitte um Entschuldigung! 32 000 Einwohner hat der Bezirk! Wie gesagt, von den 65 Planstellen sind derzeit nur 55 besetzt.

Seit September dieses Jahres wurden die Überstunden um 30 Prozent reduziert. Dies hat zur Folge, dass an Wochenenden, wenn auf Grund von Veranstaltungen verstärk­tes Aufkommen in den gastronomischen Betrieben herrscht, anstelle der bisher drei Sektorenstreifen nur mehr zwei unterwegs sind. Die Bezirkssonderdienste wie Ver­kehrsüberwachung und Kontrollen an Wochenenden mussten aus finanziellen Grün­den generell eingestellt werden.

Seitens unserer Fraktion haben wir im Steiermärkischen Landtag einen entsprechen­den Entschließungsantrag betreffend Sicherheitssituation in der Steiermark einge­bracht. Dieser Antrag wurde von den ÖVP- und FPÖ-Kollegen im Landtag abgelehnt. (Oh-Rufe bei der SPÖ und den Grünen.) Eine schriftliche Anfrage an Frau Landes­hauptmann Waltraud Klasnic, wie sie mit dieser explodierenden Kriminalität bei gleich­zeitiger Reduzierung der Planstellen im Exekutivbereich umgeht, wurde bis dato nicht beantwortet.

Ich glaube, treffender könnte man die Situation nicht darstellen, als es Günther Eben­schweiger, FCG-Personalvertreter der steirischen Sicherheitswache, schreibt. In einem offenen Brief an Bundeskanzler Schüssel schreibt er: Es ist ein unerträgliches und unmenschliches Szenario, wie derzeit mit der Exekutive umgegangen wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Täterbanden überfallen unser Land, bringen unsägliches menschliches Leid und enormen wirtschaftlichen Schaden. Gerade von dieser Regie­rung hat sich die Exekutive erwartet, dass den Kriminellen der Kampf angesagt wird. Mit Personalreduktionen und Überstundeneinsparungen geht das sicherlich nicht. – Zitatende.

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.36

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Lindinger. Ich erteile ihm dieses.

 


18.37

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zunächst ein kurzer Rückblick auf die Ausführungen der Kollegin Roth-Halvax. Frau Kollegin, wenn Sie sich schon darüber gefreut haben, dass Sie Ihre Gemeinde sozusagen umgedreht haben: Fragen Sie Ihren Kollegen Wolfinger aus dem Bundesrat, welche Freude er gehabt hat, als die Ge­meinde von Schwarz auf Rot umgedreht wurde! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Roth-Halvax: Das war nicht persönlich ...!)

Geschätzte Damen und Herren! Es sind schon sehr viele Zahlen aus Oberösterreich hier präsentiert worden. Mir geht es um die Sicherheit der Menschen im ländlichen Raum; wir haben hier schon einiges diesbezüglich erfahren. Die Sicherheit wird mit Füßen getreten. Herr Minister, Sie als Oberösterreicher müssten die topographischen Verhältnisse dort ja genau kennen. Der Süden von Oberösterreich wird mit dem


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 140

Arbeitspapier von Team 04 von der Landkarte gelöscht. Das Bezirksgendarmeriekom­mando Kirchdorf a. d. Krems soll dem Bezirksgendarmeriekommando Steyr ange­schlossen werden. (Bundesminister Dr. Strasser: Falsch!) Danke. Steyr-Land.

Wer also die Lage der beiden Bezirke Steyr-Land und Kirchdorf a. d. Krems kennt, der wird in der Zusammenlegung eine Gefährdung der Sicherheit der Menschen im länd­lichen Raum erkennen. Es ist geplant – ich weiß, dass das im Papier steht; wenn Sie anschließend das revidieren, dann ist das sehr schön für uns –, in der Stadt Steyr das Stadtkommando zu belassen und in der Nachbargemeinde Garsten das Bezirksgen­dar­meriekommando für Steyr-Land und Kirchdorf einzurichten. (Bundesminister Dr. Strasser: Falsch!) Zwei Kilometer daneben!

Geschätzte Damen und Herren! Es sind jetzt von 89 Dienstposten im Bezirk Kirchdorf nur 76 besetzt. Hier wird es am 1. Jänner eine Aufstockung geben, da kommen zwei Be­amte dazu. Aber diese Unterbesetzung bedeutet, dass in der Nacht nur drei Sek­torenstreifen im Bezirk unterwegs sind. Meine Damen und Herren, vergangenen Sommer war sogar in der Weltcup-Gemeinde Hinterstoder, ein sehr bekannter Touris­musort, der Gendarmerieposten an Sonntagen geschlossen. Vor der Tür stand Sonn­tag Ruhetag – wegen Personalmangel. (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Minister! Ich möchte Sie jetzt nicht mit diesen Statistiken, die heute hier schon mehrmals präsentiert wurden, langweilen. Ich bringe nur ein Zitat aus einer kleinfor­matigen Zeitung, wo es heißt: 3,7 Prozent mehr Straftaten in Oberösterreich bei gleich­zeitigem Absinken der Aufklärungsquote um 1,5 Prozent: die Folgen des Einsparungs­wahns der Regierung. (Bundesrat Schennach: Das kann nur das „Linzer Volksblatt“ sein!)

Meine Damen und Herren! Der Schlusssatz in dieser Kolumne aus der Zeitung aus dem Land ob der Enns lautet: Viele Privatunternehmen haben bereits Securities beauf­tragt. Nun sollen also auch Kommunen Privatsheriffs einstellen, weil der Bund unsere Sicherheit kaputtzusparen droht.

Geschätzte Damen und Herren! Allein am vergangenen Wochenende – und der Kolle­ge vor mir hat das in seinem Debattenbeitrag bestätigt – gab es im Umkreis von 10 km fünf so genannte Dämmerungs-Einbrüche in Einfamilienhäuser innerhalb von drei Stun­den! Diese so genannten Dämmerungs-Einbrüche geschehen zwischen 16 und 21 Uhr. Sie geschehen sehr rasch, und an einer Straße wie der A 9 oder der B 138 entschwinden die Einbrecher sehr rasch wieder aus diesem Gebiet, und es ist sehr schwierig, sie zu fassen.

Die Bürgermeister des Bezirkes Kirchdorf a. d. Krems haben sich vorige Woche im Rahmen der Bürgermeister-Konferenz mit dem Thema intensiv beschäftigt und haben an Sie, Herr Minister, eine Petition gerichtet – ich hoffe, dass sie schon angekommen ist, aber ich kann Ihnen eine Kopie hier lassen; sie ist mit 10. Dezember datiert –, und darin schreiben die Bürgermeister Folgendes:

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Nachfolgend übersenden wir Ihnen folgende Pe­tition ... Ein Auszug daraus: Der Bezirk Kirchdorf ist einer der verkehrsreichsten Bezirke Oberösterreichs, und das wissen Sie. Die B 138 und die A 9 bilden zwei außerordentlich bedeutende internationale Transversalen, die Süddeutschland und den oberösterreichischen Zentralraum mit der Steiermark und den südosteuropäischen Staaten verbinden. Die straffe Führung des bezirksweiten Verkehrsdienstes zur Ge­währ­leistung einer möglichst optimalen Verkehrsüberwachung ist also dringend not­wendig. Diese Aufgabenstellung wurde von unserem Bezirksgendarmeriekom­mando bisher bestens erfüllt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 141

Noch einige statistische Daten dazu. – Wenn zum Beispiel das Bezirksgendar­merie­kom­mando Kirchdorf aufgelöst wird, dann wäre zwischen Steyr – Garsten und Gmun­den und Wels keine Kommandozentrale mehr, und das wäre wirklich ein Anschlag auf die Sicherheit hier im Bezirk Kirchdorf a. d. Krems!

Diese Petition wurde einstimmig von 23 Bürgermeistern beschlossen, von 13 ÖVP-Bür­germeistern und 10 sozialdemokratischen. Die aktuellen Zahlen, die wir hier haben, verstärken die Bedenken, meine Damen und Herren, und auf Grund dieser Zahlen können sich die Menschen nicht unbedingt in Sicherheit wiegen.

Herr Minister! Dieses Konzept trägt nicht dazu bei, dass die Exekutive effizienter wird. Nehmen Sie die Bedenken ernst und suchen Sie den Dialog mit den Ländern, sonst werden Sie, Herr Minister, verantwortlich gemacht, wenn die Kriminalität steigt und die Menschen in unserem Lande verunsichert werden.

Herr Minister! Ich ersuche Sie, die oberwähnte Petition der Bürgermeister dieser Re­gion ernst zu nehmen und darüber nachzudenken! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.44

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm dieses.

 


18.45

Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Dringliche Anfrage in der heutigen Sitzung war eine gewisse Überraschung, weil wir auf Grund der nicht gerade kurzen Tagesordnung an sich angenommen hatten, dass wir eigentlich ausgelastet sind, aber von den Sozialdemokraten wurde in guter alter Manier nun das Ziel etwas gewechselt, nämlich vom Verteidigungsminister auf den Innenminister (Bundesrat Schennach: Der Verteidigungsminister ist bei der Trup­pe!), und daher eine Dringliche Anfrage eingebracht. Damit ist das Stachanow-Prinzip doch in gewissem Sinne erfüllt.

Wenn ich diese ganze Diskussion, die jetzt ungefähr zwei Stunden und 45 Minuten ge­dauert hat, Revue passieren lasse, muss ich feststellen, dass eine wesentliche Be­merkung im Zusammenhang mit der Dringlichen Anfrage seitens der Grünen gemacht wurde, nämlich, dass sie auch für mehr Polizei eintreten und für Wien rund 1 500 zusätzliche Beamte verlangen. (Bundesrat Schennach: Nein! Das kann ich Ihnen nachher gerne zeigen!)

Das ist eine beachtliche Feststellung, und ich nehme diese Forderung gerne zur Kennt­nis. Besonders seriös wäre natürlich gewesen, wenn Sie auch gleichzeitig dazu gesagt hätten, wie diese 1 500 zusätzlichen Beamten in Wien finanziert und budgetiert werden sollen. Das haben Sie aber unterlassen, sondern Sie haben einfach diese Forderung aufgestellt. Aber selbst diese Forderung ist beachtlich.

Aus all dem, was wir in aller epischen Breite aus dem Mühlviertel, aus Reutte, aus dem Innviertel, aus Schärding, aus Kärnten (Bundesrat Konecny: Dort leben Menschen, und die werden Opfer von Verbrechen!) aus sozialdemokratischer Sicht gehört haben, lässt sich auch etwas herausfiltern, nämlich: Es werden mehr Beamte verlangt. – Bei dieser Forderung könnte man sich durchaus treffen; ich werde später noch darauf eingehen.

Ein weiteres Filtrat aus den vielen hier gemachten Ausführungen ist, dass man die Aus­stattung auf verschiedenen Gebieten bemängelt. Aber auch da kann Ihnen in gewissem Maße geholfen werden, denn mir wurde aus dem Bereich des Innen­ministeriums und von Polizei und Gendarmerie glaubhaft versichert, dass es zum


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 142

Beispiel in Zeiten sozialdemokratischer Innenminister nicht möglich war, ein interes­santes E-Mail von einer Polizeidienststelle an eine Gendarmeriedienststelle zu schicken, um entsprechend schnell agieren zu können. Der Herr Bundesminister für Inneres ist intensivst bemüht, diesem Mangel Abhilfe zu leisten und das endlich zu ermöglichen.

Wenn also dauernd gesagt wird, in der Zeit der roten Innenminister wäre mehr oder weniger das Goldene Zeitalter des Ovid angebrochen, dann muss man sagen: Dem war nicht so, sondern das ist eben erst jetzt der Fall.

Zu dem, was Herr Professor Konecny hinsichtlich der Kontaktbeamten zum Besten gibt, sei gesagt: Mag sein! Ich weiß nicht, in welchem Bezirk er beheimatet ist, aber in Wien, in der Inneren Stadt Wien, aus der ich komme, was manchmal von manchen Kollegen von der – von mir aus gesehen – linken Reichshälfte kritisiert wird, kann ich nur feststellen, dass das Konzept voll und ganz aufgeht. Herr Professor Konecny profilierte sich bei der Dringlichen Anfrage als Polizeitaktiker, indem er meinte, er müsse festlegen, ob sich ein Polizeibeamter 100 oder 150 oder 200 m vom Polizeiauto entfernen darf. Ich würde sagen, man sollte es dem Kommandanten dieses Autos überlassen, was er im konkreten Fall tut. (Bundesrat Konecny: Sie sollten die Polizisten über diese Maßnahmen befragen! Dann werden Sie sehen, was Ihnen die darüber erzählen!)

Wenn von den Sozialdemokraten die Situation so bejammert und als fürchterlich be­zeichnet wird, wenn gesagt wird, wie schlimm es angeblich jetzt in Wien und in Öster­reich sei, dann muss ich sagen: Dieses Jammern kenne ich, seit ich hier im Bundesrat bin – das ist noch nicht allzu lange, aber jedenfalls ist mir das Jammern der Sozial­demokraten ganz besonders aufgefallen, weil ich nicht zum Jammern neige, sondern lieber etwas Positives tue. (Bundesrat Konecny: Gehen Sie auf Streife?) Ich würde vorschlagen, dass man sich, wenn es wirklich so arg ist, wie man es darstellt, vielleicht in andere europäische Städte begibt, um sich dort einmal die Situation anzusehen, denn der Herr Bundesminister hat auf Grund einer Umfrage zitiert, das 77 Prozent der österreichischen Bevölkerung im Grunde genommen mit der Polizeiarbeit im weitesten Sinne zufrieden sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Mein Kollege aus dem Bundesland Wien Harry Himmer hat einmal in einer der Sitzun­gen hier eine interessante Aussage gebracht, und zwar: Man kann nur etwas umfär­ben, wenn es von irgendjemanden einmal eingefärbt worden ist. (Ruf bei der ÖVP: Ge­nauso ist es!)

Da muss ich für Wien – die Situation dort kenne ich recht gut – feststellen, dass es zum Beispiel im Innenministerium oder bei der Polizeidirektion Wien für Andersfärbige – die Farbe will ich jetzt nicht erwähnen – verflixt schwer war, dort irgendwie Karriere zu machen. (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.) Es ist ein Verdienst des Herrn Bundesministers, dass man dort jetzt auf Qualität schaut – und nicht auf das Parteibuch! Dafür gebührt ihm ein besonderer Applaus! (Beifall bei der ÖVP.)

Etwas Weiteres ist ihn betreffend mit besonderer Genugtuung festzustellen: dass er auch den Frauen im Polizeidienst eine Chance gibt. Er hat die erste Polizeidirektorin in Schwechat installiert, und die ist jetzt als Vizepräsidentin nach Wien gekommen. Auch das ist sein Verdienst! (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und den Grünen sowie der Bundesrätin Bachner.)

Interessant war die Diskussion über Zahlen – das ist immer ein beliebtes Betätigungs­feld, denn die Grundlagen kennt man nicht so genau; irgendwelche Zahlen gibt es sicher, und dann kann man interpretieren –, und die hat heute in großem Ausmaß stattgefunden. Ich möchte mich darauf nicht allzu tief einlassen (Bundesrat Konecny: Ist schon tief genug!), aber eines ist dem Herrn Bundesminister schon gutzuschreiben:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 143

dass er die monatliche Kriminalstatistik auf die Beine gestellt hat. Jeden Monat erfährt man jetzt, in welchem Bezirk es was gegeben hat. Das ist ein Fortschritt gegenüber früher!

Jeden Monat hat man jetzt diese Möglichkeit auf einer ordentlichen Basis und kann Ver­gleiche anstellen, aber nicht Vergleiche mit 1991 oder vielleicht mit noch früher.

Der Herr Bundesminister blickt immer in die Zukunft und ist an Lösungen interessiert (Zwischenruf des Bundesrat Schennach. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen), und man kann ihm sicher nicht unterstellen, dass er sich freut, wenn die Kriminalität in Österreich steigt. Im Gegenteil: Er macht sich sofort Gedanken darüber, wie man diesem Problem zu Leibe rücken kann.

Als Erstes in diesem Zusammenhang möchte ich anführen, dass er gesagt hat, dass mehr Polizei auf die Straße zu kommen hat – und das ist ihm, bitte, gelungen. Im ersten Bezirk hat das Projekt mit 1. Juni 2003 begonnen, und ich stelle seit September, seit ich vom Urlaub zurück bin, mit Genugtuung fest, dass immer mehr Rayonsbeamte auf der Straße sind. (Bundesrat Boden: Die müssen sich aber irgendwo verstecken, weil man sie nicht sieht!) Das ist Tatsache – und es ist nicht so, wie Herr Professor Konecny gemeint hat, dass es nur um das Parlament mehr gebe, sondern es gibt auch in den anderen Teilen des ersten Bezirkes mehr. (Bundesrat Schennach: Halleluja!)

Als Zweites – und diesen Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen – ist die Frage zu stellen: Welche Innenminister waren es denn, die die Polizei vom Fußdienst, vom Rayonsdienst sozusagen verbannt und in die Autos gesetzt haben? – Das waren sozialdemokratische Innenminister! Damals hat der Kontakt mit dem Polizeibeamten in Wien unter dem Dienst im Auto zu leiden begonnen. – Innenminister Strasser hat das System jetzt wieder umgestellt. Für den Mut dazu danke ich dir, Herr Bundesminister! (Beifall bei der ÖVP.)

Nächster Punkt: Der Fußbeamte ist auch eine Art Ertüchtigungsprogramm. (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Konecny. – Bundesrat Schennach: Und der berittene erst!) Man soll das nicht unterschätzen! Wie viele etwas außer der Norm seiende Polizei­beamte gibt es? – Wie ich in der inneren Stadt feststellen konnte, gibt es auf Grund des Fußdienstes jetzt lauter schlanke, ranke, drahtige Polizisten. (Bundesrat Schennach: Die bladen sind in den Außenbezirken! – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Herr Bundesminister ist international orientiert, und daher ist ihm natürlich be­wusst, dass die Kriminalität nicht in Österreich allein sozusagen geboren worden ist und wird, sondern auch durch die Banden und so weiter, die von außen kommen. Daher hat er die internationale Zusammenarbeit massiv gefördert.

Es gibt in der Zwischenzeit 15 Verbindungsbeamte in verschiedenen Ländern, einer­seits in den Staaten um Österreich herum, aber auch in interessanten Städten wie zum Beispiel in Ankara, in Bukarest, in Marokko, dort, wo die Polizeiarbeit bereits früh entsprechend vorbereitet wird, damit man das eine oder andere nicht nach Österreich bekommt. Dieses System wird weiter ausgebaut. Vor allem finde ich es wirklich zu­kunftsweisend, dass in Marokko ein Verbindungsbeamte installiert wurde.

Eine weitere Maßnahme ist, dass der Herr Minister aus Rumänien Polizeibeamte hat kom­men lassen, die in Wien mit dem Innenministerium, der Polizeidirektion Wien zusammenarbeiten, um dem Bandenwesen – vermutlich aus dieser Gegend – entspre­chend zu Leibe zu rücken.

Über den Sicherheitsmonitor hat schon meine Vorrednerin in einer sehr feurigen Rede berichtet, daher werde ich das jetzt nicht noch einmal erwähnen. Aber ein schöner Erfolg dieser Monitoren-Geschichte war es, dass einer Bande, die sozusagen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 144

Telefonhütten um das Geld erleichtert hat, auf die Schliche gekommen werden konnte und diese Bande dingfest gemacht wurde.

Aber nicht nur die genannten Maßnahmen greifen, sondern Minister Strasser blickt noch etwas weiter. So sind – das darf ich auch noch einmal erwähnen – für das Jahr 2004 grosso modo über 2 000 zusätzliche Beamte vorgesehen.

Es ist in der Adventzeit bedauerlich – aber ich kann Ihnen das nicht ganz vorent­halten –, konstatieren zu müssen: Es wäre schön gewesen, wenn seitens der Sozialde­mokratie den 150 zusätzlichen Planstellen für das Jahr 2004 und den 36 Millionen € zugestimmt worden wäre, wenn das im Nationalrat nicht abgelehnt worden wäre!

Zuletzt ein Dank an dich, Herr Bundesminister, aber auch an deine Beamten, die trotz gestiegener Kriminalität 21 000 Delikte mehr aufgeklärt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

18.57

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Professor Konecny. Ich erteile ihm dieses. (Bundesrat Schennach: Jetzt geht es wieder von vorne los!)

 


18.57

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Lieber Kollege Kühnel, jetzt bin ich wirklich verblüfft! (Zwischenruf.) Es gelingt manch­mal. (Ruf bei der ÖVP: Es gibt noch Wunder und Zeichen!) Wir haben uns ja gewun­dert, denn: Es gab eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten, dass Herr Vertei­digungsminister Platter, der sich, wie das alle österreichischen Verteidigungsminister seit Jahren um die Weihnachtszeit tun, bei unseren im Ausland Dienst tuenden Bun­desheersoldaten aufhält, durch Herrn Minister Strasser vertreten wird. Wir haben dann einen „Wisch“ bekommen, in welchem gestanden ist: aber nicht am heutigen Tag. – Wir haben dann eine korrekte Entschließung bekommen, die in Abänderung der Ent­schließung die Regelung enthalten hat, dass Herr Minister Strasser gestern Vertei­digungsminister war und morgen sein wird, aber heute nicht.

Jetzt haben wir uns die ganze Zeit gewundert und gefragt: Was ist der Sinn dieses Spieles? – Kollege, Sie haben uns das jetzt erklärt – jetzt muss ich mich beim Herrn Bundesminister entschuldigen. Der Sinn des Spieles war – Sie haben gesagt, Sie haben mit einer Anfrage an den Verteidigungsminister gerechnet –, dass Kollege Stras­ser nicht in den Bundesrat muss. Jetzt haben wir Sie enttäuscht und haben ihn direkt gefragt. Es tut mir Leid, Kollege Kühnel, dass ich auf diese Überlegungen nicht selbst gekommen bin. Dann hätte ich natürlich Rücksicht genommen, Herr Bundes­minister! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Dr. Strasser: Aber Sie sehen, ich bin da!) – Ja, aber in eigener Rolle.

Herr Bundesminister! Ich darf Sie zunächst einmal ganz technisch bitten, uns jene Da­ten, die Sie – es steht Ihnen zu, schnell zu sprechen – über die tatsächliche Besetzung der systemisierten Posten für die Bundesländer vorgelesen haben, auch schriftlich zur Verfügung zu stellen.

Wahr ist, dass daraus hervorgeht – Sie können mich jetzt korrigieren, ich habe nur über­happs, wie man in Wien sagt, addieren können –: Es gab 2002 systemisiert um 500 Dienstposten mehr als 2003, konkret sogar um 611; das ist nicht gerade ein Zuwachs an Personal. Und von diesen Dienstposten sind rund 500 tatsächlich nicht besetzt, wobei es regionale Schwerpunkte gibt, wo der Prozentsatz offensichtlich bis auf 20 Prozent der systemisierten Posten hinaufgeht. – Das ist die einzige Maßzahl, die wir gelten lassen können.

Zu all diesen Mitteilungen, nämlich: Wir haben so viele Leute in Ausbildung!, muss ich sagen: Schön, sie sind in Ausbildung – erfreulicherweise ist sie intensiv und dauert –,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 145

aber anstellen und in Verwendung bringen kann man sie erst dann, wenn die Aus­bildung abgeschlossen ist. Es gibt offensichtlich zu wenige Beamte, die ausgebildet sind, um die zur Verfügung stehenden Dienstposten zu füllen.

Herr Bundesminister! Es ist das gute Recht jedes Menschen, sich selbst und seine Tätigkeit im besten Licht darzustellen, aber wenn Sie glauben, dass Sie auf Dauer damit durchkommen, dass Sie eine Partikel-Information verlautbaren – nämlich: Es gibt so viele in Ausbildung! –, selbst aber genau wissen, dass dadurch nicht ein Polizist, ein Gendarm mehr im Einsatz ist, irren Sie sich, denn dann wird die Kriminalitätsent­wicklung so weitergehen, wie sie jetzt ist.

Ich komme jetzt zu einer aktuellen APA-Meldung – Sie lesen die APA so gerne, ich auch. Sie hätten übrigens unter OTS-Meldungen zum selben Thema nachschauen sol­len, dann hätten Sie auch gesehen, von wem diese Umfrage ist, in der übrigens steht, dass 7,5 Prozent der Österreicher Vertrauen zur Regierung haben, aber 20 Prozent zum ÖGB – eine Einschätzung, die ich nur teilen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber es gibt von heute Mittag auch eine Meldung, die Sie persönlich angeht: Die öster­reichischen Kriminalbeamten haben Sie zu ihrer Bundesleitungssitzung am 16. und 17. Dezember eingeladen. Sie haben diesen Termin abgelehnt, was der Vorsitzende der Gewerkschaft der Kriminalbeamten als „demokratiepolitisch bedenklich“ bezeich­net.

Sie haben Herrn Brigadier Franz Lang dort hingeschickt, dem viele Fragen gestellt wurden, auf die er nach Meinung der versammelten Kriminalbeamten „allerdings keine Antworten gegeben hat“. Und als Ergebnis dieser Debatte mit Brigadier Lang wurde nicht nur von der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen, sondern auch von der Fraktion Christlicher Gewerkschafter das Konzept „Team 04 – Die neue Exe­kutive“ einstimmig abgelehnt.

Viele Ihrer Sprecher haben uns geraten, die Exekutive nicht zu diffamieren – nichts liegt uns ferner! Es ist die Exekutive, die sich in einer absolut loyalen, weil sie in der Sache loyal ist, Aufstandsbewegung gegen diese Ressortführung befindet. (Bundes­minis­ter Dr. Strasser: ... Gewerkschaft! Die Gewerkschaft ist nicht die Exekutive! – Bundesrätin Bachner: Nein, das stimmt ja nicht! – Bundesminister Dr. Strasser: Das ist die Gewerkschaft!)

Es ist die Gewerkschaft, es sind die gewählten Vertreter jener Kolleginnen und Kolle­gen, die den Kriminaldienst in Ihrem Ressort durchführen. Versuchen Sie nicht, Herr Bundesminister, Gewerkschafter als Außenseiter, als Außenstehende zu diffamieren! Die Wiener Kriminalbeamten, die die Möglichkeit dazu hatten – die anderen täten es gerne –, haben Ihnen bei einer Abstimmung bekundet, was Sie von dieser Politik im Ressort halten. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie werden Gelegenheit dazu bekommen. Die Gewerkschaft hat beschlossen, die 2 300 Kolleginnen und Kollegen im Kriminaldienst zu einer Befragung über Ihr so genanntes Reformpapier 04 einzuladen, und wird natürlich Ihnen und der Öffentlichkeit dieses Ergebnis übermitteln.

Es ist die Exekutive, es sind die KollegInnen von Polizei und Gendarmerie, es sind jene, die diesen Beruf nicht zufällig gewählt haben, sondern durchaus aus Überzeu­gung, die sich der Sache, die das Thema dieses Berufes ist, nämlich der Sicherheit der Bevölkerung verpflichtet fühlen, die gegen Ihre Vorstellungen, gegen Ihre, wie ich behaupten würde, unüberlegten Maßnahmen protestieren, ganz egal, ob ... (Ruf bei der ÖVP: Generalisieren Sie das nicht!) – Also es sind nur manche Maßnahmen des Herrn Ministers unüberlegt. (Bundesrätin Roth-Halvax: Nein, auch nicht alle!) Nicht alle, gut, okay (Bundesrätin Roth-Halvax: Nicht alle Personen!), Frau Kollegin, auf der


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 146

Basis können wir uns einigen: Es sind nicht alle Maßnahmen des Herrn Innenministers unüberlegt! – Das ist eine solide Diskussionsbasis. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) – Sie dürfen es gerne tatsächlich berichtigen, Frau Kollegin. (Bundesrätin Roth-Halvax: Nein, danke!)

Wir haben Ihnen die Stellungnahmen so vieler ehrlicher christlicher Gewerkschafter aus den verschiedensten Regionen Österreichs vorgelesen, meine Kolleginnen und Kol­le­gen aus den einzelnen Bundesländern, die das genauso spüren wie die Sozial­demokratinnen und Sozialdemokraten dort. Schauen Sie, der Beruf Sicherheit – und das ist der Beruf der Exekutive – prägt die Menschen, die dort arbeiten. Sie haben ihre politischen Präferenzen – das ist in einer Demokratie so –, aber sie haben eine Ver­pflichtung, und sie fühlen und sie leben sie, zu diesem Thema: Wie kann ich die Bevölkerung schützen, wie kann ich ihre Sicherheit erhöhen? Und wenn man diese Verpflichtung in sich fühlt, dann kommt man sehr oft zu ganz gleichartigen Beurtei­lungen, egal, ob man ein Freiheitlicher, ein christlicher Gewerkschafter oder ein Sozial­demokrat ist.

Herr Bundesminister! Das sind nicht einfach Ihre Untergebenen – das sind Ihre Ge­sprächspartner!

Und der Frau Kollegin mit ihrer Erfahrung in der Privatwirtschaft kann ich nur sagen: Auch in der Privatwirtschaft sind jene Unternehmen die erfolgreichsten, die es verste­hen, ihre Mitarbeiter zu motivieren, die sie in Entscheidungen einbeziehen und die auf einer gemeinsamen Basis in einem Betrieb tätig sind.

Herr Innenminister! Sie täten gut daran, wenn Sie in Ihrem Betrieb diese gemeinsame Basis mit den Mitarbeitern wieder herstellen würden. (Beifall bei der SPÖ.)

19.08

 


Präsident Hans Ager: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Informationssicherheitsgesetz geändert wird (312 d.B. und 322 d.B. sowie 6924/BR d.B. und 6945/BR d.B.)

 


Präsident Hans Ager: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf, und wir kommen zur Verhandlung über den Tagesordnungspunkt 17.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Schnider übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Dr. Andreas Schnider: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Informationssicherheitsgesetz geändert wird.

Der Ausschussbericht liegt allen schriftlich vor, daher komme ich direkt zur Antrag­stellung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Hans Ager: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 147

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kraml. Ich erteile ihm dieses.

 


19.10

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat sich schon 2001 gegen das Stammgesetz des Informationssicher­heits­gesetzes ausgesprochen, weil es unserer Meinung nach gravierende Mängel und be­denkliche Passagen enthalten hat. Diese gravierenden Mängel wurden auch jetzt nicht ausgeräumt.

So wie bei vielen Gesetzen hat die Bundesregierung auch 2001 das Informations­sicher­heitsgesetz schludrig vorbereitet, so musste damals der Erstentwurf zurückgezo­gen werden, weil er so katastrophal und legistisch völlig unbrauchbar war. Auch die dann korrigierte Fassung war nicht viel besser. Beinahe alle Verwaltungsvorgänge wer­den durch das Gesetz klassifiziert. Eine Weitergabe solcher Informationen ist daher verwaltungsrechtlich beziehungsweise gerichtlich strafbar.

Dem gegenüber steht das SPÖ-Modell, wonach nur in eingeschränkten Fällen, für die öffentliche Sicherheit und andere Rechtsgüter erforderlichen Fälle eine Amtsverschwie­genheit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und damit auch den Medien besteht. Alle anderen Verwaltungsakte sollen öffentlich zugänglich sein.

Mit dem gegenständlichen Gesetz werden die Bestimmungen samt Sicherheitsprü­fun­gen auf Unternehmungen und deren Mitarbeiter ausgedehnt, die sich um Erteilung internationaler Aufträge bei Projekten bemühen, bei denen besonders hohe Sicher­heitsmaßnahmen verlangt werden. Hier geht es darum, dass auch Personen, die im Zuge ihrer Tätigkeit ganz einfach Informationen erhalten, die als vertraulich, geheim oder streng geheim gelten, einer Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitspolizei­gesetz unterzogen werden, damit das Unternehmen für diese Arbeiten auch die ent­spre­chende Sicherheitsunbedenklichkeitsbescheinigung erhalten kann.

Meine Damen und Herren! Uns ist nicht erklärlich, dass bei diesem Gesetz die Be­gutachtungsfrist nicht eingehalten wurde. Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum es diese Begutachtungsfrist nicht gegeben hat. Hier geht es um den Datenschutz, hier geht es um die Intimsphäre der betreffenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Die vorliegende Gesetzesnovelle klärt auch nicht, ob die Betroffenen von den Maß­nahmen zu informieren sind, ob ihnen die Ergebnisse der Überprüfungen bekannt zu geben sind oder was die zuständigen Ministerien mit den Informationen in der Folge zu tun haben. Da geht es immerhin um sensible Daten, die erhoben werden, die nach den Bestimmungen des Datenschutzrechtes – und das gilt auch auf europäischer Ebene – besonders geschützt sind. Dieser Umstand wurde im Gesetz überhaupt nicht berück­sichtigt.

Der Verzicht auf das Begutachtungsverfahren hat den Interessenvertretungen und auch dem Datenschutzrat die Möglichkeit genommen, auf kritische Punkte im Gesetz aufmerksam zu machen. Die grundsätzlichen Mängel, die wir schon 2001 kritisiert haben, sind nicht behoben worden. Daher können wir dieser Vorlage auch nicht zu­stimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.13

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hösele. Ich erteile dieses.

 


19.14

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über das Spannungsverhältnis Datenschutz, Trans-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 148

parenz, Amtsgeheimnis, Geheimhaltungsstufen kann und muss viel nachgedacht und philosophiert werden.

Die vorliegende Novelle – und ich beziehe mich auf die Novelle – dient vor allem der Sicherung und Stärkung des Hightech-Standortes Österreich. Es ist auch ausgeführt worden, was der Inhalt der Novelle ist. Insofern würde sie genau dem entsprechen, was heute Vormittag die SPÖ in ihrem Entschließungsantrag in Zusammenhang mit der Debatte um die EU-Erweiterung eingebracht hat, nämlich dass die Bundesre­gierung angesichts der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt aufgefordert wird, alle nationalen Spielräume zu nutzen, um das Wirtschaftswachstum und damit die Schaf­fung von neuen Arbeitsplätzen zu fördern.

