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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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75. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIII. Gesetzgebungsperiode

 

Montag, 20. Oktober 2008

 

 


Stenographisches Protokoll

75. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIII. Gesetzgebungsperiode               Montag, 20. Oktober 2008

Dauer der Sitzung

Montag, 20. Oktober 2008: 12.01 – 17.29 Uhr

*****

Tagesordnung

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankmarktes (Inter­bankmarktstärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Si­cherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) er­lassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geändert werden

*****

Inhalt

Nationalrat

Beschluss auf Beendigung der außerordentlichen Tagung 2008 der XXIII. GP mit Schluss der 75. Sitzung      ............................................................................................................................... 92

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 5

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung .....................................................................................  5, 10

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schussberichtes 683 d.B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung ........................................................................................ 5

Redeordnung nach Beratung in der Präsidialkonferenz ................................................ 6

Verlesung der vorgesehenen Fassung des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsidenten Dr. Michael Spindelegger .................................................................................................. 93

Genehmigung des Amtlichen Protokolls ...................................................................... 94


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 2

Verhandlungen

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (682 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankmarktes (Inter­bankmarktstärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen
zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanz­gesetz 2008 geändert werden (683 d.B.) ................................. 6

Redner/Rednerinnen:

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................ ....... 6

Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer ...................................................................... ..... 10

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 13

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 17

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ..... 21

Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................................................... ..... 25

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ..... 29

Bundesminister Werner Faymann ....................................................................... ..... 33

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll .................................................................. ..... 35

Mag. Werner Kogler ............................................................................................... ..... 37

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................ ..... 39

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ..... 41

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ..... 49

Josef Bucher ........................................................................................................... ..... 52

Renate Csörgits ...................................................................................................... ..... 55

Jakob Auer .............................................................................................................. ..... 57

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ..... 59

Bernhard Themessl ................................................................................................ ..... 62

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 65

Marianne Hagenhofer ............................................................................................. ..... 67

Werner Amon, MBA ..................................................................................................... 68

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 69

Alois Gradauer ........................................................................................................ ..... 72

Veit Schalle .............................................................................................................. ..... 75

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ..... 76

Mag. Peter Michael Ikrath ...................................................................................... ..... 78

Dr. Ruperta Lichtenecker ....................................................................................... ..... 80

Herbert Kickl ........................................................................................................... ..... 81

Mag. Gernot Darmann ........................................................................................... ..... 84

Gabriele Tamandl ................................................................................................... ..... 85

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ..... 87

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutzbrief für private (Fremd)währungskreditnehmerIn­nen und KMU/EPU-Sicherungspaket zur Überbrückung der Folgen der Finanz­krise – Ablehnung .........................................  24, 91

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Cross Border Leasing – Ablehnung ........................................................................  43, 92

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend strafrechtliche Verantwortlichkeit krimineller Bank- und Finanzdienstleistungsmanager – Ablehnung      48, 92

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Managergehälter und -haftung – Ablehnung ............................................................  61, 92


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 3

Entschließungsantrag der Abgeordneten Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die aufgrund der Finanzkrise zwingend notwendig geworde­ne Entlastung der österreichischen Bürger und Unternehmen – Ablehnung ......................................................................................  64, 92

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer – Ablehnung ......................................  71, 92

Entschließungsantrag der Abgeordneten Alois Gradauer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend notwendige Änderungen im Pensionskassengesetz aufgrund der Finanzkrise – Ablehnung ...  73, 92

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend AUA-Privatisierung – Ablehnung ......................................................................................  83, 92

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 90

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 683 d.B. als Anlage 1 beige­druckten Entschließung betreffend Gleichstellung der Anleihen im Direktbestand und in Fonds (E 115) ........... 91

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 683 d.B. als Anlage 2 beige­druckten Entschließung betreffend Neuausgestaltung einer leistungsfähigen An­legerentschädigung (E 116)                        91

Eingebracht wurden

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend „Lebensmittelinfektionen“ (5056/J)

Johann Rädler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Unfallhäufungsstelle am Wechselabschnitt auf der A 2 Südautobahn Richtung Wien (5057/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit, Familie und Jugend betreffend „Aktuelle Situation von KrankenpflegeschülerInnen in Österreich“ (5058/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit, Familie und Jugend betreffend „AUVA und die internationale Finanzkrise – Verlus­te von 29 Millionen €“ (5059/J)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Südamerika-Reise von Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer (5060/J)

Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Espoo-Verfahren zur MVA Heiligenkreuz (5061/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Pensionskassengesetz (5062/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 4

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend die Förderungen an den Verein „dialog < > gentechnik“ (5063/J)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Förderungen an den Verein „dialog < > gentechnik“ (5064/J)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend die Förderungen an den Verein „dialog < > gentechnik“ (5065/J)


12.01.37


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 5

Beginn der Sitzung: 12.01 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Dr. Michael Spin­delegger.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Sitzung ist eröffnet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Angela Lueger, Mag. Melitta Trunk, Hedwig Wechner, Rainer Wimmer, Dr. Sebastian Eder, Michaela Sburny, Dr. Glawisch­nig-Piesczek, Mag. Brigid Weinzinger, Dr. Gerhard Kurzmann und Lutz Weinzinger.

*****

Ich gebe bekannt, dass der Finanzausschuss seine Sitzung beendet hat.

Die Tagesordnung für die soeben eröffnete Sitzung des Nationalrates wurde den Klubs bereits zugestellt. Ich werde gemäß § 13 Abs. 3 des Geschäftsordnungsgesetzes diese Sitzung auf unbestimmte Zeit – nämlich bis zum Vorliegen des Berichtes des Finanz­ausschusses – unterbrechen. Der Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Sitzung wird den Klubs mitgeteilt werden. Darüber hinaus werde ich die Sitzung 15 Minuten vor Beginn einläuten lassen. Ich ersuche die Fraktionen, in der Zwischenzeit bezüglich der Rede­ordnung eine Adaptierung vorzunehmen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

12.02.23(Die Sitzung wird um 12.02 Uhr unterbrochen und um 12.44 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren! Ich nehme die un­terbrochene Sitzung wieder auf.

Der Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage 682 der Beilagen liegt nun vor.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Um den Bericht des Finanzausschusses 683 der Beilagen in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäfts­ordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussbe­richtes abzusehen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für die­sen Bericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist ein­stimmig beschlossen.

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Die Sitzung wird bis 13 Uhr und von 13.15 Uhr bis längstens 17 Uhr vom ORF live über­tragen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 6

Redeordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: In der Präsidialkonferenz wurde betreffend Re­deordnung für diese Sitzung folgender Konsens erzielt:

Die Debattenredezeit pro Fraktion beträgt 43 Minuten.

Die Sitzung wird in der Zeit von 13 Uhr bis 13.15 Uhr unterbrochen.

Für die Zeit der Fernsehübertragung wurde eine neue Redeordnung getroffen: Bundes­kanzler und Vizekanzler je 13 Minuten, ein Redner pro Fraktion 14 Minuten, zwei Re­gierungsmitglieder je 8 Minuten, eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion 8 Minuten, eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion 6 Minuten und dann zwei Runden pro Rednerin/Red­ner 5 Minuten.

Die Redner-/Rednerinnen-Reihenfolgen in den einzelnen Debattenrunden sehen wie folgt aus: erste Runde: FPÖ, SPÖ, Grüne, ÖVP, BZÖ; zweite Runde: Grüne, ÖVP, FPÖ, SPÖ, BZÖ; ab der dritten Runde wird nach Fraktionsstärke gesprochen.

Die vorsitzführende Präsidentin/der vorsitzführende Präsident verteilt vor Beginn der letzten Runde nach Rücksprache mit den Klubvorsitzenden die für die letzte Runde verbleibende Restzeit zu gleichen Teilen auf die fünf Fraktionen.

Tatsächliche Berichtigungen gelangen erst nach Beendigung der Fernsehübertragung zum Aufruf.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Dies ist einstimmig beschlossen.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

12.46.37Tagesordnung

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (682 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankmarktes (Inter­bankmarktstärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Bör­segesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzge­setz 2008 geändert werden (683 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen nun zur Behandlung des Berichtes des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage 682 der Beilagen.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundeskanzler Dr. Gusenbauer. – Bitte.

 


12.47.08

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol­legen auf der Regierungsbank! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Hypothe­kenkrise in den Vereinigten Staaten von Amerika war der Ausgangspunkt einer globa­len Krise, die sich aber nicht nur auf die Finanzmärkte reduziert. Wir hatten es ja in den letzten Monaten mit der Krise der Lebensmittelpreise und auch mit der Krise der Ener­giepreise zu tun. Ich darf nur darauf verweisen, dass vor wenigen Monaten das Barrel Rohöl noch bei 145 US-Dollar gelegen ist und jetzt bei rund 70 US-Dollar liegt. Das sind Volatilitäten, mit denen wir es in der Vergangenheit in diesem Ausmaß nie zu tun gehabt haben. Man muss daher die Dimension der Krise etwas umfassender sehen, als dies heute manchmal in den Diskussionen getan wird.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 7

Wir haben es mit dem Umstand zu tun, dass seit mehreren Jahrzehnten in den USA ein sehr hohes Außenhandelsdefizit vorhanden ist, dass sehr hohe Defizite gemacht werden und dass dadurch in der Welt ökonomische Ungleichheiten entstehen.

Wir haben auch das Phänomen, dass die Gewichte zwischen den rohstoffproduzieren­den Ländern und den rohstoffkonsumierenden Ländern offensichtlich ins Ungleichge­wicht geraten sind.

Wir haben es auch mit einer massiven Klimakrise auf der Welt zu tun.

Und es scheint auch so zu sein, dass die machtpolitischen Verhältnisse heute auf der Welt bedeutend ungeordneter sind als in der Vergangenheit. Denken wir nur an die un­gelösten Krisenfälle im Irak, in Afghanistan, im Nahen Osten und in vielen anderen Tei­len der Welt. Das heißt, die Krise ist in Wirklichkeit eine globale – und die Finanzmarkt­krise ist ein Teil davon.

Wir waren in Österreich und in Europa damit konfrontiert, dass diese Finanzmarktkrise von vielen nicht wahrgenommen wurde, weil man es nicht glauben wollte. Daher sind die letzten Monate eigentlich relativ ruhig verlaufen, und man hat gedacht, dass das, was als Subprime-Krise begonnen hat, in Wirklichkeit in seiner Wirkung bereits vorbei ist – bevor es im September und im Oktober dieses Jahres wirklich dramatisch gewor­den ist.

Wie hat sich nun diese Krise bei uns in Europa dargestellt? – Es gab kein Vertrauen mehr unter den Banken und keine Liquidität mehr. Das, was als normales Geschäft im Finanzsystem vorhanden war, ist völlig zum Erliegen gekommen. Und selbst gut funktionierende Banken haben nicht mehr die Mittel bekommen, die sie brauchten, um jene Kredite zu vergeben, die Häuslbauer brauchen, um jene Kredite zu vergeben, die die kleinen und mittleren Unternehmen brauchen, um in die Wirtschaft und in neue Pro­jekte investieren zu können.

Es waren bereits dramatische Signale erkennbar – und in diesem Zusammenhang hat sich gezeigt, dass der Markt, wenn er sich nur selbst reguliert, nicht funktioniert, son­dern eher dazu tendiert, sich selbst zu ruinieren.

Daher ist die Frage aufgekommen, wie man die Finanzmärkte in einer besseren Art und Weise regeln kann, als das in der Vergangenheit der Fall war. – Aber bevor man sich überhaupt diese Frage stellen konnte, musste man das dahinter liegende Problem lösen: Wie können wir jene Lawine stoppen, die mit ungeahnt großer Geschwindigkeit auf Europa und eben auch auf Österreich zugekommen ist?

In diesem Zusammenhang muss man auch sagen, dass manchmal auch enttäuschte Erwartungshaltungen das Negative hervorrufen. Das europäische Krisenmanagement, das jetzt gut funktioniert, war am Anfang etwas holprig. Die Zusammenkunft der gro­ßen europäischen Industriestaaten, also der G 4, hat zu keinem Ergebnis geführt, was zur Folge hatte, dass in der Konsequenz die Märkte sozusagen noch einmal eine Wo­che lang in den Keller geschickt wurden.

Letztendlich aber hat das erfolgreiche Krisenmanagement mit dem Treffen der Vertre­ter der Euro-Zone begonnen, die ihre gemeinsame Verantwortung – zum ersten Mal in diesem Maße – wahrgenommen haben.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch sagen: Ich will mir nicht einmal vorstellen, wie diese Krise ausgesehen hätte, wenn wir den Euro nicht im Großteil Europas hätten. Ich verweise etwa nur darauf, dass dann, zusätzlich zu den vorhandenen Schwierigkei­ten, wahrscheinlich auch noch Devisenspekulationen hinzugekommen wären, wie wir sie ja zu Beginn der neunziger Jahre erlebt haben – und wie das eben heute einzelne Länder, die nicht zur Euro-Zone gehören, erleben. Ich verweise auf das, was in Ungarn


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 8

stattfindet. Bei allen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die Ungarn hat: Natürlich gibt es auch eine Spekulation gegen den ungarischen Forint. In Island ist die Situation durch das Bankensystem vielfach hausgemacht, aber es gab auch eine Spekulation gegen die isländische Währung.

Genau diese Dramatisierung, meine Damen und Herren, ist aber der Euro-Zone zum Glück erspart geblieben, da der Euro heute zu den stabilsten Weltwährungen zählt; so­zusagen ein sicherer Hafen für alle Volkswirtschaften, die der Euro-Zone angehören.

Welche Problematik galt es gemeinsam zu lösen? – Man musste den Banken zusätz­lich Liquidität zuführen, und es geht darum, das Eigenkapital der Banken zu stärken. Daher haben sich die Mitgliedstaaten der Euro-Zone auf einen gemeinsamen Aktions­plan geeinigt, der im Wesentlichen einen „Werkzeugkasten“ zur Verfügung stellt, wobei die einzelnen Mitgliedstaaten für sich genau definieren müssen, was und in welchem Ausmaß sie das umsetzen.

Das halte ich für einen guten Ansatz einer koordinierten Vorgangsweise, die auch in einer ersten Runde dazu geführt hat, dass diese Lawine gestoppt werden konnte. Er­freulich ist auch, dass vergangene Woche beim Europäischen Rat die Beschlüsse der Euro-Gruppe auf die Gesamtebene der Europäischen Union gehoben wurden, da Europa damit zeigt, dass es in dieser Situation imstande ist, Krisenmanagement zu leisten.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang wird auch oft die Frage gestellt, wieso das österreichische Paket vergleichsweise größer ist als das deutsche Paket. Da nimmt man ja meistens die Formel an: Deutschland ist in etwa zehnmal so groß wie Österreich. Aber: Diese Formel ist deswegen nicht zur Anwendung zu bringen, weil Ös­terreich einen bedeutend höheren Bankenanteil an seinem Bruttosozialprodukt hat als Deutschland. Daher müssen wir, um die selben Sicherheiten für unsere Banken zu ge­ben, wie das Deutschland für seine Banken macht, einen Haftungsrahmen in einem höheren Ausmaß zur Verfügung stellen und auch in größerem Maße Vorsorge treffen, was – möglicherweise – die Zufuhr von Eigenkapital betrifft.

Ich glaube, dass wir mit diesem österreichischen Paket, das ja heute dem Hohen Haus vorliegt und hier, wie ich hoffe, sehr konsensual angenommen wird, in der Lage sind, diese Lawine zu stoppen. Allerdings muss uns allen dabei klar sein, dass das nur der erste Schritt ist. Ja, ein wichtiger Schritt, aber eben nur der erste! Langfristig wird es nämlich nur dann wieder Vertrauen in das Finanzwesen geben, wenn wir imstande sind, zu einer Art internationaler Finanzordnung zu kommen, einer Finanzordnung, die eben für mehr Transparenz sorgt, die dafür sorgt, dass es eine effizientere Kontrolle und Überwachung gibt, wobei ich bewusst sage: eine effizientere Form.

Es hat keinen Sinn, das Pendel jetzt in die völlig andere Richtung ausschlagen zu las­sen und zu meinen, jetzt alles niederregulieren zu müssen. Das wäre der völlig falsche Ansatz. – Nein, es geht darum, den Märkten jene Regeln zu geben, die notwendig sind, damit sich die Märkte nicht selbst zerstören. Ich glaube, dass man dabei auch eine Unterscheidung treffen muss zwischen großen Instituten, die heute grenzübergrei­fend tätig sind, die so groß sind, dass bei jedem einzelnen Institut die Gefahr bestehen würde, dass, wenn dort etwas schiefginge, das Gesamtsystem in Mitleidenschaft gezo­gen würde, sodass eben dort die Regeln straffere sein müssen, und kleineren Institu­ten, bei welchen, wenn ausgewiesen ist, dass sie freiwillig ein größeres Risiko einge­hen, dann meiner Meinung nach die Eigenverantwortung in einem größeren Ausmaß in Zukunft heranzuziehen ist.

Das heißt, es geht darum, dort, wo eine Gefahr für das gesamte System ausgeht, strikter zu regeln, und gleichzeitig den kleineren Instituten mehr Freiheit zu lassen, da­mit wir nämlich zum einen Sicherheit geben und zum anderen auch weiterhin so etwas


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 9

wie Kapital- oder Finanzmarktinnovation haben, damit es zu einer effizienten Allokation der finanziellen Mittel kommen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit werden wir es nicht bewenden lassen können. Das Hohe Haus wird sich ja in Bälde auch mit anderen Fragen auseinander­setzen, denn viele haben sich vergangene Woche gefragt: Wenn schon so massive Pakete von allen europäischen Regierungen geschnürt werden, wieso geht dann der Markt, wieso gehen dann die Börsenkurse weiter nach unten?

Der Grund dafür ist ein sehr klarer: Es besteht natürlich in der Folge dieser Finanz­marktkrise eine sehr manifeste Angst vor einer Rezession in Europa und auf der Welt. Diese Rezessionsgefahr ist keine eingebildete, sondern eine reale. Schon in der Ver­gangenheit war es so, dass Finanzmarktkrisen nicht völlig spurlos an der sogenannten realen Wirtschaft vorbeigegangen sind. Daher muss man diese Angst, muss man diese Gefahr auch ernst nehmen.

In diesem Zusammenhang ist es, wie ich meine, wichtig, dass wir uns beim Europäi­schen Rat darauf geeinigt haben, dass neben allen Maßnahmen, die wir zur Finanz­marktstabilisierung leisten, nun auch etwas für Wachstum und Beschäftigung getan werden muss. Das Allerbeste wäre klarerweise, dass wir, so wie wir auf europäischer Ebene koordiniert zur Eindämmung dieser Finanzmarktkrise vorgegangen sind, ebenso koordiniert vorgehen würden, um die Konjunktur anzukurbeln, um für Wachstum und Beschäftigung zu sorgen.

Dabei gibt es, glaube ich, auf der Hand liegende Elemente, die man immer braucht: Das eine ist, die kleinen und mittleren Unternehmungen brauchen Geld, um wieder in­vestieren zu können. Das heißt, Investitionsfreibeträge, steuerliche Anreize sind da si­cherlich sinnvoll. Zum anderen ist es sicherlich auch sinnvoll, die Kaufkraft der Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer durch eine Steuerentlastung zu stärken. Es ist sicher­lich auch sinnvoll, Infrastrukturprojekte, bei denen die Verfahren bereits abgeschlossen sind, früher in die Realität umzusetzen, um so einen entsprechenden Schub zu geben.

Das heißt, nach dem Stoppen dieser Lawine geht es nun darum, dafür zu sorgen, dass es mehr Vertrauen in das Finanzsystem gibt, und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Konjunktur angekurbelt wird und wir damit die Gefahren einer Rezession einschränken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Paket, das Ihnen vorliegt, schenken wir den Banken gar nichts, sondern wir tun eines: Wir stellen Garantien zur Verfügung, und wir stellen, wenn notwendig, Eigenkapital zur Verfügung. Für die Garantien oder Haftungen haben die Banken zu zahlen. Sollten wir in das Eigenkapital gehen, können wir davon ausgehen, dass zu einem späteren Zeitpunkt, wenn diese Anteile wieder pri­vatisiert werden, der Staat wahrscheinlich einen höheren Ertrag erwirtschaften wird, als jetzt die Kosten betreffend Eigenkapital ausmachen.

Das heißt, es wird nicht in die Taschen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gegrif­fen, sondern der Staat macht das, was er machen kann, nämlich Sicherheiten zur Verfügung stellen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in Österreich auf Basis eines breiten Konsenses diese Maßnahmen setzen können, und ich meine, dass es wichtig ist, Handlungsfähigkeit in dieser Situation zu zeigen.

Ich möchte mich daher bei allen Beamtinnen und Beamten des Finanzministeriums, der Finanzmarktaufsicht, der Notenbank, bei allen, die mitgeholfen haben, dieses Pa­ket in dieser kurzen Zeit vorzulegen, ganz herzlich für ihre Arbeit bedanken – sie haben wirklich Tag und Nacht gearbeitet –, und ich möchte mich insbesondere beim Herrn Fi­nanzminister für die gute Kooperation bedanken, durch die in kurzer Zeit dieses Paket, das ein gutes und sinnvolles ist, möglich war. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.00



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Danke schön.

Wir werden nun vereinbarungsgemäß die Sitzung für eine weitere Viertelstunde unter­brechen und sie um 13.15 Uhr mit den Ausführungen des Herrn Vizekanzlers fortsetzen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

13.00.54(Die Sitzung wird um 13 Uhr unterbrochen und um 13.16 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren, ich nehme die unter­brochene Sitzung wieder auf.

Als Nächster gelangt Herr Vizekanzler Mag. Molterer mit einer Redezeit von 13 Minu­ten zu Wort. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


13.17.01

Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist tatsächlich so, dass wir eine kritische Situation in den internationalen Finanzmärkten haben und diese Krise der internationalen Finanzmärkte selbstverständlich auch ihre Auswirkungen, ihre kriti­schen, ihre negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft insgesamt hat, auf die Wachs­tumsperspektive und damit auch auf die Beschäftigung.

Es ist ganz selbstverständlich, dass in einer ungewöhnlichen, in einer kritischen Situa­tion die Politik dazu verhalten ist – und es ist dies Pflicht der Politik in einer derartigen ungewöhnlichen Situation –, rasch, konsequent und in umfassendem Sinne zu han­deln, weil wir zwei große Aufgabenstellungen haben, meine Damen und Herren: Das ist auf der einen Seite, den Sparerinnen und Sparern die Sicherheit zu geben und den Banken die notwendige Stabilität – das ist die erste große Zielsetzung dieses Pakets (Beifall bei der ÖVP) –, Fund zweitens, dass wir selbstverständlich ebenfalls in einer gemeinsamen Kraftanstrengung, so wie dieser heute, auch in Zukunft für die Fragen Wachstum, Beschäftigung und Konjunktur mit derselben Intensität und mit derselben Konsequenz politische Verantwortung wahrnehmen müssen.

Wann, wenn nicht jetzt, meine Damen und Herren, ist diese politische Verantwortung gefragt? – Diese Bundesregierung nimmt sie wahr. Und ich danke allen Fraktionen, ganz bewusst, der Opposition und den Regierungsparteien, dass wir hier tatsächlich in einer gemeinsamen Kraftanstrengung auch die richtigen Antworten geben können. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was ist die Perspektive, was ist der zentrale Inhalt dieses Pakets? – Erstens: Es ist un­sere Aufgabe, dass wir in dieser Krise rasch reagieren können. In einer Krise, meine Damen und Herren, haben sich in ganz besonderer Weise die Europäische Union, die europäischen Institutionen bewährt. In dieser Krise hat etwa der Euro-Raum ein sehr klares Signal gesetzt. Die gemeinsame europäische Währung hat uns vor gröberen Auswirkungen tatsächlich geschützt. Die Europäische Zentralbank ist jene Institution Europas, die richtig rasch reagieren kann. Und die Europäische Zentralbank, meine Damen und Herren, und der Euro sind auf Augenhöhe, ja, ich würde sagen, auf deutli­cher Augenhöhe mit anderen Institutionen letztendlich der Welt.


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Diese europäische Perspektive braucht es auch in der Krisenbewältigung. Wir haben daher in der Euro-Gruppe und im Ecofin aufbereitet, was dann in der Sitzung der Staats- und Regierungschefs und im Europäischen Rat begründet wurde.

Ich möchte mich an dieser Stelle ebenfalls bedanken für die ganz ausgezeichnete Ko­operation mit Bundeskanzler Gusenbauer und mit der Außenministerin, der ich zu dem österreichischen, rot-weiß-roten Erfolg in den Vereinten Nationen namens unser aller und namens der Republik herzlich gratulieren möchte. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Meine Damen und Herren, wir haben in dieser Situation für diese Maßnahme das euro­päische Fundament zugrunde gelegt. Was beinhaltet daher das Paket?

Erstens: Wir können den Menschen mit der Einlagensicherung Sicherheit für ihre Spar­einlagen geben. Wir sind heute im Ausschuss auch noch einen Schritt weiter gegan­gen: Diese Einlagensicherung gilt nicht nur für die natürlichen Personen, sondern gilt bis 50 000 € auch für Klein- und Mittelbetriebe, damit auch die KMUs – die Klein- und Mittelbetriebe, die Säule unserer Wirtschaft – Sicherheit haben, meine Damen und Herren, ganz essenziell. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben zweitens die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, dass wir den Banken die notwendige Liquidität geben können. Oft werde ich in diesen Tagen gefragt: Was meinen wir damit? – Man kann das auch bildlich zum Ausdruck bringen: Damit die Wirtschaft und die Banken funktionieren, muss sozusagen der Blutkreislauf in Gang gehalten werden. Wenn dieser unterbrochen ist, dann müssen wir sicherstellen, dass diese wichtige Grundlage der Wirtschaft, der Blutkreislauf, das Finanzsystem, funktio­niert, wieder in Gang kommt. Daher diese Clearingstelle und daher die Möglichkeit, dass der Bund auch Haftungen für diese Liquidität übernimmt. Ganz klar gesagt: nicht zum Nulltarif! Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler müssen wissen, dass die Ban­ken dafür ganz selbstverständlich Haftungsentgelt zahlen. Die Haftung ist nicht gratis, sondern es ist selbstverständlich dafür zu zahlen.

Drittens, meine Damen und Herren, werden die Eigenkapitalausstattung und die Kapi­talausstattung, wenn notwendig, sichergestellt. Das bedeutet, dass auch die Republik Eigentumsrechte übernehmen kann. Das ist eine Ultima Ratio, und das bedeutet, dass wir damit auch den Banken im internationalen Wettbewerb die notwendige Sicherheit geben. Der Staat spannt, wenn notwendig, auch einen Schutzschirm, damit keine Wettbewerbsnachteile entstehen, damit wir den Banken diese Stabilität und Sicherheit geben können.

Meine Damen und Herren, klar ist, dass wir mit diesem Gesetz auch ein neues Instru­ment in die Hand bekommen. Mit dem zeitlich befristeten Verbot von Leerverkäufen et­wa können wir den spekulativen Elementen an den Börsen einen Riegel vorschieben, damit weniger spekuliert wird, sondern tatsächlich richtig investiert wird.

Wir haben mit diesem Gesetz heute auch noch eine wesentliche Ergänzung gemacht: Neben der umfassenderen Einlagensicherung können wir jetzt auch in einer Verord­nung für den Finanzminister bestimmte Spielregeln mitbestimmen. Darauf haben die Menschen auch ein Anrecht. Ich werde oft gefragt: Wie ist das mit den Managergehäl­tern in Zukunft? Wie ist das mit der Dividendenpolitik? Oder: Wie ist es mit der Ge­schäftspolitik der Banken? Ist auch in Zukunft sichergestellt, dass die Banken die Liqui­dität, die wir ihnen sicherstellen, auch tatsächlich richtig investieren, zum Beispiel in ös­terreichische Klein- und Mittelbetriebe? – Diese Auflagen können wir nun machen und haben somit das Instrument in der Hand, auf der einen Seite zu helfen, auf der ande­ren Seite aber auch, wenn notwendig, gewissen Einfluss darauf zu nehmen – würde ich sagen –, dass richtig agiert wird, dass die Menschen tatsächlich die richtigen Ant­worten bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Diese Perspektive möchte ich mit einer Bemerkung abschließen, weil ich in diesen Ta­gen oft gefragt werde: Ist das direktes Geld der Steuerzahler? – Wir geben Haftungen, meine Damen und Herren, und unser Ziel ist, dass wir mit diesem Schutzschirm ver­meiden, dass wir direkte Mittelflüsse, Steuergeld direkt einsetzen. Wir wollen jetzt die Sicherheit geben, damit das Problem nicht dann entsteht. Auch dazu wieder ein Bild: Das ist ungefähr so, wie wenn in einer Gemeinde zur Sicherheit der Menschen bei­spielsweise ein Feuerwehrauto angeschafft wird. Es will niemand, dass es brennt, aber wenn es brennt, dann muss dieser Schutzschirm, dieser Schutzschild vorhanden sein, damit wir richtig helfen können. Niemand will, dass diese Haftungen schlagend werden. Es ist nicht das Ziel, dass wir Eigenkapital in die Banken einfließen lassen – aber wenn es notwendig ist, dann haben wir das Instrument.

Meine Damen und Herren! Zweite große Perspektive, neben der Krisenbewältigung, ist: Wie geht es weiter? Was lernen wir daraus? – Ich halte es für eine große Aufga­benstellung der Politik auch auf europäischer Ebene, dass wir uns im Klaren darüber sind, dass Europa in dieser Frage beispielsweise mit den neuen Bewertungsrichtlinien, die ja schon beschlossen sind, mit den neuen Eigenkapitalrichtlinien, mit Richtlinien für die Managementgehälter, mit einer neuen europaweit geltenden Richtlinie für die Einla­gensicherung für die Sicherheit der Sparer, mit der Frage einer eigenständigen euro­päischen Rating-Agentur bei Krediten oder etwa mit der schrittweisen Europäisierung der Aufsichten die richtigen Antworten geben muss.

Ich sage Ihnen sehr offen, auch ich habe in diesen letzten Monaten und Wochen meine Meinung in einer Frage geändert: Ich war ursprünglich der Meinung, es würde reichen, die nationalen Aufsichten bestmöglich zu vernetzen. Das wird auch notwendig sein, aber dass wir darüber hinaus am Ende des Prozesses eine europäische Aufsicht ha­ben für jene Banken, die europaweit tätig sind, ist eigentlich eine logische Konsequenz. Diese Lernfähigkeit erwarte ich auch von anderen. Österreich wird neue Initiativen ein­bringen beziehungsweise hat das auch schon auf Basis einer Initiative des Hauses. Die Spekulationssteuer und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sind unver­zichtbar, meine Damen und Herren, wenn wir langfristig in Europa und auf globaler Ebene neue Fundamente schaffen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Daher die dritte große Aufgabenstellung, meine Damen und Herren: Es wird zu einer Neugestaltung der weltweiten Finanzarchitektur kommen, davon bin ich überzeugt, und es besteht jetzt die ganz große Chance, dass Europa aus dieser kritischen Situation tatsächlich als Trendsetter, als wirklich jene Gemeinschaft, die die Spielregeln be­stimmt, auftreten kann. Das ist eine große Chance für unseren Kontinent, eine große Chance für unsere Heimat, eine große Chance für unsere Wirtschaft. Warum? – Weil dieses neue europäische Selbstbewusstsein dazu führen muss, dass es nicht mehr wie in der Vergangenheit geschehen kann, dass etwa die USA die Basel-II-Spielregeln be­stimmen, Europa dann diese Basel-II-Spielregeln anwendet, die USA aber nicht. Oder: dass es Rating-Agenturen gibt, die de facto ausschließlich auf US-amerikanischem Recht basieren. – Da braucht es europäische Antworten!

Meine Damen und Herren, ich halte es für eine faszinierende Chance, dass wir aus dieser Krise heraus die richtige europäische Perspektive setzen. Sie sehen, die USA bilden unser europäisches System bei ihren eigenen Programmen nach. Gestern etwa bei dem Gipfel mit Barroso, Sarkozy und Präsident Bush ist ein Weltfinanzgipfel für vo­raussichtlich 21. bis 23. November, also nach den Wahlen in den Vereinigten Staaten, vereinbart worden. Dort hat Europa die grundsätzliche Chance, die soziale Marktwirt­schaft auch in den Finanzmärkten weltweit als Fundament zugrunde zu legen; eine Marktwirtschaft, die aus meiner Sicht heißt: erstens klare Spielregeln, zweitens Trans­parenz der Märkte – sie müssen durchschaubar sein für alle, auch für die Kunden –


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und drittens Aufsicht. – Das ist die Aufgabe des Staates auch im Sinne der sozialen Marktwirtschaft, das ist die europäische Antwort.

Viertens, meine Damen und Herren, braucht es die europäische und die österreichi­sche Antwort auch in der Konjunkturperspektive.

Ja, es stimmt, die Finanzmärkte haben ihre kritische Auswirkung auf die Realwirtschaft, die Wachstumsprognosen gehen nach unten. Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt in der Konjunktur-Diskussion die richtigen Perspektiven setzen, beispielsweise in der Fra­ge der Finanzierung für Klein- und Mittelunternehmen. Wir haben in Europa erreicht, dass die Europäische Investitionsbank europaweit für KMUs 30 Milliarden € Kreditvolu­men zur Verfügung stellt, und wir wollen durch österreichische Maßnahmen sicherstel­len, dass wir dieses europäische Geld in Österreich bestmöglich nutzbar machen – für Österreichs Arbeitsplätze und für die österreichischen KMUs. Es ist wichtig, dass wir dabei auch auf die Internationalisierungsperspektive setzen, dass Österreich auch im Export die richtige Antwort gibt.

Dieses Konjunkturpaket basiert auf einem soliden und stabilen Fundament der Staatsfi­nanzen. Wir müssen diese Solidität jetzt haben, damit wir dann die Kraft haben, wenn wir agieren müssen. Das ist auch meine Verantwortung als Finanzminister.

Ich danke meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ich danke den Fraktionen des Ho­hen Hauses, ich bedanke mich beim Regierungspartner dafür, dass wir jetzt in dieser ungewöhnlichen Art und Weise in einer ungewöhnlichen Situation agiert haben. Ich la­de dazu ein, dass wir das bei wichtigen Grundsatzfragen auch in Zukunft so halten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Rednerinnen und Redner der nächsten Runde haben eine Redezeit von je 14 Minuten.

Als Erster gelangt Herr Klubobmann Strache zu Wort. – Bitte.

 


13.30.07

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Regierungsmannschaft! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das heute zu beschließende Bankenpaket, das ja 100 Milliarden € umfasst und jetzt geschnürt hier vorliegt, umfasst 15 Milliarden, die der Staat direkt so­zusagen zur Verfügung stellt, um auch bei Banken mit Garantien einsteigen zu können, 75 Milliarden € werden für den Interbankenhandel zur Verfügung gestellt, und 10 Mil­liarden werden für die Absicherung von Spareinlagen bereitgestellt. – Wir haben jetzt gehört, dass zum Glück auch noch der Bereich der kleineren und mittleren Unterneh­men mit bis zu 50 000 €, nachjustierend sozusagen, erfasst worden ist.

Das bedeutet konkret, dass der Staat für Kredite bürgt, die sich die Banken untereinan­der geben. Das ist die eine Seite der Medaille, hinsichtlich derer wir sehr wohl auch kri­tische Betrachtungen anzustellen haben. Da geht es um eine Bankenentlastung mit Garantien, aber es muss auch darum gehen, die Bürger und die kleineren und mittle­ren Unternehmer zu entlasten. Wir vermissen aber heute, an diesem wichtigen Tag, ein Konjunkturpaket, das in diesem Zusammenhang notwendig wäre.

Wir brauchen rasch ein Konjunkturpaket, und wir haben als Oppositionspartei zu Recht auch in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass wir in den letzten Jahren auch in der Phase der Hochkonjunktur eingefordert haben, mit Steuerentlastungsmaßnahmen diese Hochkonjunktur noch einmal im positiven Sinn zu unterstützen. Das aber wurde in den letzten Jahren verabsäumt. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist jedenfalls traurig, dass es offenbar immer einer Krise bedarf und dass man offen­bar erst dann, wenn der Hut brennt, bereit ist, auch vernünftige und richtige Maßnah­men zu setzen.


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100 Milliarden € – das ist eine gewaltige Summe, die sich kaum einer vorstellen kann! Eine solche Summe liegt nicht innerhalb unseres Vorstellungsvermögens; darunter können sich die Bürger daher auch kaum etwas vorstellen. Es ist das Ganze eine ziemlich große Herausforderung, und wir mussten erkennen, dass es zu einer Fehlein­schätzung zu Beginn dieser Krise durchaus auch bei uns in Österreich kam, und zwar vonseiten des Gouverneurs der Nationalbank, Dr. Nowotny, der zu Beginn dieser Krise noch die Meinung vertreten hat, diese Krise werde nicht auf Österreich übergreifen. In der Folge musste Gouverneur Nowotny ein Übergreifen aber eingestehen, und er hat durchaus auch das unterstützt, was wir Freiheitlichen aus der Opposition heraus die letzten Jahre eingefordert haben, nämlich, dass es jetzt dringlichst eines Steuerentlas­tungspakets bedarf.

Ich möchte schon darauf hinweisen, dass uns, als wir die Forderung nach einer ra­schen Steuerreform und Steuersenkung in der Höhe von 6 Milliarden € erhoben haben, die Bundesregierung damals permanent vorgebetet hat, dass es dieses Geld nicht gibt. Jetzt werden 100 Milliarden € an Garantien sehr wohl zur Verfügung gestellt, und man sollte bitte nicht so tun, als wäre das in seiner Gesamtheit völlig risikolos. Natürlich ist diese 100-Milliarden-€-Garantie auch mit einem Risiko verbunden! Man stellt das heute nämlich so dar – zumindest hört man das zwischen den Zeilen –, als sollten wir gleich 300 Milliarden bereitstellen, dann würden wir in der Zukunft ein noch besseres Ge­schäft machen. Dem ist also nicht ganz so, natürlich gibt es durchaus auch ein Risiko in diesem Bereich.

Wir sollten, bitte, auch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und die Europäische Union mit ihrer jetzigen Maßnahme gewissermaßen über den grünen Klee loben, denn natürlich hat auch hier ein Frühwarnsystem gefehlt, hat hier die Früherkennung gefehlt. Das ist natürlich auch ein Versagen dieser Europäischen Union gewesen. Und was die EZB, die Europäische Zentralbank, angeht, so muss man auch kritisch anmerken, dass es in Zukunft angebracht wäre, sich nicht einfach der Fed hinzugeben, indem man die Anbindung aufrechterhält, sondern in Zukunft auch einen eigenständigeren europäi­schen wirtschaftlichen Weg gehen muss.

Jetzt übernimmt der Staat 75 Milliarden € an Garantien und stellt 15 Milliarden € auf, die dafür vorgesehen sind, dass der Staat eben direkt bei Banken einsteigt. Man hofft, diese Anteile, wenn die Gefahr einmal abgewendet sein wird, dann vielleicht noch bes­ser verkaufen zu können, während man seit Jahren aber eine Steuerentlastung und die Konjunktur belebende Maßnahmen abgelehnt hat.

Ich möchte heute ein Beispiel bringen, das mir ein Bauleiter in den letzten Tagen mit auf den Weg gegeben hat, ein Bauleiter aus dem Burgenland, der auf mich zugekom­men ist und gesagt hat: Ich habe in meinem Leben hart gearbeitet, ich habe Schulden aufgenommen für mein Haus, das ich gebaut habe, und bin jetzt dabei, diesen Kredit abzuzahlen. Ich habe mir daneben 30 000 € durch harte Arbeit mein Leben lang er­spart; das ist sehr, sehr viel Geld für mich. Ich bin damals von den Banken auch dahin gehend beraten worden, das in Aktien, Immobilien anzulegen – und heute stehe ich vor den Trümmern meines Lebens: 3 000 € ist heute der Wert dieser Aktien!

Genau das sollten wir nicht vergessen: Auch für die geschädigten Bürger, die es in die­sem Bereich zuhauf gibt, muss man jetzt gegensteuern.

Man hat ja zeitweise den Eindruck, dass schon ein gewisses Pharisäertum in dieser Bundesregierung vorhanden ist, denn beide, sowohl SPÖ als auch ÖVP, waren ja ge­rade die Blockierer in den letzten Jahren, wenn es um Entlastungen für die Menschen und auch um wirtschaftliche Maßnahmen zur Stärkung des Mittelstandes gegangen ist. Und jetzt müssen wir diesen Bürgern, die betroffen sind, den Geschädigten in unserem Land, zur Seite stehen!


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Da gibt es zwei Gruppen, die massiv geschädigt sind: Da ist einmal jene Gruppe von Bürgern in Österreich, die in die zweite und dritte Säule der Pensionsvorsorge inves­tiert hat, um für sich auch eine gewisse Zukunftssicherung in Anspruch nehmen zu können, die jetzt knapp vor ihrer Pensionierung steht und die voll getroffen wird in die­sem Bereich.

Und da ist die zweite Gruppe österreichischer Bürger, die Kredite aufgenommen haben für ihr Eigenheim, welche natürlich dann oftmals über Fonds gegenfinanziert wurden, und auch diese Menschen stehen jetzt zum Teil vor den Trümmern dieser Finanzie­rung und sind mit Mehrzahlungen konfrontiert.