Diese Gesetzesnovelle stellt eine notwendige Maßnahme dar, die es österreichischen Unternehmen und Institutionen ermöglichen soll, an Forschungsprogrammen wie bei­spielsweise der Europäischen Weltraumorganisation ESA ungehindert teilzu­neh­men. Es gibt dabei auch eine gewisse zeitliche Notwendigkeit, das rasch zu tun, denn am 8. Oktober wurde mit der ESA ein diesbezügliches Sicherheitsabkommen unter­zeich­net. Das Vorliegen einer staatlichen Bescheinigung über die Einhaltung gewisser Ge­heim­haltungsstandards in den betreffenden Unternehmen und Forschungsinstitutionen wird darin zur Bedingung für die Teilnahme gemacht, da auf den Schutz des geistigen Eigentums angesichts des immer stärker werdenden internationalen Wettbewerbs natürlich zu Recht viel Wert gelegt wird.

Für die Umsetzung dieses Sicherheitsübereinkommens fehlte allerdings die entspre­chende wesentliche gesetzliche Grundlage, nämlich die gesetzliche Möglichkeit, auf Antrag den Firmen und Forschungseinrichtungen eine solche Sicherheitsunbedenk­lich­keits­bescheinigung zu gewähren.

Die Teilhabe an solchen internationalen Programmen ist für die USA möglicherweise nicht so bedeutend, ist aber gerade für einen kleinen Staat wie Österreich von be­sonderer Bedeutung. Schon jetzt waren wir ein Lieferant von Know-how und wichtigen Hightech-Produkten gerade auch in der europäischen Raumfahrt, die in vielen Be­reichen für Innovationen sorgte. Mit der heute zu beschließenden Gesetzesnovelle kann der Prozess erfolgreich weiterentwickelt werden. Ich kann hier auch aus der stei­rischen Erfahrung sprechen, da zum Beispiel mit Herrn Professor Willibald Riedler seit über drei Jahrzehnten ein international hoch angesehener Wissenschafter in Zu­sam­menhang mit der Weltraumtechnik Graz zum Gravitationsfeld seines Wirkens gemacht hat und in Graz auch das Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Aka­demie der Wissenschaften beheimatet ist.

Noch einmal komme ich zu dem Zeitdruck zurück. Das Satellitennavigationsprogramm GALILEO ist das erste Großprogramm, in das die Europäische Union und die ESA eng eingebunden sind. Die internationalen Ausschreibungen dafür starten Anfang nächsten Jahres, und dazu brauchen wir eben diesen heutigen Gesetzesbeschluss äußerst dringlich und notwendig.

Ich stelle es noch einmal fest: Für einen an Fläche und Einwohnern und auch an natür­lichen Rohstoffen im globalen Vergleich relativ kleinen Staat wie Österreich ist das wichtigste Kapital der Rohstoff Geist, also Qualifikation, innovative Unternehmen und hoch qualifizierte Wissenschafter und Forscher.

Gestern hat in Graz ein Konjunkturgespräch mit den beiden Spitzenexponenten des Instituts für Wirtschaftsforschung – Professor Kramer und Professor Aiginger – stattge­fun­den. Aiginger hat dort festgestellt, nachdem Kramer schon allgemein auf die Not­wendigkeit der Qualifikation im Wettbewerb hingewiesen hat: Die zukünftige Kon­kurrenz­situation wird bestimmt von Forschung, Ausbildung und Technologie. Öster­reich muss ein Technologiegeber werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 149

Mit der nunmehr vorliegenden Gesetzesnovelle wird für ganz gewisse Bereiche einer ganz spezialisierten und besonders sensiblen Hightech-Industrie und Hightech-For­schung ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung des Standortes Österreich geleistet. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

19.18

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es.

 


19.19

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Kollege Hösele hat völlig Recht: Das ist die sensible Materie zwischen Geheimhaltung und Transparenz. Und hier gilt es abzuwägen. Wir haben schon gesehen, als die Schweden den EU-Vorsitz übernommen haben, was da plötzlich auf Grund der Gesetze Schwedens alles transparent wurde, als dann plötzlich die ganzen Tagesordnungen der EU-Räte über Internet abrufbar waren. (Bundesrat Konecny: Da ist das Chaos ausgebrochen!) – Nein, es war einfach eine völlig andere Situation, weil die Schweden auf Grund ihrer Informationsgesetzeslage im EU-Vorsitz agieren mussten. Das war meiner Meinung nach ein wirklich einmaliger Akt, der näm­lich für die EU etwas mehr an Transparenz gebracht hat. Auch wenn es dann andere Präsidentschaften etwas reduziert haben, aber die Schweden haben in dieser Frage schon einen erstaunlichen Level vorgegeben.

Meine Damen und Herren! Diese Novelle ist auch ein Stück lebendiger Parlamen­tarismus, muss man eigentlich sagen, weil die Vorlage, die das Parlament bekommen hat, mit dem, was im Nationalrat beschlossen wurde, nicht mehr identisch ist. Insofern ein Kompliment an alle vier Fraktionen im Nationalrat, die hier tatsächlich intensiv um einen Text gerungen haben. Auch wenn er dann nur mehrheitlich angenommen wurde, haben doch alle vier Fraktionen insofern eine erstaunliche Arbeit vollbracht, als man diese Novelle auf jenes Maß, das völkerrechtlich vorgesehen und notwendig ist, abge­schlankt hat. Das heißt, die Vorlage, die ins Parlament gekommen ist, war weitaus üppiger als das, was heute als Novelle zur Beschlussfassung vorliegt.

Informationsfreiheit, der moderne gläserne Staat oder „free act of information“ stehen auf der einen Seite, und auf der anderen Seite steht der Vertrauensgrundsatz: Wenn der Staat Österreich vertrauliche Informationen bekommt, so müssen sich die Partner auf eine Vertraulichkeit verlassen können. Das heißt, Schriftstücke müssen nach ihrer Vertraulichkeit klassifiziert werden. Dem könnte man im Prinzip zustimmen, wenn nicht drei Dinge für mich nach wie vor unklar und nicht geregelt wären.

Unklar ist erstens die Stellung des Journalisten. Österreich ist leider eines der EU-Länder, die das Redaktionsgeheimnis nicht im Verfassungsrang haben. Ich hoffe, dass der Österreich-Konvent auch als ein Ergebnis bringt, dass das Redaktionsgeheimnis so wie in vielen anderen europäischen Ländern im Verfassungsrang abgesichert wird. Das ist derzeit ungeklärt, und diese ungeklärte Position des Journalisten oder der Jour­nalistin und ihrer Stellung versetzt sie in diesem Fall insofern in eine benachteiligte Situation, als es nämlich bei einem Redaktionsgeheimnis um den Informantenschutz geht. Und der Informantenschutz ist hier, sagen wir einmal, bedroht.

Das Zweite – das betrifft jetzt die Länderkammer – ist die unklare Situation in diesem Gesetz, was zum Beispiel die Geheimhaltung des Bundes gegenüber den Ländern angeht. Das ist nicht geklärt, meine Damen und Herren, das bedarf aber einer Klärung: Was ist auch zum Beispiel Ländern gegenüber geheim zu halten und was nicht?

Und der dritte Bereich ist der Bereich Regierungsmitglieder gegenüber Obersten Or­ganen. Ich glaube, im Sinne des free act of information, im Sinne einer modernen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 150

trans­parenten Gesellschaft müssten wir zu einer Klassifizierung kommen, dass jene Bereiche, die einer Geheimhaltung unterliegen, unkenntlich zu machen sind, aber das Dokument, um das es geht, letztlich doch ein – für welchen Bereich auch immer vorgesehenes – öffentliches Dokument wird. Das heißt, dass man das löscht und unkenntlich macht, was geheim sein sollte, aber dass nicht das gesamte Dokument an sich für geheim erklärt wird. – Das wären Wege.

Ich sage noch einmal: Ein Kompliment dafür, dass das Gesetz hier in der Weise von allen vier Parteien verändert wurde, aber das Problem – und deshalb unsere Gegen­stimme heute – ist eben diese unklare Position in diesen drei Bereichen. Ich bin aber guter Hoffnung und richte die Bitte an unsere Vertreter aus dem Bundesrat im Öster­reich-Konvent – da schaue ich jetzt explizit Kollegen Hösele und Professor Konecny an –, dass sie Druck machen, dass die Frage des Redaktionsgeheimnisses in den Verfassungsrang gehoben wird, wo sie hingehört. Bitte schauen Sie sich an: Es gibt viele Länder, die das derart geregelt haben! Hätten wir das in der Verfassung veran­kert, glaube ich, könnten heute die Fraktionen dem leichter zustimmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.24

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Klamt. Ich erteile dieses.

 


19.24

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Adaptierung des Informationssicherheitsgesetzes ist aus meiner Sicht ein Gebot der Stunde. Wir Politiker sind dazu verpflichtet, Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die größt­mög­liche Bewegungsfreiheit der Betroffenen gegeben ist.

Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung werden internationale Kooperationen in den Bereichen Forschung und Entwicklung immer wichtiger. Natürlich kann man über verschiedene Dinge philosophieren, so wie es mein Vorredner getan hat, wenn es aber gilt, in der Privatwirtschaft bessere Bedingungen für internationale Beteiligungen zu schaffen, dann ist es ein Gebot der Stunde, dass wir sehr schnell agieren.

In der Informationstechnologie, in der Luft- und Raumfahrt und in anderen Zukunfts­bereichen ist die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene unabdingbar geworden, und natürlich werden für derartige Kooperationen auch entsprechende Standards zur Einhaltung der Informationssicherheit eingefordert.

Sicherlich – das kann ich nachvollziehen – ist es nicht angenehm, wenn man als Mitar­beiter eines global tätigen Betriebes einer Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicher­heitspolizeigesetz unterzogen wird, weil man vertrauliche, geheime oder als streng geheim eingestufte Informationen erhält. Ich bin aber ganz sicher, dass jeder mitden­kende Mitarbeiter eines Hightech-Betriebes eine derartige Überprüfung selbstver­ständ­lich akzeptieren wird, wenn er weiß, dass die damit verbundene Sicherheits­unbedenk­lichkeitsbescheinigung eine Grundvoraussetzung für die Teilnahme seines Betriebes an einem internationalen Forschungsprojekt darstellt. Ich meine, dass die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter moderner Betriebe an derartige internationale Gepflogenheiten bereits längst gewöhnt sind. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt wieder den Vor­sitz.)

Die Schaffung und die Erhaltung qualitativ hoch stehender Arbeitsplätze in Österreich haben für diese hoch motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erste Priorität. Und wir im Bundesrat sollten es ebenso halten und die anstehenden Gesetzesänderungen mittragen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.28

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 151

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, wenn Sie bitte das Wort ergreifen.

 


19.28

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Meine Damen und Herren! Es sind die richtigen Sätze schon gefallen, auch ein paar unrichtige, aber lassen Sie mich darauf nicht weiter eingehen. Lassen Sie mich nur sagen: Es dreht sich hier um eine Novelle zum Informationssicherheitsgesetz, das mit dieser verändert wird.

Wenn wir an internationalen Kooperationen teilnehmen wollen und sollen und teilweise auch müssen, wird uns nichts anderes übrig bleiben, als diese Vorschriften, die uns die ESA einerseits, aber andererseits die Sicherheitsstandards der EU vorgeben, zu erfüllen, auch im Hinblick darauf, dass sie von den Firmen natürlich freiwillig vollzogen werden – man zwingt keinen dazu. Nur, wenn wir im internationalen Wettbewerb an internationalen Kooperationen im Hochsicherheitsstandard mitwirken wollen, dann müs­sen wir die von der EU vorgegebenen Regeln einhalten, die wir mit dieser Novelle sicherstellen und in Österreich auch abrufbar machen für alle, die sich an diesem internationalen Wettbewerb beteiligen wollen; ich nenne die ESA einerseits, aber auch das Satellitennavigationsprogramm GALILEO.

Das sind Sicherheitsstandards – noch einmal – der EU, es sind die Sicherheits­überein­kommen, die mit der ESA getroffen werden. Hier brät sich Österreich keine sicherheits­technische Extrawurst, das ist EU-Standard. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.29

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung der Presse (Presseförde­rungs­gesetz 2004 – PresseFG 2004) erlassen sowie das KommAustria-Gesetz, das Publizistikförderungsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2004 geändert wer­den (292/A und 323 d.B. sowie 6946/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat wieder Herr Bundesrat Dr. Schnider übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


Berichterstatter Dr. Andreas Schnider: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Verfassung


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 152

und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Förderung der Presse (Presseförderungsgesetz 2004 – PresseFG 2004) erlassen sowie das Komm­Austria-Gesetz, das Publizistikförderungsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2004 geändert werden.

Der Bericht liegt allen schriftlich vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unter­liegt – keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht und die Antragstellung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich darf Herrn Bundesrat Konecny bitten, das Wort zu ergreifen.

 


19.31

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Darf ich Sie etwas fragen? (Staatssekretär Morak: Fragen Sie!) Sind Sie dienstlich hier, oder überbrücken Sie nur die Zeit bis zum nächsten Tagesordnungspunkt? (Staats­sekretär Morak: Ich bin dienstlich hier!) – Aha. Das ist nämlich interessant, weil es bei diesem Tagesordnungspunkt ja um keine Regierungsvorlage geht, sondern um einen Initiativantrag der medienkundigen Abgeordneten Mag. Molterer und Dr. Bleck­mann. (Staatssekretär Morak: Aber sehr großes Interesse meinerseits wollte ich damit bekunden!)

Okay, Sie sind also interessehalber, nicht als ... – Oder könnte es vielleicht sein, dass Sie oder Ihre Mitarbeiter irgendetwas mit diesem Text zu tun hatten? (Staatssekretär Morak: Natürlich haben wir auch daran mitgearbeitet, aber ...!) – Ach so, das ist wieder eines jener Gesetze, die, weil als Initiativantrag eingebracht, der Begutachtung entzo­gen wurden – die gerade in diesem Fall besonders interessant gewesen wäre, geht es doch hier unter anderem um die Förderung der Medienvielfalt in den Bundesländern. Vielleicht hätten diese irgendetwas dazu zu sagen gehabt!? Aber sie haben das Gesetz nicht gesehen! Sie haben es zwar jetzt gesehen, in der Zeit zwischen der Beschlussfassung im Nationalrat und unserer Befassung im Bundesrat, aber das übliche Verfahren für De-facto-Regierungsvorlagen, nämlich mit einer deutlich längeren Frist begutachten zu lassen, wurde eben wieder einmal vermieden. – Soll sein, Herr Staatssekretär.

Wir lehnen diese Vorlage ab – nicht, weil wir der Meinung sind, dass eine Novellierung der Presseförderung nicht notwendig wäre: Von Jahr zu Jahr sind die einzelnen För­derungstöpfe zugegebenermaßen grotesker geworden. Journalisten von heute wissen eigentlich schon gar nicht mehr, was ein Fernschreiber ist, aber die Fernschreib­gebühren – die daher auch nirgendwo angefallen sind – waren bisher noch immer Gegenstand der Förderung.

Mit der Tatsache, dass hier angepasst wurde, haben wir kein Problem. Auch mit ein­zelnen Bestimmungen können wir uns durchaus anfreunden. Nicht alles freilich ist der Weisheit letzter Schluss, und manches – das hat sich auch bei den Beratungen im Ausschuss und zum Teil auch zwischen den Parteien gezeigt – ist erstaunlich zufällig.

Bei dem Gesetz, das die Abgeordneten Molterer und Bleckmann eingebracht haben, war beispielsweise bei Wochenzeitungen noch eine außerordentlich kompliziert aus­schauende Formel enthalten, die in Wirklichkeit bedeutet hat, dass von Wochenzei-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 153

tungen die ersten 5 000 Stück gefördert werden. (Staatssekretär Morak: 10 000!) – Nein, in der Urfassung 5 000!

Dann gab es einen Abänderungsantrag, und die Formel ist noch ein bisschen kom­plizierter geworden. Aber was auch immer in der Formel enthalten ist: Es werden jetzt eben die ersten 15 000 Stück gefördert. – Es wäre interessant zu wissen, wer da in der Zwischenzeit protestiert und gesagt hat: Hoppla, da bekomme ich nicht genug Geld, um mich am Leben zu halten!, denn, mit Verlaub gesagt, dass sich Geset­zes­macher nicht überlegen, ob sie eine Zahl einfach oder dreifach nehmen sollen, und dass das nur ein medienpolitischer Zufall ist, das – Ihnen, Herr Staatssekretär, brauche ich es nicht zu glauben, denn Sie haben ja mit dem Gesetz nur begrenzt etwas zu tun – glaube ich den Antragstellern Molterer und Bleckmann nicht.

Ich halte es für in hohem Maße problematisch, dass nunmehr die Presseförderung, aber in einem Annex auch die ungleich kompliziertere Publizistikförderung in ihrer Durchführung in die KommAustria – also eine zwar natürlich dem Bund zugehörende Institution, aber eine ausgegliederte Einrichtung – verlagert wird. Bisher war es die Bun­desregierung, die anhand der Empfehlungen von Beiräten – einen für die Zeitun­gen, einen für die Zeitschriften – zu entscheiden hatte. Jetzt ist es eine politisch nicht verantwortliche Institution, wobei dann die kleinen Nettigkeiten dazukommen: Für die Presse- und Publizistikförderung ist die KommAustria außerdem noch durch die RTR-GmbH administrativ zu unterstützen, und dort ist dann für die Printmedien der Ge­schäftsführer für den Fachbereich Rundfunk zuständig. – Das ist alles ein bisschen gewollt und ein bisschen künstlich – aber soll noch einmal sein!

Problematisch wird es, ich sagte es schon, einerseits bei der Publizistikförderung – im Gegensatz zur Tagespresse und zur Wochenpresse, wo es relativ präzise Kriterien gibt. Ich weiß als langjähriges Mitglied des Beirates, dass es Beurteilungskriterien gibt: Was ist eigentlich noch eine Zeitschrift? Ist ein photokopiertes Blatt in A4, in der Mitte mit einem Falz versehen und damit formal auf vier Seiten aufgeblasen und viermal im Jahr erscheinend, schon eine Zeitschrift oder nicht? – Darüber haben wir viele Stunden debattiert.

Es gibt natürlich auch, gerade im Publizistikförderungsgesetz, politische Beurteilungs­kriterien. Dazu kann der Beirat eine Empfehlung abgeben, also etwa: Bekenntnis zur Demokratie, Ablehnung von Gewalt als politischem Mittel. Dazu kann der Beirat auch Gutachten einholen. Aber das ist eine politische Wertung – und der Partner dabei war vernünftigerweise die Bundesregierung, die eine politische Institution ist und für eine politische Entscheidung auch politisch einsteht. Die KommAustria ist kein passender Partner für politische Entscheidungen!

Das Letzte, das anzumerken ist – und das ist natürlich dann auch etwas, was ein gewisses Misstrauen erweckt –: Man kann sich natürlich relativ leicht ausrechnen, was herauskommt, wenn man das neue Gesetz anwendet. Und darum habe ich von der Begutachtung gesprochen. Was kommt denn heraus? – Dass die wenigen noch überlebenden Bundesländerzeitungen substantiell weniger Geld bekommen!

Die „Salzburger Volkszeitung“ – nicht mein Leibblatt – verliert eine halbe Million € pro Jahr. Das „Neue Volksblatt“ – auch nicht mein Leibblatt – verliert 650 000 € im Jahr. Die „Neue Vorarlberger Tageszeitung“ verliert 900 000 € im Jahr. Und die „KTZ“ – das ist ein Leibblatt, aber Sie müssen es ja nicht notwendigerweise mögen – verliert 2 Millionen € im Jahr.

Wenn wir gleichzeitig bei den bundesweit verbreiteten Blättern deutliche Zugewinne ha­ben, dann frage ich mich, ob das wirklich im Interesse der Vielfalt ist. Wir könnten das ausführlich diskutieren. Aber es ist eine Maßnahme, die jedenfalls die Vielfalt der regionalen Tagespresse weniger fördert als bisher.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 154

Dieses Thema wurde von dieser Regierung und ihrem Vorläufermodell von Anfang an releviert. Es ist jetzt, ziemlich aus der Hüfte geschossen, eine Novelle zustande ge­kommen. Es stehen für diesen wichtigen Aufgabenbereich – aber es muss ja überall eingespart werden – objektiv zu wenige Mittel zur Verfügung, um wirklich etwas zu bewirken. Und daher – bei aller Anerkennung der Notwendigkeit, in diesem Bereich zu reformieren – können wir dieser sehr bruchstückhaften und, wie ich befürchte, in ihren Auswirkungen problematischen Reform nicht zustimmen.

Wir wären durchaus bereit gewesen – weil uns das wirklich ein Anliegen ist, und in manchen Zielsetzungen stimmen wir ja durchaus überein –, einer anderen Novelle, die wir ein bisschen früher bekommen hätten und wobei jemanden vielleicht interessiert hätte, was wir dazu sagen, auch unsere Zustimmung zu geben.

Schade, aber Sie werden es beschließen – und wir werden in ein paar Jahren darüber zu reden haben, wie wir eine wirkliche Reform zusammenbringen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.41

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Hösele. – Bitte.

 


19.41

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Verehrte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf die Krokodilstränen, die hier für einige Bundesländerzeitungen vergossen wurden (Bundesrat Konecny: In der Steiermark gibt es ja keine mehr!) – ja, auf dieses Thema werden wir auch kurz zu sprechen kommen –, werde ich später noch eingehen.

Ich möchte aber eine grundsätzliche Bemerkung machen. Sie haben natürlich, was den formalen Aspekt betrifft, völlig Recht damit, dass das ein Initiativantrag war und nicht eine Regierungsvorlage. Meiner bescheidenen Erinnerung nach – und Sie sind ja, ebenso wie Kollege Schennach, auch seit Jahren von Berufs wegen an den medien­politischen Diskussionen beteiligt, so wie der Herr Staatssekretär; insofern ist er immer dienstlich da, wenn es um Medien- und Kulturfragen geht – wird bereits seit vielen Jahren darüber diskutiert, dass das Presseförderungsgesetz, wie es bisher existierte, geändert werden müsse.

Es hat viele Gutachten gegeben, zum Beispiel von Prognos, und es hat sich nie ein Konsens finden lassen – auch unter den Zeitungsverlegern nicht –, welches nun das bessere Modell sei. Wobei ich sage: Das wundert nicht (Bundesrat Konecny: Nein, nicht wirklich!), weil jeder ganz spezielle Interessen damit vertreten sehen will.

Aber ich möchte als Erstes ganz allgemein feststellen, dass es in der Medienpolitik durch die Tätigkeit des Herrn Staatssekretärs Morak seit dem Jahr 2000 zu einem großen Reformschub gekommen ist. Ich bringe nur ganz kurz in Erinnerung – ich komme dann schon noch auf die KommAustria zu sprechen –: Wir sind das letzte demokratische Land auf diesem Festland in Europa, in dem ein duales Fernsehsystem installiert wurde – 19 Jahre nach dem Beginn in Deutschland und damit mit einem ... (Bundesrat Schennach: Nach Albanien!) – Ich habe ohnedies „Festland“ gesagt, denn das Wort „Medien-Albanien“ nehme ich gar nicht mehr in den Mund, weil wir in dieser Frage ja schlimmer als Albanien waren! – Das hat jetzt wesentliche Nachteile für diese Privat-TV-Anbieter.

Weiters war eine ORF-Reform überfällig: Auch das ist gemacht worden.

Es ist eine unabhängige Medienbehörde beantragt worden, die durch ein Verfassungs­gesetz sozusagen von Weisungen freigestellt ist. Das ist durch die Nichtzustimmung der verehrten Opposition nicht möglich gewesen. Es ist aber die KommAustria ge-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 155

schaffen worden, von der ich glaube – wenn ich das immer richtig gelesen habe, und es ist auch von Seiten der Opposition immer unwidersprochen geblieben –, dass es dort nie eine Weisung gegeben hat. Das ist jedenfalls vom Herrn Staatssekretär und auch von den dort tätigen Personen immer gesagt worden. Und da das unwider­spro­chen geblieben ist, würde ich in dieser Frage doch Vertrauensschutz anwenden. – Übrigens, weil ich gerade in Richtung des Kollegen Schennach blicke: Der anderen Sache gehe ich sehr entschieden nach, denn ich halte die Medien- und die Meinungs­freiheit für eines der fundamentalen demokratischen, ja überhaupt für eines der wich­tigsten Rechte, die man auch ausgestalten muss. Ich habe nicht umsonst eine Unter­lage zum „Internationalen Tag der Pressefreiheit“ als Schutz für die Aufzeichnungen, die ich für meinen Beitrag vorbereitet habe.

Jetzt komme ich aber auf die Frage zu sprechen: Worum geht es bei dieser Pres­seförderungs-Novellierung eigentlich?

Österreich hat eine sehr hoch konzentrierte Presselandschaft, eine Landschaft, die do­mi­niert wird von einer sehr großen Zeitung, die zweifellos einen sehr tüchtigen Blattmacher hat, von einer zweiten Zeitung, die überregionaler Natur ist und die mit der ersten durch eine Firma verbunden ist, und von führenden Bundesländerzeitungen. – Das sind jene Zeitungen, die alle auf einem soliden finanziellen Fundament stehen, die jeweils Marktführer sind.

Wir haben aber in Österreich insgesamt nur 15 Tageszeitungstitel – im Vergleich zur Schweiz, zu Norwegen oder zu Finnland eine sehr geringe Zahl. Der Sinn der besonderen Presseförderung war und ist es, den Rest dieser Pluralität und Vielfalt zu fördern und auch Qualität zu fördern.

Was ist nun in den letzten Jahren erfolgt? – Wir haben neben der strukturellen auch noch eine konjunkturelle Krisensituation, die in den letzten Jahren sogar große deut­sche Blätter in Schwierigkeiten gebracht hat, und das wird am österreichischen Markt leider auch nicht ganz vorbeigehen.

Erstens würde ich damit Folgendes sagen – weil viele fragen: Wieso machen wir überhaupt eine Presseförderung? –: Ich glaube, dass es in der Situation, in der sich die österreichische Medienlandschaft befindet, für die Qualität der Demokratie wichtig ist, dass wir jene Bestände an Pluralität und Qualität in der Medienlandschaft, die es noch gibt, fördern, und zwar ganz bewusst.

Bisher ist durch die besondere Presseförderung in den Jahren bis zum Jahr 2000 auch sichergestellt worden, dass Qualitätsblätter wie „Der Standard“, „Die Presse“ und das „WirtschaftsBlatt“ Förderungsmittel der besonderen Förderung bekommen haben.

Diese sind in den letzten Jahren auf Grund einer speziellen Bestimmung, nämlich dass sie nicht mehr als 22 Prozent des Inseratenaufkommens haben dürfen, aus dieser För­derung herausgefallen. In Wahrheit ist damit eine gewisse wirtschaftliche Tüchtigkeit bestraft worden: Wenn ich mehr als 22 Prozent Inserate habe, falle ich aus der Förderung heraus. (Bundesrat Schennach: Das ist bedauerlich!) – Das ist an sich eine sehr bedauerliche Entwicklung gewesen.

Was ist dadurch passiert? – Bis zum Jahr 2000 stellte sich das Verhältnis zwischen „Presse“, „Standard“, „Neuer Zeit“, „Kärntner Tageszeitung“, „Salzburger Volkszeitung“, „Neuer Vorarlberger Tageszeitung“ relativ ausgewogen dar – wobei im Jahr 2000 die Förderungen für die Zeitungen, bezüglich deren Sie beklagen, dass sie jetzt geringer als im Jahr 2003 seien, geringer waren, als sie im Jahr 2004 durch die Novellierung wieder sein werden.

Wir hätten nun folgenden grotesken Zustand, den wir schon im Jahr 2003 erlebt ha­ben – bei aller Wertschätzung für die „Kärntner Tageszeitung“ –: Diese war im


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 156

Jahr 2003 der absolute „Förderungs-Kaiser“. Wenn ich das ungefähr richtig sehe, be­trug die Auszahlung an die „Kärntner Tageszeitung“ 2,4 Millionen €, während „Der Standard“ 262 000 € bekommen hat. – Ob das das ganz richtige Verhältnis ist, würde ich zu bezweifeln wagen. Im Jahr 2004 wäre ohne Novelle das Verhältnis so gewesen: 3,3 Millionen € für die „KTZ“ zu 262 000 € für „Presse“, „Standard“, „WirtschaftsBlatt“.

Wieso nenne ich diese drei Zeitungen? – Weil ich glaube, dass neben der regionalen Vielfalt – die wichtig ist, und ich denke, diese kann durch die jetzige Gesetzesnovelle auch gewährleistet werden, deshalb habe ich auf das Jahr 2000 verwiesen – auch noch die Erfüllung eines Qualitätskriteriums sichergestellt wird. Und ich glaube, „Der Standard“ wird nicht gerade jenes Blatt sein, von dessen Linie wir täglich ausgehen, wie ich auch feststellen muss, wenn ich die Kommentare über den Herrn Staats­sek­retär lese. (Bundesrat Schennach: Kommt oft vor!) – Kommt sehr oft vor (Bundes­rat Konecny: Ein Bekanntheitsgrad ist auch etwas wert!), und insofern hat es zur Qualität des Diskurses sehr viel beigetragen. (Bundesrat Schennach: In der Branche heißt es: Auch bad news are good news!)

Sie wissen ja, dass Armin Thurnher dieses Gesetz, das wir jetzt beschließen, als das beste Gesetz, das die Bundesregierung seit dem Jahr 2000 auf den Weg gebracht hat, bezeichnet hat. Ich sage einmal, das ist eine sehr interessante Konstellation. (Bun­desrat Schennach: Morak – Thurnher!)

Ich wollte damit nur sagen, dass durch dieses neue Gesetz auch sichergestellt wird, dass Pluralität in der regionalen Vielfalt, sofern sie noch gegeben ist, gefördert werden kann. Das kann leider durch die Förderung allein nicht sichergestellt werden.

Für die „Neue Zeit“ in der Steiermark wurden in den Jahren 1990 bis 2001 400 Mil­lionen Schilling an Bundesförderungsmaßnahmen und 160 Millionen Schilling an Landesförderungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt, in Summe 560 Millionen Schil­ling; dem standen 80 000 Leser gegenüber.

Es ist sehr bedauerlich, dass auch mit einem so hohen Mitteleinsatz – den ich durch­aus auch für vertretbar gehalten habe, obwohl damals schon viele gesagt haben, das gehöre novelliert, denn es gehe nicht, dass diese Zeitung sozusagen die allermeisten Förderungen bekommt – Pluralität nicht notwendigerweise erhalten werden kann.

Wichtig ist es, qualitätsorientierte Möglichkeiten der Förderung zu bieten. Daher freue ich mich sehr, dass erstmals eine Förderung von Auslandskorrespondenten vor­gesehen ist, dass die Nachwuchsjournalistenförderung besser dotiert ist und dass die Leseförderung – das ist, so glaube ich, wichtig, gerade unter dem Aspekt, dass wir der Internetgeneration gegenüber stehen – wesentlich unterstützt wird.

Jetzt komme ich noch zu einem weiteren Gegensatz zu Herrn Professor Konecny: Ich halte es für einen großen Fortschritt, dass das aus dem Bundeskanzleramt heraus in die KommAustria geht, weil ich glaube, dass eine Medienbehörde wie die Komm­Austria richtigerweise deswegen geschaffen wurde, um in einer notwendigen Gesamt­perspektive der österreichischen Medienlandschaft für Qualität und Pluralität zu sor­gen.

Da ist ein sehr guter Schritt gesetzt worden. Die Ministerverantwortlichkeit ist ohnehin weiter gegeben. Ich denke, dass, auch wenn man nie – gerade bei so fundamentalen Fragen wie Meinungsvielfalt, wo am besten repräsentiert und gefördert werden kann – zu einer einhelligen Meinung kommen kann, ein ganz wichtiger Schritt im Gesamtkon­zept einer neuen österreichischen Medienpolitik seit dem Jahr 2000 gesetzt werden konnte.

Ich möchte in diesem Zusammenhang dem Herrn Staatssekretär, der wahrlich nicht wenig an Kritik im Dialog aushalten durfte und in diesen schöpferischen Dialog immer


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 157

wieder etwas Neues eingebracht bekommen hat, sehr herzlich dafür danken, dass nicht nur der audiovisuelle Sektor, sondern nunmehr auch der Printsektor neu geregelt wurde und dass wir auch bei den neuen Technologien – damit es uns nicht so geht, wie es uns beim Privatfernsehen gegangen ist – in der Frage Breitband digital einen großen Schritt mit einem Pilotprojekt weiterkommen können.

In diesem Sinne danke ich dem Herrn Staatssekretär sehr herzlich und teile gerne mit, dass wir im Interesse der Qualität der demokratischen Auseinandersetzung in Öster­reich dieser Novelle gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm.)

19.54

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


19.54

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Staatssekretär! Lieber Kollege Hösele! Jetzt haben Sie ohnehin schon den Autor genannt. Sie haben es transparent gemacht, Kollege Konecny hat ja noch gefragt.

Kollege Molterer versteht viel von Medien, Entschuldigen Sie, aber Kollegin Bleckmann versteht wenig davon. Ich habe auch die Rede von Frau Bleckmann gelesen, die sie dazu im Nationalrat gehalten hat. Diese drei Sätze zeigen, dass sie nicht zu den Autorinnen eines Entschließungsantrages gehören kann.

Jetzt wissen wir es und ich nehme auch an, dass es aus der Arbeitsstube Morak kommt. Ich verhehle nicht – und da haben Sie Recht, lieber Kollege Hösele –: Seitdem Kollege Morak Medien-Staatssekretär ist, hat er ordentlich umgerührt.

Und bei aller Diskussion, die wir auch immer hatten, habe ich das immer anerkannt und habe auch gesagt, die Schaffung der KommAustria war sicher ein Meilenstein.

Die Schaffung des Privatfernsehens, also die Verabschiedung des diesbezüglichen Ge­setzes – ich habe dem hier auch, anders als meine Fraktion im Nationalrat, zu­gestimmt –, war richtig. Bei anderen Dingen habe ich zwar den Reformansatz ver­standen, dass etwas zu tun ist, dass wir uns jedoch im Ergebnis nicht immer einig waren, ist eine andere Sache. Aber wir waren nie so weit voneinander entfernt, dass wir nicht ein ausgezeichnetes Gesprächsklima hatten.

Bei dieser Novelle – ich sage wieder: Arbeitsstube Morak – ist es so, dass sie eine sub­stantielle Verbesserung ist. Aber: Die Diskussionen zwischen Herrn Staatssekretär Morak und mir waren schon einmal ganz woanders und viel weiter, auch von der Substanz her.

Deshalb bedauere ich eines. Ich erspare es ihm jetzt, dass ich seine APA-Aus­sendungen aus dem Jahre 2000 zitiere, in denen er gesagt hat, dass eine Enquete zur Presseförderung stattfinden wird. – Kollege Böhm, schauen Sie jetzt nicht so traurig (Bundesrat Dr. Böhm: Wieso? Überhaupt nicht!), aber die FPÖ hat diese Presse­förderung immer als Faustpfand zurückgehalten, um entsprechende Positionen im ORF wirklich abgesichert zu bekommen. Staatssekretär Morak ist gezwungen worden, die Enquete, die schon angekündigt war, zu verschieben.

Diese ist auch verschoben worden. Dazu gibt es wieder eine APA-Aussendung: Morak kündigt die Enquete für den Herbst an.

Dann gab es noch einmal eine Ankündigung dieser Enquete, es gab auch schon Diskussionen. Ich bedauere zutiefst, dass diese Enquete nicht stattgefunden hat. Mich würde interessieren – ich kann es mir ohnehin zusammenreimen, ich bin zu lange in dem Geschäft –, warum man dann den Weg über einen Initiativantrag gemacht hat. Es


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 158

wäre einfach fairer gewesen, diesen ganzen Sektor wirklich in einer breiteren Dis­kussion zusammenkommen zu lassen, um hier miteinander Ideen einzubringen und zu entwickeln.

Kollege Böhm, jetzt werden Sie mich wieder traurig anschauen (Bundesrat Dr. Böhm: Nein!), aber Kollege Westenthaler hat zum Beispiel gemeint, man solle die ganze Pres­seförderung überhaupt abschaffen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus.) – Ich weiß, er ist nicht mehr, aber das ist auch noch von anderen gekommen: Schafft das Ganze ab, wir brauchen das nicht!

Die Presseförderung unterstreicht, dass der Medienmarkt nicht ein Markt ist wie jeder andere, wo der Stärkere gewinnt und sich der Schwächere entweder in Nischen aufhält oder halb vom Markt verschwindet. Man braucht dann eben irgendein Waschmittel nicht. Der Medienmarkt bedarf einer Intervention im Sinne der Mediendemokratie, im Sinne der Medienvielfalt, dass auch Produkten geholfen wird, gegenüber Marktführern zu bestehen. (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann.) – In allen Ländern, Frau Kollegin.

Oh Gott, bitte kommen Sie jetzt nicht damit! Soll ich Ihnen sagen, was die Bayern zahlen? Soll ich Ihnen sagen, was die Niederländer zahlen? Soll ich Ihnen sagen, was die Schweden, die Dänen zahlen? (Zwischenruf des Bundesrates Hösele.) – Die Schweiz! Die Schweizer sind hier gewesen, sie schauen sich derzeit die Modelle an, weil sie erhebliche Probleme auf ihrem Markt haben, kann ich Ihnen nur sagen. Dass die Schweizer ein Flaggschiff haben, das die ganze Welt kennt, nämlich die „Neue Zürcher Zeitung“, ist bekannt. Diese ist jetzt übrigens in ihrer Ethikkommission frontal aufgelaufen mit der Anzeige „Alle Frauen sind käuflich“. Das war eine Weihnachts­anzeige, jetzt müssen sie quasi in die Ethikkommission marschieren. Das ist eine interessante Sache. – Aber das ist eine Klammer, diese mache ich schon wieder zu.

Das ist eine ganz wichtige Angelegenheit, aber nicht, um die Marktschwäche zu finanzieren. Das war nämlich dieses für mich schaurige Beispiel mit der „Neuen Zeit“. Es geht nicht um Marktschwäche, sondern um Marktvielfalt, um die Positionierungen am Markt. Diese gilt es zu finanzieren.

Ich möchte nicht, meine Damen und Herren, dass es dann so ausschaut wie am Me­dienmarkt in Osteuropa. Wir haben heute all die Präsidenten so herrlich hier begrüßt. Ich kann Ihnen nur sagen, der Medienmarkt in Osteuropa ist derzeit bereits zu 85 Pro­zent nicht mehr in heimischer Hand. In Tschechien gibt es überhaupt nur eine einzige Zeitung, die noch in tschechischem Besitz ist, alle anderen Zeitungen und Medien sind in ausländischer Hand.

Das zeigt natürlich eine ganz interessante Sache – Herr Kollege Böhm, darüber reden wir gerne einmal privat –, nämlich wie zum Beispiel die Einflussnahme auf die Su­detendeutschenfrage über die Rheinisch-Bergische Verlagsgesellschaft passiert.

Eine ähnliche Situation zeigt sich jetzt in Polen, eine ähnliche Situation sehen wir auch in Ungarn. Dort sind bereits 75 Prozent des Medienmarktes für die dortige Gestalt­barkeit weg. Das möchte ich in Österreich nicht haben. Ich bin froh darüber, dass durch diese Novelle die Qualitätszeitungen wieder alle eine Förderung bekommen und dass – bitte! – Leistung nicht bestraft wird.

Wenn es der „Standard“ geschafft hat, mehr als 22 Prozent an Inseraten – in einer wirtschaftlich so schwierigen Zeit – zu akquirieren, dann wurde er durch das alte Modell bestraft. Jetzt werden Qualitätszeitungen nicht mehr bestraft.

Es gibt höchstens – ich weiß nicht, wer von den Salzburger Kollegen noch anwesend ist – eine Diskussion, die ich wirklich bedauere: Das ist die Einstufung der „Salzburger Nachrichten“, Herr Staatssekretär. Das ist verdammt schwierig. Sie sind natürlich in


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 159

Salzburg Marktführer und fallen dadurch aus der Presseförderung heraus. Aber die „Salzburger Nachrichten“ haben sich auch als Qualitätszeitung in Österreich behauptet. Ich kenne viele Leute in Wien, die zuerst zu den „Salzburger Nachrichten“ greifen, weil das eine Qualitätszeitung ist. Dass die „Salzburger Nachrichten“ da herausfallen, ist eine bittere Sache. Vielleicht können wir hier so wie beim „Standard“ in einer zukünf­tigen Novellierung ein System finden, wo man sagt: Okay, es kann auch einmal eine Qualitätszeitung auf einem kleinen Markt gefördert werden. – Bitte, der Salzburger Markt ist ein „Wuzimarkt“ – Entschuldigung, liebe Salzburger –, also ein kleiner Markt, aber die „Salzburger Nachrichten“ sind jene Zeitung, die die größte Redaktion zum Beispiel in Wien unterhält, die sich wirklich bemüht, ein bundesweites Entree zu halten. Und die fallen heraus, das bedauere ich.

Herr Staatssekretär! Natürlich: Derjenige, der an der Regierung ist, mischt noch ein biss­chen Schattierungen oder Farben dazu. Ich habe auch überhaupt nichts dagegen, dass jetzt die Kirchenzeitungen – die übrigens oft sehr regierungskritisch sind – mit dieser Novelle, die wir heute beschließen, einen wirklichen Weihnachtssegen bekom­men, nämlich eine Versechsfachung der Förderung. Das geht von der „Eisenstädter KirchenZeitung“ über „Die Furche“ – eine der besten Zeitungen, die wir in Österreich haben – über das „Rupertus Blatt“ bis hin zum „Vorarlberger KirchenBlatt“ und die „Kirche“ in Innsbruck“. (Bundesrat Hösele: Ist „Die Furche“ eine Kirchenzeitung?) – „Die Furche“ gehört zu einem kirchlichen Verlag. (Bundesrat Kneifel: Aber kein Kirchenblatt!) – Nein, sie ist kein Kirchenblatt. Mein Gott, aber so eng dürfen wir es jetzt nicht nehmen. (Bundesrat Kneifel: Das Weihnachtsevangelium steht nicht drin­nen!)

Also gut, jetzt verrate ich Ihnen etwas: In meiner Zeit als Journalist bin ich auch immer wieder von der Zeitung „Die Furche“ eingeladen worden zu schreiben, das habe ich auch immer sehr gerne angenommen. Aber wenn ich irgendwo, zum Beispiel in einer Reportage über Nigeria, wo es im Wesentlichen drei große Religionsströmungen gibt, geschrieben habe, die sind schlimm und die sind schlimm, aber die katholische Kirche ist auch schlimm, so ist das vom Religionsredakteur zensuriert worden. Es waren immer nur die beiden anderen Religionen schlimm. Man kann ja nicht sagen, dass „Die Furche“ der Kirche fern ist und sich nur spirituell damit verbunden fühlt. Sie ist jetzt im Styria Verlag, der ist ja auch nicht gerade ... – aber gut, lassen wir das! Es ist nicht „präsent“, die vielleicht eine ein wenig härtere und linientreuere Linie hatte, aber die ist ja leider verschwunden.

Nun, wir haben da also eine Steigerung. Was natürlich drinnen ist, liebe Kollegen und Kolleginnen – das muss man sagen –, das hätten wir in einer Enquete diskutieren können. Ich meine, dass Mödlhammer und Kukacka auf ihre „Kinder“ schauen – ich sage jetzt einmal „Salzburger Volkszeitung“ und „Linzer Volksblatt“ –, ist verständlich. Dass die „KTZ“ auch darauf schaut, dass sie etwas bekommt, ist auch verständlich. (Zwischenruf des Bundesrates Hösele.) – Und der Konecny auf die „KTZ“, wenn Sie unbedingt wollen, aber ich glaube, da ist er nicht so nahe dran. Ich glaube, die „KTZ“ kennt ihn nicht so gut. Aber Mödlhammer ist immerhin noch Chefredakteur der „Salz­burger Volkszeitung“. Er ist übrigens auch Gemeindebundpräsident.

Zur Frage der Förderungswürdigkeit. Man kann natürlich sagen: Ja, auch Partei­tages­zeitungen und -wochenzeitungen wollen wir da drinnen haben. So viele gibt es ja gar nicht mehr. – Na ja, ich hätte es mir transparenter gewünscht. (Bundesrat Dr. Böhm: Eher nicht!) – Ich bin für „eher nicht“, ja, ich bin klar für „eher nicht“.

Aber was ich richtig finde, was auch alle Diskussionen gezeigt haben – wir begrüßen Herrn Grünberger (ein Mann betritt den Sitzungssaal), der sicher fest an diesem Ent­wurf mitgearbeitet hat (allgemeine Heiterkeit) –, was wichtig ist, ist die Qualitäts­steigerung bei der Journalistenausbildung.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 160

Wichtig war auch die Vertriebsförderung. Da hätte man vielleicht noch ein paar nettere Schärfen hineinnehmen können. Die allgemeine und die besondere Presseförderung, all diese Dinge sind richtig. Man soll nicht verschweigen, dass die Vertriebsförderung das nicht wettmacht, was bisher durch den ermäßigten Postzeitungstarif für die Medien ausgeschüttet wurde. Ich habe es jetzt nicht ganz genau in Euro im Kopf, aber ich würde einmal sagen, 45 Millionen waren das schon. Wenn wir die jetzige Presse­förderung alleine anschauen, so sind das 3,9 Millionen. Seien wir großzügig, dann sind das 14 Millionen. Und die Vertriebsförderung ist auf einem weitaus geringeren Level, aber auch das ist in Ordnung.

Anders als Kollege Konecny bin ich nicht dagegen, dass das in die KommAustria geht. Was ich mir nur wünschen würde – aber das wünscht sich Morak auch und das wün­schen Sie sich auch; ich frage mich: warum bringen wir es nicht zusammen? –, ist, dass die KommAustria eine unabhängige Medienbehörde wird. Dann ist das dort wirklich gut aufgehoben. Ich mag nicht, dass der Ministerrat darüber entscheidet, wer Geld bekommt und wer nicht. Das ist meiner Meinung nach keine Sache des Minis­terrates. Von dort soll das auch wegkommen. (Zwischenruf des Bundesrates Ko­necny.) – Ja, jetzt ist es vorbei.

Aber deshalb ist es umso wichtiger, meine Damen und Herren, dass das eine unab­hängige Medienbehörde wird. Diesen Sprung sollten wir schaffen, denn sonst hat das immer so einen kleinen atmosphärischen Hauch: Irgendwann könnte Morak eine Wei­sung geben – er hat noch keine gegeben, aber er könnte es ja tun. Das sollte weg­kommen. Deshalb sollten wir alles daransetzen, um diese unabhängige Medien­behör­de auch zustande zu bringen.

Ich verschweige aber nicht – da bin ich fair – und sage auch, dass wir zwar im Vertrieb nicht an das Geld, das einmal da war und durch die 282-prozentige Erhöhung der Posttarife gekürzt wurde, herankommen, dass es aber im Gesamtmedienmarkt schon noch einen Input gibt, nämlich über den Bereich der Digitalisierungsplattform und auch im Bereich des Films. Das soll nicht verschwiegen werden, auch das ist schon eine Leistung.

Aber warum ich hier jetzt quasi Krokodilstränen angesichts dieser an sich guten Ver­besserung vergieße, ist deswegen, weil sie an einem Punkt stehen bleibt. Kollege Morak weiß es, wir sind schon fast einmal am Tisch gestanden. Das ist einfach der nächste Schritt weg von der Printförderung hin in Richtung Medienförderung. Wenn es uns um Medienvielfalt, um Mediendemokratie geht, stellt sich die Frage, wer denn diese gewährleistet. Da gehören noch einige dazu. Auch für mich gehören zum Bei­spiel – wenn sie redaktionell gestaltet sind und Qualität aufweisen – die kostenlosen regionalen Medien im Printbereich dazu.

Ja, ich weiß, Kollege Hösele verzieht jetzt ganz schrecklich und hässlich das Gesicht, aber ich sage Ihnen eines: Wenn es in Wien zum Beispiel nicht auch Bezirkszeitungen gäbe, wenn es – wo ist denn die Kollegin? – die „Außerferner Nachrichten“ nicht gä­be – fragen Sie sie einmal! –, dann wäre Wien beziehungsweise das Außerfern um einiges ärmer. (Ruf: ... ist eine Gratiszeitung!) Es ist eine Gratiszeitung.

Wenn es eine ganze Reihe von Zeitungen, das „Salzburger Fenster“ zum Beispiel, nicht gäbe, wären wir um einiges ärmer – und unser Medienmarkt ist bereits ein armer Markt.

Herr Morak wartet schon auf das Stichwort: Wann sagt das der Schennach endlich? – Wenn es nun aber um die regionalen, nicht kommerziellen und freien Radios geht, die ganz wesentlich zur Medienvielfalt beitragen, so muss man feststellen: Sie sind alle am Ende, sie stehen mit dem Rücken zur Wand. Ich vermute, von diesen neun Mohi­ka-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 161

nern, die es noch gibt, ist vielleicht „Radio Helsinki“ in der Steiermark noch in der bes­ten Verfassung. Und Oberösterreich ist auch ein bisschen eingesprungen.

Aber in Vorarlberg ist es schrecklich, die sind am Ende. Wien ist auch am Ende. Da ge­hört etwas getan. Ich hätte mir gewünscht, dass das in eine Medienförderung geht, etwa nach dem CSU-Modell, nach dem bayrischen Modell. Da geht es auch.

Ich glaube schon, dass privates Radio und auch privates Fernsehen lokal eine Riesen­chance hätten. Das sieht man auch an ganz bestimmten Radios, die auch in lokale Information und in lokale Sendungen investieren.

Meine Damen und Herren! Das ist einfach meine Krokodilsträne, die ich dabei ver­gieße.

Insgesamt ist dieses Gesetz, das aus der Werkstatt Morak stammt, von den Ver­besserungen her okay, aber wie gesagt: Das eine fehlt mir! Deshalb werde ich – Herr Morak, ich glaube, Sie werden es verkraften – heute nicht zustimmen. Aber ich kann Ihnen erklären ... (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist völlig unlogisch!)

Wieso ist das unlogisch? (Bundesrat Dr. Böhm: Weil Sie alles positiv ...!) Nein, das ist überhaupt nicht unlogisch! Nein, nein, nein, weil er ja dann weiß, dass er sich an­strengen muss, damit wir dann doch zu einem ganz großen gemeinsamen Wurf kom­men in Bezug auf die KommAustria und das Gesetz.

Ganz zum Schluss noch ein Punkt, weil Herr Kollege Hösele eine Mappe dabei gehabt hat: Im September fand eine Konferenz in Schweden statt, Herr Kollege Hösele, und da war nur Österreich nicht vertreten. Wissen Sie, was das für eine Konferenz war? – Die Konferenz der europäischen Presseräte. Das ist eigentlich ein ganz trauriges Ka­pitel in Österreich, nämlich dass wir im Grunde keinen Presserat haben. (Zwischenruf des Bundesrates Hösele.)

Das ist übrigens unter Kanzler Kohl erfunden worden, nicht die „gefährliche“ rot-grüne Regierung hat das erfunden.

Ich habe den Herrn Staatssekretär Morak gefragt: Warum finden wir nicht ein System, bei dem auch der Gesetzgeber den zerstrittenen Parteien hilft? Ich halte es für wichtig, dass es einen Presserat gibt, dass es auch eine Selbstkorrektur im Rahmen des Me­dienwesens gibt. Es ist ganz wichtig, dass man nicht die Gerichte damit befasst, sondern dass es in diesem Bereich eine Selbstverwaltung gibt. Da muss man eine Hilfe installieren.

Wir haben keinen Presserat. Da treffen sich alle europäischen Presseräte, und nur aus Österreich ist niemand dabei! – Das ist ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren, und ich hoffe, dass sich das ... (Bundesrat Hösele: Da kann aber der Kollege Morak nichts dafür!) Nein, er kann nichts dafür, aber Kollege Morak ist, obwohl der Herr Na­tionalratspräsident Khol gesagt hat, dass wir da etwas tun müssen, dass wir da quasi eine Zwangssituation gesetzlich schaffen müssen, eher dagegen. Wie auch immer, wir müssen uns dieses Themas annehmen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bun­desrates Hösele.) Eine Selbstverwaltung ohne „Hebamme“, Herr Kollege Hösele, das geht nicht. Spielen wir daher Hebamme und helfen wir, irgendwie das Baby wieder auf die Bei­ne zu bringen, sonst findet die nächste Konferenz der europäischen Presseräte wieder ohne Österreich statt, und das wäre schade. – Ich danke. (Beifall bei den Grü­nen und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.13

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. – Bitte.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 162

20.13

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehr­te Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute schon im Wesentlichen auf die Punkte eingegangen worden, die durch diese Gesetzesnovelle erneuert werden sollen, und in einigen Bereichen waren wir uns durchaus einig, auch mit den Kollegen aus der Fraktion der Grünen. Es sind durch diese Novellierung beziehungsweise durch diese Neugestaltung einige Qualitätsver­bes­se­rungen erfolgt, und diese muss man schon erwähnen.

Die besondere Presseförderung bringt, so meine ich, doch eine Förderung des re­giona­lisierten Pressewesens, entspricht dem Wunsch der Bevölkerung nach Vielfalt im regionalen Bereich.

Die Qualitätsförderungen und Zukunftssicherungen bringen, wie schon erwähnt wurde, auch Verbesserungen in der Journalistenausbildung, der Weiterbildung, aber es gibt auch – und das freut mich als jemanden, der dem Bildungsbereich sehr nahe steht, besonders – Leseunterstützungen für lesewürdige und schulbezogene Zeitungen, bei denen die Schüler die Möglichkeit haben, günstig oder gratis diese Zeitungen zu beziehen und dann ans Lesen gewöhnt zu werden. Das halte ich für eine gute Sache. Auch schon erwähnt wurden die Forschungsprojekte, die sich mit dem Bereich Presse befassen und sich auf die Presse beziehen.

Ich halte auch die Verlagerung der Vergabe der Fördermittel weg vom Ministerbüro hin zu einer unabhängigen Kommunikationsbehörde, zur KommAustria, für einen sinnvol­len, modernen Weg. Der umgekehrte Weg wäre, so meine ich, doch ein großer Rück­schritt. Mit dieser Maßnahme geht die Regierung in die richtige Richtung.

Ich bin auch der Meinung, dass es wichtig ist, dass – und das ist auch vom Kollegen Schennach gesagt worden – das unselige Exförderungssystem, nämlich dass man bei einem bestimmten Prozentsatz des Inseratenverkaufes nicht mehr förderungswürdig war, endlich ein Ende gefunden hat. Es kann nicht sein, dass Leistung bestraft wird, auch in der Medienlandschaft nicht.

Weiters möchte ich sagen, dass meiner Meinung nach eine Evaluierung sehr notwen­dig sein wird. Ich werde mich sehr intensiv mit der Evaluierung dieses Gesetzes be­schäf­tigen. Ich halte es für sinnvoll, ein internationales Benchmarking in diesem Zu­sammenhang durchzuführen, denn ich bin in diesem Fall nicht der Meinung des Kollegen Schennach, dass anderswo noch viel mehr Geld in Presseförderungen ge­steckt wird als bei uns. Das ist schlicht und einfach falsch. Möglicherweise ist das in einigen Ländern der Fall. Doch in manchen Ländern, wo es eine Demokratie gibt und wo auch Medienvielfalt herrscht, gibt es bei weitem keine solch hohe Medienförderung wie in Österreich.

Man wird sich schon überlegen müssen, ob diese Art der Presseförderung auch in fünf oder zehn Jahren noch einen Sinn hat, denn die Frage ist schon die: Brauchen wir eine Presseförderung, um die Medienvielfalt erhalten zu können? (Bundesrat Schennach: Wie viel Zeitungen brauchen wir?) Ich weiß, Kollege Schennach wird mir sofort wider­sprechen und sagen, sonst sei es nicht möglich. Aber vielleicht gibt es andere Steue­rungsinstrumente? Man muss sich das einmal überlegen! Zum Beispiel könnte man über Investitionsanreize im Steuersystem, etwa über Freibeträge, einen anderen Weg suchen.

Ich möchte noch etwas sagen: Gerade die „Kärntner Tageszeitung“, die erwähnt wur­de, ist auch nur ein Synonym für das Förderwesen in Österreich schlechthin. Ich sage das wirklich sehr objektiv! Wir fördern bundes-, landes- und dann noch einmal zur Draufgabe gemeindeweit, und der Bund weiß nicht, wie viel das Land zusätzlich fördert und wie viel der nächste Förderverein vergibt. (Bundesrat Schennach: Das ist richtig!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 163

Da wünsche ich mir auch ein Benchmarking und eine Objektivierung, damit wirklich einmal klar herauskommt, wie viel beispielsweise die „Kärntner Tageszeitung“ oder der „Volkswille“ oder welche Zeitung auch immer tatsächlich insgesamt bekommen und von wem die Förderungen stammen. Das gehört unbedingt bei modernen Förderungs­instrumenten her, damit in diesem Bereich besser evaluiert werden kann.

Sonst kann man sagen, dass die Vorteile die möglicherweise vorhandenen Nachteile sicherlich überwiegen. Daher sollte man diesem Entwurf zustimmen, um eine Chance zu haben, in der Praxis zu zeigen, wie weit diese neue Art der Förderung tatsächlich umsetzungsfähig und möglich ist.

Durch diese Novellierung erfolgt, wie bereits gesagt, eine Qualitätsverbesserung, es wird dadurch die Regionalisierung gestärkt. Aber wir dürfen auch eines nicht verges­sen: dass die Medienkonzentration durch diese Art der Förderung nicht wird verhindert werden können, weil da einfach andere Richtlinien, andere Gesetze wirksam sind, die wir mit diesem Förderungsinstrumentarium nicht in eine andere Richtung lenken kön­nen. Das hat auch Kollege Schennach sehr richtig gesagt.

Wir sehen das schon jetzt. So weisen die neuen Beitrittsländer bereits jetzt eine hohe Medienkonzentration auf. Damit wird ein allgemeines Problem auf uns zukommen, und wir werden nach Wegen suchen müssen, wie wir diese Medienkonzentration wieder etwas auflösen können, auch wenn wir sie nicht ganz werden verhindern können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.19

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

 


20.19

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Meine Damen und Herren! Vorerst einmal möchte ich sagen: Mein Dank für dieses Gesetz gilt vor allem dem Klubobmann Molterer und der Frau Abgeordneten Dr. Bleckmann. Ich möchte aber auch einige Bemerkungen dazu machen, wie problematisch diese Gesetzesmaterie ist, weil ich doch damit zweieinhalb Jahre sozusagen schwanger gegangen bin. Es ging dabei vor allem auch um die Frage – eine Frage, die für die Politik immer schwieriger zu beantworten sein wird –, wie das Verhältnis der Politik zu den Medien ist und wie Medien reguliert werden.

Deswegen möchte ich mich auch für die hier gemachten Ausführungen über die Geschichte der KommAustria bedanken, weil diese meiner Meinung nach eine der Schlüsselinstitutionen in einem guten und von Distanz gekennzeichneten Verhältnis zwischen Politik und Medien wäre. Ich weiß, Herr Abgeordneter Konecny, denn ich habe die Diskussionen auch mit Ihrem Klubobmann im Nationalrat sehr oft und sehr ausführlich geführt, dass die Einstellung Ihrer Partei in diesem Zusammenhang eine andere ist, nämlich die, diese politische Verantwortung den Medien gegenüber so wahr­zunehmen, dass man das auch merkt. Aber ich glaube, dass wir in dieser mediatisierten Gesellschaft beziehungsweise Mediengesellschaft, in der wir uns befinden, die Politik dieser Verführbarkeit nicht aussetzen sollten. Sie wird das à la longue nicht schaffen.

Glauben Sie mir: So ist es! Alle vier Jahre sind Wahlen, und wir wissen, wie die Egois­men überhand nehmen. Ich muss Ihnen auch sagen: Ich hielt damals die Diskussion um diese Medienbehörde – Sie können sich sicherlich noch an das Schlagwort „Metter­nich-Behörde“ erinnern – von der Politik in ihrem Umgang mit den Medien für extrem verantwortungslos, und zwar einfach deswegen, weil damit gerade das Gegenteil


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 164

erzeugt werden sollte, nämlich eine absolute, verfassungsmäßig garantierte Unabhän­gig­keit des Medienregulators im Verhältnis zur Politik.

Ich glaube nach wie vor, dass man sich dieser Diskussion stellen sollte. Ich glaube, dass wir da nach wie vor einen Aufholbedarf haben. Vielleicht wird es uns gemeinsam gelingen – und ich bin ein sehr optimistischer Mensch –, in dieser Materie zu einer Form zu kommen, wie das heute anständig wäre und wie das teilweise in Europa schon organisiert ist.

Nun zum Punkt Presseförderung: Ich habe diesbezüglich einen sehr langen Diskus­sionsprozess mit Herausgebern, mit Journalisten und auch mit der Politik hinter mir. Die Meinungen gehen da quer durch alle Lager und bewegen sich zwischen Abschaf­fen, Aufstocken und all den Dingen, die hier erwähnt wurden, aber die Parteizeitungen waren immer außer Streit gestellt, ob ich mit den auflagenstärkeren Zeitungen oder mit den auflagenschwächeren Zeitungen geredet habe. Grundsätzlich war es immer so, dass sie sagten: Nein, das ist ein Teil einer politischen Information, die die Republik oder die Parteien übernehmen sollten! Deswegen stand das immer außer Streit.

Das Gesetz wurde relativ genau beschrieben; an dieser Stelle bedanke ich mich vor allem bei Herrn Bundesrat Hösele. Ich glaube, der wesentliche Unterschied zum alten Fördersystem besteht im Folgenden: Es ist übersichtlicher geworden, es ist klarer ge­worden, und es gibt eine klare Verlagerung hin zur Qualitätsförderung und zur Zu­kunfts­sicherung des Medienstandortes Österreich, indem man mehr als doppelt so viel, fast dreimal so viel Geld für den Bereich der Qualitätsförderung ausgibt. Dazu gehört auch, dass wir die Nachwuchsjournalisten fördern, dass wir teilweise die Ausbildungs­kosten übernehmen, dass wir Ausbildungsmodule auch im Online-Bereich finanzieren, dass wir mehr Geld für Journalistenakademien zur Verfügung stellen und auch die Auslandskorrespondenten mit einbeziehen.

Sie wissen, wie wesentlich es heute ist, dass das Ausland in Österreich auch in den Printmedien verstärkt wahrgenommen wird. Wir leiden da nach wie vor unter einem Nachholbedarf. Schauen Sie sich einmal in den Tageszeitungen, vor allem in den erfolgreichen Tageszeitungen an, wie viel Platz sie der Auslandsberichterstattung wid­men! Meiner Meinung nach ist die Auslandskorrespondentenförderung sehr wichtig.

Wichtig ist selbstverständlich auch die Leseförderung im Kontext, wo man sagt: Was finde ich in der Zeitung? Was findet tatsächlich statt? Wie erkläre ich mir das? Wie lese ich Zeitungen überhaupt?

Ich bedanke mich bei all jenen, die das Wollen gespürt haben, die erkannt haben, dass wir hier ausgehen von einer politischen und von einer medienpolitischen Realität, von einem Verhältnis zwischen Zeitungsmachern beziehungsweise Herausgebern und der Politik und den Menschen, die diese Zeitungen konsumieren sollen. Es ist dies eine sehr schwierige Gesetzesmaterie gewesen, aber ich meine, dass wir dieses Thema mit Anstand bewältigt haben.

Das, was meine Vorrednerin gesagt hat, nämlich dass wir in drei Jahren einen Evalu­ierungsprozess bei der Förderung einleiten sollen, finde ich gut.

Das Ganze soll bei der KommAustria angesiedelt sein, und zwar bei einer Komm­Austria, die jetzt existiert und die auch in Zukunft existieren sollte. Ich glaube, dass das der politische Wille ist, der hier zum Ausdruck kommen soll.

In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.26

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 165

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend das Zusatzproto­koll zur Anti-Doping Konvention (207 d.B. und 315 d.B. sowie 6947/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Stadler übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Werner Stadler: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Sportangelegen­heiten über den Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend das Zusatzprotokoll zur Anti-Doping Konvention.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher erübrigt sich dessen Verlesung, und ich komme sogleich zur Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für Sportangelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 16. De­zember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung beziehungsweise die Verlesung des Antrages.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Als Erster zum Wort gemeldet ist Herr Mag. Baier. Ich darf ihn bitten, das Wort zu er­greifen.

 


20.28

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur Anti-Doping Konvention enthält wichtige Maßnahmen gegen das Doping, denn dass immer mehr Menschen nach sportlichen Höchstleistungen streben, ist grundsätzlich sehr positiv zu


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 166

beurteilen, dass dabei aber nicht immer legale Mittel zum Einsatz kommen, steht ebenfalls unzweifelhaft fest.

Es ist daher besonders positiv, dass der politische Diskurs in Sportangelegenheiten in Österreich von einer breiten Übereinstimmung aller im Parlament vertretenen Parteien gekennzeichnet ist. Dieser Umstand schafft letztlich eine wertvolle Grundlage für die in diesem Zusammenhang notwendigen Maßnahmen. Dieses Übereinkommen erweist damit nicht nur dem Ansehen des Spitzensports in Österreich einen guten Dienst, sondern schützt vor allem die Sportler selbst.

Die vorliegende Konvention regelt mit der gegenseitigen Anerkennung von Dopingkon­trollen, der Gewährleistung einer gleichmäßigen Vorgangsweise gemäß den Qualitäts­nor­men für Dopingkontrollen sowie der Zuständigkeit der World Anti-Doping Agency wesentliche Bereiche in der Dopingbekämpfung und schafft damit nicht nur einheitliche Richtlinien, sondern forciert damit auch einheitliche Qualitätsstandards bei Dopingkon­trollen.

Das vorliegende Zusatzprotokoll und der Vier-Parteien-Entschließungsantrag im Na­tional­rat bedeuten einen guten und wichtigen Startschuss für ein noch zu disku­tierendes einheitliches Bundesgesetz im Bereich der Dopingbekämpfung, das natürlich nur mit Zustimmung der Länder erreicht werden kann. Ich denke aber, dass wir bei der Dopingbekämpfung auf einem guten Weg sind und einen wichtigen Startschuss dazu heute auch im Bundesrat geben können. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.31

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bun­desrätin Auer. – Bitte.

 


20.31

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Mit dem vorliegenden Zusatzprotokoll wird die Anti-Doping Konvention effizienter gestaltet, mein Vorredner hat es schon angesprochen. Das Schöne dabei ist insbesondere die gegenseitige Anerkennung von Dopingkontrollen, die durch zertifi­zier­te Einrichtungen durchgeführt werden.

Dieses Gesetz, dem wir heute zustimmen, ist ein Gesetz, das deshalb zu befürworten ist, weil es eine wesentliche Erweiterung der Verfolgungsmöglichkeiten im Doping­be­reich beinhaltet. Es besteht nun immerhin für alle Unterzeichnerstaaten der Anti-Doping Konvention die Möglichkeit, auch bei anderen Staaten Kontrollen vorzunehmen sowie unangekündigte Kontrollen in allen Unterzeichnerstaaten durchzuführen.