Das heißt, wir haben hier eine Verantwortung, der wir auch rasch hier im Hohen Haus nachkommen müssen. Und da sage ich schon, dass es einem die bisherige Hand­lungsweise der SPÖ/ÖVP-Bundesregierung schwer macht, dass man ihr Vertrauen entgegenbringt. Trotz aller Kritik und aller Versäumnisse, die wir auch heute bei die­sem Bankenpaket sehen, werden wir diesem Paket jedoch zustimmen, weil es ein Weg in die richtige Richtung ist – noch nicht ausreichend, aber damit wird einmal ein richti­ger Beginn gesetzt. Natürlich ist ein umfassendes Paket zur Bankensicherung notwen­dig, denn das Finanzsystem leistet eben einen wesentlichen Beitrag zum Funktionieren der gesamten Wirtschaft, und wir müssen hier auch alles dafür tun, damit dieses Sys­tem auch ein funktionierendes bleibt. Das ist selbstverständlich auch unsere staatspoli­tische Verantwortung. Daher wollen wir alles dazu beitragen, dass für Unternehmen, aber auch für Bürger der Zugang zu Krediten sichergestellt und ermöglicht wird, und genau in diesem Bereich ist Handlungsbedarf gegeben.

Wenn sich die Banken heute, wie ja beschrieben wurde – und das ist auch Teil der Kri­se –, gegenseitig nicht mehr trauen und der Staat für Haftungen, auch für Kredite zwi­schen den Banken, einspringen muss, wenn sich Banken heute gegenseitig schon nicht mehr trauen, dann ist es nicht verwunderlich, dass auch die Bürger oftmals nicht unbedingt großes Vertrauen in den Bankenbereich haben. Das heißt, wir müssen das Vertrauen auch insgesamt stärken, und dazu dient auch diese richtige Maßnahme: das Vertrauen in den Finanzmarkt wieder zu stärken.

Natürlich ist nicht zu vergessen, dass ein umfassendes Maßnahmenpaket der Regie­rung zum Schutz der heimischen Volkswirtschaft darüber hinaus notwendig ist, ein Konjunkturpaket. Da gibt es zuhauf Vorschläge der Opposition! Ich bitte, da vonseiten der SPÖ und ÖVP nicht nach dem Prinzip vorzugehen, Dinge irgendwo im Kämmerlein zu besprechen und zu beschließen und dann vorzulegen, nach dem Motto: „Friss, Vo­gel, oder stirb!“ Das kann und darf es in dieser Situation nicht geben! Da ist es notwen­dig, auch mit der Opposition ernsthaft über deren oftmals richtige Vorschläge einge­hende Gespräche zu führen und auch viele der Oppositionsvorschläge einfließen zu lassen.

Durch mangelnde Transparenz auf den Finanzmärkten wurden die Risiken des Finanz­geschäftes verästelt und überall auf der Welt an Kunden weitergegeben; das wissen wir heute. Am Ende wusste niemand mehr, wer die Risiken letztlich gekauft hat. So haben zum Beispiel die Banker die Risiken aus den US-Immobiliengeschäften teilbar und handelbar gemacht, und es wussten am Ende weder die Behörden noch die Käu­fer, wo Risiken in welcher Höhe „verpackt“ worden sind.

Das Problem ist, man kann Risiken so oft teilen, wie man will, aber sie bleiben als Summe bestehen. Und genau das trifft uns ja heute. Ob die Gier gewisser Banker die Ursache der Krise ist, ist eine häufig gestellte Frage vonseiten der Bevölkerung, und wir sollten gerade auch hier die Stimmungslage der Bevölkerung sehr ernst nehmen. Denn man hat schon den Eindruck, dass sich ein paar ganz wenige auf dem Rücken der Menschen und Bürger und Völker dieser Welt mit Spekulationen bereichert haben und dass jetzt diese Schulden auf dem Rücken der Völker sozialisiert werden.


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Das ist schon der Eindruck, der hier entsteht. Nicht umsonst hört man oftmals im Volksmund: Der dumme Bankräuber überfällt eine Bank – und der kluge gründet eine Bank! – Das ist durchaus etwas, was im Volksmund oftmals zu hören ist. Und das soll uns auch zum Denken, zum Nachdenken anregen.

Der Neoliberalismus, der heute wieder einmal sein Scheitern gezeigt hat und sich als Geißel der Menschheit herausgestellt hat, zeigt, es braucht Regulierung. Das ist das Gebot der Stunde. (Beifall bei der FPÖ.)

Es braucht auch Sicherheiten für die Menschen und die Bürger, für die wir Politik zu machen haben, die dürfen wir nicht vergessen. Und wir müssen gerade in diesem Be­reich endlich die Schuldigen zur Verantwortung ziehen, was ja zum Teil in dieses Paket dank Dr. Peter Fichtenbauer eingeflochten wurde, der für die Freiheitliche Partei das verhandelt und hineinreklamiert hat. Das ist aber nur ein kleines Segment. Wir müssen hier viel stärker tätig werden. Ich komme aber dann noch darauf zu sprechen.

Die Finanzkrise wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Wucht auf die reale Wirtschaft durchschlagen – das sagen zumindest die Finanzexperten –, und zwar in einer Art und Weise, wie man es vor Kurzem nicht für möglich gehalten hätte. Das heißt, wir müssen befürchten, in Richtung Rezession zu gehen. Wir müssen gegen­steuern mit allen Mitteln und Möglichkeiten, die wir dazu haben. Die Krise frisst sich ja mit beängstigender Geschwindigkeit ins Fundament des Finanzsystems und gefährdet damit natürlich die Geldversorgung der Realwirtschaft. Sie gefährdet den Mittelstand, sie gefährdet unsere Arbeitsplätze, und wir sind daher aufgerufen, so schnell wie mög­lich mit Konjunkturpaketen die richtigen Antworten darauf zu finden.

Genauso wenig wie im Kriegsfall oder bei einer Naturkatastrophe muss auch in einer um sich greifenden Wirtschaftskrise auf jeden Euro geachtet werden, keine Frage, aber es gilt der Grundsatz: Not kennt kein Gebot. Wir müssen daher jetzt wirklich rasch alle Hebel in Bewegung setzen, um gegenzusteuern. Deshalb haben auch überzeugte An­hänger der Marktwirtschaft selten etwas gegen staatliche Eingriffe in Ausnahmesitua­tionen, denn wenn kein Markt mehr existiert, dann kann er auch keine Probleme mehr lösen. In solchen Fällen sind die Staaten gefordert, wie wir das jetzt auch sehen.

Das Paket der Bundesregierung weist aber einige Fragen auf, und die sind mir wichtig. Bei einer möglichen Verstaatlichung gilt es, viele Fragen zu klären: Wer entscheidet darüber, welche Banken gerettet werden sollen? Wird das dann wie üblich brav zwi­schen Rot und Schwarz aufgeteilt und das Proporzsystem wieder fortgesetzt? Das kann es nicht sein. Und wer wird Sorge dafür tragen, dass die staatlichen Maßnahmen den Wettbewerb in der Bankenbranche nicht völlig verzerren? Und was ist eigentlich mit den exorbitant hohen Managergehältern in den Banken?

Und das ist für mich zum Schluss besonders wichtig: Da will ich endlich einen Offenba­rungseid unserer Bankenmanager haben (Beifall bei der FPÖ), einen Offenbarungseid unserer Bankenmanager, die Verantwortung tragen und eine Haftung zu übernehmen haben und letztlich auch haften müssen! Und da ist auch eine strafrechtliche Relevanz festzumachen. Es kann ja nicht sein, dass es hier Bankenmanager gibt, die mit 7 Millio­nen € Jahresgehalt nach Hause gehen, wohlgemerkt ohne Prämien – mit den Prämien sind es über 12 Millionen € –, ja fast schon das 25-Fache dessen, was unser Bundes­präsident verdient, als Gage kassieren und dann in solchen Fällen der Spekulation nicht zur Verantwortung gezogen werden!

Da will ich schon den Offenbarungseid sichergestellt haben und vor allen Dingen diese Bankenmanager endlich zur Verantwortung gezogen wissen.

Wir brauchen neben dem geschnürten Finanzpaket für die Banken sofortige Konjunk­turmaßnahmen. Basel II wurde angesprochen. Ja, bitte, gerade auch ein Teil von Ba­sel II ist zu überdenken, wenn man weiß, dass kleinere und mittlere Unternehmer in den letzten Jahren in Österreich kaum mehr Kredite bekommen haben. Da müssen wir


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für unsere kleineren und mittleren Unternehmen, Installateure und andere Gewerbebe­triebe, die häufig eine geringe Eigenkapitaldecke haben und denen seit Jahren der Zu­gang zu den Kapitalmärkten verwehrt wird, Maßnahmen setzen und gegensteuern. Vieles ist zu tun.

Ich komme zum Schluss. Der Finanzminister außer Dienst Grasser hat Folgendes ge­sagt, ich zitiere ihn: In jeder Bank, die Hilfsmaßnahmen in Anspruch nimmt, sollte das Management gehen!

Dem ist, glaube ich, wenig hinzuzufügen. Die Verantwortung gerade in diesem Bereich sollten wir in diesem Hohen Haus endlich ernst nehmen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Broukal.)

13.45


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap zu Wort. Ebenfalls 14 Minuten. – Bitte.

 


13.45.11

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich möchte namens meiner Fraktion voraus­schicken, dass wir es sehr begrüßen, dass es hier diese breite Mehrheit für dieses Pa­ket gibt. Ich möchte auch betonen, dass heute seitens der Bundesregierung gemein­sam mit dem Parlament ein Signal gesetzt wird, das Vertrauen schaffen wird und das mit Sicherheit beweist, dass hier in aller Schnelligkeit reagiert wurde.

Aber trotzdem, als ich, wie viele hier im Haus, die Meldungen studiert und die Kom­mentare gelesen habe, ist mir ein Kommentar besonders aufgefallen, und zwar jener von Herbert Lackner im „profil, der geschrieben hat, dass Herr Ackermann, der Vor­standsvorsitzende der Deutschen Bank, der ja viele Jahre gegen eine staatliche Regu­lierung des Finanzsektors wortgewaltig aufgetreten ist, jetzt plötzlich ungeduldig staatli­che Hilfe einfordert. – Dieser Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, hat ein Jah­ressalär von 16 Millionen €. Daran wird sich wahrscheinlich auch nichts ändern, wenn die ganze Krise bewältigt ist.

Herbert Lackner schreibt weiter: „Denn das Risiko, von dem diese Herren so gerne re­den – das Risiko gilt immer nur für die anderen.“

Und da sind wir am Punkt. Denn es gibt sehr viele, Hunderttausende, ja Millionen Anle­gerinnen und Anleger, denen, auch mittels einer Politik, mitgeteilt wurde, es beginnt eine neue Epoche, es beginnt ein neues Zeitalter, nämlich: Über die Aktien wird man jetzt zum Miteigentümer und kann dann mitreden und mitbestimmen. Da kann man dann zu diversen Meinl European-Versammlungen gehen, damit man einmal weiß, was Mitbestimmung wirklich ist – aber das nur nebenbei erwähnt, weil Karl-Heinz Gras­ser hier gefallen ist. Aber der war ja einer dieser Ideologen, die immer wieder propa­giert haben, dass der Staat zurückgedrängt gehört, und darauf hingewiesen haben, dass jetzt eine neue Epoche beginnt.

Ja, es beginnt eine neue Epoche – aber genau in die andere Richtung, wenn man sieht, was sich hier abgespielt hat und von Amerika ausgegangen ist. Dort ist, glaube ich, nur ein kleines Häufchen in der Finanzmarktaufsicht tätig und hat man sich darauf verlassen, wie es halt im angelsächsischen Raum so üblich ist, dass es Selbstregulie­rungskräfte des Marktes gäbe und dass der Markt an sich etwas Heilendes, etwas Re­gulierendes, etwas Positives ist. Ja, es schaut heute fast schon so aus, dass der Staat manchmal den Markt vor sich selbst schützen muss. Er hat hier eine wirklich wichtige Rolle und Funktion zu erfüllen.

Das, was so bedrückend ist, ist, dass hier viele Anlegerinnen und Anleger im guten Glauben ihre Ersparnisse investiert haben. Sie haben darauf vertraut, dass die be­rühmte dritte Pensionssäule eine Perspektive hätte, und gar nicht mehr so sehr auf die erste Säule geschaut. Damals sind die Protagonisten dieses Systems von Stadt zu


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Stadt und am Land umhergezogen und haben gepredigt, jetzt beginnt das Zeitalter, wo man auch die Pensionen retten kann, indem man in diesem Bereich „mehr privat und weniger Staat“ propagiert.

Herr Staatssekretär Kukacka, Ihre Pension kenne ich nicht, aber ich weiß nur eines, das war ein Irrweg, denn Faktum ist, dass viele in die Pensionsfonds an der Börse ein­gezahlt haben und plötzlich zusehen mussten, wie ihre Pensionen den Börsenbach hi­nuntergeschwommen sind. Und das ist etwas, was auch erwähnt werden muss, wenn man über diese Dinge heute diskutiert, weil das damals auch der Hintergrund war.

In diesem Zusammenhang muss man auch noch sagen, was denn eigentlich die ur­sprüngliche Aufgabe von Finanzmärkten war. Die Finanzmärkte waren bestenfalls ein Behelf für die Realwirtschaft, eine Unterstützung für die Realwirtschaft. Das Entschei­dende ist doch das produktive Kapital und nicht das spekulative Kapital.

Erinnern wir uns, wie diese berühmte Epoche der Neoliberalen begonnen hat, an die „Hosenträger-Filme“, wie alle dort mit Hosenträgern vor ihren Monitoren gesessen sind und mit einer Gier dem schnellen Geld nachgejagt sind. Das ist so dargestellt worden, als wären das die Gescheiten – und der, der seiner ganz normalen Arbeit nachgeht, seine 40 Stunden in der Woche runterspult, das ist eigentlich der Dumme. Der Kluge ist der, der sich mit den Hosenträgern vor den Computer setzt und dort rasch reich wird. – Falsch! Auch das ist falsch. Auch das ist in sich zusammengebrochen, mit all diesen Chefideologen, die uns das alles erzählen wollten und am liebsten gehabt hät­ten, dass der Thatcher-Geist sich flächendeckend in Europa verbreitet. Die hat ja wirk­lich keinen Genierer gehabt, die ist sogar bis tief in die Daseinsvorsorge hineinge­gangen.

Das Ergebnis war, dass es dann große Probleme im Bereich der Infrastruktur gegeben hat und am Schluss die Eisenbahn nicht mehr funktioniert hat. Es wurde beispielsweise auch der Betrieb der Telefonhäuschen privatisiert, was zur Folge gehabt hat, dass die Telefonhäuschen nicht mehr funktioniert haben – was im Handy-Zeitalter vielleicht nicht mehr so gravierend ist, aber immerhin, es war damals ein Beweis dafür, dass Pri­vat nicht unbedingt besser funktionieren muss und Privat nicht unbedingt immer die Lö­sung all dieser Probleme ist.

Der berühmte Satz, der oft gefallen ist, auch bei Diskussionen hier im Haus: Ein Staat war noch nie ein guter Unternehmer! – Na ja, aber ich kenne auch Privatunternehmer, die insolvent wurden! (Abg. Dr. Stummvoll: Gusenbauer hat das gesagt! Guter Satz von Gusenbauer!) Von privaten Banken kenne ich auch Privatunternehmer, die dann zum Staat laufen und sagen: Lieber Staat, hilf mir doch bitte, denn da ist etwas dane­bengegangen an der Börse; ich bin nicht mehr solvent!, und so weiter.

Wir sollten hier einmal wirklich kritisch aufarbeiten, was da so im Hintergrund vor sich gegangen ist, und zwar auch aufgrund der Tatsache, dass, wenn Banken Schwierigkei­ten bekommen, das natürlich eine sehr sensible und gefährliche Sache ist.

Daher begrüße ich das, was hier von uns beschlossen werden wird, und zwar auch als ein Signal in Richtung Banken; das ist ja faktisch in diesem ganzen wirtschaftlichen „Blutkreislauf“ ein ganz wesentlicher Aspekt. Und wenn es Probleme in diesem „Blut­kreislauf“ gibt, dann muss man natürlich helfen und Unterstützung geben, denn es ist nun einmal so, dass, wenn die Wirtschaft zusammenbricht, im Endeffekt wirklich nie­mand etwas davon hat: Es haben die Konsumenten nichts davon, es stellt eine Gefähr­dung für die Arbeitsplätze dar, drückt die Konjunktur – es hat jedenfalls Konsequenzen, die niemand haben will. Wir kennen ja historische Beispiele, dass diese Konsequenzen letztendlich nicht nur zu einer wirtschaftlichen Krise geführt haben, sondern es eben auch zu Folgewirkungen für die Politik, zu Folgewirkungen für die Demokratie gekom­men ist. Daher sind wir, wie ich meine, dazu berufen, alles zu unternehmen, um dem gegenzusteuern.


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Was die Menschen wirklich wissen wollen, ist: Garantiert zu wissen, dass, wenn es in diversen Banken oder auf den Finanzmärkten Malversationen gegeben hat, diese mit aller Härte seitens der Gerichte und der Justiz verfolgt werden. Da kann es kein Augenzwinkern geben, das muss mit aller Härte verfolgt werden! Und ich denke, dass dem auch so sein wird.

Auch sollte es durchaus so sein – diese Debatte gibt es ja schon seit Längerem –, dass man sich die Relation der Managergehälter zu dem ansieht, was ihre Verantwor­tung ist und letztlich auch ihre Verantwortung dahin gehend, wenn etwas danebengeht. Das sind Dinge, die, wie ich meine, auch ein ganz wesentlicher Aspekt in diesem Zu­sammenhang sind, ein Aspekt jedenfalls, der dabei zu berücksichtigen ist.

In der Vergangenheit war es ja immer so, wenn sich Staaten zusammentun und Regu­lierungsmaßnahmen setzen wollten, wenn sie Aufsichtsmaßnahmen effektiver gestal­ten wollten – das werden wir ja jetzt auch in Österreich tun –, dass dann immer diese „berühmte“ Argumentation kam: Kapitalflucht!, nach dem Motto: Wenn ihr uns anrührt, dann verlassen wir diesen Börseplatz, diesen Wirtschaftsstandort und so weiter!

Jetzt aber ist, wie ich meine, eine echte Chance für die Staatengemeinschaft, für die einzelnen Staaten gegeben – ja nicht nur eine Chance, sondern geradezu eine Not­wendigkeit, denn: Das Wichtigste in der Wirtschaft, das Wichtigste für die Anleger, das Wichtigste für die Investitionen ist nicht nur, dass es Kredite gibt, nicht nur, dass man Anreize für Investitionen schafft, sondern dass es auch ein Vertrauen gibt. Ver­trauen ist auch da ganz entscheidend!

Das, was wir heute hier beschließen, hat ja auch den Hintergrund, dass Vertrauen ge­schaffen werden soll, und daher ist es eben so wichtig, dass es diese Signale gibt – und dass man das aber auch dazu nutzt, Schritte zu setzen, die zu diesem Vertrauen führen, und sich nicht mehr beeindrucken lässt durch dieses „Kapitalflucht-Argument“, mit dem man immer zu verhindern versucht hat, notwendige Schritte zu setzen.

Einen Gedanken auch noch zu Europa und zur Europäischen Union, da das ja auch mein Vorredner angesprochen hat: Ich finde, diejenigen, die bis jetzt Zweifel hatten an der Sinnhaftigkeit der Europäischen Union, sollte diese Banken- und Wirtschaftskrise eigentlich überzeugt haben von dieser wichtigen Institution. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich rede jetzt von nach wie vor kritischen Kommentierungen und nicht vom überlegenen Lächeln, das Sie jetzt auflegen, Herr Stummvoll!

Ich spreche davon, dass die Europäische Union jetzt Maßnahmen setzt, ich spreche davon, dass man jetzt weiß, dass man hier natürlich auch institutionell etwas schaffen muss – ich erwähne jetzt beispielsweise nur die „schnelle Eingreiftruppe“ und so wei­ter. Das hat es ja vorher nicht gegeben; ein Frühwarnsystem hat es ja auch nicht gege­ben. – Sie wollen ja sicherlich auch ein bisschen etwas Kritisches von mir hören. (Ruf bei der ÖVP: Schreiben Sie einen Leserbrief!)

Dass es die Euro-Zone gibt, dass es diese starke Währung gibt – was natürlich noch schlechter gewesen wäre, wenn es diese nicht gegeben hätte –, ist ein Positivum, und das muss man, glaube ich, ganz besonders herausstreichen. Das zeigt aber auch, dass man sich in der Europäischen Union letztlich zu diesen Schritten zusammenge­funden hat, mit denen – so gehe ich davon aus – diese Aufsichtsstrukturen und Auf­sichtspflichten verbessert werden, wie das eben auch in einzelnen nationalen Ländern mit Sicherheit der Fall sein wird.

Schade nur, dass das alles jetzt passiert ist, denn wirtschaftlich ist es auch im europäi­schen Raum besser gegangen, wurden Arbeitsplätze geschaffen! Schade, dass das jetzt dämpfend wirkt! Deswegen ist es aber richtig, dass auf nationaler und europäi­scher Ebene über konjunkturelle Programme nachgedacht wird. Das soll eben jetzt da­gegen wirken, gegen das, was sich im Moment alles abspielt: Zurückhaltung bei Inves­titionen, Kurzarbeit bei Automobilfabriken, Zurückhaltung beim Konsum und so weiter.


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Jetzt ist es wichtig, dass neben diesen Maßnahmen – dass man absichert, Haftungs­rahmen übernimmt, notfalls auch eingreift in Banken und Unternehmungen und damit auch dem Steuerzahler das Gefühl gibt, dass nicht bloß Geld zur Verfügung gestellt wird, sondern auch darauf geachtet wird, was damit geschieht – auf der anderen Seite aber auch in Bezug auf den Konsum Schritte gesetzt werden, um diesen anzukurbeln. Das können steuerliche Anreize sein, damit wieder mehr investiert wird, das können Steuersenkungsprogramme sein und so weiter. Das sind jedenfalls, wie ich meine, As­pekte, die ganz entscheidend sind: eben Schritte zu setzen, damit es zu einer Ankurbe­lung der schwächelnden Konjunktur kommen kann.

Die Herausforderungen in diesem Zusammenhang sind keine kleinen, wenn wir an die weltweite Rezessionsgefahr denken, eben an diese Finanzkrise, eben an die Notwen­digkeit, konjunkturelle Schritte zu setzen. Denken wir auch an den Klimawandel und an die damit verbundenen Verpflichtungen und Auflagen, denken wir an die globale Un­gleichheit, an die sich erhöhenden Ungleichgewichte zwischen den Volkswirtschaften, lauter Dinge, wogegen die notwendigen Schritte gesetzt werden müssen.

Das Wichtigste – eben neben den Konjunkturprogrammen auf der einen Seite – wer­den aber die Programme zur Effektivierung, zum Ausbau von europäischen, von globa­len Kontrollinstrumentarien sein; vor allem aber auch, dass man begreift, dass die Fi­nanzmärkte kein Casino sind. Da gab es ja teilweise Möglichkeiten der Spekulation, was sonst eigentlich nur in Spielcasinos denkbar ist. Das stellt doch geradezu eine Pervertierung des Grundgedankens dar! Und dieser Pervertierung muss man in der Staatengemeinschaft mit aller Vehemenz entgegentreten, denn das, denke ich, ist wirklich schädlich.

Zum Abschluss kommend möchte ich noch auf einige andere Aspekte zu sprechen kommen, weil – auch früher schon – hier im Hause ein bisschen abschätzig über die siebziger Jahre gesprochen wurde. Die Zeiten, wo der gute alte Keynes auch in der Wirtschaftspolitik, auch in der Budgetpolitik, auch bei Regierungen eine wichtige Rolle gespielt hat, waren doch nicht so schlechte Zeiten. Da hat es ja auch die eigene Schu­le des „Austro-Keynesianismus“ gegeben. Und ich denke, viele von Ihnen sehen jetzt auch Bruno Kreisky in einem ganz anderen Licht, als Sie vor Jahren noch in Ihrer (in Richtung ÖVP) neoliberalen Euphorie diese Zeit beurteilt haben. Ich sage das jetzt nicht aus Nostalgie, sondern einfach hier in den Raum gestellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird daher unsere Aufgabe sein, auch mit den Mitteln des Staates die Marktwirt­schaft am Funktionieren zu halten, gegen Kartelle und Monopole aufzutreten und eine aktive Wirtschaftspolitik zu machen. Es wird unsere Aufgabe sein, für eine gerechtere Verteilung der Güter in Gesellschaft und Wirtschaft einzutreten, ebenso für eine soziale Chancengleichheit. Das werden die wichtigsten Dinge sein; ebenso der Ausbau öffent­licher Pensions-, Pflege- und der Krankenfinanzierungssysteme. Wir müssen uns wie­der konzentrieren auf die erste Säule der Pensionen, zu der ja das größte Vertrauen besteht.

Das ist jetzt das neue Zeitalter, das hier beginnt – und dieses kann nur geprägt sein dadurch, dass Gesundheit, dass der Sozialbereich, dass Pensionen, Bildung, Sicher­heit und so weiter Dinge sind, wo die freien Kräfte des Marktes nichts verloren haben. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt, den wir in diesem Zusammenhang feststellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher abschließend: Ich freue mich schon auf die folgenden Diskussionen! (Beifall bei der SPÖ.)

13.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen zu Wort. Ebenfalls 14 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 21

13.59.29

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Da­men und Herren! Auch Josef Cap liest offensichtlich die „Financial Times“, denn in die­ser war nämlich vor zwei Tagen der Artikel „A prophet reborn“ – gemeint ist John May­nard Keynes, der große Theoretiker der Ökonomie – zu lesen, der, wie auch in diesem Artikel beschrieben wird, letztlich nichts anderes vorhatte, als den Kapitalismus zu ret­ten. Im deutschen Sprachgebrauch würde man sagen: die Marktwirtschaft – oder, wenn Sie so wollen: die soziale Marktwirtschaft. (Abg. Dr. Schüssel: Das ist etwas an­deres! Das ist ein Unterschied!)

Meine Damen und Herren von der ÖVP (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka), das, was Sie unter Keynesianismus verstehen, würde ich als „Vulgär-Keynesianismus“ be­zeichnen. Das hat nichts mit dem zu tun, was Keynes wirklich gesagt hat. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Fichtenbauer.)

Wir haben heute – inhaltlich gesehen – drei wesentliche Pakete zur Abstimmung vorlie­gen: die Reform der Einlagensicherung, Garantien und Haftungen für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen und last not least die Möglichkeit von Staatsbeteiligun­gen bis hin zur Enteignung, wenn Gefahr im Verzug ist im Kreditsektor. Insgesamt ein 100-Milliarden-Paket!

100 Milliarden € – rein rechnerisch gesehen ungefähr ein Drittel des österreichischen Bruttoinlandsprodukts. Das ist eine gigantische Zahl! Und natürlich versteht es jeder von uns, wenn er Leute auf der Straße trifft, die sagen: Bitte schön, 100 Milliarden für die Banken, und wenn ich in Konkurs gehe, wer hilft mir? Niemand! – Das stimmt na­türlich! Es ist gar nicht so leicht zu vermitteln, dass es hier nur vordergründig um ein Banken-Rettungsprogramm geht, sondern um ein Rettungsprogramm für die Wirtschaft insgesamt, für uns Konsumenten insgesamt, letztlich für uns Steuerzahler insgesamt. Denn wenn wir in diesem Zusammenhang nichts tun würden, wenn wir nichts getan hätten, dann wären mit Sicherheit katastrophale Wirkungen eingetreten, ähnlich jenen der Weltwirtschaftskrise 1929 und der folgenden Jahre.

Auf der anderen Seite ist nicht zu übersehen, dass man zwar ein Problem löst, ein an­deres oder mehrere andere Probleme jedoch entstehen. Das eine ist ganz sicher die alte und ungelöste Frage des Moral Hazard, des moralischen Hasards, im Verhalten insbesondere von Kreditinstituten, denn wenn die die Garantie haben, dass sie nicht untergehen können, dann nehmen sie natürlich Risken auf sich, die sie sonst nicht auf sich genommen hätten. In jedem anderen Sektor der Wirtschaft würde man das nicht akzeptieren, nur bei Banken und Versicherungen ist uns bis jetzt nichts anderes einge­fallen.

Natürlich ist die Gefahr virulent, akut, dass hier in der Vergangenheit Gewinne privati­siert wurden und heute mögliche Verluste sozialisiert werden. Einzelne Banker – der Name Josef Ackermann ist heute schon gefallen – gießen nun wirklich Öl ins Feuer. Die Bemerkung, dass er den Bonus, der ihm für 2008 vertragsgemäß zusteht, großzü­gig spendet für die Mitarbeiter seines Hauses, nämlich der Deutschen Bank, ist nun wirklich, finde ich, nicht nur geschmacklos, sondern eine Provokation. (Beifall bei Grü­nen und SPÖ.)

Das ist eine Provokation, denn bis heute warten wir noch vergeblich auf eine flächen­deckende Antwort der Banker, der Vorstandsmitglieder, der Aufsichtsratsmitglieder an­gesichts des offensichtlichen Versagens von dem, was ich einmal als Incentive Design bezeichnen würde, also die richtige Strukturierung von Managerverträgen, sodass sie Risken eingehen, die vertretbar sind, aber nicht solche, die nicht vertretbar sind.

Die jetzige Krise hat andere Ursachen oder jedenfalls teilweise andere Ursachen als seinerzeit die Weltwirtschaftskrise, aber in der Dimension könnte sie ähnlich sein. Die Folgen, die bis jetzt eingetreten sind, sind nahezu identisch, nämlich erstens der dra-


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matische Verlust von Vermögenswerten – Stichwörter: Börsenkapitalisierung, Wert von Aktien weltweit um rund die Hälfte gefallen im Jahre 2008; im Einzelfall, wenn je­mand Pech hat bei seinen Veranlagungen, natürlich erheblich stärker – und zweitens die Vertrauenskrise auf den Finanzmärkten mit den Auswirkungen für die Kreditmärkte.

Die Maßnahmen, die wir heute beschließen, betreffen den zweiten Teil, die Vertrau­enskrise und das, was die Amerikaner oder die Engländer „freezing up of capital“, „freezing up of credit“ nennen, aber natürlich nicht den ersten Teil, denn wie soll man die Börsen auch wieder in Schwung bringen?

Es lohnt sich vielleicht, einen kurzen Blick auf einen Faktor zu lenken – er war natürlich nicht der alleinige, der diese Krise in Gang gesetzt hat –, nämlich auf die sogenannte Subprime Krise in den USA. Die amerikanische Regierung ist an dieser Entwicklung nicht schuldlos. Die amerikanische Regierung hat zum Beispiel Hypothekarkreditpolitik mit Sozialpolitik verwechselt. Die amerikanische Regierung hat eine Zeit lang die ent­sprechenden Banken und Sparkassen geradezu genötigt, sehr großzügig zu sein mit Hypothekarkrediten für den Häuslbau, nach dem Motto: Jedem Amerikaner sein eige­nes Haus oder Häuschen. – Verständlich, nur: Auf dem Kreditmarkt betreibt man keine Sozialpolitik!

Das hatte den Effekt, dass heute Millionen von Amerikanern in Häusern sitzen, bei de­nen die Hypothek mehr ausmacht als den Wert des Hauses. Es wird Jahre dauern, bis das bereinigt ist. Das wäre ja, soweit gesehen, „nur“ – „nur“ unter Anführungszeichen – ein Problem der Amerikaner. Aber das eigentliche Problem ist durch etwas entstanden, was die Ökonomen ja im Prinzip für richtig halten – auch ich tue mich schwer, zu ver­stehen, was hier abgelaufen ist –, nämlich die Securitization oder Verbriefung dieser „Subprime Kredite“. Das heißt, neue Konstrukte wurden gebildet, verkauft, andere ha­ben diese Konstrukte gekauft, nach dem Motto: Das sind real besicherte Papiere, da steht ja Immobilienvermögen dahinter, die werden gut verzinst, warum soll ich die nicht kaufen?

Der Gedanke der Risikostreuung, der dahinter steht, ist ja vollkommen richtig, nur hat das letztlich dazu geführt, dass Risken nicht so sehr gestreut wurden, sondern ver­steckt, sodass heute kein Mensch mehr weiß, was solche Anlagen bei wem noch wert sind.

Das ist ein erstaunliches Phänomen, für das die Kreditwirtschaft, finde ich, bis heute eine Antwort schuldig ist, denn nur dann, wenn wir das richtig verstehen, können wir ja die Reregulierung der Finanzmärkte, wie wir sie alle wollen, in Zukunft richtig machen.

Vorläufig sind die Folgen irreparabel; irreparabel in dem Sinn, dass die amerikanische Konjunktur nach unten gehen muss – aufgrund der Vernichtung von Vermögenswerten einerseits, denn die Konsumnachfrage, speziell in den USA, hängt sehr stark an der entsprechenden Verschuldung, die wiederum zurückgefahren werden muss aufgrund der sinkenden Aktiendepots und so weiter, von den Immobilien ganz abgesehen. Es wird das also zu einem Rückgang der Konsumgüternachfrage in den USA führen, na­türlich zu einem Rückgang der Importnachfrage der USA, und damit auf die realen Märkte in Europa durchschlagen. Das ist unvermeidlich.

Jetzt habe ich noch kein Wort verloren über all die anderen Dinge, von denen wir alle in diesem Haus, glaube ich, nichts verstehen oder nicht hinreichend viel verstehen: Credit Default Swaps, andere Swaps, Options, also Optionen auf alle möglichen Deri­vate und so weiter. Das ist inzwischen eine Geheimwissenschaft geworden, die offen­bar zum Nachteil der Bankiers sozusagen nach hinten losgegangen ist.

Auch hier meine ich, die Finanzmarktaufsichten in allen Ländern, in den USA und in Europa, sind diesen Entwicklungen bisher immer hinterhergehinkt. Das ist ein echtes Problem. Die Produkte sind schneller entwickelt worden, als sie verstanden, geschwei-


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ge denn beaufsichtigt worden sind. Wenn wir das in Zukunft nicht lösen, werden wir in fünf Jahren, in zehn Jahren wieder ähnliche Entwicklungen haben.

Zur Europäischen Union: Nach ersten Schritten, die absolut nicht beeindruckend waren und wiederum der Weltwirtschaftskrise ähnlich waren, ist es dann gelungen, gemeinsa­me Aktionen zu setzen, die beeindruckend sind. Mit den ersten Schritten meine ich zum Beispiel die Iren, die Dänen und dann die Deutschen, die die Einlagensicherung in unbegrenzter Höhe festgesetzt haben. Das hat natürlich Staaten wie Österreich zu Ge­triebenen gemacht. Es ist nicht möglich, sich gegen so etwas zu wehren, du musst, wir müssen nachziehen.

Das ist genau das Gleiche, wie es in der Weltwirtschaftskrise betrieben wurde, „beggar thy neighbour“, hieß es damals, also: Schau nur auf dich und nicht darauf, welche Fol­gen das für die anderen hat!

Das war die erste Phase; aber in der zweiten Phase, spätestens mit dem Europäischen Rat, den Außenministern und so weiter ist es gelungen, konzertiert Maßnahmen zu setzen, die wir heute hier für Österreich abbilden – in Nuancen verschieden; im UK, in England ist es nicht dasselbe wie in Deutschland, ist es nicht dasselbe wie in Öster­reich, aber im Wesentlichen sehr ähnlich.

Im Ausschuss, im Hauptausschuss, glaube ich, waren wir uns einig, dass diese Ent­wicklung nicht nur hochinteressant ist und nicht nur zeigt, dass zumindest die Spitzen­repräsentanten der Europäischen Union sich der Probleme bewusst sind, sondern dass sie auch eine Reform der Verträge nach sich ziehen wird müssen.

Finanzminister Molterer hat nicht zu Unrecht darauf hingewiesen, dass wir eine euro­päische Finanzmarktaufsicht brauchen; und damit wird es ja nicht getan sein. Wir ha­ben eine starke Interdependenz der Finanzmärkte, der Kreditmärkte, der Kapitalmärkte in Europa – aber nationale Aufsichtsbehörden: Das kann nicht gut gehen.

Es ist völlig ungelöst, was geschieht, wenn, sagen wir – damit möchte ich nichts an­deuten –, eine italienische Mutter kracht, die österreichische Tochter aber absolut sol­vent und gesund ist, oder umgekehrt, und so weiter.

Das heißt: Wir brauchen eine Änderung der Verträge, die mit Sicherheit österreichische Interessen berührt, Herr Kollege Cap. Und Sie sind vorhin der Frage ausgewichen, wie denn die SPÖ zu einer Änderung der Verträge steht in diesem Zusammenhang, ob sie sich auch in dieser hochkomplexen Frage auf eine nationale Volksabstimmung kapri­ziert. Aber ich nehme zur Kenntnis, dass die SPÖ dazu nicht Stellung nehmen möchte.

Das heutige Paket ist, glaube ich, im Großen und Ganzen akzeptabel. Wir werden je­denfalls in dritter Lesung dem Paket auch zustimmen. Es fehlt aber ein wesentlicher Punkt, der auch im Rahmen eines Konjunkturpaketes gelöst werden könnte, das ist vor allem die Frage der Depots, die Frage der sogenannten Tilgungsträger bei Fremdwäh­rungskrediten und ganz generell die Frage bei Krediten, die durch Depots abgesichert sind, die jetzt nur die Hälfte von dem wert sind, was sie noch vor kurzer Zeit wert wa­ren.

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rossmann, Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutzbrief für private (Fremd)währungskreditnehmerInnen und KMU/EPU-Sicherungspaket zur Überbrückung der Folgen der Finanzkrise


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Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, nur dann eine Haftung oder Garantie für Ban­ken im Rahmen des Bankenrettungspakets zu übernehmen, wenn im Sinne des briti­schen Modells sichergestellt ist, dass die davon begünstigten Banken für die nächsten drei Jahre

ein Moratorium für die vorzeitige Fälligstellung von Krediten und bei der Einforderung von zusätzlichen Sicherheiten für Kredite von KMUs und von Privatpersonen zur Finan­zierung des Kaufs einer eigenen Wohnung oder zum Bau eines eigenen Hauses ein­halten und

(Nicht-Fremdwährungs-)Kredite zu fairen Bedingungen an KMUs und an Privatperso­nen zur Wohnraumbeschaffung für den Eigenbedarf bereitstellen.“

*****

Der Hintergrund dieses sehr langen Satzes – ich bitte dafür um Entschuldigung – ist, dass wir zwar, nehmen wir nur die Privatpersonen, diese nicht aus dem Risiko entlas­sen wollen, das sie eingegangen sind, indem sie ihren Hypothekarkredit in einer Fremdwährung begeben haben, mit niedrigen Zinsen, aber zusätzlichen Risken, aber andererseits nicht wollen, dass Zehntausende solcher Kredite jetzt fällig gestellt wer­den, weil der Tilgungsträger bei Weitem nicht jenes Ausmaß erreicht hat, wie bei der Vergabe des Kredites angenommen wurde. Ein – wie soll ich sagen? – Mitverschulden der Banken und Kreditinstitute in diesem Zusammenhang kann ja nicht a priori ausge­schlossen werden.

Abschließend: Ich glaube nicht, dass sich die Weltwirtschaftskrise von 1929 wiederholt. Wir haben die Erfahrungen gemacht, an der Spitze der Notenbanken stehen im Gro­ßen und Ganzen Personen, die, sagen wir, Fachleute sind. Und vor allem haben wir in der Europäischen Union eine Institution, die verhindert oder zumindest verhindern kann, dass das passiert, was damals passiert ist, nämlich dass die einzelnen National­staaten nur auf sich schauen, vernachlässigen, welche Folgen das bei den anderen hat, und dadurch erst die große internationale Krise herbeirufen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rossmann, Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutzbrief für private (Fremd)währungskreditnehmerInnen und KMU/EPU-Sicherungspaket zur Überbrückung der Folgen der Finanzkrise

eingebracht im Zuge der Debatte über Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Förderung des Interbankmarktes (Interbankmarktstärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Fi­nanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geändert werden

Mit dem Interbankmarktstärkungs- und des Finanzmarktstabilitätsgesetz wird ein 100 Milliarden-Schutzschild für die österreichischen Banken und Versicherungen aufge-


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baut. Für den Fall der Inanspruchnahme von Liquiditätshilfen und Rekapitalisierungen müssen die dafür erforderlichen Mittel in erster Linie von den SteuerzahlerInnen bereit­gestellt werden. Während also für die Rettung der Banken ein breiter Schutzschirm auf Kosten der SteuerzahlerInnen  aufgespannt wird, gibt es für die vielen kleinen Leute, die selbst Betroffene der Finanzkrise sind, keinerlei Sicherungsmaßnahmen. Wir for­dern daher im Gegenzug von den Banken einen Schutzbrief für (Fremdwäh­rungs)kreditnehmerInnen und ein Sicherungspaket für Kleinst-, Klein- und Mittelbetrie­be. Viele FremdwährungskreditnehmerInnen stehen durch die Finanzkrise heute vor der Situation, dass entweder zusätzliche gefordert oder gar die aushaftenden Kredite fällig gestellt werden.

Die Banken müssen daher – sofern sie unter den Milliarden-Schutzschild kommen wol­len - ihren Beitrag zur Überbrückung der Krise in Form einer konsumenten- und KMU-freundlichen Kreditpolitik und -gestion in Anlehnung an das britische Bankenrettungs­modell leisten. Trotz der globalen Finanzkrise muss die Kreditversorgung von Woh­nungssuchenden bzw. EigenheimbesitzerInnen und KMUs zu fairen Preisen aufrecht erhalten werden. Zwangsversteigerungen von Eigenheimen und Konkurse auf privater und betrieblicher Ebene müssen weitestgehend vermieden werden, nicht zuletzt zur Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen.

Die Banken müssen daher für die vorzeitige Fälligstellung von Krediten und die Einfor­derung von zusätzlichen Sicherheiten für Kredite von Kleinst-, Klein- und Mittelbetrie­ben zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Finanzierung von Wohnraum für den eigenen Bedarf  ein 3- jähriges Moratorium einhalten.

Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass Kredite an Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe für Investitionen zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und an Privatperso­nen zur Wohnraumbeschaffung für den Eigenbedarf zu fairen Bedingungen für die nächsten drei Jahre bereit gestellt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, nur dann eine Haftung oder Garantie für Ban­ken im Rahmen des Bankenrettungspakets zu übernehmen, wenn im Sinne des briti­schen Modells sichergestellt ist, dass die davon begünstigten Banken für die nächsten drei Jahre

ein Moratorium für die vorzeitige Fälligstellung von Krediten und bei der Einforderung von zusätzlichen Sicherheiten für Kredite von KMUs und von Privatpersonen zur Finan­zierung des Kaufs einer eigenen Wohnung oder zum Bau eines eigenen Hauses ein­halten und

(Nicht-Fremdwährungs-)Kredite zu fairen Bedingungen an KMUs und an Privatperso­nen zur Wohnraumbeschaffung für den Eigenbedarf bereitstellen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Klubobmann Dr. Schüssel ist der Nächste, der zu Wort gelangt, ebenfalls mit einer 14-minütigen Redezeit. – Bitte.

 


14.14.19

Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP): Hohes Haus! Ich schließe gleich bei Professor Van der Bellen an: Ja, es ist richtig, dass am Anfang dieser Krise nationale


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 26

Sonderwege und auch Lizitation zu verzeichnen waren. Man hat auch gesehen, dass das eine Kettenwirkung auslöst – es waren ja nicht nur die Iren. Die USA haben zu­nächst einmal begonnen, einen ganz eigenständigen Weg zu gehen. Die Isländer ha­ben alles garantiert, haben aber die britischen Kunden ausgeschlossen. Daraufhin ha­ben die Briten unter Anwendung der Terrorgesetzgebung – wörtlich, bitte: der Terror­gesetzgebung – alle isländischen Guthaben eingefroren. Eigentlich verrückt, dass im 21. Jahrhundert eine solch nationale Aufwallung überhaupt stattgefunden hat.

Gott sei Dank stand am Ende dann, wie Sie es gesagt haben, ein beeindruckender Kraftakt Europas. Darauf hat sogar die „NZZ“ hingewiesen, hat das voll Bewunderung gesagt. Die Schweizer haben sich ja übrigens mittlerweile auch diesem Weg ange­schlossen.

Diese Krise hat tatsächlich alle quantitativen Vorstellungen gesprengt. Im Moment wer­den etwa 2 000 Milliarden € allein auf europäischer Ebene garantiert oder über direkte Kapitalzuschüsse zur Verfügung gestellt. Wenn man noch die USA, Russland und Asien dazurechnet, wird das letztlich wahrscheinlich über 3 000 Milliarden € ausma­chen.

In Österreich – damit man schon auch das Risiko hier einmal ausspricht – ist das nicht nur eine Scheingarantie, die abgegeben wird, sondern eine echte Garantie, die natür­lich auch Risken beinhaltet. Ich halte es daher auch wie H.C. Strache für richtig, dass man über diese Risken redet.

Wir garantieren zum Beispiel sämtliche Sparguthaben bis zum Ende des nächsten Jah­res. Das heißt, wir garantieren damit 185 Milliarden € und noch einmal 90 Milliarden € über sonstige Garantien bis hin zu direkten Kapitaleinschüssen. Das entspricht in Sum­me einem kompletten österreichischen Nationalprodukt.

Die Deutschen werden das ähnlich machen. Die Iren garantieren sogar das Vierfache und die Isländer das Zwölffache.

Meine Damen und Herren, man sieht daran: Das kann nicht unbefristet gehen; diesbe­züglich bin ich auch mit Professor Van der Bellen einer Meinung. Das kann auch nicht ohne Bedingungen gehen, das muss auch klar sein. Wenn der Staat hier einspringt, dann muss das klug und mit Augenmaß gehandhabt werden.

Wer soll das bezahlen, werden sich die Fernsehzuseher und natürlich auch viele an­dere Bürger fragen. – In Demokratien ist es immer der Steuerzahler, der letztlich dafür haftet. Und wenn wir ihn fragen würden, ob er bereit ist, eine solch gewaltige Bürde
auf sich zu nehmen: Ich bin mir nicht sicher, wie bei einer allfälligen Volksabstimmung oder -befragung eine solche Befassung des Souveräns, des Steuerzahlers ausginge. Das ist auch der Grund dafür, dass in dieser dramatischen Situation auf der ganzen Welt Regierungen mit Notverordnungen operieren und mit Schnellverfahren im Parla­ment. (Abg. Strache: In der Schweiz würde man dafür stimmen!)

Das ist in der Schweiz auch so. Dort ist eine Regelung in der Verfassung in Anspruch genommen worden, die in außerordentlichen Notfällen greift. Das ist in den USA so, in Deutschland, in Österreich.

Übrigens: Die EU-Spielregeln innerhalb der Abstimmung sind viel zu schwerfällig – üb­rigens auch ein Thema, worüber man innerhalb der europäischen Verträge noch nach­denken muss.

Hier beraten heute der „alte“ Nationalrat und die „alte“ Regierung in der gewohnten Zu­sammensetzung. Ich möchte mich an dieser Stelle sehr bedanken für die hervorragen­de Zusammenarbeit von Wilhelm Molterer und Alfred Gusenbauer. (Abg. Strache: Deshalb kam es zu Neuwahlen! Das ist absurd! – Abg. Öllinger: Das ist wirklich ab-


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surd!) Ich danke auch der Opposition und den Regierungsparteien dafür, dass sie in diesem Schnellverfahren wirklich die Verantwortung übernommen haben, hier zu hel­fen und Sicherheiten zu geben; das ist nämlich lebenswichtig in dieser Situation. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Wir müssen aber verhindern – ich möchte diesen Punkt hier auch sehr offen ausdisku­tieren –, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Das ist nämlich nach der Re­de von Josef Cap absolut notwendig, denn in Wirklichkeit reiben sich ja die Protektio­nisten und Etatisten aller Länder schon längst die Hände.

Ich sage hier sehr offen: Die Globalisierung, der internationale Welthandel haben in den letzten Jahren Hunderte Millionen Menschen aus der bittersten und äußersten Ar­mut herausgeführt. Und ich sage auch – das ist meine Sorge in der jetzigen Situation –, dass die Emerging Countries, die aufstrebenden Länder, die Ersten sein werden, die auch den härtesten Preis dafür zahlen werden.

Man sieht es bereits: Die wichtigsten Titel in China, Indien, Brasilien haben die Hälfte ihres Wertes verloren, in Russland sogar 60 Prozent. Im kommenden Jahr wird das fri­sche Kapital, das in diese Emerging Countries fließt, deutlich reduziert, von 900 Milliar­den auf nicht einmal 600 Milliarden.

Daher: Der freie, in Spielregeln gebundene Welthandel hat seinen Sinn. Der war der Motor einer Entwicklung, die das letzte Jahrzehnt im Rückblick sicherlich als ein golde­nes Jahrzehnt erscheinen lässt. Werfen wir diese Errungenschaften nicht weg. Schüt­ten wir hier das Kind nicht mit dem Bade aus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Das Gleiche gilt auch für den Finanzsektor. Ich meine, es ist ja sehr schön, dass wir uns hier über Herrn Ackermann von der Deutschen Bank ereifern können, aber eines sage ich auch deutlich dazu: Es ist meines Wissens keine österreichische Systembank, keine österreichische Großbank in einer ähnlichen Lage wie die schottischen Banken, wie Fannie und Freddie und viele andere Banken – Gott sei Dank nicht! Ich hoffe auch, dass die Risken beherrschbar sind. Daher: Schütten wir auch hier nicht das Kind mit dem Bade aus, und beschuldigen wir nicht alle, die in der Finanzwirtschaft tätig sind, ein und des gleichen Vergehens! Das ist nicht gerechtfertigt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ja, der Finanzsektor muss neu geordnet werden – das ist keine Frage –, vor allem, um nicht die Fehler der dreißiger Jahre zu machen, nämlich Abschottung und Protektionis­mus. Ich spreche auch sehr offen eine klare Warnung aus an alle, die wie Josef Cap eigentlich die soziale Marktwirtschaft bereits zur Gänze in Frage stellen. Ich habe übri­gens gehört, dass der kommunistische Berliner Verlag Karl Dietz bereits eine Verdrei­fachung der Nachfrage nach Karl Marx’ „Das Kapital“ festgestellt hat. (Heiterkeit bei der ÖVP sowie des Abg. Strache.)

Nur, Freunde, das kann es nicht sein, wenn Sie hier quasi im Vorbeigehen mit einer Hand die Verstaatlichung des ganzen Gesundheitssystems – da werden sich die priva­ten Ärzte und die privaten Sanatorien schön bedanken –, die Totalverstaatlichung des gesamten Bildungssystems ankündigen, wenn Sie die gesamte zweite und dritte Säule in Frage stellen. Vielleicht wissen Sie es nicht, aber in Wirklichkeit haben sich die Ak­tien in den Jahren 2000 bis 2008 verdoppelt, wenn man den langen Schnitt hernimmt; das ist immerhin eine Steigerung von 8 Prozent pro Jahr. Stellen Sie das nicht in Fra­ge, und schütten Sie nicht das ganze Kind mit dem Bad aus, lieber Josef Cap! Das war „retro“, was Sie hier geboten haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

Nur zur Erinnerung: Ausgelöst wurde diese gesamte Krise – wie von Professor Van der Bellen schon erwähnt – durch die US-Hypothekenkrise. Jetzt muss man nur Folgendes


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wissen: Der amerikanische Hypothekenmarkt ist der am strengsten regulierte Markt in Amerika, und Fannie und Freddie, diese beiden Hypothekenbanken, sind halbstaatli­che Banken, die auf Wunsch der Clinton-Administration – nicht der „bösen“ Bush-Admi­nistration – das an sich gut gemeinte Ziel gehabt hatten, vor allem den ärmeren Bevöl­kerungsschichten zu möglichst günstigen Konditionen billigen Zugang zu Eigenheimen zu verschaffen. Das war die Idee, und der Kongress hat das noch mit vielen Program­men unterstützt.

Das ist in Wirklichkeit völlig danebengegangen – denn du kannst eben nicht ein Grund­stück zum zweifachen Wert, zu einem zweihundertprozentigen Wert mit Hypotheken belegen. Die „New York Times“ hat bereits im Jahr 1999 massiv vor dieser Entwicklung gewarnt; aus Zeitgründen lese ich es nicht vor, das ist in der „Presse“, und zwar bei Christian Ortner nachzulesen. Dort wurde damals schon gesagt: Wahrscheinlich wird die Regierung diese beiden Banken einmal retten müssen.

Marktversagen? – Da war eine gewaltige Portion Staatsversagen und Politikversagen mit dabei! Dazu kam noch die Politik des billigen Geldes der amerikanischen Fed, übri­gens im Unterschied zur EZB, die sich hier sehr viel vorsichtiger verhalten hat. Es gibt manche österreichische Protagonisten, die die EZB dafür kritisiert haben, dass sie nicht den Weg von Alan Greenspan – billiges Geld, unbegrenzte Liquidität – gegangen ist. (Abg. Strache: Die Fed ist ja privat! – Abg. Dr. Graf: Die Fed ist privat!)

Was war die Folge? – Die Banker haben natürlich geglaubt, Liquidität ist immer und überall unbegrenzt verfügbar. Daher wurden Risken sonder Zahl eingegangen, und selbst die Seriösesten haben in diesem Bereich mitgespielt. Noch dazu hat es moder­ne Produkte gegeben – Sie haben ja darauf hingewiesen –, diese berühmten Derivate in hunderterlei Ausformulierungen. Die waren den Regulierern natürlich immer um drei Schritte und damit weit voraus.

Meine Damen und Herren, was wir daher brauchen, ist nicht „more government“, son­dern „better government“! Wir brauchen Regeln, aber wir brauchen treffsichere Re­geln, die wirklich in der Lage sind, klug und mit Augenmaß das Problem zu adressie­ren. Wenn hier mit diesem Paket klug gearbeitet wird – und davon bin ich sehr über­zeugt nach dem, was die beiden Regierungsvertreter gesagt haben –, dann kann der Steuerzahler davonkommen, ohne dass er als Risiko-Garant in Frage kommt, vielleicht sogar mit einem kleinen Gewinn; gesichert ist es nicht, das müssen wir heute wissen und den Menschen in Österreich auch sagen. Wenn sich zum Beispiel Europa auf die Hinterfüße stellt, dann können wir jetzt vielleicht wirklich zu weltweiten Regeln kom­men, die auch für Steuerparadiese oder für Offshore-Zentren gelten. Wenn der Finanz­sektor besser aufgestellt wird, werden wir in Hinkunft auf Krisen besser vorbereitet sein.

Wie gesagt, die soziale Marktwirtschaft ist etwas anderes als das amerikanische Mo­dell oder das etatistische Modell. Darauf lege ich großen Wert! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden uns nicht für die Fehler des amerikanischen Kapitalismus verantwortlich fühlen. Wir sollten aber auf unserem Modell beharren, denn: Das autoritäre China brüs­tet sich ja heute schon damit, dass es das bessere Modell hat und dass es diese Ba­lance zwischen einem starken Staat und dem Markt eigentlich für sehr gut funktionie­rend befunden hat.

Meine Damen und Herren, das kann nicht unser Modell sein! Wir wissen aus dem Un­terschied zu unseren Nachbarn genau, wie es ist, eine soziale Marktwirtschaft zu ha­ben. Alle unsere Nachbarn haben das in der Planwirtschaft genau erlebt: gleiche Aus­gangslage – und nach vier Jahrzehnten war ihre Wirtschaftsleistung bei weniger als der Hälfte der österreichischen! Das heißt, die soziale Marktwirtschaft funktioniert nur, wenn es einen transparenten, funktionierenden Markt mit den richtigen Rahmenbedin-


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gungen gibt. Das heißt nicht: keine Regeln, sondern das heißt: richtige Regeln, treffsi­chere Regeln und vor allem eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die öffentliche Mei­nung, wie sie hoffentlich auch hier stattfindet.

Zum Thema Europa: Ich teile die Meinung sowohl von Alfred Gusenbauer als auch von Wilhelm Molterer, dass gerade diese Krise sehr genau gezeigt hat, dass jedes Land – und die kleineren und mittleren natürlich noch viel stärker – von einer solchen Krise überrollt werden kann. Es ist ja kein Zufall, dass etwa die Ministerpräsidenten von Dänemark oder von Schweden – von Island rede ich jetzt gar nicht – laut darüber nachdenken, ob es nicht vorteilhaft wäre, sich in der jetzigen Situation zu überlegen, doch in der Eurozone mit dabei zu sein.

Es ist klar, dass wir gut aufgestellt sind, wenn wir die EZB haben, wenn die EZB für uns agiert, wenn in den internationalen Finanzinstitutionen die Europäische Union, die Kommission Sitz und Stimme hat und quasi auch für Europa spricht. Wäre es nicht klass, jetzt den Vertrag von Lissabon zu haben – auch im Wissen, dass Präsident Sar­kozy eigentlich die Präsidentschaft gerade hervorragend führt? Wäre es nicht gescheit, jemanden zu haben, der für eine bestimmte Dauer – zweieinhalb Jahre, bis zu fünf Jahre lang – eine starke Stimme für Europa sein könnte? Wäre das nicht viel zweck­mäßiger, als jetzt zum Beispiel Weltfinanzgipfel zu haben, die genau an der Schnitt­stelle zwischen zwei Präsidentschaften stattfinden, wobei in ein paar Monaten, schon in zwei Monaten der Nächste kommt, der sich wiederum neu einarbeiten muss?

Ich glaube, gerade in der jetzigen Situation sollten wir erkennen, dass für uns eigentlich diese Europäische Union ein absoluter Vorteil ist. Wir sollten sie nicht schwächen. Wir wissen auch – und da bin ich wiederum mit Van der Bellen vollkommen der gleichen Meinung –, es wird Veränderungen, Vertragsänderungen geben müssen, sei es in Richtung einer europäischen Finanzaufsicht, sei es in Richtung einer einheitlichen Stimme in der Außenpolitik, vielleicht auch in der Finanz- und Wirtschaftspolitik – wa­rum nicht! Dazu braucht es Vertragsänderungen, Änderungen des Primärrechts. Jede einzelne dieser Fragen einem nationalen Referendum zu unterziehen: Freunde, dann findet es nicht statt! Das muss man wissen.

Daher: Ja zu diesem Paket! Wir stimmen mit einigem Bauchweh zu, weil wir um das Risiko wissen, das heute eingegangen wird. Aber es gibt dazu keine Alternative. Danke allen, die daran mitgewirkt haben – ich hoffe, es geht gut aus! (Beifall bei der ÖVP.)

14.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Klubobmann Ing. Westentha­ler zu Wort. Redezeit: ebenfalls 14 Minuten. – Bitte.

 


14.28.02

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser leider viel zu früh verstorbener Bundesobmann Dr. Jörg Haider hat in seinem 15-jähri­gen Wirken hier im Hohen Haus sehr oft von diesem Rednerpult aus gesprochen, als Klubobmann, als einfacher Abgeordneter. Er war ein leidenschaftlicher, begeisterter Parlamentarier, und er hat Parlamentarismus nicht nur als hohle Phrase und Wort ver­standen, sondern hat ihn gelebt.

Ich möchte daher an dieser Stelle namens meiner Fraktion, des BZÖ, Ihnen, sehr ge­ehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen Klubobmännern, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Hause, sowie der österreichischen Bundesregierung, allen voran Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer, sehr herzlich für die Worte und Gesten der An­erkennung, des Respekts und der Anteilnahme danken. Vergelt’s Gott, herzlichen Dank! (Beifall bei BZÖ, SPÖ, ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses 100-Milliarden-€-Paket – umgerech­net 1,4 Billionen österreichische Schilling – hat schon eine Dimension, die für jeden un­fassbar ist. Experten unseres Klubs haben errechnet, dass diese Summe, wenn man lauter Fünfhundert-Euro-Scheine aufeinanderlegen würde, einen Turm mit der Höhe von 21 Kilometern ergeben würde – nur dass sich jeder ungefähr vorstellen kann, wie viel das ist. Daher ist es auch durchaus relevant zu fragen, warum diese 100 Milliar­den € für Österreich in einer derartigen Dimension zustande gekommen sind. Wir ha­ben uns das jetzt angesehen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben das damit begründet, dass der Finanzsektor in Öster­reich einen wesentlich höheren Wertschöpfungsanteil am Bruttoinlandsprodukt hat, als das in anderen Ländern der Fall ist. – Leider stimmt das nicht. Wir haben uns das an­gesehen: Die letzten Daten des Eurostat liegen vor, und diese besagen, dass der An­teil in Deutschland, Österreich, Spanien, Frankreich, Italien, Norwegen und Schweden praktisch ident bei rund 4 Prozent liegt; er ist interessanterweise nur in Luxemburg, wie wir wissen, und in der Schweiz höher. – Das heißt, das kann nicht der Grund gewesen sein.

Da ist es natürlich schon erlaubt zu fragen, warum Österreich mit diesem Paket – dem wir heute auch zustimmen werden, weil es alternativlos ist – von 100 Milliarden € eigentlich gleichauf mit Spanien liegt. Im Vergleich ist es nur geringer als in Deutsch­land mit 400 Milliarden, und auch wenn man es mit US-Amerika vergleicht – 700 Mil­liarden –, dann ist die Dimension natürlich zu hinterfragen.

Es ist ein Garantiepaket, es ist ein Paket zur Stabilisierung des Geldmarktverkehrs und vor allem zur Wiederherstellung von Vertrauen, und ich denke, das ist das Wichtigste. Vertrauen kann unserer Meinung nach aber nur dann entstehen, wenn es in diesem Paket eine starke Kontrolle gibt, sehr strenge Rahmenbedingungen und völlige Trans­parenz, Offenheit und Ehrlichkeit. Einiges ist da schon umgesetzt, einiges muss man, meine ich, noch nachschieben und verändern. Die Menschen – Herr Klubobmann Schüssel hat das auch angesprochen – fragen zu Recht: Wer zahlt das jetzt? Wer zahlt es, und wer wird es zum Beispiel zahlen, wenn vielleicht „nur“ – unter Anfüh­rungszeichen – die 15-Milliarden-Eigenkapitalspritze zu zahlen ist?

Warum fragen das die Menschen? – Das muss man auch hinterfragen. Sie fragen es deshalb, weil ihnen wir vom Hohen Haus und vor allem die österreichische Bundesre­gierung seit Monaten und Jahren erklären, dass kein Geld da ist. Es ist kein Geld da für höhere Löhne, es ist kein Geld da für wesentlich höhere Pensionen, es ist kein Geld da für eine Steuersenkung und für mehr an sozialen Leistungen. Deswegen sind die Menschen eigentlich darüber erstaunt, wie da plötzlich mit Milliarden nur so herum­jongliert wird und Milliarden gestemmt werden. Das ist das, was die Menschen hinter­fragen, und sie verstehen es nicht.

Daher muss heute auch die Antwort auf diese Fragen kommen, die uns zu diesem Pa­ket immer wieder gestellt werden: Woher nimmt die Regierung etwa diese 15 Milliar­den € für die Eigenkapitalstärkung, wenn sie zum Tragen kommen? – Ich weiß schon, es ist viel Placebo, es ist viel die Rede davon, dass das eh nicht kommt.

Aber wer hat da die Garantie? Wer garantiert, dass Milliardenhaftungen nicht zum Nachteil der Steuerzahler schlagend werden? Wer sagt uns, dass wir auf Grund dieses Paketes nicht vielleicht den Grundstein für neue Schulden der nächsten Generationen legen? Was passiert, wenn dieses Paket schlagend wird, eigentlich mit den dringenden Entlastungsmaßnahmen, die wir doch alle fordern – Steuersenkungen et cetera? Und was ist mit den Kontrollmechanismen, die für dieses Paket dringend notwendig sind?

Nicht nur der Rechnungshof, sondern auch wir, das Parlament, wir alle sind da unserer Meinung nach gefordert, denn das Parlament, wir alle, sind Treuhänder der Steuergel-


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der der Österreicherinnen und Österreicher. Daher können wir hier nicht einfach einen Blankoscheck ausstellen, sondern wir im Parlament sind gefordert – und das ist auch die Forderung des BZÖ! –, einen Mitwirkungsausschuss zu beschließen, so wie das der Deutsche Bundestag getan hat, damit auch dieses Hohe Haus die gänzliche Kon­trolle über künftige Regularien bekommt. Ich denke, es ist notwendig, dass wir das tun. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es stellt sich natürlich auch die Frage von Gegenleistungen. Was erfolgt eigentlich an Gegenleistungen für dieses Paket? – Denn es kann ja nicht so sein, dass jetzt letztlich der Steuerzahler die Rechnung für den Getriebeschaden des sogenannten und viel zi­tierten Turbo-Kapitalismus übernimmt. Das kann nicht sein! Es kann auch nicht sein, dass der Steuerzahler für die grenzenlose Gier von rücksichtslosen Bankmanagern und hemmungslosen Finanzhaien aufkommt. Ich sage hier bewusst dazu: man soll nicht pauschalieren, das passiert nicht in Österreich, hauptsächlich in den USA, auch in Europa; man darf nicht pauschalieren. In Österreich haben wir Gott sei Dank so eine Situation noch nicht. Aber es kann auch nicht sein, dass Gewinne weiterhin privati­siert und Milliardenverluste sozialisiert werden.

Daher haben wir uns sehr konstruktiv in dieses Paket eingebracht. Wir haben auch weitere Ideen dafür, wie wir dieses Paket noch sicherer gestalten können: etwa mit einer umfassenden Offenlegung und Transparenz, wie wir dies zum Beispiel in der Zeit der Vorgängerregierung bei der BAWAG gesehen haben. Dort ist etwas passiert, ja­wohl, und die BAWAG war auch angehalten, ihre Bücher zu öffnen, Einsicht zu gewäh­ren und zu schauen, was dort passiert ist. Ich bin der Meinung, dass der österreichi­sche Steuerzahler – und ich komme zurück auf diesen Mitwirkungsausschuss – auch gegenüber seiner gewählten Volksvertretung, mit seiner gewählten Volksvertretung das Recht der Einsichtnahme immer dann, wenn etwas passiert, haben soll, damit da auch ein durchschlagendes Kontrollrecht zustande kommt.

Wir brauchen, international gesehen, auch neue Bilanzierungsregulative. Wir wissen mittlerweile aus den Ereignissen in den USA, dass das System gescheitert ist. Wel­ches System ist gescheitert? – Ein System einer sogenannten Schattenbankenwirt­schaft, ein Schattenbankensystem, in dem eigentlich außerhalb jeglicher Bilanzie­rungsregulative gehandelt wurde. Letztlich ist so die Krise entstanden – von der Immo­bilienkrise zur Finanzkrise zur Finanzmarktproduktkrise bis hin zur Liquiditätskrise, so­dass künstlich Liquidität geschaffen werden muss, um Inflation zu vermeiden, die welt­weit steigt, wobei Experten mittlerweile nicht mehr von einer Inflation, sondern von de­flationären Entwicklungen sprechen, von einer weltweiten Geldentwertung, die uns letztlich ins Haus stehen kann.

Letztlich geht es auch um personelle Vermengungen in der US-amerikanischen Ban­kenwirtschaft, sodass es Finanzminister wie zum Beispiel den aktuellen gibt, der direkt von Goldman Sachs kommt. Na, der hat kein Interesse, dass es bessere, schärfere Bankenregeln gibt. – Der sicherlich nicht, denn der ist ja letztlich auch von der Banken­welt gestellt worden.

Das heißt, diese Misswirtschaft gilt es zu bekämpfen, auch mit mehr Mitsprache für die Steuerzahler, aber auch mit so etwas wie einem sogenannten Code of Conduct, das heißt, einem Verhaltenskodex für Manager – einem Kodex, nicht nur, was das Einkom­men, die Rückzahlungsmöglichkeiten, die Haftungen anbelangt, sondern auch das Verhalten der Manager. Ich sage es noch einmal: keine Pauschalverurteilung! Das muss man auch einmal sagen: Gewinnstreben ist natürlich Teil der menschlichen Na­tur, auch von Bankmanagern. Was aber nicht sein darf, ist, dass es zur zügellosen Ab­cash-Mentalität, zum Einsackeln letztlich auch von Geldern kommt, die dann vom Steu­erzahler in Haftung genommen werden müssen.


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Zur europäische Bankenaufsicht, die Finanzminister Molterer angesprochen hat: Ja, auch wir sind der Meinung und sehen dies als notwendig an, weil die einzelnen natio­nalstaatlichen Bankenaufsichten offensichtlich nicht dazu in der Lage sind, solche Ent­wicklungen einzudämmen und zu verhindern. Wir brauchen aber darüber hinaus auch die Kontrolle einzelner Finanzmarktprodukte. In diesem Wust von Tausenden Fonds und Anlagemöglichkeiten, die den Bürgern, die sich da kaum auskennen, oft einmal aufgeschwatzt werden – das muss man sagen –, kennt sich kaum jemand aus. Das heißt, es müssen letztlich einzelne Finanzmarktprodukte kontrolliert werden, nicht nach dem Motto noch mehr Regulierung, sondern nach dem Motto bessere Regulierung. Ich denke, das ist der Sinn und auch die Losung des heutigen Tages.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses 100-Milliarden-Paket allein wäre zu wenig. Wir haben heute auch schon gehört – und das wird immer wieder gesagt –, die­ser Casino-Mentalität, die besteht, muss natürlich ein Ende gesetzt werden. Das geht aber nur, wenn wirklich hundertprozentige Transparenz und Offenheit bestehen. Was das Thema Offenbarungseid betrifft, gebe ich Ihnen Recht, Herr Klubobmann Strache: Auch diese Offenbarungseide müssen geleistet werden. Sie sind notwendig, denn sonst könnte es passieren, dass dieses riesige Paket, das ja als eine ganz große Beru­higungspille gedacht ist, letztlich zum nächsten ganz großen Casino-Chip mutiert. Das wollen wir wohl alle nicht; das muss verhindert werden.

Noch zwei Sätze zu dieser ein bisschen linken Romantik, die da jetzt wieder auftaucht, Herr Klubobmann Cap, zur Verstaatlichungsromantik, vielleicht aus den siebziger Jah­ren; Sie selbst haben es genannt. Wir bleiben da schon beim Prinzip der sozialen Marktwirtschaft, und ich sage Ihnen: Der Staat ist nicht der bessere Banker, er hat nur mehr Geld – Geld von den Steuerzahlern, das er sich letztlich dann und wann nimmt und das wieder zum Schaden der Steuerzahler ausgelegt werden kann. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Dr. Schüssel. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Daher warnen wir vor solchen Ideologien, die jetzt wieder hervorkommen. Es ist viel­leicht ein bisschen Reminiszenz dabei bei diesen neuen Verstaatlichungswellen, die da vielleicht ausbrechen, nach dem Motto: heute der Banken- und Versicherungssektor, morgen die Wohnbaugenossenschaften, dann die Pensionskassen und am Ende noch das Gesundheitssystem, Sozialversicherungen und Krankenkassen; alles geht „kra­chen“, daher müssen wir jetzt verstaatlichen und überall den Steuerzahler als Garantie­träger heranziehen, also alles Heil vom Staat! – Das kann es nicht sein, wie wir auch in der Vergangenheit schon gesehen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das lehnen wir ab. (Beifall bei BZÖ, ÖVP und FPÖ.)

DDSG, Semperit, BAWAG, Verstaatlichten-Pleite – wenn man das alles auflistet, dann sind wir eigentlich schon davon geheilt. (Abg. Krainer: Die BAWAG war keine staatli­che Bank!) Wir sagen klipp und klar: Jawohl, der Staat soll seine Kernaufgaben des Schutzes und der Sicherung wahrnehmen. Ich glaube, das ist auch richtig. Wir sagen jedoch nein zu einem neuen Staatsdirigismus (Abg. Krainer: Die BAWAG war keine Minute im Staatsbesitz!) und ein bisschen sozialdemokratischer Romantik, die da auf­kommt. (Abg. Krainer: Die BAWAG war eine private Bank!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Auswirkungen auf die Realwirtschaft wur­den ebenfalls angesprochen. Diese sind bereits spürbar: Wir bemerken Kurzarbeit, wir bemerken große Probleme in den einzelnen Betrieben, die in Richtung Rezession lau­fen. Wer jetzt vor den Auswirkungen, die sich auf die Realwirtschaft niederschlagen, die Augen verschließt, trägt am Ende die Verantwortung für Arbeitslosigkeit. Das ist die große Gefahr, die wir alle im Moment sehen.

Daher braucht es jetzt auch ein System der Entlastung. Wir brauchen trotzdem Ent­lastungsmaßnahmen – ich sage: trotzdem –, wir brauchen trotzdem eine vorgezogene Steuerreform. 2010, Herr Finanzminister, ist zu spät! Wir brauchen jetzt Kaufkraft, wir


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brauchen jetzt etwas, das den Motor ankurbelt, wir brauchen jetzt und rasch eine Steu­ersenkung für die Menschen in Österreich, damit wir auch mehr Kaufkraft schaffen. (Beifall beim BZÖ.)

Wir brauchen aber auch dieses schon oft zitierte Konjunkturpaket mit einem Mittel­standsfonds – eine zentrale Idee auch des BZÖ – und mit Förderungen, mit einer spe­ziellen Förderung – das ist eine interessante Variante; schauen Sie sich das einmal an, Herr Finanzminister! – der rund 70 000, 80 000 oder mehr Ein-Mann-Betriebe in Öster­reich. Wenn wir denen zum Beispiel zwei Jahre lang die Lohnnebenkosten ersparen, sie fördern, wenn sie jemanden in ihren Betrieb aufnehmen, könnten wir schon vorbeu­gend mit einem Schlag zigtausende Arbeitsplätze in diesem Land schaffen. Das ist doch eine gute Idee! Schauen wir uns doch gemeinsam an, ob so etwas funktionieren kann, ob das nicht der richtige Weg wäre. (Beifall beim BZÖ.)

Das heißt, trotz aller Schwierigkeiten am Finanzmarkt, trotz aller schlechten Aussichten sollten wir optimistisch Maßnahmen für die Zukunft setzen, Maßnahmen, die bereits jetzt greifen. Daher ist es auch notwendig, dass Sie uns bereits vor der Regierungsbil­dung – es gibt ja immerhin noch eine amtierende Regierung –, vielleicht schon bis zur nächsten Sitzung, ein entsprechendes Konjunkturpaket vorlegen.

Wir haben unsere Ideen auf den Tisch gelegt. Ich denke, sie sind gut. Es wäre gut, wenn dieses Konjunkturpaket auch breit getragen werden würde, genauso wie das heute zu beschließende Paket, das wichtig ist, um die Finanzmärkte zu stärken, und das wir heute auch gerne mittragen werden. (Beifall beim BZÖ.)

14.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Bundesminister Faymann zu Wort. 8 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


14.41.37

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann: Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Zuerst möchte ich zum Redebeitrag von Josef Cap etwas sagen, der jetzt mehrfach angesprochen wurde. Ich denke, ich habe Josef Cap – so wie wahrscheinlich die meisten – richtig verstanden: Er möchte weder ein Privatsanatorium verstaatlichen, noch hat er vorgeschlagen, eine Privatschu­le zu verstaatlichen. Er wollte auch keinen Antrag einbringen, ein Verbot für private Zu­satzpensionen zu erlassen (Zwischenrufe bei der ÖVP), sondern, Herr Kollege Ku­kacka, es geht jetzt darum, dass man von einer staatlichen Pension leben können muss. – Man soll sich nicht auf die Zusatzpension verlassen müssen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Finanzierung der Krankenkassen muss so gesichert sein, dass es jedem freisteht, eine private Zusatzversicherung für besondere Leistungen abzuschließen, dass aber jeder Bürger auch ohne private Zusatzversicherung eine optimale Gesundheitsversor­gung erhält. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Bei der Bildung gilt ganz genauso, dass es jedem freisteht, das Angebot an privaten Schulen anzunehmen – viele haben das ja auch getan, indem sie ihre Kinder in private Schulen geschickt haben –, aber es soll das öffentliche Schulsystem so gut sein, dass niemand auf Privatschulen angewiesen ist, weil er weiß, dass die öffentlichen Schulen gut genug sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: In Wien gilt das leider nicht mehr, weil Ihre Politik da versagt hat! – Abg. Dr. Graf: Und warum sagt Cap selbst es dann nicht so?)

Es ist eine politische Konsequenz aus der Diskussion der letzten Wochen, dass wir uns darüber klar sein müssen, dass Aktienmärkte nicht etwas sind, das zusätzliche Pensio­nen von Jahr zu Jahr verbessert, dass sie nicht – wie manche vielleicht sogar geglaubt


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haben – genauso sicher sind wie ein Sparbuch, nur eben ein bisschen mehr bringen. All die Irrtümer, die da entstanden sind, bewirken, dass manche Menschen, die schau­en, wie viel zusätzliche Pension jetzt wirklich übrigbleibt, wie der finanzielle Stand der Zusatzpension aussieht, eigentlich sehr erschüttert sind, weil sie nicht damit gerechnet haben, dass Aktienmärkte so rasant abstürzen können.

Da geht es um Gelder, mit denen Familien gerechnet haben, mit denen Menschen viel­leicht ihre Kredite, ihre Anschaffungen entsprechend den Erwartungshaltungen abge­stimmt haben, die sie vielerorts bestätigt bekommen haben. Diese Menschen stehen jetzt vor den Trümmern ihrer Überlegungen.

Daher wird es natürlich auch für uns in Zukunft wichtig sein, der Bevölkerung niemals dort Sicherheit zu versprechen, wo wir sie dann letztendlich nicht garantieren können – und dazu gehören, wie wir gesehen haben, auch Aktienmärkte und so manche Finanz­produkte.

Heute wurde bereits all jenen gedankt, die dazu beigetragen haben, dieses Maßnah­menpaket – ein 100-Milliarden-€-Sicherheitspaket, einen Schutzschirm, einen Sicher­heitsschirm, wie er auch genannt wurde – vorzubereiten. Ich möchte mich diesem Dank an den Bundeskanzler, den Vizekanzler, an die vielen Experten des Finanzminis­teriums sowie an den heute schon genannten Gouverneur der Nationalbank anschlie­ßen.

Auch ich halte es für sehr erfreulich, dass es eine so breite Zustimmung im Parlament gibt, weil die Psychologie des Vertrauens auch einen wirtschaftlichen Wert hat. Und Vertrauen entsteht auch dadurch, dass wir hier im Hohen Haus einen gemeinsamen Beschluss zustande bringen.

Ich möchte noch einige Bemerkungen als Konsequenz für die weitere Diskussion hin­zufügen: Ich denke, dass wir schon innehalten müssen um festzuhalten, dass das, was wir bei der Gesundheit Prävention nennen, international versagt hat. Wir werden daher mit derselben Entschlossenheit, mit der wir jetzt dieses Sicherheitsnetz gebaut haben, über eine europäische und eine internationale Neuordnung von Regeln, aber auch über eine europäische Aufsicht zu reden haben. Wenn die Bürgerinnen und Bürger nämlich den Eindruck bekämen, unsere Entschlossenheit und Schnelligkeit, Parla­mentsitzungen einzuberufen und Beschlüsse zu fassen, sei jetzt wieder zu Ende, dann würden wir auf halbem Wege stehen bleiben.

Die Bevölkerung erwartet sich – davon bin ich überzeugt –, dass wir auch den zweiten Weg genauso entschlossen und rasch gehen, nämlich den Weg der Konsequenzen. Wir müssen Vorsorge dafür treffen, dass auch in Zukunft nicht wieder zur Tagesord­nung übergegangen wird, sondern sowohl im Land als auch in Europa und auch dort, wo wir international die Stimme erheben können, mehr Transparenz, mehr Kontrolle und neue Regeln geschaffen werden.

Weiters erwartet sich die Bevölkerung – auch davon bin ich überzeugt –, dass wir die­se Diskussion nicht dafür verwenden, zu erklären, warum wir jetzt für die Konjunktur nichts mehr leisten können, weil wir doch jetzt schon etwas beschlossen haben – das also sozusagen als Ausrede benutzen –, sondern dass wir dieselbe Entschlossenheit, denselben Mut und dasselbe Tempo für dringend notwendige Maßnahmen zustande bringen, um einer drohenden Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken.

Viele Bürgerinnen und Bürger wissen sehr genau, dass Finanzmärkte und Kreditverga­ben etwas mit Auftragsbüchern zu tun haben, dass Auftragsbücher in vielen Unterneh­men nur besorgniserregend schleppend gefüllt werden, aber dass das etwa in der Bau­wirtschaft in den nächsten paar Monaten noch nicht spürbar werden wird, weil Aufträge für die Bauwirtschaft und Maßnahmen in der Wirtschaft eine längere Vorlaufzeit haben.


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Wir wissen aber, dass mit Verzögerungseffekten gerechnet werden muss, die natürlich auch Auswirkungen auf das Wachstum und damit auch auf die Beschäftigung in unse­rem Land haben werden. Daher sind wir gefordert, so rasch als möglich Gegenmaß­nahmen einzuleiten, damit sich all jene Vorhersagen nicht bewahrheiten, die von einem starken Steigen der Arbeitslosigkeit und von einem radikalen Absinken des Wachstums sprechen, damit also all diese Auswirkungen nicht eintreten.

Ich meine daher, dass die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten, dass wir gerade im Bereich der Konsequenzen für den Arbeitsmarkt in Zukunft mit derselben Geschlos­senheit und vielleicht auch mit derselben Einigkeit vorangehen. (Beifall bei der SPÖ so­wie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll zu Wort. 8 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.49.01

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Ich habe es ein bisschen einfacher: Ich habe keinen meiner Vorred­ner aus unserer Fraktion zu interpretieren, sondern die Aussagen, die die vergangenen Stunden über getätigt worden sind, haben an Klarheit und an Zukunftsperspektiven nichts zu wünschen übrig gelassen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Stummvoll: Das ist der Unterschied!)

Deswegen kann ich gleich mitten ins Thema hineingehen, das heute schon ausgiebig besprochen wurde und das natürlich auch die Zuseherinnen und Zuseher, die Men­schen in Österreich ganz besonders bewegt. Wir standen in den letzten Tagen und Wochen sicherlich vor der größten wirtschaftlichen und finanziellen Bewährungsprobe auf den internationalen Weltmärkten seit den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhun­derts.

Man sollte auch heute in dieser Sondersitzung mit diesem Beschluss für ein 100-Mil­liarden-€-Schutzschirmpaket für die österreichischen Banken Folgendes klar und deut­lich sagen und davon auch die politischen Notwendigkeiten für die Zukunft ableiten: Nach anfänglichen Schwierigkeiten, in der Europäischen Union eine gemeinsame Vor­gangsweise zur Bekämpfung der Finanzkrise und auch die entsprechenden Instrumen­te zu beschließen, ist es schlussendlich doch genau auf die Einigungskraft, auf die EZB, auf die Gremien der Europäischen Union zurückzuführen, dass nun eine gemein­same, schlagkräftige Antwort koordiniert werden konnte und dass jetzt in den nationa­len Parlamenten die entsprechende nationale Umsetzung vonstatten gehen kann.