Die Ergebnisse der Kontrollen sollen gleichzeitig den nationalen Sportverbänden des Herkunftslandes der Sportlerinnen und der Sportler sowie den internationalen Anti-Doping-Agenturen übermittelt werden. Oberste Priorität – und auch das hat mein Vor­redner bereits angesprochen – soll dabei sein, unsere Sportlerinnen und Sportler zu schützen und ihnen beizustehen. Bisher wurden die ausübenden Sportler massiv benachteiligt. Die derzeitige Situation bietet ihnen keine Rechtssicherheit.

Mit diesem Gesetz soll die Harmonisierung, die Transparenz und die Effizienz der bestehenden und auch der künftigen in diesem Bereich geschlossenen Vereinba­rungen eingehalten werden. Eine vom Österreichischen Anti-Doping-Comité heraus­gegebene Broschüre, für deren Inhalt Dr. Karl-Heinz Demel verantwortlich zeichnet, soll allen Medizinern, Pharmazeuten, Ärzten, Aktiven und Betreuern helfen, mit dem Do­pingproblem umzugehen. Mit dieser Anti-Doping-Broschüre wurde ein Schritt ge­setzt, der in eine bestimmte Richtung führt, nämlich zur korrekten Behandlung aller mög­licherweise anfallenden Probleme.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 167

Geschätzte Damen und Herren! Sport spielt eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Gesundheit, in der moralischen und der körperlichen Erziehung sowie der Förderung der internationalen Verständigung. Mit diesem Gesetz tragen wir alle dazu bei, neue Richtlinien aufzunehmen und umzusetzen. Diesen Weg wollen wir gemeinsam fortsetzen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie der Bundesräte Mag. Himmer und Weilharter.)

20.34

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Bun­desrat Hagen. – Bitte.

 


20.34

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Vizeprä­siden­tin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es wurde jetzt bereits eini­ges über dieses Anti-Doping-Gesetz gesagt. Mir erscheint es wichtig, dass hier einmal angesprochen wird, dass Sport eine gesundheitliche Tätigkeit sein und wir uns alle dessen erfreuen sollten sowie dass Leistungssport auch zu unser aller Freude aus­geübt werden sollte. Leider ist es so, dass im Sport in der Vergangenheit durch Doping gewisse Regelverstöße begangen wurden und dem Grenzen gesetzt werden muss­ten – im Sinne der Gesundheit dieser Sportler, aber auch um hier nicht irgendwelche Maßnahmen in der Illegalität zu fördern. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber.) – Richtig! Wir freuen uns ja.

Darum ist es wichtig, dass in dieser Hinsicht gesetzliche Regeln gemacht werden. Wir wissen, dass jeder Sportler versucht, sein Bestes zu geben, und sämtliche Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, dazu verwendet. Hier muss es Grenzwerte geben!

Wie gesagt, dieses Gesetz war notwendig; es ist von dieser Regierung auch erkannt worden, dass hier etwas zu geschehen hat. Wichtig ist, dass man international auf dieselbe Ebene kommt, um nicht irgendwelche Staaten zu fördern beziehungsweise zu forcieren, dass es zum Gesetzesbruch kommt – „Gesetzesbruch“ kann man nicht sagen, aber jedenfalls um nicht zu forcieren, dass die Staaten ihren Leuten ge­sund­heitsschädliche Maßnahmen zumuten –, und um Chancengleichheit herzustellen.

Deshalb bin ich froh, dass wir diesen Vorschlag hier präsentiert bekommen haben. Meine Fraktion wird dem selbstverständlich gerne zustimmen. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

20.36

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundes­rätin Kerschbaum. – Bitte.

 


20.36

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Auch wir begrüßen die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zur Anti-Doping Konvention. Ich persönlich bin keine Spitzen­sportlerin, ich unterliege zum Glück keiner Dopingkontrolle. Ich könnte mir aber im Fit­nessstudio und im Internet eine ganze Menge von Dingen, alle möglichen Nahrungs- und sonstige Ergänzungsmittel kaufen, um meine Leistungsfähigkeit zu steigern.

Ich bin also glücklicherweise keine Spitzensportlerin und stehe zum Glück auch nicht unter dem Druck, meine Leistung steigern zu müssen, finde es aber trotzdem sehr wich­tig, dass auch bei den Nahrungsergänzungsmitteln verstärkt Kontrollen durch­geführt werden und darüber informiert wird, was man da so zu sich nimmt, wenn man glaubt, dass man sich gesund ernährt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 168

Auf jeder Zigarettenpackung gibt es einen großen Hinweis darauf, wie sich das auf meine Gesundheit auswirkt – ich lese es regelmäßig, das gebe ich zu –, und derartige Hinweise würde ich gerne auch auf manchen Nahrungsergänzungsmitteln sehen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP, der SPÖ und der Freiheitlichen.)

20.37

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bun­desrat Binna. – Bitte.

 


20.37

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Es ist im Großen und Ganzen bereits alles gesagt worden. Kollege Hagen hat erwähnt, dass es bestimmte Regelverstöße gegeben hat. Dazu möchte ich nur anmerken, dass im Prinzip wir alle, die ganze Gesellschaft schuld daran sind, denn es muss alles schneller, höher und stärker werden – Hoch- oder Weitsprung, es muss immer höher und weiter gesprungen werden, es muss schneller gelaufen oder gefahren werden. Und die Gewichte müssen auch immer größer werden.

Um auch von den Medien zu sprechen: Der Erste wird in den Himmel gehoben, der Zweite ist schon nichts mehr wert, und von der so genannten Blechernen, dem vierten Platz, wird überhaupt nicht mehr gesprochen. Es liegt in unser aller Interesse, hier eine Lösung zu finden. Dieses Zusatzprotokoll zum Anti-Doping-Gesetz ist, glaube ich, das Richtige, obwohl ich erwähnen muss, dass das Anti-Doping-Gesetz in kürzester Zeit vollzogen werden sollte.

Wichtig dabei ist auch noch, dass wir diese Kontrolle nicht nur innerhalb Österreichs durchführen, sondern das auch international vollzogen wird und diese Proben speziell in Ländern wie China, Amerika oder Kanada gezogen werden können, sodass auch diese Sportler kontrolliert werden, bevor sie zu den Olympischen Spielen fahren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

20.39

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär! Ich erteile Ihnen das Wort.

 


20.39

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Frau Präsidentin! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Ihnen meine Bewun­derung dafür, mit welcher Ausdauer Sie hier diskutieren, zum Ausdruck bringen. Es ist eine gewaltige Leistung, die Sie hier schon seit den Morgenstunden erbringen. Und ich hoffe, dass diese Ausdauer, die Sie hier an den Tag legen, auch tatsächlich (Bun­desrätin Schicker: Belohnt wird!) auf natürliche Weise erworben wurde und nicht von dem einen oder anderen, der hier so tolle Leistungen vollbringt, gedopt wird. (Beifall der Bundesräte Mag. Gudenus und Dr. Kühnel.)

Mit diesem Zusatzprotokoll haben wir die Anti-Doping Konvention des Europarates zur einzigen internationalen Konvention im Bereich der Dopingbekämpfung gemacht, die wirklich wirksame und verbindliche Kontrollmechanismen aufweist.

Es ist nun möglich, dass in allen Mitgliedstaaten Kontrollen bei Sportlerinnen und Sport­lern gemacht werden, und zwar auch von ausländischen Kontrolleuren, sowie dass die Kontrollergebnisse dann den nationalen Verbänden zur Verfügung gestellt wer­den und damit eine einheitliche Vorgangsweise in allen Ländern sichergestellt wird. Die Ergebnisse können auch den internationalen Sportverbänden übermittelt werden beziehungsweise werden diesen auch übermittelt, sodass diese anhand der Ergeb­nisse entsprechend urteilen können.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 169

Ferner soll anerkannt werden, dass die internationale Anti-Doping-Agentur auf dem Gebiet eines Unterzeichnerstaates der Anti-Doping Konvention tätig werden darf. Durch die gegenseitige Anerkennung von Dopingkontrollen gibt es somit eine weitere Harmonisierung sowie eine gleichmäßige Vorgangsweise bei der Durchführung von Dopingkontrollen.

Allerdings – das ist leider noch ein Wunsch, aber ich hoffe, er geht bald in Erfüllung –, sollten sich auch die Vereinigten Staaten dieser Konvention unterwerfen, weil dort, wie für jeden, der sich etwas intensiver mit Sport beschäftigt, klar ersichtlich ist, gedopt wird und damit für Teilnehmer aus Ländern, in denen diese Anti-Doping Konvention zur Anwendung gelangt, keine Chancengleichheit besteht. Die immer wieder auch an die Öffentlichkeit gelangenden Resultate von Dopinguntersuchungen in den Vereinigten Staaten zeigen ja, dass dort die ganze Spitze gedopt hat – zumindest gedopt hat – und dass nach wie vor nicht die Absicht besteht, auf Ebene der Vereinigten Staaten dagegen aufzutreten.

Ich bin aber froh, dass viele Länder diese Anti-Doping Konvention umsetzen, da es dadurch doch zu mehr Chancengleichheit kommt und der Sport gesünder wird.

Zum Abschluss möchte ich mich dafür entschuldigen, dass bei der Ausschusssitzung kein Vertreter unseres Hauses anwesend war. Es hat hier offensichtlich einen Organi­sationsfehler gegeben, das tut mir Leid und wird nicht wieder vorkommen. Ich wünsche Ihnen nach dieser Marathonsitzung erholsame Feiertage und ein gutes neues Jahr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bun­desrätin Kerschbaum.)

20.42

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Ich hoffe, dass unsere Ausdauer nicht dazu geführt hat, dass Sie Ihre Weihnachtsfeier, von der Sie gesprochen haben, versäumt haben. (Staatssekretär Mag. Schweitzer: Die ist schon aus! – Heiterkeit.)

Es liegen mir dazu keine Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich erinnere daran, dass der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbstän­digen Wirkungsbereiches der Länder regelt. Daher bedarf er der Zustimmung des Bun­desrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Zunächst bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Jetzt bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 170

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit an­genommen.

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 3. Dezember 2003 betreffend ein Internationa­les Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen vom 2. Dezem­ber 1961, revidiert in Genf am 10. November 1972, am 23. Oktober 1978 und am 19. März 1991 (195 d.B. und 266 d.B. sowie 6948/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Fröhlich übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Geschätzter Herr Staatssekretär! Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates, den die Frau Präsidentin bereits genannt hat:

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben;

2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Absatz 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben. – Danke.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Antragstellung und den Bericht aus dem Ausschuss.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Auer. – Bitte.

 


20.46

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Wir lehnen die vorzunehmenden Änderungen zum Sortenschutzgesetz grundsätzlich ab und begrün­den dies damit, dass wir im Hinblick auf die EU-Sortenschutzverordnung, die ja schon erlassen worden ist, keine weiteren Anpassungserfordernisse sehen.

Unserer Meinung nach sind diese Bereiche in dieser EU-Verordnung gut geregelt. Er­leichterungen für die österreichische Pflanzenzüchtung, insbesondere im internationa­len Handelsverkehr, sind durch eine vermehrte Erteilung von Sortenschutzrechten kei­nes­falls zu erwarten. Diese Beschlussfassung steht im Zusammenhang mit dem Sorten­schutzgesetz, wobei die Einschränkung des so genannten Landwirteprivilegs unseren Hauptkritikpunkt darstellt. Dabei werden die Rechte der Landwirte und die der Saatgutkonzerne im Rahmen des Patentrechtes festgeschrieben.

Die SPÖ sieht die Interessen der großen Saatgutkonzerne durch dieses neue Gesetz stärker geschützt als jene der kleinen Bauern, die ihr Saatgut unentgeltlich vermehren könnten. Diese Regierung stellt sich wieder einmal gegen die kleineren und mittleren Bauern in Österreich, indem sie ihre Rechte, die für sie selbstverständlich waren, beschneidet, und bürdet ihnen verpflichtend höhere Kosten auf. Das heißt im Klartext:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 171

Die Großen werden in Zukunft weniger Probleme haben, ihr Saatgut zu vermehren, die Kleinen aber werden draufzahlen.

Kleinbäuerliche Betriebe werden vom Gesetz gezwungen, sich in ihrer Entwicklung einzuschränken. Das Ergebnis werden Einkommensverluste und Einbußen finanzieller Art sein. Diese Zusammenführung von Sortenschutz und Patentrecht verbietet den Landwirten, ihr eigenes Erntegut unentgeltlich zur Nachzucht zu verwenden.

Wir wollen nicht mitverantwortlich sein, wenn Sie damit die Grundlage dafür schaffen, die Patentierung von biotechnologischen Erfindungen auf Pflanzen und Gene vorzu­bereiten, und wir wollen nicht mitverantwortlich sein, wenn Sie darangehen, durch die­se Gesetzgebung der endgültigen Umsetzung von Patenten auf Pflanzen und Tiere Tür und Tor zu öffnen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

20.49

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster ist Herr Bundesrat Ing. Gruber zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.50

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Frau Vizepräsidentin! Herr Minister! Hoher Bundesrat! Verehrte Besitzstandswahrer! Die neuerliche Revision der Vereini­gung der Pflanzenzüchter ist notwendig. Die Anpassung ist jetzt passiert, sie ist bereits im Sortenschutzgesetz 2001 vom Nationalrat beschlossen worden. Der Sortenschutz wird durch diese Maßnahme gestärkt und klar strukturiert. – Dafür werden wir einmal dem Herrn Bundesminister ein herzliches „Vergelt’s Gott!“ sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Sortenschutzrecht ist ein Züchterprivileg verankert. Frau Auer hat gemeint, da wer­den die kleinen Bauern benachteiligt. Wahrscheinlich hat sie mit den „kleinen“ Bauern die mit einer Körpergröße von 1,40 Meter gemeint, denn das ist nämlich nicht so.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Züchtungsfortschritt wurde abgesichert. Aus der Sicht der Landwirtschaft ist es notwendig, ein starkes Sortenschutzgesetz zu haben. Ich verstehe überhaupt nicht, dass die Roten und die Grünen da dagegenstimmen können. Vielleicht wird mir einer von Ihnen heute Nacht noch sagen, warum das so ist. (Bundesrätin Auer: Weil die Klein- und Mittelbetriebe nicht berücksichtigt werden!)

Die österreichischen Pflanzenzüchter sind international erfolgreich. Ich bedanke mich bei den Verantwortlichen der Saatzuchtbetriebe dafür, dass sie so gut arbeiten. Das wird auch den internationalen Handel – wir sind ja in der EU und seit heute Mittag, das habt ihr vielleicht auch alle mitbekommen, in der erweiterten EU – sicherlich erleichtern und somit auch die österreichische Wirtschaft stärken.

Da das Landwirteprivileg nicht gefährdet und der Hunger auf der Welt groß ist, wird die Pflanzenzucht, ob mit oder ohne gentechnisch veränderten Lebensmitteln oder Pflanzgut, immer von großer Bedeutung sein. Wenn ich etwa nur an den Maiswurzel­bohrer denke – das ist ein Käfer, für diejenigen, die nicht wissen, was das ist; Mais­bauern haben damit die größten Probleme –, so kann ich mir nicht vorstellen, dass eine gentechnikfreie Bewirtschaftung im Maisbau machbar ist.

Zur Frage Zulassung von Gentechnik muss ich auch noch ein paar Sätze sagen. Die EU gibt grünes Licht für den Gentechnik-Weg. Das Kärntner Gentechnik-Vorsorge­gesetz hat eine wichtige Hürde geschafft, so ist es gestern in den Zeitungen gestan­den:

Eine wichtige Hürde genommen hat das Kärntner Gentechnik-Vorsorgegesetz: Die Frist für die Stellungnahme ist gestern ohne Ablehnung der EU abgelaufen. – Das ist ein großer Erfolg.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 172

Kärnten wird künftig in der Gentechnikfrage vollkommen frei entscheiden können. Es wird ein generelles Verbot von gentechnisch veränderten Organismen in Schutzzonen wie Naturschutzgebieten geben, und das Freisetzen von gentechnisch veränderten Organismen wird in Kärnten bewilligungspflichtig sein. Sobald die endgültige Ent­scheidung der EU vorliegt, wird der Gesetzentwurf dem Landtag zur Beschlussfassung übermittelt.

Neben anderen Bundesländern haben auch Slowenien und Friaul-Julisch Venetien an dem Kärntner Gesetz Interesse bekundet. Kärnten hat einen sehr geschickten Ansatz gewählt, die anderen Bundesländer könnten dem Beispiel folgen. – So steht es in den Zeitungen.

Im Folgenden werde ich sagen, was ich mir denke oder was die Landwirtschaft sich denkt.

Mit gemischten Gefühlen betrachtet die Kärntner Landwirtschaft das Gentechnik-Vor­sorgegesetz; ich orte eine Fußangel dabei. Die Kärntner Landwirte sind nicht für gen­technisch veränderte Organismen, das muss ich auch sagen, aber es darf nicht permanent neue Auflagen geben, die die Bauern praktisch unter Druck bringen.

Die Fragen der Koexistenz und der Haftung sind noch offen. Wenn Felder von Bauern aus zwei verschiedenen Bundesländern – ich denke da an die Steirer – sozusagen aneinander grenzen, kann es durch Bestäubung zu einer Gentechnik-Verseuchung der Ernte kommen.

Ungeklärt ist auch die Haftungsfrage, wenn ein Bauer in gutem Glauben gentechnisch veränderten Mais aussät.

Ich fordere, dass den Kärntner Bauern die verschärften Auflagen finanziell abgegolten werden, sonst kann es kein Ja zu dem Gesetz geben. Wie sollen denn wir Kärntner Bauern das Kunststück schaffen, höchste Qualität zu kleinsten Preisen zu bieten be­ziehungsweise zu produzieren?

Wir von der Volkspartei befürworten dieses Gesetz und werden dem Internationalen Über­einkommen unsere Zustimmung gerne geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.55

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


20.56

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Ing. Gruber, jetzt haben Sie mich ein bisschen überrascht. Ich habe eigentlich gedacht, es geht um den Sortenschutz, und das hat gar nichts mit Gentechnik zu tun. Ich weiß nicht, weshalb Sie da jetzt so ab­geschweift sind. Das ist mir ein Rätsel.

Was mich noch überrascht hat, war, dass Sie den internationalen Handel ins Spiel gebracht haben, wo wir doch im Ausschuss gehört haben, dass es diesen in Österreich gar nicht gibt.

Was mich im Ausschuss allgemein noch überrascht hat, war die Aussage der Beam­ten, dass das Landwirteprivileg jetzt erst definitiv festgeschrieben wird und dass das eine Verbesserung sei. Das stimmt natürlich irgendwo, wenn man es genau nimmt, aber das Landwirteprivileg wird deshalb festgeschrieben und definiert, weil es in die­sem Übereinkommen beschnitten wird. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Tun Sie nicht immer nachplappern!) Ich habe es nicht nur nachgeplappert, ich habe es sogar nachgelesen, ganz genau.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 173

Die UPOV-Akte 1978 legt die Züchterrechte noch fest auf die gewerbliche Nutzung, das heißt, die Aussaat von selbst gewonnenem Saatgut war nicht betroffen. In der Revision 1991 umfassen die Züchterrechte „die Erzeugung und Vermehrung, die Auf­bereitung für Vermehrungszwecke, das Feilhalten, den Verkauf oder sonstigen Ver­trieb, die Ausfuhr, die Einfuhr, die Aufbewahrung“ zu einem der oben angeführten Zwecke. Das heißt, für all das muss der Bauer jetzt die Zustimmung des Züchters einholen.

Jetzt kommen wir zur so genannten Definition des Landwirteprivilegs ein paar Seiten weiter hinten.

„Abweichend von Artikel 14 kann jede Vertragspartei in angemessenem Rahmen und unter Wahrung der berechtigten Interessen des Züchters das Züchterrecht in bezug auf jede Sorte einschränken, um es den Landwirten zu gestatten, Erntegut, das sie aus dem Anbau einer geschützten Sorte oder einer in Artikel 14 Absatz 5 Buchstabe a Nummer i oder ii erwähnten Sorte im eigenen Betrieb gewonnen haben, im eigenen Betrieb zum Zwecke der Vermehrung zu verwenden.“

„In angemessenem Rahmen und unter Wahrung der berechtigten Interessen des Züchters“ – das heißt, es ist sehr wohl eingeschränkt.

Das Ganze ist dann noch eine freigestellte Ausnahme, und wie wir heute schon gehört haben, ist diese UPOV-Akte ohnehin schon umgesetzt im Sortenschutzgesetz 2001, für das Sie (in Richtung Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll), glaube ich, noch nicht verant­wortlich sind.

Die freigestellte Ausnahme für das Landwirteprivileg ist bei diesem Sortenschutzgesetz leider vergessen worden.

Ich frage mich jetzt, wozu wir dieses Übereinkommen noch beschließen, wenn wir es ohnehin schon mittels eines Gesetzes umgesetzt haben und es noch viele andere EU-Staaten gibt, die dieses Übereinkommen noch nicht unterzeichnet haben.

Wir haben keine große internationale Saatgutindustrie, die wir schützen müssten, aber wir haben viele kleine Bauern, die wir schützen müssen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.58

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. (Die Bundesräte der SPÖ versammeln sich, um sich kurz zu beraten. – Zwi­schenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich stelle nicht fest, dass der Ablauf der Sitzung so gestört ist, dass wir unterbrechen müssen.

 


20.59

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Das heutige Gesetz bietet die Möglichkeit, festzustellen – Kollege Gru­ber hat das Wesentliche schon ausgeführt –: Am kärntnerischen Wesen kann die österreichische Landwirtschaft genesen.

Wenn das gesagt wird und wenn das eintrifft, dann stimme ich diesem Gesetz zu. Es wird eine große Zukunft haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.59

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. (Bundesrat Konecny: Er zieht es soeben zurück!) Er zieht zurück, gut.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach, den ich aber nicht im Saal sehe. (Bundesrat Konecny: Zieht auch zurück!) Zieht auch zurück.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 174

Herr Bundesminister, ich erteile Ihnen das Wort.

 


21.00

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Auch ich werde mich sehr kurz halten, muss aber doch zu ein paar Themen etwas sagen.

Die neuerliche Revision der UPOV wurde notwendig, um eine Anpassung WTO/TRIPs-Abkommen und den Beitritt supranationaler Organisationen zur UPOV überhaupt erst zu ermöglichen. Es existieren in der EU momentan zwei Sortenschutz-Systeme – eines in der Europäischen Union, eines in Österreich, das umzusetzen ist.

Dazu, was Sie in der Frage Züchterprivileg zitiert haben, Frau Bundesrätin Kersch­baum – und darauf möchte ich eingehen –, ist anzumerken, dass im Sortenschutzrecht das so genannte Züchterprivileg explizit verankert und damit die Verwendung einer geschützten Sorte als Ausgangsprodukt für die Züchtung ganz klar und deutlich auch im Sinne der Landwirtschaft und auch im Sinne vor allem der kleinen und mittel­bäuerlichen Betriebe eindeutig abgesichert ist.

Wir haben eine neue Diskussion vor uns – das sei auch angemerkt, das müssen wir in diesem Zusammenhang diskutieren –, nämlich die Diskussion um die Biopatent­richtlinie. Und ein starkes Sortenschutzrecht, basierend auf der Umsetzung von UPOV, das heute auch hier im Bundesrat entsprechend diskutiert wurde, wird uns eine stär­kere Diskussion in Bezug auf die Biopatentrichtlinie ermöglichen.

Im Übrigen ist auch die Aussage falsch, dass die anderen europäischen Länder sich von dieser Idee verabschiedet hätten. Dänemark, Deutschland, Finnland, die Nieder­lande, Schweden und England sind der Akte bereits 1991 beigetreten. Belgien, Frank­reich, Irland, Italien, Portugal und Spanien bereiten derzeit so wie wir die Umsetzung vor.

Keine Rede davon also, dass wir allein sind! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Bundesräten der SPÖ.)

21.02

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall, wie ich sehe. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die an der Abstimmung teilnehmen wollen, ihre Plätze einzunehmen.

Ich beginne jetzt mit dem Abstimmungsvorgang.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ferner bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, ge­gen den Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­gesetz, den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 175

erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stim­menmehrheit.

Der Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG, den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2002, das Hee­resgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Militärbefugnis­ge­setz, das Sperrgebietsgesetz 2002, das Munitionslagergesetz 2003 und das Ar­beitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 geändert werden (Wehrrechtsänderungsge­setz 2003 – WRÄG 2003) (260 d.B. und 333 d.B. sowie 6928/BR d.B. und 6949/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Saller übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Josef Saller: Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Landesverteidigungs­aus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2002, das Heeresgebührengesetz 2001, das Auslandseinsatzgesetz 2001, das Militärbefugnisge­setz, das Sperrgebietsgesetz 2002, das Munitionslagergesetz 2003 und das Arbeits­platz-Sicherungsgesetz 1991 geändert werden – Wehrrechtsänderungsgesetz 2003. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Landesverteidigungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. De­zem­ber 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn ... (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Abstimmen!) – Herr Präsident Gruber, diese Anordnung obliegt dem Herrn Präsidenten!

Ich höre, Herr Kollege Schennach hat seine Wortmeldung zurückgezogen.

Eine weitere Wortmeldung liegt von Herrn Kollegem Mag. Gudenus vor.

Wünschen Sie das Wort? (Rufe bei der ÖVP: Zurückgezogen! – Bundesrat Mag. Gu­denus – auf dem Weg zum Rednerpult –: Auch zurückgezogen! – Allgemeine Heiter­keit und Beifall.)

Also ich bin davon informiert, dass ÖVP und SPÖ ihre Redner kollektiv zurückgezogen haben – und soeben auch die Grünen, höre ich. Von den Freiheitlichen liegt eine solche Erklärung nicht vor, wir können darüber auch nicht verfügen, aber Herr Kollege Gudenus hat seine Wortmeldung jetzt jedenfalls zurückgezogen.

Wir kommen nun zur Abstimmung (Unruhe im Saal – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen), und ich bitte, den Abstimmungsvorgang, der erbeten wurde, nicht zu unterbrechen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 176

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Bundesbahngesetz 1992, das Schieneninfrastrukturfinan­zie­rungsgesetz, das Hochleistungsstreckengesetz, das Bundesgesetz zur Errich­tung einer „Brenner Eisenbahn GmbH“, das Bundespflegegeldgesetz, das Kriegs­gefangenenentschädigungsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz und das Angestelltengesetz geändert werden und mit dem das Bahn-Betriebsver­fas­sungsgesetz aufgehoben wird (Bundesbahnstrukturgesetz 2003) (311 d.B. und 340 d.B. sowie 6925/BR d.B. und 6950/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 22. Punkt der Tagesordnung: Bundesbahnstrukturgesetz 2003.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ing. Franz Gruber übernommen. Ich bitte ihn darum.

 


Berichterstatter Ing. Franz Gruber: Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz, das Schieneninfrastruk­turfinanzierungsgesetz, das Hochleistungsstreckengesetz, das Bundesgesetz zur Er­rich­tung einer „Brenner Eisenbahn GmbH“, das Bundespflegegeldgesetz, das Kriegs­gefangenenentschädigungsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz und das Ange­stell­ten­gesetz geändert werden und mit dem das Bahn-Betriebsverfassungsgesetz aufge­hoben wird.

Der Ausschussbericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich kann daher von einer Verlesung Abstand nehmen.

Ausdrücklich weise ich darauf hin, dass Artikel 1 § 54 Abs. 10 des Bundesbahn­gesetzes 1992 sowie Artikel 2 § 11 Abs. 1 des Schieneninfrastrukturgesetzes gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Einspruchsrecht des Bundes­rates unterliegen.

Ich habe aber auch noch folgende Druckfehlerberichtigung anzubringen: Der letzte Satz des narrativen Teiles des Berichtes soll richtig heißen:

Ein von den Bundesräten Boden und Kollegen eingebrachter begründeter Antrag, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben, er­hielt nicht die erforderliche Mehrheit. – Soweit die Druckfehlerberichtigung.

Schließlich komme ich zum Antrag des Ausschusses.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 16. Dezember 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Dr. Hlavac das Wort.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 177

21.09

Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die ÖBB sind eines der größten Unter­nehmen Österreichs, und sie sind auch eines der wirtschaftlich und umweltpolitisch bedeutendsten Unternehmen unseres Landes. Die Österreichischen Bundesbahnen sind eine der effizientesten und letztlich auch wettbewerbsstärksten Bahnen Euro­pas. – Ein Unternehmen, das den Regierungsverantwortlichen sehr am Herzen liegen müsste, sollte man meinen.

Die Vorgangsweise im Parlament, aber auch in den Beratungen mit den Betroffenen sprechen jedoch eine andere Sprache. Wir haben es erst vorgestern hier im Ver­kehrsausschuss des Bundesrates erlebt: Wir haben eine halbe Stunde gewartet, aber es ist niemand vom Ressort gekommen. – Ich finde das sehr befremdlich, denn wir hätten eine ganze Reihe von Fragen gehabt, die wir diskutieren wollen hätten. Es ist nicht einzusehen, warum bei einem Gesetz von so großer Bedeutung für unser Land niemand vom Ressort anwesend war. Ich muss sagen, Herr Staatssekretär, ich finde das wirklich sehr befremdend und sehr bedauerlich.

Herr Himmer hat dann, um diese Situation zu kaschieren, eine Leseübung abgehalten. Er hat verschiedene Texte vorgelesen. Das ist aber kein Ersatz für eine Debatte, das ist keine Art, mit einem Ausschuss umzugehen. Nochmals: Ich bedauere diese Vor­gangsweise zutiefst. Es ist dies jedoch leider eine Vorgangsweise, die sich nicht nur auf den Bundesrat beschränkt, sondern man musste in der ganzen Debatte um die ÖBB-Reform sehen, dass es keine Bereitschaft zu einer Auseinandersetzung mit den Kritikern gibt.

Und Kritiker an diesem Gesetz gibt es eine ganze Reihe. Da ist an erster Stelle der Rechnungshof zu nennen. Der Präsident des Rechnungshofs hat massive Kritik geübt und hat aber auch nachträglich – es hat ja einige Änderungen gegeben – gesagt, dass er weiterhin schwerste Bedenken gegen diesen Entwurf und gegen diese Neustruk­turierung der Bahn hat.

Es kritisierten weiters die Landeshauptleute, der Generaldirektor der Schweizer Bahn, Experten aus Großbritannien, der Arbeiterkammer, der Gewerkschaft, aus der Indus­trie, der Wirtschaft und der Banken. Es gibt eine ganze Reihe von massiver Kritik, mit der sich niemand auseinander gesetzt hat. Ja, es wurde sogar die Anhörung der Lan­deshauptleute verhindert.

Die Gewerkschaft, die Mitarbeiter der ÖBB wurden brüskiert. Es ist allein die Schuld des zuständigen Ressorts, dass es zu einem ÖBB-Streik gekommen ist, denn wir wis­sen, dass die Mitarbeiter dort sehr verantwortungsbewusst sind, aber dass es einfach zu viel war, was ihnen zugemutet wurde.

Herr Staatssekretär! Sie haben auch in eigenen Aussendungen die ÖBB schlecht gemacht. Sie haben nicht nur die Situation kritisiert, sondern auch das Unternehmen wirklich herabgesetzt. Das finde ich sehr eigenartig. Es ist eine eigenartige Vor­gangsweise für einen Eigentümervertreter, und in der so gelobten Privatwirtschaft wäre das ein Grund, sich zu trennen.

Ich möchte kurz auf die Kritiker eingehen. Der Generaldirektor der Schweizer Bahnen hat gesagt, dass man auch bei ihnen Reformen durchgeführt hätte, denn es sei nicht zu bestreiten, dass es der Reformen bedürfe. Die Situation in der Europäischen Union, vor allem aber auch der zunehmende Transit ist ein Grund, sich mit einer Reform zu beschäftigen. Es ist notwendig, sich darauf einzustellen. Es ist richtig, die Bahn, lieber Kollege Bieringer, braucht Servicedenken. Ich gehöre zu den Leuten, die sehr viel mit der Eisenbahn fahren. (Bundesräte der ÖVP stellen Tafeln auf ihre Bänke.) – Ja,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 178

Reformen braucht die Bahn. Das habe ich gerade gesagt. Sie haben mir sicher zu­gehört und stimmen mir daher auch zu.

Was das Servicedenken der Bahn betrifft: Ich fahre sehr viel mit der Bahn, ich fahre sowohl im Nahverkehr als auch lange Strecken, und ich möchte wirklich betonen, dass die ÖBB eine ausgezeichnete Bahn ist, dass sie pünktlich und sauber ist, dass sie sicher ist und dass auch die Mitarbeiter freundlich und kompetent sind. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen und des Bundesrates Mag. Gudenus.)

Wie gesagt, der Generaldirektor der Schweizer Bahn hat ein sehr interessantes Refe­rat gehalten, in dem er festgestellt hat, dass die notwendigen Reformen in der Schweiz gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bahn durchgeführt worden sind, dass man sich auf ein Paket verständigen konnte und dass es dort daher eine gemeinsame Vorgehensweise gibt.

In Österreich steht das Diktat der Bundesregierung im Raum. Es wurde eine Kampag­ne gegen die ÖBB-Bediensteten und die Gewerkschaft geführt, und es wurde der Ein­griff in Einzelverträge angedroht. Das ist eine wirklich sehr problematische Sache, denn es ist keine Frage, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖBB bereit sind, zu verhandeln, dass es klar ist, dass, wenn es in vielen anderen Bereichen der Ge­sellschaft Abstriche gibt, es wohl auch Änderungen bei den ÖBB geben muss. Im Übrigen ist zu sagen, dass es bereits eine Reform gegeben hat, dass die neu Eintre­tenden schon seit einigen Jahren nicht mehr dieselben Bedingungen haben wie die bereits länger Arbeitenden.

Wie gesagt, die Gewerkschaft ist zu Gesprächen bereit, aber es muss auch gesehen werden, dass die Arbeitsbedingungen für sehr viele der ÖBB-Bediensteten sehr schwierig sind. Gerade jetzt bei diesem Wetter sieht man, wenn man mit der Bahn fährt, wie gefährlich der Job im Verschub ist, wie viele Unfälle da passieren können, wenn jemand ausrutscht auf den glatten Schienen, wenn bei Schnee, bei Eis, bei Nebel gearbeitet werden muss. Das ist ein sehr gefährlicher Job! Denken wir nur an die Konzentration, die von den Lokomotivführern erwartet wird, auch an den Stress für die Fahrdienstleiter. Man muss wissen, dass ein Fahrdienstleiter um die 40 netto etwa 1 400 € verdient, aber eine enorme Verantwortung zu tragen hat. Man muss auch sehen, dass jeder Eisenbahner, der im Fahrdienst arbeitet, mit einem Fuß im Kriminal steht, denn wenn er auch nur leicht fahrlässig einen Unfall verursacht, dann bedeutet das, dass er vor Gericht gestellt wird, dass er sich vor Gericht verantworten muss. Und dafür sind 1 400 € wirklich kein Geld. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Das sind ohnehin 20 000 Schilling!) – Aber wie gesagt, 20 000 Schilling für eine enorme Verantwortung. Ich sehe viele Leute, die sich ihr Geld wesentlich leichter verdienen. Eine solche Debatte möchte ich eigentlich gar nicht führen müssen. (Bundesrat Schennach: Kollege Gruber fährt sicher nicht mit der Bahn!)

Es ist notwendig, über ein neues Dienstrecht zu reden, und die Gewerkschaft ist dazu auch bereit. Aber ich hoffe doch sehr, dass gesehen wird, dass bei den ÖBB eine be­sondere Verantwortung und zum Teil auch ein sehr schwerer und unangenehmer Dienst gemacht werden muss. Ich möchte dem aber hier nicht vorgreifen. Es wird ja bis April über das Dienstrecht verhandelt werden.

Worum es heute geht, ist die Neustrukturierung. Auch hiezu möchte ich wieder den Generaldirektor der Schweizer Bahn zitieren, der gesagt hat, es bedürfe einer einheit­lichen Verantwortung, einer klaren Verantwortung; eine Teilung erschwere das Mana­gement insbesondere in Extremsituationen wie bei Unfällen. Wenn es keine klare Verantwortung gibt, dann leide die Qualität der Bahn und die Effizienz. (Bundesrat Schennach: Richtig!) Er bestreitet im Übrigen auch, dass die Teilung an sich die Liberalisierung fördert. Es wird hier also sehr vieles vermischt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 179

Ein weiteres Problem, das wir mit dieser Reform haben, ist, dass die neue Struktur, die Sie jetzt schaffen, mehr Bürokratie produziert. Einerseits sollen 12 000 Eisenbahner abgebaut werden, wie das so schön euphemistisch heißt. Das heißt, ein Teil soll in Pension gehen, ein Teil soll verleast werden. Ich weiß nicht, was Sie sich vorstellen, was das für die Menschen bedeutet, wenn sie dann an irgendwelche anderen Firmen verliehen werden. Da sie ja nur eine bestimmte Qualifikation für einen bestimmten Bereich haben, stellt sich die Frage, für welche Jobs Sie die Menschen dann einsetzen wollen. Andererseits wird durch diese Unterteilung in Tochtergesellschaften mit einer Holdingstruktur die Bürokratie aufgebläht. Das bedeutet Aufsichtsratsposten, das be­deutet Managementposten, das bedeutet den Abbau der Synergieeffekte, das bedeutet eine ganze Reihe von Problemen. (Bundesrat Schennach: Wer wird die Posten wohl bekommen?)

Und das behaupten nicht nur wir, das behauptet auch die Wirtschaftskammer, Fach­verband der Schienenbahnen, denn diese warnen vor Reibungsverlusten zwischen den neuen Gesellschaften. Sie warnen vor einer zu kräftigen Erhöhung der Schienen­maut, sie befürchten, dass sich die Erhaltung von Infrastruktur überhaupt aufhört, und sie verlangen, dass die ÖBB vollständig entschuldet werden sollen und der Infra­struk­turausbau gesichert bleiben muss.

Diese Frage der Schuldenregelung ist auch einer der Punkte, die wir sehr kritisieren. Hiezu hat der Generaldirektor der Schweizerischen Bahnen gesagt, dass es eine Selbst­verständlichkeit sein muss, dass zur Gänze entschuldet wird – bei den SBB war das auch der Fall – und dass der Staat Investitionen übernehmen muss. Die Schwei­zerische Bahn wird immer wieder als Vorbild herangezogen, es wird immer wieder gesagt, sie seien so gut. Und das ist keine Frage, denn die sind wirklich sehr gut, aber ich verstehe nicht, warum dann eigentlich in keiner Weise das berücksichtigt wird, was ein wirklicher Experte von dort zu dieser anstehenden Frage sagt.

Und auch sonst sind die Meinungen sehr negativ. So sagt auch der Generaldirektor der Investkredit, Stadler, die Aufsplitterung der Bahn in Aktiengesellschaften unter einer Holding sei ein struktureller Fehler und berge eine Zerschlagungsgefahr in sich. Die Teilung der Infrastruktur bezeichnet er als problematisch, deren Sinnhaftigkeit könne er nicht erkennen. Ewald Nowotny sagt, die Reformpläne basierten auf dem Stand euro­päischer Erfahrung von vor sechs Jahren. Alles was die anderen Staaten durch­gemacht hätten, müsse Österreich offenbar leidvoll wieder erleben. Er warnt vor der Zerstörung des integrierten Systems Bahn. Auch Ewald Wallnöfer sagt, die Regierung müsse darauf achten, dass die Reform nicht in einer Strukturzerstörung ende und dass durch übertriebenen nationalen Eifer nicht Schaden erzeugt werde. Die Spaltung der Infrastruktur sei höchst unvernünftig und lege Privatisierungsabsichten nahe.

Auch Dr. Gerhard Fuhrmann, Geschäftsführer der Schienen-Control GmbH verlangt eine ÖBB-Entschuldung. Er stellt auch etwas in den Raum, das, wenn es wahr ist, ungeheuerlich wäre. Die ÖBB-Reform sieht er als Vorarbeit für den Verkauf des Güterverkehrs an die Deutsche Bahn, wörtlich: „Da läuft sicher etwas“. Ich würde das für eine sehr schlimme Entwicklung halten.

Da wir im Bundesrat sind, möchte ich doch auch besonders darauf hinweisen, dass auch die Länder größte Bedenken haben, dass die Bundesländer praktisch lauter ne­gative Stellungnahmen abgegeben haben. So sagt etwa die Vorarlberger Landes­regie­rung – ich zitiere –: „Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, dass die Schiene durch die Aufteilung der ÖBB ... effizienter und gegenüber der Straße wettbewerbsfähiger wird. Es deutet im Gegenteil vieles darauf hin, dass durch die Desintegration wichtige Syner­gieeffekte verloren gehen, ...“ (Bundesrat Schennach: Gibt es jetzt drei Vorarlberger Kontrastimmen?)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 180

Oder die Niederösterreichische Landesregierung – ich zitiere –: „Die vorgesehene ÖBB-Umstrukturierung und die diesem Vorhaben zugrunde liegenden Ziele lassen auf eine weitere Verschärfung der finanziellen Situation im öffentlichen Personennah­ver­kehr, hier im Speziellen im schienengebundenen Personennahverkehr, schließen.“ – Zitatende.

Auch die Kärntner Landesregierung, die Tiroler Landesregierung und die Salzburger Landesregierung machen sich Sorgen darum, ob neue Trassen gebaut werden und dass das Leistungsangebot eingeschränkt werden könnte. (Bundesrat Konecny: Das Gesetz geht baden, wenn es ein gebundenes Mandat gibt!) – Sehr richtig! Ich denke, dann würde diese Vorlage hier im Bundesrat fallen.

Leider ist aber die Haltung der Bundesregierung und, ich fürchte, auch der Mehrheit hier im Bundesrat eine andere. Obwohl die ÖBB ein so wichtiges Unternehmen sind, werden die Kritiken in den Wind geschlagen. Wir haben heute über die EU-Erweiterung abgestimmt, mit großem Applaus wurde diese Erweiterung beschlossen. Wir begrüßen sie ganz außerordentlich, wir wissen aber auch, dass im Verkehrsbereich einige schwer wiegende Probleme auf uns zukommen werden. Bis 2015 wird der Güter­verkehr um 70 Prozent wachsen, und die Bahn muss darauf eingestellt sein, denn die Bahn ist das volkswirtschaftlich und vom Umweltschutzstandpunkt gesehen beste Trans­portmittel!

Es ist notwendig, die Bahn auszubauen. Daher verlangen wir ein Strukturkonzept für die kommende Zeit, das klarlegt, wie mit der Bahn umgegangen wird und wie die Prob­leme gelöst werden. Gerade im Güterverkehr waren die ÖBB bis jetzt immer erst­klassig. Es ist aber zu befürchten, dass sich die Konkurrenzsituation durch diese Reform für sie sehr verschlechtert, und zwar sowohl gegenüber der Straße als auch gegenüber anderen Bahnen in Europa.

Das ist eine sehr bedauerliche Entwicklung, eine Entwicklung die nicht nur den ÖBB schadet. Sie glauben vielleicht, dass sie den ÖBB-Mitarbeitern damit etwas zu Fleiß tun. Tatsächlich aber führt das zu einer enormen Umweltbelastung und auch wirt­schaftlichen Belastung für unser Land! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir lehnen diese Reform daher zutiefst ab, und wir würden sehr, sehr dringend darum ersuchen, dass Sie sich mit den Kritiken ernsthaft auseinander setzen. Leider ist das bisher nicht geschehen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

21.27

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Bader. Ich erteile ihm das Wort.

 


21.27

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht gleich einige Anmerkungen zur Wortmeldung von Frau Kollegin Hlavac.

Zum Ersten bedauere ich es sehr, dass sich die SPÖ aus dem Ausschuss entfernt hat, aber ich denke, auch wir hier im Bundesratsplenum sind es ja gewohnt, zuzuhören.

Zum Zweiten: Da Sie in Ihren Ausführungen einige Male die Schweizer Bahn und deren Vorstand zitiert haben, möchte ich doch gleich anmerken, dass sich die Schwei­zer Bahnen, da die Schweiz ja nicht EU-Mitglied ist – ich denke, Sie haben ja heute bei der Abstimmung genau aufgepasst, die Schweiz wurde da nie erwähnt (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen) –, nicht an das Infrastrukturpaket der Europä­ischen Union halten müssen. Da wir das aber zu tun haben, kann die Struktur der ÖBB als integriertes Unternehmen auch nicht aufrechterhalten werden. (Bundesrat Schen-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 181

nach: Das stimmt nicht, das ist jetzt Märchenstunde! – Bundesrat Konecny: Sie bewegen sich da auf sehr dünnem Eis!)

Zum Dritten: Im Hinblick auf die Effizienz der ÖBB haben Sie gemeint, die ÖBB sei eine der effizientesten, wettbewerbsbesten beziehungsweise wettbewerbsstärksten Bah­nen in Europa. Das glauben Sie ja selber nicht! Wenn man nur die Schweizer Bahn, die Deutsche Bahn und die Britische Bahn zum Vergleich heranzieht: Die haben ihre Transportleistungen in den Jahren seit 1992 um 34 Prozent gesteigert. Die ÖBB hat nur eine Steigerung von 8 Prozent zusammengebracht. (Bundesrat Todt: Die Britische Bahn soll ein Vorbild sein?)

Tatsache ist, dass eine Reform dringend erforderlich ist, und selbst draußen in der Bevölkerung hört man das auch immer wieder, und zwar auch von Menschen, die Ihrer Gesinnungsgemeinschaft angehören, dass hier Handlungsbedarf gegeben ist. Ich habe ein wenig den Eindruck und es kommt mir manchmal so vor, als würde man einem Kleinkind das Spielzeug wegnehmen, wenn ich mir die Argumente der Op­position anhöre.

Ich denke, dass die Reform ganz wesentlich auch für die Bediensteten notwendig ist, weil diejenigen, die bei den Österreichischen Bundesbahnen arbeiten, am Schlamassel ja am allerwenigsten schuld sind. Ich denke die Bediensteten tragen persönlich keine Schuld daran, dass das Pensionsalter so niedrig ist und dass es eine so große Anzahl von Frühpensionisten gibt. Sie tragen sicher auch keine persönliche Schuld daran, dass die Krankenstandstage so zahlreich sind. Sie tragen wahrscheinlich persönlich keine Schuld daran, dass sie sich oft wegen Privilegien diffamieren lassen müssen.

Ich meine nämlich, dass es in einem Unternehmen eigentlich schon sehr faul zugehen muss, wenn die Bediensteten in den Krankenstand fliehen, wenn die Bediensteten in die Frühpension fliehen. (Bundesrat Boden: Wer ist denn dann schuld, wenn die Bediensteten nicht schuld sind?) Das liegt aber am System. (Bundesrat Boden: Dann ist die Regierung schuld, weil sie den Vorstand ...!) Nein, die Regierung ist nicht schuld! Die Bahnen sind ja nicht von der Regierung schon umgebaut worden. Wir sind dabei, das zu tun. (Bundesrat Boden: Irgendwer muss ja schuld sein!) Hier ist Hand­lungsbedarf gegeben, und ich denke, dass es sehr gut ist, dass dies von der Regierung jetzt umgesetzt wird.

Worin liegen die Probleme? – Die Probleme liegen klar auf der Hand: zum einen ein Schuldenstand von rund 10 Milliarden €; zum Zweiten eine Belastung mit diesem Schul­denstand (Bundesrat Konecny: Den die ÖBB gleich wieder haben werden!) und mit den Kosten. Mit dem, was dafür jährlich in die Bahn fließt, wird jeder Österreicher mit über 500 € jährlich belastet. (Bundesrat Boden: Nächstes Jahr haben wir noch mehr!) Der jährliche Finanzbedarf beträgt 4,4 Milliarden €. Die Zinszahlungen für das Gesamtsystem Schiene betragen 590 Millionen €; der Fahrkartenerlös kann nicht einmal den Zinsaufwand der Bahn decken.

Die Produktivität ist auch ein Punkt: Bei uns kostet der Hauptgleiskilometer um 30 Pro­zent mehr als bei vergleichbaren Bahnen in Europa.

Auch ein paar persönliche Anmerkungen zur Bahn, und zwar über Erfahrungen, die man in Jahren als Bürgermeister gemacht hat: Vor einigen Jahren – das ist jetzt sechs, sieben Jahre her – wurde in meiner Gemeinde der Umbau der Schrankenanlagen in Lichtzeichenanlagen verhandelt. Bis heute ist nichts geschehen, nach sechs, sieben Jahren geschieht noch immer nichts!

Ein weiteres Beispiel: In der Gemeinde gibt es einen Gehsteig, der zur Bahn führt und der auf der anderen Seite weiterführt. Wir haben Verhandlungen mit den ÖBB darüber aufgenommen, dass dieser Gehsteig über die Gleise drübergeführt wird. Kosten:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 182

30 000 € für 7 Meter, 1,5 Meter breit, das sind 3 000 € pro Quadratmeter – es ist unvorstellbar, was dort verlangt wird!

Ein letztes Beispiel, das ich anführen möchte: Viele Private und auch Gemeinden haben mit Schreiben vom 20. Oktober von den ÖBB mitgeteilt bekommen, dass für die Gestattungsverträge von Leitungsdurchführungen auf Bahngrund zur Abdeckung des mit der Dokumentation verbundenen Aufwands eine Evidenzhaltungsgebühr – das muss man sich im Zeitalter der EDV vorstellen! – von 80 € festgelegt wird. Bisher haben die Gemeinden dafür 14,53 € bezahlt, das bedeutet eine Steigerung von 450 Pro­zent! Wenn das nicht Raubrittertum der Gegenwart ist, dann weiß ich es auch nicht. (Bundesrat Boden: Wird noch teurer! Du wirst dich noch wundern! Das wird noch teurer, demnächst!)

Ich denke, da stellt sich die Frage: Das soll die moderne Bahn sein? – Ich glaube das nicht. Daher ist klar, hier müssen Reformen greifen, auch wenn die Gewerkschaft sich immer wieder wehrt. Ich habe auch ein Schreiben von Herrn Haberzettl, dem Vorsitzenden der ÖBB-Gewerkschaft, bekommen. Er wird sich vielleicht auch einmal überlegen müssen, ob allein mit Panikmache die Bahn zu sanieren, zu reformieren ist. Ich denke an Aussendungen, auf denen steht: Es wird nach der Reform kein Geld mehr für SchülerInnen- und Lehrlingsfreifahrt sowie Pensionistenermäßigungen ge­ben. – Ich wusste bisher nicht, dass die Bahn die Schülerfreifahrt in Österreich finanziert hat. Daher ist auch klar: Reformen müssen umgesetzt werden! (Bundesrat Boden: Dann würden Sie auch nicht zustimmen, wenn Sie mehr wissen würden, Kollege!)

Die Ziele liegen klar auf der Hand. Es geht um Rationalisierung und Kostensenkung, es geht um eine höhere Attraktivität für den Personenverkehr, und es geht auch darum, die Investitionen in die Schieneninfrastruktur nachhaltig zu sichern. Das wird in Zukunft mit Leistungs- und Projektvereinbarungen geschehen.

Die Österreichische Volkspartei bekennt sich ausdrücklich zu öffentlichen Zuschüssen an die ÖBB, abgelehnt wird jedoch die Selbstbedienungsmentalität, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten geherrscht hat! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Der Staat wird weiterhin entsprechende Verantwortung tragen, und der Generalverkehrsplan kann auch umgesetzt werden. Für 2004 gibt es vom Finanzminister eine Zusage über 1,2 Milliarden €.

Abschließend noch zwei Bemerkungen: Internationale Vorbilder bestätigen auch den Reformweg. Bereits zwölf europäische Bahnunternehmen sind unternehmensrechtlich vollständig getrennt. Sechs weitere werden in einer Holding-Form organisiert, wie das jetzt auch bei den ÖBB kommen soll.

Zweitens: Über die Produktivität der Bahnen in Europa gibt es eine sehr interessante Aufstellung. An erster Stelle liegt Schweden, dann kommen acht weitere EU-Länder und die Schweiz vor Österreich. Österreich ist also in dieser Aufstellung eines der Schlusslichter. Daher ist ganz klar: die Reform jetzt!

Es gibt auch zahlreiche Pressestimmen – vorhin wurde ja immer wieder zitiert, wer sich da und dort gegen die Reform ausspricht –, ich denke, es gibt auch sehr viele, die sich dafür aussprechen. Zum Beispiel Bernhard Felderer: Dass die ÖBB ein Sanierungsfall ist, ist keine Erfindung der Regierung. – Auch daher ist klar: Reformen jetzt!

Ich denke, den Österreichischen Bundesbahnen und auch ihren Bediensteten wird es gut tun, wenn diese Reformen im Bahnstrukturgesetz umgesetzt werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


21.35


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 183

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Kerschbaum das Wort.

 


21.36

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Bader – wo ist er? Ist er schon wieder draußen? (Rufe bei der ÖVP: Hier ist er!) Ach so, dort hinten – Entschuldigung! Ein paar Anmerkungen zu Ihrer Rede. (Bundesrat Schennach: Das Taferl ist zu groß!) Sie haben von der Steigerung der Transportleistung geredet, die in Österreich, bei den ÖBB, so schlecht sein soll. Das liegt vielleicht daran, dass man für eine Steigerung der Transportleistung Investitionen brauchen würde und kein Kaputtsparen. (Bundesrat Bader: Bitte, das ist seit 1992 geschehen, nicht seit 2000, wie Sie vielleicht unter­schwellig meinen!)

Sie haben auch gesagt, dass die Umsetzung des Generalverkehrsplans gesichert ist, weil uns der Finanzminister dafür 1,2 Milliarden € gibt. Meines Wissens gibt es eine Haftung des Bundes in der Höhe von 1,2 Milliarden €. Von einer Spende des Finanzministers habe ich noch nichts gehört. (Bundesrat Konecny: Er weiß noch nicht, ob er es von der Steuer absetzen kann!)

Ihre schönen Schilder, die Sie da stehen haben – die Reformen, die die Bahn braucht –: Wenn das die neue, moderne Bahn ist, denke ich mir, dieses Zukunftsbild ist einfach ein bisschen unscharf. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Mag. Himmer! Nachdem Sie im Ausschuss so brav vorgelesen haben, habe ich mir gedacht, ich werde jetzt auch ein bisschen vorlesen, und zwar aus dem Bericht des Verkehrsausschusses im Nationalrat sowie aus der Stellungnahme der niederösterreichischen Landesregierung:

„Den Vorgaben des Regierungsprogramms entsprechend sollen durch eine Umstruk­turierung der ÖBB in eine Holding-Konstruktion folgende Ziele erreicht werden: Schaffung einer modernen, wettbewerbsfähigen, transparenten und diskriminierungs­freien Unternehmensstruktur der ÖBB durch Trennung des Infrastrukturbereiches sowie Aufspaltung des Absatzes in wettbewerbsfähige und eigenständige Branchen­gesellschaften (Personenverkehr und Güterverkehr) mit entsprechender Ergebnisver­ant­wortung.“

Die niederösterreichische Landesregierung, die nicht unbedingt SPÖ-lastig oder gar Grüne-lastig ist, sagt zu diversen Artikeln: „Hier ist unklar, wem die vorgesehenen Leistungen anzubieten sind. Eine Klarstellung wäre erforderlich.“ „Hier ist unklar, wie die vorgesehenen Kosten zu ermitteln sind beziehungsweise ob dadurch Gesell­schaften, an denen die ÖBB beteiligt sind, belastet werden. Eine Präzisierung wäre erforderlich.“ „Nach den Bestimmungen des 7. und 8. Hauptstückes bleibt unklar, wer nun Eigentümer der Schieneninfrastruktur ist und von wem gegebenenfalls Schieneninfrastruktur von Dritten erworben oder gepachtet werden kann. Eine Klarstellung dieses wesentlichen Punktes wäre erforderlich.“ – Auf die Schreibfehler in diesen Punkten wird hingewiesen.

Und: „Hier ist unklar, ob und inwieweit andere Gebietskörperschaften zur Kosten­tragung mit verpflichtet werden können. Eine Klarstellung wäre erforderlich.“ – Ich hoffe, das ist inzwischen schon transparenter geworden.

Punkt 2, was dieses ÖBB-Gesetz mit sich bringt: „Sicherstellung eines ausreichenden Mobilitätsangebotes im schienengebundenen Personen- und Güterverkehr für das ganze Land und damit verbunden mehr Kundenorientierung und bessere Leistungen für Bürger und Unternehmen.“


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 184

Die niederösterreichische Landesregierung sagt dazu: „Die vorgesehene ÖBB-Umstrukturierung und die diesem Vorhaben zugrunde liegenden Ziele lassen auf eine weitere Verschärfung der finanziellen Situation im öffentlichen Personenverkehr, hier im Speziellen im schienengebundenen Personennahverkehr, schließen. In den Erläu­terungen ist vermerkt, dass jährlich rund 1 Milliarde € an Kosteneinsparungen durch die Umstrukturierungsmaßnahmen ermöglicht werden sollen. Diese Entwicklung lässt befürchten, dass diese Einsparungsmaßnahmen nicht allein durch effizientere Be­triebs­führung erbracht werden können, sondern auch durch Maßnahmen, die vor allem die Gebietskörperschaften Länder und Gemeinden stark treffen würden. Das wären zum Beispiel Maßnahmen zur Regionalisierung von Schienenstrecken, allerdings ohne Übertragung ausreichender Mittel, die Reduktion von Verkehrsleistungen oder erhöhte Zuschussforderungen zu den Betriebsleistungen.“

Als dritter Punkt steht im Bericht des Verkehrsausschusses des Nationalrates: „Strei­chung der unbegrenzten Kostendeckungspflicht des § 2 Bundesbahngesetz 1992 ... und Umstellung auf Zuschüsse und Haftungszusagen des Bundes für Neuinves­titionen.“

Dazu das Land Niederösterreich: „Generell ist die Streichung der unbegrenzten Kos­tendeckungspflicht des § 2 Bundesbahngesetz 1992 durch den Bund und deren Umstellung auf die Finanzierung durch zeitlich begrenzte Zuschüsse und Haftungszu­sagen des Bundes als problematisch zu sehen, da dadurch eine Finanzierungssicher­heit seitens des Bundes nicht mehr gegeben ist. Ein weiteres Zurückziehen des Bundes aus der Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs nach Ablauf von Verträgen würde damit automatisch verstärkten Druck auf die Länder zur Mitbeteili­gung an der Finanzierung von Verkehrsleistungen bedeuten.“ (Bundesrat Schennach: Wer sagt das?)

Das sagt Herr Dr. Erwin Pröll, seines Zeichens Landeshauptmann von Niederöster­reich, beziehungsweise die niederösterreichische Landesregierung. (Bundesrat Schen­nach: Kollege Bader, weißt du das überhaupt? – Bundesrat Boden: Der weiß nicht einmal, was er geredet hat! – Bundesrat Schennach: Das ist der Befehl des Erwin Pröll! Bist du weg! – Weitere Zwischenrufe.) Ja, wer alles hier dagegen stimmen muss, wird schon spannend werden.

Ich habe auch noch ein bisschen etwas Persönliches zur ÖBB-Reform zu sagen. Ich bin nämlich eine sehr fleißige Zugfahrerin und möchte Ihnen erzählen, was einem alles passieren kann beziehungsweise wie es – was Sie vielleicht nicht wissen – in der Bahn manchmal zugeht. Zu Stoßzeiten sind die Züge voll, und für einen Stehplatz zahlt man zu viel. Um von A nach B zu kommen, muss man oft über D oder C fahren. (Bundesrat Boden: Wird noch teurer! Wird jetzt noch teurer!) Wenn man Pech hat, wie ich es heute möglicherweise noch haben werde – obwohl die Sitzung jetzt voraussichtlich nicht so lange dauern wird –, muss man sich nachts ein Taxi suchen, weil es im Regionalverkehr keine Nachtzüge gibt. Die Ausstattung der Bahnhöfe ist meistens oder oft unter jeder Kritik, und behindertengerecht sind vielleicht ein paar, aber sicher nicht alle Bahnhöfe. Zum Tarifdschungel: Wer sich schon einmal eine Karte vom Automaten gelöst hat, weiß, wovon ich rede.

Daher bin ich der Meinung, dass eine Reform der ÖBB sicher notwendig ist – da bin ich ganz Ihrer Meinung –, aber ganz sicher nicht diese Reform, die Sie hier vor­schlagen! Wir brauchen nämlich Investitionen, um die ÖBB besser zu machen, und nicht ein Kaputtsparen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Diese ÖBB-Reform zerschlägt ein EU-weit wettbewerbsfähiges großes Unternehmen in neun Gesellschaften. Sie trennen Schieneninfrastruktur, Bau und Instandhaltung, Wagenmaterial und diverses andere. Letztendlich weiß sicher niemand mehr, wer


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 185

verantwortlich dafür ist, wenn etwas nicht funktioniert. Als Kundin weiß ich dann nicht, wen ich anrufen muss. Vielleicht können Sie es den Kunden extra erklären. (Staats­sekretär Mag. Kukacka: Die Reklamationsstelle! – Bundesrat Stadler: Den Staats­sek­retär Kukacka! – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Den Staatssekretär! – Bundesrat Schen­nach: Bitte Handynummer bekannt geben!) – Ja, das werden wir machen.

Meine Frage ist auch, wann die erste dieser Gesellschaften privatisiert wird. Wie man zum Beispiel an der E-Wirtschaft in den USA sieht, führt die Privatisierung meistens dazu, dass die Infrastruktur vernachlässigt wird, weil sie einfach Geld kostet und nicht so wirtschaftlich ist.

Diese ÖBB-Reform macht den öffentlichen Verkehr teurer. Die Schienenmaut wird erhöht, und als wirtschaftliches Unternehmen muss das die ÖBB wohl an den Kunden weitergeben. Diese ÖBB-Reform stellt den Schienennahverkehr in Frage, denn die Schließung von nicht effizienten Strecken – das haben wir auch im Ausschuss gehört – wird schneller vorangehen. Dadurch werden immer mehr Menschen abhängiger vom Auto. Auch die Zahl der nicht mobilen Menschen wird steigen.

Ich habe im Ausschuss nachgefragt, wer denn die vielen nationalen und inter­na­tionalen Experten sind, die die ÖBB-Reform angeblich so sehr loben. Bisher habe ich immer nur von Kritik gehört. Ich habe dann vom zuständigen Beamten die Auskunft be­kommen, dass es Wirtschaftsprüfer und Gesellschaftsrechtler sind; Namen konnte er mir nicht nennen. Auf meine Nachfrage, ob das vielleicht diejenigen sind, die dieses Gesetz gemacht haben oder diese Reform erfunden haben, hat er jedenfalls nicht nein gesagt.

Wir wollen diese ÖBB-Reform nicht! Wir wollen eine positive Reform, die den öffent­lichen Nahverkehr sicherstellt und den Gütertransit bewältigen kann, damit wir nicht im Kfz-Verkehr ersticken. Wir wollen eine ÖBB-Reform, die den Ausbau des Schienen­netzes garantiert. Wir wollen eine ÖBB-Reform, die für die Fahrgäste ein attraktives Angebot zu einem leistbaren Preis bringt, und eine Reform, die die Bahn stärkt, ins­besondere als Alternative zur drohenden Verkehrslawine. Einer solchen Reform wür­den wir gerne zustimmen, aber dieser Reform leider nicht! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

21.44

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

 


21.45

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssek­retär! Bei der ÖBB-Strukturreform handelt es sich um eine extrem komplexe Materie. Was bringt die neue Struktur der ÖBB? – Diese Frage ist noch nicht zu beantworten. Eine Aufteilung des Unternehmens in vier Aktiengesellschaften und fünf weitere GmbHs unter dem Dach einer Holding bringt nämlich von selbst noch keine son­derlichen Effekte. (Demonstrativer Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Entscheidend wird sein, was das Management daraus macht. (Bundesrat Schennach: Das wissen wir nicht!) Eine neue Struktur ist oft nicht besser, aber sie bringt frischen Wind ins Unternehmen. Das ist sicherlich mit ein Grund für die Reform. (Bundesrat Schennach: Aber meist nicht nach dem Motto: Ich weiß nicht, wohin ich fahre ...!) Auch große internationale Konzerne verpassen sich alle paar Jahre eine neue Struktur, oft nicht deshalb, weil die neue Organisationsform unbedingt viel besser als die alte wäre, sondern weil mit der Umstellung die Dinge wieder in Bewegung kommen. Sie müssen freilich bei den ÖBB auch tatsächlich in Bewegung kommen. (Bundesrat


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 186

Schennach: Sie bewegt sich täglich!) Ich bin davon überzeugt, dass diejenigen, die diese Strukturreform durchziehen wollen und überdenken, das Beste für das Unter­nehmen, für die Benützer in besonderem Maße, aber natürlich auch für die Mitarbeiter im Auge haben. Es ist keine willkürliche Reform, die hier vorgenommen wird.

Ich habe gestern mit zwei ÖBBlern getrennt gesprochen. Der eine ÖBBler war ein älterer, der konservativen Richtung angehörender ÖBBler, wie ich ihn hier vielleicht im Bereich der Sozialdemokratie antreffe, und er hat mir gesagt: Es ist nur so möglich, wie es jetzt ist, man soll möglichst wenig daran herumbasteln, das kann nicht viel besser werden. – Das ist eine ehrenwerte Aussage. Es ist die Möglichkeit, aus den Gegebenheiten das Beste herauszuholen, auch immer gegeben.

Aber der zweite ÖBBler, der nicht unbedingt ins politische Spektrum insgesamt herein­passt, sondern einer, der die Sache sehr fachmännisch, technisch, vielleicht zu sehr vom grünen Tisch her beurteilt, hat gesagt: Die jetzige Bundesbahn ist wie eine ein­fache Armbanduhr, sie zeigt die Zeit – das soll ja eine Uhr. Eine moderne Arm­banduhr – und jetzt ziehe ich Vergleiche heran, die nicht zur Bahn passen, aber ich hoffe, Sie verstehen mich; so hat er es mir gesagt, und ich versuchte auch, ihn so zu begreifen –, eine moderne Armbanduhr zeigt das Datum, hat eine Nachtbeleuchtung, eine Stoppfunktion, zwei oder auch mehr Zeitzonen, Weckfunktion, Stundenanzeiger und Wasserdichtheit.

Das ist die neue ÖBB: Sie muss, nachdem sie inzwischen schon ungefähr hundert Jahre lang die jetzige Struktur hat, ins 21. Jahrhundert hinein reformiert werden! Das ist die Absicht, diese Reform in Form einer modernen Uhr, die in einem Gehäuse ist wie eine alte Uhr, aber kompakt drinnen sein muss, damit auch die Kosten kompakt und übersichtlich sind. Das ist die Absicht der ÖBB-Reform, und das habe ich ver­standen. Als ich gestern mit diesem sehr technisch veranlagten, jungen ÖBB-Mit­ar­beiter gesprochen habe, habe ich mir gedacht: So sollte man es doch eigentlich er­klä­ren! (Bundesrat Boden: Wir brauchen eine Markenuhr und keine vom Mexikoplatz!)

Wenn ich es nicht gut erklärt habe, dann bekomme ich nur den Applaus von der einen Seite; wenn ich es besser erklärt habe, bekomme ich ihn doch von mehreren, wie ich hoffe.