Diese Umsetzung dient ja nicht nur der Liquidität und der Aufrechterhaltung der Fi­nanzströme zwischen den Banken, damit auch zukünftig der Wirtschaftskreislauf auf­rechterhalten werden kann, sondern natürlich auch der Sicherheit der Sparerinnen und Sparer, der Menschen in unserem Land, die ganz essentiell mit ihren Sparguthaben, mit ihren Krediten abhängig davon sind, dass das Bankensystem Österreichs und der Europäischen Union auch in Zukunft entsprechend Handlungsspielraum hat.

Es ist auch wichtig festzustellen und anzumerken, dass es sich bei den 100 Milliar­den € – und da gibt es offensichtlich auch viele Interpretationsschwierigkeiten draußen an den Stammtischen und überall, wo darüber diskutiert wird – nicht um liquide Mittel handelt, sondern um Haftungen, von denen wir alle hoffen und auch davon ausgehen, dass sie eben nicht schlagend werden und unseren Spielraum auch bei der Budgetie­rung von zukünftig notwendigen Maßnahmen im Wirtschaftsbereich und in den öffentli­chen Budgets nicht einschränken.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich meine auch, dass diese Finanzkrise nicht dazu angetan ist, nun eine Re-Verstaatlichungsdebatte alten Zuschnitts – ein Retro-Modell – wieder in den Vordergrund zu rücken, sondern dass wir aus den Fehlern, die sicher ursprünglich aus Amerika gekommen sind, unsere richtigen Schlüsse zu ziehen haben. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass auch unser Wirtschaftsmodell der Zu­kunft die soziale freie Marktwirtschaft sein muss.

Der freie Markt hat Europa, hat Österreich stark gemacht. Vieles von dem, was wir heute auch in den nachhaltigen Systemen der Pensions- und Sozialversicherung eta­bliert haben, wurde in einer freien Marktwirtschaft erwirtschaftet. – Im Gegenteil: Viele, fast alle staatlichen Systeme – Sie wissen das besser als manche andere – sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten den Bach hinuntergegangen, und nicht zuletzt zahlen wir heute noch für die Sanierung der Verstaatlichten-Krise der 70er- und 80er-Jahre und engen dadurch noch heute den Spielraum für Zukunftsinvestitionen ein. (Beifall bei der ÖVP.)

Deswegen sollten wir diese Finanzkrise nicht leichtfertig dafür nutzen, politisches Kapi­tal zu schlagen, sondern uns einfach anschauen, was zu tun ist. (Abg. Strache: Jetzt ist der umgekehrte Weg auch gescheitert! Beide Modelle sind gescheitert!)

Keine Frage! Wir brauchen für die soziale freie Marktwirtschaft neue Eckpunkte. Willi Molterer, dem ich ausdrücklich danken will – gemeinsam mit Alfred Gusenbauer, aber vor allem dem Finanzminister –, hat ja heute ausgeführt, was in Zukunft aus unserer Sicht die Leitplanken für die freie Marktwirtschaft sein sollten. Es ist eine Frage der in­ternationalen Regelung der Finanzmärkte, um derartige Entwicklungen in Zukunft zu vermeiden; es ist auch eine Frage der verbesserten und auch zentraleren Aufsicht über die Finanzmärkte; und es ist drittens ohne Zweifel eine Frage von mehr Transpa­renz bis hinab auf Kundenebene für die, die im Finanzsystem ihr Geld anlegen oder aus dem System heraus die Finanzierung für die privaten Haushalte, aber auch für die Klein- und Mittelunternehmen betreiben.

An dieser Stelle möchte ich zu einer Herausforderung überleiten, die sich aus der Be­wältigung der Finanzkrise nun als zweiter Schritt ergibt. Niemand oder wenige werden davon so betroffen sein wie unsere kleinen und mittleren Unternehmen, die den Motor für die Arbeitsplatzsituation und für die Konjunktur in Österreich darstellen. Deswegen werden und müssen wir mit einem Konjunkturpaket für unsere Unternehmen den Zu­gang zur Finanzierung, der durch die Finanzkrise sicher nicht einfacher wird, sicher­stellen, damit sie im Wettbewerb gehalten werden, damit sie Arbeitsplätze sichern kön­nen.

Wir sollten den Unternehmen mit Haftungen helfen, sie mit allen Möglichkeiten der Ausschöpfung von Kreditrahmen unterstützen und auch darüber diskutieren, ob wir einzelne Investitionen, die arbeitsplatzintensiv sind, entsprechend vorziehen können, um jetzt ein kluges Konjunkturpaket als erste Hilfe auf den Weg zu bringen. Wir wollen das unverzüglich tun – wenn es geht noch diese Woche Mittwoch im Ministerrat. Es geht auch darum, für eine zukünftige Regierung – wie auch immer sie zusammenge­setzt ist – noch genügend Spielraum und Freiraum zu erhalten, um reagieren zu kön­nen, wenn Krisen wie die jetzige kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch das ist eine Lehre aus der Finanzkrise, aus dem, was wir heute als Paket auf den Weg bringen wollen: Wir dürfen trotz aller – unter Anführungszeichen – „Krisenstimmungen“ nicht darauf vergessen, mit Bedacht die Zielsetzung zu verfolgen, unsere Finanzen ordentlich im Lot zu halten, um dann reagieren zu können, wenn es zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftskreisläufe, der Fi­nanzkreisläufe, zur Unterstützung der Klein- und Mittelunternehmen und zur Bekämp­fung der Arbeitslosigkeit in Zukunft notwendig ist.


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In diesem Sinne herzlichen Dank allen Beteiligten unter der Federführung des Finanz­ministers für die Schnürung dieses Pakets. Es ist auch schön, dass das heute offen­sichtlich einstimmig über die Bühne gehen kann. Es ist ein ermutigendes Zeichen für die Zukunft, und es kam zur rechten Zeit, war professionell vorbereitet und wird seine Wirkung nicht verfehlen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Redezeit der nächsten fünf Rednerinnen und Redner beträgt ebenfalls je 8 Minuten.

Herr Abgeordneter Mag. Kogler gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


14.55.53

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Bevor die Debatte jetzt zu sehr in Kaffeeplausch-Stimmung ab­gleitet, möchte ich schon auf ein paar Punkte hinweisen, bezüglich derer ich zumindest für unsere Fraktion in Anspruch nehme, dass wir uns die Entscheidung nicht leicht ge­macht haben. So wie die Debatte verläuft, gehören ein paar Dinge schön langsam wie­der vom Kopf auf die Füße gestellt.

Herr Finanzminister Molterer, richtig ist – ich möchte die Bilder aufgreifen, die Sie ver­wendet haben –, dass es sich um einen Brand handelt. Konnte man vor ein paar Mo­naten vielleicht noch sagen, die Lunte brennt – beginnend natürlich in den USA und vielleicht schon vor einem Jahr mit der Subprime-Crisis –, geht es inzwischen längst um viel mehr. Längst brennt das Gebäude – das Gebäude der Finanzinstitutionen und der Finanzorganisation überhaupt. Und deshalb – und nur deshalb – sind die Grünen dafür, dass jetzt Brandschutzmaßnahmen beziehungsweise zunächst einmal Lösch­maßnahmen ergriffen werden. Es muss gelöscht werden. Es darf bei so einer Aktion auch nicht mit Wasser gespart werden. Ich sehe das so, aber das darf uns nicht den Blick darauf verstellen, wo das alles überhaupt herkommt, wo die Brandstifter sitzen und wie zukünftig Brandschutz organisiert werden kann. – Das ist schon wichtig. (Bei­fall bei den Grünen.)

Herr Klubobmann Schüssel schaut so skeptisch. – Ich kann Sie beruhigen: Uns ist ein reparaturbedürftiges Löschfahrzeug immer noch lieber als gar keines. Herr Professor Van der Bellen hat ja die Zustimmung in dritter Lesung angekündigt. Ich kündige jetzt an, dass wir in einzelnen Punkten in zweiter Lesung nicht zustimmen werden. Viel­leicht bleibt ja auch den NachrednerInnen aus meiner Fraktion Zeit, das genauer zu begründen.

Ich möchte zunächst einmal ein paar grundsätzliche Dinge anbringen: Die Frage der Hypothekarkredite in den USA ist ja schon releviert und gestellt worden. Was aber die­se Philosophie und diese Tradition betrifft, die Sie, Herr Bundesminister Pröll, wieder aufleben lassen beziehungsweise einfach fortgesetzt wissen wollen, nämlich diese ganze Ideologie „mehr privat, weniger Staat“, mache ich Sie schon darauf aufmerksam, dass das in bestimmten Bereichen aus grüner Sicht richtig war, inzwischen der Bo-
gen aber längst überspannt wurde. Längst schon ist das neoliberale Kampfkauder­welsch verschwunden, in dem Sie alle instruiert worden sind, und der federführende Fi­nanzminister, der dafür ganz besonders anfällig war, ist ja jetzt nicht mehr da. (Vizekanzler Mag. Molterer – bei den Klubmitarbeitern stehend –: Ich bin sehr wohl da!) – Nicht Sie! Ihr Vorgänger zu dieser Zeit; wir wollen ihn ja hier nicht erwähnen. (Abg. Dr. Schüssel: Ein sehr guter Finanzminister!)

Herr Minister Pröll, bei Ihren Ausführungen habe ich den Eindruck gewonnen, dass auch Sie von diesem Virus infiziert worden sind. Worum geht es denn bei den Vorgän­gen im Finanzsektor? – Es ist ja offensichtlich mittlerweile unbestritten, dass Regula-


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tionsbedarf besteht. Ich schließe mich an. Better regulation ist besser, als das quasi überbordend zu gestalten von mir aus, aber dann müssen wir auch entsprechend zielgerichtet Instrumente dafür schaffen.

Ich mache außerdem das Plenum darauf aufmerksam, dass ein diesbezüglicher Antrag der Grünen im letzten Hauptausschuss, der die Regierung in ihrem Auftreten auf Rats­ebene beziehungsweise EU-Ratsebene an die Hauptausschuss-Stellungnahme gebun­den hätte, nicht angenommen wurde, und zwar weder von SPÖ noch von ÖVP. Darin ging es genau um die Richtung. (Abg. Dr. Schüssel: Weil sie es ohnehin gemacht hat!)

Worin ist denn nun genau die Ursache dieser Entgleisung der Finanzmärkte zu su­chen? – Es ja nicht das Problem, dass wir ein Banksystem haben. Wir brauchen das doch, um Gottes Willen; natürlich brauchen wir Finanzkreisläufe. Die Funktion von Bank- und Kreditwesen ist es aber doch primär einmal, Spareinlagen zu bündeln, damit Kredite vergeben werden können, und die Makropolitikleitung durch eine Notenbank. Das ist alles ganz schlicht und simpel und somit die Realwirtschaft unterstützend. Es ist jedenfalls nicht Aufgabe der Finanzmärkte, Pyramidenspiele zu betreiben.

Das alles könnte uns auch noch egal sein, wenn das Aufbauen der Pyramide und ihr Einstürzen ohne Auswirkung auf die wirkliche Wirtschaft, die sogenannte Realwirt­schaft – vermutlich ein Unwort des Jahres 2008 – bliebe. Das ist doch das Problem: dass, wenn sich die Pyramide aufschaukelt, Einzelne sehr wohl daran verdienen, sie sehr wohl in der Lage sind, Realvermögen auf die Seite zu räumen, und wenn das ganze Spiel einstürzt, alle BürgerInnen auf dem Globus die Zeche dafür zahlen. Es
ist eben die Asymmetrie, die darin steckt ist, die das große Problem ausmacht! (Präsi­dent Dr. Spindelegger übernimmt den Vorsitz.)

Wir spüren es ja auch in Österreich, wenn zum Beispiel jetzt schon Klein- und Mittelbe­triebe Klage führen, dass sie zu den alten Konditionen keine Kredite mehr bekommen, dass wesentlich mehr Sicherheiten verlangt werden, sogar höhere Zinsen et cetera. Wo soll denn das hinführen?!

Das ist die Auswirkung nicht nur des Konjunkturabschwunges, der ohnehin gekommen wäre, sondern dieser Finanzkrise. Dort liegt das Problem, und deshalb ist es so wich­tig, dass man da nicht zuschaut, sondern hineingreift. Das muss zu keiner Überregulie­rung führen, aber immerhin zu Regulierungsmaßnahmen.

Momentan ist doch der Eindruck der – und zwar nicht nur in den USA oder auch im restlichen Europa, sondern auch wir in Österreich hatten diesen Eindruck –, dass nicht die Finanzinstitutionen von der Politik und damit von gesellschaftlichen Interessen re­guliert würden, sondern dass sich die Finanzinstitutionen eine Politik halten, die sie re­guliert. So ist es doch! Das hatten wir bei den Erkenntnissen des Bankenausschusses, das haben wir, wenn wir die bisherige europäische Finanzpolitik betrachten. Es wurden überhaupt keine Anstalten gemacht, eine europaweite Finanzmarktaufsicht einzufüh­ren. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt gibt es Lippenbekenntnisse, ja, jetzt ist auch ein historisches Fenster offen! Jetzt könnten wir und sollten wir danach trachten, dass es eine EU-weite Finanzmarktauf­sicht gibt. Das wird natürlich einige Zeit brauchen. Das wird zunächst sozusagen eine Finanz-Interpol sein, eine Zusammenarbeit der nationalen Aufsichten, aber immerhin. – Ich hoffe, dass da etwas weitergeht; Sie haben Ihr Wort gegeben.

Es braucht aber auch Instrumente, denn schlussendlich geht es doch darum, dass nicht alles gemacht werden darf, nur weil es gemacht werden kann. In der Bundesre­publik Deutschland gibt es 53 000 verschiedene Derivatinstitute, also Einzelvertragsbe­stimmungen. Die dortige Behörde, die BaFin, sagt selbst, dass sie sie gar nicht mehr


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verstehen, aber sie genehmigen sie. Es muss also auch dazu kommen, dass es Zulas­sungsverfahren für diese Instrumente gibt, die zumindest diejenigen, die sie genehmi­gen, verstehen. Wo soll denn das sonst hinführen? – In diesem Kontext muss man das betrachten.

Ihre Glaubwürdigkeit wird auch auf dem Prüfstand stehen, wenn es darum geht, end­lich eine Finanztransaktionssteuer oder auch eine Rahmenordnung für die Rating-Agenturen ihrerseits einzuführen. Diese haben doch bis zur letzten Minute Institute und auch Finanzprodukte mit Triple-A bewertet, die bis unter die Dachlatte hinauf mit faulen Krediten vollgepackt waren. Das ist das System, bezüglich dessen ich bei Minister Pröll das Gefühl hatte, dass er es auch noch weiterhin verteidigen will. So kann es nicht ge­hen! Wir werden darauf schauen – und zwar nicht nur, was Ihre Initiativen in Europa betrifft, sondern auch jene hier in Österreich.

Wenn ich lese, dass sich die fünf größten Banken – akkordiert – jetzt schon um staatli­che Beteiligungen anstellen – die Aussendung ist eine halbe Stunde alt –, dann werden wir schauen, unter welchen Bedingungen Sie, Herr Finanzminister, Garantien auf Liqui­dität oder auf Eigenkapitaleinsatz geben, denn dass sich die bei dieser Gelegenheit jetzt noch bedienen und die Interessen der SteuerzahlerInnen nicht gewahrt bleiben, das geht doch zu weit.

Das passiert vor dem Hintergrund – und das ist der große Wermutstropfen an Ihrem Gesetz –, dass kein Vieraugenprinzip eingeführt wird, dass die Rechnungshofkontrolle nicht gesichert ist und dass wir dem Ministerium im Vorhinein gewisse Freiheiten ge­ben, die uns so nicht passen. Nichtsdestotrotz ist ein klappriges Löschfahrzeug besser als gar kein Löschfahrzeug, deshalb unsere Zustimmung, aber wir werden darauf schauen, dass die Interessen der SteuerzahlerInnen gewahrt werden.

Ich garantiere Ihnen, dass wir schon ab übermorgen – denn morgen ist dieses Gesetz im Bundesrat – in den Medien lesen werden, welche Banken sich jetzt beim Staat gnä­dig anstellen: jene Banken, die die Parlamentarier verklagen wollten, als wir den Ban­ken-Untersuchungsausschuss eingesetzt haben. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist doch unglaublich! Jetzt dreht sich der Spieß auf einmal um. Die Gesellschaft und die Politik haben die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu setzen, und nicht umgekehrt. Wenn wir das jetzt nicht begreifen, dann wahrscheinlich nie mehr. (Beifall bei den Grünen.)

15.04


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Maximale Redezeit: 8 Minuten. – Bitte.

 


15.04.23

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei manchen Red­nern hier hatte ich fast den Eindruck, die Debatte findet nicht im Parlament in Wien statt, sondern in den USA, denn es ist ja, wie andere Vorredner schon betont haben, die ganze Malaise in den USA entstanden: Nicht wir haben faule Hypothekarkredite
in Wertpapiere verpackt, haben diese mit dem Gütesiegel von Rating-Agenturen punziert und mit dem schönen Namen Asset Backed Securities versehen, sondern die USA haben all das gemacht. Und außerdem hat all das nicht unsere Politik, son­dern die exzessive private und öffentliche Verschuldung der USA, das Ungleichgewicht etwa zwischen den USA und China, verursacht. Herr Kollege Cap! Soziale Markt­wirtschaft ist ein bisschen etwas anderes als das, was sich in den USA abspielt. Können wir uns darauf einigen? – Okay. (Beifall des Abg. Dr. Schüssel. – Zwischenruf des Abg. Dr. Haimbuchner.)


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Eines muss ich schon sagen, meine Damen und Herren: Ich bin felsenfest davon über­zeugt, dass das, was sich jetzt weltweit abspielt, die größte finanz- und wirtschaftspoli­tische Herausforderung der letzten Jahrzehnte ist. Wenn Alan Greenspan, der frühere Chef der Notenbank der USA – mit seiner Politik des billigen Geldes selbst nicht ganz unschuldig – gesagt hat, so etwas kommt alle 80 bis 100 Jahre vor, und wenn der briti­sche Premier Gordon Brown gesagt hat, er fordert ein neues Bretton Woods, dann zeigt das die geradezu historische Dimension der ganzen Malaise. Denn in Bretton Woods wurden 1944 die Weichen für das Weltfinanzsystem nach dem Zweiten Welt­krieg gestellt. Und auch wenn erst gestern wieder, es wurde schon erwähnt, Weltfi­nanzgipfel – nicht nur einer, sondern mehrere! – angekündigt wurden, so zeigt das wirklich die Dramatik der Situation, in der wir sind.

Aber, meine Damen und Herren, jede Krise ist auch eine Chance, eine Chance vor al­lem auch für die Politik, und ich muss ehrlich sagen, ich bedanke mich beim Bundes­kanzler und beim Vizekanzler. Wenn diese Regierung, gestatten Sie mir diese Bemer­kung, in den letzten zwei Jahren so funktioniert hätte wie in den letzten zwei Wochen, hätten wir uns wahrscheinlich einiges ersparen können.

Es ist eine Chance für die Politik, denn es wurde Handlungsfähigkeit demonstriert, Handlungsfähigkeit auch auf europäischer Ebene. Ich gebe es schon zu: Ganz zu Beginn war das ein, sagen wir es jetzt sehr vornehm, verspäteter Start (Zwischenruf des Abg. Scheibner) – da gab es Schrecksekunden, die sehr lange gedauert haben –, aber am Schluss hat die EU ihre volle Handlungsfähigkeit demonstriert.

Ich bin bei Bundeskanzler Gusenbauer, wenn er, wie ich unlängst in der Zeitung gele­sen habe, meint, dass sich Österreich nicht von Europa abkoppeln kann, dass wir froh sein sollten, dass wir den ECOFIN, den Euro und die Europäische Union haben und dass sich keiner von uns vorstellen mag, wie es gewesen wäre, wenn wir die EU, den ECOFIN und den Euro nicht hätten.

Ich bin auch der Meinung von Hannes Androsch, der unlängst gesagt hat, dass wir mehr Europa brauchen und nicht weniger Europa. – Auch das hat diese Weltfinanz­krise bewiesen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Eine Krise ist immer auch eine Chance, und da schaue ich wieder Herrn Kollegen Cap an, denn ich muss ehrlich sagen, ich hatte den Eindruck, durch Ihre ganze Rede zieht sich Folgendes wie ein roter Faden: Vorwärts Genossen, wir müssen zurück! (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) – Es war schon eine „Retro-Rede“, die Sie hier gehalten ha­ben, und das trotz der Interpretation von Herrn Minister Faymann; aber allein die Wort­meldung von Faymann hat gezeigt, dass eine Interpretation notwendig war. (Neuerli­che Zwischenrufe bei der FPÖ.) Trotzdem: Vorwärts Genossen, wir müssen zurück!, ist nicht das Zukunftskonzept, auf das wir uns verständigen können, Herr Kollege Cap!

Eines möchte ich noch sagen, und das hat der Herr Vizekanzler und Finanzminister auch sehr stark betont, und dazu haben wir uns als Anhänger der sozialen Marktwirt­schaft immer bekannt – einer Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung, oder einer ökosozialen Marktwirtschaft, also einer mit ökologischer und sozialer Verantwortung (Abg. Dr. Cap: Aber da brauchst du den Staat dazu!) –: Eine Marktwirtschaft braucht erstens Spielregeln, zweitens Transparenz ... (Abg. Dr. Cap: Das habe ich gesagt!) – Dann sind wir schon wieder einer Meinung, aber große Teile Ihrer Rede, Herr Kollege Cap, waren schon ein bisschen ... – Na ja.

Wir brauchen also Spielregeln, wir brauchen Transparenz und wir brauchen Aufsicht, gar keine Frage. Das ist das Konzept, das wir als Lehre daraus ziehen. (Abg. Dr. Haimbuchner: Das Wort „Nachhaltigkeit“ ist nicht gefallen!)

Jede Krise ist eine Chance, auch das hat der Herr Vizekanzler schon erwähnt. (Abg. Mag. Wurm: ... eine Krise, damit man gescheiter wird?!) – Vor einem Monat war es


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noch völlig unrealistisch, an eine europäische Finanzmarktaufsicht zu denken; heute ist das der letzte Stand der Beratungen. (Abg. Dr. Cap: Aber geht das auch ohne Krise?!)

Das nächste Thema, Frau Kollegin Lunacek, betrifft eines Ihrer „richtigen“ Hobbys, die Finanztransaktionssteuer: Gar so unrealistisch, wie das noch vor ein, zwei Jahren war, ist das heute sicherlich nicht mehr. (Abg. Mag. Lunacek: Und warum haben Sie ... ge­stemmt?!)

Natürlich ist eine Krise auch eine Chance zum Umdenken. (Abg. Dr. Cap: Geht das ohne Krise auch, ohne Vernichtung von Vermögen?!) – Ich weiß nicht, ob Herr Kollege Haberzettl im Raum ist. Ich habe mit großer Zustimmung gelesen, dass er gemeint hat, dass eine Finanztransaktionssteuer viel gescheiter sei als eine Vermögenszuwachs­steuer. – Da kann ich nur sagen: Völlig richtig! Wir sollten nicht Eigentum besteuern, wir sollten Spekulation besteuern! Völlig richtig, Kollege Haberzettl! Kompliment zu die­sem Umdenkprozess, der auch durch diese Krise ausgelöst wurde. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich kenne die Aussagen aus dem SPÖ-Sektor, was die Vermögenszuwachssteuer be­troffen hat, vor dieser Krise – eigentumsfeindlich, familienfeindlich, mittelstandsfeind­lich – und jetzt jene zur Finanztransaktionssteuer. Darüber können wir uns sicherlich auch in Zukunft weiter unterhalten, Herr Kollege Cap.

Noch etwas, meine Damen und Herren: Natürlich ist diese Krise – noch einmal: nicht bei uns, sondern in den USA ausgelöst, und zwar de facto durch diese faulen Hypothe­karkredite auf einem regulierten Markt der Hypotheken, die dann weltweit versendet wurden – durchaus beängstigend, weil man sieht, wie klein die Welt geworden ist, und wie sehr die ganze Welt vernetzt ist, und das erfordert natürlich neue Antworten.

Wenn ich von einer europäischen Finanzmarktaufsicht gesprochen habe, so ist natür­lich auch ein Schulterschluss mit den USA notwendig, aber ein Schulterschluss nicht in dem Sinne, dass wir wie in der Vergangenheit das Gleiche machen, was die Amerika­ner tun, sondern dass – eher umgekehrt – wir den Amerikanern zeigen, wie es zu ma­chen ist. Die Beispiele wurden ja genannt: Wir müssen Basel II revidieren, wir müssen die Bilanzierungsrichtlinien revidieren – lauter Dinge, bei denen wir geglaubt haben, dass das, was die USA machen, gescheit und richtig ist, und jetzt kommen wir drauf, dass eigentlich genau das Gegenteil der Fall ist und heute die USA nach Europa schauen, was wir hier tun.

Also insgesamt, so glaube ich, können wir durchaus sagen, dass jede Krise auch eine Chance ist – eine Chance vor allem für die Politik, eine Chance für jede Regierung, auch für das Parlament. Ich bedanke mich auch als Obmann des Finanzausschusses für die wirklich konstruktiven Gespräche: Wir haben viele Anregungen, die wir am Frei­tag im Zuge eines informellen Gespräches von der Opposition bekommen haben, über das Wochenende noch eingebaut.

Ich stimme dem Herrn Finanzminister zu: Ich werde als Obmann des Finanzausschus­ses diese informellen Gespräche, die es schon in den letzten Jahren gab, auch in Zu­kunft fortführen, weil sie zeigen, dass man hier sehr konstruktiv arbeiten kann. – In die­sem Sinne: Auf eine weitere gute Zusammenarbeit! (Beifall bei der ÖVP.)

15.11


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer zu Wort. 8 Minuten maximale Redezeit. – Bitte.

 


15.11.52

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geschätzte Regierungsmitglieder auf der Re-


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gierungsbank! Hohes Haus! Ich komme zuerst zur Pflicht, nämlich zur Einbringung von Entschließungsanträgen, und dann zur Kür.

Ich bringe also den folgenden Antrag betreffend Cross Border Leasing ein, weil es ja offenkundig ist, dass die Cross Border Leasing-Verhältnisse, die ja massenweise ein­gegangen wurden, möglicherweise ebenfalls noch zu einem Problem führen können:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fichtenbauer, Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Cross Border Leasing

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemeinsam mit Ländern, Städten und Ge­meinden, sowie sämtlichen Unternehmungen, welche einer Überprüfung durch den Rechnungshof unterliegen, einen umfassenden Bericht über die in den letzten Jahren und Jahrzehnten durchgeführten „Cross-Border-Leasing“-Geschäfte auszuarbeiten. Der Bericht soll insbesondere über die, durch die internationale Finanzkrise entstande­nen Rechtsunsicherheiten, sowie über deren Auswirkung auf die österreichische Volks­wirtschaft und Infrastruktur Aufschluss geben.“

*****

Der zweite Entschließungsantrag, den unser Klubobmann Strache einbringen wollte, betreffend strafrechtliche Verantwortlichkeit krimineller Bank- und Finanzdienstleis­tungsmanager, lautet wie folgt:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit kri­mineller Bank- und Finanzdienstleistungsmanager zu gewährleisten. Eine Regierungs­vorlage, die einen Eingriff und Regress in die bereits ausbezahlten Einkommen solcher Personen vorsieht, ist dem Nationalrat unverzüglich zuzuleiten.“

*****

Nun zur Kür: Es ist natürlich so, dass – das wurde schon mehrfach betont – die alter­nativlose Staatsnotwendigkeit auch uns dazu veranlasst hat, nach besten Kräften hier mitzuwirken, und so tragen wir dieses Schutzpaket mit. Einige Punkte sind zwar nicht so voll zum Tragen gekommen, aber immerhin, es ist durch Anstrengung aller Beteilig­ten so weit beraten und getrieben worden, dass wir als Freiheitliche Partei vollinhaltlich zum Paket stehen – freiwillig, auch wenn entsprechende Kritikpunkte ihre Berechtigung hätten.

Herr Kollege Cap, gestatten Sie mir, zu sagen, dass Sie die berühmte „rote Katze“ hier sehr stark angesprochen haben und sie sozusagen über die Regierungsbank traben ließen. Das kann so nicht unwidersprochen stehen bleiben! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Es ist gemäß unserer Überzeugung nach wie vor „So viel privat wie möglich und so viel Staat wie notwendig“ (Abg. Dr. Stummvoll: Jawohl!) als das richtige Modell einzuführen und beizubehalten, aber weil mehr Staat in dieser Situation notwendig ist, tragen wir dieses Modell, das wir heute beschließen wollen, mit. Es geht nicht um eine sozialistische Retro-Perspektive, dass also „Staat“ wunderschön ist und „privat“ ins


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Elend führt, sondern um die genaue Austarierung beider Elemente, und dass man der privat gesteuerten Wirtschaft jene Regulative zur Seite stellt, dass Missbrauch und Auszehrung zu Lasten anderer nicht möglich ist, ist das Gebot der Stunde. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein kleiner Ausflug in die Geschichte: Maggie Thatcher ist oft gescholten worden, aber von Ihrer Seite wahrscheinlich deshalb, weil sie ein wirklich historisches Verdienst hat: Sie hat nämlich den Machtmissbrauch durch die Gewerkschaften in England gebro­chen – ich darf daran erinnern, dass es beim Ausmalen oder Tapezieren eines Zim­mers einem Tapezierer aus Gewerkschaftsschutzgründen nicht gestattet war, drei Me­ter Bodenlatten anzunageln, da ist die Bodenlattennagelgewerkschaft parat gestanden; abgesehen davon war es damals in England so, wir wissen es noch allzu gut, dass po­litische Streiks insbesondere der Kohlearbeiter den Staat an den Rand der Regierbar­keit geführt hat –, sonst wäre ihr Erfolg nicht möglich gewesen. Sie ist aber kein Hand­lungs- und Leitfaden für das, was wir vorhaben, dazu sind die Systeme zu unterschied­lich. Ich wiederhole: So viel Staat wie nötig, so viel privat wie möglich.

Dadurch ist auch nicht widerlegt worden, dass die dritte Säule nicht ein sinnvoller An­satz ist. (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser.) – Selbstverständlich ist es richtig, was Minister Faymann gesagt hat, dass man nämlich mit der staatlichen Pension sein Auskommen haben sollte, keine Frage. Die dritte Säule ist ein Ergänzungsmodell! Die erste Säule, die staatliche Pension, beruht auf dem Umlagesystem, während die dritte Säule eigentlich ein Ansparmodell ist. Traurig genug, dass wahrscheinlich viele einen Einbruch im Erfolg ihres Veranlagungsproduktes erleiden müssen.

Es ist derzeit natürlich auch sehr comme il faut, ein „Waffeninstrumentarium“ in der Be­griffsarithmetik zu haben. Es wird auf eingefahrene Begrifflichkeiten geschimpft oder sie werden als misshellig bezeichnet, weswegen mir ein Artikel von Herrn Sloterdijk, der im aktuellen „profil“ zu lesen ist, positiv aufgefallen ist. Dieser führt aus, dass der so genannte Kapitalismus der unentbehrliche Partner des Steuerstaates ist, denn dieser setzt eine florierende Eigentumsökonomie voraus. – Und das ist die zentrale Wahrheit: Es braucht eine florierende Eigentumsökonomie. Es geht um diesen „Blutkreislauf“ – übrigens ein Begriff, den der französische Ökonom Quesnay im 18. Jahrhundert ge­prägt hat –, und diesen Kreislauf müssen wir schützen.

Und für alle Zuschauer zu Hause: Wir „schieben“ nicht den Banken „das Geld hinein“, sondern wir stellen einen Haftungsrahmen zum Schutz der privaten Einlagen zur Verfü­gung – das ist der große Unterschied! Wir schützen die Privateinlagen der Bürger die­ses Landes durch die Bereitstellung dieses Haftungsvolumens, und darauf kommt es an. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

15.18


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die beiden Entschließungsanträge, die Herr Ab­geordneter Dr. Fichtenbauer eingebracht hat, sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Fichtenbauer, Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Cross Border Leasing

eingebracht im Zuge der Debatte über die Regierungsvorlage (682 d.B.): Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankmarktes (Interbankmarkt­stärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der


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Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geändert werden, in der 75. Sitzung des Nationalrates am 20. Oktober 2008

Rückmietverkauf, „Sale and Lease Back“ und Rückmietvermietung, „Lease and Lease Back“ sind synonyme Bezeichnungen einer Sonderform des Leasings, bei der eine Or­ganisation eine Immobilie oder auch Fahrnis an eine Leasinggesellschaft verkauft und sie zur weiteren Nutzung gleichzeitig wieder zurück least. Werden solche Geschäfte über Landesgrenzen hinweg abgeschlossen, meist um steuerliche Vorteile zu lukrie­ren, spricht man von Cross-Border-Leasing. Angeblicher Vorteil dieser Geschäftsfor­men für das Unternehmen ist das Aufdecken von sogenannten stillen Reserven im An­lagevermögen. Durch den Kaufpreis kann das Unternehmen Kapital freisetzen und er­höht kurzfristig seine Liquidität, kann das Objekt aber weiterhin nutzen. Nachteilig kön­nen sich die laufenden Zahlungen der Leasingraten in der Folge auswirken. Zudem ist das Unternehmen nicht mehr Eigentümer und nimmt damit an zukünftigen Wertsteige­rungen nicht teil, es sei denn, das Unternehmen hat eine Kaufoption an der Immobilie zum steuerlichen Restbuchwert zum Laufzeitende verhandelt und nimmt diese wahr.

Im Wesentlichen wird Infrastruktur, etwa Gas-, Strom- oder Schienennetzwerke, Kraft­werke, Abwasserreinigungsanlagen, Kanalnetze, Spitäler oder auch bewegliche Anla­gegegenstände wie Schienenfahrzeuge, im Rahmen eines „lease and lease back“ bzw. „sale and lease back“ von einer österreichischen Körperschaft (Leasingnehmer) an eine US-Körperschaft vermietet bzw. verkauft und gleichzeitig von dieser zurück(unter-)ver­mietet. Das Eigentum verbleibt nach österreichischem Recht bei dem österreichischen Leasingnehmer. Nach amerikanischem Recht kann dieses auch auf den Leasinggeber übertragen werden. Solche Transaktionen führen nach US-Steuerrecht zu Abschrei­bungen in den USA und damit einem Steuervorteil, der mit dem österreichischen Lea­singnehmer geteilt wird und diesem schon bei Abschluss der Transaktion zufließt.

All diese Geschäfte sind, mit oft bis zu 2.000 Seiten umfassenden Verträgen, für die US-amerikanische Vertragsseite völlig wasserdicht. Der Gerichtsstand befindet sich in New York, bzw. manchmal auch in London (Vollstreckbarkeit). Experten schätzen, dass es in der Bundesrepublik Deutschland etwa 20 Fachleute geben wird, die den Umfang dieser Verträge (alle in englischer Sprache) erfassen können. Demnach sollte es im 10-mal kleineren Österreich etwa zwei solcher Fachleute geben. Teilweise wird mit solchen Verträgen Eigentum übertragen, obwohl es sich rechtlich lediglich um Ser­vitute, also eingetragene Dienstbarkeiten und Nutzungsrechte handelt. Gerade im Zu­sammenhang mit der herrschenden Krise im Finanzdienstleistungssektor stellen sich Fragen, die einer Erörterung bedürfen.

Dr. Werner Rügemer von der Universität Köln, Autor des Buches „Heuschrecken" im öffentlichen Raum“, Public Private Partnership – Anatomie eines globalen Finanzinstru­ments, März 2008 beurteilte Cross Border Leasing am 30.9.2008 wie folgt:

„In der öffentlichen Märchenversion ist Cross Border Leasing (CBL) folgendes: Städte verkaufen für mindestens 30 Jahre ihre wertvolle Infrastruktur wie Kanalisationen, Schienennetze, Wasserwerke, Müllverbrennungsanlagen, Messehallen, Straßenbah­nen u. ä. an US-amerikanische Investoren und mieten die Anlagen zurück. Die Investo­ren erhalten in den USA für diese staatlich geförderte Auslandsinvestition 30 Jahre lang einen Steuervorteil. Die Städte bekommen dafür am ersten Tag eine bare Einmal­zahlung (»Barwertvorteil«) in Höhe von vier bis fünf Prozent des Kaufpreises; mit die­sem einfachen Trick können sie auf schwerelose Art ihre Verschuldung mindern.

In Wirklichkeit handelt es sich bei CBL um ein typisches Produkt der neoliberal entfes­selten Finanzakteure, nämlich um eine hochkomplizierte »strukturierte Finanzierung« mit verborgenen Mittätern und unkalkulierbaren Risiken. Den Mitgliedern der Parla-


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mente und Stadträte wurde aber nur die Märchenversion präsentiert. Die 1 000-Seiten-Vertragswerke, die es nur in englischer Sprache gibt, enthalten strafbewehrte Geheim­haltungsklauseln. Nur Oberbürgermeister und Kämmerer durften reinsehen, verstan­den aber kaum etwas und waren abhängig von der Interpretation, die ihnen die Nadel­streifenanwälte großer US-Kanzleien gaben. Vielfach unterliegen sogar die Namen der Investoren der absoluten Geheimhaltung. Von 1994 bis 2004 schlossen in Westeuropa etwa 700 Kommunen und staatliche Unternehmen solche Verträge, in Deutschland sind es etwa 200.

Gegenwärtig verhandeln in Deutschland zahlreiche Kommunen wie Wuppertal, Reck­linghausen, Gelsenkirchen und Bochum und kommunale Zusammenschlüsse wie die Bodensee- und die Landeswasserversorgung Baden-Württemberg über den Wechsel beteiligter Banken. Banken spielen nämlich bei dem Geschäft hinter den Kulissen die entscheidende Rolle. Darüber wurde öffentlich nicht informiert. Der von den Investoren gezahlte Kaufpreis – er lag zwischen 80 Millionen und zwei Milliarden Euro, je nach Wert der Anlage – wurde nämlich gar nicht an die Städte ausbezahlt, die erhielten als kleine Mitmachprämie lediglich den »Barwertvorteil«. Für 95 Prozent des Kaufpreises waren die Städte nur eine Durchlaufstation. 80 Prozent gingen an zwei Schuldübernah­mebanken, die daraus namens der Städte 30 Jahre lang, also bis etwa 2030 oder 2034, die Leasingraten bezahlen sollen. 15 Prozent gingen an eine Depotbank, die damit während derselben Laufzeit für die Städte den Rückkaufpreis an den Investor erwirt­schaften soll. Die Verträge besagen aber, daß die Treuhänderbanken diese Beträge als unwiderrufliches Eigentum erhalten. Wenn sie pleite gehen, bleiben die Städte letzt­lich zahlungspflichtig. ()

Die Probleme mit CBL sind allerdings nicht so neu, wie es gegenwärtig erscheint. An­fangs wurde behauptet, die Verträge stünden ja »nur auf dem Papier«. Aber schon von Beginn an sind die Städte in ihrer Verfügungsgewalt eingeschränkt. Bei Kanalisationen z.B. bestehen die Investoren darauf, daß die über den Kanälen liegenden Grundstücke zugänglich bleiben. Köln, Recklinghausen und Stuttgart etwa konnten deshalb Bebau­ungen nicht so ausführen wie geplant. In Stuttgart mußte eine vom Stadtrat schon be­schlossene Neckarbrücke zwischen den Stadtteilen Mühlhausen und Aldingen ge­stoppt werden. Die Trasse wäre einige Meter über das Gelände des verkauften Klär­werks Stuttgart-Mühlhausen verlaufen, was der Investor aber als schwerwiegenden Eingriff in sein Eigentum betrachtete und nicht zustimmte. Hätte Stuttgart die Brücke trotzdem gebaut, hätte die Stadt ein Mehrfaches der Baukosten als Schadenersatz an den Investor zahlen müssen. Die Brücke mußte verlegt werden und kostet nun wesent­lich mehr. Einige öffentliche Verkehrsbetriebe können Züge und Straßenbahnen, die sie wegen geringerem Fahrgastaufkommen nicht mehr brauchen, nun aber nicht wie geplant verkaufen, sondern müssen sie betriebsbereit im Depot halten.“

Auch der Rechnungshof beschäftigte sich in seinem Bericht Reihe Bund 2004/7 kritisch mit den Auswüchsen des „Cross-Border-Leasing“ in Österreich und kam zu folgenden Schlüssen:

„Vertragsrisken

Wie erwähnt, verschaffen CBL–Transaktionen dem inländischen Vertragspartner un­mittelbar zusätzliche Liquidität (Barwertvorteil). Ob dieser Barwertvorteil auch am Ende der Vertragslaufzeit noch in der ursprünglichen Höhe gegeben sein wird, ist zurzeit nicht abschätzbar, weil die Vertragswerke zahlreiche Risken enthalten, die in der Folge auszugsweise dargestellt sind.

Steuern und Gebühren

(1) Das Risiko nachteiliger Steuerrechtsänderungen oder einer geänderten Rechtspre­chung trägt nach der üblichen Risikoverteilung bei CBL–Verträgen jener Vertragspart­ner, aus dessen Sphäre sie stammen.


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(2) In Bezug auf die Umsatzsteuer wurde eine endgültige Prüfung durch die Finanzbe­hörden bisher noch nicht durchgeführt. Es ist daher ungeklärt, ob für eine allfällige Prü­fung durch die Finanzbehörden der Vertrag ins Inland verbracht werden muss. Der RH weist darauf hin, dass in Deutschland CBL–Transaktionen umsatzsteuerpflichtig sind. Dies vor allem deshalb, weil der Barwertvorteil als Entgelt dafür angesehen wird, dass dem ausländischen Investor vom inländischen Unternehmen die Möglichkeit eröffnet wird, sich einen Steuervorteil zu verschaffen.

Bei ertragsteuerpflichtigen Unternehmen unterliegt der zugeflossene Barwertvorteil je­denfalls der Ertragsbesteuerung; offen ist nur, ob der Barwertvorteil über die gesamte Laufzeit verteilt werden kann oder sofort versteuert werden muss. Weiters besteht das Risiko einer zukünftigen Besteuerung der Zinserträge des bei den Depotbanken liegen­den Kapitals.

(3) Leasingverträge sind Bestandsverträge und deshalb zu vergebühren. Um diese Ge­bühr zu vermeiden, wurden zum Teil Treuhandkonstruktionen geschaffen, wobei die Treuhänder ihren Sitz im Ausland haben. Die endgültige Beurteilung durch die Finanz­behörden steht noch aus. Im Falle einer Vergebührung wären jedoch sämtliche CBL–Transaktionen unwirtschaftlich.

(1) Das BMF führte in seiner Stellungnahme zur steuerlichen Beurteilung aus, dass ihm derartige Verträge bisher noch nicht zur Beurteilung vorgelegt wurden. Ohne Vorliegen konkreter Verträge sei daher eine endgültige Beurteilung nicht möglich, insbesondere deshalb, weil – wie auch der RH ausführt – verschiedene Vertragsvarianten möglich sind bzw von den betroffenen Rechtsträgern (Gemeinden usw) überhaupt erst überlegt werden.

Allgemein könne gesagt werden, dass wirtschaftlich betrachtet die gegenständliche Konstruktion eine Darlehensgewährung seitens des ausländischen Investors darstellt. Der Nutzen für den inländischen Rechtsträger liege primär in der Geldbeschaffung und in der Finanzierungsfunktion.

(2) Eine Umsatz- und Ertragssteuerpflicht wäre nur dann gegeben, wenn die Wirt­schaftsgüter nicht durch vorweg übermittelte Beträge vorfinanziert bzw. besichert wä­ren. Die steuerpflichtige Leistung bestünde darin, dass der inländische Rechtsträger gegenüber dem ausländischen Investor eine sonstige Leistung erbringt, indem er die­sem die Möglichkeit eröffnet, sich im Ausland Steuervorteile zu verschaffen.

Als Besteuerungsgrundlage wäre beim inländischen Rechtsträger jedoch lediglich der tatsächliche positive Barwertvorteil (positiver Saldo aus erhaltenen und gezahlten Be­trägen) zugrunde zu legen. Ertragsteuerlich müsste der Barwertvorteil dem betriebli­chen Bereich zurechenbar sein und könnte auf die Laufzeit des Vertrages verteilt wer­den.

(3) Aus gebührenrechtlicher Sicht handle es sich bei CBL–Verträgen gemäß dem Ur­kundenprinzip um zwei Bestandsverträge. Gebührenpflicht wird gemäß § 16 des Ge­bührengesetzes 1957 nur begründet, wenn über diese Rechtsgeschäfte entweder eine Urkunde im Inland oder im Ausland errichtet wird und beide Parteien des Rechtsge­schäftes im Inland einen Wohnsitz, ihre Geschäftsleitung oder eine inländische Be­triebsstätte unterhalten.

Weiters muss das Rechtsgeschäft entweder eine im Inland befindliche Sache betreffen oder eine Partei im Inland zu einer Leistung aufgrund des Rechtsgeschäftes berechtigt oder verpflichtet werden.

Insolvenz der Depotbanken

Die Möglichkeit der Zahlungsunfähigkeit der erfüllungsübernehmenden Kreditinstitute bzw Versicherungen (Depotbanken) stellt ein zusätzliches Risiko dar. Dieses Risiko


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trägt ausschließlich der inländische Vertragspartner. Im Fall der Insolvenz der Depot­banken kann nämlich der ausländische Investor im Regelfall einen Teil des vorweg ge­leisteten Barwertvorteils geltend machen, weil dieser ausschließlich unter der Annah­me der Erfüllung der gesamten Vertragsdauer angewiesen wurde.

Veräußerung des Wirtschaftsgutes

Wenn ein Unternehmen, das CBL-Verträge abgeschlossen hat, veräußert werden soll, stellt sich die Frage der Höhe des Veräußerungserlöses. Mit der Ermittlung des Unter­nehmenswertes wird in der Regel ein Gutachter zu befassen sein. Dieser hat die ver­minderten Verfügungsrechte und die aus den CBL-Verträgen erfließenden Risken zu bewerten. Es ist nicht auszuschließen, dass der Unternehmenswert im Hinblick auf den CBL-Vertrag deutlich vermindert werden muss, wodurch der Verkaufserlös sinkt; dies kann in einem Ausmaß sein, das möglicherweise die Höhe des zugeflossenen Barwer­tes überschreiten kann.

Dafür kommen verschiedene Faktoren in Betracht. Abgesehen von den Vertragsrisken, hervorgerufen durch unterschiedliche Rechtssysteme mit Gerichtsstandort außerhalb Österreichs, reduziert sich der Wert des Unternehmens schon deshalb, weil ein Unter­nehmen mit Eigentum an Betriebsanlagen in der Regel höher zu bewerten ist als ein Unternehmen mit zurückgemieteten Anlagegütern.

Strukturänderungen

Von besonderer Bedeutung ist weiters der Umstand, dass die demokratisch gewählten Organe der Gebietskörperschaften ihren Einfluss auf einen wirtschaftlich bedeutenden Sektor der öffentlichen Hand, nämlich den Investitionssektor zum Teil verlieren; dies vor allem insofern, als zukünftige Organisationsänderungen (zB Privatisierungen) nur erschwert oder überhaupt nicht mehr möglich sind.

Ausstiegskosten

Wird der Vertrag aus dem Verschulden des inländischen Vertragspartners vorzeitig be­endet, fallen in der Regel Ausstiegskosten an, die bis zum Fünffachen des Barwertvor­teils betragen können.

Zusammenfassende Beurteilung

Betriebswirtschaftlich gesehen verschaffen CBL–Transaktionen dem inländischen Un­ternehmen unmittelbar zusätzliche Liquidität (Barwertvorteil). Ob dieser Barwertvorteil auch am Ende der Vertragslaufzeit noch in der ursprünglichen Höhe gegeben sein wird, ist zurzeit nicht abschätzbar; die Vertragswerke enthalten nämlich zahlreiche Ris­ken.

Ferner sind die künftigen Änderungen der den Verträgen zugrunde liegenden gesetzli­chen Regelungen unwägbar. Gleiches gilt für noch nicht abgeklärte Fragen zur steuer­lichen Behandlung von CBL-Verträgen. Volkswirtschaftlich gesehen fallen erhebliche Transaktionskosten an, ohne wirtschaftlich einen Mehrwert zu erzielen.“

Laut Wikipedia sind unter anderem folgende österreichische Anlagen und Fahrnisse In­halt von Cross Border Leasing Geschäften:

Austro Control: Flugsicherungsanlagen

BEWAG: Stromnetz

BEGAS: Gasnetz

Connect Austria: Übertragungsanlagen

Energie AG Oberösterreich: Stromnetz, Wasserkraftwerke


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 48

Immofinanz: Bürogebäude Wienerberg

Innsbrucker Kommunalbetriebe: Kläranlagen und Kanäle

Linz AG: Fernwärmewerk, Fernwärme- und Stromnetz

Österreichische Bundesbahnen: Bahnhöfe, Lokomotiven, Waggons, Signalanlagen

Post AG: Postsortieranlagen in Wien, Inzersdorf, Graz, Salzburg und Innsbruck (CBL über 119 Millionen Euro)

Telekom und Mobilkom Austria - diverse Übertragungsanlagen (1998: $ 200 Mio., 1999: $ 400 Mio., 1999: $ 200 Mio., 1999: $ 190 Mio.)

TIWAG: Wasserkraftwerke

Verbund: 8 österreichische Donaukraftwerke (ohne Eigentumsübertragung, lease-and-lease-back)

Wiener Linien: U-Bahn und Straßenbahnnetz

Stadt Wien: Kanalisation im 21. und 22. Gemeindebezirk (CLB über 500 Millionen Euro und 35 Jahre bis 2037

Die unterfertigten Abgeordneten stellen in diesem Zusammenhang folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemeinsam mit Ländern, Städten und Ge­meinden, sowie sämtlichen Unternehmungen, welche einer Überprüfung durch den Rechnungshof unterliegen, einen umfassenden Bericht über die in den letzten Jahren und Jahrzehnten durchgeführten „Cross-Border-Leasing“-Geschäfte auszuarbeiten. Der Bericht soll insbesondere über die, durch die internationale Finanzkrise entstande­nen Rechtsunsicherheiten, sowie über deren Auswirkung auf die österreichische Volks­wirtschaft und Infrastruktur Aufschluss geben.“

*****

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend strafrechtliche Verant­wortlichkeit krimineller Bank- und Finanzdienstleistungsmanager

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1 betreffend Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (682 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankmarktes (Interbankmarktstärkungs­gesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Ge­setz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehör­dengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geändert werden, in der 75. Sitzung des Nationalrates am 20. Oktober 2008.

Im Zusammenhang mit dem Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Stabilisierung des heimischen Finanzmarkts muss es als Begleitmaßnahme eine Möglichkeit geben, die strafrechtliche Verantwortlichkeit krimineller Bank- und Finanzdienstleistungsma­nager zu gewährleisten.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 49

Um die Stabilität des Finanzmarktes zu sichern, ist es unabdingbar in Zukunft zur Be­hebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Österreichs, zur Sicherstel­lung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sowie zum Zweck des Schutzes der österreichischen Volkswirtschaft Maßnahmen zur Rekapitalisierung von betroffenen Rechtsträgern zu ergreifen.

Diesbezüglich ist eine Regierungsvorlage auszuarbeiten, welche eine Eingriffs- und Regressmöglichkeit in die bereits ausbezahlten Einkommen von Bank- und Finanz­dienstleistungsmanager sowie Vorstandsmitglieder und Geschäftsleiter der betroffenen Geschäftsträger, welche kriminell geworden sind, vorsieht.

Das äußerst wichtige Maßnahmenpaket, welches die Stabilität des Geld- und Kredit­marktes sichern und durch Bereitstellung öffentlicher Geldmittel im Einzelfall bei ge­fährdeten Instituten existenzsichernd wirken soll, bedarf eben auch geeigneter Maß­nahmen in der erwähnten Form.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit kri­mineller Bank- und Finanzdienstleistungsmanager zu gewährleisten. Eine Regierungs­vorlage, die einen Eingriff und Regress in die bereits ausbezahlten Einkommen solcher Personen vorsieht, ist dem Nationalrat unverzüglich zuzuleiten.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Krainer. 8 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort. (Abg. Dr. Graf – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Krainer –: Freie Marx-Wirtschaft!)

 


15.19.09

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Wenn ein Haus brennt, muss man ein paar Dinge machen. Zunächst muss man hinfahren und löschen, man muss dafür sorgen, dass keine Panik ausbricht, man muss dafür sorgen, dass der Brand nicht auf andere, benachbarte Häuser übergreift, und schlussendlich man muss dann, nachdem der Brand gelöscht wurde, den Schaden evaluieren und sich fragen: Was können wir in Zukunft besser machen, damit ein derartiger Brand erst gar nicht ent­steht, und wenn er schon entstanden ist, dass er nicht so groß wird? – Und das ist ge­nau das, was wir hier tun sollten, und das ist das, was wir auch tun.

Das Erste, das wir machen, ist, dass wir eine Panik verhindern, indem wir klarstellen: Die Einlagen bei den Banken sind sicher; die Einlagensicherung, unabhängig von der Höhe, ist durch die bestehenden Sicherungssysteme beziehungsweise durch die Re­publik Österreich gegeben. Das heißt, man braucht keine Panik haben.

Das Zweite ist, dass wir löschen und Löschwasser zur Verfügung stellen, indem wir schauen, dass sozusagen das Löschwasser wieder fließen kann beziehungsweise dass der Bankenverkehr funktioniert.

Es ist wichtig, dass wir sagen: Wenn eine Bank notleidend ist, dann gibt es Geld dafür, dass diese gerettet wird. Das gibt es aber alles nicht gratis; wenn Banken Haftungen oder Garantien in Anspruch nehmen, müssen sie dafür bezahlen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 50

Wir müssen weiters sagen: Wenn eine Bank notleidend ist und Geld bedarf, ist das mit klaren Auflagen des Steuerzahlers sowie mit dem Eigentumsrecht verbunden. Das heißt, dass der Staat zu den Themen Geschäftspolitik, Dividendenausschüttung und Managementvergütung mitreden kann. Das heißt auch, dass der Staat Zinsen verlan­gen kann, wenn es um Eigenmitteldarlehen geht. Das ist der erste Schritt. Er muss ge­macht werden, und wir machen ihn heute. Und das ist gut so.

Weiters: Man muss verhindern, dass die Flammen auf andere Bereiche, in diesem Fall auf die Realwirtschaft, übergreifen. Das ist etwas, das wir heute noch nicht machen, aber etwas, das wir machen müssen und wohl kommende Woche am Dienstag ma­chen werden, denn es ist genauso entscheidend und genauso wichtig, wie wir das heu­te machen.

Wir müssen bei einem Konjunkturpaket auf zwei wesentliche Dinge achten. Wir müs­sen erstens darauf achten, dass die Wirtschaft nach wie vor investiert und Arbeitsplät­ze schafft. Da müssen wir Incentives schaffen, wobei es eine Frage ist, welches Instru­ment man anwendet. Es muss Förderungen dafür geben, dass Unternehmen in Öster­reich investieren; allerdings nicht, wenn sie im Ausland investieren, sondern wenn sie im Inland investieren und im Inland Arbeitsplätze schaffen und sichern. Man muss sich darüber einigen, für welche Form von Förderungen man sich entscheidet – ob für degressive Abschreibungsmodelle oder wofür auch immer –, man muss sich auf ein Modell einigen, aber das muss gefördert werden.

Das Zweite, nämlich das große Sorgenkind unserer Wirtschaftsentwicklung – und zwar nicht erst seit heute oder seit ein paar Tagen, sondern seit ein paar Jahren –, ist der In­landskonsum. Das heißt, dass wir die Inlandsnachfrage stärken müssen und dass durch unser Konjunkturpaket die Massenkaufkraft gestärkt wird, sodass Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen mehr Geld in der Tasche haben, damit wir auch die­sen Kreislauf in der Wirtschaft aufrechterhalten können.

Genauso wichtig wie das Löschen heute ist es, das Übergreifen auf die Realwirtschaft zu verhindern. Das heißt, dass wir durch ein Konjunkturpaket – und vielleicht nicht nur durch eines, sondern durch mehrere Konjunkturpakete – auch die Realwirtschaft, die Menschen und die Arbeitsplätze in diesem Land schützen, und nicht nur schauen, dass die Banken nicht ineinander zusammenstürzen.

Das Dritte, das wir machen müssen, ist es, aus dem, was passiert ist, zu lernen. Da sind die Antworten schon relativ klar:

Erstens: Das Problem ist fehlende Regulierung. Es mag schon sein, dass in den USA der Immobilienmarkt reguliert ist, aber der Kreditmarkt ist nicht reguliert. Und genau das ist passiert: Es wurden Kredite vergeben, dieser Markt ist völlig unreguliert, und von dort ist diese Krise ausgegangen. Dort, wo es keine Regulierung gab, war der Be­ginn der Krise.

Das Zweite waren die Investmentbanken. Dieser Markt ist kaum reguliert (Abg. Dr. Stummvoll: In den USA!), und die zweite Etappe in der gesamten Krise – nach der Subprime-Krise – waren ja die Investmentbanken.

Der dritte – auch in den USA – kaum regulierte Bereich ist der Bereich der Rating-Agenturen. Das ist der dritte Schritt in dieser gesamten Krise.

Die Antwort kann somit nur sein: Regulierung, Regulierung, Regulierung – dort, wo sie fehlt und dort, wo sie notwendig ist. Das Zweite ist natürlich Aufsicht, und das Dritte ist natürlich Kontrolle, das sind die Leitlinien, die wir brauchen. Nicht Deregulierung ist die Antwort, wie das noch vor wenigen Tagen und Wochen zu hören war, sondern Regu-


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lierung, Aufsicht und Kontrolle. Nicht Selbstverpflichtung, sondern staatliche Aufsicht, staatliche und gesetzliche Regulierung, das sind in Wahrheit die Schritte, die wir da­raus lernen müssen.

Der nächste Punkt – weil dieses Thema heute bereits kurz angesprochen wurde – ist die Vermögenszuwachsbesteuerung. Worum geht es denn hier überhaupt? Hier geht es darum, dass es verschiedene Arten und Weisen gibt, Geld zu verdienen.

Man kann einerseits durch Aktienspekulationen Geld verdienen und auf diese Weise ein Einkommen beziehen. Wenn man zum Beispiel als Hausnummer 50 000 € im Jahr verdient, dann zahlt man heute nach einem Jahr – nämlich nach der Spekulationsfrist – null Euro an Steuern.

Man kann 50 000 € verdienen, wenn man sehr viel Geld hat und Dividenden oder Zins­erträge hat. Dann zahlt man heute für ein Jahreseinkommen von 50 000 € 12 500 € an Steuern.

Wenn man ein Zinshaus besitzt, dieses vermietet und dadurch zu einem Einkommen von 50 000 € kommt, zahlt man auch Steuern, nämlich zirka 18 000 bis 21 000 € – je nachdem, wie die steuerlichen Rahmenbedingungen sind.

Man kann dieses Geld auch verdienen, indem man arbeiten geht. Nur werden diese 50 000 € dann mit 33 000 € an Steuern und Abgaben belegt! In unserem gesamten Steuersystem kann es nur darum gehen, dass wir einerseits die Steuern auf Arbeit re­duzieren und andererseits dort, wo keine oder kaum Steuern anfallen, schauen, dass auch diese Menschen ihren gerechten Beitrag leisten. Das ist es, worum es in dieser Frage geht! (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht um Gerechtigkeit im Steuersystem und nicht um irgendetwas Leistungsfeindli­ches, denn – entschuldigen Sie, bitte – was ist denn die höchste Leistung? – Das ist doch, wenn jemand für Geld arbeiten geht, und nicht, wenn jemand ein arbeitsloses Einkommen bezieht! In Wahrheit ist das Steuersystem so, wie es jetzt ist, leistungs­feindlich – nämlich feindlich gegenüber jenen, die ihr Geld durch Arbeit verdienen und nicht durch Renten oder dergleichen. Es geht darum, unser Steuersystem leistungsge­rechter zu gestalten und darum, es gerecht zu gestalten. Dafür werden wir uns mit Ga­rantie einsetzen!

Zur zweiten Frage, nämlich dazu, wie ein Konjunkturpaket nicht geht: Es hat mich er­schreckt, als ich las, dass die Freiheitliche Partei Einmalzahlung statt prozentueller Er­höhung bei den Lohnverhandlungen fordert. Es kann doch nicht sein, dass wir nur Ein­malzahlungen haben und keine dauerhaften prozentuellen Lohnerhöhungen! Da würde ich ersuchen, dass die Freiheitliche Partei dazu Stellung nimmt und diese Dinge ab­klärt. (Abg. Dr. Graf: Zusätzlich!)

Ein letztes Wort zur Pensionsvorsorge. Ja, die Zukunftsvorsorge neu ist mittlerweile veraltet, aber sie ist dringend reparaturbedürftig. Es sind sehr, sehr schwere Fehler passiert, als das damals von Schüssel und Grasser konzipiert wurde. Das ist ein Sys­tem, das nicht funktionieren kann und repariert werden muss. Außerdem ist klar: Si­cher ist die staatliche Pension. Die Zukunftsvorsorge neu ist ein ganz unsicheres Ins­trument. Unsere Aufgabe ist es, die staatliche Pension zu sichern, weil diese tragfähig ist. (Beifall bei der SPÖ.)

15.27


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Bucher. 8 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 52

15.27.16

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Herr Präsident! Vertreter der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Analyse hinsichtlich der Banken- und Fi­nanzmarktkrise ist, meine ich, ziemlich eindeutig und einstimmig. Es gibt allerdings un­terschiedliche Zugänge zur Frage, was die Ursachen dieser Krise waren.

Wenn heute beispielsweise von der SPÖ oder von der ÖVP gesagt wird, dass wir Gott sei Dank die Europäische Union haben und Gott sei Dank die Mechanismen der Euro­päischen Union besitzen, um dieser Finanzkrise Herr zu werden, dann erinnere ich da­ran, dass wir 2005 mit der Einführung von Basel II völlig andere Annahmen gehabt ha­ben und zweifelsohne den USA auf den Leim gegangen sind – das sage ich jetzt so salopp.

Was ist passiert? Die USA haben den Europäern strengere Kreditschutzrichtlinien ver­ordnet – empfohlen, wie auch immer – und die Europäer haben diese in ihrem Über­eifer sofort umgesetzt. Die Folge daraus war, dass sehr viel Kapital, überschüssige Li­quidität aus der Realwirtschaft abgezogen und auf dem internationalen Finanz- und Spekulationsmarkt veranlagt wurde. Das hat dazu geführt, dass vor allem die kleinen und mittelständischen Betriebe einen viel, viel schlechteren Zugang zu Krediten be­kommen haben.

Das hat auch dazu geführt, dass die Banken sehr viel Geld abziehen mussten, weil die US-Ratingagenturen diesen Banken das empfohlen haben. Ich halte es für sehr be­denklich, wenn wir diesen amerikanischen Finanzdogmen à la Greenspan, Paulson et cetera zu sehr vertrauen.

Das hat uns sehr viel Geld gekostet. Bis zu einem gewissen Anteil, meine sehr geehr­ten Damen und Herren, haben wir das Wirtschaftswachstum in den USA mitfinanziert – nämlich europäische Länder, europäische Finanzinstitute und Geldanleger aus der Europäischen Union.

Ich halte auch das für erwähnenswert. Auch das sollten wir auf europäischem Wege kritisieren, nämlich dass wir viel zu wenig bedacht waren, die gesamten Zusammen­hänge richtig zu erkennen und zu analysieren. (Beifall beim BZÖ.)

Da heute hier von der „sozialen Marktwirtschaft“ gesprochen wurde: Wir müssen doch ehrlicherweise eingestehen, dass das in vielerlei Hinsicht nicht mehr der Fall ist und dass die soziale Marktwirtschaft in dem einen oder anderen Fall aus den Fugen gera­ten ist. Ich denke da etwa nur an die Zinsgewährung: Wenn die Europäische Zentral­bank die Zinsen senkt, merken Sie, wenn Sie Kredite zu bedienen haben, wann Sie dann diese sinkenden Kredite weitergereicht bekommen – nämlich viel, viel später, oft Tage, ja Wochen später. Und diese „Zwischenräume“ nutzen natürlich die Bankinsti­tute, um ihre Liquidität aufzubessern.

Dasselbe geschieht ja auch auf dem Treibstoff-, auf dem Rohölsektor: Wenn in Rotter­dam die Erdölpreise sinken, dauert es eine Zeit lang, bis wir das an den Zapfsäulen zu spüren bekommen. – Das ist kein Selbstverständnis von sozialer Marktwirtschaft, mei­ne sehr geehrten Damen und Herren, und da sollten wir auch hinterfragen, ob es nicht Regelwerke, ob es nicht Mechanismen von Seiten des Staates braucht, um diese Ent­wicklung nicht so schleifen zu lassen, sondern darauf hinzuweisen und den Hebel an­zusetzen, damit die Bevölkerung, die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes diese Vorteile zu spüren bekommen. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben dazu einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Finanzausschusses eingebracht; dieser Antrag wurde verteilt, und ich hoffe, dass ihn alle Fraktionen bereits erhalten haben.

Es ist das ein Antrag betreffend Ermächtigung des Finanzministers, was die Bewälti­gung der Banken- und Finanzkrise anlangt. Mit diesem Antrag haben wir eine Reihe


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 53

von Vorschlägen gemacht, Vorschläge, die ja auch teilweise eingegangen sind in die Regierungsvorlage, und zwar hinsichtlich der Transparenz der Managergehälter, hin­sichtlich der Bonifikationen, hinsichtlich der Dividendenausschüttung, Gewinnvorweg­nahmen et cetera.

Wir sind ja, wie ich meine, den Bürgerinnen und Bürgern, den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern gegenüber verantwortlich in Bezug auf die Bereitstellung des enormen Kapitals von 100 Milliarden €, und wir müssen sichergehen, dass diese Mittel zielge­richtet, transparent und fair verwendet werden. (Beifall beim BZÖ.)

Daher haben wir in diesem Abänderungsantrag auch gefordert, dass es hier einen Mit­wirkungsausschuss geben muss, einen Mitwirkungsausschuss, der sicherstellt, dass diese Mittel dort ankommen, wo sie gebraucht werden, und dass beispielsweise auch die Finanzmarktaufsicht gestärkt wird. Aus dem Banken-Untersuchungsausschuss ha­ben wir ja gelernt, dass wir in Österreich Nachholbedarf haben, dass die Regelwerke der Finanzaufsicht in Österreich nicht hundertprozentig funktionieren. Da gibt es ja noch immer ein Rot-Schwarz-Denken: die rote Notenbank und die schwarze Finanz­marktaufsicht.

Ich glaube, wir sollten dazu übergehen, wenn es heute schon einen Fünf-Parteien-Kon­sens darüber gibt, dass wir zukünftig eine besser strukturierte Finanzaufsicht in Öster­reich haben wollen, eine rot-weiß-rote Finanzmarktaufsicht in Österreich zu installie­ren – und nicht eine, die von Parteien mitbestimmt wird. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben im Banken-Untersuchungsausschuss festgehalten, nämlich in den Berich­ten, die wir von Seiten des BZÖ vorgelegt haben, dass es wichtig ist, dass wir eine ver­netzte Allfinanzmarktaufsicht in Europa haben, weil die Finanzkonglomerate und die unterschiedlichen Wertpapiere selbst für Banken und für die einzelnen Portfolio-Mana­ger nicht mehr analysierbar sind und daher nicht mehr klar zum Ausdruck kommt, was eigentlich in diesen Finanzprodukten steckt.

Wir wollen auch unseren Protest anmelden, was diese Clearing-Stelle anlangt. Wir ha­ben folgenden Vorschlag gemacht: Wir hätten gerne, dass diese 75 Milliarden € sozu­sagen nicht unter das Dach der Österreichischen Kontrollbank gestellt werden, son­dern wir hätten in diesem Zusammenhang gerne einen staatlichen Fonds eingerichtet, der diese 75 Milliarden € verteilt – und diese nicht in den Rachen der Banken schiebt. – Meine Damen und Herren, Sie wissen ja, dass die österreichischen Systembanken an der Österreichischen Kontrollbank beteiligt sind. – Das wäre also ein fairer, ein transpa­renter und verantwortungsvoller Umgang mit den Steuermitteln, wie wir das vorge­schlagen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Dieses Banken-Rettungspaket ist zweifelsohne wichtig, aber wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass wir nicht nur eine Finanzmarktkrise und eine Vertrauenskrise haben, sondern dass wir uns in Richtung einer Rezession begeben. Zur Vermeidung eines Konjunktureinbruches brauchen wir dringend ein Konjunkturbelebungspaket, einen Mit­telstandsfonds, zumindest aber eine Steuersenkung, damit die Bürgerinnen und Bürger wieder über mehr Einkommen verfügen, das in den Konsum geht, das die Wirtschaft belebt und damit allgemein für mehr Einkommen und Wachstum sorgt.

Ich bitte die Bundesregierung, uns zügig – ehestmöglich, jedenfalls bis zum 28. Okto­ber – ein solches Paket vorzulegen, damit eine Rezession abgewendet werden kann. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

15.35


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Bucher einge­brachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt; er wurde in den Kernpunkten erläutert und wird wegen seines Umfanges gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung verteilt. Der Antrag steht daher mit in Verhandlung.


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Finanzausschusses (683 der Beilagen) über die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankmarktes (Interbankmarktstär­kungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Sta­bilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geändert werden (682 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschussberichtes wird wie folgt geändert:

Der Nationalrat hat beschlossen:

1. In Art. 1 (Interbankmarktstärkungsgesetz - IBSG) lautet § 1 Abs. 4:

„(4) Der Bundesminister für Finanzen ist weiters ermächtigt, namens des Bundes ge­mäß § 66 Bundeshaushaltsgesetz (BHG), BGBl. Nr. 213/1986, die Haftung als Bürge oder als Bürge und Zahler oder in Form von Garantien für von anderen Kreditinstituten ausgegebenen Wertpapieremissionen gemäß § 1 Abs. 1 Z 10 BWG zu übernehmen. Dabei sind die Bestimmungen für eine Haftungsübernahme nach § 2 Abs. 5 Finanz­marktstabilitätsgesetz (FinStaG) und die Bestimmungen für einen Mitwirkungsaus­schuss nach § 2 Abs. 6 Finanzmarktstabilitätsgesetz (FinStaG), BGBl. Nr. I xXXX/2008, anzuwenden.“

2. In Art.2 (Finanzmarktstabilitätgesetz - FinStaG) lautet § 2 Abs. 5:

„(5) Der Bundesminister für Finanzen ist im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler er­mächtigt, durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Bedingungen und Aufla­gen für Maßnahmen nach diesem Bundesgesetz festzulegen. Dabei können insbeson­dere Regelungen vorgesehen werden, die

1. die geschäftspolitische Ausrichtung – bei Kreditinstituten insbesondere die Versor­gung kleiner und mittlerer Unternehmen mit Krediten und den Schutz vor Zinsstei­gerungen im Bereich von Krediten, die zur Finanzierung des privaten Hausbaus erfol­gen – und die Nachhaltigkeit des verfolgten Geschäftsmodells;

2. die Verwendung der zugeführten Mittel;

3. die Vergütung ihrer Organe, Angestellten und wesentlichen Erfüllungsgehilfen;

4. die Eigenmittelausstattung;

5. die Ausschüttung von Dividenden;

6. Maßnahmen, die zur Erhaltung der Arbeitsplätze der Beschäftigen des begünstigten Rechtsträgers dienen;

7. den Zeitraum, innerhalb dessen diese Anforderungen zu erfüllen sind;

8. Maßnahmen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen;

9. die Art und Weise, wie vom begünstigten Rechtsträger Rechenschaft zu legen ist, wobei in jedem Fall die Rechte geregelt werden müssen,

a) vom Kreditinstitut, von Unternehmen der Kreditinstitutsgruppe sowie von allen Toch­terunternehmen die Vorlage von Zwischenabschlüssen, von Ausweisen in bestimmter Form und Gliederung und von Prüfungsberichten zu verlangen,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 55

b) von Unternehmen und deren Organen gemäß Z 1 Auskünfte über alle Geschäftsan­gelegenheiten zu fordern, in die Bücher, Schriftstücke und Datenträger Einsicht zu neh­men;

c) von den Bankprüfern der Kreditinstitute und Kreditinstitutsgruppen, von den zustän­digen Prüfungs- und Revisionsverbänden, den Sicherungseinrichtungen (§ 93 BWG) und einem gemäß § 70 Abs. 2 Z 2 BWG bestellten Regierungskommissär alle erforder­lichen Auskünfte einzuholen;

d) durch die Bankprüfer der Kreditinstitute und Kreditinstitutsgruppen, andere Wirt­schaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die zuständigen Prüfungs- und Revisionsverbände und durch sonstige Sachverständige alle erforderlichen Prüfungen vornehmen zu lassen;

10. den Inhalt und den Umfang der zu veröffentlichenden Erklärung, die von den ver­tretungsberechtigten Organen und dem Aufsichtsrat abzugeben ist und die Verpflich­tung zur Einhaltung festgelegten Bedingungen enthalten muss, betreffen. Weiters kön­nen in dieser Verordnung auch Rechtsfolgen für den Fall der Nichteinhaltung von Be­dingungen und Auflagen festgelegt werden.“

3. In Art.2 (Finanzmarktstabilitätgesetz - FinStaG) wird nach § 2 Abs. 5 folgender Abs. 6 eingefügt:

„(6) Einer Maßnahme im Sinne dieses Gesetzes muss zuvor ein Mitwirkungsausschuss zustimmen. Die Besetzung, die Aufgaben und die Entscheidungsbefugnisse sind in der nach Absatz 5 Satz 1 zu erlassenden Verordnung zu regeln.“

Begründung:

Der Bericht enthält Regelungen über Bedingungen und Auflagen, die im Falle der Ge­währung sämtlicher Begünstigungen nach dem Interbankmarktstärkungs- und dem Fi­nanzmarktstabilitätsgesetz durch die Begünstigten zu beachten sind. Diese Regelun­gen sind sehr zu begrüßen, da sie dem Schutz und der Begünstigung der Bürger die­nen. Nach Ansicht der Antragsteller erscheint es aber gerechtfertigt, diese vorgesehe­nen Regeln noch weiter zu ergänzen. Insoweit ist zu bedenken, dass die Hilfsmaßnah­men letztlich durch die Bürgerinnen und Bürger erfolgen, so dass im Gegenzug  weit reichende „Gegenleistungen“ gerechtfertigt sind.

Bei der Ergänzung im Bereich der Anforderungen an die geschäftspolitische Ausrich­tung der begünstigten Unternehmen um den Schutz vor Zinssteigerungen im Bereich von Krediten, die zur Finanzierung des privaten Hausbaus erfolgen, handelt es sich um ein geeignetes Mittel, um den Bürgerinnen und Bürgern direkte Vorteile zu sichern.

Weiters ist zur Sicherung der Akzeptanz in der Bevölkerung zu regeln, dass ausrei­chende Transparenz hinsichtlich der Hilfsmaßnahmen gewährleistet wird. Dafür dient die  Einschaltung des zusätzlichen, mit den Finanzsprechern der Fraktionen zu beset­zenden Kontrollorgans „Mitwirkungsausschusses“.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Csör­gits. Maximale Redezeit: 6 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


15.35.27

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Die letzten Wochen haben uns deutlich gezeigt, was mit Märkten passiert, die völlig entfesselt agieren: Sie regeln sich nämlich nicht selber, sondern zerstören sich


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selber – und es ist daher völlig klar, dass diese Turbulenzen auch gesunde Volkswirt­schaften treffen können.

Die Banken, auch wenn sie noch so stark und solide sind – wie zum Beispiel österrei­chische Banken –, leiden natürlich auch unter dem gegenseitigen Misstrauen, das jetzt entstanden ist. Was bedeutet das für die Wirtschaft? Was bedeutet das für die Men­schen? – Das bedeutet für Klein- und Mittelbetriebe, dass sie immer schwieriger und immer weniger an Kredite herankommen, und dass sie keine Investitionen in künftige Arbeitsplätze tätigen können. Für jene Menschen, die immer hart gearbeitet haben und zum Beispiel ein Haus bauen, bedeutet das, dass sie Kredite brauchen, zu diesen jetzt aber noch weniger kommen.

All das hat zur Folge, dass in Zukunft das Wirtschaftswachstum schwächer und die La­ge auf dem Arbeitsmarkt angespannter wird. Die Politik ist daher gefordert, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Kräften da gegenzusteuern, und zwar kurzfristig. Und: Mittel- und langfristige Maßnahmen sind notwendig.

Der vorliegende Gesetzentwurf soll die österreichischen Sparerinnen und Sparer sowie den hart erarbeiteten Wohlstand in Österreich schützen. Dieser Gesetzesvorlage – Sie wissen das alle – ist eine Beschlussfassung, ein Aktionsplan beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder in Paris vorangegangen. Dieser Aktionsplan ist ein starkes Signal in Richtung Solidarität.

In dieser Krise, sehr geschätzte Damen und Herren, sind die Länder Europas vereinigt, und sie haben sich verpflichtet, Aktionen zur Eindämmung der Finanzkrise gemeinsam und koordiniert umzusetzen.

Geschätzte Damen und Herren, es ist allerdings zu befürchten, dass die österreichi­sche Wirtschaft in den nächsten Jahren weniger als 1 Prozent wachsen wird – und das bedeutet, dass die Zahl der Arbeitslosen steigen wird. Das AMS rechnet mit einem An­stieg der Arbeitslosen um 11 000 Personen in ganz Österreich. Es liegt jetzt in der Ver­antwortung von uns allen, diese Gefahr einzudämmen. Diese Herausforderungen müs­sen bewältigt werden, wobei dazu viel Wissen, viel Engagement und Erfahrung von uns allen notwendig ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich positiv in Erinnerung rufen, dass die Sozialpart­ner kürzlich bei einer Tagung in Ischl beschlossen haben, noch in den nächsten Wo­chen ein gemeinsames Konjunkturpapier zu erarbeiten und dieses der Bundesregie­rung zur Verfügung zu stellen.

Weil jetzt rasches Handeln so wichtig ist, müssen alle konstruktiven Kräfte zusammen­halten und das Gemeinsame, das Wohl Österreichs über das Trennende stellen, sehr geschätzte Damen und Herren. Das Ziehen an einem Strang, um die Auswirkungen der Finanzkrise abzufangen, sind wir den Menschen in Österreich schuldig.

Als erste Maßnahme könnten zum Beispiel geplante Infrastrukturpakete vorgezogen werden. Das würde Arbeitsplätze schaffen beziehungsweise erhalten, gleichzeitig aber auch eine sinnvolle Investition in den Wirtschaftsstandort Österreich bedeuten.

Ganz wichtig sind dabei aber auch Maßnahmen, die ganz gezielt in Richtung Frauenar­beitsplätze gehen. Es darf nicht so sein, dass Frauen wieder als „wirtschaftliche Reser­ve“ benützt und nach Hause geschickt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Ursache für die Finanzkrise ist aber auch, dass die Einkommen der Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer nicht Schritt gehalten haben mit den Gewinnen – und da­durch Kaufkraft verloren gegangen beziehungsweise gesunken ist. Umso mehr müs­sen wir jetzt, um die Stärkung der Nachfrage wieder anzukurbeln, auch eine Senkung der Lohnsteuer herbeiführen, und zwar so bald wie möglich.

Die Finanzkrise ist aber vor allem eine Krise, die über Landesgrenzen hinweg reicht. Deshalb müssen zusätzliche Maßnahmen in Österreich, aber auch im Bereich der


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 57

Europäischen Union getroffen werden und muss ein Konjunkturpaket geschnürt wer­den. Es müssen aber auch strengere Regelungen in Europa im Zusammenhang mit den Finanzmärkten geschaffen werden, und diese strengeren Regelungen müssen glo­bale Anwendung finden. Das Ersparte der Menschen, sehr geschätzte Damen und Herren, darf nicht der Spekulationswut einiger Bankmanager zum Opfer fallen! Es muss aber auch auf europäischer Ebene der Steuerwettbewerb zwischen den Ländern endlich beendet werden.

Sehr geschätzte Damen und Herren, dieses Maßnahmenpaket im Zusammenhang mit der Finanzkrise ist ein erster wichtiger, richtiger Schritt. Es ist aber notwendig, entspre­chende Konjunkturpakete zu schnüren und darüber hinaus auch aus der Vergangen­heit zu lernen und so genannte Präventivmaßnahmen in Österreich, aber auch im Be­reich der Europäischen Union zu setzen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.40


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jakob Auer. 6 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


15.40.51

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren auf der Regierungsbank! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Frau Kollegin Csörgits hat gemeint, man sollte aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. – Ja, da gebe ich ihr völlig recht. Hätte man es nur getan!, sage ich dazu. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ein bisschen bin ich schon verwundert. Man hätte nur die Zeitungen zu lesen brauchen. 31. Jänner dieses Jahres: Deutsches „Handelsblatt“, in Berlin von mir persönlich gekauft: „UBS versinkt im Subprime-Strudel“. Oder im Juli dieses Jahres: „90 US-Banken droht die Pleite“.

Oder, meine Damen und Herren, haben wir schon vergessen, dass 1988 in Amerika 375 Milliarden Dollar zur Sanierung der Sparkassen aufgewendet wurden oder dass in Finnland 1991 12,8 Prozent des Bruttosozialproduktes zur Sanierung der Finanzagen­turen notwendig waren? Oder ist bereits vergessen, dass Mexiko1994 am Rand der Pleite war oder Südkorea 1997?

Manchmal frage ich mich: Haben wir dies alles vergessen, oder was ist tatsächlich ge­schehen? – Leider nichts, weil man sich international nicht einigen konnte, und das ist das Problem, das wir grundsätzlich haben. Dramatische Maßnahmen in einer dramati­schen Zeit, weltweite Stabilisierungsmaßnahmen sind notwendig, und wir sollten bei al­ler kritischen Bemerkung schon auch ausdrücklich festhalten, dass Österreichs Ban­ken, Österreichs Wirtschaft besser dasteht und wir uns darüber doch auch ein biss­chen freuen sollten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Insgesamt aber stellt sich die Frage: Welche Lehren zieht man aus dieser Krise? Und wenn es stimmt, dass jede Krise auch eine Chance ist, dann sollten wir die Chance wahrnehmen, um derartige finanzielle Erdbeben in Zukunft zu verhindern, jede Chance!

Wir haben eine Amerikanisierung der Bilanzierungsregeln, wir oder sehr viele Bankma­nager sind stolz gewesen und haben das als das Nonplusultra gepredigt, die Beurtei­lung durch eine Ratingagentur. Amerikanische Ratings sind ja hervorragend gewesen, wenn ich mir vorstelle, dass man wenige Tage, bevor Lehman Brothers in Konkurs ge­gangen ist, noch Double A, also zweithöchste Bonität bestätigt hat.