Viel Glück, Herr Staatssekretär, und viel Glück auch dem nicht anwesenden Herrn Vizekanzler! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Boden: Wir brauchen eine Markenuhr, keine vom Mexikoplatz!)

21.49

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Mag. Helmut Ku­kacka das Wort.

 


21.50

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich einmal dafür entschuldigen, dass es offensichtlich auf Grund von Kommunikationsproblemen vor dem letzten Ausschuss Verzögerungen gegeben hat und die zuständigen Beamten nicht rechtzeitig anwesend waren. Das heißt überhaupt nicht, dass wir nicht bereit und nicht in der Lage wären, darüber zu diskutieren, sondern es ist eben durch einen Fehler in der Informationsübermittlung zu einer Verspätung gekommen. Aber selbstverständlich sind Ihnen anschließend die zuständigen Beamten zur Verfügung gestanden.

Frau Kollegin Hlavac! Wir haben nie die Auseinandersetzung mit den Kritikern ge­scheut. Es gibt kein Gesetz des letzten Jahres, das so umfassend, intensiv und auch so kontrovers diskutiert wurde wie dieses Bundesbahnstrukturgesetz. Es ist umfassend


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 187

diskutiert worden, und wir haben uns mit allen Kritikern auseinander gesetzt. Ich erinnere daran, dass sich allein der Unterausschuss des Nationalrates in zwei ganz­tägigen Unterausschusssitzungen unter Anhörung von rund 25 Experten mit diesem Thema beschäftigt hat.

Ich möchte auch darauf hinweisen, denn das haben Sie einseitig zitiert: Die große Mehrheit der Experten hat sich für diese Reform ausgesprochen und hat gesagt, dass sie richtig, notwendig und sinnvoll ist, meine Damen und Herren!

Sie selbst, Frau Kollegin Kerschbaum, haben mit Ihrer Kritik an den Defiziten und Män­geln der ÖBB genau bestätigt, dass wir diese Reform machen müssen. (Bundes­rätin Kerschbaum: Nein, nein, am fehlenden Geld!) Wir machen diese Reform, damit genau diese Defizite und Mängel der Bahn, die doch für alle Kunden klar ersichtlich sind, abgeschafft, beseitigt werden und wir in Zukunft eine moderne, effiziente und leis­tungsfähige Bahn haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Auch die Kritik, die es hier gegeben hat und die wir selbst­verständlich ernst nehmen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Reform eine neue Ära in der österreichischen Verkehrspolitik einläutet. (Oh-Rufe bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Konecny: Bedauerlicherweise!) Jawohl, meine Damen und Herren, und das betone ich auch, wir läuten eine neue Reform ein. Diese Reform ist ein Meilenstein in der Geschichte der Verkehrspolitik in Österreich, meine Damen und Herren. (Bundesrat Konecny: Auf dem Weg zum Grab der ÖBB!) Diese Bundes­regierung befreit die Bundesbahn von den letzten Fesseln einer Staatsbahn und macht das wichtigste Verkehrsunternehmen dieses Landes fit für das 21. Jahrhundert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Reform schafft moderne und effiziente Unternehmensstrukturen, wie sie in der Wirtschaft heute längst üblich sind. Dies begrenzt die Staatszuschüsse und ermöglicht eine kundennahe Verkehrsleistung. Die Bundesbahnen werden damit endlich zu einem modernen Unternehmen, das nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt wird und sich in Zukunft am Markt und an seiner Leistung orientieren muss.

Die Bahn bekommt aber auch mehr Selbständigkeit, mehr Bewegungsfreiheit, damit aber auch mehr wirtschaftliche Ergebnisverantwortung für ihre Manager und für ihre Mitarbeiter. Das ist wichtig und notwendig.

Diese Reform, meine Damen und Herren, war dringend notwendig, denn die Situation der Bahn war gekennzeichnet – einige der Vorredner haben auch darauf hingewie­sen – durch ständig steigende Budgetzuschüsse. 1992 betrug der Budgetzuschuss für das Schienensystem insgesamt 2,5 Milliarden €, 2002, zehn Jahre später, hat er be­reits 4,4 Milliarden ausgemacht. Ohne Reform würden die jährlichen Staatszuschüsse bis zum Jahr 2010 auf 5,1 Milliarden € ansteigen. Wir geben damit für das System Schiene dreimal soviel aus dem Budget aus wie für die österreichische Landesver­teidigung und dreimal soviel wie für die österreichischen Universitäten.

Es ist also geradezu selbstverständlich, meine Damen und Herren, dass hier der Staat seine Verantwortung wahrnimmt und versucht, diese steigenden Belastungen für alle Steuerzahler endlich einzugrenzen und eine effiziente Leistungserbringung zu gewährleisten. Denn eines ist auch klar: Die ständig steigenden Staatszuschüsse in dieses System können doch nicht so ungebremst weitergehen, wie sich das in den letzten 15 Jahren entwickelt hat!

Meine Damen und Herren! Was Generationen von österreichischen und vor allem so­zialdemokratischen Verkehrsministern nicht zustande gebracht haben, von Streicher über Klima bis zu Einem, das greift nun diese Regierung tatsächlich an. (Bundesrat Konecny: Greift die Bahn an, das ist richtig!) Diese Regierung setzt das um, diese


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 188

Regierung setzt jener Mentalität ein Ende, die da lautet: Gleichgültig, was es kostet, der Steuerzahler wird es schon bezahlen. – Das, meine Damen und Herren, wird es in Zukunft selbstverständlich nicht mehr geben!

Wir streichen § 2 des Bundesbahngesetzes, also die automatische Verlustabdeckung durch den Bund. Wir werden den Zuschussbedarf aus dem Budget stabilisieren, und wir werden auch dafür sorgen, dass bis zum Jahr 2010 rund 1 Milliarde € an Einspa­rungspotential lukriert wird.

Diese Reform erstreckt sich nicht nur auf die Strukturen, wie das jetzt vielfach be­hauptet wird, sondern auf drei Bereiche, die umfassend und untrennbar miteinander ver­bunden sind.

Erstens wird es zu einer Reform der Unternehmensstrukturen kommen, denn erst da­durch werden genau die überschaubaren und dezentralen Unternehmensstrukturen geschaffen, wie sie sonst auch in vergleichbaren Unternehmen längst vorhanden sind. Und es werden damit auch die wirtschaftliche Selbständigkeit und Ergebnisverant­wor­tung der operativen Unternehmen gestärkt.

Diese Reform bringt zweitens – und das ist genauso wichtig – eine Reform des Dienst­rechtes, damit dieses veraltete und starre ÖBB-Dienstrecht mit seinen vor allem auch vom Rechnungshof gerügten Sonderrechten an das in anderen Unternehmen ver­gleich­bare Dienst- und Arbeitsrecht angepasst wird. Den Sozialpartnern wird jetzt eben die Möglichkeit gegeben, bis zum April 2004 diesen Anspruch auch tatsächlich einzu­lösen. Wir werden uns das ganz genau ansehen. Und wenn dieser Einspruch, wenn dieser Anspruch nicht eingelöst werden kann, meine Damen und Herren, dann werden sich auch der Nationalrat und der Bundesrat erneut mit diesem Thema beschäftigen müssen. (Bundesrat Konecny: Einspruch erheben wir!) Und dass das möglich ist und dass das auch gerechtfertigt ist, das hat der Verfassungsgerichtshof in seinem jüngs­ten Erkenntnis gerade klargestellt, wo er darauf hingewiesen hat, dass selbst­ver­ständlich dann, wenn öffentliches Interesse vorhanden ist – und das ist vorhanden, weil der Großteil dieser Leistungen aus dem Dienstrecht vom Steuerzahler bezahlt werden muss –, auch der Gesetzgeber die Möglichkeit hat, dort entsprechend einzugreifen.

Drittens, meine Damen und Herren: Selbstverständlich wird diese Reform auch eine Reform des Personalvertretungsrechtes bringen. (Bundesrat Kraml: Das ist wichtig!) Das ist selbstverständlich wichtig, Herr Kollege, denn warum soll nicht auch bei der Bahn genau jenes Arbeitsverfassungsrecht, jenes Arbeitsrecht, jenes Mitbestimmungs­recht gelten, das auch in allen anderen vergleichbaren großen Unternehmen Öster­reichs gilt? Was für die Voest recht und billig ist, muss auch für die Bahn in diesem Zusammenhang gut und richtig sein. Und das werden wir herstellen. Keine Beseitigung der Mitwirkungsrechte, sondern eine Gleichstellung dieser Mitwirkungsrechte mit ande­ren vergleichbaren Unternehmen! Die Bahn soll in Zukunft nicht von der Gewerkschaft, sondern sie muss von der Unternehmensführung geleitet werden, so wie das auch sonst in Österreich üblich ist. Und das ist ein genauso wichtiger Punkt dieser Reform.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch klarstellen, dass es selbstverständlich nicht zu einer Privatisierung der Bundesbahn kommen wird. Natürlich nicht! Ich weiß, dass das permanent unterstellt wird, aber dieser Konzern befindet sich und wird sich auch in Zukunft zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes befinden. So steht es im Gesetz, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn da irgendetwas geändert werden sollte, dann müssten sich erst recht der Na­tionalrat und der Bundesrat wieder damit beschäftigen und müssten genau diese hun­dertprozentige Festlegung im Gesetz ändern. Zu allem, was Sie hier behaupten, unter­stellen und verbreiten, nämlich dass die Privatisierung der Bahn vor der Tür stünde,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 189

sage ich nur: Das ist substanzlos, das ist unrichtig, und das hält keiner kritischen Überprüfung stand!

Die Bundesbahnen werden also nicht zerschlagen, sondern sie bleiben selbst­ver­ständlich ein Konzern mit einer klaren strategischen Ausrichtung, der aber von einer entsprechenden koordinierenden Holding geführt wird, in der sich aber selbständige, klar abgegrenzte Aktiengesellschaften um ihre Märkte kümmern werden, und zwar im Speziellen um den Personenverkehr und um den Güterverkehr, um dort genau das für ihren Markt notwendige Leistungsangebot zu erstellen.

Drittens: Meine Damen und Herren! Wir haben klargestellt, dass die Finanzierung der Bahn selbstverständlich auch in Zukunft gesichert wird. Auch in Zukunft werden jährlich rund 2 Milliarden € aus dem Budget für die Einhaltung des Fahrplanes zur Verfügung stehen. Nur damit die Bahn fährt, werden also schon einmal 2 Milliarden € jährlich zur Verfügung gestellt. Selbstverständlich werden auch in Zukunft die 1,4 Milliarden € für die Eisenbahnpensionisten aus dem Budget bezahlt. Selbstverständlich werden wir dafür sorgen, dass mindestens eine Milliarde € jährlich in die Bahn investiert wird, in­dem es ganz klare Haftungsaufträge des Bundes im Gesetz gibt.

Der Bund ist für den Ausbau verantwortlich, und der Bund haftet für die Kredite und für die Finanzierungen, die dafür aufgenommen werden. Das ist alles ganz klar und eindeutig geregelt, meine Damen und Herren, und wer etwas anderes behauptet, der behauptet es wider besseres Wissen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Strukturreform selbstverständlich keineswegs – wie das auch behauptet wurde – nachteilige Verän­derungen und auch keine Leistungsschmälerungen im öffentlichen Verkehr bringen wird. Die entsprechenden Verkehrsleistungsverträge, die die Bahn etwa mit den ver­schie­denen Gebietskörperschaften geschlossen hat, mit den Gemeinden, vor allem mit den Ländern, bleiben selbstverständlich in vollem Umfang aufrecht und werden an die neuen Gesellschaften übertragen.

Es werden deshalb aus dieser Strukturreform weder den Gemeinden noch den Län­dern irgendwelche zusätzliche Kosten erwachsen. Das möchte ich einmal ganz klar und eindeutig festhalten. Hören Sie bitte auf, die Öffentlichkeit mit Falschmeldungen in die Irre zu führen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

All die Unterstellungen und Befürchtungen, die Sie hier geäußert haben, sind unbe­rechtigt, meine Damen und Herren, und deshalb sind wir überzeugt davon, dass diese Reform die Österreichischen Bundesbahnen in eine positive Zukunft führen wird.

Sie wissen doch auch – davon gehe ich aus –, insbesondere jene, die sich mit diesem Thema auch beschäftigt haben, dass dieses Wort von der Zerschlagung und Zertrüm­merung nicht im Mindesten irgendwelchen Beispielen standhält. Fast alle europäischen Länder rund um Österreich und vor allem auch jene Länder, die jetzt im Rahmen der EU-Osterweiterung in die EU kommen, haben ihre Bahnen längst neu organisiert und aufgestellt.

Die Deutsche Bahn hat nicht nur vier Aktiengesellschaften wie wir, sondern sieben Aktiengesellschaften und noch rund zehn GesmbHs. Diese Bahn ist erfolgreich, sie ist gut dabei gefahren. Sie hat nämlich, seit sie in eine Aktiengesellschaft umgegründet wurde, ihre Produktivität um 154 Prozent gesteigert. Sie hat 30 Prozent mehr Anteil im Personennahverkehr gewonnen, und sie hat in diesen Jahren insgesamt mehr als 15 Prozent Umsatz dazugewonnen. Dieses Beispiel war erfolgreich.

Es lassen sich noch viele solcher Beispiele anführen. Belgien, Dänemark, Finnland, Frank­reich, Großbritannien, Niederlande, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 190

Tschechien, Bulgarien: Überall dort wurde bereits eine eindeutige Trennung zwischen dem Unternehmen Infrastruktur und dem Unternehmen Personen- und Güterverkehr geschaffen.

Sechs weitere Länder, und zwar Deutschland, Italien, Polen, Spanien, Rumänien und Ungarn, haben ebenfalls bereits eine Trennung der Unternehmensbereiche vorgenom­men, aber darüber eine Holding gestellt, so wie wir das in Österreich auch machen. Also wir gehen überhaupt keinen radikalen Weg, sondern wir gehen einen Mittelweg, einen maßvollen Weg, weil wir glauben, dass dieser richtig und sinnvoll auch für Öster­reich ist.

Also was bleibt da übrig von Ihren Vorwürfen, meine Damen und Herren, dass bei der Bahn etwas zertrümmert wird, etwas zerschlagen wird! Wir sind in all diesen Fragen längst keine Vorreiter, sondern Nachzügler in einer europäischen Entwicklung, die unbedingt notwendig ist.

Sie haben die Schweiz angesprochen, als leuchtendes Beispiel hingestellt und die Kritik des dortigen Generaldirektors, eines ausgewiesenen Sozialdemokraten, was aber nichts aussagt, hier zitiert. – Jawohl, in manchen Bereichen ist die Schweizer Bahn durchaus ein Vorbild. Sie ist wesentlich kundenorientierter als die Öster­reichi­schen Bundesbahnen, sie hat eine wesentlich höhere Produktivität als die Öster­reichi­schen Bundesbahnen, aber der direkte Vergleich ist trotzdem nur sehr bedingt zu­lässig, weil eben die Schweizer Bahn EU-rechtlich ganz andere Voraussetzungen als die österreichische Bahn hat. Sie wissen ja, dass die Schweizer die EU-Richtlinien nicht in jenem Maße zu übernehmen brauchen wie wir. Die Schweizer Bahn kann zum Beispiel für ihre Infrastruktur eine Quersubventionierung aus der Straßenmaut erhalten. Das geschieht auch, aber bei uns ist das natürlich EU-rechtlich überhaupt nicht möglich.

Noch etwas: Nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass in der Schweiz der Güterverkehr der SBB längst in eine eigene Aktiengesellschaft ausgegliedert ist! Also selbstverständlich gibt es auch dort die Ausgliederung, gibt es auch dort die Konzentration auf bestimmte Kernmärkte.

Nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass die Produktivität der Schweizer Bahn um 30 Pro­zent höher ist als jene der Österreichischen Bundesbahnen. Warum? – Weil sie sehr viel weniger Mitarbeiter hat als die Österreichischen Bundesbahnen, weil sie die Verkehrsleistung, die sie erbringt, mit deutlich weniger Mitarbeitern erbringt, als die ÖBB das tun. – Meine Damen und Herren, nehmen Sie all das zur Kenntnis!

Ich frage Sie: Wollen Sie wirklich, wenn Sie die Schweizer Bahn als gutes Vorbild anführen, dass wir unsere Tarife auch um 30 Prozent erhöhen? Die Schweizer Bahn­tarife sind nämlich im Schnitt zwischen 25 und 33 Prozent höher als die öster­reichi­schen Tarife. – Meine Damen und Herren, wenn Sie die Schweizer Bahn so loben, dann sagen Sie auch, dass Sie wollen, dass auch die ÖBB um 30 Prozent höhere Tarife einheben!

Sagen Sie auch, wenn Sie die Schweizer Bahn als Vorbild anführen, dass Sie das Pen­sionsalter bei den ÖBB-Bediensteten so erhöhen wollen wie in der Schweiz! – In der Schweiz liegt das Pensionsalter nämlich bei 65 Jahren bei den Männern und bei 62 Jahren bei den Frauen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie hoch das durch­schnittliche Pensionsantrittsalter bei den ÖBB ist, denn Sie wissen es ohnehin, aber zur Erinnerung nenne ich es jetzt: 52 Jahre, meine Damen und Herren!

In der letzten Zeit, insbesondere im Nationalrat – ich möchte das nur anführen –, ist Herr Generaldirektor Draxler sehr gelobt worden, und ich gebe zu, dass er ein fähiger


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 191

Manager ist, der jetzt auch wieder bei der RHI zeigt, dass er sein Geschäft gut ver­steht.

Aber was wollte Generaldirektor Dr. Draxler, der ja bekanntlich nicht nur SPÖ-Mitglied ist – oder war; ich weiß es nicht genau –, sondern im Übrigen von Minister Klima bestellt wurde und dessen Vertrag von Minister Einem verlängert wurde, bei den ÖBB?

Jetzt zeige ich Ihnen einmal ein Organigramm, das darstellt, wie die ÖBB beim Herrn Draxler aussehen würde (die entsprechende Graphik vorweisend), und da können Sie Folgendes sehen: Herr Draxler wollte einmal den Infrastrukturbereich vom Güter- und Personenverkehr grundsätzlich trennen und in zwei unterschiedliche Bereiche gliedern, und dann wollte er eine ÖBB-Holding AG schaffen, aber gleich mit vielen Aktien­gesellschaften, mit weit mehr, als diese Regierung es will. Er wollte nämlich eine Aktiengesellschaft für den Fernverkehr, eine Aktiengesellschaft für den Güterverkehr, eine Aktiengesellschaft für die Traktion, eine Industriewagen-Aktiengesellschaft, eine Spe­ditions- und Logistik-Aktiengesellschaft. Dann wollte er noch eine Bahnimmobilien-Aktiengesellschaft und darüber hinaus auch noch eine Regionalverkehr GesmbH und eine Technische Service GesmbH.

Angesichts dessen wollen Sie behaupten, der Herr Draxler, Ihr Parteimitglied, einge­setzt von SPÖ Ministern, verstehe nichts von der Bahn!? Er wollte die Bahn nicht so erhalten, wie sie jetzt ist, nämlich als integriertes Unternehmen, wie Sie das immer in den letzten Wochen gefordert haben, sondern er wollte mit seiner Reform noch viel radikalere Schritte durchführen, als wir es gemacht haben, meine Damen und Herren!

Also Sie sehen, wir sind bei der Bahnreform auf dem richtigen Weg, wir folgen Spuren, die zum Teil von Ihren Managern gelegt wurden. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Sie sollten sich an diesem guten Vorbild ein Beispiel nehmen, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass das, was Sie hier sagen, sowohl durch die internationalen Erfahrungen als auch durch Expertenmeinungen längst widerlegt ist.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen:

Erstens: Österreich ist bei der Bahnreform nicht Vorreiter, sondern Nachzügler.

Zweitens: Unsere Reformen orientieren sich an erfolgreichen Beispielen im In- und Ausland. (Bundesrat Stadler: An welchen?)

Drittens ... (Bundesrat Stadler: An welchen, Herr Staatssekretär?) Verstehen Sie das nicht? Hören Sie nicht zu? Habe ich Ihnen nicht gerade erklärt, wie es in Europa und wie es bei der Deutschen Bahn aussieht? – Meine Damen und Herren, Sie wollen nicht hören, denn Sie vertreten eine ideologische Verkehrspolitik (Beifall bei der ÖVP) und wollen sich durch Sachargumente überhaupt nicht überzeugen lassen!

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Die Trennung der Bahngesellschaften in verschiedenen AGs ist jedenfalls für uns, für diese Bundesregierung, keine ideolo­gische Frage, sondern eine Frage der richtigen betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Das ist keine weltanschauliche Glaubensfrage, sondern wir orientieren uns an nüchter­nen betriebswirtschaftlichen und finanzpolitischen Überlegungen.

Wie auch die Beispiele aus Ihren Expertenkreisen gezeigt haben – siehe General­direk­tor Draxler –, sind wir da vollkommen auf dem richtigen Weg, und ich bin überzeugt davon, dass es in zwei Jahren heißen wird: Jawohl, es war richtig! Es hat überhaupt keine sinnvolle Alternative zu dieser Reform gegeben, die die Bundesregierung durch­ge­setzt hat! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und bei Bundesräten der Frei­heitlichen.)


22.14


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 192

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Binna das Wort.

 


22.14

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Gudenus, Ihre Ausführungen mit dem Ticken haben mir sehr gut gefallen, nur: Nach Beschluss dieser Reform werden die Uhr auf dem Bahnhof, die dort hängen, nicht mehr ticken, sondern es wird eine Zeitbombe ticken, bis die ÖBB in den Graben gefahren werden. So wird es in Zukunft ausschauen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Vorweg eines: Ich hatte vor zirka 25 Jahren die Möglichkeit beziehungsweise das Glück, meine Lebensplanung neu zu gestalten. In letzter Zeit mache ich mir Gedanken darüber, ob das überhaupt der richtige Schritt war – denn ich bin Eisenbahner gewor­den. Ich verstehe eigentlich nicht, ob ich mir irgendeiner Schuld bewusst sein sollte oder ob ich irgendetwas verbrochen habe. Die Diffamierungen und Diskriminie­rungen, die wir Eisenbahner in der letzten Zeit aushalten müssen, sind für mich und für meine Kolleginnen und Kollegen nicht mehr zu ertragen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Was mich besonders erschüttert, das ist der Umstand, dass diese Diffamierungen auch noch von Regierungsseite betrieben werden. (Beifall bei der SPÖ.) So hat zum Beispiel Herr Verkehrsminister gemeint, jeder vierte Eisenbahner gehe keiner sinnvollen Tätig­keit nach.

Diese ÖBB wird nicht in die Zukunft gehen. Wenn auf ihren Tafeln steht: Reformen braucht die Bahn!, so haben wir Eisenbahner eigentlich nichts dagegen, nur: Diese Reform ist für null und nichtig zu erklären!

Weil Kollege Bader – er ist leider nicht im Saal – das Beispiel angesprochen hat, dass die Güterverkehrsleistung ... (Rufe: Da ist er!) Ist er im Saal? Bitte um Entschuldigung! Sie haben gemeint, dass die Güterverkehrsleistung oder Transportleistung in Groß­britannien gestiegen ist. Da muss ich Sie berichtigen. Die ÖBB sind im Güterverkehr Nummer eins in Europa und im Personenverkehr Nummer drei in Europa. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Ich glaube kaum, dass diese Positionen negativ sind.

Oder ist es dann so wie in Großbritannien? – Nach der Zerschlagung und dem Verkauf der britischen Staatsbahnen vor zehn Jahren wurde es lebensgefährlich, dort mit der Bahn zu fahren. Gewinne waren wichtiger als Menschenleben. Die Folgen: 80 Prozent der britischen Züge haben Verspätungen. Es wurde dort nichts mehr investiert. Ein­sparungen bei der Sicherheit und beim Personal führten zu zahlreichen Unfällen mit 55 Toten. Die Ticketpreise stiegen um bis zu 100 Prozent. Das Service war desaströs. Der einzige Ausweg: 2002 wurde die britische Bahn wieder verstaatlicht. (Bundesrat Dr. Böhm: Die war ja privatisiert! Das ist ja bei uns nicht der Fall!) Ja, Herr Dr. Böhm, und genau auf dem Weg sind wir: zur Privatisierung. Mit Sicherheit! (Bundesrat Dr. Böhm: Nein, das ist eine Behauptung!)

Zwei Aussagen von Dr. Alexander Hedderich, dem Wettbewerbsbeauftragten der Deut­sche Bahn AG, Berlin, in der ÖBB-Zeitung „Tempo“: Der Wettbewerb auf der Schiene muss konsequent möglich sein. – Damit haben wir eigentlich kein Problem. –Weiters: Eine Zerschlagung der Bahn verursacht zahlreiche Schnittstellen und Anreizprobleme. Sie löst im Gegenzug kein einziges Problem. – Das ist eine Aussage des deutschen Wettbewerbsmanagers!

Herr Kollege Bader, zu Ihren Ausführungen betreffend Schrankenanlage möchte ich sagen: Ich weiß nicht, ob Sie die derzeitige Situation kennen. Um eine Schranken­anlage zu bauen, gibt es derzeit eine Drittel-Lösung: Ein Drittel bezahlt die ÖBB, ein


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 193

Drittel bezahlt die Gemeinde, ein Drittel bezahlt das jeweilige Land. Ich nehme an, wenn Sie als Gemeindeoberhaupt kein Geld zur Verfügung gestellt haben, dann müs­sen Sie noch zehn Jahre oder noch länger warten, bis Sie eine Schrankenanlage be­kom­men. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Braucht er nicht mehr! Da fahrt ja dann nichts mehr!)

In Zukunft werden Infrastrukturmittel gekürzt, und im Gesetz steht dann drinnen: Für diese Mittel müssen die Gebietskörperschaften aufkommen. – Also es sind nicht mehr die ÖBB an der Errichtung einer Schrankenanlage beteiligt. So schaut es dann in Zukunft aus!

Um kurz noch etwas zu den Experten zu sagen, die Sie angehört haben, zitiere ich aus der „Kleinen Zeitung“ vom 15. November, aus einem Interview mit dem Eisenbahn­experten der TU Graz, Klaus Rießberger, der auf die Feststellung: „Das Regierungs­konzept haben aber Experten ausgearbeitet“, sagte: „Es ist bedrückend festzustellen, dass wieder einmal Experten gefragt wurden, die keine sind. Die haben seit 15 Jahren kein Ticket gekauft und können keinen Fahrplan lesen.“ – Das waren die „Experten“! (Bundesrat Bieringer: Wer?)

Kollege Bieringer! Haben Sie mir nicht zugehört? (Bundesrat Bieringer: Nein!) Tut mir Leid. (Bundesrat Bieringer: Ganz meinerseits!)

Die richtige Lösung, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre meiner Meinung nach, die Bahn zu retten, statt sie zu zerschlagen. Aber nach dem heutigen Beschluss schaut es leider so aus, dass die ÖBB zu Grabe getragen wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Mit dieser „Murks-Reform“ regiert die Bundesregierung gegen das Unternehmen ÖBB, gegen die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner – und gegen alle Österreicherinnen und Österreicher. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen. – Staatssekretär Mag. Kukacka: Wir sind ja nicht bei einer Eisenbahner-Versammlung! – Bundesrat Konecny: Da wäre aber mehr Sachverstand vorhanden! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

22.21

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Baier. Ich erteile ihm das Wort.

 


22.21

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Hochgeschätzter Herr Präsi­dent! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich habe ja durchaus Verständnis dafür, dass man, wenn Reformen anstehen, intensiv darüber diskutiert; das ist ja geradezu not­wendig und im Übrigen natürlich dieses Hohen Hauses auch würdig. Wo sich jedoch mein Verständnis in Grenzen hält, ist dann der Fall, wenn man den Eindruck gewinnen muss, dass eine Gruppe, dass eine Fraktion partout auf Argumente und auf Infor­mationen überhaupt nicht eingehen will. Das ist doch Faktum! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Staatssekretär Kukacka hat hier in seinem rund 23 Minuten dauernden und beein­druckenden Debattenbeitrag betont und die Notwendigkeiten dargelegt, dass ... (Bundesrat Konecny: Wer?) Hätten Sie zugehört, Herr Professor, müssten Sie jetzt nicht nachfragen! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) Herr Staats­sekretär Kukacka hat das ausführlich dargelegt – und Sie haben ja gelauscht, oder nicht? Da ich nichts gehört habe, dass jemand von Ihnen von der SPÖ dazwischen gefragt hätte, wundere ich mich schon, Herr Kollege Binna – wo ist er denn?, nicht da, schon gegangen, er muss den Partezettel ausfüllen –, wie man eine solche Rede wie die Ihre hier noch halten kann. Ich frage mich das ganz offen. (Bundesrat Kraml: Sie


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 194

brauchen sich nicht zu wundern!) Ich kann mir das jedenfalls nur so erklären – ich habe mir die Liste Ihrer Fraktionsmitglieder ein bisschen angeschaut –, dass fünf Mitglieder der SPÖ-Bundesratsfraktion ... (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich habe die Wahrheit nicht gepachtet, Sie aber glauben das offenbar schon von sich. Ich gratuliere Ihnen dazu sehr herzlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheit­lichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jedenfalls bin ich draufgekommen, dass fünf Mitglieder der SPÖ-Bundesratsfraktion Bedienstete der ÖBB sind. (Oho-Rufe bei der ÖVP. – Bundesrat Kraml: Ist das verboten? Schauen Sie in Ihre eigene Fraktion!) – Ich zolle Ihnen dafür größte An­erkennung. Was ich jedoch nicht verstehe, ist, warum gerade Bedienstete eines Unter­nehmens das „eigene“ Unternehmen sozusagen geradezu automatisch krankjammern. Wenn sich dazu noch ein Bediensteter wie eben Herr Kollege Binna hier herstellt und behauptet, das Unternehmen ÖBB werde kaputtgespart, zerschlagen und so weiter, dann frage ich mich schon, wo denn da seine Verantwortung gegenüber den ÖBB-Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern liegt! Das kann doch keine Vorbildwirkung haben!

Da wir heute schon einige Male – so unter anderem im Zusammenhang mit den Aus­führungen des Herrn Bundesministers für Inneres hier – darüber diskutiert haben, dass selbstverständlich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eines Betriebes Verant­wortung zukommt, kann es doch nicht so sein, dass man ganz einfach hergeht und in der Öffentlichkeit quasi Kreditschädigung betreibt! (Bundesrat Konecny: Sie sind heute der Zweite, der Beschäftigten den Mund verbieten will!) So viel Verantwortungs­bewusstsein würde ich mir jedenfalls auch von den Mitgliedern Ihrer Fraktion erwarten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was die angebliche Privatisierung der ÖBB betrifft – ich sage es hier noch einmal; Herr Staatssekretär Kukacka hat das auch schon getan, ebenso mein Kollege Bader –, ist Folgendes festzustellen: Es kommt zu keiner Privatisierung der ÖBB, und das ist ja auch gesetzlich geregelt! – Nehmen Sie von SPÖ und Grünen das doch einmal endlich zur Kenntnis! Auch wenn Sie es nicht akzeptieren wollen: Das ist so!

Die Notwendigkeit zu einer Reform der ÖBB ergibt sich ganz einfach aus dem EU-Infrastruktur-Paket I. Das wissen doch auch Sie von der SPÖ, wollen jedoch auch das nicht zur Kenntnis nehmen. Da kann man, wie man so schön sagt, reden wie ein Ölträger: Das wollen Sie ganz einfach nicht verstehen! Ich verstehe das, ganz ehrlich gesagt, schön langsam auch nicht mehr. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da hier soviel von Lob die Rede war und die Frage gestellt wurde, warum dazu kein solches von einem namhaften Experten komme – Herr Staatssekretär Kukacka hat das auch schon gesagt –: Für Maßnahmen, die schon längst hätten gesetzt werden müs­sen, braucht man wirklich nicht gelobt zu werden. Österreich ist doch, bitte, dies­bezüglich ein Nachzügler! 13 europäische Länder haben bereits die vollständige Auf­ga­bentrennung zwischen den Wirtschaftsbereichen Güter- und Personentransport vollzogen. In sechs europäischen Ländern gibt es diese Holding-Lösung schon, wie sie eben jetzt auch in Österreich kommt. Nur in drei europäischen Ländern gibt es keine solche Trennung. (Bundesrat Konecny: Sie sind der vorletzte Lemming, wirklich wahr!)

Diese Tatsachen müssen doch auch Sie, Herr Kollege Binna, der Sie den ÖBB ange­hören – auch wenn Sie davon betroffen sind, auch wenn es in diesem Zusammenhang gewisse Ängste gibt –, zur Kenntnis nehmen! Man kann sich doch nicht ständig auf einen Justamentstandpunkt zurückziehen! Das ist doch keine verantwortungsvolle Politik, die Sie da machen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheit­lichen.)

Kurz zur Finanzierung: 540 € zahlt jede Österreicherin/jeder Österreicher jährlich für die ÖBB – und ist dabei noch keinen Kilometer mit der Bahn gefahren. (Zwischenrufe


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 195

bei der SPÖ.) – Ich fahre sehr viel mit der Bahn! – Im Übrigen: Der Deckungsgrad macht bei unserer Bahn lediglich 40 Prozent aus, und diese Tatsache erfordert eben auch den Mut und den Willen, nachhaltige Veränderungen herbeizuführen, damit es auch in diesem Zusammenhang endlich zu Verbesserungen kommt. (Bundesrat Schen­nach: Das Autobahnpickerl ist teurer! Das kostet das Doppelte, ohne dass man noch einen Kilometer gefahren ist!)