Meine Damen und Herren! Die Amerikaner haben uns, es wurde schon ausgeführt, Basel II aufs Auge gedrückt. Europa war begeistert davon. Alle Warnungen der Bank­verantwortlichen auch in diesem Haus haben nichts gefruchtet, sondern es war ja fast so, dass Österreich auch bei Basel II auf die Knie gefallen ist, weil es ganz wichtig ist, das umzusetzen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 58

Meine Damen und Herren! Was gibt es noch für eine Möglichkeit? Vor Kurzem war eine großartige Werbung in der Zeitung „Der Standard“, ich mache keine Werbung da­für, für die isländische Kaupthing Bank, ganzseitig Prozente, Prozente, Prozente. Und hinten stand, das ist erst der Anfang. – Ja, der Anfang vom Ende, sollte man heute da­zuinserieren, meine Damen und Herren. Ein Sparbuch ist ja etwas von vorgestern ge­wesen, eine Prüfung österreichweit zu wenig, Rating war wichtig. Und was ist heraus­gekommen? – Das sieht man.

Meine Damen und Herren, welche Möglichkeit gibt es, Leerverkäufe auf Dauer zu un­terbinden, nicht nur vorübergehend? Das wäre auch einmal interessant, interessant auch im Rahmen dieser weltweiten Vernetzungen. Heute hört man nichts mehr von na­tionalstaatlichen Maßnahmen. Heute rufen alle nach internationaler Hilfe. Ja, wir brau­chen sie auch, sie ist ja auch notwendig, gerade auch für eine bestimmte Fraktion.

Wenn Kollege Bucher – ich schätze ihn sehr – meinte, es gäbe eine rot-schwarze Ban­kenaufsicht, Nationalbank, FMA und so weiter, möchte ich ihn fragen: Wie ist denn das bei der blauen Hypo Alpe Adria, die in Kärnten nicht gerade unbeteiligt ist? Das wäre durchaus auch interessant. Wie viel hat man heute berichtigen müssen? Auch das wä­re durchaus zu hinterfragen, meine Damen und Herren!

Es wird in Zukunft eines notwendig sein: mehr Transparenz und so viel Kontrolle als notwendig und so viel Verantwortung als möglich. Wenn heute, und zu Recht in diesen Tagen, die unverhältnismäßig hohen Gagen der Bankmanager kritisch beleuchtet wer­den, dann muss ich sagen: Ja, das ist eine Zumutung, aber da gibt es auch Aufsichts­räte, die dafür Verantwortung tragen. Die machen die Verträge mit diesen Herren, mei­ne Damen und Herren!

Dieses Nachbeben der Finanzwelt wird uns noch lange erschüttern. Das kann doch nicht sein! Wo war denn gerade die deutsche Bankenaufsicht in den letzten Jahren? Deutsche Banken haben ja der staunenden Welt in Europa erklärt, sie würden das Klein- und Mittelgewerbe dem Markt zurückgeben, weil man sich in Amerika ungleich besser präsentieren könnte.

Was ist geblieben, meine Damen und Herren? – Letztlich eine Riesenproblematik, ja geradezu ein finanzpolitisches Massengrab, müsste man bedauerlicherweise sagen.

Zu danken ist tatsächlich dem Herrn Bundesminister, dem Herrn Bundeskanzler, dem Herrn Vizekanzler und vor allem auch dem Gouverneur der Nationalbank, die in diesen Tagen mit ihren Mitarbeitern, mit ihren Stäben hervorragende Arbeit geleistet haben. Und ich behaupte auch, dass Österreich im Zusammenhang mit der Europäischen Uni­on hervorragend reagiert hat.

Aber ich würde mir wünschen, dass man nicht nur in Amerika vorstellig wird, sondern auch über die Währungsreserven der Welt nachdenkt, die in China bereits ein Ausmaß von über 1 800 Milliarden angenommen haben, und die Amerikaner haben insgesamt nur etwa 45. Auch das sollte man sich einmal ein bisschen ansehen. Es wird daher auch notwendig sein, unter Miteinbeziehung dieser Player Maßnahmen zu treffen.

Ich bin überzeugt davon, dass auf dem Raiffeisen-Sektor niemand aus dem 15 Milliar­den €-Paket Kernkapital in Anspruch nehmen wird. Wichtig ist, dass dieses Hilfspaket auch eine psychologische Maßnahme ist, ein Schutzschirm, weil dies zur Beruhigung des Geld- und Kapitalmarktes beitragen wird.

Meine Damen und Herren, ich hoffe nicht, dass der Steuerzahler zur Rechenschaft ge­zogen wird.

Und damit mein Schlusssatz, meine Damen und Herren: Es wäre auch zu überlegen, ob es nicht günstig wäre, die BAWAG von Cerberus zurückzuholen, und ob es nicht notwendig wäre, die Bank Austria aus Mailand zurückzuholen. Wenn Banken im aus­ländischen Einflussbereich sind, ist nicht unbedingt sicher, dass sie hervorragend ge-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 59

managt werden, denn zuerst denkt man an die eigenen Länder und erst dann an Ös­terreich. – Wir sind anderer Meinung. (Beifall bei der ÖVP.)

15.47


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Rossmann. 6 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.47.41

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Auer, so sicher wäre ich nicht, dass Raiffeisen keine Garantien oder staatlichen Mittel in Anspruch nehmen muss. Auf der Gerüchtebörse hört man jedenfalls anderes. (Hört-, Hört-Rufe bei der SPÖ.)

Blenden wir doch einmal zurück: Wie war denn das mit der Entstehung dieser globalen Finanzkrise? Hat es da nicht Warnungen gegeben, eine Vielzahl von Warnungen, von Soros bis Schiller und Stiglitz und wie sie alle heißen? – Alles in den Wind geschlagen!

Alle Spielregeln auf den internationalen Finanzmärkten wurden nicht hinterfragt, von komplexen Finanzinstrumenten, die aus dem Boden schossen wie die Schwammerl, bis hin zu den Ratingagenturen, die diese ganze Spekulationsblase ja überhaupt erst ermöglicht haben, diese Spielcasinomentalität, die da entstanden ist.

Schließlich geschlafen hat man, global, national, aber auch auf der europäischen Ebe­ne, seit dem Ausbrechen der Subprime-Krise im August des Jahres 2007. Nichts ist pas­siert, auch nicht in Österreich!

Und blenden wir jetzt zurück: Wer war es denn in den vergangenen Jahren, der in Ös­terreich auf den Zug der Deregulierung auf den Finanzmärkten aufgesprungen ist? War das nicht die ÖVP, die beispielsweise im Jahr 2000 die Börsenumsatzsteuer abge­schafft hat – ein Instrument im Kleinen, das, was wir heute im Großen im Zusammen­hang mit der Finanztransaktionssteuer diskutieren?

Wer war es, der die Menschen in die zweite und dritte Säule hineingetrieben hat? War das nicht die ÖVP? – Ja, das war die ÖVP, die uns allen die Unfinanzierbarkeit des Pensionsversicherungssystems bis zum Erbrechen gepredigt hat. (Beifall bei den Grü­nen.) Leute wurden dann mit steuerlichen Förderungen in die zweite und dritte Säule hineingetrieben. Schauen wir uns an, Herr Finanzminister, was mit diesen Menschen passiert ist, die heute auf diese Pensionen angewiesen sind! – Verluste bis zu 25 Pro­zent bei ihren Pensionen und Pensionsansprüchen, das Jahr 2008 noch gar nicht mit­gerechnet.

Und wer ist es denn, der es in den letzten Jahren verabsäumt hat, das, was die Grünen immer wieder forciert haben, die Einführung einer Tobinsteuer und neulich der Finanz­transaktionssteuer auf europäischer Ebene voranzutreiben? – Das waren wieder Sie, Herr Finanzminister, beziehungsweise Ihr Vorgänger! (Vizekanzler Mag. Molterer: Das ist schlicht und einfach falsch!) Warum haben wir das dann auf der europäischen Ebe­ne noch nicht?

Wie weit sind wir denn mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer? Im Jänner haben Sie sie propagiert, aber es ist de facto nichts geschehen. (Beifall bei den Grü­nen. – Vizekanzler Mag. Molterer: Wer hat denn die Diskussion gestartet?)

Ein Sanierungspaket ist notwendig, das steht schon außer Frage. Notwendig, wenn wir ein Sanierungspaket beschließen, sind weiters klare Bedingungen, glasklare Bedingun­gen, und diese klaren Bedingungen vermisse ich in diesem Paket.

Es gibt eine Verordnungsermächtigung für den Finanzminister, aber aus dieser kann man wenig herauslesen in Bezug auf die Managervergütung, in Bezug auf die Manage­menthaftung, in Bezug auf die Dividendenpolitik (Zwischenruf bei der ÖVP) – ja, ja, Sie können das alles lesen, Sie wissen das alles, ich weiß schon; Sie wissen gar nichts,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 60

sage ich Ihnen (Beifall bei den Grünen) –, in Bezug auf die Geschäftspolitik. Überlegen wir uns einmal, was der Finanzminister tun wird, wenn sich Herr Meinl demnächst um eine staatliche Garantie anstellt! Ich weiß es nicht, aber es wäre ja möglich. Was wird denn dann der Herr Finanzminister tun? Aus den Regierungsvorlagen kann ich diesbe­züglich gar nichts, aber überhaupt nichts herauslesen.

Damit im Hinblick auf Managervergütung und Managementhaftungen eine kleine Nach­hilfe erteilt werden kann, bringe ich folgenden Antrag ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kogler, Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Manager­gehälter und -haftung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen abändernden Gesetzesvorschlag zum Interbankmarktstärkungsgesetz und Finanzmarktstabilitätsgesetz vorzulegen, der be­züglich Managergehältern und -haftung insbesondere folgende Punkte umfasst:

Begrenzungen von Gehalts-, Pensions- und Abfertigungsansprüchen

staatliches Vorzugspfandrecht an Gehalts-, Pensions- und Abfertigungsansprüchen von Managern

Managergehälter nur begrenzt steuerlich abzugsfähig machen

Abschaffung der steuerlichen Förderung von stock options“

*****

So wie hier in diesem Entschließungsantrag müsste Punkt für Punkt in der Gesetzes­vorlage klargelegt werden, wie diese Verordnung auszulegen ist. In Wirklichkeit müss­ten wir diese Verordnung heute vorliegen haben, damit wir seriös beschließen können, wie die Bedingungen für die Inanspruchnahme von Garantien auf der einen Seite und für die Inanspruchnahme von staatlichen Hilfen auf der anderen Seite ausschauen sol­len. So aber ist es im Wesentlichen ein Blankoscheck für den Finanzminister, und das kann es ja nicht sein.

Es kann aber auch nicht sein, dass die kleinen Leute außen vor bleiben, jene kleinen Leute, jene Häuselbauer, die in Fremdwährungskredite hineingetrieben wurden und die heute mit erhöhten Sicherheiten auf der einen Seite oder gar mit der Fälligstellung von Krediten konfrontiert sind. Hier vermisse ich Maßnahmen. Einer meiner Vorredner, nämlich Van der Bellen, hat ja bereits einen Entschließungsantrag dazu eingebracht.

Das gilt natürlich auch für die KMUs, die sind in einer ganz ähnlichen Situation. Auch die KMUs sind unter Umständen mit der Erbringung zusätzlicher Sicherheiten konfron­tiert. Sie sind aber auch konfrontiert mit dem Problem, dass sie in Zukunft unter Um­ständen höhere Zinsen für die Finanzierung von realen Investitionsprojekten – diese sind ja wichtig, auf diese kommt es ja an – haben werden.

Und last but not least lässt dieses Paket die Spielregeln, die in dieses Chaos hineinge­führt haben, außer Acht. Wenn da nicht angesetzt wird, dann wird sich an diesem Ge­samtsystem nichts ändern. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen.)

15.53


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Mag. Rossmann eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Ver­handlung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 61

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kogler, Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Manager­gehälter und -haftung

eingebracht im Zuge der Debatte über ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Förderung des Interbankmarktes (Interbankmarktstärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Fi­nanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktaufsichts-behördengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geändert werden

Weltweit sind die Finanzmärkte in Aufruhr. Wir erleben die schwerste Finanzmarktkrise seit Jahrzehnten. Die Weltwirtschaft und die Konjunktur in Österreich bekommen die Folgen zu spüren. Die Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Mitte September hat den Abwärtstrend an den Märkten dramatisch verschärft. Auf­grund der engen Vernetzung der Player am globalen Finanzmarkt folgte eine beispiel­lose Pleitewelle von Banken und Versicherungen, deren Ende nicht abzusehen ist.

Sowohl in den USA als auch in Europa erhalten Banken vom Staat Garantien oder werden rekapitalisiert. Diese staatlichen Sicherungsmaßnahmen müssen an harte Auf­lagen für Banken und Management gebunden sein.

Der ECOFIN Rat vom 7. Oktober hat in seinen Schlussfolgerungen festgehalten, dass „Die Gehälter der Manager von Finanzinstitutionen stärker reguliert werden sollen und die Regierungen dazu aufgefordert werden einen geeigneten Regulierungsrahmen auf­zustellen, um entsprechende Kontrollen gegenüber den Gesellschaftern durchzufüh­ren. Die Managergehälter von Institutionen, die eine Garantie bzw. finanzielle Interven­tion des Staates benötigen, sollen reduziert werden: Die Manager dieser Institutionen sollen dadurch für die Verluste zur Verantwortung gezogen werden, Gewinnzurückhal­tung soll unterbunden werden, Regierungen müssen die Möglichkeit erhalten, in die Entlohnung der Manager einzugreifen.“

Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält nach dem Interbankmarktstärkungsgesetz und dem Finanzmarktstabilitätsgesetz keine konkreten Bestimmungen zu Managerge­hältern und –haftung im Falle des Tätigwerdens des Bundes.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen abändernden Gesetzesvorschlag zum Interbankmarktstärkungsgesetz und Finanzmarktstabilitätsgesetz vorzulegen, der be­züglich Managergehältern und -haftung insbesondere folgende Punkte umfasst:

Begrenzungen von Gehalts-, Pensions- und Abfertigungsansprüchen

staatliches Vorzugspfandrecht an Gehalts-, Pensions- und Abfertigungsansprüchen von Managern

Managergehälter nur begrenzt steuerlich abzugsfähig machen

Abschaffung der steuerlichen Förderung von stock options“

*****

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 62

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter The­messl. 6 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


15.54.08

Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ja, man wirft uns immer vor, EU-kritisch zu sein, speziell tun Sie seitens der ÖVP das. (Ruf bei der ÖVP: Seid ihr auch!) Und wie wir heute sehen, mit Recht. Herr Dr. Stummvoll und auch Kollege Auer haben ja betont, was wir alles von Amerika bekommen haben. Und wenn wir uns erin­nern: Im Jahr 2001 hatten wir ähnliche Fälle; zwar nicht in diesem Ausmaß – Sie wis­sen das. (Ruf bei der ÖVP: Amerika gehört nicht zur EU!)

Ja, aber Sie wissen genau, dass die EU nichts daraus gelernt hat, weil wir uns bedin­gungslos an die Amerikaner anhängen und vor allem Sie als sogenannte Wirtschafts­experten oder selbst ernannte Wirtschaftsexperten das immer wieder getan haben. Und die EU hat nichts daraus gelernt, sie hat es nicht geschafft, auf eigenen Beinen zu stehen und bei solchen Krisen auch entsprechend zu reagieren.

Herr Kollege Jakob Auer hat gesagt, Basel II haben uns auch die Amerikaner aufs Auge gedrückt, und dann auch noch zugegeben, dass sie sich selber überhaupt nicht daran gehalten haben und wir jetzt in der fatalen Situation sind, dass unsere Klein- und Mittelbetriebe kein Geld mehr bekommen, weil die Banken nicht mehr dazu bereit sind, auf Grund von Basel II auch Gelder herzugeben. Das ist der Punkt!

Der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler haben heute sehr richtig gesagt: Wir beschließen heute hier dieses Paket, um Vertrauen in den Bankenplatz Österreich wie­der zurückzugewinnen beziehungsweise zu erhalten und natürlich auch die Sparer, die vielen Sparer dementsprechend zu beruhigen und ihnen zu zeigen, dass natürlich die Republik Österreich und diese Bundesregierung dahinterstehen werden, dass die Si­cherheit auch gegeben ist.

Aber was sie nicht dazusagen, ist, dass es viele, viele Tausend in diesem Land gibt, die eigentlich froh sein müssen, dass sie mit ihrem Lohn überhaupt über die Runden kommen. Das heißt, wir haben Tausende von Arbeitern und Angestellten in diesem Land, ja überhaupt jede Menge von Österreicherinnen und Österreichern, die gar nicht die Möglichkeit haben, sich ein Sparguthaben zuzulegen. Denen wird überhaupt nicht geholfen.

Und was Sie heute wohl angekündigt haben, aber was in keiner der Wortmeldungen der vielen Abgeordneten hier zutage getreten ist, ist, dass wir natürlich ein Wirtschafts­problem auf uns zukommen sehen. Wissen Sie, in dieser Finanzkrise, in der wir heute hier ein Paket beschließen, sind wir zum Reagieren gezwungen, weil uns diese in vol­ler Wucht getroffen hat. Die Wirtschaftskrise ist im Anrollen und in Teilbereichen auch in Österreich schon erkennbar.

Wenn Sie heute wissen, dass die deutsche Autoindustrie die Produktion bereits dras­tisch zurückfährt und viele österreichische Betriebe davon betroffen sind, dann könnten Sie hier jetzt noch agieren. Aber ich habe nichts von Ihnen darüber gehört, dass gleich­zeitig mit diesem Bankenpaket, nämlich mit sofortiger Wirkung, eine Steuerentlastung in Angriff zu nehmen ist und natürlich auch die Klein- und Mittelbetriebe dementspre­chend zu stärken sind. Dann könnten Sie gegensteuern! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Vizekanzler, Sie haben in den letzten zwei Jahren Hochkonjunktur gehabt, Sie waren aber nicht in der Lage, ein Nulldefizit herzubringen, und Sie waren auch nicht in der Lage, eine Steuerreform entsprechend vorzuziehen. Jetzt wird zwar von einer Vor­ziehung der Steuerreform gesprochen, aber dies bleibt weiter in Schwebe. Ich habe hier keinen Antrag gehört, wann das sein soll und wie Sie agieren wollen, um die Wirt-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 63

schaftskrise abzufedern, um den Leuten und den Klein- und Mittelbetrieben die Mög­lichkeit zu geben, auch zu überleben.

Wenn Sie in den letzten Tagen Meldungen gehört haben, dass Großbetriebe in Öster­reich Hunderte von Mitarbeitern auf Kurzarbeit stellen, dann müssen Sie doch erken­nen, dass das für diese Mitarbeiter ein sehr tragischer Fall ist, weil sie eine Einkom­menseinbuße in Kauf nehmen müssen. Aber sie haben zumindest die Gewähr, dass sie vielleicht in zwei, drei Monaten wieder in der Lage sein werden, ihrer Beschäftigung voll nachzugehen.

Was Sie aber nie dazusagen, ist der Umstand, dass viele Großfirmen in Österreich von Tausenden von Zulieferbetrieben, die den KMUs zuzurechnen sind, beliefert werden. Das sind Klein- und Mittelbetriebe, die heute kurzfristig Lieferaufträge verlieren, die es sich aber nicht leisten können, von zehn Mitarbeitern fünf auf Kurzarbeit zu stellen, sondern diese sind gezwungen, sich von Mitarbeitern zu trennen. Und Sie werden se­hen, wenn Sie hier nicht sofort agieren, dann wird im nächsten halben Jahr eine Ar­beitslosenwelle auf uns zukommen, die sich gewaschen hat. Und davor warne ich Sie. (Beifall bei der FPÖ.)

Da ich ja weiß, wie die Bundesregierung in den letzten zwei Jahren gearbeitet hat, und nicht davon auszugehen ist, dass sich das in nächster Zukunft ändern wird, bringen wir einen Entschließungsantrag ein, wo Sie zeigen können, dass Sie so schnell wie mög­lich hier agieren wollen und vielleicht mithelfen wollen, diese Wirtschaftskrise abzufe­dern.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Themessl, Gradauer, Zanger und weiterer Abgeordneter

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regie­rungsvorlage vorzulegen, die folgende Punkte beinhaltet:

eine Entlastung der Familien durch Einführung eines Familiensteuersplitting-Modells,

die Beseitigung der kalten Progression durch eine regelmäßige Valorisierung der Tarif­stufen,

die Senkung der Steuersätze, insbesondere die Senkung des Eingangssteuersatzes von 38,33 % auf höchstens 25 %,

die Erhöhung der Tarifstufe, ab welcher der Spitzensteuersatz einsetzt, von derzeit 51.000 Euro auf 80.000 Euro.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Zeigen Sie Mut, meine Damen und Herren! Sie können hier gegensteuern. Ein Ban­kenmaßnahmenpaket und ein Bankenrettungspaket allein sind zu wenig, um die bevor­stehende Krise auch in Zukunft zu bewältigen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.59


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der vom Herrn Abgeordneten Themessl einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 64

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Themessl, Gradauer, Zanger und weiterer Abgeordneter betreffend die aufgrund der Finanzkrise zwingend notwendig gewordene Entlastung der österrei­chischen Bürger und Unternehmen

eingebracht im Zuge der Debatte über die Regierungsvorlage (682 d.B.): Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankmarktes (Interbankmarkt­stärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geändert werden, in der 73. Sitzung des Nationalrates am 20. Oktober 2008

Die Wirtschaftsforscher senken die Wachstumsprognose, einzelne Bereiche der heimi­schen Wirtschaft, wie Magna Styer und BMW fahren bereits ihre Produktion zurück bzw. legen sogenannte Rationalisierungsprogramme auf. Die bisher vergleichsweise stabile österreichische Wirtschaft gerät in das Fahrwasser der internationalen Finanz­marktkrise. Die Wirtschaftsforschungsinstitute sehen für das Jahr 2009 nur noch ein Wirtschaftswachstum von 0,2 %. In der Bundesrepublik gehen die Institute in ihren Pro­gnosen für das kommende Jahr sogar von einer Schrumpfung der deutschen Volks­wirtschaft um 0,8 % aus.

International hat die Finanzmarktkrise zu Einbrüchen im Wachstum der Weltwirtschaft geführt. Ebenso befinden sich unsere europäischen Nachbarländer im Konjunkturab­schwung. Speziell die Bundesrepublik Deutschland wird als Exportnation besonders stark getroffen werden, so dass der Konjunkturmotor in Europa ins Stottern gerät. Die Binnennachfrage in Österreich hat angesichts der Nichtentlastung der Bürger durch die SPÖ-ÖVP Regierung in den letzten zwei Jahren, der hohen Inflation, exorbitant stei­genden Energie- und Nahrungsmittelpreise, die notwendige Rolle des Konjunkturmo­tors nicht übernehmen können. Die Unsicherheit in der Bevölkerung wird auch in ab­sehbarer Zeit den Konsum nicht ankurbeln. So hätte sich der Finanzminister als auch der Wirtschaftsminister seit Monaten dafür einsetzen müssen, dass der Mittelstand ent­sprechend mit Krediten versorgt wird. Wie zum Beispiel durch eine Ausweitung der Fi­nanzierungsgarantie (Ausfallshaftung) der AWS. Ebenso sind die möglichen Abspra­chen im Lebensmittelhandel zu durchleuchten und abzustellen. Doch unsere Bundes­regierung ist dazu nicht im Stande.

Die Budgetpolitik der Bundesregierung hat es verabsäumt in den Wirtschaftsboomjah­ren 2006 und 2007 einen Haushaltsüberschuss zu erzielen. Jetzt bekommt Österreich die Rechnung präsentiert, weil SPÖ-ÖVP-Regierung den Aufschwung der letzten Jahre nicht für eine strukturelle Konsolidierung des Haushalts genutzt hat.

Ein Bankenrettungspaket in Höhe von rund 100 Mrd. Euro halten wir auf Grund der ge­geben Umstände im Grundsatz für richtig. Neben einer Umstrukturierung der Banken­aufsicht brauchen wir eine Begrenzung der Managementgehälter, verbindlich insbe­sondere für die Unternehmen, die nun staatliche Hilfe erhalten. Es kann nicht sein, dass Manager, die mit Milliardenzockereien das Finanzsystem mit in die Knie gezwun­gen haben, mit goldenen Handschlägen verabschiedet werden.

Aufgrund von Wertberichtigungen und zunehmender Liquiditätsproblemen bei den Banken haben die heimischen Unternehmen Schwierigkeiten bei der Kreditvergabe. Der Beteiligungskapitalmarkt ist in Österreich aufgrund der mangelnden rechtlichen Regelungen aufgrund der Untätigkeit der Bundesregierung nach wie vor, insbesondere


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 65

im internationalen Vergleich, starkt unterentwickelt. Die FPÖ fordert seit langen die Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital und privates Beteili­gungskapital.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regieruns­vorlage vorzulegen, die folgende Punkte beinhaltet:

eine Entlastung der Familien durch Einführung eines Familiensteuersplitting-Modells,

die Beseitigung der kalten Progression durch eine regelmäßige Valorisierung der Tarif­stufen,

die Senkung der Steuersätze, insbesondere die Senkung des Eingangssteuersatzes von 38,33 % auf höchstens 25 %,

die Erhöhung der Tarifstufe, ab welcher der Spitzensteuersatz einsetzt, von derzeit 51.000 Euro auf 80.000 Euro.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheib­ner. Maximale Redezeit: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Riepl: Der Scheib­ner sagt jetzt was Neues!)

 


16.00.03

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gab schon Äußerungen von Abgeordneten wie: Es sagen alle das Gleiche! – Ich sa­ge: Seien wir doch froh, dass wir heute hier im Parlament einen Konsens haben in die­ser schwierigen Frage, dass wir diese Finanzkrise gemeinsam bewältigen wollen, dass sowohl Regierungsparteien als auch Oppositionsparteien sich zu dieser Verantwortung bekennen, denn letztlich stehen wir auch dafür gerade, dass Steuergeld – 100 Milliar­den € an Steuergeldern! – dafür eingesetzt wird, dass die Schäden, die von Spekulan­ten verursacht worden sind, letztlich nicht auf die kleinen Sparer und Kreditnehmer zu­rückfallen. Und das sollte auch an diesem Tag einmal ganz klar und deutlich zum Aus­druck gebracht werden. (Beifall beim BZÖ.)

Es ist die Europäische Union gelobt worden. – Ja, auch ich glaube, dass es wichtig ist, zu zeigen, dass eine globale Krise auch durch Zusammenschlüsse und durch den Zu­sammenhalt von Organisationen bewältigt werden soll. Allerdings muss man schon kri­tisch anmerken, dass die Europäische Union sehr lange gebraucht hat für diese Reak­tion. Wir hätten uns schon vor einigen Wochen erwartet, dass man gemeinsam ver­sucht, gegen diese Krise, die von Amerika nach Europa übergegriffen hat, die notwen­digen Maßnahmen zu setzen.

In Österreich schnüren wir nun also ein 100-Milliarden-€-Paket. Wie gesagt: Auch wir stehen dazu! Allerdings ist hier schon auch auf ein paar Merkwürdigkeiten hinzuwei­sen, und zwar kritisch hinzuweisen.

Von diesen 100 Milliarden werden 75 Milliarden, also drei Viertel, dafür verwendet, um eine Vertrauenskrise innerhalb der Banken oder zwischen den Banken zu bewältigen. Das heißt also, die Herren Bankdirektoren, die man sonst immer in trauter Eintracht ge­meinsam auf den schönen Empfängen sieht, misstrauen einander plötzlich. Und der Sparer und der Kreditnehmer, also der Steuerzahler, wir alle sollen jetzt diese Vertrau-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 66

enskrise mit 75 Milliarden € entsprechend bewältigen! Ich hoffe nur, dass genau diese Bankdirektoren und die Banken insgesamt das auch im Hinterkopf behalten, wenn es dann darum geht, bei den Kreditnehmern – auch bei den kleinen Kreditnehmern – dann zusätzliche Sicherheiten einzumahnen oder Kredite fällig zu stellen, weil eben das passiert, was sie selbst verursacht haben.

Es muss der Kreditnehmer selbstverständlich für sein eigenes Risiko haften, auch wenn er vielleicht kein Einkommen mehr hat, um den Kredit zu bedienen, weil er sei­nen Arbeitsplatz verloren hat. Dass er aber auch dafür haften muss, dass die Bank oder die Banken, bei welchen er den Kredit aufgenommen hat, mit den jeweiligen Geldern nicht ordentlich umgehen, ist sicherlich nicht akzeptabel, schon gar nicht
dann, wenn wir dafür geradestehen, nämlich wir alle – alle Österreicher! –, und zwar mit 75 Milliarden €! (Beifall beim BZÖ.)

Auch die Sicherheit der Sparer ist selbstverständlich wichtig. Hier muss das Vertrauen gegeben sein, aber es muss auch Lehren für die Zukunft geben. Und was mir jetzt ein bisschen abgeht – ein paar Redner haben es angesprochen, vor allem von der Opposi­tion –, ist die Kontrolle. Und da ist es in dieser ganzen Diskussion sehr ruhig gewor­den. Das ist ein bisschen merkwürdig, denn als wir – ich erinnere mich daran noch ge­nau – das letzte Mal hier im Hohen Haus über eine Staatshaftung für eine Bank ge­sprochen haben, und zwar bei der BAWAG – und da soll man nichts beschönigen –, haben wir auch klare Forderungen gestellt, und da es ist es um wesentlich weniger Haftung gegangen. Aber da haben wir klare Forderungen gestellt, da musste alles offengelegt werden. Da hat es Prüfungsausschüsse gegeben, da hat es ganz strenge Auflagen gegeben, da hat sich auch das Parlament eingeschaltet. – Jetzt hören wir nichts davon!

Ich glaube, dass der Mitwirkungsausschuss, den wir vom BZÖ gefordert haben, eine wichtige Aufgabe hätte, und zwar in der Form, dass wir als Volksvertreter – und das kann man vertraulich halten; auch ich bin der Meinung, das soll nicht alles an die große Glocke gehängt werden, am Vertrauensprinzip festhaltend – daran mitwirken können, dass es eine entsprechende Kontrolle gibt, was denn hier mit den Geldern passiert, auch in der österreichischen Bankenlandschaft. (Beifall beim BZÖ.)

Herr Kollege Cap, Sie haben gesagt, man sieht, dass verschiedene Finanzinstrumente hier falsch sind. – Wir haben auch mitgeholfen, dass ein Gewerkschaftsbund stabil bleibt. Ich glaube, wir haben damals aber nicht die Arbeitnehmervertretung nur deshalb in Frage gestellt, weil ein paar Gewerkschaftsfunktionäre mit fremdem Geld spekuliert haben. Auch hier soll man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.

Ich halte es nicht für verantwortungsbewusst, wenn man jetzt in leicht marxistisch an­gehauchter Manier etwa Pensionskassensysteme in Frage stellt. Natürlich ist die erste Säule, die staatliche Säule, wichtig, und sie soll auch die wichtigste Säule für die Zu­kunft sein. Trotzdem wissen wir, dass es für 20, 30 Jahre wichtig sein wird, doch auch die zweite und dritte Säule hochzuhalten. Und: Grenzenlose Freiheit ist nicht das, was wir wollen! Freiheit braucht auch Schranken, Freiheit braucht auch Kontrolle. Dafür sol­len wir uns einsetzen – jetzt auch bei den Banken, auch bei den Pensionskassen, und auch für die Zukunft, wenn es um solche Finanzkonstruktionen geht, aber nicht in mar­xistischer Art und Weise das System grundsätzlich in Frage stellen!

Wir brauchen Freiheit der Wirtschaft, auch Freiheit der Finanzwirtschaft, aber auch eine klare Kontrolle und auch klare Sanktionen, wenn hier Missbrauch betrieben wird. Darum sollte es heute gehen! (Beifall beim BZÖ.)

Was ich auch nicht haben will, ist, dass diese Krise jetzt als Argument dafür genom­men wird, dass es in Österreich keine Veränderung geben darf und dass diese große Koalition, wie ich gehört habe, jetzt zementiert wird. Der heutige Tage ist das beste


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Beispiel: Wenn es darum geht, Verantwortung zu zeigen, dann fassen wir hier einstim­mige Beschlüsse. Also: Das kann nicht der Grund für eine große Koalition der Zukunft sein! Gibt es andere Gründe, dann legen Sie sie hier auf den Tisch. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) Vielleicht will man gerade nicht die Kon­trolle haben, die dann notwendig wäre, wenn es andere Koalitionsvarianten gäbe. (Bei­fall beim BZÖ.)

16.06


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Hagen­hofer zu Wort. Ihre maximale Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.06.24

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Strasser ... – Herr Kollege Scheibner, bitte um Entschuldigung! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Freiheit ohne Grenzen führt uns gerade dorthin, wo wir jetzt stehen, nämlich zur Sanierung des Fi­nanzsystems. (Abg. Ing. Westenthaler: Das hat er nicht gesagt!) Und wenn unser Klubobmann Cap heute gemeint hat, dass wir die Pensionen und vor allen Dingen auch die Betriebspensionen, etwas, wo ja Geld der Arbeitgeber und Arbeitnehmer hi­neinfließt, sozusagen absichern müssen, staatlich absichern müssen, dann ist das noch lange keine sozialpolitische – wie haben Sie gesagt: Retro-Perspektive?; nein, das hat der Herr Kollege Stummvoll gesagt, aber Sie erzählen auch das Gleiche, nur mit anderen Worten (Abg. Strache: Nein, Schüssel war das!) –, also, dann ist das kei­ne sozialpolitische Retro-Perspektive, sondern es ist ganz genau das, was sich die Menschen von uns erwarten, nämlich Existenzsicherung.

Wir sichern auf der einen Seite das Finanzsystem, müssen aber auf der anderen Seite auch den Menschen bei der Sicherung ihrer Existenz helfen. Das möchte ich schon noch einmal betonen, damit das nicht so einfach untergeht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte weiters auf die aktuelle Arbeitsmarktsituation hinweisen, konkret auf etwas, was ich vorige Woche erleben durfte, und ich möchte Ihnen das auch nicht vorenthal­ten. Unser Herr Bundeskanzler Dr. Gusenbauer hat heute schon davon gesprochen, dass die Klein- und Mittelbetriebe sozusagen nicht mehr das notwendige Geld bekom­men und dass dramatische Signale erkennbar sind. So ist es! Ich komme aus dem Be­zirk Braunau, einem Bezirk, der im Automotive-Bereich tätig ist. Genau dieser Automo­tive-Bereich hat sehr massiv und sehr rasch gemerkt, wie diese Finanzsituation auf un­sere Realwirtschaft durchschlägt.

Ich möchte Ihnen gerne ein paar Beispiele bringen, nur damit Sie wissen, wovon wir re­den und warum wir das heute hier tun. Es geht um insgesamt neun Unternehmen, die an einem Tag beim AMS waren und sich Informationen geholt haben. Und ich sage Ih­nen, welche Größe die Unternehmen haben:

450 Beschäftigte; Produzent von Steckverbindungen im Automotive-Bereich: Seit Mon­tag, 6. Oktober über Nacht Abzug von zwei Dritteln der gesamten Auftragsproduktion! Wir reden von 450 Beschäftigten, und: Ende nicht absehbar laut Geschäftsführer.

Das zweite Unternehmen: 420 Beschäftigte; ebenfalls Zulieferer im Automotive-Be­reich: Auftragseinbrüche um ein Drittel zum zweiten Quartal. Folge: Arbeitnehmerkün­digungen voraussichtlich Ende Oktober, und zwar 50 bis 60 in der Produktion und, was besonders schmerzt, 20 bis 25 auch in Verwaltung und Forschung.

Das dritte Unternehmen: 140 Beschäftigte, Zulieferer ebenfalls im Automotive-Bereich: von 110 Prozent Auftragslage minus 40 Prozent Kapazitätsüberhang über Nacht! Das heißt, auch dieses Unternehmen hat rasant Aufträge verloren.

Ein weiteres Unternehmen mit 35 Beschäftigten genauso: Auftragsrückgänge im zwei­stelligen Bereich.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 68

Und erst heute: In einem Unternehmen mit 35 Mitarbeitern Auftragseinbrüche von mi­nus 40 Prozent!

Also reale Folgen irrationaler Bankgeschäfte – ich glaube, darin sind wir uns einmal al­le einig –, irrationaler Bankgeschäfte, nämlich Luftgeschäfte. Und damit genau das nicht mehr passiert, haben wir uns alle heute hier versammelt, um entsprechende Ret­tungsanker auszuwerfen. Wir müssen den Menschen und den Betrieben – so muss man das schon sehen – schon auch Sicherheit geben, damit wieder absehbar wird, dass sie wieder Geld bekommen, entsprechend wirtschaften können und auch wieder entsprechend Aufträge vergeben können.

Ich hoffe, dass wir uns nicht die Frage stellen müssen: Was kommt noch nach? Das hat auch noch niemand gesagt. Wir alle haben höllisch aufzupassen, dass zumindest auf EU-Ebene die Sensoren so weit ausgestreckt werden, um raschest eingreifen zu können.

Was wir als Nächstes brauchen, ist ein Konjunkturpaket, das die Menschen wieder hof­fen lässt, dass sie Arbeit haben. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzei­chen.) Ich habe heute von der Schuldnerberatung gehört, dass die Zahl derer steigt, die zwar arbeiten, aber die Lebenshaltungskosten mit ihrem Lohn nicht mehr sichern können, und das heißt, wir brauchen entsprechende Arbeitsplätze, damit auch für die­se Menschen gesorgt ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.11


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.11.52

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kollege Kogler hat heute in seinem Debattenbeitrag gesagt, dass sich die Grünen die Zustim­mung zum heutigen Paket nicht leichtmachen. – Ich glaube, das gilt für uns alle – das möchte ich schon in aller Deutlichkeit sagen –, denn das ist ein sehr umfassendes Pa­ket, das, in voller Konsequenz zu Ende gedacht, natürlich auch sehr dramatische Fol­gen haben kann. Dennoch – und das ist, glaube ich, schon sehr anzuerkennen – ha­ben alle Fraktionen den Ernst der Lage gleichermaßen eingeschätzt und sind daher einhellig der Meinung, dass es zu diesem Paket keine Alternative gibt.

Es ist auch gut, dass es einen Abänderungsantrag dazu gibt, der den Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler ermächtigt, Regelungen vorzu­sehen, um dann, wenn Geld- und Kreditinstitute Unterstützung in Anspruch nehmen, geschäftspolitische Ausrichtungen entsprechend beeinflussen zu können, die Verwen­dung der zugeführten Mittel beeinflussen zu können, die Vergütung ihrer Organe re­geln zu können, die Eigenmittelausstattung regeln zu können, die Ausschüttung von Dividenden regeln zu können und auch Maßnahmen einfordern zu können, die der Er­haltung etwa von Arbeitsplätzen in diesen Geldinstituten dienen.

Ich glaube, dass das ein sehr kluger Abänderungsantrag ist, der auch wichtig ist, damit nämlich derjenige, der am Ende, sollte es ernst werden, letztlich die Zeche bezahlen soll, nämlich der Steuerzahler, auch eine gewisse Sicherheit hat, dass die Republik hier Einfluss nehmen kann.

Ich möchte aber auch auf ein paar Argumente eingehen, die Vorredner angesprochen haben, weil man in der Tat auch in der Debatte hier nicht das Kind mit dem Bade aus­schütten soll.

Es ist uns unterstellt worden, die ÖVP hätte die Menschen in die zweite und dritte Säu­le des Pensionssystems hineingetrieben. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Dem möchte ich


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 69

heftig widersprechen! Wir haben immer gesagt, dass die zweite und dritte Säule als Er­gänzung zum staatlichen System vorzusehen ist und als Ergänzung zum staatlichen System auch Sinn machen kann. Im Übrigen soll man nicht so tun, als würde ein staat­liches System per se die volle Garantie gewährleisten können. Es sind auch schon staatliche Pensionssysteme bankrott gegangen – denken Sie etwa an Chile! Deshalb ist es ja auch so wichtig, das Pensions- und Sozialsystem immer wieder auch einer Überprüfung zu unterziehen, damit es finanzierbar bleibt, damit es auf sicheren Beinen steht und damit eine Ausgewogenheit zwischen jenen, die in Pension sind und einen berechtigten Anspruch auf ihre Pension haben, und jenen, die im Erwerbsleben stehen und das finanzieren müssen, gewährleistet ist.

Es wurde in dem einen oder anderen Debattenbeitrag auch die Abfertigung-neu kriti­siert. Auch dem möchte ich entgegenhalten: Nach der alten Abfertigungsregelung hat­ten – Schätzungen der Arbeiterkammer im Übrigen – überhaupt nur 15 Prozent der Menschen irgendeinen Anspruch, nach dem neuen System der Abfertigung hat bereits jetzt mehr als jeder zweite Arbeitnehmer einen Anspruch. (Abg. Öllinger: Einen winzi­gen ...!) – Herr Öllinger, er mag derzeit kleiner sein – es wird ja auch von den Abferti­gungskassen die relativ kurze Veranlagung kritisiert; drei Jahre Mindestveranlagung, das wird kritisiert, weil genau darin natürlich auch ein erhöhtes Risiko liegt –, dennoch haben über 50 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heute einen An­spruch aus diesem Titel; früher waren es 15 Prozent. Das System zu verteufeln ist da­her, glaube ich, unangebracht und auch nicht richtig. (Abg. Öllinger: Man hätte es an­ders machen müssen!)

Weiters möchte ich auch dem Herrn Kollegen Cap entgegentreten, der schon wieder Herrn Maynard Keynes beschworen hat. – Keynes deshalb zu vereinnahmen, weil er die Idee des Deficit Spending geboren hat, dem möchte ich entgegenhalten: Das allein reicht ja nicht aus! Maynard Keynes war – und das sollte man auch einmal erwähnen – ein konservativer Abgeordneter im britischen Unterhaus – im Übrigen ein interessanter Wirtschaftsphilosoph –, und ihn nur deshalb, weil er in Zeiten der Rezession die Idee des Deficit Spending hatte, quasi für die Sozialdemokratie zu vereinnahmen, ist gar ein bisschen einfach, denn das Problem der Sozialdemokratie war ja immer, dass sie ein Spending betrieben hat in Zeiten der Hochkonjunktur und dann zu Zeiten der Rezes­sion das Budget zu knapp war. – Das ist das Problem, das hier vorliegt. (Zwischenbe­merkung von Staatssekretär Dr. Matznetter.)

Meine unmittelbare Vorrednerin, Kollegin Hagenhofer, hat auch die Politik im Zusam­menhang mit den CO2-Emissionen angesprochen. – Ich meine, dazu muss man schon auch die eigenen Leute, nämlich Vertreter der Sozialdemokratie, einmal befragen, die im Europäischen Parlament einen sehr vernünftigen Vorschlag des Industrieausschus­ses im Hinblick auf eine größere Flexibilität niedergestimmt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

16.17


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


16.17.25

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren im Saal! Herr Kollege Aman (Rufe bei der ÖVP: Amon!) – Amon; bitte um Entschuldigung! – hat soeben kritisiert, dass der ÖVP vorgeworfen worden ist, sie habe die Menschen in die private Pensions­vorsorge gedrängt. – Herr Kollege, das stimmt! Sie waren diejenigen, die dafür plädiert haben, die da mit dem Feuer gespielt haben. Sie sind dafür zuständig, dass das staatli­che Pensionssystem ständig gekürzt wurde. Sie haben den Leuten klargemacht: Macht doch mehr privat, das ist doch viel besser für euch! – Das stimmt! Daran sind Sie zwei­felsohne schuld, dafür sind Sie verantwortlich in Österreich. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 70

Wenn wir schon vom Spiel mit dem Feuer reden: Wie schaut es aus? – Ja, es stimmt, es ist jetzt Feuer am Dach, was die Finanzkrise betrifft. Mein Kollege Kogler hat ge­meint, wenn das ganze Haus in Feuer steht und brennt, dann muss man löschen und dann muss man das jetzt tun. Deshalb werden wir diesem Gesetz auch zustimmen, obwohl wir in zweiter Lesung sehr wohl einigen Punkten nicht zustimmen werden.

Aber worum geht es denn eigentlich? Warum ist dieser Brand denn überhaupt entstan­den? Darauf gibt es nur eine Antwort: Das System hat massive Mängel gehabt, und da haben Sie alle, die ÖVP voran, über Jahre und Jahrzehnte zugeschaut, alle Warnun­gen in den Wind geschlagen, als alle, die nach dem Motto: Der freie Markt regelt sich von selbst! gemeint haben, sie können jetzt spekulieren und Fonds managen, von de­nen sie nicht einmal eine Ahnung gehabt haben, und nach dem Motto: Einer wird ge­winnen, und die anderen sollen schauen, wo sie bleiben!, gespielt haben.

Manche von Ihnen erinnern sich vielleicht an die Show von Hans-Joachim Kulen­kampff – die Älteren kennen sie noch – „Einer wird gewinnen“. Das war ein Spiel, und da hat jemand gewonnen. Für mich ist das aber ein Symbol dafür, wie die Weltwirt­schaft funktioniert und wie auch in Österreich gedacht wurde in diesem System: Der freie Markt regelt sich von selbst, einer wird gewinnen, und die anderen, die verlieren, sollen schauen, wo sie bleiben!

Dieses System, diese neoliberale Anti-Regulierungsideologie, die da über die Jahr­zehnte geherrscht hat, gehört geändert, damit solche Brände, wie sie jetzt stattfinden, nie wieder geschehen können, meine Damen und Herren! Das ist notwendig.

Das hat in den achtziger Jahren angefangen, mit Weltbank und Währungsfonds, Latein­amerika- und Asien-Krise, wo einfach über Strukturanpassungsprogramme und Schul­denpolitik propagiert wurde, je weniger Staat, desto besser, alles ins Private. Damit wurden Menschen massiv in die Armut getrieben. Diese Politik muss ein Ende haben.

Wenn jetzt der französische Staatspräsident Sarkozy meint, der Internationale Wäh­rungsfonds gehöre reformiert, dann kann ich das nur unterstützen. Das muss endlich sein. Das sagen nicht nur viele Grüne, sondern auch viele andere, wie zum Beispiel die globalisierungskritische Organisation Attac, schon seit vielen Jahren.

Wie ich Sarkozy verstanden habe, hat er jedoch gemeint, mit einer europäischen Fi­nanzmarktaufsicht könne man durchaus noch ein bisschen warten, man solle doch zu­erst den IWF reformieren.

Also, meine Damen und Herren von der Noch-Regierung – und ich richte das auch an die künftige Regierung –, darauf zu warten, dass der IWF reformiert wird, klingt ein biss­chen nach „Warten auf Godot“ und dem Ansinnen, inzwischen selbst nichts zu machen.

Eine Forderung der Grünen ist es hingegen, die europäische Finanzmarktaufsicht an­zugehen. – Das war auch im Europaparlament so, und ich habe mich sehr darüber ge­wundert, dass Abgeordnete der Europäischen Volkspartei – auch Österreicher – dage­gen gestimmt haben, als es darum ging, dem Rasmussen-Bericht noch genau diese europäische Finanzmarktaufsicht mitzugeben.

Eine europäische Finanzmarktaufsicht muss es jetzt sobald als möglich geben. Es war wichtig, dass im Rat erste Schritte beschlossen wurden, aber das ist zu wenig, das muss schneller gehen. Es muss schneller gehen, eine gemeinsame Finanzmarktauf­sicht einzurichten! (Beifall bei den Grünen.)

Lassen Sie mich noch einen Punkt erwähnen, bei dem es den Grünen gelungen ist, ihn in dieses Paket hineinzubringen, das jetzt beschlossen wird. Es war nämlich ursprüng­lich vorgesehen, dass bei Eigenkapitalzuschuss oder bei einer Teilverstaatlichung der Banken der Wert der letzten sechs Monate einer solchen Bank als Preis genommen wird. Wir haben durchgesetzt, dass der aktuelle Wert hergenommen wird und nicht


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 71

der von vor ein paar Monaten. – Das ist ganz wichtig und notwendig; gut, dass uns das gelungen ist. (Beifall bei den Grünen.)

Ein weiterer Punkt, der heute schon ein paar Mal erwähnt wurde, ist die Finanztrans­aktionssteuer. Es freut mich ja, wenn Kollege Stummvoll von der ÖVP meint, dass man sich das vor ein bis zwei Jahren noch nicht einmal hat vorstellen können. Meine Da­men und Herren, eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene ist heute nicht nur vorstellbar, sondern sogar notwendig. Es ist nur leider so, dass sich auch die jet­zige Regierung auf europäischer Ebene viel zu wenig dafür eingesetzt hat und auch unserem Antrag im Hauptausschuss letztes Mal nicht zugestimmt hat. Deswegen wäre es uns wichtig, bevor es diese Steuer auf europäischer Ebene gibt – das wird ja leider noch ein bisschen dauern –, eine Börsenumsatzsteuer in Österreich wieder einzufüh­ren, so wie es bis 2000, bevor die ÖVP den Finanzminister gestellt hat, war.

Ich bringe noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kogler, Rossmann, Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen werden auf­gefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem eine refor­mierte Börsenumsatzsteuer für sämtliche an der Börse getätigten Umsätze ehestmög­lich und befristet bis zur Einführung einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer einge­führt wird.“

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.22


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Frau Abgeordneter Mag. Lunacek ein­gebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kogler, Rossmann, Lunacek, Freundinnen und Freunde betreffend Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer

eingebracht im Zuge der Debatte über das Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Förderung des Interbankmarktes (Interbankmarktstärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Fi­nanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geändert werden

Durch die Einführung einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene und in weiterer Folge auf globaler Ebene würde über den nationalen „Schutzschild“ für Ban­ken in der Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro ein weiterer wichtiger Schritt zur Stabili­sierung der Finanzmärkte gesetzt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 72

Im Hauptausschuss am 14.10.2008 stellten alle Parteien einstimmig im Rahmen einer Ausschussfeststellung fest, dass das historische Fenster für Reformen genutzt werden muss, die richtigen Schlüsse aus der Krise der Finanzmärkte gezogen werden müssen und es an der Zeit ist, Schritte in Richtung Einführung einer solchen Finanztransak­tionssteuer auf EU-Ebene und dann auf globaler Ebene zu setzen.

Einzelne EU-Staaten haben derzeit schon eine nationale Finanztransaktionssteuer bzw. Börsenumsatzsteuer, darunter Großbritannien mit dem europäisch größten Fi­nanzplatz. In Österreich dagegen wurde die Börsenumsatzsteuer im Jahr 2000 außer Kraft gesetzt.

Bis zur Einführung einer EU-weiten bzw. globalen Einführung einer Finanztransaktions­steuer ist die Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer in Österreich sinnvoll, um Vo­lumen und Geschwindigkeit spekulativer Transaktionen an der Börse zu reduzieren.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen werden auf­gefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem eine refor­mierte Börsenumsatzsteuer für sämtliche an der Börse getätigten Umsätze ehestmög­lich und befristet bis zur Einführung einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer einge­führt wird.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gradauer. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.23.09

Abgeordneter Alois Gradauer (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Her­ren auf der Regierungsbank! Dieser Tage flattern in Oberösterreich in die Haushalte Briefe, in denen eine Erdgas-Preiserhöhung in der Höhe von 20 beziehungsweise 22 Prozent angekündigt wird. Weder die E-Control noch der Wettbewerbsbereich von Minister Buchinger unternimmt jedoch irgendetwas.

Vor einigen Tagen konnte man außerdem in den österreichischen Zeitungen lesen, dass die ÖBB bei Finanzspekulationen zirka 300 Millionen € verzockt haben. – In Wirk­lichkeit sind es 623 Millionen €. (Rufe bei der FPÖ: Wahnsinn! Skandal!) Die dafür zu­ständigen Manager erhalten eine entsprechende Abfertigung dafür, dass sie früher auf­hören. (Ruf: Eingesperrt gehören sie!) – Ganz richtig.

Die Bürger verstehen nicht, dass man spart und sekkiert, wenn es darum geht, die Pflegegelder zu erhöhen oder Pensionen leicht anzuheben, dass man aber auf der an­deren Seite für unsere so gepriesenen großen Banken sofort 100 Milliarden € zur Ver­fügung hat – als Haftung beziehungsweise Beihilfe. (Abg. Strache: Die wahrscheinlich demnächst in Anspruch genommen werden!)

Das Erste, was passiert: Gleich ist die Constantia-Bank in Probleme geschlittert. (Abg. Dr. Graf: Aber nicht deswegen!) Und ruck-zuck haben die großen Banken Österreichs zugeschlagen und eine sehr profitable, gute Bank mit guten Einlagen um einen Euro gekauft. – 400 Millionen € beträgt die Bürgschaft, die der Staat dafür vom Steuerzahler aufzuwenden hat. Das sind Dinge, die die Bürgerinnen und Bürger nicht verstehen, weil da etwas total auseinanderrennt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 73

Was das Thema Constantia noch in sich birgt, ist, dass die Finanzgelder der Fries-Gruppe damit auch gesichert wurden, was auch nicht zu verstehen ist. (Vizekanzler Mag. Molterer: Das stimmt nicht!)

Sicher ist, dass wir von der Freiheitlichen Partei immer auf Schwachstellen im System hingewiesen haben und das auch weiterhin tun. Denken Sie nur an die Finanzmarkt­aufsicht im Zusammenhang mit dem BAWAG-Skandal! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte Herrn Abgeordnetem Amon schon darin recht geben, dass auch im Bereich der Pensionskassen etwas geschehen muss, aber ich vermisse diesbezügliche Hand­lungen seitens der ÖVP. Wir tun etwas in dieser Richtung, weil es bereits fix ist, dass bei den Pensionskassen die Zielgröße um 30 Prozent verfehlt wird und die Inflations­abgeltung nicht erreicht wird. Spätestens durch die Finanzkrise ist klar geworden, dass dringender Handlungsbedarf besteht.

Ich stelle daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gradauer, Neubauer, Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend notwendige Änderungen im Pensionskassengesetz aufgrund der Finanzkrise

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, die eine Novelle zum Pensionskassengesetz vorsieht, die die Position der Leistungs- und Anwartschaftsberechtigten stärkt und verbessert, die Eigenkapitalquote der Pensionskassen erhöht und neue wirksame Kontrollmechanismen einführt.“

*****

Ich bedanke mich. (Beifall bei der FPÖ.)

16.27


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Gradauer einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gradauer, Neubauer, Zanger und weiterer Abgeordneter betreffend notwendige Änderungen im Pensionskassengesetz aufgrund der Finanzkrise

eingebracht im Zuge der Debatte über die Regierungsvorlage (682 d.B.): Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankmarktes (Interbankmarkt­stärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geändert werden, in der 73. Sitzung des Nationalrates am 20. Oktober 2008

Die Basis der Altersvorsorge in Österreich ist unbestritten das bewährte Umlageverfah­ren, welches ursprünglich zu einem Drittel vom Staat mitfinanziert wurde. Da sich aber immer mehr die Grenzen der Belastbarkeit des Staates abgezeichnet haben, wurde bereits 1990 mit dem Pensionskassensystem eine „Zweite Säule“ der Altersvorsorge installiert, welche sich ausschließlich selbst finanzieren sollte und das auf dem „Gene-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 74

rationenvertrag“ basierende Umlageverfahren ergänzen sollte. Die von den Pensions­kassen zu erwirtschaftenden Erträge sollten nicht nur eine stabile Zusatzpension ga­rantieren, sondern darüber hinaus auch die Kaufkraft der Pensionen durch alljährliche Pensionserhöhungen sichern.

Die neue Altersvorsorge über Pensionskassen wurde nach zögerlichem Beginn mit großen Kapitalübertragungen zu Ende der 1990er-Jahre und Anfang 2000 stark ausge­baut. Die Ergebnisse seither zeigen nun jedoch, dass die „Zweite Säule“ ihre wichtigste Funktion, nämlich eine leistungsfähige und verlässliche Ergänzung zur staatlichen Pen­sionsversicherung zu werden, nicht erfüllen kann.

Von einer Inflationsabgeltung kann keine Rede mehr sein, vielmehr sind die Pensions­kassenpensionen eines großen Teils der Berechtigten in den letzten Jahren beträcht­lich gekürzt worden. Es gibt eine wachsende Zahl von Pensionsbeziehern, deren Zu­satzpension inflationsbereinigt bereits 30 % unterhalb der Zielgröße liegt, wobei die ef­fektive Kürzung der Pensionskassenpension seit dem Jahr 2000 in der Größenordnung von rund 20 % liegt.

Diese Entwicklung wird sich unaufhaltsam fortsetzen, da die den Berechnungen zu­grunde liegenden Ertragsannahmen, wie sich jetzt zeigt, unrealistisch waren und sind.

Zusätzlich ist eine Reihe von bedenklichen Schwachpunkten des Pensionskassenge­setzes sichtbar geworden. Die Finanzkrise der letzten Wochen haben alle Kritiker des bestehenden Pensionskassensystems in ihrer Meinung bestärkt, dass Handlungsbe­darf dringend geboten ist. Zehntausende Bezieher von Pensionen aus Pensionskassen stehen vor abermaligen Pensionskürzungen, gut eine halbe Million noch berufstätiger Anwartschaftsberechtigter wird künftig mit deutlich gekürzten Pensionen in den Ruhe­stand treten müssen.

Im Pensionskassensystem sind für die Berechtigten keinerlei Absicherung und Kon­trollrechte vorgesehen. Die Pensionskassen wirtschaften mit nur einem Prozent Eigen­kapital, das ihnen anvertraute Pensionsdeckungskapital ist also ungesichert und das unternehmerische Wagnis ist minimal. Kein anderes Finanzdienstleistungsunterneh­men kann derart freihändig mit Treuhandkapital umgehen. Es gibt keine Haftung oder ansatzweise Garantie gegen leichtfertiges Vorgehen oder Inkompetenz des Manage­ments. Falls das Deckungskapital der Berechtigten verzockt wird, bleiben einzig die Pensionskassenberechtigten auf der Strecke.

Pensionskassen haben das Deckungskapital gegen Zusage von hohen jährlichen Ver­anlagungserträgen zugeteilt erhalten. Die Finanzmarktaufsicht bzw. ihre Vorgängerins­titution im Finanzministerium haben die überhöhten Ertragsannahmen (Parameter) ge­nehmigt, die bis heute bereits zu Zielverfehlungen von mehr als 30 % geführt haben. Ohne Gegensteuern wird die Mehrheit der Pensionskassenberechtigten in Zukunft mit einer bis auf die Hälfte der ursprünglichen zugesagten Pension geschrumpften Pen­sionskassenpension leben müssen.

Der einzelne Pensionskassenberechtigte ist auf Lebenszeit an die ihm zugeteilte Pen­sionskasse gebunden. Es gibt kaum Wahlmöglichkeiten und Mobilität zwischen den einzelnen Kassen. Dazu kommt noch, dass die Kostenstrukturen und die Ergebnisse der Pensionskassen nicht hinreichend transparent sind.

Die Pensionskassenpension setzt sich aus Kapitalübertragung in die Pensionskasse (mehrheitlich - steuerfrei - durch den Arbeitgeber als sogenannter vorenthaltener Lohn oder „deferred payment“, aber auch durch Arbeitnehmerbeiträge) und die darauf erwirt­schafteten Kapitalerträge zusammen. Die ausgezahlte Pension unterliegt dann voll dem jeweiligen Höchststeuersatz (Lohn- bzw. Einkommensteuer) des Pensionisten, obwohl sie sich zum überwiegenden Teil aus Kapitalerträgen herleitet, die nur der
25 %-KESt unterliegen bzw. als Kursgewinne überhaupt steuerfrei sind.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 75

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher den nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, die eine Novelle zum Pensionskassengesetz vorsieht, die die Position der Leistungs- und Anwartschaftsberechtigten stärkt und verbessert, die Eigenkapitalquote der Pensionskassen erhöht und neue wirksame Kontrollmechanismen einführt.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schalle. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte.

 


16.27.38

Abgeordneter Veit Schalle (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mit­glieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Heute werden Fehler der Banker und Fi­nanzdienstleister mit Steuergeldern behoben.

Sehr geehrter Herr Stummvoll – er ist jetzt leider nicht hier –, wenn Sie auf die USA zeigen, dann muss ich sagen, es gehören natürlich immer zwei dazu: einer, der ver­kauft, aber auch einer, der kauft; der trägt auch Verantwortung, dies genau zu prüfen und nicht die Katze im Sack zu kaufen.

Wir beschließen heute ein Maßnahmenpaket zur Sicherung der Stabilität des maroden österreichischen Finanzmarktes mit einer Gesamtsumme von 100 Milliarden €.

Sehr geehrter Herr Finanzminister, die Banken müssen zahlen. – Okay. Aber Sie müs­sen auch sagen, wofür sie zahlen und wie viel sie zahlen müssen. – Das sind Sie uns nämlich komplett schuldig geblieben.

Die 100 Milliarden € sind im europäischen Vergleich ein sehr hoher Betrag, wenn man bedenkt, dass wir zweieinhalb Mal mehr Mittel in die Hand nehmen als Deutschland, wo in der Zwischenzeit eigentlich schon zwei oder drei große Finanzdienstleister arg in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Wenn wir im Vergleich zu anderen Staaten ein so großes Haftungspaket schnüren, dann frage ich mich, ob die Bundesregierung be­reits mehr über die tatsächliche Situation der heimischen Banken weiß, als wir hier wis­sen oder wissen müssten. (Abg. Strache: In den nächsten Tagen werden wir es erfah­ren, oder?)

Sehr geehrter Herr Vizekanzler und Finanzminister! Ich stelle Ihnen die Frage: Warum ist die Summe so überproportional hoch? Ist ein so großer Bedarf vorhanden, von dem wir noch nichts wissen? Oder halten Sie es wie der Herr Bundeskanzler, der kürzlich noch gesagt hat, es sei alles in Ordnung, es sei alles gesichert, es gebe keine Pro­bleme, es sei kein Maßnahmenpaket notwendig beziehungsweise erforderlich? – Schenken Sie uns hier und jetzt reinen Wein ein, und legen Sie die Karten offen auf den Tisch! (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Man muss nicht in die USA oder nach Europa schauen. Bleiben wir ganz simpel hier in Österreich. Auch die Aufsichtsbehörden haben da auf allen Linien versagt und sind mitverantwortlich dafür, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Es sind nicht nur die Vorstände, die zur Verantwortung gezogen werden müssen, sondern auch die Bank­prüfer, Wirtschaftsprüfer, Revisionsverbände und vor allem die FMA haben total ver­sagt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll75. Sitzung / Seite 76

Sehr geehrter Herr Finanzminister, da rächt es sich natürlich wieder einmal, wenn man die FMA politisch und nicht fachlich besetzt! – Das hat zu einem Desaster geführt. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meiner Meinung nach brauchen wir nicht mehr Kontrolle, sondern eine qualitativ bes­sere Kontrolle. Es hört ja nicht bei den Aufsichtsbehörden auf. Schauen Sie sich die Zeitungsberichte der letzten Tage an: Die ÖBB verspekuliert 600 Millionen € und hat kein Geld für die Reparatur ihrer Waggons. (Abg. Dr. Haimbuchner: Ein Skandal!) Die AUVA verliert Geld voraussichtlich über 30 Millionen –, und, was ganz schlimm ist, das Land Niederösterreich – man muss sich das vorstellen! – 300 Millionen €. Zusätz­lich haben sich in diesem Bundesland 90 Kommunen mit sogenannten SWAP-Krediten übernommen. Es haben sich viele Bürgermeister von den Finanzgeschäften des Lan­des beeinflussen lassen.

Nur ein Beispiel: Im Heurigenort Perchtoldsdorf haben sie allein 1,5 Millionen € ver­nichtet – Geld der Gemeindebürger. Bund, Länder und Gemeinden investierten aus Gier aufs schnelle Geld Millionenbeträge in Cross-Border-Leasing-Geschäfte und ge­ben somit ein schlechtes Beispiel für die ganze Bevölkerung ab. (Abg. Strache: Das ist richtig! Die Preiserhöhung müssen die Bürger schlucken!)

Die Gemeinde Wien hat zum Beispiel Teile des Kanalnetzes, Teile der U-Bahngarnitu­ren sowie Teile des Stromnetzes an große US-Versicherungen verkauft und zurückge­least. Übrigbleiben wird wieder einmal der Steuerzahler. (Ruf bei der SPÖ: Falsch!)

Zur Constantia Privatbank, der Bank der Millionäre: Da wird auf Kosten der Steuerzah­ler saniert. Da werden Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert, jedoch bleibt es personell ohne Konsequenzen, weder für den Vorstand, trotz Vorkommnissen, die – man muss es wirklich so sagen! zum Himmel schreien, noch für den Aufsichtsrat.

Wenn man da nicht die Konsequenzen zieht, kann man ja gleich den Herrn Elsner frei­lassen. Konsequenzen fehlen jedoch auch gänzlich bei der ÖBB, beim Land Niederös­terreich und bei der AUVA, die Steuergelder verspekulieren.

Ein weiterer Kritikpunkt an dem heute zu beschließenden Paket ist  (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) – Ich komme zum Schlusssatz: Laut Rechnungshof ist Geld vor allem durch eine Verwaltungsreform zu lukrieren. Da ist viel Geld einzusparen, bis zu 4 Millionen. (Abg. Dr. Moser: Milliarden!) Aus diesem Grund sind ein Steuerentlastungspaket und ein Konjunkturbelebungspaket ganz wichtig und dringend umzusetzen. Danke. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.33


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ja­rolim. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte.

 


16.33.18

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Amon, vielleicht nur ganz kurz zu Beginn, weil John Maynard Keynes angesprochen worden ist, und zwar als Mitglied der Konservativen Partei: Keynes war Mitglied der Liberalen Partei, und zwar im Oberhaus. Ich würde er­suchen, dass wir doch historische Tatsachen entsprechend als das würdigen, was sie sind. – Daher bin ich auch für eine andere politische Auslegung, als Sie es heute darle­gen wollten.

Herr Kollege Schalle, noch ganz kurz zu Ihnen: Die Geschichten mit der Bundesbahn, die Sie uns heute dargelegt haben, und auch mit dem Herrn Huber, der ja wahrlich kein Ruhmesblatt in der Geschichte der Bundesbahnen ist, sind unter dem Herrn Gorbach – damals Vizekanzler und Verkehrsminister – erfolgt. Ich verstehe also nicht ganz, wa-


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rum Sie sich gerade darüber besonders beschweren. (Abg. Strache: Und die Abferti­gung und die Pensionssicherung ist durch Minister Faymann erfolgt, als Dankeschön für diese Geschichte!)

Meine Damen und Herren, im Großen und Ganzen ist es ja heute gelungen, eine rela­tiv harmonische Diskussion zu führen. Ich denke, dass wirklich alle im Haus die Sinn­haftigkeit dieser Maßnahmen, die wir jetzt bald beschließen, anerkennen. Es ist natür­lich nur ein erster Schritt. Das bedeutet, dass wir den Kapitalmarkt, den Bankenmarkt beruhigen. Wenn ein Wirtschaftsstandort existieren muss, dann bedeutet das natürlich auch, zu investieren, Investitionen sicherzustellen und dazu natürlich das entsprechen­de Kapital zur Verfügung zu stellen, das Bankensystem auch auszustatten. Dass wir darüber hinaus natürlich noch ein Wirtschaftsbelebungsprogramm benötigen, das auch kommen wird, das ja von der Regierung in den Grundzügen auch schon vorgestellt wurde, ist überhaupt keine Frage.

Herr Kollege Auer, ich möchte Ihnen bei all den Aspekten, die wir heute dargelegt ha­ben und bei denen Harmonie besteht, herzlich dafür danken, dass Sie insbesondere die Finanzmarktpolitik des seinerzeitigen Finanzministers Grasser wirklich mit sehr starken Worten als das hingestellt haben, was sie wirklich war, nämlich inkompetent und dilletantisch. Wir haben nämlich unter ihm genau das erfahren, von dem wir jetzt eben sehen, dass es nicht funktioniert, nämlich dass sich Kapitalmärkte insbesondere dort, wo es um Derivate geht – also um diese neuen Produkte –, in keiner Weise selbst regulieren, so wie sich eben Glücksspiel auch nicht selbst reguliert.

Wenn wir jetzt zur Kenntnis nehmen müssen, dass am Kapitalmarkt nicht so sehr der tatsächliche Wert von Unternehmen zur Disposition gestanden hat, sondern es in ers­ter Linie darum gegangen ist und geht, Wetten abzuschließen, wie hoch etwa der Ge­treidepreis in fünf oder zehn Jahren sein wird, wie hoch ein Unternehmen in fünf oder zehn Jahren bewertet sein wird, und das mehr oder weniger die Bemessungsgrundla­ge, die Basis war, so sieht man, dass man sich da natürlich zwangsläufig von den rea­len Werten in virtuelle, fiktive Werte bewegt hat, was natürlich auf Dauer unmöglich funktionieren kann.

Es sind daher Transparenz und auch Nachhaltigkeit sehr wichtig. Dazu braucht man natürlich einen gesetzlichen Rahmen. Ich darf nur ganz kurz daran erinnern, dass wir, noch bevor diese Krise losgegangen ist, dieses leidige Problem um die Meinl Bank hat­ten. Wir haben ja dort erlebt, wie man in einer unverschämten Art und Weise noch die Produkte der Meinl Bank beworben hat und man gesagt hat, diese European Land wä­re mehr oder weniger das Sparbuch der Zukunft für den kleinen Mann. Tausende von Anlegern haben ihr Geld dort eingebracht, haben die Sparbücher aufgelöst – und dann hat sich herausgestellt, dass die Gruppe in der Meinl Bank eigentlich nichts anderes gemacht hat als ein Gewinnoptimierungsmodell für sich selbst, mit der größtmöglichen Gefährdung für alle Anleger. Das hat dann natürlich auch dazu geführt, dass die Leute massenhaft um ihr Geld umgefallen sind. – Solche Dinge gilt es natürlich auch abzu­stellen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ein weiteres Problem sind auch noch die Stock Options. Meine Damen und Herren, wenn wir sehen, dass ein Vielfaches der Jahresbezüge von Vorstandsdirektoren durch Prämien erwirtschaftet wird und die Prämien davon abhängig sind, dass zu einem Stichtag ein gewisser Wirtschaftserfolg erzielt werden muss, und wenn wir gleichzeitig erkennen, dass dieser Erfolg nicht aus dem operativen allgemeinen Geschäft erwirt­schaftet wird, sondern plötzlich durch Verkauf von Beteiligungen des Unternehmens, dann sehen wir, dass das nicht gesund ist, weil das die Nachhaltigkeit der Unterneh­mensführung natürlich massiv behindert. Manchmal sagt man, zurück zum Kernge­schäft. Man verkauft alles, was im Konzern vor- und nachgelagert ist und vernichtet da­mit eigentlich die kraftvolle Basis eines Unternehmens, nur damit zu einem bestimmten


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Stichtag ein guter Unternehmenserfolg dargestellt werden kann – nachhaltig ist er na­türlich nicht – und entsprechende Prämien ausbezahlt werden können. Dagegen rich­ten sich die zukünftigen Schritte. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.38


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Ik­rath. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte.

 


16.38.39

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren
auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst meine Pflicht: Ich bringe einen Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage ein, der § 93 Abs. 4
und § 103 betrifft. Ich darf ihn in den wesentlichen Zügen erläutern.

Es handelt sich dabei um die Beseitigung eines Redaktionsversehens im § 93 Abs. 4. Es wird durch Satzumstellung klargestellt, dass der für Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften gesicherte Betrag von 50 000 € ausschließlich für die Einlagen­sicherung gilt.

In § 103 wird klargestellt, dass ab dem 1. Jänner 2010 der Differenzbetrag zwischen 50 000 € und 100 000 € vom Bundesministerium für Finanzen der Einlagensicherungs­einrichtung zu ersetzen ist.

Und nun die Kür. Lassen Sie mich jetzt zu den wesentlichen Punkten meiner Anmer­kungen kommen. Ich möchte eingangs noch einmal festhalten, weil ich glaube, dass das ungemein wichtig ist – wichtig auch für alle, die uns zu Hause zusehen und zuhö­ren –: Die österreichischen Banken – alle relevanten, alle wesentlichen – sind sicher, sind stark, sind solide. Da braucht sich keiner auch nur eine Minute Sorgen um seine Spareinlagen zu machen. Ich sage: Zum Glück ist das in Österreich anders als in an­deren Ländern!

Warum beschließen wir dann heute dieses sehr ambitionierte Finanzmarktstärkungs­paket? – Aus einem sehr guten Grund: weil wir vorausschauend wirken wollen. Einer­seits handelt es sich dabei um eine Immunisierung der österreichischen Kreditwirt­schaft gegen Ansteckungseffekte der Krise, um eine Art Schutzimpfung also. Deswe­gen haben wir die hundertprozentige Garantie für die Einlagen der österreichischen Sparer gegeben. Ich freue mich besonders, dass wir nun auch die Einlagengarantie für die kleinen und mittleren Unternehmen wesentlich erhöht haben. Das ist mir ein großes Anliegen, weil gerade die KMUs angesichts der jetzigen Konjunkturentwicklung beson­ders unter Druck sind. Daher ist es psychologisch von großer Bedeutung.

Zweitens wollen wir Wettbewerbsgleichheit herstellen, und zwar Wettbewerbsgleichheit der österreichischen Banken auf den internationalen Geldmärkten. Da gilt es, Folgen­des zu sagen: In den letzten Wochen wurde eine Reihe von Banken anderer Staaten mit staatlicher Beteiligung in ihrer Bonität enorm gestärkt. Das heißt im Klartext: Für diese Banken ist es auf den Geldmärkten im Augenblick deutlich leichter als für öster­reichische Banken, Liquidität zu schöpfen, sprich: jenes Geld aufzubringen, das sie dann wieder in Form von Krediten an Private – der Häuselbauer ist genannt worden –, aber auch an Unternehmen, und da vor allem an jene der mittelständischen Wirtschaft, weitergeben.

Eine zentrale Verantwortung der Banken ist es, insbesondere in einer Zeit nachlassen­der Konjunktur, ausreichende Finanzierungen für die Wirtschaft, für die Unternehmen, und da vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen, die das Rückgrat der ös­terreichischen Wirtschaft und unserer Arbeitsplätze darstellen, zur Verfügung zu stel­len. Und damit wir unsere Banken befähigen, sich in dem Wettbewerb um Liquidität, der extrem hart ist, weil es derzeit zu wenig Liquidität in den Märkten gibt, durchzuset-


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zen, bieten wir ihnen mit dem heutigen Paket ein sehr umfangreiches und sehr flexi­bles Spektrum an Instrumenten an.

Ich bin sicher, dass die Kreditinstitute dieses Spektrum an Instrumenten nützen wer­den, erwarte allerdings, dass sie das in Eigenverantwortung tun, dass sie das in ihrer unternehmerischen Freiheit verantwortungsbewusst tun und immer ihre Kunden und deren ausreichende Finanzierung im Auge behalten. Vom Finanzminister erwarte ich, dass er die Auflagen, die wir ihm heute für den Fall eines längerfristigen Engagements des Staates in die Hand geben, mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl und mit Augenmaß handhabt. Vor allem dort, wo es um börsenotierte Banken geht. Die Inves­toren, die unser Vorgehen jetzt mit einem gewissen Abwarten beobachten, dürfen wir nicht vertreiben, denn dann würden wir das eine Problem lösen und uns das andere schaffen. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)

Alles in allem und zum Abschluss kommend: Dieses Paket erzeugt jenes Vertrauen, das wir so dringend auf den Märkten brauchen – zwischen den Sparern und den Ban­ken, zwischen den Unternehmen und den Banken und letztlich zwischen den Banken selbst. Das ist ein Gebot der Stunde, das wir heute erfüllen! (Beifall bei der ÖVP.)

16.44


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Mag. Ikrath ein­gebrachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt. Der Antrag wurde in seinen Kernpunkten erläutert und steht somit mit in Verhandlung; er wird gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung an die Abgeordneten verteilt.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Günter Stummvoll, Jan Krainer Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage 682 d.B. in der Fassung des Ausschussberichtes 683 d.B.  betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankmarktes (Interbankmarktstärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geändert werden

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der im Titel bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Artikel 4 wird wie folgt geändert:

1. Ziffer 3 lautet:

„3. § 93 Abs. 4 erster Satz lautet:

„Für Einlagen gemäß Abs. 2 von Gläubigern, die keine natürlichen Personen sind, ist abweichend von Abs. 3 die Zahlungspflicht der Einlagensicherung mit einem Höchstbe­trag von 20 000 Euro sowie mit 90 vH der gesicherten Einlage pro Einleger begrenzt; für Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften, die die in § 221 Abs. 1 UGB ge­nannten Kriterien erfüllen, erhöht sich der Höchstbetrag jeweils auf 50 000 Euro; eben­so ist bei Wertpapierdienstleistungen gemäß Abs. 2a von Gläubigern, die keine natürli­chen Personen sind, unbeschadet des in Abs. 3a genannten Höchstbetrages die Zah­lungspflicht der Einlagensicherung mit 90 vH der Forderung aus Wertpapiergeschäften pro Anleger begrenzt.““


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2. Z 7a wird wie folgt geändert:

„7a. § 103h lautet:

„§ 103h. Ab dem 1. Jänner 2010 gilt § 93 Abs. 3 mit der Maßgabe, dass die Einlagen natürlicher Personen bis zu einem Betrag von 100.000 Euro gesichert sind. Weiters gilt ab dem 1. Jänner 2010 § 93a Abs. 3 mit der Maßgabe, dass die Sicherungseinrich­tungen die Summe der Differenzbeträge mitzuteilen haben, die die Differenz zwischen 50 000 Euro und 100 000 Euro bilden und der Bundesminister für Finanzen diesen Dif­ferenzbetrag zur Verfügung zu stellen hat. Die für § 93a Abs. 3 erforderlichen Budget­mittel werden im Wege von Überschreitungsermächtigungen zur Verfügung gestellt (Artikel VII Abs. 1 Z 14 und Z 15 Bundesfinanzgesetz 2008) und dürfen auch durch Mehreinnahmen aus Kreditoperationen bedeckt werden; in diesem Fall ist § 41 Abs. 6 Bundeshaushaltsgesetz (BHG), BGBl. I Nr. 213/1986, in der Fassung BGBl. I Nr. 20/2008 nicht anzuwenden.““

Artikel 6 wird wie folgt geändert:

In der Promulgationsklausel der Finanzmarktbehördenaufsichtsgesetzes wird die Be­zeichnung „BGB.“ Durch die Bezeichnung „BGBl..“ ersetzt.

Begründung:

Beseitigung eines Redaktionsversehens im § 93 Abs. 4, es wird durch Satzumstellung klargestellt, dass der für Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften gesicherte Betrag von 50 000 Euro ausschließlich für die Einlagensicherung gilt. Im § 103h
wird klargestellt, dass ab dem 1.1.2010 der Differenzbetrag zwischen 50.000 und 100.000 Euro vom BMF der Einlagensicherungseinrichtung zu ersetzen ist.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


16.45.00

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Her­ren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Im heute hier vorliegenden Banken-Paket geht es letztendlich darum, das Vertrauen und das Zu­trauen in den Finanzmarkt zu sichern, zu stärken und zu verbessern. Aber letztendlich ist das, was wir heute hier zu verhandeln haben, nichts anderes als eine Ho-ruck-Maß­nahme, die notwendig wurde, weil Feuer am Dach ist.

Wir von den Grünen haben gesagt: Ja, wir brauchen eine Stärkung des Finanzsektors, wir brauchen eine Verbesserung der Finanzmarktaufsicht!, und haben deshalb schon im Juli 2007 einen Antrag eingebracht, der genau das zum Ziel hatte, nämlich die Stär­kung der Finanzmarktaufsicht. Darin sind viele Punkte enthalten gewesen, die ganz wichtig waren: von der Qualifikation der Aufsichtsräte über die Aufgabe der Wirt­schaftsprüferInnen bis zur Organisation der Staatskommissäre und ihrem Einsatz.

Wissen Sie, was damit passiert ist? (Vizekanzler Mag. Molterer: In ein Gesetz sind sie eingeflossen! Die Finanzmarktaufsicht wurde neu gemacht!) Es ist nichts anderes pas­siert, Herr Vizekanzler und Finanzminister, als dass es abgelehnt wurde, und zwar in Bausch und Bogen, ohne es genau zu prüfen und mit einzubeziehen.

Ja, die Krise auf dem Finanzmarkt birgt die große Gefahr in sich, das sie auf die Real­wirtschaft durchschlagen wird. Und das heißt nichts anderes, als dass der Konsum in


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den Haushalten und dass die Investitionen in den Unternehmungen sinken werden. Die Frage ist jetzt: Was tun Sie denn, um das zu verhindern? Was wird von Ihnen konkret gemacht, damit das Wirtschaftswachstum in dieser Form gestärkt wird?

Wie wir alle wissen, prognostizieren sowohl das Wirtschaftsforschungsinstitut als auch das IHS sowie alle internationalen Organisationen einen Rückgang des Wirtschafts­wachstums. Die Exportwirtschaft, die in Österreich ein ganz wesentlicher Wirtschafts­faktor ist, hat zu leiden unter einem schwachen Dollarkurs, unter den Schwierigkeiten in den Ländern. Aber auch Bereiche, die sehr zukunftsträchtig sind, wie beispielsweise die Umwelttechnik, die Öko-Energie, leiden sehr stark darunter, dass es keinen Heim­markt gibt. Genau da gilt es in einem zweiten Schritt anzusetzen!

Weltweit gilt es Schritte zu setzen in Bezug auf einen Weltfinanzgipfel, auf die Reform der internationalen Organisationen, die heute schon angesprochen wurden. National gilt es Maßnahmen zu setzen, um die Unternehmen zu stärken und um insbesondere die Kaufkraft der Haushalte zu fördern.

Was haben wir momentan? – Wir haben eine große Krise auf dem Finanzmarkt. Die Kapitalmärkte sind im Wanken. Und derzeit besteht die Gefahr, dass in dieser Diskus­sion ein ganz zentrales Problem untergeht, und das ist die große Klimakrise. Wer die Zeitungen in den letzten Wochen gelesen hat, hat gemerkt, dass es da einen dramati­schen Wandel gibt, dass nämlich eine starke Erwärmung Platz greift, die eine Dynamik mit unglaublich hohen Schadenskosten erreichen wird – Schadenskosten, die uns in einem Ausmaß betreffen werden, das letztendlich über Jahre hinweg und zukünftig die heute debattierten Beträge mindestens erreichen wird.

Letztendlich geht es darum, da Schritte zu setzen, denn genau diese würden jetzt die Konjunktur stärken. Hier zu investieren heißt nichts anderes, als Arbeitsplätze genau in diesen Bereichen zu schaffen, den Menschen Geld sparen zu helfen, indem es in an­dere Bereiche fließen kann. Wichtig ist es, Heimmärkte zu sichern und die Kaufkraft zu stärken. Da geht es um eine ökosoziale Steuerreform, um endlich auch eine Entlastung des Faktors Arbeit zu erreichen. Hier überall haben Sie, Herr Finanzminister, in der vergangenen Legislaturperiode nichts getan.

Aber es gibt noch viele offene Fragen, wie etwa: Wie werden sich die Cross-Border-Geschäfte auf die staatsnahen Betriebe auswirken? Was ist mit all den dubiosen Fi­nanzgeschäften? Wie stark sind da die staatsnahen Betriebe gefährdet?

Viele Probleme sind aufgezeigt worden (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glocken­zeichen), es hat heute einen Ansatz einer Lösung für einen kleinen Bereich gegeben – aber die großen Probleme, wie etwa in der Bildungspolitik, in der Forschungspolitik, in der Steuerpolitik und in der Klimaschutzpolitik, bleiben weiterhin offen! (Beifall bei den Grünen.)

16.49


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kickl. Maximale Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


16.49.54

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Wir erleben heute im Verlauf dieser Debatte einmal mehr ein klassisches Beispiel dafür, wie eine Bundesregierung, die sich in den letzten gut zwei Jahren in etwa im Grunde genommen aufgeführt hat wie der berühmte Bock im Garten, und zwar im wirtschaftspolitischen und im finanzpolitischen Garten, weil es viele Dinge gibt, die man hätte besser machen können, und weil viele Teile dieser Kri­se hausgemacht sind, versucht, sich mit salbungsvollen Worten zum Gärtner zu ma­chen. Es ist ein klassisches Beispiel des versuchten Wandels, indem man versucht, eine Sache völlig umzudrehen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Es ist heute von einer „Feuerwehr“ gesprochen worden, die sozusagen ausrückt zu einem Einsatzort in Österreich, aber ich habe den Verdacht, wenn ich mir die Beiträge dieser rot-schwarzen Bundesregierung in den letzten beiden Jahren anschaue – und da zähle ich auch die Nicht-Beiträge dazu –, dass oben auf dem Mannschaftswagen auch viele „Brandstifter“, nämlich in Rot und Schwarz, sitzen und dass sie jetzt ausfah­ren, um einen Brand zu löschen, für den sie wesentlich mit verantwortlich sind. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich rede deshalb vom „Bock im Garten“ – den Sie ja in vie­len Bereichen geschossen haben –, weil Sie überall dort gezaudert beziehungsweise gezögert und geschlafen haben, wo wir Freiheitlichen gesagt haben, dass Sie hätten handeln sollen. Ich nenne nur ein paar Stichworte: Entlastung durch eine große Steuer­reform, Ankurbelung der Binnenkaufkraft. – Überhaupt nichts ist da passiert! Im Ge­genteil: Sie haben alle als unverantwortlich geschimpft, die das seit Jahren einfordern und die sagen, man darf doch nicht so naiv sein und glauben, dass die Schönwetter­phase der Konjunktur bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag anhält. Sie waren verantwor­tungslos – und nicht jene, die das eingefordert haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Und Sie schlafen weiter, meine Damen und Herren! Obwohl Sie wissen, dass die Ar­beitslosigkeit sich weiter massiv steigern wird, hören wir nichts von einem Zuwande­rungsstopp. Im Gegenteil: Man will weiterhin die Grenzen für die Zuwanderung aufma­chen! Das ist verantwortungslos, was Sie auch in dieser Phase aufführen, meine Da­men und Herren von Rot und Schwarz! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich rede gar nicht davon, dass Sie in Ihrer Verantwortung, obwohl Sie wissen, dass die Menschen kein Geld mehr in der Tasche haben und sich die notwendigsten Dinge im Leben nicht mehr leisten können, ja sagen zu einer massiven Erhöhung bei den Strom- und Gaspreisen und das sozusagen Ihr vorweihnachtliches Geschenk an die Pensio­nisten, Alleinerzieher und an jene Leute, die schon jetzt kein Geld mehr haben, ist. Das ist verantwortungslos! Und deswegen sind Sie die Böcke in dieser Wirtschafts- und Fi­nanzsituation! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sind es auch deshalb, meine Damen und Herren, weil Sie überall dort Gas gege­ben haben, weil es Ihnen überall dort nicht schnell genug hat gehen können, weil Sie dort draufgedrückt haben, wo Sie hätten bremsen sollen und wo Sie hätten behutsam vorgehen müssen. Und da sage ich Ihnen nur – da gibt es ein Stichwort dafür –: Das ist Ihr blindwütiger neoliberaler Kurs!

An dieser Stelle wende ich mich insbesondere an die Damen und Herren von der ÖVP, die sich ja so gerne auf die Brust klopft, wie wir alle wissen, und ihre Wirtschaftskom­petenz bei jeder Gelegenheit herausstreicht: Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, ganz inständig, auch um der Wahrheit willen, mit dem Begriff „Wirt­schaftskompetenz“ entweder in Zukunft sehr viel vorsichtiger umzugehen, zurückhal­tender umzugehen oder zumindest dazuzusagen, welche Wirtschaft Sie meinen, für die Sie sich als kompetent erachten, denn die Wirtschaft, die Sie meinen, ist genau das, was wir in den letzten Jahren beziehungsweise schon seit längerer Zeit als klassi­schen neoliberalen Irrweg erkennen müssen, an dem Sie aber dogmatisch und stur festhalten, wie es der Vatikan in bestimmten Bereichen nicht besser machen könnte, wenn es um die Verteidigung von Glaubensdogmen geht. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun wende ich mich auch an die Damen und Herren von der SPÖ und möchte Ihnen sagen: Die SPÖ war ja da überall mit dabei, also ganz kann man sie da nicht aus der Schuld entlassen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich freue mich zwar, dass der Herr Klubobmann Cap ganz am Beginn der Debatte den Herrn Grasser als Symbolfigur da­für hingestellt hat – das ist schon richtig –, aber dem Herrn Grasser muss man eines zugute halten: Er hat sich offen zu dieser Ideologie bekannt! Aber Sie machen es


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sozusagen unter der roten Tuchent. Sie sind nämlich genauso neoliberal und sitzen diesem Ungeist genauso auf wie Ihre Koalitionskollegen, mit denen Sie ja bald wieder im Koalitionsbett liegen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ist es denn anderes als ein neoliberaler Kurs, wenn Sie Volksvermögen verscher­beln, wenn uns nicht einmal mehr die Straßenbahngarnituren im absolut rot regierten Wien gehören, mit denen wir täglich fahren, wenn uns die Donaukraftwerke nicht mehr gehören und wenn Stromnetze nach Amerika verscherbelt werden! Da kann man Ihnen nur gratulieren, wenn Sie jetzt zu der Einsicht kommen, dass es eigentlich besser wä­re, wenn die öffentliche Hand sozusagen den Schutzmantel über dieses Vermögen drüberhalten würde. Glaubwürdig, meine Damen und Herren von der SPÖ, ist das alles aber nicht!

Meine Damen und Herren, jetzt bringe ich – weil es auch darum geht, dass man jetzt in einer Zeit, in der die wirtschaftliche Lage eine schlechte ist, nicht weiterhin Volksvermö­gen munter verscherbelt – einen Entschließungsantrag ein, der wenigstens die ange­schlagene AUA retten soll, damit man nicht diesen Irrweg weitergeht und nicht weiter­hin Volksvermögen unter seinem Wert verschleudert.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kickl, Ing. Hofer und weiterer Abgeordneter betreffend AUA-Privati­sierung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Privatisierungsbestrebungen der Austrian Airlines so lange auszusetzen, bis sichergestellt werden kann, dass ein dem Wert des Unternehmens adäquater Privatisierungserlös erzielt werden kann.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ein letzter Satz ...

16.55


Präsident Dr. Michael Spindelegger (das Glockenzeichen gebend): Herr Kollege, nein, Ihre Redezeit ist schon überschritten! (Abg. Strache: Einen Schlusssatz, Herr Präsident!)

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Kickl, Ing. Hofer und weiterer Abgeordne­ter ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung. (Abg. Strache: Nicht einmal einen Schlusssatz! – Beifall bei der FPÖ für den das Rednerpult verlas­senden Abg. Kickl.)

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kickl, Ing. Hofer und weiterer Abgeordneter betreffend AUA-Privati­sierung

eingebracht im Zuge der Debatte über die Regierungsvorlage (682 d.B.): Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankmarktes (Interbankmarkt­stärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlassen sowie


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das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geändert werden, in der 73. Sitzung des Nationalrates am 20. Oktober 2008

Durch die aktuelle Finanzkrise und der damit verbundenen Konjunktureinbruch ist eine planmäßige Realisierung der Privatisierung zum jetzigen Zeitpunkt problematisch.

Die AUA verzeichnete aufgrund der generellen Konjunktureintrübung bereits im Sep­tember eine sinkende Gesamtauslastung. Auch in den nächsten Monaten ist mit erheb­lichen Auswirkungen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Luftfahrt­branche zu rechnen.

Der Privatisierungsprozess ist aufgrund der sich immer problematischer entwickelnden wirtschaftlichen Lage anzupassen. Aufgrund der derzeitigen Börsenbewertung würden durch eine Privatisierung der Austrian Airlines Werte vernichtet werden die eine ent­sprechende positive zukünftige Entwicklung gefährden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher den nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Privatisierungbestrebungen der Austrian Airlines so lange auszusetzen, bis sichergestellt werden kann, dass ein dem Wert des Unternehmens adäquater Privatisierungserlös erzielt werden kann.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Darmann. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte.

 


16.55.34

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Werte Zu­seherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Bevor ich im Detail, sofern es mir in diesen fünf Minuten möglich ist, jetzt auf das vorliegende innerstaatliche Aktions­paket zum Schutz der Kredit- und Versicherungswirtschaft eingehe, möchte ich auch das heute vielzitierte Beispiel des Löschfahrzeuges heranziehen und schon sagen, dass es hier wirklich um einen Löscheinsatz geht, dass es aber notwendig sein wird – und das richte ich vor allem an diese Bundesregierung, aber auch an die künftige! –, mit den internationalen Partnern dafür Vorsorge zu tragen, dass ein sicheres und sozu­sagen aus Feuerfeststoffen bestehendes Konstrukt der Finanzmärkte aufgebaut wird, das ein Übergreifen des Schwelbrandes auf eine andere Etage, auf einen anderen Raum in diesem Gebäude nicht möglich macht.

Da wird es notwendig sein – leider ist jetzt Herr Bundesminister Faymann nicht da –, dass man zum einen das grundsätzliche Übel der fehlenden Kontrolle und der fehlen­den Transparenz vor allem – aber nicht nur! – auf dem amerikanischen Finanzmarkt beseitigt und dass man zum anderen aber auch, was sehr wichtig ist, die Arbeit und die Konstrukte der internationalen Rating-Agenturen, die ja von der US-amerikanischen Seite kommen, überarbeitet, da diese ein Grundübel dafür sind, dass zurzeit das Ver­trauen beim Geldverleihen zwischen den Banken fehlt, denn eine Grundlage der Ent­scheidungen für das Geldverleihen zwischen den Banken ist natürlich das Rating der gegenüberliegenden Bank. Und wenn man sich auf dieses Rating nicht mehr verlassen kann oder auch auf das Rating des Landes, wo diese Bank positioniert ist, dann ist es


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nur logisch, dass die Banken, auch die heimischen Banken, das Problem haben, auf der einen Seite Geld zu bekommen und auf der anderen Seite Geld herzugeben. Das heißt, es wird sehr wesentlich sein, vorneweg diese Probleme anzugreifen, um in Zu­kunft zu verhindern, dass weitere Löscheinsätze notwendig sein werden.

Bundesminister Faymann hat in seiner Rede festgestellt, dass es da Konsequenzen geben muss, und er hat ebenso festgestellt, dass es international mehr Kontrolle und Transparenz geben muss. Ja, sage ich, dem kann ich nur zustimmen, nur: Herr Bun­desminister Faymann, wo immer Sie jetzt sind, Sie sind Bundesminister und damit Teil dieser Bundesregierung, deswegen reden Sie nicht, sondern handeln Sie!

Ich glaube, es ist ganz wichtig, hier festzustellen: Hier muss gehandelt werden! Wir können da nicht länger zuschauen! Es ist notwendig, international auf die Partner ein­zuwirken, auch auf große Mächte wie die Vereinigten Staaten von Amerika, hier ent­sprechende Schritte zu setzen.

Es ist aber auch sehr notwendig – und das soll auch gesagt werden –, die Aufbringung des Kapitals von 100 Milliarden €, wie sie jetzt vorgesehen ist, an entsprechende Be­dingungen zu knüpfen. Es ist als sehr positiv zu vermerken, dass diese Regierungsvor­lage, die wir hier heute diskutieren, seit gestern Abend auch entsprechende Bedingun­gen für die Kreditinstitute und Versicherungsinstitute beinhaltet. Bis gestern Abend wa­ren nämlich verschiedenste Bedingungen, auch zum Vorteil der Bürgerinnen und Bür­ger, die ja dafür haften, nicht vorgesehen. Das sei hier nochmals als sehr positiv ver­merkt. Mein Dank gilt da im Speziellen meinem Kollegen vom BZÖ Josef Bucher (Bei­fall beim BZÖ), der ganz wesentlich dazu beigetragen hat, dass diese Bedingungen in das nun vorliegende Konzept mit eingearbeitet wurden.

Diese Bedingungen sind unter anderem: eine durch dieses Schutzpaket nunmehr mög­liche Anforderungsstellung an die Kreditinstitute und Versicherungsinstitute im Bereich der geschäftspolitischen Ausrichtung, Anforderungen im Bereich der Verwendung der aufgenommenen Mittel, Anforderungen – und das ist wichtig für die Akzeptanz unter der Bevölkerung – bezüglich der Vergütung der Organe der Banken und der Versiche­rungsinstitute, Anforderungen in Richtung Eigenmittelausstattung dieser Institute, An­forderungen betreffend die Ausschüttung der Dividenden, Anforderungen in Bezug auf die Erhaltung der Arbeitsplätze in begünstigten Kreditinstituten und Versicherungsinsti­tuten, Anforderungen bezüglich der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und natürlich auch das Einfordern von entsprechenden Rechenschaftsberichten von Seiten dieser Institute.

Das heißt, wenn wir 100 Milliarden € für die Kreditwirtschaft und für die Versicherungs­wirtschaft zur Verfügung stellen, dann kann das nur gehen, wenn man entsprechende Maßnahmen setzt und entsprechende Bedingungen stellt, die natürlich auch zum Vor­teil der Bürgerinnen und Bürger gereichen. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

17.00


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Meine Damen und Herren, die Fernsehdirekt­übertragung ist somit beendet. Mir liegen aber noch zwei Wortmeldungen vor: Als Ers­te gelangt Frau Abgeordnete Tamandl zu Wort.

Wünschen Sie, dass ich Ihnen eine Redezeit einstelle? – 5 Minuten. Bitte, Frau Kollegin.

 


17.00.49

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich mei­ne, dass es eigentlich schade ist, dass die Fernsehübertragung jetzt endet, und zwar nicht deshalb, weil ich so scharf darauf bin, noch in der Fernsehübertragungszeit zu re­den, sondern deswegen, weil wahrscheinlich viele der Zuseher und Zuhörer heute gar


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nicht gewusst haben, in welche Richtung sich das Gesetz bewegt, das zwar ihre Spar­einlagen sichern soll und von dem alle Parteien immer wieder sagen, dass sie einer Meinung sind und dieses Gesetz eine breite Mehrheit finden wird, in Zusammenhang mit welchem viele aber auch ganz andere Dinge gesagt haben.

So hat beispielsweise Herr Kickl von allem Möglichen geredet. Herr Kollege Kickl! Wenn Sie davon reden, dass die Wirtschaftskompetenz bei uns mangelhaft sein soll, dann möchte ich Ihnen empfehlen, das Wort „Wirtschaftskompetenz“ lieber nicht in den Mund zu nehmen, denn Sie können es nicht einmal schreiben, wie Sie es uns heute sehr gut dargestellt haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.).

Frau Kollegin Lichtenecker, Sie haben uns hier erklärt, was Sie sich nicht alles erwar­ten. Sie haben unter anderem gefordert: Wir brauchen eine Steuerreform beziehungs­weise eine ökosoziale Steuerreform! – Ich glaube, Sie haben vergessen, dass wir Na­tionalratswahlen hatten und dass die jetzige Regierung nur mehr bis zur Angelobung der nächsten Regierung im Amt ist! (Zwischenruf des Abg. Strache.) Wollen Sie dieser neuen Regierung vorgreifen? Sollen wir heute wieder wie am 24. September alles Mögliche sozusagen wie Kraut und Rüben beschließen? Ich glaube, das wäre eine An­maßung, und das sollten wir uns nicht erlauben!

Zum vorliegenden Gesetz, das wir heute, wie ich hoffe, einstimmig beschließen wer­den: Viele von Ihnen haben gesagt, dass wir jetzt 100 Milliarden € ausgeben können, während es sonst immer von unserer Seite her heißt, dass wir kein Geld für Steuerre­formen haben. – Dazu möchte ich erstens festhalten, dass wir noch gar nicht wissen, welche Haftungen überhaupt definitiv schlagend werden. Momentan ist – wenn man von der Sache mit der Constantia absieht, die jetzt anderweitig geregelt wird – gar nicht sicher, wie viele Milliarden beziehungsweise Millionen überhaupt schlagend werden.

Außerdem müssen wir doch – das entgegne ich, weil jetzt immer wieder alles schlecht­geredet wird – wirklich froh darüber sein, dass die kleinen Sparer, die Häuselbauer und die Leute, die sich Eigentumswohnungen mit Krediten finanziert haben, jetzt sicher sein können, dass einerseits ihre Kredite nicht sofort fällig gestellt werden und anderer­seits ihre Spareinlagen sicher sind und sie das Geld nicht verlieren! Es gibt nämlich auch sehr viele, die konservativ angelegt haben und nicht auf dem Aktienmarkt oder
in Fonds investiert haben, und es ist richtig, dass wir jetzt die Einlagen dieser Sparer sichern.

Ich halte es auch für notwendig, dass wir für die Personengesellschaften und für die kleinen Kapitalgesellschaften die Einlagen sichern, denn immerhin haben 90 Prozent aller österreichischen Unternehmen weniger als 20 Mitarbeiter und wir somit dadurch auch Arbeitsplätze erhalten, indem wir diesen Unternehmen das Geld sichern, das sie sich für irgendwelche Investitionen auf die Seite gelegt haben.

Andererseits müssen wir aber natürlich auch dafür Sorge tragen, dass die Unterneh­men leichter zu Krediten kommen, was hoffentlich bald mit einem Konjunkturpaket in Angriff genommen werden wird. Ich kann Ihnen das aus der Praxis berichten: Es gibt Unternehmen, die zehn bis 20 Mitarbeiter haben und dringend 20 000, 50 000 oder 80 000 € brauchen würden, die aber keinen Kredit bekommen, weil sich alle Banken auf Basel II berufen. Wir haben das heute schon mehrmals gehört: Amerika hat uns das aufs Auge gedrückt, sie setzen es aber nicht einmal selbst um. Das heißt, hier muss etwas geschehen. Wir brauchen entsprechende Konjunkturpakete, um den Un­ternehmen zu neuem Kapital zu verhelfen. Das ist notwendig.

Einige Ihrer KollegInnen haben gesagt, dass wir von der ÖVP diejenigen sind, die im­mer wieder die erste Säule im Pensionssystem zerstören und gegen die zweite und dritte Säule einwechseln wollten. – Das eine schließt das andere nicht aus! Wenn je­mand private Vorsorge trifft, dann ist das sehr gut. Das werden Sie doch nicht schlecht-


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reden wollen! Wir haben uns aber auch immer für die staatliche Säule ausgesprochen! Und ich frage die Herrschaften, die im Jahr 2003 nicht für die Pensionssicherungsre­form gestimmt haben, wie Pensionen ohne Reformen denn sicher sein sollen, wenn dann die Pensionsbeiträge irgendwann einmal explodieren. Daher ist es notwendig und wichtig, bei der Bevölkerung Vertrauen zu bilden.

Zum Schluss möchte ich noch einen legendären Banker zitieren, nämlich den ehemali­gen Chef der Creditanstalt, Heinrich Treichl, der in diesen Tagen 95 Jahre geworden ist. Ihm wurde bei einem „Format“-Interview die Frage gestellt: „Müssen aus Ihrer Sicht die Banken wieder konservativer werden?“

Heinrich Treichl beantwortete diese Frage bemerkenswerterweise mit den Worten: „Ja, eine Bankführung soll konservativ sein, Angst vor Neuerungen haben und wenig prot­zen. Die amerikanischen Banken sind zum Teil nicht sehr gut geführt gewesen. Dort ist man ständig auf der Suche nach etwas Neuem. Und im Bankwesen ist diese Neigung eine Gefahr.“  

Ich glaube, unsere Banken in Österreich gehen sehr seriös mit dem Geld der Sparer um. Außerdem ist auch ihr Vorgehen bei der Kreditvergabe sehr seriös. Wir werden mit dem heutigen Paket eine Absicherung gegen drohende Verluste vornehmen, und das ist gut so im Sinne der Bevölkerung und im Sinne der Klein- und Mittelbetriebe. (Beifall bei der ÖVP.)

17.06


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die vorläufig letzte Wortmeldung in dieser De­batte liegt von Herrn Abgeordnetem Mag. Stadler vor. Gewünschte Redezeit: 10 Minu­ten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.07.09

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Klubobmann Dr. Schüssel hat sei­nen Debattenbeitrag mit der Bemerkung beendet, dass er heute mit Bauchweh zustim­me. – Ich glaube, so geht es heute allen!

Ich hatte ursprünglich vor, meinem Bauchweh insofern freien Lauf zu lassen, als ich in dritter Lesung nicht zustimme, um sozusagen nicht einen Krampf daraus zu machen. Ich werde jetzt allerdings das, was heute zu beschließen ist, auch in dritter Lesung mit­tragen, weil es nämlich einfach keine Alternative dazu gibt.

Meine Damen und Herren, wir sind in einer Situation, die für den Staat nicht angenehm ist. Das Parlament wird in dieser Situation praktisch von dieser Bankenmacht bereits an die Wand gedrückt. Das ist, wie gesagt, nicht angenehm, und ich hege die Befürch­tung, dass sich daran nichts ändern wird, und zwar auch nicht durch die Befristungen, Herr Klubobmann! Wenn die Befristungen auslaufen, werde ich mir anschauen, ob dann tatsächlich Rückzahlungen stattfinden oder nicht doch die nächsten Begehrlich­keiten kommen. Man wird Haftungsverlängerungen anstreben, weil man sich Rückzah­lungen nicht leisten kann. Es wird weitergehen, meine Damen und Herren, es wird nicht zu Ende sein!

Mit dem, was wir heute beschließen, gehen wir einen völlig neuen Weg der Absiche­rung und der Gestion der Banken in Österreich. Es wird zwar international wahrschein­lich nicht viel anders laufen, aber es ist das jedenfalls ein völlig neuer Weg, der den Steuerzahler, der heute schon mehrfach beschworen wurde, in die Pflicht nimmt. Und wer ist dieser Steuerzahler, meine Damen und Herren? – Es ist der Mittelstand, es sind jene, die wirklich noch Steuern zahlen! Diese Leute tragen die Hauptlast.

Daher hatten alle Debattenredner heute recht, die gesagt haben, dass diese Steuer­zahler als Nächste dafür entlastet werden müssen, dass sie dauernd zur Kasse gebe-


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ten werden und jetzt auch noch die Haftungslast dafür übernehmen müssen, dass
sie Kredite, die sie auch teuer bezahlen müssen, von den Banken überhaupt noch be­kommen.

Herr Klubobmann Schüssel, 100 Milliarden € sind ein gewaltiges Volumen. Mir ist kaum ein Land geläufig, das ein Drittel seines Bruttoinlandproduktes dafür einsetzt, das Standing seiner Banken zu verbessern!

Ich versetze mich jetzt einmal in die Lage des Herrn Elsner in der Haftanstalt. Er wird sich fragen: Wieso habe ich nicht länger durchgehalten? Hätte ich es noch zwei Jahre ausgehalten, dann würde man für mich heute Haftung übernehmen. Wozu sitze ich in der Haftanstalt? (Beifall beim BZÖ.)

Ich bewundere die SPÖ, dass sie nicht der Versuchung erlegen ist, gleich einen Ent­haftungsantrag mitzubeschließen. Ich hätte zugestimmt! Es erhebt sich nämlich die Frage nach der Sinnhaftigkeit dessen, meine Damen und Herren, dass Elsner für et­was angeklagt wurde und nun sitzt, während andere in einer vergleichbaren Situation frei herumlaufen und es sich es auch noch verbessern können!

Meine Damen und Herren, wir erleben heute zum ersten Mal, dass die Bankenmacht des Landes voll spürbar wird. Dem Vertreter des Souveräns und dem Vertreter des Steuerzahlers wird klar gemacht, welche Macht Banken haben. Wir können es uns gar nicht leisten, Banken in Krisen schlittern zu lassen.

Meine Damen und Herren, wie wir aber damit umgehen, darüber gehen die Auffassun­gen auseinander. Ich sage es noch einmal, Herr Klubobmann Schüssel: Ich werde in dritter Lesung zustimmen. Ich merke jedoch an, dass mir nicht wohl dabei ist, wenn in Zukunft über die Kontrollbank entschieden wird, wem eine Haftung gewährt wird und wem nicht. Dadurch entsteht ein neuer Lombardclub durch die Hintertür. Günter, es ist so! Dort wird entschieden, wer dabei ist und wer nicht. Und es wurde ja auch probiert: Man wollte ursprünglich nur jenen eine Haftung gewähren, die selbst mit einem Anteil an dieser Bank beteiligt sind. (Abg. Dr. Stummvoll: Der Lombardclub ist aber schon etwas anderes!) Das wissen wir auch! Aber die Absprachen, die dort in Zukunft stattfin­den werden, sind nicht unerheblich. Das, was dort stattfinden wird, ist nicht mehr uner­heblich, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Das beinhaltet eine eindeutige Verzerrung des Wettbewerbsrechtes und des Vergabe­rechtes. All diese Posten werden nämlich europaweit sicherlich nicht ausgeschrieben werden. All das wird nicht geschehen, sondern all das wird in Zukunft im Lombardclub neuer Art gemauschelt werden, und wir werden nur mehr zuschauen können, jedoch keine Möglichkeiten haben, dort Einfluss zu nehmen, und zwar auch nicht mehr über die ÖIAG. Herr Klubobmann Schüssel! Jetzt rächt sich die Verselbständigung der ÖIAG ein bisschen! Wir haben sie vielleicht zu weit von uns weg gelassen! Daher müs­sen wir uns überlegen, doch verstärkt zu versuchen, die Töchter der ÖIAG und die ÖIAG selbst wieder unter staatliche Kontrolle beziehungsweise Aufsicht zu nehmen.

Die Aufsicht hat jedenfalls gelitten. Ich war früher auch dafür, heute bin ich jedoch skeptischer, was diese Entlassung aus der Staatsaufsicht anbelangt.

Meine Damen und Herren! Ich bin – um mit Klubobmann Schüssel weiter zu spre­chen – sicherlich kein Etatist und schon gar kein Protektionist. Aber man muss nicht Etatist oder gar Protektionist sein, um der Aufsicht das Wort zu reden! Kontrolle ist nämlich weder Etatismus noch Protektionismus! Und an der Kontrolle, meine Damen und Herren, fehlt es auch in diesem Gesetzentwurf eindeutig, was ich sehr bedaure. Ich nehme an, dieses Gesetz wird in absehbarer Zeit schon zu novellieren sein, damit die Kontrolle ausgeweitet wird.

Ich hätte mir gewünscht, dass jenes Organ des Staates, das die Budgethoheit hat, auch eine Mitwirkung bei der Frage der Haftungsgewährung hat. Wir haben dieses Mo-


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dell eines Mitwirkungsausschusses nach deutschem Muster vorgeschlagen. Dieses wurde jedoch abgelehnt. Ich bin jedoch überzeugt, meine Damen und Herren, dass es früher oder später ohne Mitwirkung des Parlaments nicht mehr gehen wird! Der Steuer­zahler wird nämlich irgendwann einmal nicht mehr mitmachen. Es wird über kurz oder lang nicht gehen, wenn man nicht ganz rigoros die Haftung der Bankmanager, vor al­lem aber auch der Fondsmanager wirklich stark erhöht und klar sagt, dass hier auch ein Austausch stattzufinden hat. Das muss in Zukunft eine Bedingung für Haftungs­übernahmen und Haftungsgewährungen sein. Außerdem muss man sich auch darüber im Klaren sein, dass die Finanzmarktaufsicht in Zukunft noch viel stärker auch zu einer Bilanzaufsicht werden muss.

Wir haben im Banken-Untersuchungsausschuss das Versagen der Wirtschaftsprüfer, die sich dann abgeputzt haben, festgestellt. Und die Judikatur gibt ihnen auch noch recht. Es ist zu befürchten, dass wir werden erleben müssen, dass die Banken über­haupt nicht daran denken, die „Hose herunterzulassen“ und zu sagen, wie sie interna­tional verflochten sind. Wenn ich bedenke, wie weit das geht, dann wird mir unwohl! Mein Bauchweh steigt minütlich!

Herr Kollege Auer, ich glaube Ihnen schon, dass die Raiffeisen Bankengruppe Oberös­terreich nicht wirklich tief drinnen steckt! Das wird Ihnen Herr Scharinger sicherlich rich­tig berichtet haben! Aber ist das bei Raiffeisen International auch so? – Ich habe meine Zweifel daran! Ich habe kein gesichertes Wissen, aber ich habe meine Zweifel daran! Ich hege die Befürchtung, dass von diesen Haftungen, die jetzt im Raum stehen, aber nie in Anspruch genommen werden sollen, leider mehr in Anspruch zu nehmen sein wird, als wir alle erwarten oder befürchten!

Ich habe die Sorge, dass einige Banken viel tiefer in der Misere stecken, als sie uns gegenüber zugeben! Vor fünf Wochen hätte kein Mensch in Island gesagt, dass der Staat in Kürze bankrott sein wird. Seit einer Woche wissen wir, dass es sich so verhält! Das wäre noch vor einigen Wochen undenkbar gewesen! – Wir begeben uns also auf ein für den Gesamtstaat unglaublich gefährliches Terrain, und wir haben keine Alterna­tive dazu. Das macht die Brutalität des Vorganges aus!

Zumindest sollten wir aber wissen, mit wem wir es zu tun haben, und daher müsste auch die gesamte internationale Verflechtung offengelegt werden. Ich glaube, wir wer­den in Zukunft ohne Offenlegung der internationalen Verflechtungen keine Haftungs­übernahmen mehr akzeptieren können!

Es gibt zwar einen diesbezüglichen Ansatz in dieser Kann-Bestimmung, ich meine aber, man sollte auch gewährleisten, dass der Mittelstand endlich etwas davon hat, dass eine eigene Mittelstandsfinanzierung stattfindet. Ich hatte vor einigen Wochen eine Diskussion mit Kollegen Donabauer. Damals hat er noch gesagt, dass es undenk­bar ist, dass der Staat Haftungen für mittelständische Unternehmen in Form einer Gründungshilfe übernimmt. – Heute höre ich vom designierten Parteiobmann Josef Pröll, dass er zumindest doch daran denkt, das zu machen. Das ist ein Gebot der Stun­de, meine Damen und Herren! Wenn wir für Banken bereits Haftungen in Milliardenhö­he übernehmen, dann müssen wir auch bereit sein, jenen, die noch ein Unternehmen gründen wollen, beim Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit mit einer Haftung unter die Arme zu greifen.

Meine Damen und Herren, es ist schon in Ordnung, dass „better government“ ange­sagt ist, aber: Es muss auch Transparenz und Kontrolle bei der Umsetzung dieses „better government“ geben!

Außerdem ist auch zu überlegen, wie man die Leerverkäufe wirklich abstellt. Ich habe einen Vorschlag dazu. Ich habe heute viel über die Leerverkäufe gehört, und ich schla­ge Ihnen vor, dass in Zukunft nur mehr Leerverkäufe möglich sein sollen, wenn die Ak-


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tienpakete bei der Bank physisch vorliegen. Herr Kollege Stummvoll, das ist eine einfa­che Lösung! Nur dann, wenn gewährleistet und bestätigt ist, dass die Aktien physisch vorliegen ... (Abg. Dr. Stummvoll: Dann sind es keine Leerverkäufe mehr!) Ja. Damit wäre dann der Leerverkauf abgestellt! Derzeit finden diese Leerverkäufe aber nach wie vor statt, meine Damen und Herren! Wir wollen, aber können diese nicht abstellen.

Erkundigen Sie sich doch an der Wiener Börse! Die Leerverkäufe gehen weiter. In dem Moment, in dem jedoch das Aktienpaket physisch vorliegen muss, ist der Leerverkauf kein Leerverkauf mehr!

Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist hoch an der Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie man die Banken wieder stärker unter Kontrolle nimmt und Transparenz herstellt. Sicher ist nämlich: Die neue Zusammensetzung dieses Hauses gibt Möglich­keiten, die den Banken nicht recht sein können, wenn sie sich gegen Kontrolle wehren. Ich habe mit einem der Autoren dieses Gesetzes gesprochen. Wenn der Bankensektor sich weiter gegen Kontrolle und Transparenz wehrt, dann wird dieses Haus Möglichkei­ten haben, trotzdem Kontrolle herzustellen, und zwar mit Untersuchungsausschüssen und mit Sonderprüfungsaufträgen an den Rechnungshof, meine Damen und Herren. Das ist zwar ein Kratzen an die Hintertüre, aber das ist unangenehm. Wenn das die Banken lieber haben, dann sei ihnen von hier aus gesagt: Wenn sie nicht bereit sind, offenzulegen und Transparenz herzustellen, dann wird dieses Haus sich dagegen weh­ren können, dass man uns nur an der Gurgel nimmt, Haftungen oktroyiert und ansons­ten nicht einmal sagt, wofür und für wen wir genau haften, meine Damen und Herren!

Ich bin jetzt wieder beim Bauchweh des Kollegen Schüssel, und so schwer es mir auch trotz meines Bauchwehs fällt: Ich werde heute in dritter Lesung zustimmen, weil ich nicht möchte, dass unsere Wirtschaft durch die rigorose Weigerung des Parlaments, mitzuwirken, Schaden leiden könnte. Es sei aber allen gesagt: Wenn man glaubt, die­ses Parlament weiterhin in Geiselhaft nehmen zu können, dann täuscht man sich! Die­ses Parlament hat Möglichkeiten, sich zu wehren! (Beifall beim BZÖ.)

17.18


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zu den Abstimmungen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 683 der Beilagen.

Hiezu liegen folgende Anträge und Verlangen vor: Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsanträge der Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen, ein Abänderungs­antrag der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Krainer, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Mag. Rossmann, Kolleginnen und Kollegen zum Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich werde nun über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsan­trägen sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile der Syste­matik des Gesetzentwurfes entsprechend abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 § 1 Abs. 4 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Abänderungsantrag ausspre­chen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über Artikel 1 § 1 Abs. 4 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche all jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit angenommen.


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Wir gelangen nun zur getrennten Abstimmung über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Artikels 1 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit angenommen.

Die Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen haben weiters einen Abände­rungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel 2 § 2 Abs. 5 des Gesetzentwurfes be­zieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür eintreten, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit angenommen.

Weiters haben die Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzan­trag eingebracht, der die Einfügung eines neuen Absatzes 6 in Artikel 2 § 2 vorsieht.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Artikels 2 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Stumm­voll, Krainer, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist Einstimmigkeit. Der Ge­setzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 683 der Beilagen als Anlage 1 angeschlossene Entschließung betreffend Gleichstellung der Anleihen im Direktbestand und in Fonds.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist die Mehrheit. Damit angenommen. (E 115.)

Nun kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 683 der Beilagen als Anlage 2 angeschlossene Entschließung betreffend Neuausgestaltung einer leis­tungsfähigen Anlegerentschädigung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 116.)

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Mag. Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutzbrief für private (Fremd)währungskreditnehmerInnen und KMU/EPU-Sicherungspaket zur Überbrü­ckung der Folgen der Finanzkrise.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Cross Border Leasing.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend strafrechtliche Verantwortlichkeit krimi­neller Bank- und Finanzdienstleistungsmanager.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Managergehälter und -haftung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Themessl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die aufgrund der Finanzkrise zwingend notwendig gewordene Entlastung der österreichischen Bürger und Unternehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Daher abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung der Börsenum­satzsteuer.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gradauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend notwendige Änderungen im Pensions­kassengesetz aufgrund der Finanzkrise.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend AUA-Privatisierung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Damit abgelehnt.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

17.24.54 Beschluss auf Beendigung der außerordentlichen Tagung 2008

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Es liegt mir folgender Antrag vor:

„Der Herr Bundespräsident wird ersucht, die außerordentliche Tagung 2008 der XXIII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates mit Schluss der 75. Sitzung für been­det zu erklären.“


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Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

17.25.15 Verlesung des Amtlichen Protokolls

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ferner liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Abgeordneten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls zu verlesen, damit dieses mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt. Dadurch soll die umgehende Beschlussausfertigung ermöglicht werden.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr das Amtliche Protokoll:

„Hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 1 wird gemäß § 44 Abs. 2 GOG einstimmig – also mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit – beschlossen, von der 24-stündigen Aufliegefrist des Ausschussberichtes Abstand zu nehmen.

Es liegt ein Antrag auf Beendigung der außerordentlichen Tagung 2008 der XXIII. GP des Nationalrates mit Schluss der 75. Sitzung (Beilage I/1) vor.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung (Beilage I/2) vor.

Es liegt das Verlangen auf Verlesung des Amtlichen Protokolls der 75. Sitzung des Na­tionalrates (Beilage I/3) vor.

TO-Punkt 1: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (682 der Bei­lagen): Bundesgesetz, mit dem ein Interbankmarktstärkungsgesetz und ein Finanz­marktstabilitätsgesetz erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz, das Bankwesengesetz und weitere Gesetze geändert werden (683 der Beilagen)

Die Abgeordneten Mag. Rossmann, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschlie­ßungsantrag Beilage 1/1 EA ein.

Die Abgeordneten Dr. Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschlie­ßungsantrag Beilage 1/2 EA ein.

Die Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungsan­trag Beilage 1/3 EA ein.

Die Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen bringen den Abänderungsantrag Beilage 1/4 ein ...

Die Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungs­antrag Beilage 1/5 EA ein.

Die Abgeordneten Themessl, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungs­antrag Beilage 1/6 EA ein.

Die Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungs­antrag Beilage 1/7 EA ein.

Die Abgeordneten Gradauer, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungsan­trag Beilage 1/8 EA ein.

Die Abgeordneten Dkfm. Dr. Stummvoll, Krainer, Kolleginnen und Kollegen bringen den Abänderungsantrag Beilage 1/9 ein ...

Die Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungsantrag Beilage 1/10 EA ein.

Abstimmung:

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 683 der Beilagen unter Be­rücksichtigung des Abänderungsantrages Beilage 1/9 in zweiter Lesung in getrennter


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Abstimmung teils einstimmig, teils mit wechselnden Mehrheiten (dafür S, V, B; S, V, F; S, V, G, B bzw. S, V, G, B, Mag. Stadler) und in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Der Abänderungsantrag Beilage 1/4 wird in getrennter Abstimmung abgelehnt (dafür F, B, Mag. Stadler bzw. G, F, B, Mag. Stadler).

Die dem Ausschussbericht 683 der Beilagen angeschlossene Entschließung (Anla­ge 1) wird mehrstimmig (dafür S, V, F, B, Mag. Stadler) angenommen.

Die dem Ausschussbericht 683 der Beilagen angeschlossene Entschließung (Anla­ge 2) wird einstimmig angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 1/1 EA wird abgelehnt (dafür G, F, B, Mag. Stadler).

Der Entschließungsantrag Beilage 1/2 EA wird abgelehnt (dafür G, F, B, Mag. Stadler).

Der Entschließungsantrag Beilage 1/3 EA wird abgelehnt (dafür F, B, Mag. Stadler).

Der Entschließungsantrag Beilage 1/5 EA wird abgelehnt (dafür G, F, B, Mag. Stadler).

Der Entschließungsantrag Beilage 1/6 EA wird abgelehnt (dafür F).

Der Entschließungsantrag Beilage 1/7 EA wird abgelehnt (dafür G).

Der Entschließungsantrag Beilage 1/8 EA wird abgelehnt (dafür G, F, B, Mag. Stadler).

Der Entschließungsantrag Beilage 1/10 EA wird abgelehnt (dafür F).

Auf Antrag der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Schüssel, Dr. Van der Bellen, Strache, Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen fasst der Nationalrat einstimmig nachste­henden Beschluss:

,Der Herr Bundespräsident wird ersucht, die außerordentliche Tagung 2008 der XXIII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates mit Schluss der 75. Sitzung für been­det zu erklären.’

Es liegt ein Verlangen gemäß § 51 Abs. 6 GOG von 20 Abgeordneten vor, das Amtli­che Protokoll der 75. Sitzung zu verlesen (Beilage I/3).“

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Amtlichen Pro­tokolls? – Das ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsordnung mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

17.29.11 Einlauf

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Anfragen 5056/J bis 5065/J eingelangt sind.

*****

Die Sitzung ist geschlossen.

17.29.21Schluss der Sitzung: 17.29 Uhr

 

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