Da die Schweiz hier und heute mehrmals angesprochen wurde – Herr Staatssekretär Kukacka hat das ja auch schon erwähnt –: Die Schweiz ist nicht Mitglied der Europäischen Union – ich nehme an, das wissen Sie; ich gehe jedenfalls davon aus, dass Sie das wissen (Zwischenrufe bei der SPÖ) –, und daher ist die Schweiz nicht an dieses EU-Infrastruktur-Paket gebunden. Auch das müssen Sie von der SPÖ endlich zur Kenntnis nehmen, denn man kann sich doch nicht immer auf einen solchen Ver­weigerungsstandpunkt zurückziehen! Zudem besitzt die Schweizerische Bundes­bahn gegenüber den ÖBB einen Produktivitätsvorsprung in der Höhe von 54 Prozent. Auch das kann man nicht so einfach leugnen, meine Damen und Herren von der SPÖ!

Angesichts der Tatsache, dass Sie ja ohnehin all diese Argumente kennen, muss ich schon die Frage stellen: Warum stellen Sie sich beharrlich gegen diese Reform (Zwi­schen­rufe bei der SPÖ), die nur eines zum Ziel hat, nämlich dass wir in einem europaweiten Vergleich auch da zumindest den gleichen Standard wie andere Länder haben. (Bundesrat Schennach: Fragen Sie den Herrn Pröll! Fragen Sie Landes­hauptmann Pröll!)

Herr Kollege Schennach, ich habe den Eindruck – jetzt auch von den Grünen –, dass es sich bei Ihrer Politik ganz offensichtlich um eine reine Blockadepolitik handelt! (Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen.) Nochmals: Ihnen geht es nur um eine Blockadepolitik, die Sie mit oppositionellen Floskeln „schmücken“. So glauben Sie, gute Zukunftslösungen verhindern zu können. Das dürfte die Wahrheit sein; dieses Ein­drucks kann ich mich jedenfalls nicht erwehren. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desräten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich habe einige gute Informationen, die ich Ihnen gerne überlassen kann. Es ist ja noch nicht zu spät, man kann sich dem Studium des Ganzen ja noch hingeben. – Jedenfalls würde ich Ihnen dringend raten: Setzen Sie sich mit diesem Thema intensiv aus­einander! Dann werden Sie nämlich sehr schnell erkennen – dessen bin ich mir sicher –, dass es sich bei diesem Reformpaket um eine gute Reform im Sinne des künftigen Flaggschiffs ÖBB handelt!

In diesem Sinne: Stimmen Sie dem zu – und betreiben Sie nicht unentwegt sinnlose Blockadepolitik! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

22.30

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Konrad das Wort.

 


22.30

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Bevor sich mein Vorredner jetzt wieder wundert, warum auch ich nicht verstanden habe, was uns der Herr Staatssekretär jetzt so intensiv in seiner 25-minütigen Rede erklärt hat, möchte ich sagen: Offenbar bin ich nicht die einzige, denn Ihre Argumente konnten auch, wie ich glaube, den Vorarlberger oder niederöster­reichi­schen Landeshauptmann nicht überzeugen. Insofern liegt es, glaube ich, nicht an meiner Intelligenz oder der Intelligenz der Opposition, sondern vielleicht sind die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 196

Argumente einfach nicht ganz so schlüssig, wie Sie glauben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Für mich als Tiroler Vertreterin ist das Thema Verkehr immer besonders brisant. In Tirol leidet die Bevölkerung bereits jetzt – und in Zukunft noch um vieles stärker! – unter dem Ergebnis von politischen Fehlentscheidungen im Verkehrssektor. Nicht ohne Grund haben jetzt sehr viele Menschen die Sorge, dass nach der Straße auch bei der Bahn Verschlechterungen kommen werden. (Präsident Ager übernimmt den Vorsitz.)

Eines stelle ich gleich klar: Natürlich gibt es bei der Bahn Verbesserungsbedarf. Das Wort „Reform“ möchte ich jetzt vermeiden, weil es seit einigen Jahren bei sehr vielen Menschen sehr negativ belegt ist, und das nicht ohne Grund. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Sehr viele Menschen, bei denen in den letzten Jahren reformiert worden sind, sind ziemlich nervös, wenn sie dieses Wort hören.

Reden wir also von Verbesserungsbedarf! Die ÖBB müssen auf jeden Fall trans­parenter werden – keine Frage. Wir wünschen uns auch eine bessere Wettbewerbs­situation, weil sonst eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene nicht wirklich funktionieren kann. Wir wollen mehr Qualität, und wir wollen eine Steigerung der Kundenfreundlichkeit und des Angebots für die Kundinnen und Kunden der ÖBB. – All das sind Ziele, die bei einer Bahnreform im Mittelpunkt stehen sollten. Aber bei dieser Reform ist das eben wieder nicht der Fall.

Ich komme jetzt zu einigen konkreten Kritikpunkten. Zum einen besteht, wie wir schon gehört haben, die Gefahr, dass Bundesländer und Fahrgäste auch in puncto öffent­licher Personennahverkehr unter Druck kommen. Oberösterreich und das Burgenland haben deshalb auch den Konsultationsmechanismus schon ausgelöst. (Staatssekretär Mag. Kukacka: Aber wirklich nicht!)

Es müsste an und für sich allen Parteien ein Anliegen sein, den öffentlichen Nahverkehr zu sichern, aber die Regierung war nicht bereit, in diesem Bereich auf Gesetzesebene auszuschließen, dass es Verteuerungen geben wird.

Weiters: Das Zerteilen der ÖBB führt keinesfalls zu mehr Transparenz – ich weiß nicht, wie Sie auf diese Idee kommen. Der eigentliche Hintergrund dafür dürfte, glaube ich, ein anderer sein.

Im Nationalrat hat der Herr Staatssekretär gemeint, diese Reform befreie die Bun­desbahn von den letzten Fesseln einer Staatsbahn. Diese Formulierung hat mich ein wenig überrascht. Ich kann dieses Feindbild nicht so ganz nachvollziehen, sehr ge­ehrte Damen und Herren.

In einem Staat wie Österreich mit einem solch hohen Lebensstandard ist, glaube ich, Mobilität ein Grundanspruch, den die Bevölkerung haben kann. Das heißt auch, dass der Staat dafür verantwortlich ist, ein funktionierendes Verkehrssystem zu garantieren. Jetzt ist mir schon klar, dass die ÖVP vielleicht nicht so gerne die vielen SPÖler bei den ÖBB sieht und dass sich auch die FPÖ nicht beschweren wird, weil bei vielen neuen Tochterbetrieben auch viele neue Jobs abfallen, aber ganz ehrlich: Solche Moti­vationen sind für den großen Teil der Kundinnen und Kunden nebensächlich, und das muss man auch verstehen. Es sollte doch, bitte, bei den ÖBB um die Kundinnen und Kunden gehen und nicht um Parteien! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Debakel in der Verkehrspolitik haben wir gerade erst präsentiert bekommen: Die Bahn ist nicht nur eine Frage der Wirtschaftspolitik, sondern auch ein fundamental wichtiger Teil der Verkehrspolitik. Solange der Staat Geld in die Straße investiert, ist es auch gerechtfertigt, Geld in die Schiene zu investieren. Die Bahn ist ein wichtiges Transportmittel und eine große Möglichkeit für uns, die Belastung durch den Güterverkehr zu senken. Ich habe jedoch die große


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 197

Befürchtung, dass diese Reform der Bahn und damit auch uns schwer schaden wird. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

22.34

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Hagen. Ich erteile es ihm.

 


22.34

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Nachdem hier schon sehr viel zur Bundesbahnreform erklärt worden ist und die Zeit schon etwas vorgeschritten ist, möchte ich meine Ausführungen kurz halten.

Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen nennen, die eigentlich klare Worte sprechen: 4,4 Mil­liarden € jährlich werden vom Bund den ÖBB zugeschossen. Das Heeresbudget be­trägt im Vergleich dazu im Jahr 1 Milliarde €. Die gesamte Einkommensteuer eines Jahres beträgt 3 Milliarden €. Wenn man das zusammenrechnet, dann kann man sehen: Mehr als das Heeresbudget und die gesamten Einkommensteuereinnahmen lau­fen in den Moloch ÖBB. (Bundesrat Reisenberger: Sie können ja die Abfangjäger auf die Schiene setzen, ...!) Dass dort einiges reformbedürftig ist, ist, glaube ich, jedem verständlich, der die Bahn kennt. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Das ist Ihre Interpretation, nicht meine.

Aber es sind auch andere Punkte, die mir bei der Bahn etwas aufstoßen. Ich bin selbst Beamter und habe sicher keinen leichten Job in der Exekutive, aber wenn ich bei der Exekutive von einem Pensionsantrittsalter von 52 Jahren sprechen würde, dann würde mich jeder für verrückt erklären. (Bundesrat Reisenberger: Musik von gestern!) Aber dort könnte ich es eher noch verstehen, wenn man einen belastenden Wechseldienst hat, als wenn man als Verwaltungsbeamter bei den ÖBB im Büro sitzt und mit diesem Alter in Pension gehen kann. Das kann es nicht sein!

Noch etwas aus der Statistik der ÖBB: Mit über 60 Jahren arbeiten noch 12 ÖBBler und 3 mit über 65 Jahren. – Vergleichen Sie das einmal mit der Privatwirtschaft oder mit anderen Bereichen!

Kollegin Hlavac hat vorhin die Stellungnahme der Vorarlberger Landesregierung zum Ministerialentwurf angesprochen, die negativ ausgefallen ist. Dabei hat es sich um einen Entwurf gehandelt, der beurteilt wurde. Die Vorarlberger Landesregierung hat Bedenken geäußert, diese Bedenken wurden mittlerweile ausgeräumt, und deshalb wird es von den Vorarlberger Bundesräten, soweit ich das beurteilen kann – ich glaube, Kollege Weiss und Kollegin Giesinger sehen das auch so –, eine Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.37

 


Präsident Hans Ager: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile ihm das Wort.

 


22.37

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Landsmann sozusagen, der Herr Staats­sekretär, hat uns hier eine Reihe von Zahlen dargeboten – zum Teil waren sie für mich nicht ganz nachvollziehbar. Die Wahrheit kommt ja oft nicht ganz zutage, wenn man Teile weglässt.

Im Jahr 2001 hat die viel geschmähte Bundesbahn – ich weiß nicht, wo jetzt der Herr Doktor der Rechte von der Uni Linz sitzt, der das vorher so vehement dargestellt hat (Bundesrätin Bachner: Mag. Baier! Dort drüben sitzt er!) – immerhin 122 Millionen € ...


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 198

(Bundesrat Schennach: Landesbediensteter!) Landesbediensteter. Als Demokrat und auf dem Boden dieser Bundesverfassung stehend, habe ich eigentlich ein bisschen ein Problem, wenn man hier eine Art politisches Funktionsverbot haben will. Wenn man sich die Homepage der ÖVP-Bundesräte anschaut, dann stellt man fest: Es kommt mehr als die Hälfte aus einem öffentlich pragmatischen Dienstverhältnis und aus der Landwirtschaft – und damit habe ich auch kein Problem. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Fasching.)

Kollege, Sie fühlen sich angesprochen. Ich habe hier auch kein Problem mit Pensions­regelungen, aber: 1 013 pensionierter Landwirten stehen nur noch 1 000 aktive Land­wir­te gegenüber. Warum hier mit dem Finger dann so auf die Bundesbahn gezeigt wird, weiß ich nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: Was soll diese komische Aufrechnung?)

Aber zurück zum Betriebsergebnis! Zur Abdeckung, Kollege, komme ich noch. (Bundesrat Bieringer: Was Sie damit sagen wollen, will ich wissen!) Bitte? (Bundesrat Bieringer: Was Sie mit der blöden Aufrechnung sagen wollen! – He-Rufe bei der SPÖ.) Nein, nein, ich habe gesagt, ich habe damit kein Problem – Kollege, Sie hören immer nur den halben Satz. Ich habe damit kein Problem, aber Sie offensichtlich schon.

Aber zurück zum betriebswirtschaftlichen Ergebnis der Bundesbahnen: Wir hatten im Jahr 2001 ein betriebswirtschaftliches Plus von 122 Millionen € bei den Österreichi­schen Bundesbahnen! Ich muss sagen: Ich habe großen Respekt vor diesen 47 000 Mitarbeitern! Als Wirtschaftstreibender muss ich nämlich sagen: Das wirkliche Betriebs­kapital sind bekanntlich die Mitarbeiter, und denen ist es gelungen, sogar im Jahr eines tatsächlichen wirtschaftlichen Abschwunges dieses Ergebnis zu erzielen. Die Damen und Herren aus dem Wirtschaftsbereich, die im Handel tätig sind, werden mir bestä­tigen, wie es 2002 wirklich ausgeschaut hat. Trotzdem konnte diese viel geschmähte Bundesbahn, die, wenn man dem Herrn Staatssekretär glauben darf, so reform­bedürftig ist, immerhin ein positives Betriebsergebnis von 125 Millionen € erwirtschaf­ten. Ich meine, dafür müsste es eher einen Applaus für diese 47 000 Bundes­bahnmit­arbeiter geben! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Herr Bürgermeister! Jetzt komme ich dazu, dass diese Bundesbahn eigentlich zu den großen wirtschaftlichen Motoren dieser Republik gehört. Schauen wir uns einmal an, was dort investiert wurde, was an Aufträgen vergeben wurde. Allein der Bereich Absatz hat im Jahr 2002 Aufträge im Ausmaß von 583 Millionen € an die Wirtschaft vergeben, der Bereich Infrastruktur immerhin solche im Ausmaß von 752 Millionen €. Ich meine, dass das eine erkleckliche Summe ist, die da in die Wirtschaft geflossen ist! (Zwi­schenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka.) – Ja, dazu komme ich noch, Herr Staatssekretär.

Jetzt komme ich dazu, was von diesen Beträgen – auf die möchte ich dann noch näher eingehen – wieder an den Staat fließt. Man kann das nicht alles nur aus den Niede­rungen der Betriebswirtschaft sehen, denn ein Betrieb dieser Dimension hat volkswirt­schaft­liche Bedeutung.

Allein das Umsatzsteueraufkommen der Bundesbahnen beträgt 201 Millionen € per anno. Nun zum Lohnsteueraufkommen – vorhin hat jemand zitiert, wie hoch die Lohn­steuer ist, und hat einen Vergleich angestellt; ich glaube, es war der Kollege von der Gendarmerie –: Das Lohnsteueraufkommen der Bundesbahnen lag im Jahre 2002 bei 463 Millionen €. Ich denke: Das muss man einmal auf der Zunge zergehen lassen! Die Energiesteuer, die von der Bundesbahn aufgebracht wurde, lag bei 32 Millionen €.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 199

Jetzt komme ich noch einmal auf den Herrn Bürgermeister zurück, der uns die Quadrat­meter an Gehsteig aufgerechnet hat. Man höre und staune: 15,6 Millionen € betrug allein die Kommunalsteuer, die von den Österreichischen Bundesbahnen aufge­bracht wurde! (Bundesrat Fasching: ... 4,4 Milliarden! Wie kommen die zustande?) – Es stimmt ja nicht einmal das! Ich rechne Ihnen das dann gerne vor. (Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) – Nein, ich bringe Ihnen die Zahlen und Fakten dann gerne.

Die Pensionsbeiträge der Bundesbahnen, die aufgebracht wurden, betrugen 398 Mil­lionen €. Weiters wurden noch – ich weiß, zum Teil ist es ein pragmatisches Dienst­verhältnis – 44,6 Millionen € für die Arbeitslosenversicherung aufgebracht, und die, Herr Staatssekretär, hat man in den letzten beiden Jahren sehr dringend gebraucht, denn eines ist Ihrer Bundesregierung unbenommen: Sie haben sicher den Österreich-Rekord gebrochen, was die Arbeitslosigkeit in unserem Land betrifft! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Jetzt komme ich zu den 4,5 Milliarden €, von denen Sie hier immer reden – ich komme auch noch auf die anderen Pannen zu sprechen. (Bundesrat Fasching: Sie haben nicht so weit! Schauen Sie einmal rüber über die Grenze!) Sie sprechen von 4,5 Mil­liarden €. Ich weiß nicht, wer da so gerne aufrundet; da ist von 4 Milliarden die Rede, auf einmal sind es 4,4 Milliarden, vielleicht ist das auch ein Zahlensturz, Herr Staats­sekretär, denn exakt sind es 3 976 Millionen €. (Bundesrat Bieringer: 5,4!) – So schaut es aus.

Davon sind 2 136 Millionen € gemäß § 2 Bundesbahngesetz – was der Herr Staats­sek­retär abschaffen will (Staatssekretär Mag. Kukacka: Das ist die Defizitab­deckung!) –, das ist die Investition in die Infrastruktur (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka), in die Infrastruktur, ganz richtig. Dann sind Pensionszuschüsse in der Höhe von 1 256 Millionen € – ich habe vorhin schon erklärt, da kann man eigentlich ei­ni­ges gegenrechnen. Es würde mir nicht einfallen, wie Sie mir allerdings unterstellen, das etwa mit der Landwirtschaft gegenzurechnen. Es ist mir zutiefst zuwider, hier eine Bevölkerungsgruppe gegen die andere auszuspielen, ich will nur das Beispiel hier bringen. (Bundesrat Fasching: Sie haben es ja gebracht!)

Dann, Herr Staatssekretär, gibt es einen Zuschuss von 585 Millionen für gemeinwirt­schaftliche Leistungen im Bereich der Schülerfreifahrt, der Pensionisten und dergleichen mehr – und ich glaube, dazu bekennen wir uns alle. Das nehmen viele in Anspruch. Ich könnte Ihnen Wirtschaftskammerfunktionäre nennen, die jetzt in einer Lan­desregierungsfunktion sind, die das auch mit ihren privaten Personenbeför­derungs­unternehmen beanspruchen. Es würde mir auch im Schlaf nicht einfallen, auf diese mit dem Finger zu zeigen und zu sagen: Ja, ... (Bundesrat Bieringer: Aber sagen tun Sie es! – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Wer das ist? – Das ist Ihr bisheriger Präsidenten-Kollege Viktor Sigl, gnädige Frau, der ein Personenbeförderungsunternehmen betreibt, das auch Schüler befördert, so wie die Bundesbahn. Es ist genauso sein Recht, hier gewerblich tätig zu sein wie die Bundesbahn und einen Zuschuss zu beanspruchen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Ja, weil hier offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen wird: hie der private Unternehmer und da die viel geschmähte Bundesbahn! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Eine gewisse Fairness ist hier angebracht, Frau Präsidentin. (Bundesrätin Zwazl: Fair­ness ja, aber nicht ...!) – Ich stelle nur hier Vergleiche an, wertfrei – wertfrei! (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Das war jetzt ein wertfreier Vergleich von zwei Betrieben, ein wertfreier!

Jetzt komme ich zu den Schweizer Bahnen, zu den anderen Bahnen, von denen gesprochen wurde. Die ÖBB haben 47 000 Mitarbeiter, die Schweizer Bahnen haben


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 200

29 267. Da müssen wir aber den Mut haben, Herr Kollege – und das habe ich gemeint damit, wenn hier ein praktizierender Christ, der Wahrheit verpflichtet, und ein, wie ich der Radiosendung „Linzer Torte“ entnehmen durfte, Herr Staatssekretär, prak­tizie­render Humanist ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Ja, dazu komme ich sofort, Herr Doktor.

Jetzt der erste Fakt, Herr Doktor – Sie waren ja Ihr ganzes Berufsleben lang auch den Zahlen verpflichtet –: Die Schweizer Bundesbahnen haben ein Schienennetz, das unge­fähr die Hälfte der Länge jenes der Österreichischen Bundesbahnen ausmacht. Das ist einmal Fakt A.

Fakt B: Diese 29 267 Mitarbeiter verursachen Personalkosten für die Schweizer Bundesbahnen in der Höhe von 2 256 Millionen €. Das sollte man auch einmal sehen! – gerade auch der Kollege aus Linz oder Oberösterreich, der Mitarbeiter der Oberösterreichischen Landesregierung ist und sich den Zahlen so verpflichtet fühlt. (Bundesrat Kneifel: Wolfgang! – Weiterer Zwischenruf.) Bitte, Gottfried, ich habe jetzt nicht dich angesprochen! (Zwischenruf. – Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundes­rat Kneifel: Wie kannst du das sagen? Landesrat Sigl ist kein Eisenbahnunter­neh­mer ...!) – Ein Personenbeförderer! Ein Personenbeförderer!

 


Präsident Hans Ager: Geschätzter Herr Redner! Setzen Sie bitte Ihre Rede fort. Sie können nicht jemand anderem das Wort erteilen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

 


Bundesrat Wolfgang Schimböck (fortsetzend): Herr Präsident, dazu muss ich schon festhalten, dass sich Bundesrat Kneifel das Wort selbst genommen hat – Sie haben es ihm nicht entzogen. (Bundesrat Kneifel: Wolfgang! Wolfgang!) Ja? (Weiterer Zwi­schen­ruf des Bundesrates Kneifel. – Präsident Ager gibt Glockenzeichen.)

Jetzt noch ein Vergleich, um hier diese Differenz darzustellen: Die Personalauf­wen­dungen der Schweizer Bundesbahnen für 29 267 Mitarbeiter sind in absoluten Zahlen um 164 Millionen € mehr, als die Österreichischen Bundesbahnen aufwenden. – Herr Staats­sekretär, man wird sich bei der Bundesbahn freuen, wenn Sie das Schweizer System wollen.

Ich möchte das noch bereichern mit einem Linzer Beispiel: Dort gibt es das TS, das Technische Service – Ihnen noch bekannt als Hauptwerkstätte –, und in dieser Haupt­werkstätte wären die Lohnkosten, würde man das Lohnniveau der Eisenbahner dem Kollektivvertrag der Metallindustrie anpassen, um etwa 30 Prozent höher. – So schaut das aus, die viel geschmähten Lohnkosten der Eisenbahner.

Jetzt komme ich noch zu einem Punkt, was die Konkurrenzfähigkeit betrifft. Dort, Herr Staatssekretär, stehen wir eindeutig auf dem Stockerl, und zwar auf dem ersten Platz, denn: Die Schweizer Bundesbahnen befördern nur 54,9 Millionen Tonnen Güter, die Österreichischen Bundesbahnen jedoch – das muss man sich wirklich gut merken! – 87,2 Millionen Tonnen Güter!

Jetzt kann ich sage: Vergleichen wir das mit Deutschland, mit Polen und so weiter! – alles hochinteressant –, und jetzt geht es darum, das auf die Einwohner umzurechnen. Wenn man das umrechnet, dann kommt heraus, dass die Österreichischen Bundes­bahnen pro österreichischem Einwohner 10,7 Tonnen befördern. Ich habe mir einige Länder herausgesucht: Sogar Großbritannien ... (Staatssekretär Mag. Kukacka: Es geht um die Produktivität, um die Leistung pro Einheit!) Ja, die sind auf dem ersten Platz! – Sogar wenn Sie es mit Großbritannien, aber auch mit Deutschland oder mit Polen vergleichen, dann sehen Sie, dass die Österreichischen Bundesbahnen auf Platz eins sind, was den Güterverkehr betrifft.

Dem Herrn Lopatka ist, als er vom Präsidenten Fiedler kritisiert wurde, eigentlich immer nur eines eingefallen: Wir haben dieses Gesetz von Verfassungsrechtlern, von


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 201

Fachleuten prüfen lassen! – Ich muss ganz ehrlich sagen: Das ist eigentlich ein Ar­mutszeugnis, denn ein moderner Betrieb braucht Betriebswirte, hochkarätige Techni­ker, und bei der Bundesbahn sind das, was den Frachtbereich betrifft, Logistiker, aber sich bei einem Betriebskonzept hinter einem Verfassungsrechtler zu verschanzen, das ist in der österreichischen Betriebswirtschaft wohl einzigartig! (Beifall bei der SPÖ. – Staatssekretär Mag. Kukacka: Sie sagen ja, es sei verfassungsrechtlich bedenklich!) Ja.

Jetzt komme ich abschließend zu einem Punkt, Herr Staatssekretär, der zeigen wird, dass diese Bundesregierung im gesamten Schienenbereich ihre Hausaufgaben nicht macht. Ich habe aus Oberösterreich ein Memorandum zur finanziellen Krise der Pri­vat­bahnen mitgebracht. Es gibt da zwei mittelständische Betriebe in Oberösterreich: Das ist erstens die Linzer Lokalbahn AG und das ist zweitens der Stern & Hafferl Bahn­betrieb, den Sie ja sicher von der eigenen Benützung her kennen.

Nun muss gesagt werden: Die Bundesregierung verabsäumt es seit Jahren, für ein neues Privatbahngesetz zu sorgen. Das Privatbahngesetz läuft zwar mit Jahresende aus, aber es wurde bislang nur ein Entwurf vorgelegt. Ich kann Ihnen sagen, dass man, wie der Chef der Firma Stern & Hafferl Verkehr Herr Dipl.-Ing. Döderlein, der auch der Fachgruppenvorsteher ist, mitteilte, jetzt in der prekären Lage ist, dass im Privatbahnbereich in Oberösterreich 2004 insgesamt 3,23 Millionen € fehlen. Der Löwenanteil betrifft den Stern & Hafferl-Bereich, und bei den Linzer Lokalbahnen sind es 1,78 Millionen €.

Ich muss sagen: Es ist meiner Meinung nach schon ein wenig grob fahrlässig, wenn die Bundesregierung da untätig ist und ab 1. Jänner eigentlich keine Möglichkeit gegeben ist, Mittel für die Schieneninfrastruktur zu beanspruchen. Das steht vielleicht nicht ganz so heftig hier in diesem Memorandum, von dem ich Ihnen auch ein Exem­plar mitgeben darf, mit der Bitte um Weitergabe an den Herrn Bundesminister für Ver­kehr, denn mit diesen Betrieben verhandelt politisch niemand, das hat man auf die Beamtenebene abgeschoben.

Es wird so aussehen, dass man, wenn man mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kauf­man­nes vorgeht, Mitarbeiter aus diesem Bereich im Jänner, Februar zur Kündigung dem Arbeitsamt wird melden müssen, und wenn sich dann nichts tut, wird man sogar den Weg zum Konkursrichter gehen müssen. (Staatssekretär Mag. Kukacka: ... Das ist ja eine Märchenstunde!) Diese „Märchenstunde“, wie Sie es nennen, Herr Staats­sekretär, darf ich Ihnen jetzt abschließend nicht in Form eines Märchenbuchs, sondern von zwei bescheidenen Blättern, zusammengefasst vom Herrn Universitätsdozenten Dr. Friedrich Klug, seines Zeichens Geschäftsführer der Linzer Lokalbahnen AG, überreichen und Sie bitten, ein Exemplar an den Herrn Bundesminister weiterzugeben.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte Sie, auch die Zahlen, die ich jetzt genannt habe, einmal zu überdenken!

Wenn ich mir die Ausführungen, die der Herr Staatssekretär hier als Humanist gemacht hat, vergegenwärtige, dann muss ich sagen: Es kommen mir eigentlich all diese seine Reden so ähnlich vor wie die berühmte Rede, die, nachdem man alles Mögliche vorgebracht hat, geendet hat mit den Worten: Aber Karthago muss vernichtet werden! So ähnlich hört sich für mich Ihr Naheverhältnis zu den Schienenbahnen an, Herr Bundesminister! – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

22.55

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Lindinger. Ich erteile ihm dieses. (Der Redner kommt mit einer Uniformkappe, die mit einem schwar­zen Streifen versehen ist, zum Rednerpult und platziert sie auf diesem.)

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 202

22.55

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Diese rote Kappe trägt einen Trauerflor. Den Grund dafür werde ich in meiner Rede hier erläutern, aber davor ein Wort zum Kollegen Mag. Bernhard Baier.

Herr Kollege, wir haben eines gemeinsam: Wir sind (Bundesrat Dr. Kühnel: Beide für Reformen!) in dieselbe Hauptschule in Strobl am Wolfgangsee gegangen – das haben wir, wie gesagt, gemeinsam –, aber Sie dürften den falschen Lehrer gehabt haben. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Franz Gruber: Bist ein paar Mal sitzen geblieben? – Heiterkeit bei der ÖVP.)

Herr Kollege Baier, als Sie das Licht der Welt erblickten, habe ich schon als Fahr­dienstleiter Dienst gemacht, und zwar Nachtdienst, Sonn- und Feiertagsdienst, Schicht­dienst. (Bundesrat Dr. Kühnel: In St. Wolfgang?) Nein, nicht an der Schaf­bergbahn, Herr Kollege, sondern an einer Hauptbahn in meiner jetzigen Gemeinde, und zwar an der Pyhrnbahn, die auch sanierungsbedürftig ist, Herr Staatssekretär. (Staatssekretär Mag. Kukacka: Werden wir auch noch hinbringen!) Werden wir auch noch hinbringen, meinen Sie. Wenn die A 9 durchgeht, dann werden wir die Pyhrnbahn sanieren.

Geschätzte Damen und Herren! Trauer ist angesagt, denn hier sind die Totengräber der ÖBB am Werk. Diese Bundesregierung hat sich zum Kaputtsanierer erklärt oder vielleicht die ÖBB als Selbstbedienungsladen gesehen. (Staatssekretär Mag. Ku­kacka: Das war bei Ihnen so!) Ich werde das auch noch genau erläutern, warum ich das hier sage.

Es ist heute schon viel gesagt worden über Privilegien, über Zuschussbedarf, über Dienstrecht, über Pensionsrecht, daher möchte ich über diese Details hier kein Wort mehr verlieren, sondern feststellen: Diese Bundesregierung nützt diese ihre Gelegen­heit, in einer Geschwindigkeit, die sagenhaft ist (Bundesrat Bieringer: Da kommt ihr nicht mehr mit!), alles bei den Österreichischen Bundesbahnen zu verscherbeln, was nicht niet- und nagelfest ist! (Bundesrat Dr. Kühnel: Bitte, was habt Ihr denn bisher verkauft?)

Am 11. Dezember war ein Anruf eines Journalisten bei mir im Büro, und dieser Journalist fragte mich, ob ich wisse, dass die ÖBB Liegenschaften veräußere. Meine Antwort darauf lautete: Nein, das weiß ich noch nicht! Wahrscheinlich wird sie die nicht brauchen!

Es ist ja kein Problem, dass Liegenschaften veräußert werden, die nicht gebraucht wer­den, meine Damen und Herren, aber die Frage ist die: Wie geht man bei so einem Verkauf vor? – Es weiß vielleicht der Innungsmeister-Stellvertreter der Immobilien­treuhänder von Oberösterreich, Herr Dr. Georg Spiegelfeld, wie man beim Verkauf von Liegenschaften vorgeht. Stichwort: vertraulich! Also Sie, Herr Dr. Spiegelfeld, können uns als Innungsmeister-Stellvertreter sicherlich anschließend hier einiges dazu sagen. Ich will darüber kein Zwiegespräch führen, sondern darf Sie ersuchen, dass hier allen Bundesräten zu sagen.

Ich habe dann von diesem Journalisten eine Liste von Immobilien, von Liegenschaften in ganz Oberösterreich, die zum Verkauf angeboten wurden, bekommen. Natürlich kenne ich mich bei den Abteilungen doch noch einigermaßen aus, obwohl ja alle paar Wochen Strukturveränderungen durchgeführt werden. Ich habe mich bei der Abteilung Immobilien und Recht informiert, wie vertraulich denn solche Listen sind und wer den Auftrag dafür gegeben hat. Im Vertrauen hat man mir gesagt, dass diese Listen als streng geheim eingestuft werden. Dann habe ich gefragt: Wer kennt diese Liste? – Die Antwort hieß: Ich und mein Chef und der Auftraggeber.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 203

Ja wer war denn der Auftraggeber dieser Liste der Top-Liegenschaften, auf der steht, wo sich die Liegenschaft befindet, welche Widmung dafür vorgesehen ist, ob die Lie­genschaft kurzfristig, mittelfristig oder langfristig verkauft werden soll, ob Kosten und Vorleistungen mit der Liegenschaft verbunden sind, was im Hinblick auf die Verwert­barkeit interessant ist, welche potentiellen Nettoerlöse zu erwarten sind? All das findet sich auf dieser Liste.

 

Das ist natürlich sehr interessant für jene Menschen, die Geld dafür haben, Liegen­schaften zu erwerben, wenn der Verkäufer sagt, was er mindestens an Ertrag aus dieser Liegenschaft haben möchte. Dann ist der Verhandlungsspielraum schon sehr eng.

Wer hat denn diese Liste in Auftrag gegeben, meine Damen und Herren? (Staats­sekre­tär Mag. Kukacka: Prinzhorn!) – Nein, eine dem Herrn Prinzhorn sehr nahe stehende Person: Die ehemalige Infrastrukturministerin hat diese Liste in Auftrag gegeben. (Bun­desrat Konecny: Wow!) Wow! – Ja wer wird denn diese Liste den Medien zur Ver­wendung zuspielen? – Der Beamte, der sie erstellt hat, dessen Vorgesetzter oder jemand aus dem Büro, von wo der Auftrag gekommen ist.

Meine Damen und Herren! Die Eisenbahn darf nicht zum Spielball von Spekulanten werden! Die Eisenbahn beziehungsweise diese Topliegenschaften dürfen nicht unter einigen Freunden verscherbelt werden! Geschätzte Damen und Herren, mit solchen Maßnahmen haben sich die Verantwortlichen die rote Karte verdient! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

23.02

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Professor Albrecht Konecny. Ich erteile es ihm.

 


23.02

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich stelle mit Interesse fest, dass den Regierungsparteien eines von zwei Dingen ausgegangen sein muss: entweder die Argumente oder die Redner – Sie können es sich aussuchen. Es hat seit geraumer Zeit keinen Versuch gegeben, das Unrechtfertigbare zu rechtfertigen. Es hat keinen Versuch, außer in ein paar Zwischenrufen, gegeben, dieses für das österreichische Infrastruktursystem und nicht nur für die Beschäftigten der Bahn im wahrsten Sinn des Wortes lebens­gefähr­liche Projekt zu rechtfertigen.

Es ist dankenswerterweise schon darauf hingewiesen worden, dass diese Bundes­regierung es zuwege gebracht hat, ein Vokabel, das einmal Ausdruck von Hoffnung war, nämlich das Wort „Reform“, zu einer gefährlichen Drohung werden zu lassen. Wer immer in diesem Land von Reform bedroht wird, macht sich zu Recht Sorgen um seinen Job, um sein Einkommen, um die Sicherheit der Zukunft. Praktisch all jene Re­formen, die Sie tatsächlich schon beschlossen haben, haben die in sie gesetzten Er­wartungen – nicht Ihre, sondern die der Betroffenen! – mehr als erfüllt.

Man hat Ihnen nachgesagt, Herr Staatssekretär  ich weiß nicht, ob das gestimmt hat –, Sie seien ein Bahnhasser. Nach dem, was Sie uns heute hier erzählt haben, bin ich geneigt, dieser Einschätzung zu folgen. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka.) – Nein, mit dem lieben Gott hat das gar nichts zu tun, Herr Staats­sekretär! Es ist einfach eine wirklich erschrockene Beurteilung Ihrer Ausführungen.

Da gibt es Menschen – und einige davon, und ich bin stolz darauf, gehören meiner Fraktion an –, die einen schwierigen, je nach Verwendung auch gefährlichen Dienst mit wahrlich nicht sensationellen Entgelten, auch im Dienste der Gemeinschaft, versehen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 204

denen Sie in einer Art und Weise, die wirklich beleidigend ist, die Motivation, die Qua­lifikation und die Fähigkeit, zu verstehen, was Sie für „großartige“ Pläne haben, ab­sprechen.

Herr Staatssekretär! Das ist nicht die Motivation von Mitarbeitern, über die wir uns heute schon mit einem anderen Regierungsmitglied unterhalten haben!

Ich habe mit wirklichem Entsetzen gemerkt, dass auch in dieser Diskussion – es war heute das dritte oder vierte Mal – gesagt wurde, dass die Mitarbeiter gefälligst den Mund zu halten haben. Wir haben das heute vom Herrn Minister Bartenstein gehört. Wissen Sie, da gruselt es mir, wenn Sie und Kollegen von der ÖVP dann, wenn Bundesbahner über ihr Lebensumfeld und über den Beruf, den sie ausüben, und das Unternehmen, das sie kennen, sachkundig etwas sagen, ihnen mangelnde Loyalität, sicherlich nicht mangelnde Wendigkeit, vorwerfen. Das ist ein neuer Ton!

Ich habe es schon einmal heute gesagt: Die Betriebe sind überall auf der Welt im Wirt­schaftsleben die erfolgreichsten, in denen die Geschäftsführung, ob es jetzt eine kommerzielle oder eine politische ist, auf ihre Belegschaft zu hören bereit ist, auf sie zugeht und sich so etwas wie eine Partnerschaft entwickelt. Die Betriebe, die in Schwierigkeiten geraten, sind jene, wo das nicht der Fall ist.

Sie sind im Begriff – Sie reden dann wieder von Macht und Privilegien –, ein gutes Ver­hältnis zwischen Management, der Betriebsführung und den Beschäftigten bei den Österreichischen Bundesbahnen zu zerstören. (Beifall bei der SPÖ.)

Niemand hat gesagt, dass es bei den Bundesbahnen nichts zu verbessern gibt. Das wäre eine ziemlich lächerliche Behauptung. Das wäre für jeden Bereich des öffent­lichen und privaten Lebens eine lächerliche Behauptung. Wir sind fortwährend – und das gilt für die ÖBB genauso – aufgerufen, besser zu werden, unsere Aufgaben besser zu erfüllen. Aber diese Degradation haben sich weder das gegenwärtige Management der Bundesbahn noch die Beschäftigten verdient.

Der internationale Vergleich – und dazu wurden aussagekräftige Daten genannt – zeigt, dass diese Bundesbahn eine der guten Bahnen Europas ist, in manchen Be­reichen den Spitzenplatz innehat und dass eine Reihe von so genannten Reformen in anderen Staaten, die man durchaus als konsequente Fortsetzung dessen verstehen kann, was Sie jetzt einleiten, wirklich in die Bredouille geführt hat – bis hin zu Bahnen, die ihre Kunden vor allem mit einem bedient haben, nämlich mit gefährlichen Unfällen.

Die zweite Sache, die einfach noch gesagt werden muss, ist, dass vom Nationalrat, wie immer bei solchen Fällen im letzten Aufwaschen, die Absätze 11 und 12 im § 54 eingefügt wurden, die eine Beleidigung all jener Grundsätze darstellen, nach denen aus guten Gründen in Österreich Führungskräfte bestellt werden.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eines Rechtsstaates würdig ist, dass man ohne Ausschreibung bei der Wiederbestellung von Personen in bestimmten Gesellschaften agieren kann. Wir sind stolz darauf – und ich kann mich düster erinnern, dass das ein Gemeinschaftswerk mit vielen gegenseitigen Vorwürfen aller Fraktionen war –, dass wir für die grundsätzliche Ausschreibungspflicht bei Leitungsfunktionen gesorgt haben, und ich halte es für einen verdächtigen Rückschritt, wenn das jetzt im Einzelfall wieder außer Kraft gesetzt wird.

Das Argument, dass das jetzt alles schnell gehen muss, ist nicht mehr als eine in den Raum gestellte Behauptung. Sie sind mit diesem Gesetz nach drei Jahren Regie­rungszeit ins Parlament eingerückt; Sie sorgen mit Ihrer Mehrheit dafür, dass es vor dem 1. Jänner immerhin beschlossen ist. Und was die Frage betrifft, ob dieser Unsinn zwei Monate früher oder später beginnt, so kann Letzteres für das Unternehmen nur


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 205

gut sein. Aber selbst dann, wenn Sie von Ihren Plänen überzeugt sind, macht das nicht den Unterschied aus.

Das Dritte, was ich Ihnen sagen möchte, ist, dass es bestürzend ist, wie wenig Sie in einen Dialog mit all jenen einzutreten bereit sind, die aus höchst unterschiedlichen Grün­den – von denen die meisten wahrlich nicht parteipolitisch motiviert sind – zu diesem Thema etwas kritisch anzumerken haben.

Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ haben bereits auf die Stellungnahmen von Landesregierungen hingewiesen: von der Salzburger Landesregierung, der Tiroler Lan­desregierung, der Kärntner Landesregierung, der niederösterreichischen Landesregie­rung und der Vorarlberger Landesregierung. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Und es gibt auch eine von der oberösterreichischen!)

Sorry, diese ist in meiner Aufstellung nicht enthalten, aber ich nehme das mit Freude zur Kenntnis. (Zwischenbemerkung des Staatssekretärs Mag. Kukacka.) – Das ist ein Irrtum. Schauen Sie, es kommt auf die Brille an! Sie haben die rosarote Brille auf, vermutlich interpretieren Sie auch meine Rede als positiv. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber ich möchte darüber hinaus auf einen einstimmig gefassten Beschluss der Lan­deshauptleutekonferenz verweisen. (Bundesrat Schennach: Oho!) Das sind neun Menschen, und wenn ich das politisch richtig zuordne, gehören sieben davon Regie­rungsfraktionen an – sechs allein der ÖVP –, und es sind tatsächlich auch zwei so „bö­se“ Sozialdemokraten darunter – das lässt sich leider in der Demokratie nicht ver­meiden, Herr Staatssekretär! (Bundesrätin Bachner: Sonst hätten wir sie eh nicht mehr!) Ja. (Bundesrat Dr. Kühnel: Ist das eine Selbstqualifikation?)

Nein, aber die Art und Weise, wie der Herr Staatssekretär und andere Sprecher Ihrer Fraktion heute mit dissenting opinions umgegangen sind, hat mich sehr empfindlich gemacht. Ich gebe das offen zu, und ich werde eine Weile brauchen, um diesen Eindruck wieder loszuwerden. Die Weihnachtsfeiertage werden das erleichtern. (Bun­desrat Dr. Böhm: ... Weihnachtsamnestie!)

Die Landeshauptleutekonferenz hat also am 1. Dezember – also nicht in prähistori­schen Zeiten, nicht über irgendeinen unqualifizierten Vorentwurf urteilend, sondern über das Gesetz, das zu beschließen uns heute zugemutet wird – folgenden Beschluss gefasst:

„Die Landeshauptmännerkonferenz tritt dafür ein, dass vor Beschlussfassung des Bun­desbahnstrukturgesetzes 2003 mit den Ländern – im Hinblick auf die im besonderen Maße betroffenen Länderinteressen – eine eingehende Beratung unter Einbeziehung von Experten erfolgt.

Die Landeshauptmännerkonferenz fordert, dass die den Ländern durch das Bundes­bahnstrukturgesetz 2003 entstehenden Kosten durch den Bund ersetzt werden und dass die beabsichtigten Einsparungen nicht auf Kosten der Länder gehen dürfen.“

Wir schreiben immer noch, zumindest noch eine Dreiviertelstunde lang, den 18. De­zember. In diesen 17 Tagen hat es die von den Landeshauptleuten geforderte einge­hende Beratung mit ihnen nicht gegeben, Herr Staatssekretär. Es hat sie selbstver­ständlich nicht vor der Beschlussfassung im Nationalrat gegeben, und es hat sie ganz offensichtlich auch nicht vor der in Aussicht genommenen Beschlussfassung im Bun­desrat gegeben.

Nun sind wir, meine Damen und Herren, die Länderkammer in diesem Land, und wir haben viele feierliche und weniger feierliche Anlässe gehabt, wo Sprecher aller


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 206

Fraktionen die enge Verbundenheit – ihre persönliche oder als Gruppe – mit der politi­schen Willensbildung in ihrem jeweiligen Bundesland betont haben.

Gibt dieser einstimmige Beschluss der Landeshauptleutekonferenz niemandem von den Regierungsfraktionen zu denken? Ist es nicht so, dass wir als die Länderkammer uns erst dann überhaupt mit diesem Gesetz befassen sollten – geschweige denn, ihm zu­stimmen sollten –, wenn diese Aussprache in einer befriedigenden Art und Weise stattgefunden hat?

Die sozialdemokratischen Bundesräte haben im Ausschuss einen Einspruchsantrag vor­gelegt, in dem wir unsere wohl begründeten und heute durchaus wiederholten sach­lichen Argumente gegen diese Reform zusammengefasst haben. Dieser Einspruchs­antrag ist mit Ihrer Mehrheit abgelehnt worden.

Wir haben uns daher entschlossen – und das ist mehr als ein Stückchen Taktik zu spä­ter Stunde –, Ihnen die Möglichkeit zu bieten, Herr Staatssekretär – ich würde sa­gen, sozusagen innerhalb offener Frist –, diese Besprechung, eingehende Beratung unter Einbeziehung von Experten mit den Landeshauptleuten durchzuführen.

Wir schlagen Ihnen einen Einspruch vor, der ausschließlich und allein auf diese Ein­wände der Landesregierungen abstellt.

Wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, diesem Ein­spruchs­antrag zustimmen, dann unterschreiben Sie kein einziges unserer sachlichen Argumente. Sie stimmen für einen Einspruch, der in der Verfassungspraxis Österreichs nichts anderes bedeuten kann, als dass das Gesetz in den Nationalrat zurückgeht.

Sie können dort mit der Mehrheit, die sich ja über Weihnachten nicht ändert – das wür­de ich mir wünschen, aber das kriege ich nicht vom Christkind –, dieses Gesetz erneut beschließen. Aber Sie geben dem Herrn Verkehrsminister und seinem Staatssekretär – wer immer sich da angesprochen fühlt – die Gelegenheit, einer Forderung unser aller Landeshauptleute nachzukommen. Ich glaube, dass dies wert ist, sich das ernsthaft zu überlegen.

Ich stelle also namens der sozialdemokratischen Bundesräte den Antrag, im Rahmen des Einspruchsrechtes des Bundesrates gegen den Gesetzesbeschluss des National­rates betreffend das Bundesbahnstrukturgesetz 2003 Einspruch zu erheben.

Wenn Sie dazu nicht ein gutes Argument haben – Sie sind eingeladen, es vorzubrin­gen – oder wenn Sie dazu nicht ja sagen, dann weiß ich nicht, mit welchem Recht Sie ein nächstes Mal das Wort „Föderalismus“ in den Mund nehmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

23.18

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Mag. Ku­kacka. Ich erteile dieses.

 


23.18

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf einige Punkte, die meine Vorredner angesprochen haben, eingehen.

Erstens einmal ist gesagt worden, wir, die Regierung, hätten im Zuge unserer Reform­bemühungen sozusagen die Eisenbahner diffamiert oder an den Pranger gestellt. (Bundesrat Konecny: Das kann man ja dem Protokoll entnehmen! – Bundesrat Kraml: Laufend, Herr Staatssekretär!)

Ich halte hier eindeutig fest, meine Damen und Herren: Es muss auch der Regierung möglich sein, die Wahrheit zu sagen (Bundesrat Kraml: Aber ohne Diffamierung!) und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 207

zum Beispiel aus den Rechnungshofberichten zu zitieren. All das, was hier unter „Pri­vilegien“ – unter so genannten Privilegien, sage ich – diskutiert und in die Öffentlichkeit gebracht wurde (Bundesrat Boden: Sind gar keine! Das sind gar keine Privilegien!) und bezüglich dessen dann der Auftrag an die Sozialpartner ergangen ist, genau das im Rahmen der Dienstrechtsverhandlungen neu zu regeln, ist in den Rechnungs­hof­berichten, die diesem Haus vorliegen oder noch vorgelegt werden, nachzulesen.

Ich halte fest: Im letzten Rechnungshofbericht steht, dass trotz Personalabbaus der Per­sonalaufwand im Juni 2002 gleich hoch war wie 1993 – obwohl in dieser Zeit über 10 000 Mitarbeiter abgebaut wurden!

Es wird weiters festgehalten und kritisiert, dass das Pensionsantrittsalter in den letzten Jahren nicht angestiegen, sondern auf 52,2 Jahre gesunken ist, dass 74 Prozent der Eisenbahner in die Frühpension gehen – ein um ein Dreifaches bis Vierfaches höherer Anteil als in anderen Bevölkerungs- und Arbeitnehmergruppen (Bundesrat Reisen­berger: Das hat vielleicht mit der Arbeit etwas zu tun!) –, dass der Eigenfinanzie­rungs­grad der ÖBB-Pensionen einen Bundeszuschuss von 71 Prozent erfordert (Bundes­rätin Dr. Hlavac: Und wie ist das bei den Bauern?), obwohl dieser in anderen Be­reichen, im ASVG-Bereich nur zwischen 15 und 20 Prozent beträgt. (Bundesrat Ko­necny: Da müssen Sie aber zuerst den fiktiven Arbeitgeberbeitrag wegrechnen! Das ist ja absurd!)

Meine Damen und Herren! Das alles sagt der Rechnungshof. Er kritisiert ... (Ruf bei der SPÖ: Das sind halbe Wahrheiten!) – Nein, das ist nicht die halbe Wahrheit. (Bun­desrat Konecny: Das ist nicht einmal die halbe Wahrheit!) Sie müssen eben auch lernen, die ganze Wahrheit zu ertragen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Der Rechnungshof kritisiert die Krankenstände: 26 Kalendertage Krankenstand pro ÖBB-Bediensteten (Bundesrat Konecny: Herr Staatssekretär, das haben Sie schon 14-mal erklärt bekommen! Aber es nützt ja nichts!); normalerweise, im ASVG-Bereich, 13 Tage Krankenstand pro Jahr, meine Damen und Herren.

Das sind die Punkte, die vom Rechnungshof kritisiert wurden und die auch geregelt werden müssen – das ist überhaupt keine Frage. Akzeptieren Sie das doch! Sie kom­men ja auch sonst mit dem Rechnungshof und mit der Kritik des Rechnungshofes – aber da passt es Ihnen nicht, also wird das verschwiegen oder auf die Seite gekehrt. Das werden wir nicht akzeptieren, das ist unfair! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bun­desrates Dr. Böhm.)

Deshalb geht es überhaupt nicht darum, irgendjemanden an den Pranger zu stellen, und wir sind auch nicht der Meinung, dass der durchschnittliche Eisenbahner zu viel verdient, sondern es geht darum, dass dieses System Eisenbahn aufgebrochen wird (Bundesrätin Dr. Hlavac: Das „System Eisenbahn“?) und dass dort in Zukunft jene Zustände herrschen, die auch in anderen österreichischen Unternehmen üblich und rechtmäßig sind, meine Damen und Herren.

Ich möchte auch darauf hinweisen – ohne dass ich damit in irgendeiner Weise die Leistung der ÖBB mindern oder gar abqualifizieren möchte –, dass es einfach nicht richtig ist, wenn gesagt wird, wir sind die Ersten im Güterverkehr. – Ja, was die trans­portierte Tonnage betrifft, aber, meine Damen und Herren, es kommt doch auch darauf an, dass die Produktivität gemessen wird, das heißt, dass die Leistung auch in ein Ver­hältnis zur Anzahl der Personen, die sie erbringen, gestellt wird. Und da sind wir dann eben nicht mehr an der ersten Stelle im Güterverkehr – das können Sie in allen öster­reichischen und europäischen Vergleichsstudien nachlesen –, sondern da sind wir nur mehr an fünfter Stelle beim Güterverkehr in Europa. Und beim Personenverkehr sind wir dann nicht mehr an dritter Stelle, sondern nur mehr an zwölfter Stelle. Und das


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 208

allein sind die maßgeblichen wirtschaftlichen Kriterien, wie solche Untersuchungen und Statistiken zu führen sind, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm.)

Und glauben Sie mir, die Manager bei den ÖBB wissen das ganz genau, und die neh­men auch nicht Zuflucht zu solchen Argumenten. Und weil wir gerade von den Mana­gern reden, möchte ich auch auf Folgendes hinweisen: Wenn Sie das „Wirtschafts­Blatt“ vom 12. Dezember dieses Jahres gelesen hätten – was Sie nicht getan haben –, dann hätten Sie dort ein sehr interessantes Interview lesen können (Bundesrat Reisen­berger: ... unterstellen! Sie glauben wirklich, Sie haben sie gepachtet, die Wahrheit! Das ist eine Frechheit, so etwas!), und zwar mit dem Chef des Güterverkehrs, Herrn Dr. Scharinger, der Ihnen vielleicht auch bekannt ist, vielleicht auch als Mitglied der SPÖ. Er war nämlich auch viele Jahre hindurch SPÖ-Vizebürgermeister in Bad Schal­lerbach.

Und was sagt Herr Dr. Scharinger, der im Übrigen – das bestreite ich überhaupt nicht – ein qualifizierter Manager bei den ÖBB ist? – Er sagt erstens einmal: Der Streik bei den ÖBB hat uns schwer getroffen und schwer geschadet. (Bundesrat Konecny: Ja, sicher!) Ich hoffe nur, dass es einen solchen Streik nicht mehr gibt und dieser eine einmalige Angelegenheit bleibt. (Bundesrat Konecny: Das liegt an Ihnen, Herr Staats­sekretär!) – Meine Damen und Herren, das sagen Ihre Manager (Ruf bei der SPÖ: Ihnen sagen Sie es, nicht der Gewerkschaft!), weil sie wissen, welch nachteilige Folgen das für das Unternehmen und die dortigen Mitarbeiter hat.

Und dann sagt er noch etwas sehr Interessantes, meine Damen und Herren, nämlich dass er sehr zufrieden ist mit der kürzlich im Nationalrat beschlossenen neuen ÖBB-Struktur. Das sagt ein SPÖ-Mitglied, ein führender Funktionär Ihrer Partei, aber auch ein guter Manager! Er sagt: Jawohl, diese neue Struktur wird dem Güterver­kehrs­be­reich neue Wachstumsimpulse geben. Mit eigener Rechtspersönlichkeit wird unsere Flexibilität sicher größer werden als zuletzt. (Bundesrat Reisenberger: Was sagen Ihre Landeshauptleute, die ÖVP-Landeshauptleute? – Schweigen im Walde!) – Er sieht also eine große Chance für die Bahn und für seinen Bereich.

Meine Damen und Herren! Nehmen Sie sich ein Beispiel! Fragen Sie Ihre eigenen Leute, fragen Sie Herrn Dr. Draxler und Herrn Dr. Scharinger! Das sind Leute, die Er­fahrung haben in diesem Bereich, die aus diesem Metier kommen und die ganz genau wissen: Zu dieser Reform gibt es keine vernünftige Alternative! (Beifall bei der ÖVP.)

Weiters, meine Damen und Herren, würde ich Sie auch ersuchen, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich selbstverständlich das, was im Nationalrat beschlossen wurde, gegenüber dem, was ursprünglich in die Begutachtung gegangen ist, in einigen Punk­ten deutlich verändert hat. (Bundesrat Konecny: Aber nicht seit dem 1. Dezem­ber!) Wir sind hier auf einige Anregungen und Vorschläge eingegangen, weil wir sie richtig und notwendig gefunden haben. (Ruf bei der SPÖ: Aber erst nach dem Streik!) Deshalb ist ein Großteil der Einwendungen, die im Begutachtungsverfahren gekommen sind, überhaupt nicht mehr zielführend und auch nicht mehr relevant, und sie würden auf Grund dieses neuen Gesetzestextes auch gar nicht mehr kommen. Das trifft gerade auch für viele der Einwände zu, die aus den Ländern gekommen sind, meine Damen und Herren.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass auf Grund dieses Beschlusses der Landes­haupt­leutekonferenz Herr Bundesminister Gorbach und ich an diese Landeshauptleute einen Brief geschrieben haben, in dem wir noch einmal festgehalten haben (Bundesrat Reisenberger: Parteiintern!), dass genau ihre Bedenken im Ausschuss ... (Bundesrat Reisenberger: Parteiintern! Von Parteifreund zu Parteifreund!) – Nein, nicht partei-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 209

intern, sondern selbstverständlich an alle Landeshauptleute, auch an jene, die Ihrer Par­tei angehören, meine Damen und Herren.

In diesen Ausschussverhandlungen im Parlament wurde ausdrücklich festgehalten, dass für die von ihnen geäußerten Befürchtungen kein Anlass besteht (Bundesrat Ko­necny: Die Landeshauptleutekonferenz hat keine „Befürchtungen“!), dass die Bundes­regierung in den im Zuge dieses Gesetzes stattgefundenen Parteienverhandlungen aus­drücklich erklärt hat, dass die Strukturreform keine nachteiligen Veränderungen im Personennahverkehr haben wird (Bundesrat Konecny: Davon haben die Landes­haupt­leute nicht gesprochen!), insbesondere keine Leistungseinschränkungen verur­sachen wird und auch keine zusätzlichen Mittel von den Gebietskörperschaften für bereits bestehende Nahverkehrsleistungen bereitgestellt werden müssen. Und die jetzt bestehenden Verkehrsverträge zwischen ÖBB und Gebietskörperschaften bleiben für die entsprechende Laufzeit auch unverändert aufrecht.

Auch das beabsichtigte Bahn-Einsparungspotential von rund einer Milliarde € bis zum Jahr 2010 wird selbstverständlich nicht auf Kosten der Länder gehen und nicht durch Einschränkungen im Verkehrsangebot erzielt, sondern laut Planrechnungen der ÖBB durch bahninterne Rationalisierungsmaßnahmen erreicht.

Die von der Landeshauptleutekonferenz vorgetragenen Befürchtungen sind deshalb nach Meinung des Ressorts nicht berechtigt. Vielmehr können wir alle davon ausge­hen, dass sich aus dem Bundesbahnstrukturgesetz 2003 keinerlei zusätzliche Kosten für die Gebietskörperschaften ergeben werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­räten der Freiheitlichen.)

Das, meine Damen und Herren, ist eine ganz klare und eindeutige Festlegung und auch ein Bekenntnis, und man wird uns dabei natürlich auch entsprechend kontrollie­ren und überprüfen und vor allem beim Wort nehmen können.

Deshalb glaube ich auch, Herr Kollege Konecny, dass Ihre Befürchtungen in keiner Weise zutreffen und es deshalb auch nicht notwendig ist, dass Sie aus diesem Grund dem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheit­lichen.)

23.30

 


Präsident Hans Ager: Der von den Bundesräten Professor Albrecht Konecny, Kolle­gin­nen und Kollegen eingebrachte Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates im Rahmen des Einspruchsrechts samt der gemäß § 43 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt zunächst ein Antrag der Bundesräte Prof. Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates samt der ange­schlossenen Begründung im Rahmen des Einspruchsrechts Einspruch zu erheben. Dazu ist namentliche Abstimmung verlangt worden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 210

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten unterstützt wurde, ist gemäß § 54 Absatz 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Absatz 5 erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schrift­führung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Schicker und Giesinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten bekannt.)

 


Präsident Hans Ager: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden unter Aufsicht der Schrift­füh­rerinnen die Stimmenzählung vornehmen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor.)

 


Präsident Hans Ager: Ich gebe nunmehr das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag der Bundesräte Prof. Konecny, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Gesetzesbeschluss betreffend das Bundesbahnstruktur­gesetz 2003 Einspruch im Rahmen des Einspruchsrechts zu erheben, 26 „Ja“-Stimmen und 32 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag auf Erhebung eines Einspruchs der Bundesräte Prof. Konecny, Kolleginnen und Kollegen im Rahmen des Einspruchsrechts ist somit abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesräte:

Auer;

Bachner, Binna, Boden;

Ebner;

Giefing, Gumplmaier;

Haselbach, Hlavac;

Kaltenbacher, Kerschbaum, Konecny, Konrad, Kraml;

Lichtenecker, Lindinger;

Molzbichler;

Reisenberger;

Schennach, Schicker, Schimböck, Schlaffer, Stadler;

Todt;

Wiesenegg, Winter.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesräte:

Ager;

Bader, Baier, Bieringer, Böhm, Bogensperger;

Diesner-Wais;

Fasching, Fröhlich;

Gansterer, Giesinger, Gruber Franz, Gudenus;

Hagen, Himmer, Höfinger, Hösele;

Kanovsky-Wintermann, Klamt, Kneifel, Kühnel;


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 211

Liechtenstein;

Roth-Halvax;

Saller, Schnider, Spiegelfeld-Schneeburg;

Tiefnig;

Weilharter, Weiss, Wimmler, Wolfinger;

Zwazl.

*****

 


Präsident Hans Ager: Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Aus­schusses für Verkehr, Innovation und Technologie, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben. Auch hiezu ist namentliche Abstimmung verlangt wor­den.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten unterstützt wurde, ist gemäß § 54 Absatz 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Absatz 5 erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schrift­führung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alpha­betischer Reihenfolge.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Schicker und Giesinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten bekannt.)

 


Präsident Hans Ager: Die Stimmabgabe ist damit beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden unter Aufsicht der Schriftfüh­rerinnen die Stimmenzählung vornehmen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor.)

 


Präsident Hans Ager: Ich gebe nunmehr das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Tech­nologie, gegen den Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, 32 „Ja“-Stimmen und 26 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesräte: 

Ager;

Bader, Baier, Bieringer, Böhm, Bogensperger;

Diesner-Wais;

Fasching, Fröhlich;

Gansterer, Giesinger, Gruber Franz, Gudenus;

Hagen, Himmer, Höfinger, Hösele;


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 212

Kanovsky-Wintermann, Klamt, Kneifel, Kühnel;

Liechtenstein;

Roth-Halvax;

Saller, Schnider, Spiegelfeld-Schneeburg;

Tiefnig;

Weilharter, Weiss, Wimmler, Wolfinger;

Zwazl.

Mit „Nein“ stimmten die Bundesräte:

Auer;

Bachner, Binna, Boden;

Ebner;

Giefing, Gumplmaier;

Haselbach, Hlavac;

Kaltenbacher, Kerschbaum, Konecny, Konrad, Kraml;

Lichtenecker, Lindinger;

Molzbichler;

Reisenberger;

Schennach, Schicker, Schimböck, Schlaffer, Stadler;

Todt;

Wiesenegg, Winter.

*****

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße-TGSt) geändert wird (233 d.B. und 342 und Zu 342 d.B. sowie 6951/BR d.B.)

 


Präsident Hans Ager: Wir kommen nun zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ing. Franz Gruber übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Ing. Franz Gruber: Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie. Der Ausschussbericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich werde von der Verlesung Abstand nehmen.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Hans Ager: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 213

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

24. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bun­des­ge­setz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (5. Ärztegesetz-Novelle) (306 d.B. und 334 d.B. sowie 6952/BR d.B.)

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nunmehr zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Gansterer übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatterin Michaela Gansterer: Der Bericht des Gesundheitsausschusses liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Hans Ager: Danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundesgesetz betreffend Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr be­stimmte tierische Nebenprodukte und Materialien (Tiermaterialiengesetz – TMG) (314 d.B. und 336 d.B. sowie 6953/BR d.B.)

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Tiergesundheitsgesetz (TGG) geändert wird (293 d.B. und 337 d.B. sowie 6954/BR d.B.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 214

27. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird (292 d.B. und 338 d.B. sowie 6955/BR d.B.)

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nun zu den Punkten 25 bis 27 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem geführt wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 25 bis 27 hat Herr Bundesrat Mag. Baier über­nommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Mag. Bernhard Baier: Bericht des Gesundheitsausschusses. Es liegen Ihnen die Berichte zum Tiermaterialiengesetz, zum Tiergesundheitsgesetz und zum Fleischuntersuchungsgesetz schriftlich vor.

Ich stelle zu den drei Berichten den Antrag, dass der Gesundheitsausschuss nach Be­ratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag stellt, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Bun­desrat Boden: Das stimmt ja nicht! So kann man das nicht machen! Wenn du schon sonst alles weißt, das weißt du nicht!)

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates zum Tiermaterialengesetz keinen Einspruch zu erheben.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates zum Tiergesundheitsgesetz keinen Einspruch zu erheben.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates zum Fleischuntersuchungsgesetz keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Hans Ager: Danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezem­ber 2003 betreffend ein Bundesgesetz betreffend die Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und Materialien (Tier­materialiengesetz – TMG).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist damit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezem­ber 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tiergesundheitsgesetz (TGG) geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 215

Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. De­zember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Ein­spruch zu erheben, ist somit angenommen.

28. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen geändert wird (DokuG-Novelle 2003) (282 d.B. und 335 d.B. sowie 6956/BR d.B.)

 


Präsident Hans Ager: Wir kommen nun zum 28. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Baier übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Mag. Bernhard Baier: Der Bericht des Gesundheitsausschusses liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates zur Dokumentationsgesetz-Novelle 2003 keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Hans Ager: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

29. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beam­ten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversiche­rungs-Änderungsgesetz 2003 – 2. SVÄG 2003) (310 d.B. und 316 d.B. sowie 6926/BR d.B. und 6957/BR d.B.)

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen zum 29. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Gudenus übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 216

Berichterstatter Mag. John Gudenus: Der Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz liegt schriftlich vor, ich erspare Ihnen die Verlesung.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Hans Ager: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

30. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Dezember 2003 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird (252/A und 317 d.B. sowie 6958/BR d.B.)

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen zum 30. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Ebner übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatterin Adelheid Ebner: Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 16. Dezember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Hans Ager: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 217

31. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das 1. Halbjahr 2004

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen zum 31. Punkt der Tagesordnung.

Mit 1. Jänner 2004 geht der Vorsitz des Bundesrates auf das Bundesland Vorarlberg über. Zum Vorsitz berufen ist gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle entsendete Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Jürgen Weiss.

Die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates sind gemäß § 6 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Wahl der Vizepräsidenten

 


Präsident Hans Ager: Ich werde die Wahl der beiden Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bun­desrätin Anna Elisabeth Haselbach lautet.

Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

 


Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Danke für das Vertrauen! Ich hoffe, dass ich auch weiterhin das Amt zu Ihrer Zufriedenheit ausüben werde. (Allge­meiner Beifall.)

 


Präsident Hans Ager: Ich gratuliere sehr herzlich.

Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bun­desrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bun­desrat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das Vertrauen.

 


Präsident Hans Ager: Ich gratuliere auch da sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 218

Wahl der Schriftführer

 


Präsident Hans Ager: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Bundesrätinnen Johanna Schicker, Ilse Giesinger und Sissy Roth-Halvax für das 1. Halbjahr 2004 zu Schriftführerinnen des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Ich nehme die Wahl an. Danke.

 


Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Ich nehme die Wahl an.

 


Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Ich nehme die Wahl gerne an und danke allen für das Vertrauen.

 


Präsident Hans Ager: Danke. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl der Ordner

 


Präsident Hans Ager: Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Bundesräte Dr. Franz-Eduard Kühnel, Karl Boden, Engelbert Weilharter und Elisabeth Kerschbaum für das 1. Halbjahr 2004 zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

 


Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Ich danke für das Vertrauen. Ich nehme die Wahl an.

 


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Ich bedanke mich für die Wahl und nehme sie an.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Danke, ich nehme an.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich nehme an. Danke.

 


Präsident Hans Ager: Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
704. Sitzung / Seite 219

Einlauf

 


Präsident Hans Ager: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sechs Anfragen, 2134/J bis 2139/J, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Freitag, der 13. Februar 2004, 9 Uhr in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Na­tionalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 10. Februar 2003, ab 14 Uhr vor­gesehen.

Meine Abschlussrede, liebe Freunde, werden Sie schriftlich bekommen. Ich bedanke mich bei allen, die mich unterstützt haben, und das meine ich auch so. Ich wünsche allen ein frohes, besinnliches Weihnachtsfest und dass wir uns Ende Januar, Anfang Februar in alter Frische wieder sehen. (Allgemeiner Beifall.)

Die Sitzung ist geschlossen. 

Schluss der Sitzung: 23.58 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien