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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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784. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 6. Mai 2010

 

 


Stenographisches Protokoll

784. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 6. Mai 2010

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 6. Mai 2010: 9.03 – 16.01 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutz­gesetz geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung in Insolvenzordnung umbenannt und gemeinsam mit dem Insolvenzrechtseinführungsgesetz, dem Gerichtsgebührenge­setz, dem Gerichtlichen Einbringungsgesetz, dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, dem IEF-Service-GmbH-Gesetz, dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, dem Landarbeitsgesetz 1984 und der Gewerbeordnung 1994 geändert wird sowie die Aus­gleichsordnung aufgehoben wird (Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 – IRÄG 2010)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert, ein Bundesgesetz über Verbraucherkreditverträge und andere Formen der Kreditierung zu Gunsten von Verbrauchern (Verbraucherkreditgesetz – VKrG) erlassen sowie das Kon­sumentenschutzgesetz, das Bankwesengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Investmentfondsgesetz, das Zahlungsdienstege­setz, die Gewerbeordnung 1994 und das Maklergesetz geändert werden (Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz – DaKRÄG)

4. Punkt: Bericht gemäß § 29a Abs. 3 StAG über die im Jahr 2009 erteilten Weisun­gen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Verfahren beendet wurde

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Energie-Regulierungsbehördengesetz geändert wird

6. Punkt: Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Albrecht Konecny, Peter Mitterer, Stefan Schennach, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­verfassungsgesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrags von Lissabon das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz, mit dem besondere Bestimmun­gen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mitglieder des Euro­päischen Parlaments 2009 zu vergebenden Mandaten durch die Bundeswahlbehörde erlassen werden, geändert werden (Lissabon-Begleitnovelle) (180/A-BR/2010)

7. Punkt: Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Peter Mitterer, Mag. Harald Him­mer, Stefan Schennach, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung


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der Geschäftsordnung des Bundesrates (Übergangsbestimmungen betreffend die Sub­sidiaritätsprüfung) (181/A-BR/2010)

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Staates Katar zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuer­umgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ........ 29

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit Rumänien zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 30. März 2005 unterzeichne­ten Abkommens zwischen der Republik Österreich und Rumänien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Ge­biete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll, BGBl. III Nr. 29/2006                     29

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit Zypern zum Ab­schluss eines Protokolls zur Abänderung des am 20. März 1990 unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Zypern zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll, BGBl. Nr. 709/1990 ........................................................................................ 30

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit Slowenien zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 1. Oktober 1997 unterzeich­neten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowe­nien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. III Nr. 4/1999 idF BGBl. III Nr. 126/2007                                                                              30

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der Isle of Man zum Abschluss eines Abkommens über den Auskunftsverkehr in Steuersachen                                                                                                     31

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit Jersey zum Ab­schluss eines Abkommens über den Auskunftsverkehr in Steuersachen ................................................................................................................. 31

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über wis­senschaftlich-technische Zusammenarbeit durch den Herrn Bundespräsidenten           32

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit Vietnam zum Ab­schluss eines Protokolls zur Abänderung des am 2. Juni 2008 unterzeichneten Ab­kommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Republik Vietnam zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur


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Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men und vom Vermögen samt Protokoll und Annex, BGBl. III Nr. 135/2009 ........................................................................................ 33

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und St. Lucia über den Auskunftsaustausch in Steuersachen ............................................................................ 34

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Änderung des Vertra­ges zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit und die zweite Ergänzung des Europäischen Über­einkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen durch den Herrn Bundespräsidenten ......................................................... 34

Schreiben des Bundeskanzlers Werner Faymann gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bun­des-Verfassungsgesetz betreffend Nominierung der österreichischen Mitglieder in den Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU          ............................................................................................................................... 36

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 88

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9

Aktuelle Stunde (2.)

Thema: „Herausforderungen und Chancen im Pflegebereich“ ............................... 9

Redner/Rednerinnen:

Reinhard Todt ......................................................................................................... ....... 9

Mag. Michael Hammer ............................................................................................ ..... 11

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ..... 14

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ..................................................................  16, 26

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 19

Monika Kemperle .................................................................................................... ..... 21

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 22

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 24

Peter Zwanziger ...................................................................................................... ..... 25

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 28

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ............................................................. 37

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 38

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 38


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Dringliche Anfrage

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kolle­gen an den Bundesminister für Finanzen betreffend desaströse Finanzsituation der Gemeinden (2752/J-BR/2010)                  88

Begründung: Monika Mühlwerth .................................................................................. 88

Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka ......................................................................... 91

Debatte:

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 97

Georg Keuschnigg ................................................................................................. ... 102

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ... 104

Cornelia Michalke ................................................................................................... ... 108

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 110

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ... 111

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg ...................................................................... ... 113

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz geändert wird (649 d.B. und 663 d.B. sowie 8307/BR d.B.) ................................................................................................................. 39

Berichterstatterin: MMag. Barbara Eibinger ................................................................ 39

Redner/Rednerinnen:

Waltraut Hladny ............................................................................................................ 39

Ferdinand Tiefnig ..................................................................................................  40, 46

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 41

Wolfgang Sodl ......................................................................................................... ..... 42

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 43

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 44

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 47

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ..... 48

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 49

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2010 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Konkursordnung in Insolvenzordnung umbenannt und gemein­sam mit dem Insolvenzrechtseinführungsgesetz, dem Gerichtsgebührengesetz, dem Gerichtlichen Einbringungsgesetz, dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, dem IEF-Service-GmbH-Gesetz, dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, dem Landarbeitsgesetz 1984 und der Gewerbeordnung 1994 geändert wird sowie die Ausgleichsordnung aufgehoben wird (Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 – IRÄG 2010) (612 d.B. und 651 d.B. sowie 8302/BR d.B. und 8304/BR d.B.) ................................................................................... 49

Berichterstatterin: Mag. Muna Duzdar .......................................................................... 49

Redner/Rednerinnen:

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 49

Maria Mosbacher ..................................................................................................... ..... 51

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ..... 52

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner ............................................... ..... 53

Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 54

Wolfgang Beer ........................................................................................................ ..... 55


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Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 56

MMag. Barbara Eibinger ........................................................................................ ..... 58

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 59

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 60

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2010 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert, ein Bundes­gesetz über Verbraucherkreditverträge und andere Formen der Kreditierung zu Gunsten von Verbrauchern (Verbraucherkreditgesetz – VKrG) erlassen sowie das Konsumentenschutzgesetz, das Bankwesengesetz, das Versicherungsaufsichts­gesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Investmentfondsgesetz, das Zahlungsdienstegesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Maklergesetz geän­dert werden (Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz – DaKRÄG) (650 d.B. und 652 d.B. sowie 8303/BR d.B. und 8305/BR d.B.)                  60

Berichterstatter: Günther Kaltenbacher ...................................................................... 60

Redner/Rednerinnen:

Kurt Strohmayer-Dangl .......................................................................................... ..... 61

Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. ..... 62

Reinhard Jany ......................................................................................................... ..... 63

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner ............................................... ..... 64

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 64

4. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Justiz gemäß § 29a Abs. 3 StAG über die im Jahr 2009 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegen­de Verfahren beendet wurde (III-389-BR/2010 d.B. sowie 8306/BR d.B.) ....................................................................................................... 65

Berichterstatter: Günther Kaltenbacher ...................................................................... 65

Redner/Rednerinnen:

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner ..............................................  65, 69

Josef Kalina .................................................................................................................. 66

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 69

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 70

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 70

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-389-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 71

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2010 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Energie-Regulierungsbehördengesetz geändert wird (474 d.B. und 524 d.B. sowie 8308/BR d.B.)                            72

Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 72

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 72

Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ..... 73

Stefan Schennach (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 74

Johann Kraml ............................................................................................................... 75

Peter Zwanziger ...................................................................................................... ..... 76

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................... ..... 76

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss


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des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen.................................................................. 77

6. Punkt: Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Albrecht Konecny, Peter Mit­terer, Stefan Schennach, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrags von Lissa­bon das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz, mit dem besondere Bestimmungen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments 2009 zu vergebenden Manda­ten durch die Bundeswahlbehörde erlassen werden, geändert werden (Lissabon-Begleitnovelle) (180/A-BR/2010 sowie 8309/BR d.B.) ...... 78

Berichterstatter: Georg Keuschnigg ............................................................................ 78

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 79

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 79

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 81

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat den dem schriftlichen Ausschussbericht angeschlossenen Gesetzes­vorschlag zu unterbreiten                     85

7. Punkt: Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Peter Mitterer, Mag. Harald Himmer, Stefan Schennach, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (Übergangsbestimmungen be­treffend die Subsidiaritätsprüfung) (181/A-BR/2010 sowie 8310/BR d.B.)              ............................................................................................................................... 85

Berichterstatter: Georg Keuschnigg ............................................................................ 85

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 85

Mag. Harald Himmer ............................................................................................... ..... 86

Annahme des Antrages des Berichterstatters, der dem schriftlichen Ausschuss­bericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen      ............................................................................................................................... 87

Eingebracht wurden

Anträge der Bundesräte

Gottfried Kneifel, Albrecht Konecny, Peter Mitterer, Stefan Schennach, Stefan Zan­gerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrags von Lissabon das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bun­desverfassungsgesetz, mit dem besondere Bestimmungen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments 2009 zu ver­gebenden Mandaten durch die Bundeswahlbehörde erlassen werden, geändert werden (Lissabon-Begleitnovelle) (180/A-BR/2010)

Albrecht Konecny, Peter Mitterer, Mag. Harald Himmer, Stefan Schennach, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (Übergangsbestimmungen betreffend die Subsidiaritätsprüfung) (181/A-BR/2010)

Anfragen der Bundesräte

Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend „Feuerwehr-Führerschein“ (2750/J-BR/2010)


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Georg Keuschnigg, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend die Vergabe der freien Mobilfunklizenzen (2751/J-BR/2010)

Monika Mühlwerth, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Finanzen betreffend desaströse Finanzsituation der Gemeinden (2752/J-BR/2010)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Areal des Finanzamtes Josefstädter Straße (2753/J-BR/2010)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Öffnung des „Strozziparks“ für die Bevölkerung (2754/J-BR/2010)

Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Fa­milie und Jugend betreffend einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld für Grenz­gänger (2755/J-BR/2010)

Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Gleichklang der Kontrollmechanismen zwischen Bund und Ländern (2756/J-BR/2010)

Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Bezug einer Ausgleichszulage durch EU-Bürger und bei zwischenstaatlichen Teilpensionen (2757/J-BR/2010)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Bundes­räte Mag. Bettina Rausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend die steigende An­zahl an „untauglichen“ jungen Männern bei der Bundesheer-Stellung (2529/AB-BR/2010 zu 2737/J-BR/2010)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ungleichbehandlung von Vorarlberger Grenzgän­gern (2530/AB-BR/2010 zu 2740/J-BR/2010)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Johann Ertl, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Betrauung von Post- und Telekombediensteten mit der Schulwegsicherung (2531/AB-BR/2010 zu 2736/J-BR/2010)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Bettina Rausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend die steigende Anzahl an „untauglichen“ jungen Männern bei der Bundesheer-Stellung (2532/AB-BR/2010 zu 2739/J-BR/2010)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundes­räte Mag. Bettina Rausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend die steigende An­zahl an „untauglichen“ jungen Männern bei der Bundesheer-Stellung (2533/AB-BR/2010 zu 2738/J-BR/2010)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Mag. Michael Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Zukunft der Mühlkreisbahn und einen zeitgemäßen und leistungsfähigen öffentlichen Verkehr für das Mühlviertel (2534/AB-BR/2010 zu 2741/J-BR/2010)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Magnus Brunner, LL.M., Edgar Mayer, Cornelia Mi­


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chalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verwaltungsreform – Synergieeffekte durch Vermeidung von Parallelstrukturen (2535/AB-BR/2010 zu 2743/J-BR/2010)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Magnus Brunner, LL.M., Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Verwaltungsreform – Synergieeffekte durch Vermeidung von Parallelstrukturen (2536/AB-BR/2010 zu 2746/J-BR/2010)

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Magnus Brunner, LL.M., Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Verwaltungsreform – Synergieeffekte durch Vermeidung von Parallel­strukturen (2537/AB-BR/2010 zu 2744/J-BR/2010)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bundesrä­te Dr. Magnus Brunner, LL.M., Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verwaltungsreform – Synergieeffekte durch Vermeidung von Pa­rallelstrukturen (2538/AB-BR/2010 zu 2745/J-BR/2010)


 


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 9

09.03.24Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Peter Mitterer: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 784. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 783. Sitzung des Bundesrates vom 9. April 2010 ist aufgele­gen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Bundesräte Manfred Gruber und Friedrich Hensler.

09.03.55Aktuelle Stunde

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema:

„Herausforderungen und Chancen im Pflegebereich“

Ich darf dazu Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Ru­dolf Hundstorfer herzlich in unserer Mitte willkommen heißen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zwanziger.)

Wie auch beim letzten Mal gestaltet sich der Ablauf der Aktuellen Stunde wie folgt: Zu­nächst kommt je ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von jeweils 10 Minuten zu Wort.

Dann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll.

Sodann folgt ein Redner der Bundesräte ohne Fraktion und dann je ein Redner der Frak­tionen mit jeweils einer fünfminütigen Redezeit. Anschließend kommt wieder ein Red­ner der Bundesräte ohne Fraktion mit 5 Minuten zu Wort.

Zuletzt kann auch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfol­gen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

*****

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Todt. Ich darf ihn ersuchen, das Wort zu ergreifen. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


9.05.03

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Der wachsende Wohlstand und die längere Lebenserwartung stel­len eine historische Verbesserung dar und eröffnen die Möglichkeit auf ein langes Leben nach Beendigung des Arbeitslebens.

Die Gesellschaft hat die Verantwortung, dass alle Menschen, auch die älteren, das Recht auf gleiche Chancen haben, ihr eigenes Leben zu gestalten und dieses so gut und so lange wie möglich zu leben. Die Gesellschaft hat dafür zu sorgen, dass jeder Mensch unabhängig vom Alter sein eigenes Leben aktiv gestalten kann. Es ist unsere Aufgabe, ein Umfeld zu schaffen, das Kontinuität, Selbstbestimmung und Nutzung der eigenen Möglichkeiten bei Bewahrung der Identität der älteren Menschen gewährleis­tet.

In unserer Gesellschaft werden ältere Menschen sehr oft aufgrund sich verändernder Familienstrukturen alleine gelassen, ohne entsprechende Unterstützung. In vielen Fällen bestimmt die Kaufkraft, wer die besten Chancen hat, sein Leben so zu leben, wie sie oder er es will, wie sie es wollen.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 10

Soziale Sicherheit für ältere Menschen war ein politisches Ziel. Weit verbreitete Armut bei älteren Menschen war auch eine der gesellschaftlichen Krankheiten, deren Bekämp­fung das Ziel des Wohlstandsstaates war. Aber mehr als ein Jahrhundert nach Beginn der modernen Sozialpolitik ist es in Österreich noch immer ein Problem, dass Armut gerade auch unter der älteren Bevölkerung noch immer nicht ausgemerzt wurde. Es hat zwar viele Fortschritte gegeben, aber es gibt auch neue Tendenzen zunehmender Armut oder klare Anzeichen, dass die Armut unter älteren Menschen in den nächsten zehn bis 15 Jahren zunehmen wird. Wenn diesen Entwicklungen, wie zum Beispiel der Zunahme von atypischen Arbeitsverhältnissen und dem damit verbundenen Rückgang bei zukünftigen Pensionen, nicht Einhalt geboten wird, ist das zu befürchten.

Soziale Sicherheit und Beschäftigung sind nicht voneinander zu trennen. Wir brauchen eine Hebung des Beschäftigungsniveaus, neue Finanzierungsmodelle für die soziale Si­cherheit und eine Verringerung der gerade in letzter Zeit so groß gewordenen Kluft zwi­schen Lohneinkommen und jenem durch Vermögen. In den letzten fünf Jahren sind die Löhne und Gehälter und die Pensionen real gesunken und die gering besteuerten Ge­winne der Unternehmen über die Kapitalerträge immens gestiegen.

In Anbetracht der Tatsache, dass wir alle immer älter werden, wird der gesamte Bereich der Pflege gerade für ältere Menschen immer wichtiger. Sozialminister Hundstorfer hat mehrfach bewiesen, dass er auf der Seite der pflegebedürftigen Menschen und ihrer An­gehörigen ist.

Er hat den ihm hinterlassenen Pflegenotstand beseitigt, und es ist im Pflegebereich zu zahlreichen Verbesserungen gekommen. Wesentlich war die Erhöhung des Pflegegel­des. Mit der Erhöhung in allen Pflegestufen – selektiv nach den Stufen zwischen 4 und 6 Prozent – sowie neuen pauschalierten Erschwerniszuschlägen für die Einstufung bei der Pflege von schwerstbehinderten Kindern und Jugendlichen sowie von schwer geis­tig und psychisch behinderten Menschen, vor allem demenziell Erkrankter, mit Wirksam­keit ab 1. Jänner 2009 wurde die umfangsreichste Verbesserung der Pflege seit Einfüh­rung des Pflegegeldes im Jahre 1993 im Volumen von 120 Millionen € vom Bundesmi­nisterium umgesetzt.

Die Qualitätssicherung der häuslichen Pflege wurde durch viele Maßnahmen und auch Kontrollen erreicht. Einen wesentlichen Punkt stellt auch die sozialversicherungsrecht­liche Absicherung dar.

Pflegenden Angehörigen gebührt Wertschätzung und Anerkennung für ihre wertvolle Pflegetätigkeit und ihr Engagement, denn mehr als 80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in Österreich werden zuhause durch Angehörige gepflegt. Zum überwiegen­den Teil leisten Frauen diese oft schwierige Aufgabe. Nur diese Pflege im Familien­kreis ermöglicht die umfassende Betreuung aller Pflegebedürftigen. Pflege ausschließ­lich durch professionelle Kräfte könnte sich der Staat nicht leisten, und sie wäre auch nicht zu bewerkstelligen.

Durch die Einführung des Pflegegeldes können sie als Hauptpersonen einen finanziel­len Beitrag von dem oder der Pflegebedürftigen erhalten. Außerdem kann somit profes­sionelle Unterstützung zu ihrer Entlastung organisiert werden. – Es kommt vielfach vor, dass die Pflege von Angehörigen derart aufwendig ist, dass die Pflegeperson die Ar­beitszeit reduzieren muss oder die Erwerbstätigkeit überhaupt aufgibt.

Der Bundesgesetzgeber hat diesem Umstand Rechnung getragen und sukzessive Maß­nahmen geschaffen, um pflegende Angehörige finanziell und sozialversicherungsrecht­lich abzusichern. So soll der Verbleib pflegebedürftiger Menschen in ihrer gewohnten Umgebung sichergestellt werden.

Ich zähle einige Maßnahmen auf, die in der Pensionsversicherung und in der Kranken­versicherung die sozialrechtliche Absicherung der pflegenden Angehörigen aufzeigen:


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 11

Selbstversicherung bei der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinder­ten Kindes,

Selbstversicherung für die pflegenden Angehörigen in der Pensionsversicherung,

Weiterversicherung für pflegende Angehörige in der Pensionsversicherung,

beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung,

Familienhospizkarenz,

Rahmenfristerstreckung in der Arbeitslosenversicherung.

Ein wesentliches Anliegen – das hat auch der Rechnungshof entsprechend kritisiert – ist die Frage der Pflegegeldeinstufung. Der Rechnungshof hat 2008 die lange Verfah­rensdauer bei den Pflegegeldanträgen kritisiert. Der Herr Bundesminister hat sich ei­ne durchschnittliche Verfahrensdauer von 60 Tagen zum Ziel gesetzt. – Für diese Fort­schritte im Bereich der Pflege gebührt unserem Sozialminister auch der entsprechende Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

Es hat viele Fortschritte im Bereich der Pflege gegeben, es gibt aber einige Punkte, die noch offen sind, und einer dieser Punkte, der sehr wesentlich ist, ist die Frage der Ein­richtung eines Pflegefonds. Viel ist darüber bereits diskutiert worden! Die Finanzierung von Pflege und Betreuung – das ist auch die Meinung des Seniorenrates, in dem ja alle Fraktionen vertreten sind – ist nicht über die Belastung des Faktors Arbeit zu bewerk­stelligen, sondern diese soll aus Steuermitteln erfolgen. Ein Sozialversicherungsmodell mit Beiträgen wird daher in diesem Zusammenhang abgelehnt. Die Pflegevorsorge ist aus der Sozialhilfe herauszulösen. Die steuerliche Finanzierung soll über zweckgebun­dene Steuereinnahmen zur Sicherung eines erstklassigen Pflegesystems erfolgen – bei­spielsweise durch die Anhebung der Vermögenssteuer und die entsprechende Sicher­stellung, dass diese auch dafür verwendet wird.

Noch ein paar Punkte zum Schluss: Sicherstellung der Qualifizierung der die Pflegeleis­tung Erbringenden, Qualitätskontrolle im professionellen Bereich – auch stationär bezie­hungsweise bei privaten Pflegebetrieben –, Entwicklung bedarfsorientierter Pflegeplä­ne in den Ländern, verstärkter und flächendeckender Ausbau von mobilen Diensten, Ausbau der Tagesbetreuung, Errichtung von Nacht- und Wochenendpflege, Ausbau des betreuten Wohnens, weitere Unterstützung für pflegende Angehörige zum Beispiel durch Ausbildungsangebote, Rechtsanspruch auf Pflegekarenz, Vereinfachung sämtlicher be­hördlicher Verfahren bei der Inanspruchnahme von Pflegegeld und 24-Stunden-Betreu­ungsförderung und – als letzter Punkt – Forschungs- und Lehreinrichtungen zum The­ma Pflege und Betreuung an Universitäten und Fachhochschulen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

9.14


Präsident Peter Mitterer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Hammer. – Bitte.

 


9.14.54

Bundesrat Mag. Michael Hammer (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf vorweg meiner Freude Ausdruck verleihen, dass es gelungen ist, dass sich der Bundesrat heu­te im Rahmen einer Aktuellen Stunde mit dem Thema „Herausforderungen und Chan­cen im Pflegebereich“ beschäftigt, weil ich glaube, dass es im Pflegebereich – das wur­de bereits gesagt, und das wird auch in meinen Ausführungen kommen – einer gemein­same Kraftanstrengung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bedarf. Und nachdem gerade wir als Länderkammer des Parlaments natürlich sehr stark die Interessen der


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 12

Länder und auch der Gemeinden zu vertreten haben, glaube ich, steht es uns gut an, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen.

Ich denke, das ist ein zentrales Thema, und ich finde, ehrlich gesagt, es war schon prä­senter in der medialen Diskussion, aber auch in der politischen Diskussion – und jetzt ist dieses Thema wieder ein bisschen aus dem Blickfeld verschwunden. Herr Bundes­minister, ich muss Sie da schon auch ein bisschen in die Pflicht nehmen! Es sind näm­lich von Ihrem Vorgänger bereits einige Arbeitsgruppen zur Pflegefinanzierung, zum Pflegeangebot gestartet worden. Ich habe aber ein bisserl den Eindruck, das ist jetzt wieder eingeschlafen (Bundesrat Konecny: Da geschieht ja etwas!) und es ist da ein bisserl das Tempo heraußen.

Es ist aber, glaube ich, Fakt – und da sind wir uns ja alle einig –, dass das Thema Pfle­ge und Betreuung, vor allem die Pflege der älteren Menschen, eine große gesellschaftli­che und vor allem sozialpolitische Herausforderung ist. Ich meine, das ist uns ja grund­sätzlich nicht neu, aber wir stehen jetzt tatsächlich an einem Punkt, an dem wir uns wirklich ernsthaft Gedanken über folgende Themen machen müssen: Wie schaut es mit der Angebotspalette aus? Wie schaut es mit der zukünftigen nachhaltigen Finanzie­rungsstruktur aus? Und vor allem auch – und das ist eine Sache, die man nicht unter­schätzen sollte –: Wie können wir schlussendlich ausreichendes Pflegepersonal sicher­stellen, weil das in Zeiten wie diesen gar nicht so einfach sein wird?

Zum Pflege- und Betreuungsbedarf an sich: Es ist ja Fakt, dass immer mehr Menschen ein höheres Alter erreichen; das ist auch schon angesprochen worden. Der medizini­sche Fortschritt und damit verbunden eine höhere Lebenserwartung machen das mög­lich. Natürlich steigt mit zunehmender Lebenserwartung auch die Zahl der Menschen, die pflegebedürftig sind. Jetzt sind wir uns noch nicht ganz darüber im Klaren, wie sich der Pflegebedarf wirklich entwickeln wird, weil sehr viel an Pflege – das ist vom Kol­legen auch schon angesprochen worden – Gott sei Dank in den Familien, von den Part­nerInnen, von den Familienangehörigen geleistet wird und man noch sehr, sehr schwer abschätzen kann, wie sich diese familiäre Pflege und Betreuung weiterentwickeln wird. Es ist die zunehmende Berufstätigkeit beider Ehepartner angesprochen worden, es sind die höheren Anforderungen am Arbeitsplatz angesprochen worden – und auch die ver­stärkte Mobilität von Jugendlichen, die dann aus dem gemeinsamen Haushalt wegzie­hen, wird sich da entsprechend auswirken.

Es muss aber, meine ich, unser aller Ziel sein, dass die Pflege in den eigenen vier Wän­den oberste Priorität haben sollte, weswegen wir wirklich schauen müssen, das famili­äre Stützungs- und Unterstützungssystem entsprechend sicherzustellen. Es ist ja so, dass man davon ausgehen kann, dass 1 Prozent weniger familiäre Betreuung und Pfle­ge zu Hause 3 bis 4 Prozent an höheren Kosten allein in der mobilen Betreuung aus­macht. Da redet man aber noch gar nicht davon, was wäre, wenn all diese Menschen in einem Alten- und Pflegeheim betreut werden müssten. Das heißt, das ist von der Kos­tendynamik her ein Vielfaches. Und es ist für viele Menschen, glaube ich – und vielen hier herinnen wird es auch so gehen –, natürlich die angenehmste und wünschenswer­teste Betreuungsform Folgende: in den eigenen vier Wänden von den eigenen Ange­hörigen und auch in diesem sozialen Umfeld entsprechend betreut zu sein.

Folgendes ist bereits angesprochen worden, und ich möchte das ausdrücklich unterstrei­chen: Es braucht einfach, damit diese Pflege- und Betreuungsleistung sichergestellt wer­den kann, Unterstützungs- und Betreuungsangebote für die pflegenden Angehörigen! Da haben wir noch Nachholbedarf im Bereich der Tagesstrukturen, der Tagesbetreuung, da werden wir im Ausbau der mobilen Dienste und mobilen Betreuung noch etwas brau­chen, aber auch – auch das ist schon angesprochen worden – im Hinblick auf die sozial­rechtliche Absicherung der pflegenden Angehörigen. Da ist schon einiges gelungen,


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gerade auch in letzter Zeit, aber da muss man eben dranbleiben, damit Pflege und Be­treuung nicht dann zu einem Risiko für die eigene Altersvorsorge werden.

Für die Zukunft wird Folgendes wichtig sein – es gibt ja, wie gesagt, die häusliche und die stationäre Pflege und auch die mobile Betreuung –: Ich meine, dass man für die zu­künftigen Anforderungen eine besser aufeinander abgestimmte Angebotspalette braucht. Der Grundsatz „mobil vor stationär“ sollte oberste Maxime sein, und dann in weiterer Fol­ge erst eine Betreuung in einem Alten- und Pflegeheim stattfinden. Dazu braucht es aber einen unterstützenden Angebotsmix wie mobile Dienste, Hauskrankenpflege, die ange­sprochene Tagesbetreuung oder auch Kurzzeitpflegemöglichkeiten und dergleichen. Nur in letzter Konsequenz sollte die Betreuung in einer stationären Einrichtung, in einem Al­ten- und Pflegeheim erfolgen.

Folgender Punkt sollte, so glaube ich, neu beleuchtet werden: Es sollte zwischen der häuslichen Pflege auf der einen Seite und der Betreuung in einem Alten- und Pflege­heim auf der anderen Seite noch weitere Möglichkeiten geben. Es ist das betreute Woh­nen angesprochen worden. Es gibt neue Wohnformen – in Oberösterreich werden zum Beispiel Möglichkeiten zwischen diesen Bereichen entwickelt; so sind etwa Hausgemein­schaftsmodelle ein denkbarer und gangbarer Weg.

Neben all diesen professionellen Angeboten braucht es – und das wird in Zukunft noch eine viel größere Bedeutung bekommen und eine wichtige Position einnehmen – auch das ehrenamtliche, bürgergesellschaftliche Engagement. Es gibt da viele Initiativen, die sehr gut funktionieren. Man denke da an „Essen auf Rädern“ und Ähnliches. Wir wer­den da aber noch stärker hineingehen müssen. In Gesprächen mit älteren Menschen erfährt man – das wird wohl jedem von Ihnen ähnlich gehen –, dass neben der Pflege und Betreuung die größte Sorge ist, nicht zu vereinsamen, vor allem, wenn der Ehe­partner stirbt. Da müssen wir, glaube ich, im Bereich ehrenamtliche Besuchsdienste, Fahrtendienste und Haushaltshilfen noch stärker werden und auch entsprechende Mög­lichkeiten schaffen, dass die soziale Einbindung und die gesellschaftliche Teilhabe auch der älteren Menschen entsprechend sichergestellt werden.

Ein wichtiger Punkt vor allem in der Finanzierung und in der dauerhaften Absicherung des Systems wird es sein, die Übergänge zwischen dem Gesundheits- und dem Sozial­bereich optimal auszugestalten, damit es da keine Probleme gibt. Wichtig wird es auch sein, die Palliativmedizin und die Palliativversorgung entsprechend auszubauen.

Ich glaube also, dass die Abstimmung und die Ausgestaltung des Angebotmix eine zent­rale Aufgabe sein wird, und ich glaube, man sollte auch durchaus ein bisschen Krea­tivität walten lassen, wenn es um die Betreuungsformen geht, und dieses bürgergesell­schaftliche, ehrenamtliche Engagement stärker fördern, stärker einfordern und auch ent­sprechend unterstützen.

Ein wichtiger Schlüsselpunkt in der gesamten Ausgestaltung ist, dass auch genug Men­schen zur Verfügung stehen, die Pflege und Betreuung leisten. Es gibt – das ist ein Faktum – schon heute die Situation, dass an einigen Stellen ein Pflegemangel besteht, und wenn wir den zukünftigen Bedarf abdecken wollen, werden wir noch zusätzliches Pflegepersonal brauchen.

In Oberösterreich, wo sehr viel in den Altenpflegebereich investiert wird, haben wir zum Beispiel momentan – das ist gerade in den letzten Tagen erhoben worden – in den Al­ten- und Pflegeheimen einen Fehlbedarf an Pflegepersonal von rund 150 Personen. Es können einige Betten nicht belegt werden. Das ist einfach ein Alarmsignal, dass man da entsprechend Nachwuchs braucht. Jetzt wird in Oberösterreich natürlich gegenge­steuert, und es werden zusätzliche Kapazitäten ausgebildet. Diese stehen aber erst in ein, zwei Jahren zur Verfügung. Um den Pflegebereich für die Zukunft wirklich dauer­haft abzusichern, braucht es, glaube ich, weiter reichende Maßnahmen.


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Wir werden wahrscheinlich die Attraktivität der Pflegeberufe stärken müssen – Herr Kol­lege Mayer wird zum Zukunftsberuf Pflege auch noch einiges sagen –, und wir müssen auch das Image der Pflegeberufe entsprechend aufwerten und die Rahmenbedingun­gen verbessern. Vor allem muss es uns gelingen, BerufsumsteigerInnen, Wiedereinstei­gerInnen, aber auch Männer für den Pflegeberuf zu gewinnen. Das ist eine zentrale Aufgabe. Wir müssen auch Leute, die sich in sozialen Belangen engagieren, verstärkt für den Pflegeberuf gewinnen – seien es Ehrenamtliche, Zivildiener oder vor allem Men­schen, die ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren. Da liegt auch ein Entwurf in Ihrem Ministerium, Herr Minister Hundstorfer, und wir würden schon darum bitten, dass die­ser auch umgesetzt wird.

Neben dem Gewinnen der Mitarbeiter braucht es natürlich auch eine entsprechende Ausbildung und Durchlässigkeit in den Bildungssystemen; auch eine stärkere Integra­tion in das Regelbildungswesen wäre sinnvoll.

Da das Lämpchen schon blinkt, komme ich zum Schluss meiner Ausführungen. Ab­schließend aber noch ein paar Bemerkungen zu einem sehr wesentlichen Punkt, den auch mein Vorredner angesprochen hat: Es sind die Herausforderungen im Bereich Pfle­ge und Betreuung für alle Gebietskörperschaften – Bund, Länder und Gemeinden – es­senziell, und wir müssen, wie ich meine, die Finanzierung sicherstellen, damit wir den Anforderungen auch gerecht werden können.

Es kann und soll nicht so sein, dass man das Angebot nur nach den finanziellen Res­sourcen steuert, sondern wir müssen wirklich schauen, dass der Bedarf gedeckt wird und dass die Menschen da nicht zu kurz kommen. Mein Zugang ist, dass man sich na­türlich verschiedenste Modelle überlegen kann und muss. Es kann und soll aber schon so sein, dass man, ähnlich wie die Risken Krankheit und Alter, auch das „Risiko“ Pfle­ge – um es so zu nennen – entsprechend absichert. Das kann in einem Pflegefonds, in einer Pflegeversicherung oder in einem Mischsystem entsprechend ausgestaltet wer­den. Ich glaube, wir werden diese zusätzlichen Ressourcen auch brauchen.

Wir brauchen natürlich auch eine gerechte Verteilung der Lasten zwischen Bund, Län­dern und Gemeinden und – das ist auch schon angesprochen worden – eine gewisse Vereinheitlichung. Das Pflegegeld und die diesbezügliche Einstufung sind ebenfalls er­wähnt worden. – Das ist aus unserer Sicht begrüßenswert, das muss sein.

Ziel muss es daher sein, das Pflegesystem langfristig auf diesem hohen Niveau, das in der Tat besteht, zu halten. Das Niveau ist sehr hoch, es muss nur die Angebotspalette noch breiter werden. Das sind wir dieser Generation schuldig, und ich glaube, wir soll­ten uns mit diesem Thema wirklich sehr, sehr umfassend und sehr gewissenhaft be-schäftigen, denn die demographische Entwicklung wird uns schnell vor diese Heraus­forderungen stellen, und wir sollten da entsprechend frühzeitig reagieren. – Danke. (Bei­fall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

9.25


Präsident Peter Mitterer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Podgorschek. – Bitte.

 


9.25.20

Bundesrat Elmar Podgorschek (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! „Die Pflege und Betreuung äl­terer Menschen ist zu einem zentralen Thema in der österreichischen Sozialpolitik ge­worden.“ – Diesem Einleitungssatz in der Broschüre zu den Bestimmungen der 24-Stun­den-Betreung zu Hause – von Ihnen, Herr Minister, verfasst – kann ich nur vollinhaltlich zustimmen. Sie haben vollkommen recht: Es ist wirklich ein Thema, das uns in Zukunft weiterhin beschäftigen wird.

Es ist eine positive Entwicklung, dass unsere Bevölkerung immer älter wird, und wir müs­sen zur Kenntnis nehmen, dass daher auch immer mehr Menschen einer Pflege bedür­


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fen. Wir kennen alle die Statistiken: Die Alterspyramide geht genau in diese Richtung. Vor allem auch durch die zusätzliche medizinische Betreuung ist eine demographische Entwicklung dahin gehend zu beobachten, dass der Anteil der älteren Bevölkerung im­mer größer wird.

In der Vergangenheit wurden die Pflegefälle immer beziehungsweise meistens in der Fa­milie selbst betreut, und daher musste der Staat relativ wenig Einfluss darauf nehmen. Mittlerweile müssen wir aber zur Kenntnis nehmen, dass unsere Gesellschaft sich mas­siv verändert hat. Es gibt immer mehr Singles, immer mehr Menschen entscheiden sich für die Kinderlosigkeit. Das führt aber dazu, dass es im Alter keine Angehörigen mehr gibt, die sich um pflegebedürftige Ältere kümmern können. Daher sind diese Men­schen auf fremde Hilfe angewiesen.

Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Pflege einerseits sozial, aber ande­rerseits auch wirtschaftlich verträglich gestaltet wird, sodass die gesamte Gesellschaft und die junge Generation nicht zu sehr damit belastet ist. Es ist eine Kernaufgabe des Sozialstaates, dafür zu sorgen, und die Pflegemaßnahmen haben, und das sage ich ganz ausdrücklich, solidarisch zu erfolgen.

Wir können das nicht mehr allein den Familien überlassen. Derzeit tragen noch sehr vie­le das Risiko privat und sind nahezu gezwungen, sich Pfleger in Schwarzarbeit zu besor­gen. Diese Schwarzarbeit können wir nur bedingt bekämpfen, weil wir genau wissen, dass unser Sozialsystem sonst zusammenbrechen würde. Daher sind einige Maßnah­men notwendig, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Einerseits fordern wir eine Inflationsanpassung des Pflegegeldes. Das Pflegegeld ist in den letzten Jahren nur marginal angehoben worden, und die Einkommen sind ja nicht gestiegen, wie auch Herr Bundesrat Todt vorhin schon erwähnt hat. (Bundesrat Per­hab: Aber wir haben ja keine Budgetressourcen ...!) Es darf aber meiner Meinung nach nicht das Budget als Vorwand dafür dienen, dass wir in dieser Richtung nicht mehr tä­tig werden. (Bundesrat Perhab: Aber es kommt irgendwo her ...!)

Wir haben auch dafür zu sorgen, dass die Pflegekräfte entsprechend ausgebildet wer­den. Bei der Ausbildung der Pflegekräfte mangelt es aus unserer Sicht noch sehr stark. Noch dazu hätten wir gerade in der Ausbildung der Pflegekräfte eine Chance für den Ar­beitsmarkt, weil das für zusätzliche Beschäftigung sorgen würde. Darüber hinaus könn­te dadurch auch Lohndumping – wie bereits erwähnt, durch die billigen Kräfte aus dem Ausland – verhindert werden. Es setzt aber voraus, dass wir, wenn Leute ordentlich aus­gebildet sind, diese auch leistungsgerecht bezahlen.

Es ist Aufgabe unseres Staates, für die Finanzierung zu sorgen – dessen bin ich mir selbstverständlich bewusst –, aber es kann ja auch Umschichtungen im Budget geben.

Was wir vermissen, ist eine mutige Ausbildungsoffensive bei den Pflegeberufen. Wa­rum ist es nicht möglich, die Ausbildung in den Pflegeberufen in den Regelschulbetrieb aufzunehmen und diese mit einer Fachmatura enden zu lassen, damit ausgebildete Pfle­ger unter Umständen, sollten sie nicht in diesem Beruf bleiben können, auch in der Wirt­schaft in anderen Bereichen tätig werden können?

Ein weiterer Punkt, der sicherlich zu bemängeln ist – das wurde ebenfalls schon er­wähnt –, ist die Dauer des Pflegeverfahrens, auf die ja auch der Rechnungshof schon hingewiesen hat. Es wäre durchaus begrüßenswert, wenn diese Verfahren zumindest innerhalb von 3 Monaten abgeschlossen wären – optimal wäre natürlich binnen 60 Ta­gen. Ich rechne damit, dass dem auch der Herr Bundesminister durchaus zustimmen wird.

Außerdem besteht das Problem, dass leistbare Pflege und Betreuung einerseits rechtlich makellos zu erzielen, aber andererseits auch praxistauglich sein muss. Darüber hinaus


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 16

sehen wir, dass pflegebedürftige Menschen durch die bürokratischen Verpflichtungen im Rahmen der Anmeldung des Personals überfordert sind.

Die arbeitsrechtlichen Komponenten im Pflege- und Betreuungsbereich sind problema­tisch und äußerst umstritten. Die Regierung hat natürlich die selbständige Pflege bevor­zugt, aber Arbeitsrechtsexperten sind ja der Meinung, dass trotz angekündigter Rück­forderungsverzichte die Möglichkeit der zivilrechtlichen Klagen auf Anerkennung als Ar­beitnehmer durchaus gegeben ist.

Daher ist es aus unserer Sicht durchaus überlegenswert, die Einrichtung einer Bundes­genossenschaft für Pflege und Betreuung anzudenken, weil dadurch Pfleger und Pflege­rinnen in dieser Trägerorganisation bundesweit unselbständig beschäftigt werden könnten. Diese nehmen den zu Pflegenden die Arbeiten ab, etwa die Anmeldung bei der Gebiets­krankenkassa, beim Finanzamt oder bei sämtlichen anderen Behörden, die damit be­traut sind.

Mit dieser Möglichkeit könnten wir auch einen bundesweit einheitlichen Standard errei­chen. Diese unselbständigen Pfleger könnten dann unter Umständen, wenn man das Modell weiterdenkt, auch mit einer gemeinsamen Ausbildung und Weiterbildung betraut werden. Das Ganze dürfte natürlich nur neutral verrechnet werden, es dürfte seitens dieser Bundesgenossenschaft für Pflege und Betreuung keine Gewinnorientierung be­stehen. Eine Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice wäre durchaus auch mit an­zudenken.

Wir Freiheitliche stehen voll und ganz hinter der Entwicklung, dass ältere Menschen ei­ner entsprechenden Pflege bedürfen. Letzten Endes muss es das Ziel aller Maßnah­men – welche auch immer wir in Zukunft treffen, das muss noch sehr intensiv diskutiert werden –, die gesetzt werden und die gemeinsam durchgeführt werden, sein, dass un­seren älteren Mitbürgern ein menschenwürdiges Leben im Alter ermöglicht wird und dass wir dieses Altern auch in einem ordentlichen und finanziell verträglichen Rahmen sichern können. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zwanziger.)

9.34


Präsident Peter Mitterer: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich der Herr Bun­desminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu Wort gemeldet. Ich darf ihm das Wort erteilen und gleichzeitig darauf hinweisen, dass nach Möglichkeit 10 Minuten Redezeit nicht überschritten werden sollen. – Bitte.

 


9.34.14

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstor­fer: Einen wunderschönen guten Morgen! Es ist über das Thema schon sehr viel gesagt worden. Ich glaube, wir sind uns alle einig: Niemand will pflegebedürftig werden. Wir wol­len zwar alle älter werden, was gut ist, was toll ist, aber wir wollen natürlich so wenig wie möglich pflegebedürftig werden.

Ich darf aber trotzdem auf Folgendes hinweisen: Österreich hat eines der am stärksten ausgebauten Pflegegeldsysteme. Ein kleiner Vergleich schadet nie: Die Bundesrepublik Deutschland erreicht nur halb so hohe Werte wie Österreich. Normalerweise hat die Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu Österreich immer den Faktor 10, in die­sem Fall ist die Sache jedoch eine ganz andere. Wir haben aktuell rund 420 000 Pfle­gegeldbezieher – 360 000 beziehen Pflegegeld vom Bund, 60 000 von den Ländern. Das ergibt 5 Prozent der österreichischen Bevölkerung. Die Bundesrepublik hat nur die Hälfte dieses Wertes: Nur 2,5 Prozent der Bevölkerung bekommen dort Pflegegeld; bei uns sind es 5 Prozent.

Die Zahlen, die ich Ihnen jetzt nennen werde, sind aus dem Jahr 2008. Ich weiß, dass wir jetzt Mai 2010 haben. Wundern Sie sich nicht, warum ich Ihnen Zahlen von 2008


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 17

nenne! Fakt ist, dass einige Länder ihre Rechnungsabschlüsse noch nicht erledigt ha­ben, daher kann ich Ihnen auch nicht alle Zahlen von 2009 hundertprozentig exakt ge­ben. Bevor ich Ihnen „Hausnummern“ sage, nenne ich Ihnen lieber die Zahlen von 2008, denn die stimmen, sind abgesichert und sind in den diversen politischen Gremien – Landtagen und so weiter – beschlossen.

Der Bund und die Länder stellen 2,1 Milliarden € für Pflegegeld zu Verfügung – der Bund 1,7 Milliarden €, die Länder 3,24 Millionen €. Die Länder geben zusätzlich noch 1,65 Mil­liarden € für Sachleistungen; Sachleistung heißt „all over“ – von der stationären Betreu­ung bis zur Mitzahlung von mobilen Diensten.

In Summe gesehen sind es 1,33 Prozent des BIP, die wir für die Betreuung dieser 420 000 Menschen ausgeben. Das heißt, wir können durchaus sagen, dass wir in Ös­terreich ein sehr gutes System haben. Natürlich können wir täglich besser werden, das ist gar keine Frage, aber wir haben ein sehr gutes und an und für sich auch sehr aus­gereiftes System, denn das Pflegegeldsystem funktioniert seit 1993.

Dieses System hilft einerseits den Menschen, die es brauchen, andererseits fließt das Geld natürlich in den Pflegesektor, ist damit auch Financier von Arbeitsplätzen, und wie wir alle wissen, sind das die krisensichersten Arbeitsplätze, die wir zur Stunde in dieser Republik haben. Was auch dazukommt: In Summe sind im Gesamtsektor 80 000 Men­schen beschäftigt. Dass das ein Frauensektor ist, ist ja hinlänglich bekannt. Von den 80 000 Beschäftigten in diesem Segment sind 82 Prozent Frauen.

Dass wir gerne mehr Männer in diesem Segment hätten, ist keine Frage, das ist so. Wir haben uns erst unlängst wieder bemüht, als Ministerium Vorreiter zu sein, und zwar beim „Boys Day“. Wir wollten schauen, dass wir ein paar Juniors, ein paar Herren in die­ses Segment zumindest ansatzweise hineinkriegen. (Bundesrat Mayer: Wir brauchen eine Männerförderung! Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten der SPÖ.) – Lieber Ed­gar Mayer, erzähl das zu Hause! (Allgemeine Heiterkeit und Beifall.) – Ich darf mir das gestatten, denn der Edgar und ich, wir kennen uns, glaube ich, seit 25 Jahren.

Es wird auch immer wieder die Einstufung kritisiert. – Zum Thema Rechnungshof kom­me ich dann gleich. Es gibt aber einen Gradmesser für die Zufriedenheit, und zwar die Verfahren, bei denen die Korrektheit der Einstufung beeinsprucht wird. 4 Prozent aller Bescheide werden beeinsprucht. Das heißt, wir haben zu 96 Prozent Zufriedenheit mit diesem System.

Was wir noch tun – das ist an und für sich eine wahnsinnig aufwendige Aktion, aber wir tun es –: Wir haben voriges Jahr 18 000 Hausbesuche gemacht. Diese 18 000 Haus­besuche haben ergeben, dass in 1 Prozent der Fälle Mängel vorhanden sind. Wir las­sen diese Menschen also nicht alleine, sondern es werden von diplomiertem Kranken­pflegepersonal, das auch zu Sachverständigen ausgebildet wird, Stichproben gemacht; wir nennen das im Fachjargon eben „Hausbesuche“. Bei diesen 18 000 Hausbesuchen wurden, wie gesagt, bei 1 Prozent Mängel festgestellt. Das ist natürlich 1 Prozent zu viel, keine Frage, aber in Wirklichkeit ist das relativ wenig. – Ich sage das, wissend, dass dieses 1 Prozent natürlich eine andere Betreuung braucht.

Über die Erhöhung wurde schon geredet. Was, glaube ich, auch sehr wichtig ist, ist die Frage der Erschwerniszuschläge für schwerstbehinderte Kinder und vor allem auch für Demenz-Kranke.

Diese Erschwerniszuschläge, die wir voriges Jahr eingeführt haben, haben bei 7 600 Fäl­len automatisch eine Verbesserung der Einstufung mit sich gebracht, weil es eben diese Erschwerniszuschläge gab.

Was auch schon gesagt wurde, was ich nur ganz kurz wiederholen möchte, ist Folgen­des: Wir übernehmen selbstverständlich seit Mitte 2009 die Versicherungsbeiträge für


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pflegende Angehörige ab der Pflegestufe 3, unbefristet und zur Gänze, solange die Be­treuung notwendig ist und geleistet wird.

Ich möchte schon sagen, wir haben hier natürlich eine Verschiebung, und diese Ver­schiebung hat mit vielen Faktoren zu tun. Aber im städtischen Bereich war es immer schon eine Herausforderung, in einer Durchschnittswohnung mit 60 Quadratmeter Grö­ße permanent 24 Stunden zu pflegen. Das schaut auch in einem kleinen Einfamilien­haus anders aus, das trotzdem um eine Spur größer ist als eine durchschnittliche 60 Qua­dratmeter-Wohnung.

Wir haben natürlich auch den Rechnungshof und den Rechnungshofbericht sehr ernst genommen. Darauf darf ich kurz replizieren. Im Bundesbereich konnte die Anzahl der Träger um zwei reduziert werden, es sind nicht mehr 25, sondern nur noch 23. Wir sind derzeit auch in Verhandlungen darüber, dass ein Träger, nämlich die AUVA, ihre Pflege­geldakten – es sind 1 600 – ebenfalls der Pensionsversicherung, und zwar in einem Ver­waltungsübereinkommen überantworten wird. Diese Gespräche laufen und werden bald beendet sein. Die Pensionsversicherung wird das dann mitmachen.

Wir administrieren im Bundesbereich 80 Prozent aller Pflegegeldanträge, 20 Prozent der Fälle sind im Landesbereich. Das möge man jetzt bitte nicht missverstehen, aber im Bundesbereich haben wir Folgendes zusammengebracht – mit viel Druck, mit vielen Dis­kussionen, aber wir haben es zusammengebracht –: Mit Stand März 2010 sind die Neu­anträge innerhalb von 59 Tagen erledigt, bei den Anträgen auf Pflegegelderhöhung sind es derzeit 58 Tage. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundes­rates Dönmez.)

Das heißt, im Bundesbereich sind wir grundsätzlich gut unterwegs und haben das Ziel, 60 Tage, unterschritten und werden alles daran setzen, dass wir dabei bleiben. Ob wir vielleicht auf 50 Tage kommen, das werden wir sehen. Das ist die nächste sportliche Herausforderung. Aber ich bin jetzt einmal froh darüber, dass wir diese 60 Tage unter­schritten und das erreicht haben.

Zur 24-Stunden-Betreuung. – Wir haben derzeit rund 5 500 Menschen, die über diese Schiene von 15 000 Personen betreut werden. Das ist, glaube ich, auch derzeit das Maximum; mehr wird es wahrscheinlich über diese Schiene nicht werden.

Ich möchte nur ganz kurz, da das Lämpchen schon blinkt, einen Punkt anschneiden, nämlich die Frage der Finanzierung und wie es weitergeht. Es ist ja keine Frage: Wir werden älter. Aber niemand hier kann uns zur Stunde sagen, um wie viel älter wir wer­den. Demzufolge haben wir mit allen Bundesländern – wir haben nicht geschlafen, Herr Bundesrat (in Richtung des Bundesrates Podgorschek) – bei der letzten Sozialreferen­tensitzung beschlossen, dass wir gemeinsam beim ÖBIG-Nachfolger, der Gesundheit Österreich GmbH, eine Studie mit den Daten von 2010 beauftragen, wie hoch der Auf­wand 2015 und 2020 sein wird. In welchen Mengengerüsten und in welcher Qualität wird er notwendig sein? – Das ist Punkt eins.

Und was wir auch noch im Hintergrund machen, ist Folgendes: Ich lasse derzeit 1 000 Se­niorinnen und Senioren befragen, wie sie betreut werden wollen, wenn es so weit ist, was sie für Vorstellungen haben, wenn es so weit ist.

Aufgrund dieser Studie, die im Sommer fertig werden wird, werden die weiteren Ver­handlungen und die weiteren Gespräche geführt. Es ist eben ein Riesenunterschied, ob der stationäre Sektor, der derzeit rund 20 Prozent des Betreuungsangebots stellt, ausge­baut wird oder nicht. Was heißt das? Wie weit schaffen wir es mit pflegenden Angehö­rigen? Wie weit ist die Lage mit sogenannten mobilen Diensten zu bewerkstelligen?

Langer Rede kurzer Sinn: Aufgrund dieser Studie werden alle Gespräche – und da sind wir uns mit allen Bundesländern einig; ich betone das: mit allen Bundesländern einig – weitergeführt werden.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 19

Hier sind wir alle gefordert, das ist keine Frage. Aber Sie wissen auch, es gibt einen be­stehenden Finanzausgleich. Es gibt in diesem bestehenden Finanzausgleich auch be­stehende Spielregeln. Und unser Ziel ist jetzt natürlich, für den nächsten Finanzaus­gleich entsprechende Vorarbeiten zu leisten.

Was ich Ihnen zusagen kann, ist auf alle Fälle: Ich werde alles daran setzen, das um­zusetzen. Gemeinsam, so glaube ich, sind wir uns hier auch in der Koalition einig, dass Menschen, die Betreuung brauchen, die Pflege brauchen, diese auf höchstem Niveau bekommen, ganz egal, wer im Hintergrund aller mitfinanziert. – Ich danke schön. (All­gemeiner Beifall.)

9.45


Präsident Peter Mitterer: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Redner in der Aktuel­len Stunde 5 Minuten nicht übersteigen darf. Ich weise darauf hin, dass das Licht nach 4 Minuten zu blinken beginnt, dass man dann nur noch 1 Minute Redezeit hat – im Un­terschied zu 10 Minuten Redezeit, wenn es 2 Minuten vor Ende zu blinken beginnt.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. Ich erteile es ihm.

 


9.46.19

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! So, wie es die Vorredner schon angesprochen haben, hat uns das Thema in der Vergangenheit be­schäftigt, und es wird uns auch aufgrund der demographischen Entwicklung, wie wir al­le richtig und einhellig erkannt haben, weiterhin beschäftigen.

Aber erlauben Sie mir dennoch, einen kurzen Blick in die Vergangenheit zu werfen, wie es denn überhaupt zu dieser Situation gekommen ist. Wenn ich mich recht entsinne, sind ja wegen dieses Themas schon Wahlen verloren worden. Im Jahre 2006 wurde von den Medien kolportiert, dass der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel eine slo­wakische Pflegehelferin für 2 € in der Stunde beschäftigt hat (Bundesrat Tiefnig: Was nicht gestimmt hat!), und daraus hat sich dann eine heftige Debatte über den Pflege­notstand in Österreich entwickelt, den die damaligen Minister und Ministerinnen zuerst noch bestritten haben, aber heute, wie ich auch Ihrem Redebeitrag, sehr geschätzter Herr Minister, entnehmen kann, zweifelt niemand mehr daran, dass wir in diesem Be­reich etwas tun müssen.

Wir Grüne in Oberösterreich haben am 19. März, vor einigen Wochen, im Landhaus eine Veranstaltung zu diesem Thema abgehalten. Da hat es großen Andrang, großes Interes­se gegeben. Diese Veranstaltung hat ganz deutlich gezeigt, dass wir, die Politik, im Be­reich der Pflege rasch, umfassend und zukunftsorientiert handeln müssen.

Ein konkretes Ergebnis dieser Veranstaltung war, dass die Zusammenarbeit, die Naht­stellen zwischen Gesundheitsbereich einerseits und den Einrichtungen im Sozialbereich andererseits genauer angeschaut gehören – einerseits, um die Mittel effizienter einzu­setzen, und andererseits auch deswegen, damit die eingesetzten Mittel auch besser und zielgerichteter bei den Menschen ankommen.

Wir sind uns ja alle darin einig – wie die Vorredner angemerkt haben –, dass in Öster­reich niemand aufgrund seiner Krankheit oder Pflegebedürftigkeit vernachlässigt werden darf oder dahinvegetieren muss.

Ein weiterer Punkt wurde von den Betroffenen in diesem Bereich artikuliert. Der Pflege­bereich braucht mit seinen unterschiedlichen Facetten ein umfassendes Qualitätsma­nagement. Die Qualität der Pflege hängt ja auch unmittelbar mit den Menschen zusam­men, die in diesen pflegenden Berufen tätig sind.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 20

Da schaut es bei den Rahmenbedingungen momentan gar nicht gut aus. Der Pflegebe­ruf ist anstrengend. Er ist schlecht bezahlt und hat im Großen und Ganzen kein gutes Image, wenn man sich die Zahlen anschaut, wie viele Leute, die im Gesundheitsbereich tätig sind, unter Burn-out leiden. Da sind wir bei Zahlen von über 30 Prozent; im Spe­ziellen bei der Pflege und in der mobilen Betreuung sind die Zahlen wahrscheinlich noch höher. Da müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, um das Arbeitsumfeld für die Leu­te, die in der Pflege tätig sind, attraktiver zu gestalten.

Zum Qualitätsmanagement gehört vor allem auch die Schaffung von besseren Rah­men- und Arbeitsbedingungen. Die Strukturen gehören angepasst, und zwar an gere­gelte Dienstzeiten. Die Leute müssen sich darauf verlassen können, dass es freie Zei­ten gibt. Es muss auch einen regelmäßiger Austausch mit den Vorgesetzten und den KollegInnen geben, auch die Möglichkeit zur Supervision sollte ausgebaut werden.

Diese Dinge, die ich jetzt in aller Kürze oberflächlich genannt habe, sind bis dato noch keine Selbstverständlichkeit. Die Schaffung dieser professionellen Struktur ist meines Erachtens relativ leicht mit Qualifizierungsmaßnahmen zu bewerkstelligen.

Wir sind uns alle im Klaren darüber, dass diese Forderungen und Maßnahmen, die wir uns alle wünschen, Geld kosten werden. Und der Knackpunkt ist eigentlich immer: Wer zahlt das Ganze?

Zurzeit sind ja die Trägerorganisationen von Bund, Ländern und Gemeinden in die Fi­nanzierung involviert. Da müssen wir darauf schauen, dass es zu einer gerechten Ver­teilung kommt und dass auch die Absicherung der Pflegevorsorge primär aus unserer Sicht auf der Bundesebene erfolgen muss – ob sie jetzt eine Versicherung ist oder ein Fonds, das ist wohl zweitrangig. Ganz wichtig ist, dass niemand in Österreich aufgrund von Pflegebedürftigkeit sich selbst überlassen werden darf, dass die Pflegenden eine gute Struktur, ein gutes Arbeitsumfeld brauchen und auch höhere Gehälter, denn vom Dank alleine bezahlen sich die Rechnungen dieser Leute nicht.

Es gibt auch eine Studie des Wifo aus dem Jahr 2008, die die Finanzströme der ge­genwärtigen Pflegevorsorgesysteme analysiert hat. Darin wurde festgestellt, dass diese de facto keine Verteilungswirkung haben. Die Studie kommt auch zu dem Schluss, dass in Österreich und in Deutschland im Vergleich zu den skandinavischen Staaten der An­teil der illegalen Pflege noch immer sehr hoch ist.

Kollege Podgorschek hat das ja bereits angesprochen. Auch hier müssen wir Maßnah­men setzen, die Leute aus der Illegalität herauszuholen, aber es muss dennoch unser qualitativ hochwertiges Pflegesystem aufrechterhalten werden.

Die Liste der Forderungen und Wünsche ist sehr lange. Wichtig sollte sein, die Rahmen­bedingungen für die Pflegenden zu verbessern sowie die Qualität und die Zufriedenheit der Beschäftigten in diesem Bereich zu steigern. Ein Knackpunkt ist auch, dass die Pfle­genden mit einer Stimme sprechen sollten, das heißt, wenn sie sich besser organisie­ren ...

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte zum Schluss zu kommen!

 


Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (fortsetzend): Letztendlich sind zufriedene Pflegen­de in unser aller Interesse, denn jeder von uns wird über kurz oder lang einmal alt wer­den. Ich will es niemandem wünschen, aber wenn er pflegebedürftig ist, glaube ich, ist er froh, wenn er keinen grantigen Pfleger/keine grantige Pflegerin hat. – Danke. (Beifall bei Grünen und FPÖ sowie des Bundesrates Zwanziger.)

9.52


Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesrätin Kemperle ist als Nächste zu Wort gemel­det. Ich erteile es ihr.

 



BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 21

9.53.00

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätztes Präsidium! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Sehr vieles ist ja bereits zum Bereich Pflege und deren Herausforderungen in der Zukunft gesagt worden, sehr vie­les auch zu den Pflegebedürftigen, allerdings geht mein Anliegen in eine andere Rich­tung, nicht nur als Ländervertreterin, sondern auch als Interessenvertreterin, als Gewerk­schafterin und hier natürlich auch im Hinblick auf die Beschäftigten in diesem Bereich. Ich glaube, wir werden um zwei wesentliche Faktoren in der Pflege und deren Heraus­forderungen, mit denen wir uns in Zukunft noch befassen werden, nicht herumkom­men.

Erstens ist es die Altersstruktur, die ja bereits angesprochen wurde. Hier verschiebt sich die Altersstruktur deutlich hin zu älteren Menschen. Laut Prognosen der Statistik Austria steigt die Zahl der über 75-jährigen Menschen von jetzt 662 000 bis zum Jahr 2030 auf über 1 Million an.

Anders formuliert heißt das, in 20 Jahren wird jeder Neunte, jede Neunte über 75 Jahre alt sein, daher wird der Betreuungs- und Pflegebedarf natürlich in den nächsten Jahren ansteigen.

Zweitens: Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und des damit einhergehenden Struk­turwandels muss in neue Zukunftsbereiche investiert werden, um die Arbeitslosigkeit zu senken.

Der Pflegebereich zählt dabei ohne jeden Zweifel zu jenem Zukunftsbereich, in dem aus­reichend gute und gut entlohnte Arbeitsplätze geschaffen werden können und könnten.

Zur aktuellen Situation in Pflege und Betreuung ist allerdings zu sagen, dass schon heu­te das Angebot an professioneller Pflege und Betreuung nicht ausreichend ist. Viele Ein­richtungen und Organisationen im Pflegebereich leiden unter Finanzierungsengpässen, und dadurch leidet auch die Qualität der Dienste auf beiden Seiten – sowohl auf der Sei­te der Beschäftigten als auch auf der Seite der zu Pflegenden. Das ist nicht nur dem Bund anzulasten, sondern es ist auch dazu zu sagen, dass die Länder in die entspre­chende Verantwortung genommen werden müssen, um hier Vereinheitlichungen statt­finden zu lassen, um die unterschiedlichen Herausforderungen in Angriff zu nehmen.

Wie sieht der Pflegeberuf derzeit in der Praxis aus? – Der Pflegeberuf ist körperlich an­strengend, seelisch belastend und ist auch noch schlecht bezahlt. Dazu kommen, wie bereits vom Vorredner erwähnt, unregelmäßige Arbeitszeiten sowie steigender Arbeits- und Zeitdruck. Heimhilfen, die alte und kranke Menschen in deren eigenen vier Wän­den mobil betreuen, haben für die Betreuung oft nur 15 Minuten Zeit. Das reicht gerade für die wichtigsten geforderten Handgriffe, wie zum Beispiel Einlagen wechseln, Kör­perpflege, Anziehen, Umbetten oder Abendessen herrichten.

Zeit, um ein Gespräch mit den oft vereinsamten Menschen zu führen, bleibt hingegen nicht mehr. Die Betreuung im Pflegebereich erinnert in dieser Hinsicht beinahe an eine Art Fließbandarbeit, was weder aus Sicht der Menschenwürde noch aus Sicht der Ar­beitsbedingungen zu akzeptieren ist.

In Krankenhäusern wiederum führt die chronische Unterbesetzung mit Pflegepersonal dazu, dass Dienstpläne laufend geändert werden. Das bedeutet für Krankenschwes­tern und Krankenpfleger, dass sie laufend einspringen müssen, ihre Freizeit kaum mehr planen können, was wiederum zu Überbelastung und Burn-out führt. Das bestätigt auch eine Studie der Niederösterreichischen Arbeiterkammer.

Daher ist es unumgänglich, dass Änderungen eintreten müssen und Forderungen in die­ser Hinsicht gestellt werden müssen. Es ist unserer Meinung nach unumgänglich, dass wir als Interessenvertretung darauf pochen, dass wir quasi die Sozialmilliarde bekom­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 22

men und diese auch finanziert wird. Diese würde bedeuten, dass wir einen Ausbau und eine qualitative Weiterentwicklung des Pflegebereichs nachhaltig absichern kön­nen, auch finanziell absichern können, dass wir in die Zukunft investieren können, in Beschäftigung investieren können, dass wir für die Grundbedürfnisse der Menschen eine Absicherung, eine Nachhaltigkeit haben, dass es Arbeitsplätze gibt, auch die Umweg­rentabilität gegeben ist, dass wir Menschen Arbeit verschaffen können, würdevolle Ar­beit verschaffen können, dass wir aber auch die zu Pflegenden zur Würde hinführen können.

Es ist daher unumgänglich, ein flächendeckendes, bedarfsgerechtes Betreuungsange­bot hinsichtlich der 24-Stunden-Betreuung einzuführen, auch eine sinnvolle, eine gute Ausbildung, eine qualitativ hochstehende Ausbildung – und diese gehört vereinheitlicht. Wir haben jetzt das Problem, dass zum Teil die Voraussetzungen für die Ausbildung überhaupt nicht gegeben sind, das heißt, es gibt keine Qualitätskontrolle, es gibt keine Standards, nach denen Betreuer/Betreuerinnen letztendlich pflegen dürfen. Das ist un­terschiedlich in den Bundesländern, daher ist es für uns auch wichtig, hier unsere Leis­tungen und auch einen sinnvollen Ausbau hinsichtlich der Pflege und Betreuung zu er­halten.

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte zum Schluss zu kommen!

 


Bundesrätin Monika Kemperle (fortsetzend): Wir wissen aber, dass die vorgebrachten Anliegen bei dir, Herr Bundesminister, in sehr guten Händen sind. Gerade in deiner Ära sind sehr viele Dinge, die wir gefordert haben, umgesetzt worden. Und wir hoffen auch auf dein Zutun in der Vereinheitlichung vieler Länderunterschiede, dass wir da zu einer Qualität kommen, nicht nur im Pflegebereich, sondern auch für die Beschäftigten. – Dan­ke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Schennach und Zwanziger.)

9.59


Präsident Peter Mitterer: Ich darf Herrn Bundesrat Mayer als Nächstem das Wort er­teilen. – Bitte.

 


10.00.06

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter Hundstorfer! Lieber Rudi! Fünf Minuten sind wenig Zeit, sonst wäre ich gerne auf dein wirklich beispielgebendes Männerförderungskonzept eingegangen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich finde es schön, dass es hier einmal manifestiert wurde und auch protokolliert ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Sie können es ja schriftlich machen!) – Bitte, Frau Kolle­gin Mühlwerth? (Bundesrätin Mühlwerth: Sie können es ja schriftlich machen!) – Ja, ja, ich werde das Protokoll gemeinsam mit dir lesen.

Es sei mir am Anfang gestattet, kurz auf die Situation auf dem Arbeitsmarkt einzuge­hen und dann zu unserem aktuellen Thema zu kommen, weil es natürlich auch mir um sinnvolle Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose geht. Die Kon­junktur hat wieder angezogen und die Arbeitslosenzahlen gehen Gott sei Dank leicht zurück. Die Arbeitslosenquote ist um 0,5 Prozent niedriger als im März des Vorjahres; in Vorarlberg sind es immerhin 0,6 Prozent. Allerdings gilt es auch hier zu berücksichti­gen, dass die Zahl der SchulungsteilnehmerInnen gestiegen ist. Das größte Problem dabei ist, dass wir wieder vermehrt Langzeitarbeitslose haben; deren Zahl ist fast um 15 Prozent gestiegen.

Ich stelle das aber nicht in Frage, wie das ja bei den oft kritisierten Maßnahmen ge­schieht, denn diese sind für mich ein Beweis dafür, dass das AMS in der Krise schnell reagiert hat. Ob diese Maßnahmen immer sinnvoll sind, bleibt dennoch dahingestellt, aber die Menschen haben eine Aus- und Weiterbildungsmöglichkeit und vor allem auch eine Tagesstruktur. Ich bin der Auffassung, dass wir da ausgezeichnet reagiert haben;


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 23

deshalb steht ja Österreich in Europa auch so gut da. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Kainz und Perhab.)

Meiner Meinung nach gibt es Tätigkeiten mit Zukunft, die jedoch nur noch wenige von uns machen möchten. Das kann daher durchaus auch eine Strategie sein, Langzeitar­beitslose in Beschäftigung zu bringen. Ich denke da zum Beispiel an Jobs in den Berei­chen Gastronomie, Handel, Metall- und Elektrotechnik und natürlich vor allem auch an Jobs in der Pflege. Insbesondere wegen der demographischen Entwicklung ist der Be­reich der Pflege und Betreuung älterer Menschen eine der größten Herausforderungen im Sozialbereich; das haben wir ja heute bereits gehört. Die Zahl der erwerbsfähigen Menschen sinkt nach dem Jahr 2020, weil dann die Babyboom-Jahrgänge ins Pensions­alter kommen.

Bis 2030 wird die Zahl der über 75-Jährigen von derzeit 660 000 auf mehr als 1 Million steigen. – Dazu gehören wir dann auch, Herr Minister. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bun­desminister Hundstorfer: Ja, ja!)

Die Demographie spielt aber auch beim Jobangebot und bei den Jobs mit. Der heutige Mangel an Betreuungs- und Pflegepersonal wird sich zukünftig verstärken. In 30 bis 50 Jahren wird sich die Zahl der über 80-Jährigen verdreifachen, die Zahl der Pflege­bedürftigen verdoppeln. Das ist die Kehrseite unseres ausgezeichneten Gesundheits­systems. Derzeit werden in Österreich noch zirka 80 Prozent der Pflegebedürftigen – das haben wir auch schon gehört – zu Hause betreut; in Vorarlberg sind es zirka 90 Pro­zent. Da leisten die Familien wirklich großartige Arbeit; das muss man immer wieder betonen.

Aber wer übernimmt das in Zukunft, wenn die familiären Strukturen noch mehr ausei­nanderbrechen? – Natürlich professionelle Einrichtungen mit entsprechend ausgebilde­tem Personal. Aber das ist natürlich auch eine Frage der Kosten, wie ja heute auch schon angesprochen wurde. Können wir uns Pflegeleistungen in dieser ausgezeichne­ten Qualität und in diesem Umfang noch leisten? – Das ist eine Frage, die sich auch in Zukunft stellen wird.

Die Ausbildungsqualität sicherzustellen ist, wie ich meine, ein wesentlicher Punkt, den es zu berücksichtigen gilt.

Es braucht also auch eine Initiative im Bereich der Pflegeberufe, eine dringende Auf­wertung des Berufsbildes – ich komme jetzt nicht auf die Arbeitssituation zu sprechen, das wurde von Kollegin Kemperle sehr gut dargestellt – und auch eine Ausweitung bei den Berufsbildern der Altenpflege und -betreuung.

In Vorarlberg gibt es zum Beispiel ein AMS-Projekt, bei dem langzeitarbeitslose Frauen als Altenbetreuerinnen ausgebildet werden. Das ist auch eine Antwort auf die 24-Stun­den-Betreuung, die derzeit fast ausschließlich von Frauen aus ehemaligen Ostblocklän­dern angeboten wird. Sehr gut, das ist ein kleiner Schritt, aber es fehlt da natürlich das Volumen.

Kollege Podgorschek hat das ja schon angesprochen: Es geht auch um ein Umdenken im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung, die ja ausschließlich auf den diplomierten Bereich ausgerichtet ist. Bei einem Umbau dieses Systems zu einer mo­dularen Ausbildung wäre die Möglichkeit gegeben, dass es im ersten Jahr dieser Aus­bildung zu einem Berufsbild der AltenbetreuerIn oder PflegehelferIn kommt, nach zwei Jahren AltenfachpflegerIn und nach dem dritten Jahr dann eben die diplomierte Pfle­gerIn. Wenn nämlich jemand im ersten Jahr dieser Schule aussteigt, dann hat er über­haupt keine Ausbildung. So könnte er in diesem modularen System nach dem ersten Jahr bereits AltenbetreuerIn oder PflegehelferIn sein. Da spielt natürlich auch die Kom­petenz zwischen Bund, Ländern und Gemeinden eine Rolle, das ist klar, aber im Hin­


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blick auf die Ost-Öffnung des Arbeitsmarktes am 1. Mai 2011 muss uns auch klar sein, dass da wirklich ein Umdenken notwendig ist.

Wir müssen uns besonders in Bezug auf das Berufsbild der Pflege, der Altenbetreuung dieser demographischen Herausforderung stellen. Ich darf hier noch anmerken, dass es in meiner Heimatstadt Feldkirch ein vorbildliches Projekt gibt: „Gerne älter werden in Feldkirch“. Es wurde oft prämiiert – wir haben Preise in ganz Europa dafür erhalten – und steht unter dem Motto: So viel stationär wie nötig, so viel ambulant wie möglich! Beispielgebend ...

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, zum Schluss zu kommen, die Redezeit ist abgelaufen!

 


Bundesrat Edgar Mayer (fortsetzend): Beispielgebend ist, dass all jene Dienste, die Kollege Todt aufgezählt hat, die ineinandergreifen, die vernetzt werden sollten, in mei­ner Stadt in dem Konzept „Gerne älter werden in Feldkirch“ beinhaltet sind. Deshalb werde ich in Feldkirch bleiben, denn dort möchte ich gerne älter werden. – Danke. (All­gemeiner Beifall. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

10.06


Präsident Peter Mitterer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


10.06.33

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die Pflege alter Menschen in der Fa­milie und durch die Familie ist von vielen widersprüchlichen Vermutungen, Erwartun­gen und Mythen überfrachtet. Das „Ja, aber!“-Syndrom begleitet alle Diskussionen da­rüber, wie man pflegende Angehörige begleiten, unterstützen und entlasten könnte.

Die hohe gesellschaftliche Akzeptanz der Familienpflege erfährt nicht selten gleichzei­tig pauschale Verdächtigungen des Missbrauchs und Schuldzuweisungen jeglicher Art.

Pflege als Generationenproblem muss von zwei Seiten betrachtet werden: von der Sei­te der alt gewordenen Menschen selbst und von der anderen Seite, jener der Angehö­rigen der mittleren Erwachsenengeneration.

Für die jetzt hochbetagten Menschen war es aufgrund der Lebenserwartung früherer Jahrzehnte eigentlich nicht denkbar, so alt zu werden. Damit waren alle mit diesem ho­hen Alter verbundenen Lebensveränderungen für sie nicht vorhersehbar. Es gibt auch wenige taugliche Modelle, nach denen hochbetagte Menschen ihren Lebensstandard halten und ihren Lebensabend gestalten können.

20 und mehr Pensionsjahre, 45 und mehr Ehejahre, das Heranwachsen der vierten Fa­miliengeneration, technologischer und gesellschaftlicher Wandel, chronische körperliche und geistige Beeinträchtigungen verlangen nach Bewältigungsstrategien, auf die jedoch jetzt nicht zurückgegriffen werden kann.

Für Frauen des mittleren Erwachsenenalters wird die Pflege alter Angehöriger Teil der normalen Lebensbiographie werden. Diese „Sandwich-Generation“ gleitet nach der Be­treuung ihrer Kinder in die Betreuung ihrer Mütter und Väter. – Auch hier eröffnen sich Lebensperspektiven, mit denen bisherige Generationen nicht konfrontiert waren.

Die Gesellschaften des ausgehenden 20. Jahrhunderts erleben einen gewaltigen ideo­logischen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umbruch. Vor allem sozial-struktu­relle Veränderungen haben deutliche Auswirkungen auf das Zusammenleben der Gene­rationen und da insbesondere auf das Management der Betreuungseinrichtungen.

An der österreichischen Bevölkerung lässt sich ein dreifaches Altern feststellen: Auf­grund der hohen Lebenserwartung steigt die absolute Zahl älterer Menschen. Durch die Abnahme der jüngeren Generation erhöht sich der relative Anteil der alten Men­


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schen an der Gesamtbevölkerung. Am stärksten erhöht sich die Zahl der hochaltrigen Menschen, also der Altersgruppe der 85-Jährigen und Älteren.

Die Leistungskraft der Medizin und der allgemeine Wohlstand haben uns in eine histo­risch einmalige Situation gebracht. Es hat in der Menschheitsgeschichte noch nie so viele alte Menschen gegeben. Das Altern selbst beziehungsweise die alten Menschen sind daher Themen der Medien, allerdings nicht als Gegenstand der Bewunderung für ein langes Leben, für erprobte Überlebensstrategien oder für Wissen und gesammelte Erfahrung, sondern leider eher als Verursacher von Kosten und Problemen. In unse­rem Bewusstsein ist das Begriffspaar „alt“ und „krank“ unausrottbar verankert.

Alte Menschen kosten viel Geld, weil viele krank und pflegebedürftig sind und weil die Kinder ihre Eltern nicht entsprechend betreuen können und ihre Verantwortung auf öf­fentliche Einrichtungen übertragen.

Wir wissen auch, dass etwa 30 Prozent der über 80-Jährigen in einem hohen Ausmaß auf die Pflege durch andere Personen angewiesen sind. Forschungen haben uns mehr­fach gezeigt, dass die Definition von Betreuung und Pflege äußerst schwierig ist, vor allem deshalb, weil alte und alte kranke Menschen enorme Kraft aufwenden, ihre Defi­zite zu kompensieren. Objektiv fallen sie vielleicht unter die Kategorien „hilfsbedürftig“ und „unselbständig“, aber subjektiv mobilisieren sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Kräfte, um den Alltag alleine zu meistern.

Die neuen Problemlagen, die durch Veränderung unserer sozialen Strukturen entstehen, werden die gesellschaftlichen Problemlösungskapazitäten vor Bewährungsproben stel­len. Hier ist die Politik gefordert. Den Kostenfaktor der Pflege den alten Menschen an­zurechnen ist unmoralisch. Die Politik muss die notwendigen Einrichtungen schaffen und hat dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung das Recht hat, in Würde zu altern. (Bei­fall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

10.12


Präsident Peter Mitterer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Zwanziger zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


10.12.17

Bundesrat Peter Zwanziger (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Ehrfurcht vor dem Le­ben ist die höchste Instanz. Was sie gebietet, hat seine Bedeutung, auch dann, wenn es töricht oder vergeblich scheint ...“ – Zitat von Albert Schweitzer.

Wenn es das überirdische Schicksal mit einem nicht immer gut meint, sollte man ir­disch gut organisiert sein. Niemand ist davor gefeit, selbst einmal in der Lage zu sein, Pflege zu beanspruchen. Deshalb gehen wir ehrfürchtig mit einem Thema um, das uns alle betrifft. Mit den Worten eines großen Mannes, der vieles in seinem Leben geleistet und vermittelt hat, möchte ich einen Denkanstoß geben.

Ich denke, wir in Kärnten und in ganz Österreich haben ein wunderbar funktionierendes soziales Netz. Dennoch bedarf es immer wieder Innovationen. Gesetze sollten immer wieder durchdacht, der heutigen Lebenssituation angepasst und vor allem in bestmög­licher Art und Weise verbessert werden. Eine Veralterung von fest verankerten Geset­zestexten führt viel eher zu einem unnützen Kostenaufwand als eine Gesetzesänderung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Bei uns in Kärnten wurde eine zentrale Planung für mobile Pflegedienste angedacht, die ich Ihnen nun näherbringen möchte. Das Land Kärnten will bei den Verwaltungskosten für den mobilen Pflegedienst sparen, indem die Anreise der Mitarbeiter künftig zentral geplant wird und somit Kosten, die unnötigerwei­se entstanden sind, gespart werden. Es gibt in Kärnten zwölf Anbieter für mobile Pfle­gedienste, die insgesamt 8 000 Patienten versorgen. Diese Zahlen zeigen uns, wie wich­


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tig diese mobile Pflege, auch Hauskrankenpflege, geworden ist – ein Service, das nicht mehr wegzudenken ist.

Geschätzte Anwesende! Es hat keinen Sinn, Zeit zu vergeuden. Bislang konnte es schon vorkommen, dass ein Pflegedienst aus Wolfsberg zu einem Pflegefall nach Bad Sankt Leonhard fuhr, obwohl in Bad Sankt Leonhard selbst ein anderer Pflegedienst die Leistung viel leichter erbringen hätte können. (Bundesrat Mag. Klug: Jetzt sind wir aber neugierig, wer dieser großartige Mann ist!) – Das sage ich Ihnen! – Das hat dazu ge­führt, dass unsere diplomierten Krankenschwestern in Kärnten 60 Prozent der Arbeit für die Pflege nutzten und 40 Prozent für die Verwaltung und die Fahrzeit aufbringen mussten. Das ist ohne Zweifel eine sehr unwirtschaftliche Tatsache und entspricht si­cher keiner Logik.

Sehr geehrte Damen und Herren, ein Probelauf hat in Kärnten bereits stattgefunden: Ein entsprechendes Pilotprojekt wurde im Lavanttal, wo drei Betreuungsdienste statio­niert sind, durchgeführt. Mit einem neu entwickelten Computersystem will das Land Kärnten die Verwaltungskosten der Pflege- und Betreuungsdienste verringern. Das Tou­renplanungsprogramm soll die Routen der Anbieter einer Region koordinieren, lange Anfahrten zu den Patienten sollen so vermieden werden. Patienten werden anhand von computerberechneten Routen dem Anbieter zugewiesen. Pro Anbieter gibt es ein Kon­tingent an Stunden und eine qualitative Checkliste, um Benachteiligungen zu vermei­den. In den vergangenen drei Monaten konnten dadurch rund 15 Prozent der Kilometer und rund 10 Prozent der Kosten eingespart werden. Eine raschestmögliche Umsetzung ist nun geplant.

Das Tourenplanungsprogramm soll in ganz Kärnten eingesetzt werden. Insgesamt soll durch die zentrale Planung rund 1 Million € zusätzlich für die Pflege zur Verfügung ste­hen. Das ist eine beachtliche Summe, meine Damen und Herren. Die Kosten für die mobilen Pflegedienste werden zu zwei Dritteln vom Land getragen und ein Drittel ist Selbstbehalt. Einen vom Tourenplanungsprogramm zugewiesenen Anbieter zu nehmen, ist nicht zwingend. Sollte ein Patient einen anderen Anbieter anfordern, so steigt der Selbstbehalt logischerweise je nach Distanz. Eine weitere Änderung gibt es: Der Selbst­behalt für die Pflege richtet sich bekanntlich nach dem Einkommen des Patienten. Das Einkommen muss nun nicht mehr dem Pflegedienst bekannt gegeben werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Eine funktionierende Ge­sellschaft darf Andersartigkeit nicht benachteiligen. Abschließend möchte ich Sie alle recht herzlich dazu einladen (Bundesrat Mag. Klug: Wer ist denn jetzt dieser gescheite Mann?), in unsere wunderschöne Seenlandschaft nach Kärnten zu kommen. (Bundes­rat Mag. Klug: Ja, wir kommen alle nach Kärnten!) Heute wird gerade die ReCare in Klagenfurt eröffnet, eine Messe für Rehabilitation, Integration und für Pflege. Es würde mich sehr freuen, wenn ich den einen oder anderen Kollegen dort antreffen würde. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Und wer ist es jetzt? – Zwischen­ruf des Bundesrates Dr. Schnider. – Bundesrat Zwanziger – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Landesrat Christian Ragger! – Bundesrat Mag. Klug: Oh mein Gott! – Zwi­schenruf des Bundesrates Konecny. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

10.17


Präsident Peter Mitterer: Der Herr Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz ist noch einmal zu Wort gemeldet. Ich darf ihn noch einmal ersuchen, die fünf­minütige Redezeit nach Möglichkeit einzuhalten. – Bitte, Sie haben das Wort.

 


10.17.44

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstor­fer: Die Messe eröffne ich nicht. Dass sie in Klagenfurt ist, ist ein Zufall. Herr Bundes­rat! Sie haben einen entscheidenden Nebensatz nur überflogen: Der Selbstbehalt ist


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nicht mehr sozial gestaffelt. (Bundesrat Mag. Klug: Ganz genau!) Die G’stopften zah­len das Gleiche wie die Armen. (Bundesrat Mag. Klug: Oh, oje!) Ich will es nur dazu­sagen, das ist nur das Thema. Das heißt, die soziale Staffelung von Selbstbehalten hat schon etwas für sich. – Das ist Punkt eins.

Punkt zwei: Dass das ein Optimierungsprogramm ist, das anerkenne ich auf die Sekun­de, das ist nicht das Thema. Dass Anbieter zusammenwirken sollen, um unnötige Ki­lometerkosten zu vermeiden, da bin ich bei Ihnen. Das ist alles nicht mein Problem. Aber Selbstbehalte nicht mehr sozial zu staffeln, stellt für eine bestimmte Einkommens­gruppe ein gewisses Problem dar.

Ich möchte aber nur ganz kurz noch einmal wiederholen – es wurde schon mehrfach gesagt –: Die Pflegeberufe sind derzeit einer unserer größten Jobmotoren, die wir ha­ben. Und wir werden hier auch nicht nachlassen. Wir werden alles daransetzen, dass das weiterhin so ist. Ich habe zum Beispiel alle AMS-Maßnahmen, die Zusatzausbil­dung, Zusatzqualifikationen und überhaupt Qualifikationskurse betreffen, in diesem Seg­ment mehr oder weniger verdoppelt. Da ist die gesamte Planung von 2008 auf 2009 und 2010 verdoppelt worden.

Wir haben auch eine sehr hohe Vermittlungsquote von 70 Prozent. Die haben nach Kursabschluss sofort einen Job bekommen. Dort, wo wir sogenannte Implacementstif­tungen eingerichtet haben, ist die Vermittlungsquote sogar 96 Prozent, das heißt alle.

Sie werden, wenn Sie Arbeitslosenstatistiken lesen, auch sehen, dass Menschen in die­sem Segment wieder verstärkt arbeitslos werden. Das hat aber nichts damit zu tun, dass hier die Anbieter die Menschen nicht nehmen, sondern: Dadurch, dass wir so wahnsinnig viel in diese Schulungsmaßnahmen und Qualifikationsmaßnahmen inves­tieren, sagen manche Menschen Ja und kommen nach ein paar Monaten darauf, dass es doch nicht das ist, was sie machen wollen.

Das heißt, das ergibt sich durch diesen massiven Druck in diesen Markt hinein. Dadurch steigt natürlich auch die Zahl der Arbeitslosen, weil die Menschen, die einen Kurs ma­chen, die in diesem Bereich zu arbeiten beginnen, nach 6 Monaten teilweise ernüchtert sind, wenn sie sehen, was es heißt, ältere Menschen zu pflegen, zu betreuen.

Wir werden, wie gesagt, weitermachen, es wird hier kein Zurück geben. Wir sind mit den diversen Anbietern, mit den diversen Organisationen unter anderem dabei zu schau­en, wie wir die Ausbildungsmaßnahmen verfeinern können. Wir haben erst vorige Wo­che im Bundesseniorenrat – auch eine Initiative des Bundesseniorenrates; das habe ich geerbt – über die weitere Anerkennung von Berufen gesprochen, um mehr Menschen den Zugang zu diesem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Auch das wird von unserer Seite jetzt geprüft.

Was wir auch versuchen – und das war der Grund, warum ich mit einem Anbieter diese Woche eine Pressekonferenz gemacht habe –: diesen Arbeitsmarkt als so attraktiv dar­zustellen, dass auch Ältere in diesem Arbeitsmarkt arbeiten wollen und arbeiten kön­nen. Wir haben hier auch ein Qualitätszertifikat im Hintergrund in Ausarbeitung, wo wir schon einmal stationäre Einrichtungen ausgezeichnet haben, die bewusst ältere Arbeit­nehmer beschäftigen, das heißt, erst über 50-Jährige aufnehmen.

Das wird wahrscheinlich auch für die Zukunft gesehen einer der wesentlichsten Punkte sein, dass der Arbeitsmarkt für die über 50-Jährigen, wo wir in den letzten 10 Jahren eine riesige Steigerungsrate der Beschäftigtenzahlen hatten und haben, noch attrakti­ver wird, mit teilweise veränderten Arbeitszeitformen, mit teilweise veränderten Belas­tungsformen. Denn ich glaube, dass es gerade in diesem Arbeitsmarkt möglich ist, dass Menschen, wenn sie attraktivere oder veränderte Arbeitszeitformen haben, mit Gleit­pensionsmodellen und so weiter, in diesem Segment sehr wohl länger arbeiten. Es ist


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klar, mit 60 kann ich nicht regelmäßig Nachtdienst machen, aber ich kann mit 60 sehr wohl noch ein oder zwei oder drei Dienste unter Tags in der Woche machen. Das heißt, wir brauchen attraktivere Modelle für diese Personengruppen.

Ich weiß, es blinkt, ich höre schon auf. Ich darf abschließend noch einmal danken, dass dieses Thema heute das Thema der Aktuellen Stunde war, denn es geht um sehr viel. Es geht auch um uns alle. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

10.23


Präsident Peter Mitterer: Danke, Herr Bundesminister! Ich möchte mich auch bei den Rednern dafür bedanken, dass sie sich relativ genau an die Zeit gehalten haben.

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

10.23.14Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Peter Mitterer: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2529/AB bis 2538/AB beziehungsweise jenes Schreibens des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG sowie jener Schreiben des Bundes­ministers für Finanzen und des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten betref­fend Aufnahme von Verhandlungen

für ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Regierung des Staates Katar bezie­hungsweise Änderung von Doppelbesteuerungsabkommen mit den Republiken Rumä­nien, Zypern, Slowenien und mit der Sozialistischen Republik Vietnam beziehungswei­se

Verhandlungen mit Isle of Man, mit Jersey und mit St. Lucia betreffend Abkommen über den Auskunftsverkehr in Steuersachen sowie

mit der Regierung der Russischen Föderation über ein Abkommen zur wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit und

mit der Tschechischen Republik zur Änderung des Vertrages über die polizeiliche Zu­sammenarbeit über die zweite Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen beziehungsweise

der Mitteilungen des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend

den Aufenthalt des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenhei­ten Dr. Michael Spindelegger vom 2. bis 6. Mai 2010 in New York und gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mit­terlehner mit seiner Vertretung und

den Aufenthalt des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was­serwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich vom 3. bis 7. Mai 2010 in der Volksrepu­blik China und gleichzeitiger Beauftragung der Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung Mag. Dr. Beatrix Karl mit seiner Vertretung sowie

den Aufenthalt der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Hei­nisch-Hosek vom 4. bis 11. Mai 2010 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates beziehungs­weise Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Artikel 73 Abs. 3 B-VG durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen sind.


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Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 7)

*****

Schreiben des Bundesministers für Finanzen und des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

„Josef Pröll                                                                                                       BUNDESMINISTERIUM

Finanzminister                                                                                                                 FÜR FINANZEN

Herrn Präsident

des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament                                                                                                              Wien, am 9. April 2010

1017 Wien                                                                                     GZ: BMF-010221/0461- IV /4/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 55. Sitzung des Ministerrates am 6. April 2010 Verhand­lungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung des Staates Katar zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinde­rung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Ver­mögen aufgenommen wurden.

Mit Katar besteht derzeit keine Regelung zur Beseitigung der internationalen Doppel­besteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Durch den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens, welches das Wirtschaftshinder­nis der doppelten Besteuerung vermeidet, könnte eine wesentliche Grundlage für den weiteren Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und diesem in­teressanten Wirtschaftsraum geschaffen werden. Der Aufbau steuervertraglicher Bezie­hungen zu Katar liegt somit auch im Interesse der Förderung des Wirtschaftsstandorts Österreich.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„Josef Pröll                                                                                                       BUNDESMINISTERIUM

Finanzminister                                                                                                                 FÜR FINANZEN

Herrn Präsident

des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament                                                                                                            Wien, am 21. April 2010

1017 Wien                                                                                        GZ: BMF-010221/0494-IV/4/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 57. Sitzung des Ministerrates am 20. April 2010 Ver­handlungen mit Rumänien zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 30. März 2005 unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und Ru­mänien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerum­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 30

gehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Pro­tokoll, BGBl. III Nr. 29/2006, aufgenommen wurden.

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Trans­parenz und Amtshilfebereitschaft hat sich eine Revision des Abkommens zur Anpassung an den neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaustauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„Josef Pröll                                                                                                       BUNDESMINISTERIUM

Finanzminister                                                                                                                 FÜR FINANZEN

Herrn Präsident

des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament                                                                                                            Wien, am 21. April 2010

1017 Wien                                                                                        GZ: BMF-010221/0509-IV/4/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 57. Sitzung des Ministerrates am 20. April 2010 Verhand­lungen mit Zypern zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 20. März 1990 unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Ein­kommen und vom Vermögen samt Protokoll, BGBl. Nr. 709/1990, aufgenommen wur­den.

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Trans­parenz und Amtshilfebereitschaft hat sich eine Revision des Abkommens zur Anpassung an den neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaustauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„Josef Pröll                                                                                                       BUNDESMINISTERIUM

Finanzminister                                                                                                                 FÜR FINANZEN

Herrn Präsident

des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament                                                                                                            Wien, am 21. April 2010

1017 Wien GZ:                                                                                        BMF-010221/0495-IV/4/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 57. Sitzung des Ministerrates am 20. April 2010 Verhand­lungen mit Slowenien zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 1. Okto­ber 1997 unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Repu­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 31

blik Slowenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. III Nr. 4/1999 idF BGBl. III Nr. 126/2007, aufgenommen wurden.

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Trans­parenz und Amtshilfebereitschaft hat sich eine Revision des Abkommens zur Anpassung an den neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaustauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„Josef Pröll                                                                                                       BUNDESMINISTERIUM

Finanzminister                                                                                                                 FÜR FINANZEN

Herrn Präsident

des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament                                                                                                            Wien, am 21. April 2010

1017 Wien                                                                                        GZ: BMF-010221/0516-IV/4/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 57. Sitzung des Ministerrates am 20. April 2010 Verhand­lungen mit der Isle of Man zum Abschluss eines Abkommens über den Auskunftsver­kehr in Steuersachen aufgenommen wurden.

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Trans­parenz und Amtshilfebereitschaft hat sich ein Abschluss eines Abkommens gemäß dem neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaustauschs von Bank­auskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„Josef Pröll                                                                                                       BUNDESMINISTERIUM

Finanzminister                                                                                                                 FÜR FINANZEN

Herrn Präsident

des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament                                                                                                            Wien, am 21. April 2010

1017 Wien                                                                                        GZ: BMF-010221/0515-IV/4/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 57. Sitzung des Ministerrates am 20. April 2010 Verhand­lungen mit Jersey zum Abschluss eines Abkommens über den Auskunftsverkehr in Steu­ersachen aufgenommen wurden.

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Trans­parenz und Amtshilfebereitschaft hat sich ein Abschluss eines Abkommens gemäß dem


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 32

neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaustauschs von Bank­auskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                           22. April 2010

1017 Wien                                                                            GZ: BMeiA-RU.8.33.02/0002-I.2a/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 20. Ap­ril 2010 (Pkt. 18 des Beschl. Prot. Nr. 57) der Herr Bundespräsident mit Entschlie­ßung vom 20. April 2010 die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehest möglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-RU.5.26.42/0004-V.1/2010

Abkommen zwischen der Regierung der Republik

Österreich und der Regierung der Russischen

Föderation über wissenschaftlich-technische

Zusammenarbeit; Verhandlungen

V o r t r a g an den M i n i s t e r r a t

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (BGBl. III Nr. 58/1999), welches am 1. April 1999 in Kraft trat, endete am 31. April 2004, da es nur auf fünf Jahre abge­schlossen wurde. Seit dem Jahr 2005 ist die österreichische Seite bemüht, die öster­reichisch-russischen wissenschaftlich-technischen Beziehungen auf eine neue Grund­lage zu stellen. Bisher kam es nur zu einem schriftlichen Textaustausch im Rahmen von Expertengesprächen, die Einigung über einen Abkommenstext steht kurz bevor.

Im Rahmen des Abkommens sollen Mobilitätskosten gemeinsamer Forschungskoope­rationen und Veranstaltungen auf wissenschaftlich-technischem Gebiet durch die bei­den Vertragsparteien auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und unter Berücksichtigung


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 33

nationaler Prioritäten finanziert werden. Dadurch soll neben dem primären Ziel des Ab­kommens, die bilateralen Beziehungen im Wissenschafts- und Forschungsbereich zu fördern, insbesondere die gemeinsame Teilnahme an europäischen und anderen inter­nationalen Forschungsprogrammen stimuliert und ausgebaut werden.

Für die Verhandlung des Abkommens wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Ges. Dr. Hans Martin Windisch-Grätz                    Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiter                                                                                internationale Angelegenheiten

Ministerialrätin Mag. Christine Buzeczki              Bundesministerium für Wissenschaft und

                                                                                                                                                          Forschung

Dr. Christian Gollubits                                                 Bundesministerium für Wissenschaft und

                                                                                                                                                          Forschung

Das geplante Abkommen wird gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter haben und daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 B-VG bedür­fen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung stelle ich den

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Ver­handlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation über die wissenschaftlich-technische Zusam­menarbeit zu ermächtigen.

                                                                                                                                Wien, am 12. April 2010

                                                                                                                                SPINDELEGGER m.p.“

*****

„Josef Pröll                                                                                                       BUNDESMINISTERIUM

Finanzminister                                                                                                                 FÜR FINANZEN

Herrn Präsident

des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament                                                                                                            Wien, am 29. April 2010

1017 Wien                                                                                        GZ: BMF-010221/0505-IV/4/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 58. Sitzung des Ministerrates am 27. April 2010 Verhand­lungen mit Vietnam zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 2. Juni 2008 unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Republik Vietnam zur Vermeidung der Doppelbesteu­erung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll und Annex, BGBl. III Nr. 135/2009, auf­genommen wurden.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 34

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Trans­parenz und Amtshilfebereitschaft hat sich eine Revision des Abkommens zur Anpassung an den neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaustauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„Josef Pröll                                                                                                       BUNDESMINISTERIUM

Finanzminister                                                                                                                 FÜR FINANZEN

Herrn Präsident

des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament                                                                                                            Wien, am 29. April 2010

1017 Wien                                                                                        GZ: BMF-010221/0780-IV/4/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 58. Sitzung des Ministerrates am 27. April 2010 Verhand­lungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und St. Lucia über den Auskunftsaustausch in Steuersachen aufgenommen wurden.

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Trans­parenz und Amtshilfebereitschaft hat sich ein Abschluss eines Abkommens gemäß dem neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaustauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.“

Mit freundlichen Grüßen“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                                                  30. April 2010

1017 Wien                                                                            GZ: BMeiA-CZ.8.33.02/0001-I.2a/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 20. April 2010 (Pkt. 16 des Beschl.Prot. Nr. 57) der Herr Bundespräsident am 26. April 2010 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zusammenar­beit und die zweite Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 35

über die Rechtshilfe in Strafsachen erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehest möglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-CZ.4.36.05/0002-IV.1/2010

Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Ände­rung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Repu­blik über die polizeiliche Zusammenarbeit und die zweite Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen; Verhandlun­gen

V o r t r a g an den M i n i s t e r r a t

Der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit und die zweite Ergänzung des Europäischen Überein­kommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen ist am 14. Juli 2005 unterzeichnet worden und mit 1. Juli 2006 in Kraft getreten (BGBl. III Nr. 121/2006).

Infolge der inzwischen eingetretenen Entwicklungen, insbesondere der Inkraftsetzung des Schengen-Besitzstandes für Tschechien, der Fortentwicklung des Rechtsbestands der Europäischen Union in der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusam­menarbeit in Strafsachen sowie den gestiegenen Anforderungen an die polizeiliche Ar­beit und Zusammenarbeit ist es erforderlich, den bestehenden Vertrag zu ändern bezie­hungsweise zu ergänzen.

Mit dem Protokoll zur Änderung des bestehenden Vertrages soll ein moderner, den ak­tuellen rechtlichen sowie praktischen Notwendigkeiten entsprechender Vertrag geschaf­fen werden, der im bilateralen Zusammenwirken die Effizienz bei der Abwehr von Gefah­ren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie bei der Verhütung und Aufklärung strafbarer Handlungen weiter steigert.

Der österreichischen Verhandlungsdelegation werden neben Vertretern meines Ressorts auch Vertreter/innen des Bundeskanzleramts, des Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministeriums für Justiz angehören.

Das geplante Protokoll wird gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt haben und der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler, der Bundesministerin für Inneres und der Bundesministerin für Justiz und stelle ich daher den

A n t r a g ,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Gesandten Dr. Gerhard Deiss und im Falle seiner Verhinderung Gesandten Dr. Gerhard Ziegler zur Lei­tung der Verhandlungen über ein Protokoll zwischen der Republik Österreich und


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 36

der Tschechischen Republik zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit und die zweite Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechts­hilfe in Strafsachen zu bevollmächtigen.

                                                                                                                                Wien, am 14. April 2010

                                                                                                                                SPINDELEGGER m.p.“

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierungen gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

                                                                                            „BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

                                                                                                                                    WERNER FAYMANN

                                                                                                                                       BUNDESKANZLER

An Herrn

Bundesratspräsidenten

Peter MITTERER

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 3

1010 Wien                                                                                                               Wien, am 3. Mai 2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Unter Bezugnahme auf Art. 23c Abs. 5 B-VG informiere ich Sie, dass die Bundesre­gierung im Rahmen der 57. Sitzung des Ministerrates am 20. April 2010 beschlossen hat, die in der Beilage 2 angeführten Personen zu österreichischen Mitgliedern des Wirt­schafts- und Sozialausschusses der EU für die nächste Funktionsperiode vom 21. Sep­tember 2010 bis zum 20. September 2015 zu nominieren.

Die formelle Ernennung dieser Personen wird gemäß Art. 302 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) nach Einholung einer Stellungnahme der Europäischen Kommission mit qualifizierter Mehrheit durch den Rat der EU erfolgen.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Beilagen“

„BUNDESKANZLERAMT-BUNDESKANZLER

351.000/0014-1/4/10

Pkt. 5 des Beschl.Prot. 57

57. Sitzung des Ministerrates am 20. April 2010

5. Bericht des Bundeskanzlers, ZI. 405.828/0011-IV/5/10, betr. Wirtschafts- und Sozial­ausschuss der EU; Nominierung der österreichischen Mitglieder für dienächste Amts­periode vom 21. September 2010 bis zum 20. September 2015. Der Ministerrat be­schließt im Sinne des Antrages.

                                                                                                                                       Wien, 20. April 2010

  


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 37

                                                                                                                                              Mag. LEITNER“

„Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU:

Liste der österreichischen Kandidatinnen und Kandidaten für die Mandatsperiode vom 21. September 2010 - 20. September 2015

Gruppe I: Arbeitgeber/innen:

Waltraud KLASNIC

Landeshauptmann a. D.

Dr. Johannes KLEEMANN

Mitglied des Wirtschafts- und Sozialausschusses in den Mandatsperioden 2002-2006 und 2006-2010

Mag. Dipl. Ing. Johann KÖLTRINGER

Hauptabteilungsleiter des Österreichischen Raiffeisenverbandes

Mag. Christa SCHWENG

Referentin der Wirtschaftskammer Österreich, Abteilung für Sozialpolitik und Gesund­heit

Gruppe II: Arbeitnehmer/innen:

Mag. Thomas DELAPINA

Geschäftsführer des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen;

Sekretär in der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien

Mag. Wolfgang GREIF

Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier

Bereichsleiter Europa, Konzerne und internationale Beziehungen

Thomas KATTNIG

Gewerkschaft der Gemeindebediensteten

Leiter des Referats für Internationale Verbindungen

Dr. Christoph LECHNER

Leiter der Abteilung Verfassungsrecht und Allgemeine und Internationale Sozialpolitik in der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich

Mag. Oliver RÖPKE

Leiter des Europabüros des ÖGB

Gruppe III: Verschiedene Interessen:

Alfred GAJDOSIK

Vorsitzender-Stellvertreter der Gewerkschaft VIDA

Mag. Gerfried GRUBER

Referent der Landwirtschaftskammer Österreich

Dr. Anne-Marie SIGMUND

Europabeauftragte des Bundeskomitees Freie Berufe Österreichs“

*****

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundes­regierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST                                    Geschäftszahl: BKA-350.200/0060-I/4/2010


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 38

                                                                                                                 Abteilungsmail: mrd@bka.gv.at

                                                                                                             Sachbearbeiterin: Ingeborg HEIM

                                                                                                   Pers. eMail: Ingeborg.heim@bka.gv.at

                                                                                                                                Telefon: 01/531 15/2217

                                                                                                                                     Datum: 20. April 2010

An den

Präsidenten des Bundesrates

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich die Bundesminis­terin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele HEINISCH-HOSEK innerhalb des Zeit­raumes vom 4. bis 11. Mai 2010 in Portugal aufhalten wird. Ihre Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG lässt sie durch Bundesministerin Doris BURES wahrnehmen.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

 


Präsident Peter Mitterer: Eingelangt ist der 33. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jän­ner bis 31. Dezember 2009), der dem Ausschuss für Bürgerrechte und Petitionen zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Gleichfalls eingelangt sind

der Antrag 180/A-BR/2010 der Bundesräte Kneifel, Konecny, Mitterer, Schennach, Zan­gerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrages von Lissabon das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz, mit dem besondere Bestimmungen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments 2009 zu vergebenden Mandaten durch die Bundeswahlbehörde erlassen werden, geändert wer­den (Lissabon-Begleitnovelle), sowie

der Antrag 181/A-BR/2010 der Bundesräte Konecny, Mitterer, Himmer, Schennach, Zan­gerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bun­desrates (Übergangsbestimmungen betreffend die Subsidiaritätsprüfung),

die dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen wur­den und bereits je einen Tagesordnungspunkt der heutigen Tagesordnung bilden.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates sowie jene Anträge 180/A-BR/2010 der Bundesräte Kneifel, Ko­necny, Mitterer, Schennach, Zangerl, Kolleginnen und Kollegen und 181/A-BR/2010 der Bundesräte Konecny, Mitterer, Himmer, Schennach, Zangerl, Kolleginnen und Kolle­gen beziehungsweise jener Bericht, die beziehungsweise der jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gesetzt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 39

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Peter Mitterer: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesra­tes auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mühlwerth und Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend desaströse Finanzsituation der Ge­meinden an den Herrn Bundesminister für Finanzen vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

10.28.161. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz geändert wird (649 d.B. und 663 d.B. sowie 8307/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelangen zu Punkt 1 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Eibinger. Ich darf um den Bericht bitten.

 


10.28.40

Berichterstatterin MMag. Barbara Eibinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz geändert wird, liegt schriftlich vor.

Ich darf daher gleich berichten, dass der Gesundheitsausschuss nach Beratung der Vor­lage am 4. Mai 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag stellt, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hladny. Ich darf sie ans Redner­pult bitten. – Es gilt nun wieder die zehnminütige freiwillige Redezeitbeschränkung.

 


10.29.21

Bundesrätin Waltraut Hladny (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Novelle zum Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz wird beschlossen, dass ein Eingreifen beziehungsweise die Information an die Öffentlichkeit rascher gewährleistet wird, falls gesundheitsschäd­liche Lebensmittel die Gesundheit der Konsumenten gefährden.

Wie wir aus der Vergangenheit erfahren mussten, sind für gesundheitsschädliche Le­bensmittel meist die Unternehmen selbst verantwortlich, wie zum Beispiel im Falle der Firma Prolactal.

Da die Lebensmittelaufsicht nicht in den Kompetenzbereich des Gesundheitsministers fällt, sondern die Länder dafür verantwortlich zeichnen, wird mit dem § 35 der neuen Regelung die Voraussetzung für eine koordinierte Vorgangsweise geschaffen.

Darüber hinaus soll die umfassende Kontrolle der Lebensmittel ein zentraler Schritt sein, der Verunsicherung und dem wachsenden Misstrauen der Konsumentinnen und Kon­sumenten entgegenzutreten.

Die Verbesserung des Verbraucherschutzes und die Verbesserung des Verbraucher­vertrauens dient als wesentliche Grundlage für einen starken Wirtschaftsstandort Ös­terreich und auch dem Schutz der österreichischen Lebensmittel.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 40

Das vorliegende Bundesgesetz ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Meine Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

10.31


Präsident Peter Mitterer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Tief­nig. Ich erteile es ihm.

 


10.31.08

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz kommen teilweise Angleichungen an EU-Recht zustande. Weiters geht es um die Bekämpfung gesundheitsschädlicher Lebensmittel.

Bei dem auch von meiner Vorrednerin angesprochenen Listerienfall in der Steiermark hat Bundesminister Stöger sicherlich zu diesem Zeitpunkt richtig gehandelt. Er hat we­der die Konsumentinnen und Konsumenten verunsichert noch die produzierenden Fir­men in Schwierigkeiten gebracht. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP sowie Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.) Erst als sicher festgestanden ist, wer der Verursacher ist, wur­de rasch und effizient gehandelt. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

In Zukunft werden aber Unternehmungen stärker kontrolliert werden müssen und diese auch ihre Eigenkontrolle verbessern müssen. Dies ist auch in diesem Gesetz veran­kert.

Ich meine, dass wir mit diesem Gesetz eine tatsächliche Verbesserung zustande brin­gen, auch was die stärkere und frühere Information der Bevölkerung betrifft. Es ist bes­ser, präventiv zu wirken und in die Zukunft zu schauen, sodass wir, wenn wiederum solche lebensmittelbedingte Krankheiten ausbrechen, schneller informieren können.

Der jährliche Lebensmittelbericht ist auch ein Schritt in die richtige Richtung.

Eine Frage hätte ich noch: Hatten die Personen, die an Listerien erkrankt oder gestor­ben sind, schon Vorerkrankungen, oder waren noch sonstige Einwirkungen der Grund für diese schwerwiegenden Erkrankungen?

Ein weiterer Punkt, weil zurzeit auch das Gütezeichengesetz in Behandlung ist: Für mich und für die meisten Österreicherinnen und Österreicher – das hat auch unser Konsu­mentenschutz gezeigt – sind zwei Kennzeichen wichtig: Das ist das AMA-Gütezeichen und das ist das AMA-Biozeichen. Wir sollten daher nicht durch zusätzliche Kennzeich­nungen unsere Konsumenten verunsichern.

Eine Petition aus dem Bezirk Braunau an die vier mit der Materie befassten Ministerien war diesbezüglich auch sehr aufschlussreich. Da möchte ich auch der Kollegin Mosba­cher noch einmal danken, dass sie hier mitgewirkt hat, dass diese Petition auch im Petitionsausschuss behandelt wurde. Es wurde in dieser Petition aufgezeigt, dass zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher eine klare Kennzeichnung von Lebens­mitteln fordern und 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher auch im Gastro­nomiebereich eine klare Lebensmittel-Kennzeichnung sehen wollen.

Ich danke auch Ihnen, Herr Bundesminister Hundstorfer, dass Sie eine sehr profunde Stellungnahme dazu abgegeben haben, basierend auf Ihren Nachforschungen aus dem Konsumentenschutzbereich, die sicherlich zu Klarheit beiträgt.

Aber gefordert ist in Zukunft der Gesundheitsminister Stöger, der jetzt rasch handeln soll, dass unsere Konsumentinnen und Konsumenten sichere Lebensmittel in Zukunft erhalten und diese auch eindeutig gekennzeichnet sind. Auf jeden Fall soll hier keine Verunsicherung auftreten. Ich bitte daher, dass diese zwei Kennzeichen – das AMA-Gütesiegel und das Bio-Zeichen der AMA – als die Hauptkennzeichen für Qualität aus Österreich auch in Zukunft beibehalten werden.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 41

In diesem Sinne sage ich ein Dankeschön für die Unterstützung meiner Petition. – Wir stimmen natürlich diesem Gesetzentwurf sehr gern und dankend zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bit­te, Herr Kollege.

 


10.34.52

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die Lebensmittelsicherheit wird mit diesen Bestim­mungen verbessert. Die Listerien-Causa rund um den verunreinigten Quargel hat meh­rere Tote gefordert, und das ist auch der Grund, warum das Lebensmittelsicherheits­gesetz novelliert wird. Holländische Frischmilch, deutscher Topfen und eine Verarbei­tung in der Steiermark führten zu einem „Hartberger Bauernquargel“, der mit Listerien verunreinigt war. Die Quargel-Affäre hat deutlich gezeigt, dass hinsichtlich des bishe­rigen Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes unbedingter und erheb­licher Verbesserungsbedarf besteht.

Bevor nicht durch ein amtliches Gutachten die Gesundheitsschädlichkeit eines Lebens­mittels eindeutig festgestellt worden war, waren dem Gesundheitsministerium keinerlei Maßnahmen erlaubt. In Zukunft ist das Gesundheitsministerium verpflichtet, bereits bei begründetem Verdacht eines lebensmittelbedingten Krankheitsausbruches eine öffent­liche Warnung durch die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit zu veran­lassen. Diese Information erfolgt, sofern Personen erkrankt sind und weitere Gefährdun­gen nicht ausgeschlossen werden können.

Ein weiterer Punkt dieser Novelle ist die künftige alleinige Zuständigkeit der AGES zur Festsetzung, Änderung und Streichung von Rückstandshöchstwerten in Lebensmitteln. Der Gesundheitsminister ist in Zukunft auch verpflichtet, jährlich einen Lebensmittel­sicherheitsbericht zu veröffentlichen, der alle Prüfungen, alle Beurteilungsgrundsätze und Kontrollergebnisse mit Beschreibung der Vorgangsweisen der Lebensmittelbehör­den und der AGES genau darstellt. Diese Maßnahme soll insbesondere dem Verbrau­cher eine bessere Transparenz bieten und ihn über aktuelle Lebensmittelkontrolle und Lebensmittelkontrollergebnisse auf dem Laufenden halten.

Mit Inkrafttreten dieser Novelle haben auch Lebensmittellabors, die Analysen für Unter­nehmen durchführen, die Pflicht, die AGES über Isolate und Keime, falls diese melde­pflichtige Krankheiten auslösen könnten, zu informieren. Eine derartige Informations­pflicht bestand in der bisherigen Fassung nur für den Unternehmer.

Insgesamt sind mit diesem längst fälligen Gesetzesantrag zur Änderung des Lebensmit­telsicherheitsgesetzes viele Maßnahmen umgesetzt worden, die theoretisch sehr sinn­voll klingen. Diese Gesetzesnovelle soll die Vermittlung von Informationen an die Be­völkerung beschleunigen. Diese neuen Regelungen führen zu mehr Transparenz und Sicherheit für die Konsumenten. Und die Behörde kann auch ohne Gesundheitsschäd­lichkeitsgutachten handeln und den Produktionsstopp, die Rückholung von Produkten und das Sperren des Betriebes anordnen.

Die Behörde wird auch in Zukunft verpflichtet sein, bereits bei Bestehen eines dringen­den Verdachtes, dass ein Lebensmittel eine Krankheit auslöst, eine öffentliche Warnung zu veranlassen. Diese Warnung erfolgt durch die AGES.

Die Behörde konnte bis dato nur bei Vorliegen eines amtlichen Gutachtens „gesund­heitsschädlich“ warnen und auch nur dann, wenn die Warnung des Unternehmens aus­blieb. Die Verpflichtung des Unternehmens, ebenfalls zu warnen, bleibt aber von dieser Bestimmung unberührt.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 42

Wie bereits angeführt, müssen in Zukunft auch Lebensmittellabors, die für Unterneh­men im Rahmen der verpflichtenden Eigenkontrollen Analysen durchführen, bei Vorlie­gen von Isolaten und Keimen, die meldepflichtige Erkrankungen auslösen können, die AGES verpflichtend verständigen. Es bleibt abzuwarten, ob in der Praxis die angestrebte Zielsetzung dieser Regierungsvorlage, nämlich eine raschere Informationsvermittlung von der Behörde an den Konsumenten, erreicht werden kann.

Wir finden diese Novellierung unbedingt notwendig und werden daher dieser Novel­lierung auch unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesra­tes Dönmez.)

10.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangt Herr Bundesrat Sodl zu Wort. – Bit­te, Herr Kollege.

 


10.40.00

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der heutigen Novellierung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher­schutzgesetzes geht es, wie auch die Vorredner schon angesprochen haben, um die Bekämpfung gesundheitsschädlicher Lebensmittel.

Dieses Gesetz sieht mehrere positive Regelungen vor. Dies wurde einerseits in der Regierungsvereinbarung seitens der ÖVP und der SPÖ beschlossen, andererseits gab es im Nationalrat einen einstimmigen Fünfparteienantrag.

Einer der Kernpunkte ist, dass in Zukunft ein rascheres Eingreifen beziehungsweise eine schnellere Weitergabe von Informationen an die Öffentlichkeit gewährleistet ist. Dies ist dann der Fall, wenn der begründete Verdacht eines lebensmittelbedingten Krankheitsausbruches besteht und ein Zusammenhang mit konkreten Lebensmitteln festgestellt werden kann. Diese Information erfolgt, wenn Personen erkranken und wei­tere Gefährdungen nicht auszuschließen sind. Der aus konsumentenschutzpolitischer Sicht wichtigste Teil enthält die erweiterte Informationsverpflichtung des Bundesminis­ters für Gesundheit, der unter bestimmten Voraussetzungen erstmals die Öffentlichkeit informiert.

Bei aller Anregung, Diskussion und Kritik möchte ich schon festhalten, dass vorrangig Produzenten und Unternehmen verantwortlich sind, in denen Lebensmittel kontaminiert werden, denn jedes Unternehmen hat die Verpflichtung, die von ihm produzierten Le­bensmittel zu kontrollieren und die beste Qualität anzubieten.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte schon darauf hinweisen, dass wir her­vorragende Lebensmittel in Topqualität und Spezialitäten in unserem Land produzieren. Ich darf hier zwei Beispiele nennen. Jede Region hat Produkte von herausragender Qualität und Einzigartigkeit. Wenn man sich in allen Bundesländern zum Beispiel je­weils die Genussregion ansieht, so ist es eines der Hauptkriterien, dass der Rohstoff für die regional typischen Spezialitäten aus der Region kommt und von bäuerlichen Familienbetrieben, Erzeugergemeinschaften oder regionalen Gewerbebetrieben verar­beitet wird. Weiters muss der Qualitätsstandard des Leitproduktes bekanntgegeben und erfüllt werden. Die Vermarktung oder die Direktvermarktung erfolgt in der Region. Das ist natürlich für den ländlichen Raum enorm wichtig. Erstens werden Arbeitsplätze ge­schaffen oder bleiben erhalten, zweitens bleibt die Wertschöpfung in der Region.

Auch bei mir im Südburgenland haben sich über 30 Topgenussbetriebe unter dem Quali­tätszeichen „Ein Stück vom Paradies“ zusammengeschlossen und setzen damit einen neuen Impuls in Sachen Kulinarik und Gastlichkeit. Hinter „Ein Stück vom Paradies“ stehen Menschen mit großer Leidenschaft für das Gebiet und seine Produkte. Das Be­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 43

sondere daran ist die persönliche Beziehung, die jeder Wein- und Feinschmecker zu den Herstellern der südburgenländischen Köstlichkeiten aufbauen kann. Das ist bei Veran­staltungen wie beispielsweise dem Genussfestival „Komm ins Paradies!“, organisierten Reisepaketen, maßgeschneiderten „Paradies“-Bustouren, speziellen „Paradies“-Erleb­nisangeboten und individuellen Ausflügen möglich. Die „Paradies“-Betriebe empfangen gerne Gäste zu Besichtigungen und zu Verkostungen. Eine Genusstour bringt Land und Leute des Südburgenlandes näher. Diese Verbindung von Kulinarik und Touristik macht die Marke so einzigartig und auch einmalig.

Das Qualitätszeichen „Südburgenland – ein Stück vom Paradies“ bürgt für die Qualität und die Originalität. Jede Produkt wird nach objektiven Kriterien hier behutsam ausge­sucht.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem der Kollege Zwanziger eingeladen hat, nach Klagenfurt zur Messe zu kommen, würde es auch mich freuen, wenn ich Sie als Gast in unserer Region begrüßen dürfte und Sie sich von unserer Kulinarik und Gastlich­keit überzeugen könnten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Ja, das nehmen wir an! Da kommen wir gern, Wolfgang!)

10.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Diesner-Wais. – Bitte, Frau Kollegin.

 


10.45.00

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren im Bundesrat! Heute geht es um ein wichtiges Thema, denn Lebensmittelsicherheit betrifft uns einfach alle, egal ob Jung oder Alt, und es gab auch im Ausschuss schon Interesse dazu.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich hätte eine Bitte zu Beginn, und ich möchte auch, dass Sie diese an den Herrn Bundesminister Stöger weiterleiten. Wir haben vor zwei Tagen den Ausschuss gehabt, und da hätte es auch einige Fragen gegeben, aber es war kein zuständiger Beamter da. Meine Bitte daher, dass es in Zukunft eben so ist, dass zuständige Beamte vom Ministerium da sind, um auch Fragen beantworten zu kön­nen.

Jetzt zum eigentlichen Thema kommend: Wenn wir Produkte direkt vom Bauern kau­fen, dann ist die Rückverfolgbarkeit einfach gegeben. Wir wissen genau, wo es erzeugt, wo es produziert wurde. Das ist aber natürlich nicht für alle Bürger und auch nicht für alle Produkte möglich, daher sind Lebensmittelsicherheit und auch die damit verbunde­ne Kontrolle etwas ganz Besonderes. Unsere Betriebe – Herr Kollege Sodl, Sie haben es schon angesprochen – sind natürlich überaus bestrebt, auch Eigenkontrolle durch­zuführen, um unseren Bürgern Lebensmittel auf höchstem Niveau und in bester Quali­tät zur Verfügung zu stellen.

In diesem Gesetz geht es darum, eine EU-Anpassung zu vollziehen, und auch der Fünf-Parteien-Antrag des Nationalrates wird hier wieder ein Stück weiter umgesetzt.

Durch den Listerienfall in Hartberg wurde uns vor Augen geführt, dass es eben noch Schwachstellen gibt, die verbessert gehören. Deshalb ist in diesem Gesetz ein Punkt enthalten, nämlich die Regelung des Qualitätsmanagements. Die Lebensmittelkontrolle ist ja Ländersache, aber mit diesem Gesetz soll ein einheitliches Qualitätsmanagement, eine koordinierte Vorgangsweise und eine Bündelung bei der AGES stattfinden, damit auch der Verantwortungsbereich genau geregelt ist. Nun ist es natürlich auch wichtig, dass man die AGES so ausgestaltet, dass sie den neuen Herausforderungen auch ge­recht werden kann.

Wichtig, glaube ich, ist auch der Punkt, dass künftig alle Labors, die zum Beispiel einen Listerienfund tätigen, verpflichtet sind, ihn mindestens binnen zwei Tagen an die AGES


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 44

zu melden. Nun besteht auch die Informationspflicht des Gesundheitsministers, wenn ein begründeter Verdacht auf eine Gemeingefährdung durch ein Lebensmittel besteht, und das ist natürlich auch eine gute Sache, denn da hat er die Möglichkeit, bestens und schnellstens zu informieren.

Positiv ist auch, dass es mit dieser Gesetzesänderung jetzt jährlich einen Lebensmittel­sicherheitsbericht geben wird, aus dem man die jeweiligen Maßnahmen, die gesetzt wor­den sind, auch transparent ersehen kann.

Sorgsam ist auch die Importkontrolle durchzuführen. So werden künftig die Grenztier­ärzte besonders geschult, damit sie Lebensmittel, vor allem tierische Lebensmittel, ent­sprechend kontrollieren können. Dies ist besonders notwendig zum Schutz und zur Si­cherheit unserer Konsumenten und Konsumentinnen. Wichtig für die Zukunft ist auch, dass wir die Herkunftsbezeichnung und auch die Lebensmittelqualitätsbezeichnung ge­nau umsetzen, denn der Konsument muss wirklich klar erkennen können, woher das Produkt stammt, und nicht nur, wo die höchste Wertschöpfung erfolgt ist.

Vorbild dafür ist, glaube ich – das ist ein gutes Zeichen; mein Kollege hat es schon an­gesprochen –, das AMA-Gütesiegel, das wir auch in Zukunft verstärkt und für alle Pro­dukte verwenden sollen, denn hier wird die Herkunft klar geregelt, und auch Qualitätskri­terien sind drinnen.

In diesem Sinne, glaube ich, ist dieses Gesetz ein gutes Gesetz, und wir stimmen dem natürlich auch zu. (Beifall bei der ÖVP.)

10.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.48.57

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Der Redner kommt mit einem Päckchen Buttermilch zum Rednerpult.) Keine Angst, ich werde jetzt nicht zu jausnen anfangen. Ich möchte meine Ausführungen mit einem Zitat beginnen:

Wir machen mehr aus Milch. Wir bieten Ihnen neben Milch und Molkereiprodukten vor allem erstklassige Mischungen von Milchderivaten. – Dieses Zitat stammt von der Home­page der Firma Prolactal. Das ist die Firma – worüber wir heute auch schon gespro­chen haben –, die den verseuchten Bauernquargel hergestellt und vertrieben hat.

Prolactal macht sozusagen mehr aus Milch, zum Beispiel macht sie Milchderivate und Kaffeeweißer. Es stellt sich die Frage, warum man überhaupt Milchweißer benötigt, und insbesondere in dem Kontext, warum diese Firma dafür dann auch noch Agrarsubven­tionen kassiert.

Eine andere Frage habe ich auch schon von diesem Rednerpult aus gestellt: Wieso steht überhaupt „Bauernquargel“ drauf, wenn dieses Produkt niemals einen Bauernhof gesehen hat? Warum steht auf einem Käse „Hartberg“ drauf, der niemals in Hartberg war und auch nicht aus Österreich stammt? – All diese Fragen stellen sich, wenn wir über die Sicherheit unserer Lebensmittel debattieren, auch im Kontext des Verbraucher­schutzes.

Mit der heutigen Reform des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes werden diese Missstände nicht beseitigt. Der Informations- und Kommunikationsfluss zwischen Unternehmen und Behörden wird aber beschleunigt, und das dient der Sicher­heit der Konsumentinnen und Konsumenten. Deswegen werden wir der Änderung zu­stimmen, denn es ist zumindest ein kleiner, wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Aber erlauben Sie mir, werte Kolleginnen und Kollegen, etwas weiter auszuholen. (Bun­desrat Mag. Klug: Oje!) Unser Essverhalten beeinflusst den gesamten Planeten in wirt­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 45

schaftlicher, sozialer und ökologischer Weise (Bundesrat Mag. Klug: Den beeinflusst vieles!), und das Thema Ernährung äußert sich wirklich in sehr vielen spannenden an­deren gesellschaftlichen Bereichen. Wir haben auf der einen Seite die Gesundheitspo­litik, die auf langzeitliche Folgeschäden von Überernährung reagieren muss, und diese Überernährung in Europa und anderen Industriestaaten hat viele verschiedene Ursa­chen. Eine davon ist eine nicht ausreichende Lebensmittelkennzeichnung, die wir schon jahrelang fordern. Aber auch die konventionelle Agrarpolitik, die eine Industrialisierung der Landwirtschaft favorisiert, spielt hier eine wesentliche und entscheidende Rolle.

Die österreichische Agrarpolitik agiert nicht im Sinne unserer Bauern und Bäuerinnen, sondern im Sinne der überregionalen industrialisierten Nahrungsmittelunternehmen und -konzerne. Ich behaupte das deswegen, weil ich mir angeschaut habe, was ein Lebens­mittelkonzern an Förderungen absahnt und mit wie viel Gewinn er rechnen kann und was im Gegensatz dazu ein kleiner Milchbauer im Alpenvorland verdient.

Der kleine Milchbauer hat die Arbeit und kann eigentlich ohne Förderungen gar nicht mehr überleben. Würde die konservative Standesvertretung der Bauern ihre Klientel wirklich vertreten und unterstützen, müsste sie vor allem bei der Lebensmittelkennzeich­nung ansetzen. Ich habe mir heute in der Früh wie des Öfteren ein Produkt gekauft, Schärdinger Milch mit einem AMA-Gütesiegel, und da steht drauf: Buttermilch aus pas­teurisierter Milch. – Dass da kein Biodiesel drinnen ist, ist uns, glaube ich, allen klar, aber mich würde schon interessieren, woher die Milch stammt. Wir wissen bei dem Gütesiegel, dass da die Bauern zuliefern, die in der Region sind. Das ist ein guter Schritt, und deswegen kostet dieses Produkt auch um einiges mehr als das Produkt, das da­neben steht und vielleicht um die Hälfte billiger ist, wo man aber nicht nachvollziehen kann, woher die Milch stammt, ob die aus Österreich stammt oder aus Bulgarien oder von sonst wo importiert worden ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Na ja, bei der Lebensmittelkennzeichnung haben wir es immer noch nicht geschafft, end­lich draufzuschreiben, was wirklich drinnen ist, und als Konsument interessiert es jetzt nicht nur mich, sondern auch Sie, glaube ich, und jene, die im Geschäft einkaufen, wo­her die Produkte stammen. Es gibt Tomaten, die in der Sahelzone angebaut, dann von internationalen Lebensmittelkonzernen nach Europa exportiert und dort in Fertig- und Halbprodukten versteckt werden, aber niemand soll es wissen, weil wahrscheinlich nie­mand diese Tomaten haben möchte, weil man das Gefühl haben würde, man würde den Menschen dort etwas wegessen. Die Liste dieser versteckten Lebensmittel aus Hun­gergebieten ist ziemlich lang. Und wir sind gefordert, nicht nur den Käse aus Hartberg zu hinterfragen und richtig zu kennzeichnen, sondern wir sollten auch wissen, wenn wir Brot kaufen, woher der Weizen dafür kommt. Das interessiert die Mehrheit der Konsu­menten und Konsumentinnen.

Ganz kurz zurück zum Thema Ernährung: Die Überernährung und Überproduktion in Europa hängen ja auch damit zusammen, dass die Bauern und Bäuerinnen von ihrer Standesvertretung jahrelang empfohlen bekommen haben, einfach mehr zu produzie­ren. Wie kann man mehr produzieren, wenn der Boden nicht ertragreicher ist? Man muss mehr düngen, man muss mehr Pestizide einsetzen, man muss mehr Futtermittel hinzukaufen.

Der Bauernbund und seine Vertreter hören das nicht so gerne, und ich weiß das, aber die Losung „Wachse oder weiche!“, die der Österreichischer Bauernbund jahrelang gepredigt hat, erweist sich als vollkommen falsche Strategie (Beifall bei den Grünen), und ich kann nur hoffen, dass der Bauernbund eine neue, bessere Losung ausgibt, denn die Landwirtschaft in Österreich steht wirklich vor neuen Herausforderungen. Die kon­ventionelle Intensivlandwirtschaft ist ein Schuss ins Knie, denn im Wesentlichen erkauft sie sich kurzfristige Ertragsmaximierungen mit einem hohen Aufwand an Dünger- und Pestizideinsatz.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 46

Da haben wir auf der einen Seite Milliarden von Menschen, die unterernährt sind, de­nen wir Rohstoffe, meist in Form von Billigstfuttermitteln, mehr oder weniger stehlen, um sie dann in Europa in viel zu viele und meist noch ungesündere Nahrungsmittel hi­neinzustecken und diese zu produzieren, und weil wir so viel Nahrungsmittelschrott pro­duzieren, brauchen wir auf der anderen Seite dann gesetzliche Regelungen, die garan­tieren, dass von Lebensmitteln keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Schä­digungen ausgehen. Bitte, das müssen wir uns einmal auf der Hirnrinde „zergehen" las­sen! Da wird einem regelrecht schlecht.

Auf der anderen Seite schaffen wir dadurch aber auch eine enorme Überproduktion in Europa, die wir dann wieder mit Hilfe von Subventionen in die Hungergegenden der Welt exportieren und die lokalen bäuerlichen Märkte in diesen Ländern ruinieren. Das ist die hoch subventionierte europäische Agrarpolitik!

Da darf ich Sie schon fragen: Wer profitiert von diesem System? – Das ist nicht nur ein Hirngespinst der Grünen oder von mir, sondern Erwin Wagenhofer, ein sehr erfolgrei­cher österreichischer Regisseur, hat einen Film herausgegeben, und das ist das Buch dazu. (Der Redner hält ein Buch mit dem Titel „We Feed The World“ in die Höhe.)

Ich würde unseren Kolleginnen und Kollegen von der Bauernstandesvertretung wirklich nahelegen, es zu lesen, denn es ist äußerst interessant und spannend. (Bundesrat Per­hab: Ist das auch wahr, was da drinnen steht!) Das ist Wahrheit! Wenn man daran nicht glaubt, dann ist man weg von der Realität, Herr Kollege. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) Ich zitiere weiter: „Hunger ist meistens die Folge von politi­schem Versagen.“ Punkt. „Der Einsatz von Gentechnik wird daran nichts ändern. Im Gegenteil: Er wird mehr Bauern in eine Abhängigkeit von den großen Saatgutfirmen brin­gen, weil sie nicht mehr in der Lage sein werden, ihr Saatgut selbst zu erzeugen.“

Lesen Sie das Buch, es ist wirklich sehr spannend!

Die Frage stellt sich: Profitieren unsere Bauern und Bäuerinnen davon? Wenn ich mir die Entwicklung in Österreich anschaue, dann habe ich nicht das Gefühl, dass es un­serer Landwirtschaft zugute kommt. Im Gegenteil: Wir müssen unsere solide bäuerli­che Landwirtschaft gegen global agierende Großkonzerne schützen. Je intensiver ich mich mit Ernährung und Landwirtschaft auseinandersetze, desto mehr bekomme ich den Eindruck, dass man teilweise auch die Bauern vor ihren Vertretern schützen muss. (Hei­terkeit und Beifall bei Grünen und SPÖ sowie des Bundesrates Ertl.)

Die Landwirtschaft und die Ernährung sind die wichtigste Grundlage der menschlichen Gesundheit, aber auch eine wesentliche Krankheitsursache, in den reichen Ländern genauso wie in den armen Ländern. Leiden und frühzeitiger Tod von Milliarden Men­schen können durch gesunde Ernährung, sichere Lebensmittelproduktion und nachhal­tige Landwirtschaft verhindert werden. Dies sind die entscheidenden Faktoren für wirt­schaftlichen Aufschwung in den Entwicklungsländern, und sie sind das beste Rezept, um die ausufernden Kosten des Gesundheitswesens in den Industrieländern einzudäm­men.

Ein wichtiger Beitrag dazu ist, die Lebensmittelkennzeichnung zu revolutionieren, indem wir wirklich ganz einfach draufschreiben, was auch tatsächlich drinnen ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Tiefnig. – Bitte, Herr Kollege. (Bundesrat Mag. Klug: Jawohl, jetzt kommt wieder ein Bauernvertreter!)

 


10.58.34

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Es ist hochinteressant, was der Kollege Dönmez aus Oberösterreich sagt, denn ich glaube, er lebt in einem Bundes­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 47

land, wo die Genussregion einen hohen Stellenwert hat, in einem Bundesland, wo die Agrarpolitik, die oberösterreichische Agrarpolitik unter Landesrat Dr. Josef Stockinger, sich für die Gentechnikfreiheit einsetzt. Durch unseren Landesrat Stockinger ist es er­reicht worden, die europäischen Regionen für Gentechnikfreiheit überhaupt zu interes­sieren. Du aber sprichst von Sachen, in denen du dir widersprichst, von Förderungen, die für die Bauern nicht ausbezahlt werden, und dann von der industriellen Landwirt­schaft, die durch Förderungen noch mehr subventioniert wird.

Also ich weiß nicht, ob du eine Ahnung von der Landwirtschaft hast. Oder hat dir das jemand aufgeschrieben? Du hast ein Produkt von Schärdinger mitgehabt. Da ist das AMA-Gütesiegel drauf, und das AMA-Gütesiegel – das habe ich vorher gesagt – spricht für 100 Prozent Österreich, und ich kann garantieren, dass das für dieses Produkt zu­trifft. Du vermischst das Prolactal-Produkt mit dem AMA-Gütesiegel, du trägst zur Ver­unsicherung der Konsumentinnen und Konsumenten bei.

Lieber Kollege Dönmez, hol dir nächstes Mal die Information beim Bauernbund (lebhaf­te allgemeine Heiterkeit), denn da wirst du richtig beraten – und nicht bei deinen Kolle­gen, die heute fordern, dass wir alles weglassen sollen! Schau zurück in die sechziger Jahre! Da hat Österreich sich nicht einmal selbst versorgen können.

Wir brauchen die Entwicklung in der Landwirtschaft, auch den Kunstdünger brauchen wir. Sollten wir wieder alles biologisch produzieren, wären wir genauso weit wie die Ent­wicklungsländer. Gott sei Dank ist Österreich in der bäuerlichen Landwirtschaft diesen Weg gegangen. Schau in andere Länder, lieber Kollege! Wo sind noch Kleinbetriebe in dieser Struktur, wie sie in Österreich vorherrschen? Informiere dich in Zukunft und dann stell dich hierher und sprich über die österreichische Agrarpolitik! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.00


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundes­rätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.00.28

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt nur einiges rich­tigstellen und sagen, lieber Kollege Tiefnig: Zuhören wäre schon hilfreich!

Herr Dönmez hat gesagt, es ist lobenswert, dass man ein AMA-Gütesiegel hat. Ande­rerseits gibt es billigere Produkte, und das ist nicht so lobenswert und erstrebenswert. Also bitte, das war mehr oder weniger ein Lob für das AMA-Gütesiegel. Weshalb dann die Aufregung? Das verstehe ich überhaupt nicht!

Jetzt einmal ganz ehrlich! Was denken Sie, wenn Sie bei Spar, bei Hofer oder sonst wo einkaufen? Also ich ärgere mich jedes Mal. Bei Spar bekommt man Knoblauch aus China, das Baguette aus Frankreich, direkt importiert. Schaut euch an, woher die Pro­dukte kommen! Es steht aber nicht vorne drauf, sondern hinten auf einem kleinen Pi­ckerl steht dann ganz unten, beinahe nur mit Lupe lesbar, woher es kommt. Ich denke, das sind Produkte, die man täglich kauft, die in großen Mengen importiert werden, und ich denke dabei auch an die CO2-Belastung, die dadurch entsteht, et cetera. Es ist da­her nicht abwegig, zu sagen, eine wirklich offensichtliche Kennzeichnung, damit man gleich auf den ersten Blick sieht, woher das Produkt kommt, was drinnen ist, wäre er­strebenswert. Natürlich haben wir das AMA-Gütesiegel, aber in vielen Fällen gibt es eben außerdem noch Dinge, die man kennzeichnen sollte. Es ist daher nicht so abwe­gig, das auch einmal anzusprechen, wie Herr Kollege Dönmez das gemacht hat. (Bei­fall der Bundesräte Dönmez und Podgorschek.)

11.01



BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 48

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Hunds­torfer. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


11.02.03

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstor­fer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst Minister Stöger ent­schuldigen, dass er heute nicht kommen konnte, und mich auch im Namen seines Mi­nisteriums dafür entschuldigen, dass bei der Ausschusssitzung niemand von dort an­wesend war. Ich gehe davon aus, dass das zum letzten Mal passiert ist, dass das nächs­te Mal jemand dabei sein wird. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: ... Disziplinar­verfahren! – Bundesrat Mag. Klug: Ja, da sind wir auch dafür!)

Noch einmal: Dem Bundesrat gehört Hochachtung entgegengebracht, das Ministerium muss da sein. – Punkt. Ende.

Herr Abgeordneter Dönmez, ich kann Ihnen nur Folgendes anbieten: Die Sozialdemo­kratischen Bauern, eine ... (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Dönmez, wollen Sie wissen, warum ich das gesagt habe? – Ein biss­chen Ironie im Leben muss ja drin sein. – Sie kommen aus einer im Verhältnis nicht gerade großen Partei, und auch die Sozialdemokratischen Bauern sind es gewohnt, Min­derheit zu sein. Zwei Minderheiten gemeinsam können sehr kreativ sein! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Zwanziger: Die waren aber auch schon einmal größer!) – Habe ich ja gesagt. Aber ich möchte mich auf diese „fachliche“ Diskussion nicht mehr weiter einlassen.

Meine Damen und Herren, es ist schon gesagt worden, dass wir in der Landwirtschaft eine gewisse Industrialisierung haben. Das ist kein Geheimnis. Dass wir teilweise auf­grund der nicht vorhandenen Transportkosten Produkte hin und herführen – was hin­terfragbar ist –, darüber sind wir uns alle einig. Ich glaube, Österreich geht mit der Ent­wicklung von Genussregionen einen richtigen Weg, weil dadurch zumindest gewisse Transportkosten vermeidbar sind, wenn diese Genussregionen wirklich gelebt werden. Ich glaube, wir gehen damit in die richtige Richtung.

Ich sage es jetzt sehr salopp, denn ich verstehe es auch nicht: Beispiel Kärntner Fleisch­fabrik. Das Rindfleisch kommt aus der Steiermark, wird in einer Kärntner Fleischfabrik verarbeitet, unter anderem zu Leberknödeln, die Leberknödel werden schockgefroren, werden nach Linz geführt, kommen in Linz in die Dose, und drauf steht dann „Inzers­dorfer“. Ich verstehe das auch nicht ganz, aber ich sage ganz offen: weil halt die Trans­portkosten nichts ausmachen.

Herr Bundesrat Tiefnig, Sie haben gefragt, ob die betroffenen Personen Vorerkrankun­gen hatten oder nicht. Kollege Stöger hat Ihnen eine Antwort gegeben, die anders nicht möglich ist. Wir können Ihnen aus Datenschutzgründen nicht sagen, was diese Men­schen hatten beziehungsweise nicht hatten. Wie alt diese Menschen waren, wissen Sie selbst, das war überall nachlesbar. Wir können aber keine ärztlichen Befunde von die­sen betroffenen Personen weitergeben; ein Teil davon hat nicht einmal in Österreich ge­lebt. – Das nur dazu.

Inhaltlich ist alles gesagt worden, ich brauche dazu nichts mehr zu sagen. Ich möchte Sie noch einmal ersuchen, die Entschuldigung des Kollegen Stöger, die ich Ihnen jetzt noch einmal übermittle, anzunehmen. Das ist wirklich eine unangenehme Sache. Wir werden daher auch intern dafür sorgen, dass immer jemand anwesend ist, wenn der Bundesrat tagt. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundes­rates Zwanziger.)

11.05



BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 49

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.06.032. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung in Insolvenzordnung umbenannt und gemeinsam mit dem Insolvenzrechtseinführungsgesetz, dem Gerichtsgebührengesetz, dem Ge­richtlichen Einbringungsgesetz, dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, dem IEF-Service-GmbH-Gesetz, dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, dem Landarbeitsgesetz 1984 und der Gewerbeordnung 1994 geändert wird sowie die Ausgleichsordnung aufgehoben wird (Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 – IRÄG 2010) (612 d.B. und 651 d.B. sowie 8302/BR d.B. und 8304/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu Punkt 2 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. Ich bitte sie um den Bericht.

 


11.06.30

Berichterstatterin Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung in Insolvenzordnung umbenannt und gemeinsam mit dem In­solvenzrechtseinführungsgesetz, dem Gerichtsgebührengesetz, dem Gerichtlichen Ein­bringungsgesetz, dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, dem IEF-Service-GmbH-Ge­setz, dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, dem Landarbeitsgesetz 1984 und der Gewerbeordnung 1994 geändert wird sowie die Ausgleichsordnung aufgehoben wird (Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 – IRÄG 2010), liegt in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 4. Mai 2010 in Verhandlung genommen.

Ich komme nun zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2010 mit Stimmenein­helligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Ich begrüße zu diesem Tagesordnungspunkt sehr herzlich in unserer Mitte Frau Bundes­ministerin Bandion-Ortner. (Allgemeiner Beifall.)

Ich erteile dem ersten Redner das Wort. – Bitte, Herr Kollege Perhab.

 


11.07.59

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir noch einen Satz zur vorigen Debatte. Herr Kollege Dönmez, die österreichische Landwirtschaft ist schon vor Jahren als Delikatessenladen Europas angetreten. Sie ist unverzichtbarer Bestand­teil der österreichischen Tourismuswirtschaft. Nicht zuletzt die Initiativen dieser kon­servativen Standesvertretung, wie Sie das nennen, haben dazu geführt, dass die Bau­ernschaft in Österreich auch Zukunftschancen hat.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 50

Herr Kollege Dönmez, Sie sprechen immer von Förderungen und Subventionen. – Ich möchte als selbst noch bäuerlicher Grundbesitzer dazu sagen: Das sind Ausgleichszah­lungen zum Weltmarktpreis und für die Landschafts- und Kulturpflege. Also hören Sie einmal auf mit diesen Sprüchen über Subventionen, Förderungen! Seien wir froh, dass wir den Bauernstand erhalten und die Landwirtschaft fördern, die auch Österreichs Landschaft pflegt. Ich meine, sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil des österreichischen Tourismus, auch im Sinne der österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP so­wie des Bundesrates Zwanziger. – Bundesrat Schennach: ... Biobauernbetriebe in Österreich! ... der bäuerlichen Betriebe!)

Herr Kollege Schennach, Sie beobachten, glaube ich, auch die österreichische Öffent­lichkeit. Wenn man heute einem österreichischen Staatsbürger ein Mikrofon hinhält und fragt: Kaufen Sie Bioprodukte?, sagt er: Selbstverständlich, auf alle Fälle! Am nächsten Tag fährt er dann mit seinem Auto zu einem 20, 30 Kilometer entfernten Supermarkt, weil dort die Milch um 20 Cent billiger ist. Das ist auch Realität! Man kann den Konsu­menten da nicht ganz freisprechen. Bei jeder noch so geringen Preiserhöhung in Öster­reich, zum Beispiel bei der Milch, aber schlägt die Arbeiterkammer Alarm und schreit, dass das unzumutbar ist. (Bundesrat Todt: Berechtigt, weil es um die Interessen der Konsumenten geht!) Das muss man nur nebenbei noch bemerkt haben. Aber bitte, Milch ist ein Lebensmittel, sie ist etwas wert.

Frau Bundesministerin Ortner, kommen wir nun zu der sehr komplexen Materie Insol­venzrechtsänderungsgesetz, einer einstimmigen Materie in den Ausschüssen. Ich den­ke, die Ausgangsposition im Zuge der Wirtschaftskrise bedurfte einer Nachjustierung be­stehenden Rechts. Ich gratuliere der Frau Bundesministerin dazu, doch einen sehr we­sentlichen Fortschritt mit diesem Gesetz erzielt zu haben.

Schauen wir uns die Ausgangslage in Österreich an! Im Jahr 2009 hatten wir zirka 6 900 Insolvenzfälle mit etwa 4 Milliarden € Ausfällen und mit etwa 28 000 gefährdeten Arbeitsplätzen. Wir wissen, dass es sich dabei um einen doch sehr großen wirtschaft­lichen Effekt handeln würde, und wir müssen alles tun, um für Betriebe, die nicht mehr weiterwirtschaften können, doch Krücken bereitzustellen, um den Turn-around zu schaf­fen, wenn eine berechtigte Fortführungsperspektive besteht.

Dazu kommt noch, dass wir inzwischen 8 700 bis 9 000 Privatkonkurse zu verzeichnen haben. Diese Zahl ist nach wie vor im Ansteigen, aber nicht nur wegen der Wirtschafts­krise, sondern meiner Meinung nach auch deshalb, weil die Rahmenbedingungen sei­tens der Banken und Leasingfirmen doch zu hinterfragen sind. Ich kenne als Obmann der Wirtschaftskammer in meinem Heimatbezirk einige Unternehmen, wo es zu spät ist, zu reagieren, einzugreifen, weil vor allem im kleineren Bereich, bei EPUs oder bei Pächtern, bereits Verträge unterschrieben wurden, Bankverträge, Kreditverträge, Lea­singverträge, Mietverträge. Man ist dann machtlos, im Nachhinein irgendwelche positi­ven Hilfen, Unterstützungen zu leisten. Wir sind stolz darauf, in Österreich nach wie vor eine große Gründerwelle zu haben, aber ich möchte auch hinzufügen, dass hier doch sorgfältiger vorgegangen werden müsste, auch seitens der zukünftigen Unternehmer.

In der Marktwirtschaft ist es nun einmal so, dass die Insolvenz zum alltäglichen Leben gehört. Das ist auch zum Teil eine gewisse Marktbereinigung, gerade in meiner Bran­che zum Beispiel. Ich kann oft mitverfolgen, dass uns ein Mitbewerber ständig unter­bietet, mit einem Selbstkostenpreis, ja sogar unter dem Selbstkostenpreis verkauft und dann in Konkurs geht. Drei, vier Monate später ist die gleiche Firma wieder auf dem Markt, mit einem neuen Gesellschafter und so weiter. Sie hat inzwischen aber einen volkswirtschaftlichen beziehungsweise wettbewerbsrechtlichen Schaden angerichtet. – Das ist die eine Seite der Medaille.

Die zweite Seite: Natürlich kommt es im Zeitalter der Finanzkrise zu Insolvenzen, aber bei Auer von Welsbach oder Ähnlichem muss man sich schon fragen, ob das nicht na­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 51

he an der Kriminalität vorbeigeht, denn das hat nichts mit der Realwirtschaft, nichts mit einem mittelständischen Unternehmen, nichts mit einem Tischler zu tun, der im Zuge eines Großauftrages als Subunternehmer in die Insolvenz mitgeschleift wird. Diese näm­lich müssten in Zukunft unsere Unterstützung bekommen.

Dieses Gesetz ist, glaube ich, ein guter Weg dorthin. Es gibt darin nämlich die neuen Verfahren. Früher haben wir von Ausgleich und Zwangsausgleich gesprochen, jetzt sprechen wir von Ausgleich mit Sanierungsverfahren unter Eigenverantwortung, wenn es eine wirtschaftliche Perspektive gibt. Es gibt – in Anlehnung an Chapter 11 in Ame­rika – eine Frist, innerhalb derer die Gläubiger nicht direkt auf die noch vorhandene Be­triebsmasse zugreifen können.

Der Masseverwalter wird auch in Zukunft gefordert sein. Er muss sich binnen fünf Ar­beitstagen die Materie einverleiben. Er muss entscheiden, ob bestehende Verträge wei­tergeführt oder nicht weitergeführt werden. Die Verantwortung ist umso größer, auch jene seitens der Banken. Sie können bereits zugesagte Kredite nicht stilllegen bezie­hungsweise sie nicht mehr nicht zur Auszahlung bringen, nur weil bereits ein Insolvenz­verfahren oder ein Sanierungsverfahren angemeldet wurde.

Ich glaube, dieser bis zu sechs Monaten dauernde Schutz des Unternehmens, um doch den Turn-around zu schaffen, wirkt sich auf die österreichische Wirtschaft positiv aus, bringt für den einzelnen Unternehmer, der betroffen ist, ob jetzt mit Schuld oder ohne Schuld, und vor allem für seine Mitarbeiter eine Zukunftschance, die wir in Zeiten wie diesen dringend brauchen, um unsere Arbeitsplätze zu erhalten.

Lassen Sie mich abschließend sagen, Frau Bundesministerin: Es gibt selbst mit dem besten Gesetz keine absolute Gerechtigkeit, zumindest nicht nach meiner Auffassung, nicht im irdischen Leben, aber dieses Gesetz ist für mich ein sehr guter Schritt in die Zukunft. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundes­rätin Mosbacher. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.15.05

Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eines vorweg, mein Kollege hat es schon gesagt: Das unter diesem Tagesordnungspunkt zu beschließende Gesetz ist ein gelungenes Gesetz, ein Gesetz, das höchst notwendig war und auch qualitativ sehr hochwertig ist.

Was war die Problemstellung? – Wir haben zwei Verfahren zur Sanierung von Unter­nehmen, das Ausgleichsverfahren und das Konkursverfahren, wobei wir wissen, dass das Ausgleichsverfahren eigentlich nie zum Zug gekommen ist. Daher war es notwen­dig, dieses Ausgleichsverfahren, das, wie gesagt, praktisch kaum zur Anwendung ge­kommen ist, in ein einheitliches Insolvenzverfahren einfließen zu lassen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Naturgemäß stellt sich bei einer Insolvenz, wenn ein Unternehmen in die Krise kommt, immer die Frage: Sollen wir sicherstellen, dass die Gläubiger aus dem, was vorhanden ist, noch das Letzte herausholen, oder sollen wir sicherstellen, dass es mit Hilfe eines sachverständigen Masseverwalters gelingt, das Unternehmen mitsamt den Arbeitsplätzen beziehungsweise mit all dem, von dem die Wirtschaft insgesamt und damit letztendlich auch wir, die Gesellschaft, profitieren, am Leben zu erhalten.

Das vorliegende Gesetz ist ein Kompromiss, bei welchem es darum geht, dass inner­halb der ersten sechs Monate ab der Insolvenz der Gläubigerschutz in den Hintergrund gedrängt wird. Dadurch soll ermöglicht werden, in diesen ersten sechs Monaten das Un­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 52

ternehmen so weit zu restrukturieren, dass es weiterhin bestehen kann. Das bedeutet, dass sicherzustellen ist, dass es die Gläubiger nicht in der Hand haben, das Unterneh­men aufzulösen.

Bei der schon angesprochenen Fünf-Tage-Frist, die jetzt mit diesem Gesetz eingeführt wird, geht es darum, dass sich der Masseverwalter in dieser Zeitspanne über ein Unter­nehmen, das in Insolvenz geht und einen Antrag stellt, einen Überblick darüber zu ver­schaffen hat, wie es in diesem Unternehmen ausschaut, welche Chancen es da gibt und wie vorgegangen werden kann. Dieser Masseverwalter hat auch zu entscheiden, ob bestehende Verträge – das wurde auch angesprochen –, die aktuell nicht erfüllt wer­den, weil das Unternehmen in Verzug ist, aufgelöst werden sollen oder nicht. Bis dato ist es so, dass ein Unternehmen sofort aufgelöst werden kann, weil es eben keine Fünf-Tage-Frist gibt. Ob wir mit dieser Frist das Auslangen finden werden, wird zu beobach­ten sein. Wenn nötig, ist dann darauf zu reagieren.

Auf Folgendes möchte ich auch noch hinweisen: Man soll nicht nur die Entwicklung der Firmenpleiten im Auge behalten – das hat mein Vorredner auch schon angeführt –, sondern Aufmerksamkeit und ein wachsames Auge verdient die steigende Zahl der Pri­vatkonkurse. Anders als bei den Firmeninsolvenzen gab es bei den Privatinsolvenzen im ersten Quartal 2010 im Vergleich zu 2009 einen besorgniserregenden Anstieg.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits zu Beginn gesagt: Das vorliegende Gesetz ist ein gutes, ein gelungenes Gesetz. Wir werden selbstverständlich unsere Zu­stimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

11.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Podgor­schek. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.19.01

Bundesrat Elmar Podgorschek (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! In meiner mittlerweile 30-jährigen Berufserfahrung hat es noch kein einziges Jahr gegeben, in dem ich nicht irgendwie mit einem Insolvenzverfahren konfrontiert worden bin; entweder ist ein Lieferant von mir in die Insolvenz geschlittert, hauptsächlich aber waren es Kunden. Ich muss sagen, es war oft sehr traurig, zu se­hen, dass in letztlich gut strukturierten Betrieben, ganz egal, was die Ursache war, ob Eigenverschulden oder das Verschulden von Banken oder Forderungsausfälle, durch dieses ganze Verfahren so viel Geld vernichtet wurde, dass diese Betriebe nicht mehr existieren konnten.

Darum glaube ich, dass diese Gesetzesänderung ein absolut richtiger Schritt in diese Richtung ist, dass es um Nachhaltigkeit und Erhaltung der Betriebe geht.

Wenn ich aus meiner Erfahrung spreche, muss ich sagen, mir als Gläubiger war es im­mer zehnmal lieber, wenn der Betrieb dann noch weiter existiert hat, nämlich deshalb, weil erstens – Richtung Sozialdemokraten – Arbeitsplätze erhalten bleiben, und zwei­tens, weil die Wirtschaft ... (Ruf bei der SPÖ: Das wissen wir eh! – Bundesrat Konecny: Das ist die richtige Adresse! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Wir brauchen keine Beleh­rung!)

Das war keine Belehrung. Einmal wollte ich etwas Positives in Richtung Sozialdemo­kraten sagen, und dann nehmt ihr das auch nicht an. (Bundesrat Mag. Klug: Wir wer­den’s schon zurechtrücken!)

Das Zweite ist, dass auch regionale Wirtschaftsstrukturen erhalten bleiben. Das ist ganz wichtig, denn im ländlichen Raum fehlt jeder kleine Handwerksbetrieb. Das zieht ja dann viele andere mit sich, und daher ist es wichtig, dass in erster Linie der Betrieb er­halten bleibt. Mir als Gläubiger war es zehnmal lieber – ich sage das jetzt ganz offen


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 53

heraus –, wenn ich dann vom Zwangsausgleich noch die 20 Prozent bekomme – denn das Geld hat man im Prinzip ohnehin abschreiben müssen –, ich aber weiß, dass ich in Zukunft wieder einen neuen Kunden habe. Das setzt aber voraus – und das ist mir völ­lig klar –, dass dieser Betrieb so aufgestellt ist, dass er wieder eine Zukunft hat.

Ich würde daher sagen, dass diese Zusammenfassung, dass es jetzt ein Sanierungsver­fahren gibt, der richtige Schritt ist, weil der Unternehmer wesentlich früher diesen ers­ten Schritt wagen kann – zu sagen, Freunde, ich bin insolvent, ich habe ein Problem –, und umgekehrt der Gläubiger auch den Vorteil hat, dass er eine höhere Quote bekom­men kann, da 30 Prozent vorgesehen sind.

Der einzige Punkt, bei dem ich noch Bedenken habe und bei dem ich glaube, dass es auch in Zukunft noch Nachjustierungen wird geben müssen, ist diese Fünf-Tage-Frist, die besagt, dass der Masseverwalter innerhalb von fünf Tagen entscheiden muss, ob er Verträge anerkennt oder nicht.

Ein Insolvenzverfahren ist oft unheimlich komplex, und man braucht Tage, bis man hineinfindet. Daher könnte es natürlich sein, dass der Masseverwalter Entscheidungen trifft, die teilweise gegen die Interessen der Gläubiger sind, aber auch teilweise gegen die Interessen des Fortbestands des Unternehmens.

Das ist aber nur ein einziger Wermutstropfen, und ich glaube, dass diese Frage in Zu­kunft noch ausdiskutiert werden muss. Ich bin fest davon überzeugt, dass es noch eine Nachjustierung geben wird. Ansonst ist das absolut positiv zu beurteilen und hat meine vollste Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Zwanziger.)

11.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Ban­dion-Ortner. – Bitte, Frau Bundesminister.

 


11.22.57

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ja, die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist in den letzten Jahren ziemlich angestiegen, es gibt zirka 800 Unternehmensinsolven­zen mehr pro Jahr! Das heißt, es ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt zu reagieren – auch angesichts der Tatsache, dass das Jahr 2010 aufgrund der Wirtschaftskrise kein leichtes Jahr werden wird.

Das Motto ist: retten statt ruinieren. Das heißt, wir sind bestrebt, es durch diese Reform für Unternehmen attraktiver zu machen, rechtzeitig die Handbremse zu ziehen, dass die Unternehmen erhalten bleiben, dass sie saniert werden und dass dadurch vor allem Ar­beitsplätze und Wirtschaftsbeziehungen erhalten bleiben.

Das soll einerseits dadurch gewährleistet werden, dass das Stigma des Scheiterns von den Unternehmen genommen wird. Es gibt nun einmal viele Unternehmen, die unver­schuldet in die Krise geraten sind oder geraten. Wenn wir zum Beispiel daran denken, dass es gerade jetzt durch Umsatzeinbrüche zu Produktionsrücknahmen kommen muss, dass dadurch finanzielle Engpässe entstehen, die aber möglicherweise überwind­bar sind. Deswegen müssen wir es ermöglichen, dass den Unternehmern in dieser Zeit geholfen wird.

Im Zentrum wird das sogenannte Sanierungsverfahren stehen. Wenn jemand eine Insol­venz besonders gut vorbereitet, soll er belohnt werden, nämlich dadurch, dass er in Eigenverwaltung eine Sanierung vornehmen kann. Begleitet wird er durch einen Sanie­rungsverwalter, der gleichzeitig auch eine Treuhänderfunktion für die Gläubiger über­nimmt.

Es gibt aber auch das Sanierungsverfahren mit Fremdverwaltung, in dem es eine Quo­te von 20 Prozent gibt, was ungefähr vergleichbar ist mit dem Zwangsausgleich. Wir


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 54

werden auch Maßnahmen treffen, die dazu führen sollen, dass Konkursabweisungen mangels Masse nicht mehr so häufig auftreten, denn das ist etwas sehr Schädliches. Einerseits überprüft man in diesen Fällen nicht, ob tatsächlich kein Vermögen mehr vorhanden ist, andererseits werden auch die Ursachen der Insolvenz nicht überprüft, und es wird auch nicht geklärt, ob vielleicht ein strafbares Verhalten hinter dieser Krise steckt.

Das soll dadurch bewerkstelligt werden, dass auch die Mehrheitsgesellschafter – etwa bei einer GmbH – zu einem Kostenvorschuss verpflichtet werden, dass das Verfahren gestrafft wird, aber auch dadurch, dass jetzt automatisch jenen Leuten, bei denen der Konkurs mangels Masse abgewiesen wird, die Gewerbeberechtigung entzogen wird.

Das Verfahren wird einfacher, es wird nachvollziehbarer. Wir haben eine Ausgleichsord­nung und eine Konkursordnung, die nun zu einer Insolvenzordnung werden. Und es gibt diesen Schutzschild – das ist auch etwas Besonderes –, der für maximal sechs Monate über einen Schuldner gestülpt wird. – Bitte nicht verwechseln mit dem berühmten Chap­ter-11-Verfahren in den USA, das ist doch etwas ganz anderes; dabei geht es um Gläu­bigerklassen und darum, dass man die Quoten bis gegen Null reduzieren kann, das ist in Österreich nicht der Fall.

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass in dieser Zeit der Sanierung gerade diese lebens­notwendigen Verträge aufrechterhalten bleiben, Stromlieferverträge, Telefonverträge, Pkw-Leasingverträge, Bierbezugsverträge et cetera.

Sie kennen ja den Inhalt dieser Reform. Ich glaube, sie ist wichtig, und als Nächstes gehen wir dann den Privatkonkurs an, das habe ich versprochen. Es gibt bereits eine Arbeitsgruppe, und ich hoffe, dass wir noch bis Ende des Jahres diesbezüglich zu ei­nem Entwurf kommen. Wir müssen daran denken, die Restschuldbefreiung flexibler zu gestalten. Es sollte vermehrt auf Einzelschicksale Rücksicht genommen werden, auf Schicksalsschläge, auf gewisse Vorgänge, die jemand nicht zu verantworten hat, To­desfälle, Erkrankungen et cetera – da soll flexibler vorgegangen werden können.

Es soll aber beispielsweise auch zu vermehrten Informationspflichten hinsichtlich Bürg­schaften kommen. Es gibt da einige Ideen, die von der Arbeitsgruppe bereits aufge­griffen wurden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

11.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Junker. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.27.53

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Diese Reform ist wirklich ein Signal für die Un­ternehmen und für den Standort Österreich, vor allem auch die Wortwahl: Sanieren ist besser als Zwangsausgleich.

In den Zwangsausgleich möchte kein Unternehmen gehen, aber einen Sanierungsplan zu erstellen, das klingt wesentlich positiver und zeigt, dass der Unternehmer oder die Unternehmerin sich bewegt, sich über die Firma Gedanken macht. Und unter Umstän­den kann – wenn man den Sanierungsplan rechtzeitig erarbeitet und damit an die Öf­fentlichkeit geht – das Schlimmste abgewendet werden.

Es ist für Österreich und für den Standort – auch aufgrund der momentanen Lage – unumgänglich, diese Novellierung vorzunehmen. Es ist dies die größte Novellierung seit 90 Jahren, es wurde noch nie so kompetent auf den Punkt gebracht.

Die Wirtschaftskammer Tirol hat in ihrer Stellungnahme einen Kritikpunkt formuliert, und es ist ein bisschen schade, dass er nicht eingearbeitet werden konnte. Ich darf diesen Punkt zur Kenntnis bringen.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 55

Die Wirtschaftskammer Tirol steht dem Gesetz sehr positiv gegenüber, hat aber Beden­ken gegenüber § 25a, denn in diesem ist Folgendes festgeschrieben: Nach dieser Be­stimmung sollen Verträge durch Vertragspartner des Schuldners bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur aus wichtigem Grund auf­gelöst werden dürfen. Ausdrücklich wird vorgesehen, dass eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners und ein Verzug des Schuldners mit der Erfül­lung von vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Forderungen nicht als wichtige Gründe anzusehen sind.

In Abs. 2 wird sodann festgehalten, dass eine Vertragsauflösung innerhalb des vorge­nannten Zeitraumes nur dann möglich sein soll, wenn schwere persönliche oder wirt­schaftliche Nachteile des Gläubigers unmittelbar drohen. Demgegenüber dürfen Ansprü­che auf Auszahlung von Krediten jedoch jederzeit zurückgehalten werden, wie auch Ar­beitsverträge jederzeit aufgelöst werden dürfen.

Mit dieser Bestimmung ist eine krasse Benachteiligung all jener Gläubiger verbunden, die entweder nicht Arbeitnehmer oder nicht Bankgläubiger des Schuldners sind.

Mir ist schon klar, dass man das mit zusätzlichen Verträgen abwenden kann, aber wenn jemand in Insolvenzgefahr gerät, wer denkt dann schon daran, dass man sich noch zu­sätzlich absichern könnte.

Das Gesetz ist toll, es ist zu begrüßen und sicher für Unternehmer und für Gläubiger sehr, sehr positiv. Es gibt auf beiden Seiten Sicherheit, aber ein bisschen verbessern hätte man es noch können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Beer. – Bit­te, Herr Kollege.

 


11.31.33

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Konkursordnung wird nicht nur in eine Insolvenzordnung um­benannt, sondern hat wesentlich mehr Punkte zum Inhalt, die eine Verbesserung für die Unternehmen und auch für die Beschäftigten bringen. Sie dient eigentlich der Sanie­rung und nicht der Auflösung von Unternehmen.

Ein Konkursverfahren hat oft die unangenehme Nebenerscheinung, dass Firmen von Gläubigern auch in ein Konkursverfahren schlittern und es mit dem Konkursverfahren der einen Firma zu einer lawinenartigen Erweiterung – weiteren Konkursverfahren – kommt.

Was geschieht in der Praxis bei einem Konkursverfahren? – Die Anträge werden ganz einfach zu spät gestellt, Fälligkeiten werden nicht mehr bezahlt und Firmenverträge auf­gelöst. Dies hat eben die erwähnte Kettenreaktion zur Folge, die viele andere Firmen in Schwierigkeiten bringt.

Diese Insolvenzordnung hat auch den Vorteil, dass dieses Gesetz innerhalb der ersten sechs Monate ab Anmelden der Insolvenz den Gläubigerschutz in den Hintergrund drängt. Diese Maßnahme gibt dem insolventen Unternehmen die Möglichkeit, sich neu zu organisieren und Schulden zu bezahlen. Bis dato ist es so, dass diese Unterneh­men de facto von den Gläubigern aufgelöst werden können. Mit dieser neuen Insol­venzordnung ist das nicht mehr möglich.

Wir hatten in der Vergangenheit das Ausgleichsverfahren – de facto haben wir es noch –, es wurde aber in den letzten Jahren nur sehr spärlich angewendet. Wie uns die Statistik zeigt, ist das Ausgleichsverfahren jedoch zu 70 Prozent erfolgreich bei der Ret­tung von Firmen.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 56

Wenn man sich aber die Konkursverfahren etwas genauer anschaut, kann man auch zu dem Schluss kommen, dass einige Konkursverfahren sicherlich nur durchgeführt wur­den, um den – unter Anführungszeichen – „Firmeninhabern“ ein nettes Körberlgeld zu verschaffen. Es gibt nicht umsonst den alten Witz, dass sich zwei Unternehmer treffen, und der eine sagt: Du, ich habe jetzt Konkurs gemacht. Darauf fragt ihn der andere: Und, wie viel Gewinn hast du dabei gemacht? – Das ist schon ein sehr alter Witz, aber er entbehrt nicht eines gewissen Realitätsgehalts. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Gott sei Dank ist es so, dass die Mehrzahl der Unternehmer nicht so ist wie erwähnt. Meine Herren von der ÖVP: Ich verstehe ganz einfach nicht, warum Sie diese Men­schen jetzt gerade in Schutz genommen haben, die mit Absicht ein Konkursverfahren einleiten und Geld vorbeischaffen. Das verstehe ich nicht. (Bundesrätin Zwazl: Das machen wir überhaupt nicht! Das sind Unterstellungen! – Zwischenruf des Bundesra­tes Dr. Kühnel.)

Aber ich glaube, unbestritten ist doch, dass es Konkursverfahren in betrügerischer Ab­sicht gibt. Das wissen wir, glaube ich. (Bundesrätin Zwazl: Ja! – Ruf bei der ÖVP: Es gibt auch Schnellfahrer!) Daher sollten wir davor die Augen nicht verschließen (Ruf bei der ÖVP: Es gibt auch ...diebstahl!), die Wirtschaftskriminalität ganz einfach mehr un­tersuchen und auch wesentlich mehr dazu beitragen, dass Konkursverfahren, die mit Absicht herbeigeführt werden, unterbunden werden können. (Beifall bei SPÖ und Grü­nen.)

Es wurde auch schon erwähnt, dass das neue Insolvenzgesetz vorsieht, dass die Un­ternehmen nicht sofort nach der Antragstellung aufgelöst werden. In dem im National­rat eingebrachten Abänderungsantrag wurde eine Frist von fünf Arbeitstagen vorgese­hen und auch angenommen. Diese Frist ist etwas ganz Entscheidendes, weil es damit die Möglichkeit gibt, das Unternehmen genauer zu durchleuchten, es sich genauer an­zuschauen und zu analysieren und dann Sanierungsmaßnahmen einzuleiten.

Die Zusammenlegung des Konkurs- und des Ausgleichsverfahrens in ein Insolvenzver­fahren gibt uns – ich glaube, uns allen – die Hoffnung, doch einige Unternehmen mehr retten zu können, sie nicht so häufig liquidieren zu müssen.

Doch wir sollten nicht nur die Unternehmen im Fokus haben – das hat meine Kollegin ohnehin schon gesagt –, wir müssen auch bei den Privatkonkursen noch einen Ansatz­punkt finden, um Verbesserungen durchzuführen (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Küh­nel), denn bei den Privatkonkursen haben wir im Jahr 2010 wieder eine Steigerung zu verzeichnen. Ich glaube, daran wird schon sehr intensiv gearbeitet, um nicht weitere Armutsverhältnisse zu schaffen.

Das Gesetz, das hier hoffentlich die Zustimmung erhalten wird, ist ein gutes Gesetz und eine Hoffnung für viele Menschen. Es ist eine Hoffnung nicht nur für Unternehmen, sondern auch für die Beschäftigten in den Firmen, die durch ein gut durchgeführtes In­solvenzverfahren möglicherweise auch ihren Arbeitsplatz behalten. Daher, sehr geehr­te Damen und Herren, stimme ich diesem Gesetz sehr gerne zu. (Beifall bei der SPÖ.)

11.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.38.23

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Es ist ein gutes Gesetz und es kommt nach den Erfah­rungen des Jahres 2009 auch zur richtigen Zeit. Es geht um einen schwierigen Balan­ceakt, Frau Kollegin Junker, nämlich einerseits Gläubiger- und Gläubigerinnenrechte zu garantieren, zu sichern, andererseits aber all jenen Unternehmen eine Chance zu ge­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 57

ben, bei denen noch eine Chance auf Sanierung besteht. Denn wenn wir die Zahlen, die Kollege Perhab genannt hat, heranziehen, denen zufolge 6 900 Unternehmungen im Jahr 2008 zum Konkurs angemeldet waren, dann standen dahinter mehr als 28 000 Ar­beitsplätze.

Die Frage, Kollege Beer, wie viel Gewinn jemand aus einem Konkurs gemacht habe, ist das eine, das betrifft den Unternehmer, das andere sind aber die Arbeitsplätze, die es zu erhalten gilt.

Und deshalb findet sich in diesem Gesetz, was für die Gläubiger wichtiger ist, dass ei­nerseits Konkursabweisungen mangels Masse zurückgedrängt werden und andererseits eine tatsächliche Chance auch auf Sanierung gegeben ist.

Wenn wir zum Beispiel die Privatkonkurse als Indikator für Konkurse von Unternehmun­gen nehmen, sehen wir, die Zahlen, die Kollege Perhab aus dem Jahr 2008 hat, sind für das Jahr 2009 dramatisch gestiegen. Die Zahl der Privatkonkurse lag 2008 bei 6 300 und ist 2009 auf 10 200 gestiegen. Das ist eine Erhöhung um 40 Prozent.

Das hat es allerdings im Bereich der Wirtschaft, liebe Frau Präsidentin Zwazl, weil du mich so streng anschaust, nicht in dem Ausmaß gegeben, aber die Zahl ist trotzdem sehr stark gestiegen.

Wenn wir uns die Struktur der betroffenen Unternehmungen anschauen, sehen wir, dass es natürlich ein paar Große gibt. Ich nenne als Beispiel nur „Quelle“ und „Cosmos“, Firmen, deren Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit geschickt wurden, was im einen Fall 1 000 Personen, im anderen Fall über 2 000 betrifft.

Bei diesen vielen Konkursen und Insolvenzen gibt es auch eine ganze Reihe von ganz kleinen Betrieben. Und wenn wir hier ein Gesetz verabschieden, das eine Chance auf Sanierung gibt, sehe ich, liebe Frau Präsidentin Zwazl, eine extreme Anforderung auch an die Wirtschaftskammer, nämlich da ein Frühwarnsystem zu schaffen in Form einer Beratung. Es sollte also für Unternehmen, die, aus welchen Gründen auch immer, in Turbulenzen kommen – sei es aufgrund der Gesamtwirtschaftsdaten, aufgrund der Fi­nanz- und Wirtschaftskrise, aber auch durch so manches Nichtkönnen im Manage­ment –, gerade von der Wirtschaftskammer vieles an Beratung geleistet werden. Sie tut es auch schon (Zwischenrufe der Bundesrätin Zwazl), und sie führt auch, und das finde ich sehr gut, zum Beispiel bei den Firmengründungen Beratung durch, aber ich glaube, man muss an diese ... (Bundesrätin Zwazl: ... Überlebensgrundsatz!)

Ja, ich habe gerade gesagt, ich finde es immer toll, dass wir mit Zahlen hinausgehen, wie viele Unternehmen neu gegründet wurden. Was die Unternehmen, die in Kon­kurs oder Insolvenz gegangen sind, betrifft, ist man schon wesentlich leiser. (Bundes­rätin Zwazl: Wir haben fünf Jahre die höchste Überlebensquote ...! – Bundesrat Kneifel: Wir haben wesentlich mehr Geburten als Todesfälle! – Heiterkeit. – Bundesrätin Zwazl: Wir beraten und haben nach fünf Jahren die höchste Überlebensquote!) Ich hoffe, dass durch dieses Gesetz  (Bundesrat Dr. Kühnel: Er ist ein Theoretiker! – Heiterkeit bei der ÖVP.) – Kollege Kühnel, Sie wissen es besser, nämlich dass ich in diesem Fall kein Theoretiker bin, und daher sollten Sie das bei Gelegenheit zurücknehmen. Sie wis­sen, dass ich die Geschäftsführung von drei Firmen innehabe. Lassen Sie daher solch blöde Zwischenrufe. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie wissen, dass darunter zum Bei­spiel die Aufgabe war, eine Firma zu sanieren ...

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Kollege Stefan Schennach, ich bitte Sie, Ihre Wortwahl dem anzupassen, was dieses Hauses würdig ist.

 


Bundesrat Stefan Schennach (fortsetzend): Ich ziehe meinen Teil zurück, Kollege Küh­nel kann seinen Teil auch zurückziehen. Ich ziehe es mit Bedauern zurück, er vielleicht auch. (Heiterkeit. – Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 58

Was sehr wichtig ist, ist die Reduzierung der Kapitalquote. Das war eines der Proble­me, die es bei einer Dreiviertelmehrheit gegeben hat. Das heißt, eine Minderheit war vielfach in der Lage, den Versuch der Rettung eines Unternehmens zu blockieren. Dass das jetzt mit einer einfachen Mehrheit ausgestattet ist, ist meiner Meinung nach etwas sehr Wichtiges.

Wichtig ist auch – und da, Frau Kollegin Junker, sind wir mit der Tiroler Wirtschaftskam­mer vielleicht nicht einer Meinung –, dass erstens einmal Insolvenzeröffnungen rückwir­kend möglich sind und dass dadurch auch ein Schutz bei Anfechtung von Sanierungs­krediten gegeben ist. Es ist auch wichtig, dass Vertragsauflösungen eingeschränkt wer­den. Das ist jetzt eben diese Gratwanderung: dort die Rechte der Gläubiger, da die Chance, ein Unternehmen und Arbeitsplätze zu sichern. Es gibt ja die Möglichkeit, sol­che Sanierungskredite dann anzufechten, wenn ich als Gläubiger nachweisen kann, dass das Sanierungskonzept nicht tauglich ist. A priori ist das ein wichtiger Schutz, und dieser Schutz bietet eben die Chance, ein Unternehmen und seine Arbeitsplätze zu ret­ten, und räumt gleichzeitig die Möglichkeit ein, dass es auch ein Schutzbedürfnis für den Gläubiger selbst gibt.

Ich denke, das ist eine sehr ausgewogene Situation. Das Sanierungsverfahren nun mit einer Quote von 30 Prozent, auch in der Eigenverantwortung eines Unternehmens, un­ter Aufsicht eines Sanierungsverwalters, bietet gerade in Zeiten wie diesen, die nicht rosig sind, enorm viele Chancen. Aus diesem Grund stimmen wir diesem Gesetz sehr gerne zu. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag. Ei­binger. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.46.31

Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Sanieren statt ruinieren“ ist die Devise, wie wir sie auch schon von der Frau Bundesministerin gehört haben, bei dieser Insolvenzrechtsänderung. Über diese wurde inhaltlich ja schon sehr viel gesagt.

Für mich zeigt dieses Gesetz auch eine gewisse Änderung in der Haltung gegenüber Unternehmerinnen und Unternehmern, die in Zahlungsschwierigkeiten stecken. Das ist wichtig und richtig, denn in der globalen Wirtschaft ist es keineswegs mehr so, dass man ausschließlich aus eigenem Verschulden, vielleicht weil man eben keine so guten Un­ternehmerqualitäten hat, in Zahlungsschwierigkeiten schlittern kann, sondern es ist ge­rade im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise vielen Unternehmern auch unverschul­det passiert, dass sie in diese Situation kommen, gerade auch in meinem Bundesland Steiermark, das ja vom Autocluster geprägt ist.

Ich halte es für sehr wichtig, dass man jetzt nicht mit dem Finger auf diese Unterneh­men zeigt. In der Tat haben Unternehmer oft das Gefühl, dass sie in gewisser Weise gebrandmarkt sind, wenn sie einmal in Konkurs waren. Ich muss sagen, dass diese Meinung noch immer vorherrscht – das hat mir auch dieser fragwürdige Witz des Kol­legen Beer gezeigt. Das ist nicht mein Stil. Vielmehr muss man die Betreffenden unter­stützen, dass sie ihr Unternehmen wieder flottbekommen und damit auch die Arbeits­plätze erhalten werden.

Es ist auch zu erwarten, und das hoffe ich wirklich, dass Anträge früher gestellt wer­den. Das ist sehr wichtig, denn das Schlimmste, was man in einer Problemlage tun kann, ist, dass man nichts tut. Wenn man aber frühzeitig Kursänderungen vornimmt, kann man viele Bedrohungen noch abwenden, was natürlich für das Unternehmen, aber


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 59

auch für die VertragspartnerInnen, für die Gläubiger und nicht zuletzt für die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer wichtig ist.

Ich möchte abschließend der Frau Bundesministerin zur Umsetzung dieser Reform herz­lich gratulieren. Es ist die größte Reform seit den Zeiten der Monarchie, und ich würde mir auch in anderen Ressorts ähnliche Schritte in Richtung Modernisierung wünschen und möchte an Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, den Appell richten, in Ihrem Ein­flussbereich alles Mögliche in Richtung Reformen und Modernisierung zu tun – aus Fair­ness gegenüber den nächsten Generationen. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie bei den Grünen.)

11.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


11.49.07

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist an sich nicht üblich, in der Plenarsitzung Fraktionsberatungen zum Besten zu geben. Keine Sorge, ich mache das auch heute nicht. Trotzdem darf ich an dieser Stelle kurz in Erinnerung rufen und auch ein bisschen aus der Schule plaudern, dass sich insbesondere in den Beratungen meiner Fraktion doch die Frage gestellt hat: Warum melden sich vier Kolle­ginnen beziehungsweise Kollegen der ÖVP zum Tagesordnungspunkt Insolvenzrecht zu Wort? – Letztlich haben nur drei gesprochen.

Aber Spaß beiseite, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ein spitzfindiger, polemischer Op­positionspolitiker könnte an dieser Stelle sagen: Na, das liegt ja auf der Hand. Die von der ÖVP verstehen von der Pleite etwas. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Kneifel: Das ist aber sehr tief! Das hätten Sie sich ersparen können!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an dieser Stelle gerne ein von Thomas Mann aufgezeigtes Gefahrenpotential der Politik im Allgemeinen hervorheben: „Die Po­litik macht roh, pöbelhaft und stupid.“ (Ruf bei der ÖVP: Nicht alle!) Daher meine ich, ein derartiger Zugang eines ... (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich kann die Auf­regung nicht ganz nachvollziehen, aber vielleicht schenkt man mir doch noch ausrei­chend Gehör.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Daher meine ich, dass ein derartiger Politikzugang, wie ihn ein Oppositionspolitiker vielleicht haben könnte, auch aus meiner Sicht eindeutig zu derb wäre. Das Geheimnis, warum sich letztlich doch vier Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP-Fraktion zum Insolvenzrecht zu Wort gemeldet haben, konnte heute offensicht­lich in der „Presse“ gelüftet werden: Laut einer Umfrage des Kreditschutzverbandes war nur an jeder fünften Pleite die Krise schuld. Bei 80 Prozent der rund 3 800 Insol­venzverfahren ist das Scheitern hausgemacht. – Zitatende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Daher gestatten Sie mir auch an dieser Stelle, diesem vermeintlichen Versuch des Nebelgranatenwerfens, die jetzige Krise sei notwendig ge­wesen, um das Insolvenzrecht nachzubessern, wirklich eine deutliche Absage zu er­teilen. Wir alle wissen, dass die derzeitige Wirtschaftskrise im Wesentlichen eine Krise der exportorientierten Industrie ist. Wenn in diesem Zusammenhang etwas hilft, dann sind es die Konjunkturpakete der Bundesregierung, der Sozialdemokraten und der ÖVP, und auf der anderen Seite, Frau Präsidentin Zwazl, die gemeinsamen hervorragenden Bemühungen der Sozialpartner auf der betrieblichen Ebene zur Bewältigung der Prob­leme aus der Kurzarbeit.

Folgt man den Erkenntnissen des Kreditschutzverbandes, dann waren 42 Prozent der Insolvenzen eindeutig die Folge von Strategiefehlern, begründet durch zu wenig kauf­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 60

männischen Weitblick. 15 Prozent der Unternehmer überschätzen ihre Fähigkeiten, und 14 Prozent der Unternehmer wollten zwar Unternehmer sein, aber ihnen fehlte das not­wendige Kapital.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich halte daher an dieser Stelle fest, dass die Arbeit­nehmerinnen und die Arbeitnehmer in unseren Betrieben die Insolvenzen und Pleiten nicht verursachen. Es sind die unternehmerischen Fehlentscheidungen, die letztlich un­sere Unternehmen in den Abgrund führen. (Bundesrat Kneifel: Was ist das Resümee? – Ruf bei der ÖVP: Siehe ÖBB! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Mit der heutigen Neuregelung im Insolvenzbereich versuchen wir einen gesetzlichen Beitrag zu leisten, um im Wesentlichen den volkswirtschaftlichen Flurschaden einer Insolvenz möglichst gering zu halten. Insbesondere deshalb stimmen wir dieser Neuregelung zu. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

11.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.55.323. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert, ein Bundesgesetz über Verbraucherkreditverträge und andere Formen der Kreditierung zu Gunsten von Verbrauchern (Verbraucherkreditgesetz – VKrG) erlassen sowie das Konsumen­tenschutzgesetz, das Bankwesengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Investmentfondsgesetz, das Zahlungsdiens­tegesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Maklergesetz geändert werden (Dar­lehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz – DaKRÄG) (650 d.B. und 652 d.B. so­wie 8303/BR d.B. und 8305/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kaltenbacher. – Ich bitte um die Berichterstattung.

 


11.55.47

Berichterstatter Günther Kaltenbacher: Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geändert, ein Bundesgesetz über Verbraucher­kreditverträge und andere Formen der Kreditierung zu Gunsten von Verbrauchern erlas­sen sowie das Konsumentenschutzgesetz, das Bankwesengesetz, das Versicherungs­aufsichtsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Investmentfondsgesetz, das Zahlungsdienstegesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Maklergesetz geändert wer­den, liegt in schriftlicher Form vor. Daher komme ich gleich zur Antragstellung.

 


Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2010 mit Stimmenein­helligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 61

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.57.08

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir be­handeln beziehungsweise beschließen jetzt das Darlehens- und Kreditrechts-Änderungs­gesetz. Es handelt sich dabei um einen Meilenstein in der österreichischen und euro­päischen Verbraucherpolitik. Es werden klare Regelungen für die Vergabe von Krediten geschaffen.

Einerseits werden die noch historischen Bestimmungen im ABGB über den Darlehens­vertrag, der ein Realvertrag war, auf moderne Beine gestellt. In Zukunft wird dieser Vertrag ein Konsensualvertrag sein. Diese Art von Vertrag wird im ABGB erstmals er­wähnt und als entgeltlicher Darlehensvertrag gesetzlich normiert.

Weiters betrifft diese Gesetzesänderung Verbraucherschutzbestimmungen, nämlich die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie der Europäischen Union, die jetzt von uns als einem der ersten Länder innerstaatlich umgesetzt wird. Es geht hauptsächlich darum, dass für den Verbraucherkredit verschiedenste Verbraucherschutz- und Konsumenten­schutzbestimmungen, die bei uns bisher in verschiedenen Materien aufgeteilt waren, zum Beispiel im Bankwesengesetz, in der Verbraucherkreditverordnung oder im Kon­sumentenschutzgesetz, einerseits zusammengefasst werden und andererseits zusätz­liche neue Schutzbestimmungen, sprich ein neues Schutzniveau für Verbraucherkredi­te, eingeführt und umgesetzt werden.

In Zukunft sind für die Werbung für Kreditverträge bestimmte gesetzliche Angaben ver­pflichtend. Es werden vorvertragliche Informationspflichten des Kreditgebers festgelegt. Weiters ist ein Formular vorgesehen, wie es auch in der Verbraucherkreditrichtlinie vor­gesehen ist. Dies ist eins zu eins von den Kreditgebern umzusetzen.

Es gibt erstmals gesetzliche Verpflichtungen der Kreditgeber für Bonitätsprüfungen. Dies war bis jetzt Ermessenssache. Wenn sich Rahmenbedingungen ändern, wenn ein Kre­dit während der Laufzeit neu verhandelt oder aufgestockt wird, sind wieder entsprechen­de Informationen einzuholen und Prüfungen durch das Kreditinstitut durchzuführen.

Weiters gibt es Vorschriften, die die Angaben in der Ausfertigung des Kreditvertrages be­treffen. Es besteht auch erstmals das Recht des Verbrauchers, jederzeit einen aktuel­len und aktualisierten Tilgungsplan, der die Raten, Zinsen und Kosten enthält, zu verlan­gen.

Als besonders lobenswert ist hervorzuheben, dass es ein Rücktrittsrecht gibt, das Recht, während der ersten 14 Tage von dem abgeschlossenen Vertrag wieder zurückzutreten. So kann zum Beispiel, wenn jemand unüberlegt einen Kredit aufgenommen hat – und bei gewissen Kreisen von Jugendlichen, bei einem Autokauf et cetera kann das durch­aus vorkommen –, der Vertrag einfach widerrufen werden.

Ein Highlight ist, dass bei Fremdwährungskrediten, die es im privaten Bereich hoffent­lich nicht mehr so oft geben wird, besondere Warn- und Informationspflichten einge­führt werden.

Das neue Gesetz sieht vor, dass Banken bei Vertragsabschluss ausführlich über die Pflichten informieren müssen, es sind insgesamt 19 Punkte aufgelistet. Macht eine Bank das nicht, so kann dieser Vertrag jederzeit gekündigt werden.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 62

Dieser Beschluss, meine sehr geehrten Damen und Herren, bedeutet ein Mehr an Rech­ten und Informationen für Kreditnehmer. Insgesamt wird mit diesem Paket ein Mehr an Transparenz, Klarheit und Sicherheit für die Konsumenten in der Vielfalt der Finanzie­rungsmöglichkeiten der Anbieter sichergestellt. Unsere Fraktion wird diesem Gesetz natürlich gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.01


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Mag. Duzdar. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.01.08

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Von meinem Vorredner ist schon viel gesagt worden. Hintergrund für diese Sammelnovelle zum Darlehens- und Kre­ditrechts-Änderungsgesetz ist die europäische Verbraucherkreditrichtlinie, die bis zum 11. Juni 2010 im innerstaatlichen Recht umgesetzt werden muss. Bisher hatten wir im österreichischen Recht die Situation, dass der Verbraucherkredit in vielen verschiede­nen Gesetzesmaterien geregelt war, vom Konsumentenschutzgesetz bis zum Bankwe­sengesetz. Im Sinne einer Rechtsvereinheitlichung und Vermeidung einer Rechtszer­splitterung und damit der Schaffung größerer Rechtssicherheit ist man dazu überge­gangen, ein eigenes Gesetz für diesen Bereich zu schaffen, nämlich das Verbraucher­kreditgesetz. Daher liegt der Schwerpunkt der Novelle in der Schaffung dieses neuen Gesetzes. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Weiters hat man diese Novelle zum Anlass genommen – wie auch bereits gesagt wur­de –, die längst überfällige Modernisierung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches zumindest in einem ersten Schritt, in einem Kapitel über den Darlehensvertrag, in An­griff zu nehmen. So soll dieser Schritt auch der erste für eine zukünftige umfassende Erneuerung des ABGB sein, das immerhin nächstes Jahr sein 200-jähriges Jubiläum feiern wird und manche Bestimmungen enthält, die nicht nur sprachlich veraltet, son­dern auch inhaltlich nicht mehr zeitgemäß sind.

Jedenfalls bringt diese Novelle, insbesondere das erwähnte Verbraucherkreditgesetz, politisch wesentliche Verbesserungen im Verbraucherschutz in Österreich. Natürlich behandelt dieses Gesetz ein bestimmtes Segment des Konsumentenschutzes, nämlich das Vertragsverhältnis zwischen Verbraucher und Kreditgeber. Gerade dieser Bereich ist für den Konsumenten angesichts der wirtschaftlichen Übermacht des Kreditinstitutes von essenzieller Bedeutung, in diesem Bereich hat der Verbraucher ein hohes Schutz­bedürfnis. Mit diesem Gesetz ist versucht worden, dem Rechnung zu tragen.

Erstmals werden umfassende Informations- und Aufklärungspflichten in einem 19-Punk­te-Katalog im Gesetz festgehalten, erstmals führt das Gesetz an, welche zwingenden Angaben im Kreditvertrag enthalten sein müssen. Der Kreditgeber hat zudem nicht nur die Pflicht, die Bonität des Verbrauchers zu prüfen, sondern bei Zweifel über die Kredit­würdigkeit des Verbrauchers sogar eine sogenannte Warnpflicht, bei deren Verletzung der Kreditgeber unter Umständen schadenersatzpflichtig wird.

Gerade auch für Kredite mit spekulativen Elementen enthält dieses Gesetz eine eigene Bestimmung, und zwar hat der Kreditgeber eine besondere Aufklärungs- und Warn­pflicht. Bei solchen Krediten muss bereits aus den bereitgestellten vorvertraglichen In­formationen klar und prägnant hervorgehen, welche Risiken mit dem Kredit verbunden sind. Insbesondere muss daraus auch hervorgehen, dass der Kreditvertrag oder der Vertrag über den Tilgungsträger keine Garantie für die Rückzahlung des aufgrund des Kreditvertrages in Anspruch genommenen Gesamtbetrages vorsieht.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 63

Werte Kolleginnen und Kollegen! Dass einfache Sparer und Kreditnehmer angehalten werden, in spekulative Fonds zu investieren, bedeutet nicht nur ein Risiko für den Kre­ditnehmer, sondern zieht auch negative volkswirtschaftliche Folgen nach sich. In die­sen Fonds wird mit den Geldern der Sparer spekuliert. Wie betont, ist das natürlich ein hohes individuelles Risiko, aber die finanziellen Mittel der Kreditnehmer werden auch dazu verwendet – um es einmal so zu sagen –, das Spielgeld der globalen Spekula­tionskasinos auf den Finanzmärkten zu erhöhen. Man hat in dieser Krise weltweit ge­sehen, wohin das führt. Auch anhand des Beispiels Griechenland sieht man wieder, was passiert, wenn deregulierte Finanzmärkte freie Bahn haben und sich auf Kosten eines Landes und des ganzen Euro-Raumes bereichern.

Ganz wichtig ist es daher, dass man gegen Spekulation vorgeht, wie zum Beispiel mit einer Finanztransaktionssteuer. Man darf aber natürlich nicht nur von den großen Din­gen reden, sondern es ist auch wichtig, die Spekulation im Kleinen zu bekämpfen und zumindest mit diesem Gesetz die Verbraucher davor zu schützen, dass sie in derartige Kreditverträge hineingeritten werden.

Die besonderen Aufklärungs- und Informationspflichten schaffen Sicherheit für den ein­zelnen Kreditnehmer und drängen das spekulative Element bei der Kreditvergabe zu­rück. Es muss die Aufgabe der Banken sein, dass sie seriöse Geschäfte mit den Kun­den machen. Nun sieht dieses Gesetz vor – und das ist eben neu –, dass Kreditgeber, die gegen diese Pflichten wie Aufklärungs- und Informationspflicht und Warnpflicht, die umfassend im Gesetz angeführt sind, verstoßen oder zwingende Angaben unterlassen, zum einen mit zivilrechtlichen Folgen rechnen müssen, aber bei Verstößen auch ver­waltungsstrafrechtlich mit Beträgen von bis zu 10 000 € bestraft werden.

Das Verbraucherkreditgesetz bringt aber nicht nur Pflichten für den Kreditgeber, son­dern auch umfassende Rechte und Gestaltungsmöglichkeiten für den Verbraucher, zum Beispiel die erwähnte Rücktrittsfrist von Kreditverträgen innerhalb von 14 Tagen, die aber auch Nebenleistungen, die in Zusammenhang mit den Kreditverträgen stehen, wie zum Beispiel Lebensversicherungen, umfasst.

Ein weiterer Fortschritt ist das Recht zur vorzeitigen Rückzahlung des Kredites, ohne dass dadurch horrende Entschädigungsansprüche der Banken entstehen, mit denen sich der Verbraucher konfrontiert sehen muss. Entschädigungen kann der Kreditgeber nur dann verlangen, wenn dies schriftlich so vereinbart wurde. Besteht eine solche Ver­einbarung, ist auch die Höhe der Entschädigung mit bis zu einem Prozent des vorzeitig zurückbezahlten Kreditbetrages gedeckelt. Verbraucher sollen die Möglichkeit haben, sich von vertraglichen Bindungen lösen zu können, ohne mit Entschädigungssummen konfrontiert zu sein. Daher hat der Verbraucher das Recht, den Kreditvertrag jederzeit zu kündigen, und eine Kündigungsfrist besteht auch nur dann, wenn dies auch so ver­einbart wurde.

Im Großen und Ganzen, werte Kolleginnen und Kollegen, seht ihr, dass dies ein Mei­lenstein im Konsumentenschutz ist. Vieles ist bisher schon praktiziert worden, findet aber nun erstmals Niederschlag im Gesetz. Dieses Gesetz bedeutet mehr Schutz für den Verbraucher vor der wirtschaftlichen Übermacht der Kreditinstitute und mehr Rechts­sicherheit. Daher wird meine Fraktion dem Gesetz auch zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.08


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jany. – Bitt


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 64

e.

 


12.08.29

Bundesrat Reinhard Jany (ÖVP, Burgenland): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Mit dem heutigen Verbraucherkreditgesetz setzen wir eine EU-Richtlinie um, durch deren Vorgaben ein wesentlich besserer Schutz für den einzelnen Konsumenten im Bereich von Darlehen und Krediten gewährleistet wird. Das Rücktrittsrecht ermöglicht es, in Zukunft innerhalb von 14 Tagen von einem Vertrag oh­ne Angabe von Gründen zurückzutreten. Die Richtlinie schafft europaweit einheitliche Standards und Regelungen im Zusammenhang mit Verbraucherkreditgeschäften, für vorzeitige Kreditrückzahlungen sowie für die üblichen Leasingverträge.

Unter anderem müssen Kreditgeber, aber auch Kreditvermittler, vor Abschluss eines Kreditvertrages den Konsumenten viel umfassendere und standardisierte Informatio­nen zukommen lassen. Macht eine Bank das nicht, so kann der Vertrag jederzeit ge­kündigt werden. All diese Maßnahmen haben ein klares Ziel, nämlich den Schutz des Konsumenten, des Kreditnehmers. Insgesamt wird für die Konsumenten mehr Trans­parenz und Sicherheit im Finanzierungsdschungel sichergestellt. Der Kreditgeber muss den Rücktritt gelten lassen. Weiters ist bei Vergabe von Krediten an Kunden eine stren­gere Bonitätsprüfung vorgesehen.

Alles in allem ist das eine gute Regelung für die Konsumenten, sie profitieren davon. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Kraml.)

12.10


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Bundesministerin, bitte schön.

 


12.10.25

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will nicht noch einmal auf den Inhalt ein­gehen, der wurde schon erläutert.

Nur ganz kurz: Das ist einer der ersten Schritte zur Modernisierung des ABGB. Der Kre­ditvertrag wird erstmals in das ABGB Eingang finden. Das ABGB wird nächstes Jahr 200 Jahre alt, also müssen wir jetzt damit anfangen, schön langsam gewisse Bestim­mungen und Bereiche dieses Gesetzes zu modernisieren. Immerhin ist bei den Bestim­mungen über den sogenannten Darlehensvertrag noch von der klingenden Münze die Rede. Man merkt also schon an der Terminologie, wie alt das Gesetz ist.

Eines wollte ich noch sagen: Im Justizausschuss hat sich bei heftigen Diskussionen über dieses Gesetz herausgestellt, dass es den einen zu viel, den anderen zu wenig an Verbraucherschutz war. Ich muss sagen, das bewegt mich dazu, fest der Meinung zu sein, dass wir genau das Richtige getan haben. Denn eines ist auch klar: Zu viel an Verbraucherschutz dient niemandem, denn das ist sehr teuer und das bezahlen letzten Endes wieder die Verbraucher. Ich glaube, mit dem Gesetz wurde ein guter Mittelweg gefunden, es bringt einfach mehr Rechte und mehr Informationen für die Kreditneh­mer. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Mag. Klug und Zan­gerl.)

12.1


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 65

1


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

12.12.174. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Justiz gemäß § 29a Abs. 3 StAG über die im Jahr 2009 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Ver­fahren beendet wurde (III-389-BR/2010 d.B. sowie 8306/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kaltenbacher. Ich bitte um den Bericht.

 


12.12.34

Berichterstatter Günther Kaltenbacher: Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Justiz gemäß § 29a Abs. 3 Staatsanwaltsgesetz über die im Jahr 2009 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegen­de Verfahren beendet wurde.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2010 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für Justiz gemäß § 29a Abs. 3 StAG über die im Jahr 2009 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende Verfahren beendet wurde, zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte schön.

 


12.13.38

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich Gelegenheit dazu habe, hier im Bundesrat etwas zum Thema Weisungsrecht zu sagen, dann tue ich das gerne, denn immer wieder werden mit diesem Thema Spekulationen über allfällige unsachliche po­litische Einflussnahme durch die Justizministerin auf die Justiz verbunden. Dieses Wei­sungsrecht wird immer wieder mystifiziert, auch in den Medien, und ich möchte dazu einiges klarstellen.

Seit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2008 gibt es große Änderungen, was das Wei­sungsrecht betrifft. Weisungen können nur schriftlich an den Oberstaatsanwalt und vom Oberstaatsanwalt dann zur Staatsanwaltschaft erteilt werden. Wir haben ein schriftliches zweigliedriges Weisungssystem, das heißt, diese Weisung muss auch im Akt aufschei­nen und muss Ihnen, dem Parlament, berichtet werden, sowohl dem Nationalrat als auch dem Bundesrat.

Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wann man eigentlich eine Weisung erteilt. – Ich erteile sicherlich keine Weisung – und das tut auch kein Justizminister, das wäre ja politischer Selbstmord – einfach nur, weil ich halt glaube, dieses eine Verfahren hat so oder so auszugehen. Weisungen sind immer juristischer, fachlicher Natur. Nur dann, wenn eine Entscheidung in Aussicht gestellt wird, die sachlich oder juristisch nicht vertretbar ist, wird eine Weisung erteilt.

Sie sehen es ja anhand des Weisungsberichtes: das Bundesministerium für Justiz, bes­ser gesagt ich habe ganze zwei Weisungen erteilt, und die waren rein fachlicher Natur. Dabei ging es um Auslegungsdifferenzen eine Akteneinsicht beziehungsweise eine Straf­bestimmung betreffend.

Dieses Weisungsrecht ist wichtig. Warum? – Es dient der Rechtsvereinheitlichung. Wir haben vier verschiedene Sprengel von Oberstaatsanwaltschaften, die dazu führen, dass


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es zu vier verschiedenen Auslegungen von Gesetzen kommen kann. Im Bundesminis­terium für Justiz kann man dafür sorgen, dass es zu einer einheitlichen Rechtsauslegung kommt. Das dient der Rechtssicherheit, meine Damen und Herren.

Außerdem ist es oft notwendig, Fehler zu korrigieren. Es passieren natürlich auch bei Staatsanwaltschaften Fehler. Daher muss es die Möglichkeit geben, diese Fehler juris­tischer Natur auszumerzen.

Immer wieder wird ein Bundesstaatsanwalt oder Generalstaatsanwalt gefordert, dafür gibt es verschiedene Bezeichnungen. Man plädiert immer wieder darauf, der Justizmi­nisterin sozusagen das Weisungsrecht wegzunehmen. Ich war, als ich noch Richterin war, auch immer der Meinung, dass die Staatsanwaltschaft weisungsfrei gestellt wer­den sollte. Allerdings hat sich einiges verändert, und zwar nicht nur meine Sichtweise, sondern auch durch die Reform, von der ich schon gesprochen habe, die zu absoluter Transparenz und Durchsichtigkeit beziehungsweise Nachvollziehbarkeit der Weisungen geführt hat. Es hat sich also wirklich einiges verändert.

Ein Bundesgeneralanwalt oder wie immer man ihn nennen möchte würde keinen Mehr­wert bedeuten, denn auch dieser müsste von jemandem gewählt werden, auch dieser müsste sich jemandem verantworten. Ich als Bundesministerin für Justiz bin voll und ganz dem Parlament verantwortlich, nicht nur durch diesen Bericht über die Weisungen, sondern auch durch das Interpellationsrecht. Ich beantworte oft fünf parlamentarische Anfragen pro Woche – auch in Einzelstrafsachen.

Ich möchte gerne die Gelegenheit ergreifen, noch eines festzuhalten: Ich sehe das nicht ein, und ich möchte das auch nicht so auf mir sitzen lassen. Politische Zurufe in Ein­zelstrafsachen darf es einfach nicht geben. In den letzten Wochen ist es vermehrt zu politischen Zurufen in anhängigen Strafverfahren gekommen. Die Staatsanwaltschaf­ten müssen unabhängig agieren. Auch Staatsanwaltschaften, Staatsanwälte sind Orga­ne der Gerichtsbarkeit. Das ist vor zwei Jahren mittels Bundesverfassungsgesetz be­schlossen worden. Daher muss man die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wirklich in Ruhe arbeiten lassen. Es kann nicht sein, dass ein und dieselbe Person, ich nenne jetzt keine Namen, fordert, ein Verfahren einzustellen und in einem anderen Verfahren diverse konkrete Ermittlungsschritte zu setzen.

Ich kann Ihnen versichern, dass in all diesen Verfahren, die in den letzten Wochen in den Medien vorgekommen sind, etwas geschieht, nur: Ein Ermittlungsverfahren ist nicht öffentlich, und das hat auch seinen Sinn. Was würde es bedeuten, wenn wir den Me­dien jeden Ermittlungsschritt bekannt geben würden? – Das würde den Ermittlungser­folg natürlich beeinträchtigen und in Persönlichkeitsrechte eingreifen. Stellen Sie sich vor, jemand zeigt Sie an, und es gibt ein Ermittlungsverfahren gegen Sie. Ich glaube, Sie hätten auch keine Freude damit, wenn jedes Protokoll in der Zeitung steht. Daher hält sich die Justiz bedeckt, auch in anhängigen Ermittlungsverfahren. Aber wie ge­sagt, Sie können versichert sein, dass unsere Staatsanwältinnen und Staatsanwälte tätig sind. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.19


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kalina. – Bitte.

 


12.19.13

Bundesrat Josef Kalina (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Es ist positiv, dass Sie sich zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet haben, der ja an sich nur, wie Sie selber gesagt haben, zwei dürre Punkte enthält, diese rein sach­lichen Weisungen, aber ein, so glaube ich, außerordentlich wichtiges grundsätzliches Thema anschneidet.


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Ich bin in vielen Fragen im Zusammenhang mit dem Weisungsrecht, vor allem in der Frage, wie man damit umgehen soll, ganz Ihrer Meinung. Nur: Wenn ich mir die ak­tuelle Umsetzung ansehe, nämlich die Art und Weise, wie es in Österreich gehandhabt wird, dann habe ich Sorge – und deswegen habe ich mich jetzt hier nach Ihrer Wort­meldung, Frau Justizministerin, auch zu Wort gemeldet –, dass die Menschen eine un­glaubliche Schieflage wahrnehmen, wenn sie sich anschauen, wie in diesem Bereich vorgegangen wird.

Frau Ministerin, grundsätzlich haben Sie natürlich recht, wenn Sie sagen, Ihr Weisungs­recht dient der Rechtsvereinheitlichung, der Rechtssicherheit und dazu, notwendige Feh­ler korrigieren zu können. Allerdings muss ich an dieser Stelle auf folgenden Fall hin­weisen:

Wir haben gestern aus dem „Standard“ und über die APA erfahren, dass die Staatsan­waltschaft Wiener Neustadt in dem Verfahren, das sie gegen einen ORF-Redakteur führt, weil der Herr Strache irgendwelche „Geisterstimmen“ gehört hat, die etwas ge­sagt haben, was außer ihm niemand gehört hat, einen äußerst ungewöhnlichen Schritt unternimmt. So etwas ist, Frau Ministerin, wie ich gehört habe, bisher ganz selten vor­gekommen, wenn überhaupt jemals. Das weiß ich nicht, aber auf jeden Fall ist das sehr ungewöhnlich. Wie gesagt, die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt tritt die weite­ren Ermittlungen an das Landesgericht, in diesem Fall an eine Richterin, ab.

Das ist ein ganz ungewöhnlicher Schritt in einem Verfahren. Und jetzt muss man sich, finde ich, im Lichte anderer Entscheidungen die Begründungen Ihrer Behörde, wo Sie zur Weisungserteilung berechtigt, aber auch verpflichtet sind, um eben die Rechtssicher­heit herzustellen, einmal zu Gemüte führen.

Worum geht es da? Warum tritt jetzt die Staatsanwaltschaft diese Ermittlungen ab? Das hat die Oberstaatsanwaltschaft schon genehmigt, und auch Sie oder Ihr Ministerium hat die Abtretung dieses Verfahrens von der Staatsanwaltschaft an das Gericht geneh­migt. Also offensichtlich haben Sie oder Ihre Behörde da eine Weisung oder die Zu­stimmung erteilt. Ich frage Sie: Warum?

Die Strafprozessordnung sieht ja vor, dass an sich die dafür zuständige Staatsanwalt Beweisaufnahmen durch einen unabhängigen Richter zu beantragen hat, wenn die Be­deutung der aufzuklärenden Straftat und die Person des Tatverdächtigen ein über das übliche Ausmaß hinausgehendes mediales Echo erwarten lässt.

Nun die Frage: Worum geht es bei dieser Straftat? – Bei dieser Straftat geht es um die „Phantasien“ und die „Phantastereien“ des Herrn Strache, der bei irgendeiner Kundge­bung irgendetwas gehört haben will, das sonst niemand gehört hat. (Bundesrätin Mühl­werth: Das war schon so, wie er es gehört hat!)

Dieser Vorfall wurde ja auch im Fernsehen gezeigt, und auch dort hat keiner der Zu­schauer das hören können, was der Herr Strache gehört haben will. Und dann ging der Herr Strache her und zeigte einen ORF-Redakteur wegen nationalsozialistischer Wie­derbetätigung an. – Soweit Strache.

Es ist halt so, dass man, wenn man am Abend zu viel unterwegs war, nachher manch­mal Stimmen hört (Heiterkeit bei der SPÖ) oder sonst irgendwas inszeniert. Ich weiß es nicht, ist okay. (Zwischenrufe der Bundesräte Michalke und Ertl.) Darum geht es jetzt gar nicht.

Wie gesagt, der Herr Strache hat Anzeige wegen des Delikts der nationalsozialistischen Wiederbetätigung aufgrund einer Äußerung, die außer ihm sonst niemand gehört hat, erstattet. Und da geht man jetzt von Ihrer Behörde her, Frau Justizministerin, und sagt: Dies ist die Bedeutung der aufzuklärenden Straftat. – Na gut.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 68

Nun zur zweiten Geschichte. – Es heißt: Die Person des Tatverdächtigen lässt ein über das übliche Ausmaß hinausgehendes mediales Echo erwarten. Und dann sagt Ihre Be­hörde: eine äußerst bedeutsame Straftat, ein Verdacht steht im Raum, was die beiden Skinheads betrifft. Vor allem wird der ORF-Redakteur, dessen Namen ich hier nicht nennen möchte, verdächtigt, diese Jugendlichen zu „Sieg Heil“-Rufen angestiftet zu haben. Diese scheint aber außer Herrn Strache niemand gehört zu haben. Sie waren auch im Fernsehen nicht zu hören. (Bundesrätin Mühlwerth: Da gibt es Aussagen von den Jugendlichen!) Vom Herrn Strache gibt es Aussagen (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, von den Jugendlichen!), weil er eben in der Nacht zu viel unterwegs ist.

Und dann sagt die Justiz noch: Auch die Person des ORF-Redakteurs macht es nach Ansicht der Justizbehörden notwendig, die Ermittlungen einem unabhängigen Gericht zu überlassen. Der Herr Redakteur wird als „Galionsfigur eines kritischen Journalismus“ bezeichnet. – So viel zu diesem Fall.

Wenn Sie mich fragen, dann sage ich: Das sind Phantastereien vom Herrn Strache oder überhaupt eine Inszenierung (Bundesrätin Mühlwerth: Man kann es immer so drehen, wie man es haben möchte!), damit er wieder dort ist, wo er so gerne ist, nämlich in der Opferrolle. Er ist dann der „arme“ Strache, gegen den alle irgendetwas Böses tun. – Aber gut. (Bundesrätin Mühlwerth: Das scheint eine Inszenierung des ORF-Redak­teurs gewesen zu sein! Aber können Sie jetzt zur Sache kommen?!) Es geht ja da um die Justiz.

Weiters gibt es ein Verfahren gegen Tierschützer, gegen die mit großem Lauschangriff und mit Rasterfahndung vorgegangen wurde, und herausgekommen sind dabei ganz seltsame Dinge. Ich muss sagen, auch ich habe nicht das geringste Verständnis für Sachbeschädigung oder ähnliche Dinge (Bundesrätin Mühlwerth: Aber bei einer Sach­beschädigung ist man großzügiger, da passt es wieder!), und dies gilt auch für die Tier­schützer, aber wenn man sich die Verhältnismäßigkeit und den Einsatz der Mittel Ihrer Behörden in diesem Verfahren und im Fall der „Phantastereien“ des Herrn Strache an­schaut, dann fragt man sich: Wenn es denn so sein sollte, dass die Bedeutung der auf­zuklärenden Straftat und des möglichen Täters ein über das übliche Ausmaß hinausge­hendes mediales Echo erwarten lässt, warum ermittelt dann eigentlich gegen den Herrn Grasser noch immer kein unabhängiger Richter? (Ironische Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Nein, das ist keine Phantasie! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Him­mer.) Nein, da gibt es keine Phantastereien, sondern da geht es um Millionen, die ge­flossen sind von einer Firma an zwei Leute, gegen die schon ermittelt wird. Darum geht es! (Bundesrat Mag. Himmer: Und was macht der Justizminister Kalina?) Ich bin nicht der Justizminister, die Frau Ministerin ist es. (Bundesrat Mag. Himmer: Aber Sie reden ja so gescheit daher!)

Es geht darum, in welchem Verhältnis bei dem Verfahren die Bedeutung der Person des Tatverdächtigen zum medialen Echo steht. Und wenn man meint, dass der Herr ORF-Redakteur M. aufgrund seiner Persönlichkeit mehr mediales Echo erwarten lässt als der Herr Finanzminister Grasser, dann glaube ich, dass das falsch ist. – Das sollten Sie, Frau Justizministerin, Ihrer Behörde sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Und wenn man findet, dass das Verschwinden oder das Veruntreuen von Millionen oder das Zahlen von Bestechungen oder Ähnliches – Dinge, wo immerhin ein Mitarbeiter des ehemaligen Finanzministers sagte, er habe das von Anfang an in diese Richtung geleitet, wo jetzt Geschäftspartner und Trauzeugen des Ministers auftreten und sagen: Na ja, wir haben die Information denen schon irgendwie weitergegeben!, wo es ge­meinsame Firmen gibt, wo es gemeinsame Yachten gibt und wo immer im Hintergrund


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des Verfahrens der Verdacht steht, ein Minister habe in seiner Amtszeit das in genau diese Richtung geleitet – weniger bedeutend sei als der Vorwurf gegen irgendwelche Tierschützer oder die „Phantastereien“ des Herrn Strache, dann muss ich Ihnen wider­sprechen, Frau Minister. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

Zum Fall Grasser ist auch noch zu sagen: Ich weiß nicht, wer in diesem Raum jemals in den Genuss einer Fehlüberweisung aus Liechtenstein gekommen ist. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich habe einmal eine Fehlüberweisung gemacht, da habe ich irgendetwas Falsches draufgeschrieben, eine falsche Kontonummer, und das habe ich an jeman­den geschickt, aber es ist noch nie vorgekommen, dass ich Millionen gekriegt hätte aus Liechtenstein, wie das bei den Geldern der Hypo Alpe-Adria oder der BUWOG der Fall war.

Aber da werden die Ermittlungen nicht in dem Ausmaß durchgeführt – zumindest hat man diesen Eindruck –, in welchem sie gegenüber einem ORF-Redakteur, zwei seltsa­men Skinheads oder auch irgendwelchen Tierschützern durchgeführt werden.

Die Frage, Frau Justizministerin, wieso Karl-Heinz Grassers Konten noch nicht geöff­net worden sind, würde ich gerne an Ihre Behörden stellen. Und vielleicht darf ich an Sie die Anregung richten, dass Sie das, was Sie jetzt bei dem ORF-Redakteur gemacht haben, vielleicht auch im Fall Grasser machen, damit auch bei ihm das Ganze schnel­ler geht, damit man draufkommt, ob der Herr Grasser ein direkter Beteiligter war, näm­lich dass man den Fall Grasser auch einer unabhängige Richterin oder einem unabhängi­gen Richter übergibt, damit man auch dort ein bisschen etwas weiterbringt und damit die Staatsbürger nicht das Gefühl haben, dass gegen die einen mit aller Gewalt er­mittelt wird, bis hin zum großen Lauschangriff, und dass gegen einen anderen die Er­mittlungen so lange verschleppt werden, bis sich irgendwann einmal herausstellt, dass man sowieso nichts mehr herausfinden kann. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundes­rates Schennach.)

12.28


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun die Frau Bundesmi­nisterin. – Bitte.

 


12.28.34

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Nur ein Satz: Wer sagt eigentlich, dass in dieser Causa nicht ermittelt wird? Ich habe es ja gerade zuvor gesagt: Wir können nicht über jeden Schritt eine Pressekonferenz machen! – Nur so viel. (Bei­fall bei der ÖVP.)

12.28


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächster Redner: Herr Bundesrat Dr. Küh­nel. – Bitte.

 


12.29.00

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir kennen zwei­felsohne alle die kabarettistischen Talente des Kollegen Kalina (Beifall bei der ÖVP – Zwischenrufe bei der SPÖ), aber eines muss man zu dem Ganzen auch sagen: Er ist in gewissem Maße die „Schutzmantelmadonna“ des ORF!

Jetzt möchte ich aber im Zusammenhang mit dem, was die Frau Bundesministerin vor­hin hier gesagt hat, eine Feststellung treff


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 70

en.

Sie hat hier ausdrücklich gesagt, es könne nicht sein, dass man zu jedem Verfahrens­schritt, wo man Ergebnisse hat, eine Pressekonferenz macht, indem man die Medien entsprechend informiert. Und die Aussagen des Kollegen Kalina haben in aller Klarheit gezeigt, dass wir als Politiker uns nicht in laufende Verfahren einmischen sollen (de­monstrativer Beifall bei der ÖVP), sondern abzuwarten haben (Bundesrat Stadler: Zu­zuschauen haben oder den Mund zu halten haben!), was die Ermittlungen ergeben, ob Anklage erhoben wird, und so lange zuzuwarten haben – das sage ich jetzt als Jurist –, bis etwas in Rechtskraft erwachsen ist. Und erst dann kann ich mich als Politiker oder als Politikerin entsprechend aufregen. Dieser Grundsatz ist durch Ihre Ausführungen, Herr Kollege Kalina, voll und ganz bestätigt worden.

Da werden jetzt wir von der ÖVP vielleicht wieder falsch verstanden. Uns von der ÖVP sind nämlich der Herr Strache und der Herr Grasser vollkommen wurscht. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Hätten Sie das doch im Jahr 2000 ge­sagt, dann wäre uns viel erspart geblieben!) Herr Professor, tun Sie sich nicht schau­spielerisch erregen!

Wir wollen abwarten, was die Ermittlungen ergeben. Und wenn der Herr Strache oder der ehemalige Finanzminister verurteilt wird, dann wird das selbstverständlich von uns entsprechend zur Kenntnis genommen werden. Aber bitte sich nicht vorher da einzumi­schen, etwa so: Der eine macht den Medienschritt, der andere macht den Medienschritt, und damit versucht man, die Staatsanwaltschaft zu beeinflussen.

Ich habe – auch als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates – ein großes Interesse daran, dass die Rechtsstaatlichkeit in Österreich erhalten bleibt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.31


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächster Redner: Herr Bundesrat Profes­sor Konecny. – Bitte.

 


12.31.58

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, nur ein Satz, auch wenn er ein bisschen länger ist als der, den die Frau Bundesministerin gesprochen hat. – Ich hätte mir von ganzem Herzen – und ich wiederhole das, was ich vorhin in einem Zwischenruf gesagt habe – gewünscht, dass der ÖVP der Herr Grasser schon damals, als er seine wenig segensreiche Karriere als österreichischer Finanzminister, als Minister einer schwarz-blauen Koalition beginnen durfte, so wurscht gewesen wäre, wie das jetzt der Kollege Kühnel zum Ausdruck gebracht hat. Denn: Der Scherbenhaufen ist noch lange nicht weggeräumt, aber der Zertrümmerer, nämlich der, der die österreichische Republik durch dubiose Verkäufe vermutlich in Summe um Milliarden gebracht hat, erfreut sich seines Reichtums, seiner Verbindungen und schafft es ganz offensichtlich, ungeschoren davonzukommen.

Frau Bundesministerin! Ich urgiere keine Maßnahmen, ich werde mich davor hüten, aber ich gehe davon aus, dass die österreichische Öffentlichkeit und die europäischen Ins­tanzen kein Verständnis dafür haben, wenn ein „Big VIP“ dieser Art und Weise so pfleg­lich behandelt wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

12.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächster Redner: Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 


12.33.30

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es gibt hier keine neue Zeitvorgabe in der Länge eines Satzes. Ich möchte schon etwas länger eingehen auf die Ausführungen des Kollegen Kühnel, bei dem ich mich ja heute schon einmal ent­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 71

schuldigt habe, und zunächst sagen, dass er aber im politischen Diskurs schon auch Kritik aushalten muss.

Was hier passiert, lieber Kollege Kühnel, sind ja immer wieder Verwechslungen von unterschiedlichen Wirkungen. Es ist völlig richtig: Es laufen derzeit Ermittlungen und es finden auch Einvernahmen statt, und es läuft auch ein Verfahren in Sachen Karl-Heinz Grasser und auch in Sachen Finanzstrafverfahren gegenüber Meischberger und Freun­de. Das ist die strafrechtliche, die finanzstrafrechtliche Ebene.

Aber niemand versteht – und da sagt sogar der von Ihnen, nehme ich an, sehr hoch geschätzte frühere Rechnungshofpräsident Fiedler, dass die Kacke so am Dampfen ist (Bundesrat Mag. Himmer: Pfui Teufel!) –, dass nichts unternommen wird, was die po­litische Verantwortung einer Ministerführung, was die politische Verantwortung der Aus­übung des Ministeramtes betrifft. Das wäre Gegenstand eines Untersuchungsausschus­ses, wo es nicht darum geht, etwas strafrechtlich aufzurollen, sondern wo es darum geht, die politische Verantwortung und die Verwaltungs- und behördlichen Vorgänge zu überprüfen.

Niemand versteht, dass auf der einen Seite der Herr Karl-Heinz Grasser blendend ge­launt von einer Charity-, äh!, Society-Veranstaltung zur nächsten „Seitenblicke“-Sen­dung hüpft (Bundesrat Konecny: Charity nicht!) – ich habe mich ja schon korrigiert, Herr Kollege Konecny! –, aber im Grunde die Öffentlichkeit verhöhnt, und dass auf der anderen Seite immer mehr Verdachtsmomente von Missbrauch einer Stellung auftre­ten und ein Geflecht zutage tritt – Kollege Kalina hat, glaube ich, von Trauzeugen ge­sprochen –, wo sich zeigt, dass es hier eine enge Verquickung gibt und dass interes­santerweise genau diese Personen zu Informationen gekommen sind, nämlich Perso­nen, die es nur im engsten Umfeld eines Ministerbüros geben kann. Und da geht es um die politische Verantwortung bei der Amtsführung, was Gegenstand eines Untersu­chungsausschusses des Parlaments wäre. Das dürfen wir nicht verschleppen!

Der Herr Grasser braucht ja jetzt schon zwei Anwälte bei seinen Auftritten, beim nächs­ten braucht er vielleicht schon drei, und dann kommt er sogar schon mit vier daher. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir diesen Zinnober die nächsten vier, fünf Jahre erleben werden – es ist auch die Frage, wie aktiv die Justiz das verfolgt; das ist durchaus eine berechtigte Frage –, aber das Ganze vermittelt in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass die Großen es sich richten können und der kleine Hendldieb die volle Härte des Ge­setzes zu spüren bekommt.

Deshalb gilt es jetzt auch im Sinne einer politischen Ethik ... (Bundesrat Kneifel: Klas­senkampf!) Das hat doch nichts mit Klassenkampf zu tun, sondern das hat etwas mit Gerechtigkeit zu tun, Kollege Kneifel. Das sollten Sie schon wissen: dass das etwas mit Gerechtigkeit und nicht mit Klassenkampf zu tun hat!

Jetzt geht es darum, möglichst rasch die politische Verantwortung der Ministerschaft Grasser zu untersuchen und dann die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 72

12.37


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.37.595. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energie-Regulierungsbehördengesetz geändert wird (474 d.B. und 524 d.B. sowie 8308/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 5. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Junker. Ich bitte um den Bericht.

 


12.38.14

Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 21. April 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energie-Regulierungsbehördengesetz geändert wird, liegt Ihnen in schrift­licher Form vor. Ich darf daher sogleich zur Antragstellung kommen.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Mai 2010 den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Ver­fassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


12.39.20

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht beim vorlie­genden Tagesordnungspunkt um die Kontrolle der Energie-Control Kommission. Auch wir sind für eine Kontrolle. Nur: Wir möchten nicht die Kontrolle durch den Minister wahr­genommen haben, sondern durch das Parlament.

Es gab schon im Vorfeld zu diesem Beschluss im Nationalrat einige Diskussionen, ob es möglich ist, dass nur das Parlament prüft, oder ob es nicht doch so sein muss, dass der Minister ein eigenes Prüfungsrecht, ein Anfragerecht hat. Darüber, ob das möglich ist oder nicht, kann man streiten.

Wir würden sagen, das ist möglich. Im Prinzip fehlt nur der Wille, dass das Parlament genau die gleichen Fragen beantwortet bekommt wie der Minister.

Das Problem im Zusammenhang mit dieser Regulierungsbehörde sind die vielen Hüte, die der Minister in diesem Bereich ohnehin schon aufhat. Einen Hut hat er für die Funk­tion des 100-Prozent-Eigentümers der Energie-Control GmbH, die Aufgaben des Minis­teriums, der Behörde übernimmt, Wettbewerbsaufsicht, Überwachung des Unbundlings et cetera, einen weiteren Hut hat er dafür, dass er 51 Prozent des Verbunds vertritt, als Eigentümer. Und der Verbund ist ja auch ein Teilnehmer des Marktes, den die Energie-Control GmbH kontrolliert. Das sind schon zwei Hüte, die nicht 100-prozentig zusam­menpassen. Und dann kommt noch ein dritter Hut dazu, den Sie jetzt haben wollen: die Kontrolle der Energie-Control Kommission, die ihrerseits wieder mehr oder weniger die GmbH kontrolliert.

Zu dieser Kontrolle: Sie können Fragen stellen und bekommen Antworten, aber das ist nirgends dokumentiert. Wenn das Parlament, sprich Abgeordnete des Nationalrates oder


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 73

Mitglieder des Bundesrates Fragen stellen und beantwortet bekommen, dann ist das dokumentiert, dann findet das jeder im Internet und kann es nachlesen. Wenn Sie, Herr Minister, Fragen stellen und Antworten darauf bekommen, dann wissen Sie es, müs­sen es aber nicht weitersagen. Und nachdem Sie Eigentümervertreter von 51 Prozent des Verbunds sind, ergibt das aus unserer Sicht wettbewerbsrechtlich – zumindest wett­bewerbsrechtlich – ein unglückliches Bild.

Unserer Meinung nach wäre es sinnvoller, die Kontrolle in dieser Hinsicht in erster Li­nie dem Parlament zu überlassen. Das wäre transparenter. Deshalb lehnen wir die Form, die Sie vorschlagen, nämlich dass die Kontrolle bei Ihnen liegt, ab.

Ich möchte noch ganz kurz zur Energie-Control etwas sagen: Es ist ja nicht so, dass die Grünen in den Verdacht kommen könnten, die Schutzheiligen der Energie-Control zu sein, denn aufgrund ihrer Aufgaben und der Art und Weise ihrer Durchführung ist die Energie-Control ja in vielen Bereichen mehr oder weniger der Gottseibeiuns der Öko­stromproduzenten.

Wir würden uns wünschen, dass in diesem Bereich viel frischer Wind weht. Das hängt aber sicher nicht von der Kontrolle und der Anfragemöglichkeit ab, sondern von der Mo­tivation und den Vorgaben, die auch aus der Politik kommen. Ich denke dabei an diver­se Dinge, wie etwa den Deckel beim Ökostrom. Die Energie-Control liefert immer wie­der die Zahlen, die belegen, dass wir das alles brauchen. Man könnte diese Zahlen aber auch anders darstellen und würde dann vielleicht auch andere Schlüsse daraus ziehen.

Wie gesagt, wir würden uns wünschen, dass gerade in der Energiepolitik ein frischer Wind, ein anderer Wind weht. Wir sind sicher nicht verdächtig, die Energie-Control zu sehr zu verteidigen, wir sind aber der Meinung, dass Kontrolle transparent ablaufen muss, und das ist in diesem Fall nur durch das Parlament gewährleistet, nicht durch den Minister. (Beifall des Bundesrates Schennach.)

12.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Ich erteile es ihm.

 


12.43.11

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kollegin, ich finde, die Kontrolle ist beim Herrn Bundesminister sehr, sehr gut aufgehoben. Und zur Transparenz: Frau Kollegin Kerschbaum, bisher habe ich noch nicht mitbekommen, dass beim Herrn Minister und im Rahmen irgend­einer Kontrolle fehlende Transparenz festzustellen gewesen wäre. Die Kontrolle ist dort also sehr gut aufgehoben. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Und zum frischen Wind: Ich habe auch das Gefühl, dass seit dem Amtsantritt des Herrn Bundesministers sehr wohl frischer Wind in die Energiepolitik gekommen ist. Die Ener­giestrategie zum Beispiel – ich komme dann noch kurz darauf  ist etwas, was sehr, sehr viel frischen Wind in die Energiepolitik gebracht hat. (Bundesrat Schennach: Aber wenn ich eine sozusagen unabhängige Kontrollkommission ...!)

Zum Gesetz selbst ein paar Worte, weil es einen auf den ersten Blick vielleicht nicht gerade vom Hocker haut, da es doch etwas sperrig ist. Wenn man es sich aber genau­er anschaut, stellt man fest, dass es doch vor allem für Konsumenten und für Unter­nehmen sehr große Auswirkungen hat. Ich möchte nur kurz ein paar Beispiele dafür bringen, was wäre, wenn wir das Gesetz heute nicht beschließen würden.

Wenn wir diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht nachkommen würden, wären zum Beispiel alle Entscheidungen der E-Control Kommission, sollten sie angefochten werden, bedroht, aufgehoben zu werden. Das hätte doch sehr weitreichende Konse­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 74

quenzen. Ich nenne nur die gesamte Netztarifierung, wo es zu Rechtsstreitigkeiten zwi­schen Konsumenten und Netzbetreibern kommen könnte. Es geht dabei um das Volu­men von zirka 2 Milliarden €, allein was die Netztarife betrifft.

Das Gesetz hat also doch Auswirkungen, auch auf die allgemeinen Bedingungen. Und um da Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, ist dieses Gesetz sehr wohl für Konsumen­ten und Unternehmen wichtig. Es ist auf den ersten Blick vielleicht etwas sperrig, aber, wie gesagt, doch wichtig.

Wir stehen auch kurz vor der Umsetzung des Dritten Binnenmarktpaketes im Energie­bereich. Und im Rahmen dieser wird es durch die Vorgaben der Europäischen Union auch bei der Regulierungsbehörde zu Veränderungen kommen, kommen müssen. In­haltlich werden wir das dann natürlich auch hier im Bundesrat diskutieren. Ich hoffe, dass wir das rechtzeitig tun werden, dass das kurz nach dem Sommer sein wird, weil ja den Bundesländern dann noch sechs Monate Zeit zur Umsetzung in ihren Landesener­giegesetzen gelassen werden müssen. Ich hoffe also, Herr Minister, dass wir das recht­zeitig hier im Bundesrat besprechen können.

Die Umsetzung dieses Dritten Binnenmarktpaketes betrifft die Interessen der Länder sehr, sehr stark. Das ist kein Geheimnis. Ich ersuche daher jetzt schon den Herrn Mi­nister, die Forderungen und den Beschluss der Landeshauptleutekonferenz dann auch bestmöglich in das Gesetz einzubringen. Eine Forderung der Bundesländer ist, früh ge­nug, vor dem eigentlichen Gesetzwerdungsprozess die Bundesländer einzuladen, da mitzuverhandeln, und nicht erst im Begutachtungsverfahren; vielleicht auch eine Arbeits­gruppe zwischen Bund und Ländern einzurichten, wie im Beschluss der Landeshaupt­leutekonferenz festgehalten wurde.

Ein anderer sehr wichtiger Prozess – ich habe es am Anfang kurz erwähnt – wurde von den Ministern Mitterlehner und Berlakovich mit der Präsentation der Energiestrategie in den letzten Wochen angestoßen. Die Energiestrategie Österreich stellt sicher neue Wei­chen. Es weht also auf jeden Fall frischer Wind, Frau Kollegin. (Bundesrat Mag. Klug: Ein Lüfterl!) Sie stellt auch neue Weichen vor allem für die Wirtschaft und schafft und sichert Jobs – man redet von 80 000 Jobs, die da gesichert beziehungsweise neu ge­schaffen werden.

Wir müssen diese Energiestrategie Österreich als langfristigen Prozess sehen – das ist vom Herrn Minister auch so angelegt worden. Das Maßnahmenpaket muss jetzt vor al­lem mit den Ländern (Bundesrat Mag. Klug: Eben!) und den zuständigen Ressorts ver­handelt werden; auch unter Wahrung der kompetenzrechtlichen Verteilung. Die detail­lierte Ausgestaltung und die Umsetzung werden sicher keine leichte Aufgabe, aber Sie, Herr Minister, werden das sicher meistern. Ich wünsche Ihnen alles Gute dazu. (Beifall bei der ÖVP.)

12.48


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. Ich weise darauf hin, dass eine tat­sächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


12.48.06

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Ich werde die maxi­male Dauer deutlich unterschreiten.

Sehr geehrter Herr Kollege Brunner, es wurde gesagt, dass wir prinzipiell gegen diese Novellierung wären, und Sie haben dann ein kleines Horrorszenario nachgeschoben, was das alles bedeuten würde.

Ich halte deshalb als Berichtigung fest: Wir haben grundsätzlich und auch in den De­tailfragen keine Einwendung gegen diese Novellierung des Energie-Regulierungsbehör­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 75

dengesetzes. Die vorgenommenen Änderungen sind richtig. Wir haben nur einen Punkt kritisiert: dass man eine unabhängige Behörde, die Energie-Control Kommission, indi­rekt wieder an die kurze Leine nimmt, nämlich an die kurze Leine des Ministers, indem der Minister – unabhängig von der parlamentarischen Kontrolle – entsprechende Infor­mationen abrufen kann, was letztlich der Behörde signalisiert: So unabhängig seid ihr nicht, wie das Konstrukt ist.

Wir bekennen uns zur Unabhängigkeit dieser Behörde. Wir halten dafür, dass diese Behörde gute und richtige Arbeit leistet, dass sie auch ganz neue Herausforderungen zu meistern hat, aber wir sind nicht gegen die inhaltliche Novellierung dieses Geset­zes. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.49


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. Ich erteile es ihm.

 


12.49.46

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt sind ja alle Unklarheiten beseitigt – oder auch nicht. Ich sehe das nicht so krass, wie das jetzt von der Frau Kollegin Kerschbaum gesagt worden ist.

Dass der Minister die politische Verantwortung trägt, wissen wir alle. Und wenn wir dann lauter unabhängige Kommissionen schaffen, wo der Minister überhaupt nichts sieht und weiß, was dort passiert (Bundesrat Schennach: Dann müssen wir unabhängige Behör­den auch schaffen!), dann ist das, glaube ich, nicht richtig. (Zwischenruf der Bundesrä­tin Kerschbaum.)

Mir geht es bei der ganzen Sache darum, dass gerade im sehr sensiblen Strombereich so vorgegangen wird, dass sich die Bürgerinnen und Bürger auf Preisstabilität verlassen können. Es kann zum Beispiel nicht so sein, dass man Werbeaktionen startet, wie das der Verbund-Konzern gemacht hat, Zigtausende neue Kunden wirbt und diesen dann über Nacht einen höheren Strompreis vorschreibt, wobei man nicht so recht weiß, wie diese Preiserhöhung zustande gekommen ist.

Ich meine, dass man gerade beim Strompreis sehr sensibel vorgehen sollte, denn es gibt viele Mieterinnen und Mieter, die ein bestimmtes Jahresbudget dafür zur Verfügung haben. Und wenn es so weitergeht, dass der Strom laufend teurer wird, dann ist ir­gendwann einmal ihr Geld zu Ende, und sie können sich den Strom nicht mehr leisten.

Es ist wichtig, dass die Stromkonzerne in ihrer Preisgestaltung kontrolliert werden, es ist aber auch wichtig, dass die Stromkonzerne den Auftrag haben, die entsprechenden Innovationen in die Zukunft zu tätigen, dass sie in das Stromnetz investieren und dass nicht die gesamten Gewinne abgezogen werden. Das muss auch einmal gesagt wer­den.

Das vorliegende Gesetz ist ein gutes Gesetz, das den privaten Haushalten hilft. Der Ge­setzgeber ermöglicht zum Beispiel, dass der Stromlieferant gewechselt werden kann. Nur, wer wechselt schon wirklich? Der kleine Haushalt? Ich denke, von denen haben relativ wenige gewechselt. Gewechselt haben die Großkonzerne, die größeren Betrie­be, denn die haben ganz andere Möglichkeiten, das zu tun, und bekommen dann auch noch bessere Preise als die Kleinbetriebe oder die kleinen privaten Haushalte. Ich glau­be, in diesem Bereich sind noch wesentliche Verbesserungen notwendig.

Es gibt auf der Homepage der E-Control einen Tarifrechner, den jeder benützen kann. Der Tarifrechner hilft einem zwar bei der Gegenüberstellung der Kosten, aber den Lie­ferantenwechsel muss man selbst durchführen, und das, glaube ich, ist die Schwierig­keit.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 76

Insgesamt ist dieses Gesetz, meine ich, ein gutes Gesetz. Ich kenne Herrn Bundesmi­nister Mitterlehner, er wird da nicht überall hineinregieren, sondern wird schauen, wie das Ganze läuft. Man wird ihn mit diesem Gesetz aber auch zur Verantwortung ziehen können, wenn einmal etwas nicht so läuft, wie es laufen sollte.

In diesem Sinne werden wir dieser Novellierung die Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Zwanziger. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.53.05

Bundesrat Peter Zwanziger (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kollegen! Ich darf ein paar Worte betreffend die Än­derung des Energie-Regulierungsbehördengesetzes an Sie richten.

Wir stimmen der Änderung des Gesetzes zu. Bis jetzt gibt es ja das Problem, dass die Energie-Control Kommission eine weisungsfreie Kollegialbehörde ist, die derzeit keiner Aufsicht unterliegt. Eine Änderung des Gesetzes würde bedeuten, dass das Aufsichts­recht des Bundesministers in allen Gegenständen der Geschäftsführung der Energie-Control Kommission gewährt wird. Das sehe ich als äußerst wichtig, denn jedes Ge­setz braucht Aufsicht und Kontrolle, insbesondere ein Gesetz, das für uns alle von der­artiger Wichtigkeit ist.

Tatsächlich ist es so, dass wir alle in den nächsten Jahren einen steigenden Energie­konsum haben werden. Der Weltenergiebedarf wird in den nächsten zehn Jahren um 20 Prozent steigen; eine Zahl, die man auf keinen Fall unterschätzen darf.

Sehr geehrte Damen und Herren! Unternehmer rechnen damit, dass sie in den nächs­ten 20 Jahren eine Verdreifachung der Energiekosten haben werden.

Angesichts dessen, dass wir immer mehr Energie brauchen, sollten wir danach trach­ten, Energiegewinnung in jeder Hinsicht zu fördern. Die Abhängigkeit von Ländern, die politisch auf wackeligen Beinen stehen, könnte noch zu massiven Gas-, Strom-, Ener­gieversorgungsproblemen führen. Man sollte daher das Energie-Regulierungsbehörden­gesetz nicht als ein minderes ansehen, da in diesem Bereich für die österreichische Bevölkerung schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden; Entscheidungen, die absolut einer Kontrolle unterliegen sollten, vor allem bei Preisunterschieden, wo es Kon­zerne gibt, die Milliardengewinne auf Kosten von Wohnungsbesitzern, Hausbesitzern, Durchschnittsbürgern machen.

Es muss einen fairen Wettbewerb geben, der einer strengen Kontrolle unterliegt. In die­sem Sinne muss die Regulierungsbehörde transparent sein, damit sichergestellt wird, dass es keine internen Absprachen gibt. Die Menschen müssen das Gefühl haben, mit Energie versorgt zu werden, die sauber, unabhängig und fair ist.

Die Schaffung eines angemessenen Aufsichtsrechtes über die Energie-Control Kom­mission durch die Verankerung eines Unterrichtungsrechts des Bundesministers ist da­her unumgänglich und absolut notwendig. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bun­desrates Zangerl.)

12.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte schön.

 


12.56.07

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dieser Materie sollte man


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 77

genau sehen, was es ist und was es nicht ist. Daher habe ich, Frau Kollegin Kersch­baum – abgesehen davon, dass ich gar keinen Hut trage –, kein Problem damit, wel­chen Hut ich jetzt politisch aufsetzen oder nicht aufsetzen soll, denn materiell-rechtlich wird an der bestehenden Situation absolut nichts geändert.

Das Ganze ist nichts anderes als die Umsetzung einer Anregung, die der Verfassungs­dienst des Bundeskanzleramtes und andere Juristen im Zusammenhang mit einer Klar­stellung gemacht haben, wobei es darum geht, verfassungsrechtlich die Kompetenz der Energie-Control auch entsprechend in das Gesamtmaterienrecht formalrechtlich einzubinden. Das heißt im Klartext, dass wir eine Kompetenzdeckungsklausel brauchen, die inhaltlich nichts anderes bedeutet, als dass hier, wie auch schon Bundesrat Magnus Brunner ausgeführt hat, bestimmte Rechtssicherheit bei Verfahren gegeben wird, wenn das beispielsweise vor den Verfassungsgerichtshof käme, was E-Control-Entscheidun­gen anlangt.

Und auf der anderen Seite ist damit nicht mehr und nicht weniger als ein Auskunfts­recht verbunden. Davon unterscheiden sollten Sie ein Weisungsrecht oder eine sonsti­ge inhaltliche Mitbestimmung, die damit nicht verbunden ist.

Was die diesbezüglichen Auskunftsrechte des Parlaments, inhaltliche Fragen anlangt, bleiben diese auch unberührt. Daher ändert sich materiell-rechtlich nichts. Es sind auch die angesprochenen durchaus wichtigen Fragen nicht mit diesem Gesetz verbunden, etwa die Umsetzung des Dritten Energieliberalisierungspaketes, wo es auch darum geht, den Anbieterwechsel zu erleichtern oder auch die Fragen zu regeln, wie es betreffend Netze und Unbundling der Netze, aber auch im Hinblick auf die Rechte der E-Control ausschaut.

So hat dieses Gesetz auch nichts damit zu tun, dass der Verbund eine Preispolitik um­setzt, die auch mir persönlich nicht besondere Begeisterung entlockt hat, da jede Preis­erhöhung in diesen Zeiten unangenehm ist. Aber Preiserhöhungen beim Verbund und auch bei anderen Energieerzeugern – ich glaube, auch die Vorarlberger Energieunter­nehmen haben Preiserhöhungen durchführen müssen – hängen einfach damit zusam­men, dass da erhöhte Aufwendungen und Investitionen notwendig waren. Das ist nicht einmal aufsichtsratspflichtig, das ist eine Angelegenheit, die die entsprechenden Orga­ne im Vorstand entscheiden können. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) – Ich weiß, Sie haben das nicht gesagt, aber es ist von einigen Rednern angemerkt wor­den. Ich habe Sie jetzt nur dabei angeschaut.

In diesem Zusammenhang muss man diese Fragen von den anderen Fragen trennen. Ich bin sehr optimistisch, dass wir, was die zeitliche Vorgangsweise anlangt, die Kolle­ge Magnus Brunner angesprochen hat, dem Nationalrat und dem Bundesrat auch das das Dritte Binnenmarktpaket im Energiebereich betreffende Gesetzeswerk rechtzeitig vorlegen können.

In diesem Sinne danke ich auch der FPÖ dafür, dass wir die verfassungsmäßige Mehr­heit im Nationalrat zustande gebracht haben und hier zustande bringen. Es ist das eine reine Formsache, aber eine wichtige Formsache. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss enthält Verfassungsbestimmungen und bedarf daher nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 78

bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

13.00.516. Punkt

Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Albrecht Konecny, Peter Mitterer, Stefan Schennach, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesver­fassungsgesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrags von Lissabon das Bun­des-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz, mit dem besondere Bestimmungen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mit­glieder des Europäischen Parlaments 2009 zu vergebenden Mandaten durch die Bundeswahlbehörde erlassen werden, geändert werden (Lissabon-Begleitnovel­le) (180/A-BR/2010 sowie 8309/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun kommen wir zum 6. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Keuschnigg. Ich bitte um den Bericht.

 


13.01.27

Berichterstatter Georg Keuschnigg: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem zur Durchführung des Vertrags von Lis­sabon das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz, mit dem besondere Bestimmungen für die Neuermittlung der Verteilung von nach der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments 2009 zu vergebenden Mandaten durch die Bundeswahlbehörde erlassen werden, geändert werden (Lissabon-Begleitnovelle). Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus so­mit den Antrag, der Bundesrat wolle gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat den dem schriftlichen Ausschussbericht angeschlossenen Gesetzesvorschlag zur ge­schäftsordnungsmäßigen Behandlung unterbreiten.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

 


Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 79

13.02.29

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier einen Gesetzesantrag des Bundesrates an den Nationalrat – durch den die Verfassungsbegleitnovelle ja noch gar nicht gegangen ist, die liegt ja noch im Verfassungsausschuss –, der vorsieht, dass hinsichtlich bin­dender Stellungnahmen zu Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union der Bun­desrat dem Nationalrat gleichgestellt wird. Dies gilt auch für die Subsidiaritätsrüge und Subsidiaritätsklage an den EuGH.

Dies ist vom Inhalt her absolut richtig und wichtig, obwohl ich schon ein wenig ver­wundert bin, dass ein Gesetzesantrag vorliegt. Wir werden ja sehen, was jetzt im Ver­fassungsausschuss damit geschehen wird. Ich kann jetzt nicht einmal garantieren, dass meine Kollegen all dem zustimmen werden, habe aber den Eindruck, dass da SPÖ und ÖVP auch gewisse Schwierigkeiten haben, sonst wäre ja quasi so ein Vorabantrag gar nicht nötig, denn das müsste man ja eigentlich innerhalb der Fraktion, würde ich doch meinen, abklären können.

Es scheint also generell so zu sein, dass hier im Hohen Haus, in beiden Kammern des Parlaments, der Nationalrat den Bundesrat immer ganz gerne ein wenig auf Distanz hal­ten möchte. Das halte ich für völlig falsch. Jeder von uns hat, wie wir alle wissen, auf seine Art und Weise schon oft dafür gekämpft, die Rechte des Bundesrates zu stärken. (Bundesrat Perhab: Nicht alle!) – Nicht immer alle, sagen wir es einmal so. Und ich bin daher sehr froh, dass dieser Antrag hier vorliegt, der die Rechte stärken soll. Ich freue mich auch sehr darüber, und das möchte ich wirklich lobend anmerken, dass da Stel­lungnahmen der Länder nahezu wortidentisch in diesen Antrag eingeflossen sind, was meiner Meinung nach das erste Mal der Fall ist. Ich hoffe, das wird in Zukunft noch öf­ter so sein.

Trotzdem können wir diesem Antrag nicht zustimmen. Der Grund ist einfach der – Sie wissen es –: Wir waren gegen den Lissabon-Vertrag, erstens inhaltlich, zweitens, weil wir auch der Meinung waren, dieser Vertrag hätte einer Volksabstimmung unterzogen werden müssen. Daher haben wir gegen diesen Lissabon-Vertrag eine Klage einge­bracht. Solange diese Klage nicht entschieden ist, können wir leider substanziellen Din­gen, wie sie dieser Antrag darstellt, nicht zustimmen – so leid mir dies vom Inhalt her tut. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Konecny, Mitterer und Zwanziger.)

13.05


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


13.05.06

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Richtig ist, dass der ursprüngliche Antrag, den die beiden Regierungsfraktio­nen im Nationalrat eingebracht haben, den Vorstellungen hinsichtlich dessen, was wir an Mitbestimmungsrechten für den Bundesrat wollen, nicht annähernd entspricht.

Ich weiß auch, dass hier im Nationalrat ein durchaus nicht mehr ungewöhnliches Vor­gehen gewählt wurde, das mich noch nie begeistert hat, dass nämlich Texte, die im Prinzip im Rahmen der Bundesregierung entstanden sind, dann als Initiativantrag ein­gebracht werden.

Ich kann aber Kollegin Mühlwerth in einer Hinsicht ganz eindeutig beruhigen. Wir ha­ben in beiden Regierungsfraktionen – und ich will da keine Prioritätendiskussion anzet­teln – diesen Entwurf als Bundesräte oder Bundesratsfraktionen nicht hingenommen. Und wir haben in Gesprächen mit den verantwortlichen Funktionären im Verfassungs­ausschuss, aber naturgemäß insbesondere mit den Führern der beiden Klubs klar zum Ausdruck gebracht, dass wir – und ich sage das in dieser Härte – im Bundesrat einer


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 80

solchen Verfassungsnovelle, die den Bundesrat so behandelt, wie es ursprünglich ge­plant war, einfach nicht zustimmen können.

Die sehr deutlichen Stellungnahmen der Länder – und man muss jetzt wieder dem Na­tionalrat zugutehalten, dass der Ausschuss ja beschlossen hat, was auch nicht üblich ist, von sich aus ein Begutachtungsverfahren in die Wege zu leiten –, die ein hohes Maß an Klarheit, Eindeutigkeit und – wie soll ich sagen? – Pro-Bundesrat-Haltung zum Aus­druck gebracht haben, haben vielleicht dazu beigetragen, hier ein Umdenken einzulei­ten, nicht nur das politische Gewicht der beiden Fraktionsvorsitzenden.

Aber wichtig ist das Resultat, und wichtig ist das Resultat in der Hinsicht, dass einer­seits – nicht in allen Punkten, die von einzelnen Bundesländern releviert wurden, aber in zentralen Punkten – die Rechte des Bundesrates nicht nur hinsichtlich der neuen Auf­gaben, sondern auch hinsichtlich einer alten Regelung durchgesetzt werden konnten.

Es darf jenseits des Subsidiaritätsverfahrens, so wichtig es ist, ja auch nicht vergessen werden, dass die Bindungswirkung von Stellungnahmen des Bundesrates gegenüber Mi­nistern der österreichischen Bundesregierung hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens in einer Sitzung von europäischen Räten bisher wesentlich schwächer gestaltet war als jene des Nationalrates.

Diese Ungleichbehandlung wird mit dieser Novelle ebenso aufgehoben, also da wird be­stehendes Recht geändert, wie auch die Bindung des Bundesrates erfolgt, eine nicht in­haltliche im Einzelfall, aber ein Zwang, sich ernsthaft mit Stellungnahmen von Landta­gen auseinanderzusetzen – also „zu erwägen“ ist die Formulierung –, bevor wir eine Stellungnahme zu einer allfälligen Subsidiaritätsrüge abgeben. Was ich für besonders zentral halte, ist die volle Gleichstellung bei der Subsidiaritätsklage, wo ja der ursprüng­liche Entwurf auf jene Themata begrenzt war, wo sich der Bundesrat in der normalen nationalen Gesetzgebung vor Jahren ein Zustimmungsrecht erkämpft hat.

Also ich gehe davon aus – und in der Verfassungsausschusssitzung des Nationalrates, die diese Woche stattgefunden hat, gab es klare Signale dafür –, dass diese Vorschlä­ge Berücksichtigung finden werden.

Die Tatsache, dass wir das als Antrag im Bundesrat eingebracht haben, ist also nicht Ausdruck des Zweifels daran, dass sich in den beiden Regierungsfraktionen diese Über­legungen durchsetzen würden, sondern es ist, und das sage ich ganz klar, eine politi­sche Demonstration.

Ich habe in einer Presseaussendung diese Woche einen Satz verwendet, den ich ger­ne hier wiederholen möchte: Wenn sich der Bundesrat nicht selbst aufwertet, wer dann soll es tun? – Daher erscheint es mir richtig und wichtig, dass es der Bundesrat ist, der seine Stellungnahme, seinen Gesetzestext als stark mehrheitlichen Beschluss, wie ich irgendwie erkennen kann, zum Ausdruck bringt und an den Nationalrat schickt, und dort wird es im Zuge der Beratungen zu einer Annahme dieser Vorstellungen kommen. Ich wiederhole auch den Satz, den ich meinem Klubobmann gesagt habe: Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bundesrat einer anderen Novelle, die diese zentralen Punkte nicht berücksichtigt, seine Zustimmung gibt. (Allgemeiner Beifall.)

Ich habe mir die Rede der Kollegin Mühlwerth, die sie bereits in ihrem Tenor angekün­digt hat, wohlwollend angehört, denn eines ist klar: Ich respektiere die Argumente, wa­rum die Freiheitlichen – und ich nehme einmal an, das gilt auch für die Kollegen der FPK – diesen Beschluss nicht teilen können. Aber wenn der Bundesrat, ich sage es ein­mal so, mit den Stimmen von zwei der drei Fraktionen, mit den Stimmen von zwei wei­teren politischen Parteien, die in diesem Gremium vertreten sind, und mit einer wohl­wollenden Gegenstimme der beiden restlichen politischen Gruppen das beschließt, dann bringen wir unsere Meinung sehr, sehr klar zum Ausdruck. Wir haben unser Recht, an


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 81

den Nationalrat Gesetzesanträge zu richten, sehr sparsam ausgeübt. Das muss nicht so bleiben. Aber dass wir es in diesem Fall tun, halte ich für besonders wichtig und not­wendig, damit wir – wir haben keine eigene, aber: die rot-weiß-rote Flagge, in diesem Fall vonseiten des Bundesrates, auch klar zeigen. (Allgemeiner Beifall.)

13.13


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


13.13.22

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Man soll Worte wie „Sternstunde“ in diesem Haus nicht überstrapazieren, aber wir nähern uns tangential einer derartigen Sternstunde des Bundesrates an. Ich kann den Werdegang dieser Gesetzesinitiative des Bundesrates, wie ihn mein Kollege von der SPÖ Fraktionsführer Konecny geschildert hat, nur bestätigen.

Es hat intensiver Beratungen bedurft, sowohl innerhalb der Fraktionen als auch frak­tionsübergreifend, damit wir zu diesem Ergebnis gekommen sind, und ich glaube, die­ses Ergebnis kann sich sehen lassen. Es ist auch ein Schritt in Richtung mehr Eman­zipation dieses Hauses, dieser zweiten Kammer im Gesetzwerdungsprozess.

Wir haben uns klar positioniert, wir haben gesagt, was die Linie der Länderkammer ist, und wir sind auch mithilfe der klaren Stellungnahmen der Bundesländer mit dieser Ar­gumentation in unseren Klubs durchgekommen. Und ich registriere auch die Stellung­nahme der Freiheitlichen Partei, ich kann das formal nachvollziehen, und ich respektie­re auch die Stellungnahme der Kollegin Mühlwerth, dass sie sich inhaltlich und merito­risch diesen Zielen annähert. Ich glaube, dass wir insgesamt auf einem guten Weg sind und der zweiten Kammer, dem Bundesrat ein Instrument in die Hand geben, damit wir bei europäischen Angelegenheiten wirklich auch in der Sache mitbestimmen können.

Der Vertrag von Lissabon hat natürlich Konsequenzen, und es wäre gut, würde es uns gelingen, diesen Gesetzentwurf, diese Gesetzesinitiative des Bundesrates durchzutra­gen. Ich sehe das ähnlich, wir werden hinter diese Standards nicht zurückweichen. Wir werden hinter diese Standards nicht zurückgehen, die wir jetzt in dieser Initiative ge­setzt haben. Das sind wir unseren Wählerinnen und Wählern auch in den Bundeslän­dern schuldig. (Allgemeiner Beifall.) Wir haben auch ein Mitbestimmungsrecht in dieser Sache.

Der Vertrag von Lissabon hat natürlich Konsequenzen. Und eine Konsequenz ist jetzt: Wenn das so durchgeht – und ich habe schon betont, dass wir hinter diese Standards nicht zurückgehen werden –, werden die Lehrbücher der Staatsbürgerkunde neu ge­schrieben oder ergänzt werden müssen. (Der Redner verweist auf ein Lehrbuch.) Da steht nämlich noch immer drinnen, der Bundesrat hat nur aufschiebende Wirkung, sus­pensives Veto und eigentlich nichts zu melden.

Manchmal kann man auch von weniger informierten FührerInnen, nicht amtlichen Füh­rerInnen dieses Hauses, sondern LaienführerInnen, solche Bemerkungen hören, wenn man am Gang aufmerksam bei Führungsgruppen mitgeht.

Ich glaube, da ist auf allen Ebenen Reformbedarf gegeben, damit wir dieses Bild vom zahnlosen Bundesrat ein für alle Mal begraben und diese Kompetenzen, die uns jetzt zuwachsen werden, auch entsprechend ausfüllen. Wir haben das auch schon in der Vergangenheit bewiesen. Wir haben das in den vergangenen Jahren unter meiner Füh­rung im EU-Ausschuss bewiesen, wo wir uns wirklich konditioniert haben im Untersu­chen, im Festlegen von Stellungnahmen. Das haben wir voll eingebracht.

Wir waren die erste Kammer in der Europäischen Union, die eine Stellungnahme ge­mäß dem neuen Lissabon-Vertrag nach Brüssel geschickt hat. Das ist nicht von unge­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 82

fähr, das ist nicht von selbst geschehen. Das erfordert harte Arbeit der Bundesräte und Bundesrätinnen in den entsprechenden Ausschüssen, insbesondere im EU-Ausschuss. Ich muss sagen, ich bin stolz darauf, dass wir die Nase vorn haben.

Wir haben auch die Nase vorn gegenüber dem Nationalrat, wenn es um die Untersu­chung, um die Bewertung von Richtlinien, von Vorschlägen der Europäischen Kom­mission, die an dieses Haus in Serie geliefert werden, geht. Wir haben die Nase vorn.

Der Vertrag von Lissabon bringt schwerpunktmäßig insbesondere die bereits genann­ten Neuerungen, die verstärkten Informationspflichten der EU-Organe an die nationa­len Parlamente, die Subsidiaritätsprüfung mit der Möglichkeit einer Rüge, die sogenann­te gelbe und orange Karte, die wir der Europäischen Kommission zeigen können, wenn wir diese Ausschussfeststellungen treffen, die Brückenklausel, das ist der Übergang von der Einstimmigkeit zu den Mehrheitsbeschlüssen im Europäischen Rat, und die Ableh­nungsmöglichkeit von diesbezüglichen EU-Beschlüssen innerhalb von sechs Monaten mit vorheriger Information der nationalen Parlamente.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der österreichische Bundesrat ist damit Ko­ordinationsstelle auch mit den Ländern. Wir haben in der Präsidiale bereits darüber ge­sprochen, wir werden damit zu einer institutionalisierten Schnittstelle, zu einer Scharnier­stelle kommen zwischen dem Bundesrat und den Ländern, weil wir den Kontakt drin­gend brauchen, weil wir ja nicht nur für uns selbst, sondern auch für die Länder in die­sen Fragen bei der Europäischen Kommission vorstellig werden.

Ich kann mir vorstellen, dass sich das zu einer Art Europakonferenz des Bundesrates entwickelt, wo wir bereits vorausschauend gemäß den Arbeitsprogrammen der Europä­ischen Union für die einzelnen Ressorts mit den Bundesländern Kontakt aufnehmen wer­den, um diese Arbeit in enger Verbindung mit den EU-Ausschüssen der Bundesländer und der Landtagspräsidien noch besser bewerkstelligen zu können.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Arbeit wird für die Bundesräte nicht leichter werden. Die Arbeit wird nicht leichter. Die Arbeit der Bundesräte wird, wenn wir sie ernst nehmen und uns dieser Durchsicht der Dokumente wirklich widmen, fordern­der werden. Das wird mehr Arbeit bringen. Es wird sich auch ein Bundesrat – und das ist eine Forderung an uns selbst – bei einer Veranstaltung nicht mehr drüberschwindeln können und sagen können: Bitte, das ist Materie der Europäischen Union! Da sind die Europaabgeordneten oder ist die Kommission zuständig! Da habe ich keine Möglich­keit, mich zu informieren! – Das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Daher wird die Arbeit für uns anspruchsvoller werden. Das wird nicht mehr im Vorbeigehen passieren können, wenn man vor den Wählerinnen und Wählern glaubwürdiger sein will.

Aber – und das ist die Kehrseite der Medaille – die Arbeit wird nicht nur fordernder und anspruchsvoller, sie wird für die Bundesräte auch befriedigender werden, weil wir als Mandatare fundiert Auskunft geben können, weil wir bei Diskussionen mit Bürgerinnen und Bürgern Antworten geben können, weil wir uns mit der Materie befasst haben und weil wir uns selbst ein Urteil gebildet haben, wie wir unseren Mitwirkungsprozess im Rahmen der Europäischen Union bewerkstelligen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alles in al­lem als Resümee: Das wird eine interessante und spannende Aufgabe werden, eine herausfordernde Aufgabe, der wir uns gerne stellen. Sie wird auch dazu dienen, wenn wir das ernst nehmen, dass das Mandat schlechthin, egal in welcher Kammer, dass die Rolle des Abgeordneten/Bundesrates in der Öffentlichkeit ein höheres Ansehen gewinnt. Wir müssen das nur entsprechend kommunizieren und in der Öffentlichkeit bekannt ge­ben. Ich glaube, das ist eine enorme Chance für den Bundesrat und für die Bundesrä­te, sich noch besser zu profilieren, kompetenter zu werden und damit auch die Aufgabe besser erfüllen zu können. (Allgemeiner Beifall.)

13.23



BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 83

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 


13.23.21

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir ha­ben uns immer zum Lissabon-Vertrag bekannt und um dessen Annahme geworben, weil er für das Funktionieren der EU, für eine weitere Vertiefung und für den Bau einer Ver­fassung samt seiner Grundrechtecharta einfach so notwendig war wie der sprichwörtli­che tägliche Bissen Brot.

Wir haben dem auch unsere Zustimmung hier gegeben, in beiden Kammern. Ich habe auch damals schon gesagt, dass es die Notwendigkeit geben wird, wenn der Lissabon-Vertrag Rechtskraft hat, dass es zu Anpassungen in der Verfassung kommen muss. Das war nicht überall so. Jetzt ist es ein bisschen schwierig, und Sie sehen mich als einen Mitinitiator dieses Gesetzesantrages, aber es ist wahrlich ein Rösselsprung, ein Rösselsprung, den Frau Kollegin Mühlwerth so gesprungen ist und ich so gesprungen bin, ein Rösselsprung, der sagt, wir beschließen hier etwas zu etwas, was eigentlich der­zeit in Parteiverhandlungen ist.

Ich ersuche dringend, dass meine Unterschrift dazu nicht zu einem Missbrauch wie ges­tern im Verfassungsausschuss führt, wo Kollege Molterer gesagt hat: Was brauchen wir das noch zu diskutieren, der Schennach hat es schon unterschrieben! – Das ist nicht fair, denn in den Besprechungen rund um diesen Antrag haben die beiden Regierungs­parteien zugestimmt: Hinsichtlich der übrigen Bestimmungen des gegensätzlichen Ge­setzesantrages wird auf die Erläuterungen zum Antrag so verwiesen, der erst in Ver­handlungen ist, und dass dieser Satz nicht Gegenstand der heutig beschlossenen Er­läuterungen ist, weil wir hier noch in Verhandlungen sind.

Aber all die Punkte, die wir hier als Gesetzesantrag zu einem im Verfassungsausschuss endgültig zu fixierenden Entwurf diskutieren, trage ich voll und hundertprozentig inhalt­lich mit. Deshalb habe ich gesagt: Ich will, dass dieses starke Zeichen hier mit einer möglichst großen Einstimmigkeit vom Bundesrat an den Nationalrat geht, dass hier auch ein ganz klares Signal ist.

Ich habe den Auftrag, den wir bekommen haben, mitgebracht. Dieses dicke Paket be­inhaltet die Stellungnahmen der Bundesländer. (Der Redner hält die genannten Schrift­stücke in die Höhe.) Die Bundesländer haben sich in einer bemerkenswerten und sehr initiativen Weise wie selten zuvor für den Bundesrat starkgemacht, und zwar Bundes­land für Bundesland.

Ich habe nur zwei, drei herausgeholt, zum Beispiel die Stellungnahme der Vorarlberger Landesregierung:

„... in der vorgeschlagenen Fassung würde den Bundesrat gegenüber dem Nationalrat benachteiligen und den Bundesrat de facto bei der Klagebefugnis wegen Verletzung des Subsidiaritätsprinzips ausschalten“, sagt zum Beispiel die Vorarlberger Landesregierung.

Der oberösterreichische Landtag sagt: „Es wird dabei entsprechend dem Subsidiaritäts­protokoll davon ausgegangen, dass sowohl der Nationalrat als auch der Bundesrat“ – und jetzt kommt es – „(unabhängig voneinander) Klage erheben können.“

Steiermärkischer Landtag: „Nur unter dieser Voraussetzung wäre die Subsidiaritätskla­ge des Bundesrates ein wirkungsvolles Instrument.“

Das heißt, in all den verschiedenen Punkten haben sich die Landtage und die Landes­regierungen, um das auch noch einmal zu präzisieren, für diese – wie Kollege Konecny gesagt hat – Aufwertung eingesetzt.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 84

Dass dieses starke Signal von neun Ländern und einem so hohen Quorum heute im Bundesrat im Verfassungsausschuss nicht überhört werden kann, ist – so denke ich  auch klar.

Dass in der anderen Kammer noch ein bisschen Verhandlungsbedarf besteht, denke ich doch, weil eine der großen Kritiken zum Beispiel ist – um das nur anzumerken –, dass man mir immer vorgeworfen hat, durch den Vertrag von Lissabon würde die Neu­tralität Österreichs abgeschafft. Wir zum Beispiel sagen, in den Erläuterungen soll ein Neutralitätsbezug herein.

Was in anderen Parlamenten in Europa möglich ist, ist bei uns in der Form noch nicht möglich. Das wird auch etwas sein, was sich der Bundesrat dann in der Folge überle­gen muss, dass es zum Beispiel ein Rederecht von Kommissaren oder Ausschussvor­sitzenden des Europäischen Parlaments gibt.

Wichtig ist, dass der Bundesrat in die Lage versetzt wird, die Positionen der Landtage zu diskutieren, mit der Regierung zu diskutieren und auch auf die Positionierung der Bundesregierung einzuwirken, und die Bundesregierung sich wie im Nationalrat auch zu verantworten hat, falls man davon abgegangen ist. Das ist die Gleichbehandlung. Der Vertrag von Lissabon und das Subsidiaritätsprinzip sprechen von einer klaren Gleichbe­handlung von Parlamenten, die zwei Stimmen durch zwei getrennte Kammern haben.

Die künftige Arbeit – da gebe ich Kollegem Kneifel recht – ist eine ziemliche Heraus­forderung.

Auf eines müssen wir – so glaube ich – aufpassen, nämlich dass wir nicht hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips und der Behandlung von Europafragen in eine Art Ausschuss­demokratie kommen, dass Materien Europas nicht mehr in das Plenum des Bundes­rates kommen, sondern dass sowohl die Ausschüsse der Länder als auch die Ausschüs­se von Nationalrat und Bundesrat eigentlich mit kleineren Quoren die Materien abhan­deln.

Vielleicht brauchen wir das, was im Vertrag von Lissabon „Ioannina-Klausel“ genannt wird, auch umgekehrt, dass es im Falle, dass zum Beispiel, Frau Kollegin Mühlwerth, Oppositionsparteien ersuchen, Akte nicht im Ausschuss endzuverhandeln, sondern auch in das Plenum zu bringen, einen Mechanismus gibt, wenn das die Opposition dreimal gefordert hat, dass das auch zu geschehen hat, wie die Ioannina-Klausel ja auch klei­neren Staaten, die immer wieder überstimmt werden, nach dem Lissabon-Vertrag die Möglichkeit gibt, etwas erneut auf die Tagesordnung zu bringen. (Präsident Mitterer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich glaube, das ist wichtig, auch wenn der Europa-Ausschuss – und das ist an seinen Vorsitzenden ein großer Arbeitsauftrag – neben unserem „Königsausschuss“, dem Ver­fassungsausschuss sicherlich eine ähnliche starke und herausragende Bedeutung be­kommt, da der EU-Ausschuss ein ständiger Ausschuss ist, dessen Tagungshäufigkeit unter Umständen nicht nur einmal im Monat sein wird.

Die Subsidiarität ist, jawohl, Gottfried Kneifel, die ganz große Chance auch für ein neu­es Image dieses Hauses und bedeutet für uns auch eine Änderung unserer bisherigen Tätigkeit, bedarf aber einer ziemlichen Koordination in der Abstimmung mit den Land­tagen. Das muss sich alles erst einspielen. Einiges haben wir schon trainiert, aber es muss sich hier noch einiges weiter einspielen. Und im Grunde sind die Bundesräte und Bundesrätinnen zumindest des EU-Ausschusses alle so etwas wie Europaabgeordnete mit regionalem Bezug im eigenen Haus.

Deshalb noch einmal: Wir stimmen dem zu, wir sind auch auf den Antrag raufgegan­gen, aber ich bitte um keinen Missbrauch darüber, dass der Haupttext derzeit noch in Verhandlung ist. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

13.32



BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 85

Präsident Peter Mitterer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des Ausschusses für Ver­fassung und Föderalismus ihre Zustimmung geben, den gegenständlichen Gesetzes­vorschlag gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat zur geschäftsordnungsmä­ßigen Behandlung zu unterbreiten, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehr­heit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.33.197. Punkt

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Peter Mitterer, Mag. Harald Himmer, Stefan Schennach, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ände­rung der Geschäftsordnung des Bundesrates (Übergangsbestimmungen betref­fend die Subsidiaritätsprüfung) (181/A-BR/2010 sowie 8310/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstattet ist Herr Bundesrat Keuschnigg. – Ich bitte um den Bericht.

 


13.33.40

Berichterstatter Georg Keuschnigg: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalis­mus über den Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Peter Mitterer, Mag. Harald Himmer, Stefan Schennach, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Än­derung der Geschäftsordnung des Bundesrates (Übergangsbestimmungen betreffend die Subsidiaritätsprüfung).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur Antrag­stellung.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus den Antrag:

Der diesem Ausschussbericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates wird die verfassungsmäßige Zustimmung erteilt.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

 


13.34.25

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der vorvergangenen Woche eine nicht angenehme Situation in einer Sonderpräsidiale des Bundesrates zu beraten gehabt. Klar ist, wir haben keine verfassungsgesetzlichen Regelungen für das gesamte Subsidiaritätsverfahren. Vielleicht werden wir sie nach entsprechenden Verhandlungen – wie im Verfassungsausschuss des Nationalrates als Hoffnung zum Ausdruck gebracht – vor dem Sommer haben.

Wir haben zunächst unwidersprochen zwei Stellungnahmen, wie ich glaube, des Bun­desrates im EU-Ausschuss beschlossen, die unterzeichnet vom Präsidenten unter an­derem an die Kommission gegangen sind. In einem weiteren Fall hat der Rechts- und Legislativdienst des Hauses den Herrn Präsidenten – ja, er sitzt wirklich hinter mir! – diesbezüglich beraten, dass es für diese Vorgangsweise keine Rechtsgrundlage gibt.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 86

Nun gebe ich zu, wir können die Verfassung nicht so einfach im Bundesrat ändern. Ein „Bundesrats-Lissabon-Begleitgesetz“ wird es wohl nicht geben können. Wir haben in einer teilweise auch hitzig geführten Auseinandersetzung versucht, diese Frage einer Lö­sung zuzuführen. Und ich habe an dem Punkt, wo das schon recht laut war, mir ge­stattet, den Vorschlag zu unterbreiten – das Primat, Gottfried, wirst du mir nicht bestrei­ten können! –: Vielleicht können wir das für unseren Bereich mit einer entsprechenden Geschäftsordnungsveränderung temporär lösen.

Diese Anregung hat nach einiger Zeit auch Zustimmung gefunden. Der gemeinsam er­arbeitete Text stellt einfach klar, wir machen so weiter, wie wir es erfolgreich bisher ge­tan haben: Das Plenum des Bundesrates delegiert sein unbestreitbares Recht, solche Stellungnahmen abzugeben, an seinen EU-Ausschuss. Und der Herr Präsident wird, oh­ne Verfassungsklagen fürchten zu müssen, einfach ermächtigt, diese Stellungnahmen entsprechend weiterzuleiten.

Das ist eine provisorische Regelung, weshalb in einer zweiten neuen Bestimmung der Geschäftsordnung ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass mit der künftigen Be­schlussfassung eines Lissabon-Verfassungsbegleitgesetzes diese Bestimmung wieder außer Kraft treten kann, weil sie dann unnotwendig ist, weil ja der EU-Ausschuss in die­sem Verfassungsgesetz ohnehin als Organ des Bundesrates in dieser Frage erwähnt wird.

Ich glaube, das ist eine taugliche rechtliche Grundlage für eine Übergangszeit. Wir wer­den unseren großen Eifer im Subsidiaritätsverfahren auch in Zukunft in dieser Lücke nicht einbremsen lassen. Wir haben es auch nicht getan. Und wenn wir das beschlos­sen haben, können Sie, Herr Präsident, den Kugelschreiber oder die Füllfedern zücken und unterschreiben!

Ich darf aber, bevor ich mich jetzt wieder auf meinen Platz zurückziehe, ganz spontan eine Anregung des Kollegen Schennach indirekt und in einer etwas modifizierten Form aufgreifen und das als Anregung an die anderen Fraktionen aussprechen.

Wir haben in unserer Geschäftsordnung Bestimmungen darüber, wer zur Teilnahme an den Sitzungen des Bundesrates, was immer auch das Reden einschließt, berechtigt ist. Ich glaube nicht, dass wir diese Liste – es ist keine Liste, weil jeder seinen eigenen Pa­ragraphen hat – jetzt in einer kasuistischen Debatte erweitern sollten. Aber ich rege an – es wäre der § 38a, wie ich schnell nachgeschaut habe –, eine Bestimmung zu schaf­fen, die den Präsidenten nach Beratung in der Präsidialkonferenz in die Lage versetzt, Personen, die in diesen davor liegenden Paragraphen nicht genannt sind, zur Teilnah­me an einer Sitzung oder eines Tagesordnungspunktes zu ermächtigen.

Ich glaube, das würde uns die Möglichkeit bieten, einen Kommissar, einen oder zwei EU-Abgeordnete oder auch einmal einen ausländischen Staatsmann in dieser Kammer zu Wort kommen zu lassen, was sicherlich eine Bereicherung der Debatten darstellen würde. Und als Fußnote ganz klein und ganz leise dazugesagt: Vielleicht können wir dem Nationalrat, der dieses Problem nicht lösen konnte, damit auch ein Beispiel ge­ben. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

13.39


Präsident Peter Mitterer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Him­mer. – Bitte.

 


13.40.11

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Professor Konecny hat ja schon die Situation in der Präsi­diale ausgeführt, und ich habe keinen Anspruch, das Copyright Konecny zu relativieren, was den Inhalt des Antrages betrifft.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 87

Ich möchte aber hier etwas ergänzen, was die Wichtigkeit der Thematik betrifft, die wir auch im vorigen Tagesordnungspunkt besprochen haben. Die Sachlage ist die: Was Legislativvorhaben betrifft, die uns von der EU-Kommission übermittelt werden und die dann in Dokumenten bei uns in einer zentralen Datenbank sind – ich weiß nicht, ob alle von euch ein Gefühl haben, wie viele Dokumente das sind; ich habe da jetzt einmal nachgefragt –, so waren es letztes Jahr 19 466 Dokumente, die wir übermittelt bekom­men haben, und heuer sind es mit Stichtag 30. April 5 300. Vor diesem Hintergrund müssen wir also auch ein bisschen Demut haben, was die Erwartung betrifft, dass im­mer jeder einzelne Mandatar über alles informiert sein wird. Gleichzeitig brauchen wir aber natürlich auch einen pragmatischen Umgang mit diesen Informationen.

Ich teile die Meinung all jener, die eine wichtige Rolle von uns Mandataren darin sehen, hier die europäische Geschichte mitzugestalten, weil ja genau in dieser Vielzahl von Do­kumenten alle jene Themen beinhaltet sind, aus denen der Stoff der Zustimmung, aber auch oft der Stoff der Ablehnung gegenüber EU-Kommission und Europa besteht. Wir sind hier als Mandatare genau in diesem Spannungsfeld, das wir übersetzen müssen in die politische Arbeit, auch im Hinblick darauf, was der Bürger dazu denkt. Diese Do­kumente sind ja übrigens auch den Bürgern zugänglich. Wir veröffentlichen das ja auch auf unserer Datenbank im Parlament. Aber gleichzeitig ist es natürlich wichtig, dass wir eine pragmatische Zusammenarbeit finden. Wir haben die wichtige Rolle, das mit den Landtagen zu koordinieren, aber wir haben natürlich auch die wichtige Rolle, uns hier mit dem Nationalrat, wenn wir wollen und konsente Meinungen haben, abzustimmen. (Die Bundesräte Kneifel und Konecny sprechen miteinander.) – Wenn mir meine Kollegen von der Präsidiale noch eine Minute die Aufmerksamkeit schenken würden, würde es mir fast noch mehr Spaß machen. (Heiterkeit. – Bundesrat Konecny: Wir sind schon wieder da!) Aber ich komme ohnedies bald zu einem Ende meiner Ausführungen.

Ich wollte einfach nur unterstreichen, dass es wesentlich ist, dass wir das nicht nur im Sinne des Themas Selbstbewusstsein des Bundesrates, Wichtigkeit der Kammer, son­dern auch im Sinne der Wichtigkeit des politischen Mandatars in der geschichtlichen Situation, in der wir jetzt sind, wahrnehmen. Es wird so viel über Europa diskutiert, es wird so viel in diesen Zusammenhang gestellt, und wir sind hier wirklich an einer zen­tralen Schnittstelle, wo wir eine von 54 Stimmen in Europa haben – als kleiner österrei­chischer Bundesrat. Aber niemand kann uns daran hindern, auch international zusam­menzuarbeiten mit anderen Parlamenten, mit anderen zweiten Kammern, und es ist für jeden, der wirklich politisch interessiert ist – und ich setze das einmal für eine relevante Mehrheit dieses Plenums voraus –, ein spannender Zugang, den wir haben, und eine Aufwertung der Arbeit der politischen Mandatare, zu der wir selbstbewusst stehen soll­ten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Mag. Duzdar und Zangerl.)

13.44


Präsident Peter Mitterer: Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Da zu einem Beschluss des Bundesrates über eine Änderung der Geschäftsordnung gemäß § 58 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Anwesenheit von min­destens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich ist, stelle ich zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die der dem Ausschussbericht ange­schlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates die verfassungsmäßi­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 88

ge Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Beschluss über eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates ist somit unter der Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ich unterbreche nun die Sitzung des Bundesrates bis 14 Uhr – bis zum Eintreffen des Staatssekretärs Lopatka –, um dann mit dem Aufruf der Dringlichen Anfrage fortzuset­zen.

Die Sitzung ist bis 14 Uhr unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 13.45 Uhr unterbrochen und um 14.01 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Präsident Peter Mitterer: Hohes Haus! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich darf Herrn Staatssekretär Dr. Lopatka herzlich bei uns begrüßen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.02.01Dringliche Anfrage

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend desaströse Finanzsituation der Gemeinden (2752/J-BR/2010)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die Dringliche An­frage.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich dessen Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile nun der Bundesrätin Mühlwerth als erster Anfragestellerin zur Begründung der Dringlichen Anfrage das Wort.

 


14.02.30

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen wa­ren die Zeitungen voll mit Artikeln über eine allfällige und jetzt tatsächlich geforderte Hilfe für das marode Griechenland. Über die dramatische Finanzsituation der Gemein­den ist jedoch geschwiegen worden. Dabei sind aber gerade die Gemeinden ein we­sentlicher und wichtiger Teil unseres Staates. Sie übernehmen immer mehr Verpflich­tungen und vor allem auch immer mehr Kosten.

Eine Studie des Zentrums für Verwaltungsforschung KDZ sagt Folgendes: Das Finanz­ergebnis der Gemeinden wird sich ins Negative drehen. Gab es 2008 noch einen Über­schuss von allen Gemeinden außer Wien, weil das nicht mitgerechnet worden ist, von 1,3 Milliarden €, wird 2013 ein Minus von 213 Millionen € ein Drittel der Gemeinden be­treffen. Ein Drittel der Gemeinden wird negativ bilanzieren.

Auch die Gemeinden haben die Folgen der Wirtschaftskrise ganz dramatisch zu spüren bekommen. Die Gemeinden bekommen zwar einen Anteil an den Steuereinnahmen, aber wenn die Steuereinnahmen insgesamt sinken, was ja 2010 der Fall ist und auch schon zum Teil 2009 der Fall war, dann bekommen natürlich auch die Gemeinden we­


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 89

niger Geld. Dann klagen die Gemeinden. Und daran sind wir hier im Bundesrat nicht ganz unschuldig, weil wir ja immer mit daran beteiligt sind, nicht immer alle, weil es ja bei uns im Bundesrat auch wechselnde Mehrheiten gibt, aber es kommen natürlich Ge­setze dazu, die der Bund beschließt, deren Umsetzung und vor allem deren Kosten den Gemeinden aufgebürdet werden, wie zum Beispiel betreffend die Einführung des Gratis­kindergartens oder betreffend die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl.

Gleichzeitig haben die Gemeinden eine Fülle von Aufgaben, deren Kosten ständig stei­gen, wie etwa Pflege, Gesundheit, Sozialbereich und der schon erwähnte Kindergarten. Viele dieser Aufgaben können die Gemeinden aber gar nicht selber steuern. Sie haben nicht die Möglichkeit, zu sagen: Wir machen das oder wir machen das nicht! Wenn zum Beispiel ein Bundesland – das Land in diesem Fall – beschließt, irgendwo ein Spital zu bauen, dann kann die Gemeinde nur wenig dagegen tun, aber für die Erhaltung und für die Kosten muss die Gemeinde trotzdem aufkommen.

Durch die demographische Entwicklung, dadurch, dass wir in Zukunft immer mehr älte­re Menschen haben werden, werden natürlich die Ausgaben höher, und die Gemeinden können auch das nicht steuern.

Hinzu kommen noch Ausgaben für sehr wichtige Institutionen wie zum Beispiel die Frei­willigen Feuerwehren oder die Freiwilligen Sanitätsdienste – denen können wir gar nicht genug danken –, die ganz wichtige Funktionen in ihren Gemeinden haben. Ich möchte jetzt diese Gelegenheit nützen, von dieser Stelle aus all jenen freiwilligen Helfern und Helferinnen ganz herzlich zu danken, die sich in den Dienst ihrer Gemeinden stellen. Würden sie ihren Einsatz nicht kostenlos zur Verfügung stellen, könnten wir uns diese Dienstleistungen als Staat eigentlich gar nicht mehr leisten. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie der Bundesräte Kerschbaum, Schennach, Zangerl und Zwanziger.)

Wenn diese Debatte um die Gemeindefinanzen wenigstens zaghaft in den Zeitungen an­geklungen ist, kam vom Bund sofort die Retourkutsche mit dem Hinweis auf den Finanz­ausgleich, der ja meines Wissens bis 2013 gilt. Was jedoch nie dazu gesagt wird, ist Fol­gendes: Es gibt auch einen Finanzausgleich innerhalb des Landes. Für Sozialausga­ben und Gesundheitsausgaben müssen die Gemeinden Transferzahlungen an das Land leisten. Von diesen sagt die KDZ-Studie, dass sie in den nächsten Jahren am aller­stärksten wachsen werden.

Bisher waren 9 von 17 Gemeinden Abgangsgemeinden, das heißt, Gemeinden, die kein eigenes Budget hatten. Das heißt: ein Faktor von 9 zu 16. Die Studie geht da davon aus, dass sich in den nächsten Jahren das Verhältnis auf 16 zu 9 umdrehen wird. Der oberösterreichische Landesrat Stockinger sagt: In den nächsten Jahren werden 300 von 444 oberösterreichischen Gemeinden nicht mehr ausgeglichen bilanzieren können.

Wir meinen: Das ist eine dramatische Situation – dramatisch genug, um uns darüber hier in der Länderkammer mit Ihnen, Herr Staatssekretär, gründlich zu unterhalten.

Gemeindebundpräsident Mödlhammer hat diese Situation schon im Februar 2009 ge­sehen und gesagt, dass die Gemeinden eigentlich 1 Milliarde € bräuchten. Er hat diese 1 Milliarde € im Rahmen eines Konjunkturpakets gefordert. Ihr Finanzminister, sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär, hat ihm ausrichten lassen – wie könnte es anders sein –: Dafür gibt es kein Geld, und die Gemeinden müssen selber für Einsparungen sorgen.

Hat man ans Bankenhilfspaket von 100 Milliarden € irgendeine Bedingung geknüpft, beispielsweise die Begrenzung der Gehälter von Managern oder Bonuszahlungen? Hat man da von irgendwelchen Bedingungen gehört, die daran geknüpft worden wären? – Nein! Das hat man nicht gemacht.

Und bei der Finanzhilfe an Griechenland? Da sind sich die Experten beileibe nicht einig, ob dieses Hilfspaket auch tatsächlich das bringen wird, was man sich von ihm verspricht.


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 90

Es ist zweifelhaft, ob man sein Geld jemals wiedersehen wird und ob Griechenland nicht doch pleite gehen wird, weil das Geld einfach nicht reichen wird. Das ist noch über­haupt nicht geklärt, und es gibt ernstzunehmende Meinungen von Experten, die das sehr wohl befürchten. Da waren wir aber als Musterschüler wieder einmal ganz schnell vorne und haben gesagt: Na selbstverständlich! 800 Millionen € – kein Problem!

Das hat nur ganz wenige Tage gehalten. Dann hat es geheißen, der Finanzbedarf ist doch größer. Nach dem Motto: Darf‘s ein bissel mehr sein? sind wir jetzt bei 2,2 Mil­liarden € angelangt, die wir ohne Weiteres geben. Bei den eigenen Leuten jedoch sa­gen wir dann immer: Wir haben leider kein Geld, und wir können euch überhaupt nicht helfen!

Keine Frage! Natürlich müssen die Gemeinden auch bei sich selber schauen, wo sie sparen, wo sie effizienter arbeiten können. Wir meinen allerdings, dass der Spielraum der Gemeinden da nicht sehr groß, schon ziemlich begrenzt ist. Ja, es wäre wichtig die vielfältigen Verflechtungen, die Parallelstrukturen, die Parallelstrukturen von Bund, Län­dern und Gemeinden, wo ein und dieselbe Sache auf drei Schienen läuft, zu durch­leuchten und auch abzuschaffen.

Und ja, es wäre auch wichtig, sich zusammenzuschließen, was die Gemeinden zum Teil ja auch schon tun. Es hat Zusammenlegungen der Verwaltung et cetera gegeben; viele Gemeinden arbeiten grenzübergreifend zusammen.

Das ist natürlich alles sehr wichtig und richtig. Auch die Vorschläge des Rechnungs­hofes, vom WIFO oder vom Österreich-Konvent, von dem man nie wieder etwas gehört hat und dessen Ergebnisse in der Schublade verschwunden sind, wären wichtig. Jetzt in der Debatte über unsere eigenen Schulden hört man jedoch nichts von Verwaltungs­reformen. Man ist zwar mit Steuererhöhungen immer sehr schnell zur Stelle, denn da muss man sich mit niemandem streiten, mit niemandem diskutieren, sich auch nicht durchsetzen. Bei einer Verwaltungsvereinfachung, bei einer Verwaltungsreform, bei ei­ner Kostenreduktion in diesem Bereich wird die Regierung immer sehr klein, und da hört man sehr wenig davon. All diese Dinge liegen ja auf dem Tisch. Das müsste und muss man sich anschauen: Was kann man umsetzen, was kann man wirklich brau­chen? Und das dann auch schnellstmöglich umsetzen.

Was wir aber nicht dürfen, ist, dass wir die Gemeinden einfach im Regen stehen las­sen und sie somit im Stich lassen, indem wir sagen: Ihr müsst jetzt schauen, wie ihr weiterkommt! Denn: Wenn wir genügend Geld für andere haben – und hier geht es doch auch um eine Rettungsaktion, und die eigenen Gemeinden können uns nicht wurscht sein –, wenn wir also Geld haben, um andere zu retten, dann, so meinen wir, müssen wir auch Geld haben, um die eigenen Menschen und die eigenen Gemeinden zu ret­ten.

Herr Staatssekretär! In diesem Zusammenhang möchte ich – ich habe das jetzt nicht in Form eines Antrages gemacht, aber ich richte es an Sie als Aufforderung und gleich­zeitig als Bitte – Sie ersuchen, dem Bundesrat einen Bericht zukommen zu lassen, seitens des Bundesministeriums für Finanzen gemeinsam mit den Landesregierungen dem Bundesrat jährlich einen Bericht vorzulegen, der über die aktuelle finanzielle Situ­ation der Gemeinden Auskunft gibt.

Das wäre richtig und wichtig. Wir alle täten uns leichter und müssten uns das nicht ir­gendwo zusammenklauben, sondern wir hätten die Fakten auf dem Tisch. Jeder weiß dann, worüber geredet wird.

Unser dringendes Anliegen ist – und daraus ergeben sich auch die Fragen, die wir in die­ser Dringlichen Anfrage gestellt haben –, dass wir den Gemeinden helfen wollen, die


BundesratStenographisches Protokoll784. Sitzung / Seite 91

eine so wichtige Institution für die Menschen in unserem Lande sind. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Kerschbaum, Schennach, Zangerl und Zwanziger.)

14.12


Präsident Peter Mitterer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Herr Staatssekretär Dr. Lopatka zu Wort gemeldet. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


14.12.36

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Reinhold Lopatka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eingangs darf ich mich für die durchaus sachliche Begründung dieser heutigen Dringlichen Anfrage bedanken, weil wir uns natürlich bei all den Gesprächen und auch bei den Verhandlungen, die wir im Bereich der Verwaltungsreformgruppe führen – auch der Lenkungsausschuss zum Fi­nanzausgleich ist zusammengesessen –, dieser Problematik durchaus bewusst sind.

Das ist jedoch nicht nur ein Problem der Gebietskörperschaft Gemeinde. Das ist ein Problem der Gebietskörperschaft Länder. Das ist ein Problem der Gebietskörperschaft Bund, weil wir – und ich werde darauf auch noch näher eingehen – einfach vor einer neuen Situation stehen, die es seit 1945 nicht gegeben hat, dass wir nämlich über Jah­re hinweg ein deutliches Minus bei den Einnahmen haben.

Die Krise stellt sich, was die Einnahmen betrifft, nicht wie ein V dar, dass sie also zu­rückgegangen sind und dann wieder entsprechend ansteigen werden, sondern sie hat eher die Form eines L – es ist zurückgegangen und wir verharren leider sehr lange auf diesem niedrigen Niveau bei den Einnahmen. Sie wissen: Für die Länder noch stärker als für die Gemeinden sind die Ertragsanteile von enormer Bedeutung. Und wenn ins­gesamt der Kuchen kleiner wird, wird natürlich auch der Kuchen bei den Ertragsantei­len kleiner. Diese Problematik wird uns nicht nur heute, bei der Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage beschäftigen, sondern sie wird uns in den nächsten Jahren und ins­besondere im Herbst, bei unserer Budgeterstellung ohnehin noch sehr beschäftigen.

Ich darf am Beginn vielleicht einen Satz aus Ihrer Dringlichen Anfrage herausgreifen, der voll zu unterstützen ist. Sie haben hier am Beginn festgehalten: “Die öffentliche Hand hat sich mit einer nachhaltigen Zukunftsstrategie auf diese neuen Herausforderungen einzustellen. Sie muss ihre Leistungen und Kosten optimieren, ihre Strukturen hinter­fragen und die Verwaltung weiter reformieren. Die öffentlichen Leistungen sind im Inte­resse der Steuerzahler wirksam, effizient und bürgernah zu erbringen.“

Wir hatten diese Woche Budgetausschuss. Im Budgetausschuss hat sich eine Bürger­meisterin, die gleichzeitig Abgeordnete zum Nationalrat ist, zu Wort gemeldet, Frau Ab­geordnete Schittenhelm, und uns erzählt, was sie in ihrer Gemeinde ganz konkret macht, genau nach diesen Gesichtspunkten.

Da gibt es natürlich auch in den Gemeinden, in den Ländern Möglichkeiten, das zu ma­chen, was der Bund schon längst gemacht hat. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wir ha­ben auch gegen Widerstände der Beamtengewerkschaft die Pensionsreform für Bun­desbeamte durchgeführt, haben im letzten Finanzausgleich mit den Ländern vereinbart, dass die Länder das finanziell gleichwertig umsetzen und gleichzeitig vereinbart, dass das auch für die Gemeindebeamten gilt. Jetzt ist es jedoch so, dass einige Bundeslän­der säumig sind, aber noch mehr Bundesländer, was die Gemeinden betrifft.

Ich komme aus der Steiermark. Das Land hat das umgesetzt. Die Landeshauptstadt Graz aber zum Beispiel nicht. Allein durch diese Nichtumsetzung sind Mehrkosten von 50 Millionen € entstanden, die hier anfallen, um Ihnen nur ein Beispiel zu nennen. Wir haben in Zukunft nur eine Chance, wenn wir in all den Bereichen, was das Dienstrecht, das Pensionsrecht betrifft, sehr harmonisiert vorgehen. Der Bundesbeamte wird nur wenig Verständnis dafür haben, wenn von ihm etwas eingefordert wird, was der Lan­


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desbeamte und der Gemeindebeamte nicht zu erbringen hat. Das gilt auch umgekehrt. Ich möchte damit nur sagen: Wir sitzen ja wirklich in einem Boot und werden am Ende nur dann gemeinsam unsere Ziele erreichen, wenn wir gemeinsam rudern und in eine Richtung unterwegs sind.

Es ist ganz entscheidend, dass wir das in einer Zeit – und es ist jetzt eine krisenhafte Zeit – nicht aus den Augen verlieren und nicht die eine Gebietskörperschaft glaubt, sich auf Kosten der anderen retten zu können. Das halte ich für ganz, ganz wesentlich.

Sie haben das KDZ erwähnt. Es wird auch in Ihrer Anfrage mehrfach erwähnt. Das KDZ ist miteingebunden, neben dem Wifo, neben dem IHS und dem Rechnungshof in dieser Verwaltungsreformgruppe – ich werde darauf auch näher zu sprechen kommen –, mit der wir wieder einmal den Versuch unternehmen, in Österreich zu einer Verwaltungs­reform zu kommen.

Sie haben von der Schublade gesprochen, in der die Ergebnisse des Österreich-Kon­vents verschwunden sind. – Ganz so sind diese Ergebnisse nicht verschwunden, das möchte ich Ihnen schon sagen. Es ist nur öffentlich nicht so sichtbar. Wir greifen in un­seren Verhandlungen natürlich darauf zurück.

Ich könnte noch viel weiter zurückgehen. 1994 hat der damalige Vorsitzende der Lan­deshauptleutekonferenz, Ludwig, in seiner Heimatgemeinde Perchtoldsdorf mit dem damaligen Bundeskanzler Vranitzky Protokolle verabschiedet, Vereinbarungen getrof­fen im Hinblick auf den bevorstehenden EG-Beitritt, wie das damals noch geheißen hat. Schauen Sie sich das einmal an! Würden wir nur das umsetzen, was damals quasi rechtsverbindlich vereinbart worden ist! Diese Verwaltungsreform ist eine unendliche Geschichte in Österreich. Was stimmt mich dennoch zuversichtlich? – Der Druck war allerdings noch nie so groß wie jetzt, wirklich vom Reden auch zum Handeln zu ge­langen.

Die Krise hat jetzt dem Bund besonders viel abverlangt. Die Konjunkturpakete, die Ban­kenpakete – das hat alles zuerst einmal alleine und ausschließlich den Bund betroffen, nämlich auf der Ausgabenseite. Andererseits: Die Konjunkturpakete haben gegriffen. Wenn man – und ich möchte nichts beschönigen – Österreich in Relation stellt zu den anderen EU-Mitgliedstaaten, so haben wir am Arbeitsmarkt die zweitbeste Situation. Nach den Niederlanden kommt schon Österreich, was die Arbeitslosigkeit betrifft – näm­lich im positiven Sinn, mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit.

Jetzt hat Spanien den Vorsitz in der Europäischen Union. Meine Damen und Herren! Die Spanier haben eine Arbeitslosigkeit von beinahe 20 Prozent! Das muss man schon sehen. In Relation dazu ist im Zusammenspiel mit den Sozialpartnern, in der guten Zu­sammenarbeit von Wirtschaftsminister und Arbeitsminister in Österreich schon etwas ge­lungen, was ich auch gerne hier neben all den Negativmeldungen, die wir haben, auf der Positivseite verbuchen möchte.

Trotzdem ist es so: Wir haben auf der Einnahmenseite Rückgänge, und zwar teilweise gewollt! Was können gewollte Rückgänge sein? – Das bezieht sich auf die letzte Steu­erreform, die wir gemacht haben, wobei wir gewusst haben, dass wir dadurch 3 Milli­arden € verlieren. 3 Milliarden € sind nicht wenig, aber das ist das, was dem Steuer­zahler zurückgegeben worden ist. Es war ohnehin notwendig, weil der Binnenkonsum in dieser Zeit der Krise Gott sei Dank nicht zurückgegangen ist. Aber Fakt ist, dass die Ertragsanteile zurückgegangen sind und dass die Ertragsanteile auch 2010, im Ver­gleich zu 2009, noch einmal leicht zurückgehen werden, und zwar von 7,45 Milliarden auf 7,14 Milliarden €.

Niemand will hier die Gemeinden „im Regen stehen lassen“, wie Sie das formuliert ha­ben. Allerdings kann der Bund auch nicht mehr tun als das, was finanziell möglich ist.


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Das Wichtigste ist, dass wir wieder zu Wirtschaftswachstum kommen. Jetzt zeigen die Konjunkturprognosen das so an, dass die konjunkturelle Talsohle überwunden scheint – ich formuliere das bewusst so vorsichtig: überwunden scheint –, dass wir wieder zu po­sitiven Wachstumsraten jenseits von 1 Prozent kommen.

Das ist überhaupt die Grundvoraussetzung, um auf der Einnahmenseite wieder dort hin­zukommen, wo wir 2008 waren. Die Einnahmen sind bis 2008 enorm gestiegen, leider aber die Ausgaben auch in der guten Zeit noch stärker; wir haben strukturelle Proble­me. Jetzt, von 2008 auf 2010, sind wir einnahmenseitig von 70 auf 57 Milliarden – das ist gigantisch! – heruntergefallen.

Das wirkt sich natürlich dramatisch vor allem in Gemeinden aus, die in der Vergangen­heit über ihre Verhältnisse gelebt haben, die einen gezwungenermaßen, weil sie eine so schlechte Einnahmensituation haben, die anderen durch Projekte, von denen sie ge­glaubt haben, sie sich leisten zu können. Da muss man differenzieren und kann nicht alle Gemeinden in einen Topf werfen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich nun zur Beantwortung Ihrer Fragen kommen. Sie haben ganz konkret 17 Fragen an den Bundesminister für Finanzen gerichtet, ich kann davon 16 Fragen beantworten. Die Frage 13 ist eine Sache des Parlaments. Wann die Beschlussfassung erfolgen wird, was die Kompetenzen des Rechnungshofes betrifft, das kann der Finanzminister nicht beantworten, da bitte ich um Verständnis. Ich darf aber die anderen Fragen wie folgt beantworten:

Zur Frage 1:

Wie schon gesagt: So wie die anderen Gebietskörperschaften sind natürlich auch die Gemeinden durch die Finanz- und Wirtschaftskrise hart getroffen. Wir haben einerseits versucht, die Gemeinden dadurch zu entlasten, dass der Bund durch die Pakete, die ich erwähnt habe – Konjunkturbelebungspakete, Finanzstabilisierungspaket, Investitionsof­fensive, Steuerreform, Arbeitsmarktpaket, Anti-Teuerungspaket, all das, was wir verab­schiedet haben –, Impulse setzt, dass eben die Gemeinden dadurch gestärkt werden, dass wir allein das auf uns genommen haben.

Wir sagen jetzt, aufgrund dieser Maßnahmen, die wir hier gesetzt haben, gehen wir da­von aus, dass wir so, wie es uns in der Vergangenheit gelungen ist, dass wir sozusa­gen später in die Krise hineingekommen sind, auch wieder schneller herauskommen. Wir sind nicht so tief hinuntergefallen wie die EU im Schnitt, sondern wir haben das bis­her besser bewältigt.

Zur Frage 2:

Das heißt für uns auch, dass wir selbstverständlich am Finanzausgleich festhalten. Die­ser Finanzausgleich ist schon einer – da bitte ich Sie, das auch zu berücksichtigen –, mit dem die Gemeinden zusätzliche Mittel bekommen haben. Ich darf das im Detail aus­führen: In der Finanzausgleichsperiode 2008 bis 2013 stehen den Gemeinden im Ver­gleich zur vorherigen Periode immerhin 633 Millionen € zusätzlich zur Verfügung. Der größte Teil der Zusatzmittel, das sind 474 Millionen €, werden erst in der zweiten Hälfte der Finanzausgleichsperiode, also ab 2011, wirksam.

Es war damals Finanzminister Molterer, der ganz konkret eine Regelung getroffen hat, dass die Gemeinden – es geht hier um den abgestuften Bevölkerungsschlüssel –, die in der untersten Stufe sind, die also aufgrund des abgestuften Bevölkerungsschlüssels am wenigsten bekommen und unter 10 000 Einwohnern liegen, als Einzelmaßnahme 100 Millionen € dazubekommen, die ausschließlich zu Lasten des Bundes gehen.

Zur Frage 3:

Da darf ich sagen, dass das Regierungsprogramm vorsieht, auf der Grundlage des Ös­terreich-Konvents weiterzuarbeiten und zu versuchen, zu dieser umfassenden Reform


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zu kommen. Die Punkte sind auch im Regierungsprogramm angesprochen und werden in einem diesbezüglichen Besonderen Ausschuss vorbereitet. Aber eine Verfassungsre­form bedarf einer Zweidrittelmehrheit.

Konkret geht es um eine zeitgemäße Grundrechtsreform, Neuordnung der Kompeten­zen, Ausbau des Rechtsschutzes und der demokratischen Kontrollen, Verbesserung des Wahlrechts, Stärkung der Länderautonomie und der Rechtsstellung der Gemein­den. All diese Punkte sind hier angeführt, und wir behandeln auch im Rahmen unserer Möglichkeiten, im Rahmen der Möglichkeiten dieser Arbeitsgruppe zur Konsolidierung, diese Fragen mit, geben aber unsere Ergebnisse dann hinein in diesen Besonderen Ausschuss zur Verfassungsreform, der sich mit diesen Fragen beschäftigt.

Zu Ihren Fragen 4, 5 und 6 kann ich Ihnen sagen – da sind die Reformen im Ge­sundheitswesen, im Sozial- und Pflegebereich angesprochen –, dass das neue Haus­haltsrecht, das wir haben und das international wirklich Anerkennung findet, hier die ein­zelnen Ressortminister enorm gestärkt hat, was ihre Möglichkeiten betrifft.

Wir haben diese Woche das Bundesfinanzrahmengesetz im Budgetausschuss diskutiert. Die Bundesminister kennen jetzt schon ihren Budgetrahmen bis 2014 – man könnte auch sagen: die Schuldenbremse, die hier eingezogen ist –, und sie haben jetzt die Mög­lichkeit, im Rahmen ihrer Budgets – allerdings sind sie in ihren Möglichkeiten aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen beschränkt, das muss man dazusagen – ihre Ent­scheidungen so zu treffen, dass sie Mittel aus dem Personal- in den Sachbereich um­schichten können. Sie können Mittel, die sie sich ersparen oder die sie lukrieren, auch von einem Budget ins andere mitnehmen. Es kommt also zu enormen Flexibilisierun­gen und Verbesserungen im Vergleich zur alten Kameralistik, wo das alles nicht mög­lich war.

Die Antwort auf das, was Sie konkret angesprochen haben, werden Sie im Herbst von den Ressortministern bekommen. Im Zuge der Budgetbegleitgesetze werden Sie dann sehen, was tatsächlich von dem umgesetzt wird, was in Ihren Fragen angesprochen ist. Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.

Zu den Fragen 7, 10, 11 und 12, in denen Sie das Schulwesen angesprochen haben, im Besonderen die Verwaltungscluster, dass es in den Fragen um einen gemeinsamen öffentlichen Dienst für Österreich geht, und auch, was die Flexibilisierung des Perso­naleinsatzes betrifft, möchte ich sagen: Genau diese Punkte haben wir in dieser Kon­solidierungsarbeitsgruppe massiv in Angriff genommen.

Wir sind zum Beispiel beim Kapitel Bildung fertig, hier gibt es innerhalb der Regierungs­parteien eine Übereinstimmung. Ich habe gestern im Vorfeld zur gemeinsamen Ge­denksitzung auch die zuständige Bildungsministerin angesprochen, und sie hat mir ge­sagt, dass sie mit den Gewerkschaften eigentlich schon sehr weit ist, was diese Fragen betrifft. Das ist ja nicht unbedeutend, wenn es um Bildungsfragen geht, weil sie die Verhandlungen zu führen hat, denn ein Schlüssel ist hier natürlich das Dienstrecht.

Aber nicht nur beim Dienstrecht, sondern auch in den strukturellen Fragen haben wir uns geeinigt. Jetzt ist der zweite Schritt zu setzen – das ist ja alles sehr vielschichtig –, dass die Regierungsspitze, Bundeskanzler und Vizekanzler, gemeinsam mit den Lan­deshauptleuten die entsprechenden Vereinbarungen treffen, um das umzusetzen, was wir in der Konsolidierungsgruppe aufgrund von Vorschlägen von Wifo, IHS und Rech­nungshof erarbeitet haben. Es gibt also sehr klare Vorschläge.

Es würde jetzt die Zeit sprengen, aber ich kann Sie nur einladen: Schauen Sie sich die­se Ergebnisse der Arbeitsgruppe an! Wir haben hier gemeinsam mit den Ländervertre­tern Ergebnisse gefunden, was zum Beispiel die Bildungsdirektionen in den Bundeslän­dern betrifft und so weiter; da sind wir schon relativ weit. Was die Effizienz der Verwal­


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tung betrifft, haben wir bei der vorletzten Regierungsklausur in Salzburg ganz konkrete Projekte im Ausmaß von 100 Millionen € verabschiedet. Da geht es um Fahrzeugma­nagement, da geht es insbesondere im IT-Bereich und im Bereich der Telefonie um Ver­besserungen.

Diese vereinbarten Zielvorgaben werden quartalsmäßig vom Bundeskanzleramt gemein­sam mit dem Finanzministerium auch kontrolliert, es sind also nicht nur irgendwelche Vereinbarungen getroffen worden. Nur ist das alles nicht sehr spektakulär, weil es sich im finanztechnischen und im verwaltungstechnischen Bereich abspielt. Aber hier wird konkret an der Umsetzung gearbeitet.

Außerdem gibt es Kapitel, die ich schon erwähnt habe, die wir in dieser Verwaltungsre­formgruppe beschlossen haben: Harmonisierung der Pensionssysteme! Aber natürlich haben wir noch Sonder-Pensionssysteme, ich habe einzelne Bundesländer erwähnt. Ich habe auch einzelne Bundesländer erwähnt, wo das für die Gemeindebediensteten gilt. Wir haben einen riesigen Bereich, in dem das laut Rechnungshof Zusatzkosten jenseits der Milliardengrenze verursacht, nämlich bei den Österreichischen Bundesbahnen. Wir haben das bei der Oesterreichischen Nationalbank: Sonderregelungen, wonach man mit 55 Jahren nach 35 Dienstjahren mit 85 Prozent in Pension gehen kann. Sachlich ist das meines Erachtens durch nichts zu rechtfertigen. Es gehört im Rahmen eines Rechts­staates, was eben möglich ist – alles ist nicht möglich –, beendet.

Ich muss mich jetzt beeilen. Ich würde gerne noch viel mehr erzählen, aber das Licht be­ginnt schon zu blinken. (Bundesrat Schennach: Sie können reden, so lange Sie wol­len!) – Ich halte mich prinzipiell an das, was vereinbart ist. Aber solange Sie mir zuhö­ren, werde ich weiterreden, nicht, solange ich will, aber ... (Bundesrat Schennach: Wir warten ja auf die Präzisierung! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Gut, dann werde ich jetzt zur Frage 8 kommen, um hier eine Präzisierung zu treffen. Der Finanzausgleich ist ein ganz komplexes Gebilde. Es ist sehr schwierig, hier zu dem zu kommen, was Sie genannt haben, weil es stimmt: Hier sind viele Ströme, das ist vielfältig, auch intransparent und schwer nachvollziehbar, weil das eben Stückwerk ist, das jedes Mal als Stückwerk erweitert worden ist, bei jeder Finanzausgleichsverhand­lung.

Wir haben uns im Lenkungsausschuss in der letzten Sitzung darauf verständigt, dass das jetzt von Experten einmal genau durchleuchtet wird, auch im Hinblick darauf, zu dem hinzukommen, was immer als Ziel angestrebt und gewünscht wird – was auch bei Ihnen in der Frage 9 vorkommt –, nämlich zur Zusammenführung von Aufgaben-, Aus­gaben- und Einnahmenverantwortung.

Hier wird – das haben wir gemeinsam mit den Ländern vereinbart, und damit darf ich auch die Frage 9 beantworten – diese Expertise erstellt, weil wir die Zeit nützen wollen. Die Periode ist diesmal länger, wir haben ja sechs Jahre. Ich sage es auch ganz direkt dazu: Wir haben ab 10. Oktober 2010 aller Voraussicht nach zwei Jahre lang keine Landtagswahlen, wir haben keine Nationalratswahl, wir können uns also in diesen zwei Jahren intensiv und frei von Wahlgängen voll auf diese Arbeit konzentrieren. Das wird höchst notwendig sein, weil natürlich der Finanzausgleich ein Schlüssel für viele ande­re Fragen ist. Das spielt in die Finanzierung des Gesundheitswesens genauso hinein wie in die Finanzierung des Schulwesens.

Es ist hier vorhin Landesrat Stockinger zitiert worden. Ich bin vor Kurzem mit mehreren Landesräten zusammengesessen, was den gesamten Pflegebereich betrifft – wo wir in Wirklichkeit zu den anderen Bereichen ja noch keine klaren Regelungen haben –, wie wir überhaupt das Pflegesystem insgesamt in den nächsten Jahren finanzieren wer­den. Diese Fragen sind hier direkt mit abzuhandeln.

Zu Ihrer Frage 13 kann ich Ihnen nur sagen, dass die Prüfkompetenz des Rechnungs­hofes eben eine ist, worüber es Vereinbarungen zwischen den Klubs gibt. Aber das ist


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eine Angelegenheit des Parlaments und nicht eine Angelegenheit in der Umsetzung des Finanzressorts, daher kann ich Ihnen diese Frage nicht beantworten.

Zur Frage 14 betreffend Gemeindefinanzierung in Richtung Aufgabenorientierung darf ich vorweg eines sagen: Wenn es um Gemeinden geht – und deswegen ist auch der Bundesrat für mich das richtige Forum, dass wir das diskutieren –, haben natürlich die Bundesländer weit mehr Kompetenzen als der Bund selbst in der Ausgestaltung und in der Möglichkeit. Das muss man so sehen.

Ich war selbst 17 Jahre Landtagsabgeordneter und weiß daher, wie oft und intensiv wir uns mit Gemeindefragen beschäftigt haben, mit den einzelnen Gemeindeordnungen und diesen Regelungen. Das ist vor allem eine Sache der Landtage. Je besser sich die Bun­desländer untereinander koordinieren und hier vorgehen, was Transparenz betrifft, wie Mittel weiter vergeben werden, was Kriterien betrifft, wie die Zusammenarbeit der ein­zelnen Kleinstgemeinden vorangetrieben wird, desto effizienter wird man arbeiten kön­nen.

Aber die Frage, die Sie hier ansprechen, ist vor allem eine Frage, die der Landesgesetz­geber in Angriff nehmen muss. Wir können das bei den Finanzausgleichsverhandlun­gen mitverhandeln, aber weil wir dort, wie Sie wissen, das Einvernehmlichkeitsprinzip haben, brauchen wir neben der Zustimmung von Städte- und Gemeindebund natürlich auch die Zustimmung der Länder, wenn es in Richtung Aufgabenorientierung gehen soll. Ich halte das für den einzig richtigen Ansatz. Aber es sei noch einmal gesagt: Konkret bei der Weitergabe der Mittel ist der Landesgesetzgeber meines Erachtens stärker ge­fordert als der Bundesgesetzgeber.

Zu den Fragen 15 und 16 darf ich festhalten, dass die Krise, wenn sie etwas Gutes hat, schon dazu geführt hat, dass wir uns unsere Finanzierungssysteme und unsere Ver­anlagungssysteme genau angesehen haben und es hier auch zu Reformen gekommen ist. Sie kennen wahrscheinlich den Beschluss des Ministerrates vom 27. April – der ist ja noch relativ jung –, mit dem wir eine neue, strenge Regelung für die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur beschlossen haben, die wir in der Vergangenheit in dieser Schärfe nicht hatten.

Da muss ich auch wieder sagen: Spekulationen und Veranlagungen auf Gemeindeebe­ne sind Sache der Gemeindeaufsicht, und Gemeindeaufsicht ist Landessache. Das ist kein Abwälzen von Verantwortung des Bundes auf die Länder, sondern das ist einfach eine Antwort, die ich aufgrund unserer Bundesverfassung zu geben habe.

Hier haben die Länder unterschiedlich reagiert. Das Burgenland ist zum Beispiel schon sehr weit, dort wurden im Verordnungsweg strenge Richtlinien erlassen, die es in an­deren Bundesländern noch nicht gibt. Der Gemeindebund hat Richtlinien erstellt und ver­sucht zu erreichen, dass man diese auf freiwilliger Basis akzeptiert. Mir sind hier natür­lich gesetzliche und verordnungsmäßige Regelungen viel lieber, denn das, was da in der Vergangenheit an Fehlern passiert ist – was natürlich auch einzelnen Gemeinden passiert ist, das muss man sagen –, gilt es ganz sicher ein für alle Mal für die Zukunft zu verhindern. Wir arbeiten hier auch auf europäischer Ebene an Regelungen, um euro­paweit einen Einklang herzustellen, das betrifft aber vor allem die Nationalstaaten.

Zusammenfassend – weil von Bundesrat Schennach schon moniert worden ist, konkre­ter zu werden –: Es ist richtig, was Sie sagen, nur ist es in manchen Bereichen zum jetzigen Zeitpunkt einfach nicht möglich, konkreter zu werden. Ich kann Ihnen beim besten Willen nicht sagen, was die Bildungsministerin bis wann umsetzen kann in den Bereichen, die Sie angesprochen haben, was und wie und bis wann der Gesundheits­minister, der hier angesprochen ist, die einzelnen Punkte im Bereich der Reform des Gesundheitswesens umsetzen wird, oder der Sozialminister.

Aber richtigerweise sind von Ihnen diese Fragen angesprochen worden, die enorm kos­tenintensiv sind und kostenintensiver werden, auch wenn wir es effizienter gestalten.


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Wir kennen die demographische Entwicklung: Diejenigen, die 2050 in Pflegebetten lie­gen werden, sind jetzt schon auf der Welt, und auch diejenigen, die 2050 in Pension sein werden. Wir kennen also die Zahlen ziemlich exakt, daher sind die Prognosen ziem­lich exakt, und darauf müssen wir uns einstellen. – Daher bedanke ich mich für die Dringliche Anfrage.

Schlusssatz von mir: Man kann nicht allgemein sagen, dass die Finanzsituation der Ge­meinden desaströs ist. Es gibt Bundesländer, wo es den Gemeinden in den letzten Jah­ren sogar gelungen ist, das Minus, das sie haben, beziehungsweise ihren Verschuldens­stand zu reduzieren. Im Bundesland Vorarlberg war das möglich.

Trotzdem sagt mir gleichzeitig der dortige Landeshauptmann – aufgrund seiner langjäh­rigen Erfahrung, weil wir vom Bund Konsolidierungsbeiträge der Länder und Gemein­den einfordern –, dass er glaubt, dass es bei den Ländern leichter möglich sein wird als bei den Gemeinden – wobei die Vorarlberger Gemeinden im Schnitt besser dastehen als Gemeinden in Ostösterreich, in der Steiermark oder in Kärnten, im Süden der Re­publik.

Daher Schlusssatz von meiner Seite: Jawohl, die Finanzsituation der Gemeinden ist an­gespannt. Ich sehe sie aber nicht als desaströs. Wir müssen auf der Ausgabenseite Ein­sparungen erreichen. Das geht nur durch Reformen. Ich hoffe, dass diese Reformen, die nicht immer angenehm sein können, dann auch von einer breiten Mehrheit mit un­terstützt werden; damit wir die Ziele erreichen, die wir erreichen müssen, nämlich Ös­terreich in Europa an der Spitze zu halten, was unseren Staatshaushalt, unsere Situa­tion am Arbeitsmarkt und auch was unsere Stabilität insgesamt betrifft.

Daher ein Danke für Ihre Anfrage. Sollten im Laufe der Debatte weitere Fragen auf­tauchen, werde ich sie selbstverständlich ebenfalls gerne beantworten. (Beifall bei der ÖVP.)

14.41


Präsident Peter Mitterer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


14.41.49

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Ich nehme unter dem Strich Ihrer Beantwortung positiv zur Kenntnis, dass Sie sowohl die Richtigkeit als auch die Dringlichkeit einer solchen An­frage sowie die Richtigkeit des Platzes der Diskussion anerkannt haben. Das ist auch in einem politischen Dialog zwischen Regierung und Opposition ein ganz wichtiges Fun­dament, um bestimmte Dinge miteinander zu diskutieren.

Ich habe bei Ihrer Anfragebeantwortung ein bisschen das Gefühl gehabt – deshalb auch mein Zwischenruf, aber ich bitte, diesen nicht persönlich zu nehmen, vielleicht hätte mir ein besseres Bild einfallen sollen –, mir ist vorgekommen, Sie seien eines der Mitglie­der der Kapelle auf der Titanic (Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ), die weiterspielt und sagt: Ja, es kommt da einiges auf uns zu, ich weiß einfach nicht, wer wie wo arbeitet, aber an sich sind die Fragen richtig angesprochen.

Wir haben bei dem gemeinsamen Bild ein wahnsinniges Glück, dass nämlich der Eis­berg erst 2013 auftaucht und es noch zu Kursänderungen und zumindest zu Maßnah­men kommen kann, damit wir daran vorbeischrammen. Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, die Einnahmensituation beziehungsweise die finanzielle Situation, die Budgetsi­tuation der Gemeinden ist nicht desaströs – sie ist angespannt, aber nicht desaströs. Jetzt sage ich es nicht in meinen Worten, ich zitiere – das ist übrigens ganz neu –:


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„Die finanzielle Lage der Gemeinden ist nicht nur dramatisch, sondern die Gemeinden sind schon weit über ihrer Schmerzgrenze.“

Wer sagt das? – Der Chef der Gemeinden. (Bundesrat Dr. Kühnel: Alle Gemeinden? – Staatssekretär Dr. Lopatka: Was soll er sonst sagen?) – Moment, Sie dürfen ihm nicht unterstellen, dass er ein Salzburger Stierwäscher ist, der in diesem Fall sozusagen das Gemeindekalbl ständig anders anmalt, nur damit der Herr Staatssekretär und der Herr Finanzminister die Taschen etwas leichter öffnen.

Wir können auch ein anderes Bundesland nehmen. Kollege Kneifel ist gerade nicht da, aber Kollege Spiegelfeld-Schneeburg schaut mich gerade an. Wenn wir zum Beispiel die Situation der oberösterreichischen Gemeinden nehmen: Von 444 Gemeinden wer­den über 300 einen negativen Abgang haben, das ist ein Faktum.

Herr Staatssekretär, vielleicht sollten wir uns in der Diskussion und vielleicht auch die beiden Koalitionsparteien miteinander überlegen, einen Luxus abzuschaffen, nämlich dass es in jeder Landesregierung einen Landesrat gibt, der für schwarze Gemeinden zuständig ist, und einen, der für rote Gemeinden zuständig ist. Das ist doch ein Riesen­unfug – denn die Probleme der schwarzen Gemeinden sind doch die gleichen wie die der roten Gemeinden! Auch die Kinderbetreuung in den schwarzen Gemeinden sollte dieselbe sein wie in den roten Gemeinden, und die Pflege auch!

Aber da wird gegenläufig gearbeitet! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Spiegelfeld-Schneeburg.) – Ja, du wirst heute in deiner Rede sagen, dass es in Oberösterreich nicht so ist. Dann nenne ich dir aber gleich fünf Beispiele. Pass auf, dann melde ich mich dazu später wieder. In deinem Bundesland kenne ich mich ganz gut aus.

Meiner Meinung nach war Mödlhammer sogar – obwohl der Herr Staatssekretär mein­te, das müsse dieser ja sagen – viel zu optimistisch, als er vor wenigen Tagen sagte: Es ist zu befürchten, dass im Jahr 2010 die Hälfte der Gemeinden nicht mehr ausge­glichen bilanzieren kann. – Zitatende.

Nur ist diese Angabe schon überholt, wir sind schon bei etwa zwei Dritteln. Und ein paar Städten steht das Wasser mehr als bis zum Hals. Wenn ich zum Beispiel nach Nieder­österreich schaue, um einmal ein anderes Bundesland zu erwähnen, so steht dort Wie­ner Neustadt knapp vor der Bankrotterklärung. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Küh­nel.) Da wir gerade heute das Konkurs- und Insolvenzrecht modernisiert haben, sollte man das vielleicht gleich nach Wiener Neustadt schicken, die Lage dort sieht ziemlich schlimm aus.

Erstellen wir zuerst einmal einen Befund – ich glaube, dass wir den gemeinsam tragen können. Die Gemeinden wie auch die Städte sind die Keimzelle des Staates und der De­mokratie. Da sind wir uns sicher alle einig, es steht sogar im allerersten Gemeindege­setz, mit dem wir Gemeinden geschaffen und gesetzlich legitimiert haben, dass sie die Keimzelle des Staates und der Demokratie sind. (Zwischenrufe der Bundesräte Dr. Spie­gelfeld-Schneeburg und Perhab.) – Kollege Perhab, sie bilden das Fundament in un­serem Staat, sie sind die bürgernächste Institution unseres Landes.

Aber was ist passiert? Sowohl Bund als auch Länder überwälzen immer mehr Aufga­ben auf die Gemeinden, und das bei gleichzeitigem Entgang von Erträgen.

Wenn wir heute zum Beispiel als Grüne hier heraußen sind, sind wir ja befreit von dem Zwang, unter dem Sie heute herausgehen müssen – nämlich unter dem Zwang, rote und schwarze Bürgermeister oder Mehrheiten zu verteidigen. Wir haben vielleicht eher die Kompetenz der Kontrollen, die man uns in vielen Gemeinden eingeräumt hat. (Bun­desrat Mag. Klug: Kaum mehr!)

Aber diese Gemeinden sind der wichtigste Motor für Investitionen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schnider.) – Wenn wir so genau sind, Kollege Schnider, dann sind


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wir in einer Reihe weiterer dabei, aber wir sprechen ja von der Position des Bürger­meisters oder der Bürgermeisterin.

Das heißt, die Gemeinden sind der wichtigste Motor, die Gemeinden können Investitio­nen ankurbeln, regionale Nachfrage schaffen, Arbeitslosigkeit wie keine andere Institu­tion vor Ort bekämpfen, Initiativen setzen. Und genau hier kommen wir durch diese angespannte Budgetsituation in eine Situation, die der Kollege Mödlhammer – um den Namen, der vorhin nicht gefallen ist, zu nennen – so ausdrückt:

„Immer mehr Gemeinden sind damit auf Bedarfszuweisungen zum Ausgleichen ihres Budgets angewiesen, damit können diese Zuweisungen aber nicht mehr für neue Pro­jekte und Investitionen verwendet werden.“ (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Nein, nicht noch besser! Nicht das Budget nur auszugleichen, sondern genau das nicht zu tun!

Investitionen, Nachfrage, Arbeitsplätze, Ausbau von sozialen Grundeinrichtungen – das sollte man mit den Bedarfszuweisungen tun, und nicht nur ständig Budgets ausglei­chen und abdecken. Ja, mit den Bedarfszuweisungen, Kollege Kühnel, passiert kein Griechenland auf Perchtoldsdorferisch oder auf Neusiedlerisch – Fohnsdorf darf man nicht erwähnen, die sind reich genug, aber so manch andere Gemeinde, das ist schon richtig. Aber das, was so wichtig ist, wo wirklich die wichtigen Impulse vor Ort ausge­hen, das fehlt. Da schwächeln jetzt die Gemeinden, sodass es ein tatsächliches SOS ist.

Was haben denn die Gemeinden gemacht? Nehmen wir als Beispiel die Gemeindewäl­der! Wenn ich den Kollegen Zangerl ansehe, fällt mir ein, dass in Tirol manche Gemein­dewälder in Genossenschaften umgewandelt und dadurch den Gemeinden quasi weg­genommen wurden, die Gemeinden wurden quasi enteignet.

Viele sind gelähmt angesichts dieser Problematik. Manche – das haben wir hier schon einmal diskutiert – haben die Flucht in die Zockerei versucht, und sind – manche – mit sehr blutigen Nasen zurückgekommen. Aber Tatsache ist, sie sind überfordert. Sowohl Bund als auch Länder überwälzen immer mehr Aufgaben. Die Wahlzuckerln, die 2008 verteilt wurden, haben den Gemeinden 50 Millionen € extra aufgebrummt. Das muss man einfach einmal sagen. (Bundesrat Kainz: Waren Sie dabei?)

Da müssen wir aufpassen, welche Entscheidungen dort getätigt wurden. Da kann man nicht alle in Bausch und Bogen nennen. Es gab sehr unterschiedliches Abstimmungs­verhalten.

Herr Staatssekretär, wir haben – und ich denke, da bedarf es schon einer stärkeren Be­wegung – bei den Transferzahlungen eine Explosion im Bereich der Kosten für Sozia­les und Gesundheit, ein Plus von ungefähr 10 Prozent. Wir haben steigende Sach- und Personalkosten, diese wären im Griff zu halten. Sie könnten sogar mit den Ertragsent­wicklungen abgedeckt werden, wenn nicht die Transferleistungen dermaßen ausreißen würden.

Das Hauptproblem ist natürlich – und das muss man jenen sagen, die uns hierher entsandt haben –, dass das mit den Bedarfszuweisungen so eine Sache ist. Das ist so wie das Hemd und die Jacke: Den Ländern ist ihr eigenes Budget wichtiger als jenes der Gemeinden. Aber die Bedarfszuweisungen sind Mittel, die die Länder für die Ge­meinde nur verwalten.

In den Diskussionen, die wir in den Ländern immer wieder haben, stellen das die Län­der den Gemeinden gegenüber so dar, als ob sie denen etwas gäben. Dabei verwalten sie es nur!

Das ist ungefähr so wie mit der Arbeitslosenversicherung. Ich versichere mich für den Fall, dass ich einmal in eine solche Situation komme. Das ist weder eine Almosenge­


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schichte noch eine Sozialhilfe, sondern eine Versicherungsleistung. Genauso selbst­bewusst können die Gemeinden den Ländern sagen: Das ist das Geld, das ihr für uns verwaltet, das rufen wir ab. – Aber bei diesen Dingen ist sehr viel Sand im Getriebe.

Wenn wir nun die KDZ-Berechnungen hernehmen, die auf sehr konservativen oder, wie manche sagen, auf sehr optimistischen Annahmen getroffen wurden, so haben wir 2013 ein Minus von ungefähr 143 Millionen €. Es stimmt, es kommen 100 Millionen € dazu, das hat ja der Herr Staatssekretär gesagt, Beschluss der Bundesregierung. Nur ist die Annahme von 143 Millionen € eine sehr optimistische. Diese Zahl wird nicht zu halten sein, wie zum Beispiel das Wifo sagt. Das heißt, Gefahr in Verzug für viele, viele Leistungen der Gemeinden.

Interessant ist, dass die Ertragsanteile 1999 noch bei 25 Prozent lagen – und 2013 sind wir bei minus 1 Prozent! Das ist eine rasante Talfahrt, meine lieben Kollegen und Kol­leginnen. Gleichzeitig steigen aber die Transferausgaben von 50 auf 80 Prozent! Das heißt, allzu lange dürfen sich da die Ressortkollegen vom Herrn Staatssekretär nicht Zeit lassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als man gesagt hat, man hilft den Banken, hat man ja gesehen, wie schnell das geht. Auch im Fall Griechenland sieht man, wie schnell das geht. Jetzt brauchen auch die Gemeinden und die Städte Hilfe. Interessant ist Folgen­des: Je größer die Städte oder die Gemeinden sind, desto geringer ist der Überschuss in der laufenden Gebarung. Das ist ein wirklich interessantes Phänomen. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Lieber Kollege Perhab! Der Föderalismus ist so eine Sa­che. Das ist ja auch ein Problem, nämlich dass in unserem System die Einnahmen im­mer mehr zentralisiert werden.

Zum Beispiel mit dem Wegfall der Getränkesteuer 1999 – wobei das durch die Re­gelung, die wir hier vor Kurzem miteinander diskutiert und beschlossen haben, wieder aufgehoben wurde –, mit diesem Wegfall ist die Zentralisierung der Einnahmen weiter gewachsen. Das ist sicherlich mit eine Ursache.

Ich möchte nur auf eines hinweisen. Der Herr Staatssekretär hat etwas angesprochen, das ich hier an diesem Rednerpult schon öfters als den „kleinen demokratischen Früh­ling Österreichs“ bezeichnet habe, das ist Perchtoldsdorf 1994 bis 1995. Dort hat die große Koalition zum ersten Mal keine verfassungsgebende Mehrheit erreicht, und dort wurden in diesem einen Jahr tolle Übereinkünfte getroffen.

Dass es 1995 dann wieder eine verfassungsmäßige Mehrheit gegeben hat und all die­se Übereinkünfte die Donau hinabgeschwommen sind, ist eine andere Sache. Ich bin jedenfalls froh darüber, dass der Herr Staatssekretär sagt, dass das eigentlich sehr ge­scheit war, was damals die Regierung, die Opposition und auch die Länder in Perch­toldsdorf vereinbart haben.

Nun bin ich ja nicht nur da, um zu warnen und SOS zu schreien. Das ist auch nicht meine Art, wie Sie wissen. Deshalb sollten wir doch einen Schritt weitergehen. Herr Staatssekretär, von meiner Seite her müssen wir bei der Aufgabenorientierung bei den Ausgaben in Richtung der Ausgabenerfüllung ansetzen. Wir müssen diese Verflechtun­gen bei den Aufgaben zwischen den Ländern und den Gemeinden, diese undurchsich­tigen, zum Teil die Gemeinden ständig in eine Zwangsjacke steckenden Verflechtungen angehen. Die müssen abgebaut werden.

Es muss klar sein, dass diese gemischten Trägerschaften herunterzufahren und auf einer Ebene anzusetzen sind. Zum Beispiel das KDZ hat vorgeschlagen: Krankenan­stalten und Sozialhilfe im weitesten Sinne – dafür sollen die Länder zuständig sein. Kin­derbetreuung, Pflichtschulen – weil mich gerade der Kollege Schnider anschaut –, alles, was mit Bildung und so weiter zu tun hat, soll in den Zuständigkeitsbereich der Ge­


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meinden fallen. Dann ist das klar und nachvollziehbar, dann gibt es nicht diese ständi­gen Mischebenen, die hier hereinkommen.

Ich halte den Vorschlag aus dieser Verfassungsarbeitsgruppe für wirklich brauchbar, zielführend und sinnvoll. Außerdem müssen wir etwa auf den Stand von 1999 zurück­kommen. Es kann ja nicht sein, dass wir den Gemeinden mit der Kommunalsteuer und den Hunderln den einzigen wirklichen Schlüssel in die Hände geben. Wir müssen die Abgaben- und Ertragshoheit bei Ländern und Gemeinden wieder stärken. (Bundesrat Kneifel: Und die Lohnsteuer!) – Ja, Lohnsteuer auch, ja. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.) – Nein, die haben ja so viele Ausnahmen, Herr Kollege.

Diese ganzen Grundsteuerbefreiungen – das wäre ein Hebel. Also wenn ich das hier festhalten kann: Kollege Kneifel schlägt vor, dass wir bei den Grundsteuern ansetzen. Das sagen durchaus auch die schwarzen Gemeinden, Herr Kollege Lopatka, und ich glaube, auch Sie bewegen sich in die Richtung, dass bei der Vermögenssteuer anzu­setzen wäre. Das ist eine neue Qualität, die jetzt gerade auch von schwarzen Gemein­den herüberkommt.

Zum Abbau der Transfers zur Reduzierung bei der Umverteilung zwischen den Gemein­den. Aber wo die Gemeinden unbedingt mitmachen müssen und sich selbst bei der Na­se nehmen können, sind weniger Prestigeprojekte der einzelnen Gemeinden, und statt­dessen eine stärkere Vernetzung, eine gemeinsame Struktur.

Es gibt Vorschläge, dass fünf Gemeinden eine Verwaltung haben sollen. Ich weiß nicht, ob das das Ei des Columbus ist, aber es macht Sinn. Ich kann mich an eine Diskussion im Bundesrat über die Zusammenlegung der Feuerwehren in Vorarlberg erinnern. Da hat man geglaubt, es passiert das Schlimmste vom Schlimmsten, allein wenn man sagt, man legt den Fuhrpark oder die Beschaffung von manchen Feuerwehren zusammen.

Es macht Sinn, meine Damen und Herren, dass man sagt: Nicht jede Gemeinde braucht ein Schwimmbad oder eine Schwimmhalle. – Einen Pavillon sollen sie aus Tourismus­gründen haben, ja.

Das heißt: Hier müssen wir viel mehr Druck auf die Koalition ausüben, wovon ich den Herrn Staatssekretär ausnehme. Bei den Finanzausgleichsverhandlungen allerdings kann der Bund Druck machen, dass die Gemeinden und die Städte untereinander zu einer stärkeren Kooperation finden, um nicht zuletzt den aufgabenorientierten Finanzausgleich zu schaffen.

Ich weiß, das klingt jetzt so locker vom Hocker, aber das ist sicherlich einer der ganz schwierigen Brocken, das verstehe ich. Aber wir müssen – im Jahr 2013 läuft der Fi­nanzausgleich aus, wir haben knapp Mitte 2010 – hier und jetzt an dieser Reform ar­beiten.

Ich glaube, als einen ersten Schritt, Herr Staatssekretär – das muss man den Gemein­den zugutehalten, im Rahmen des Stabilisierungspakets hat nur einer wirklich seine Hausaufgabe erfüllt, und das waren bisher die Gemeinden –, müssen wir sie mit 0,6 Pro­zent minus hier herauslassen.

Wir müssen sie aus diesem Druck, den Stabilisierungspakt als einzige Körperschaft zu erfüllen, damit sie ihren Haushalt bewältigen, für eine gewisse Zeit herauslassen, aber das sind genau die 0,6 Prozent, die sie derzeit brauchen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Ich danke für die Aufmerksamkeit. Ich denke, es ist eine Debatte, die sehr wohl in diesem Haus geführt wird, wie so manche Bildungsdebatte hier geführt wird. Es wird sicherlich heute nicht das letzte Mal sein, denn das SOS für die Gemeinden wird auch


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in den nächsten Monaten und wahrscheinlich in den nächsten eineinhalb Jahren so exis­tieren. – Danke. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

15.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Keuschnigg. – Bitte.

 


15.02.49

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Hohes Haus! Frau Mühlwerth, in Ihrer Dringlichen Anfrage ist von einer „desaströsen Finanzsituation“ die Rede. Ich glaube, das ist unsachlich, das trifft einfach nicht den Kern der Sache (Bundesrätin Mühlwerth: Das glaube ich schon!), das ist überzogen. Aber es bietet natürlich den Anlass dafür, und das ist positiv dabei, dass wir dieses Thema „Gemeindefinanzen“ einmal aufgreifen und nüchtern analysie­ren, wobei ich auch dafür bin, dass wir das gesamthaft sehen.

Ich denke, wir haben derzeit auf allen Ebenen aller Gebietskörperschaften eine drama­tische Finanzsituation. Ich bin sehr dagegen, dass Sie die Griechenland-Hilfe mit der Frage der Finanzen vermischen. Man muss beides machen, alles andere ist unsachlich, und das finde ich nicht gut. (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, das halte ich gar nicht für unsachlich!)

Wir haben auf allen Ebenen derzeit dramatische Finanzsituationen, und es geht ein­fach darum, wie wir sozusagen diese Vernetzung für jede Ebene gut und richtig bewäl­tigen.

An Ihrer Dringlichen stört mich eigentlich nur das Spekulative, dass man eine Ebene he­rausgreift und sozusagen gegen die anderen stellt. Aber wenn man die Anfrage durch­liest, die 17 Fragen durchschaut, so kommt man drauf, dass diese Anfrage eigentlich einen irreführenden Titel hat; einen Marketingtitel natürlich, damit es besser rüberkommt. Da kommt ja alles vor, was sozusagen das politische Repertoire der Politik in Österreich ist: von der Verwaltungsreform, von der Gesundheitsreform bis zur Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger, bis zur Reform des Pflegebereiches, natürlich Finanzaus­gleich, keine Frage.

Man kann eigentlich über alles reden, aber ich möchte mich jetzt schon sehr auf die Gemeinden konzentrieren.

In Summe, glaube ich, haben die österreichischen Gemeinden keine instabile Situation, sondern eine relativ stabile Finanzsituation. Dafür gibt es auch Gründe, immer von Aus­nahmen abgesehen, und das pendelt. Bei 2 300, 2 400 Gemeinden ist das Pendeln na­türlich sehr groß, und es gibt auch für Verschuldungssituationen die verschiedensten Ur­sachen.

Richtig ist, die Verschuldung nimmt zu. Aber jetzt darf ich einmal die Gegenfrage stel­len: Wo nimmt sie nicht zu? – Wir haben also eine dramatische Gesamtsituation.

Die Gründe, dass die Gemeinden nicht so instabil sind, wie Sie das darstellen, liegen darin, dass die Gemeinden relativ stabile eigene Finanzquellen haben – Grundsteuer, Kommunalsteuer und so weiter; zur Kommunalsteuer darf ich nachher noch ein Wort verlieren –, und sie haben an den gemeinsamen Steuererträgen fixe Anteile, und diese gehen natürlich mit der Konjunktur hinauf und hinunter. In Summe kommt da zum Aus­druck, wie vernetzt diese Gebietskörperschaften sind und dass das eine ganz beson­dere Betrachtungsweise erfordert.

Wir haben in den Jahren 2007 und 2008 eine Zunahme der Ertragsanteile gehabt, in den Jahren 2009 und 2010 eine Abnahme. Der Herr Staatssekretär hat es schon gesagt, ich glaube, so ungefähr 3,9 Prozent Rückgang sind im Jahr 2010 zu erwarten.


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Ich darf aber auch darauf verweisen, dass es den laufenden Finanzausgleich, verhan­delt vom damaligen Finanzminister Molterer, gibt, in dem vor allem die kleineren Ge­meinden, die am meisten unter finanziellem Druck stehen, eigentlich gut bedient wer­den, und in dem ab dem Jahr 2011 zusätzliche Finanzflüsse zum Tragen kommen. Es werden also sozusagen im zweiten Teil dieser Finanzperiode die Gemeinden mit zusätz­lichem Geld unterstützt.

Ich möchte deshalb darauf hinweisen, weil es, wenn wir zum Beispiel die österreichi­sche Gemeindesituation mit der in der Bundesrepublik Deutschland vergleichen, wie Tag und Nacht ist. Wir haben in der Bundesrepublik wirklich eine Schärfe in der Situation der Gemeindefinanzierung, wo teilweise der Lichtschalter abzudrehen ist, wo Hallenbä­der zuzusperren sind, wo nur mehr auf Kreditebene die Daseinsvorsorge im dringlichs­ten Ausmaß erbracht werden kann.

Eine der wesentlichen Unterschiede ist, dass wir in Österreich die Gewerbesteuer auf die Kommunalsteuer umgestellt haben. Was ist da der Unterschied? – Der Unterschied ist der, dass die Gewerbesteuer gewinnorientiert ist, also auf den Ertrag aufbaut, und damit in der jetzigen konjunkturellen Situation in der Bundesrepublik die Gemeinden ge­radezu eingehen, weil die Gewinne wie Schnee in der Frühlingssonne schmelzen und weg sind.

Wir haben die Gewerbesteuer damals auf die Kommunalsteuer umgestellt, und die ist lohnsummenorientiert. Da muss man auch der Wirtschaft Respekt zollen. Im Wesent­lichen zeigte sich die Solidarität, indem man die Arbeitskräfte in dieser Konjunkturdel­le – Konjunkturkatastrophe müssen wir fast sagen, „Delle“ ist da zu schön gezeichnet – gehalten hat und damit eine relativ stabile Einnahmensituation für die Gemeinden ge­geben ist.

Als dritte Ebene, und die soll man auch nicht vernachlässigen, gibt es eben diese Lan­desumlage. Natürlich ist das sozusagen verwaltetes Geld der Länder, aber der Effekt ist ein sehr tiefgehender, nämlich dass dieser Ausgleich zwischen ärmeren und reiche­ren Gemeinden in der Praxis funktioniert.

Ich kenne jetzt nicht jede Situation in jedem Bundesland, aber ich weiß von keiner Ge­meinde, die keinen Jahresabschluss zustande gebracht hat, weil eben aufgrund dieser Ausgleichsmechanismen letztlich diese Feinsteuerung funktioniert und damit eine stabile Politik gemacht wird.

Aber viel spannender für uns sind – auch im Hinblick auf die Gemeinden – die Fragen: Wo sind die Entwicklungslinien? Wohin geht es? – Ich möchte dazu nur ganz wenige Schlaglichter bringen:

Eines der zentralen Themen – ich glaube, Stefan Schennach hat es angeschnitten – betrifft die Frage der interkommunalen Zusammenarbeit. Ich glaube – ich bin ja bei dem Sozialversicherungsträger auf Ihrer Seite, man muss das halt immer im Detail anschau­en –, den Bürgern ist das ziemlich wurscht, sage ich jetzt einmal so salopp, wo der Computer steht, der die Backoffice-Dinge erledigt, der die Sozialversicherung ausrech­net oder der die Steuervorschreibung in der Gemeinde ausstellt und so weiter.

Aber noch interessanter ist die interkommunale Zusammenarbeit im Hinblick auf die Steuerung des Wirtschaftsstandortes Gemeinde; da, wo die Grundlage gelegt wird, dass die Kommunalsteuern wieder da sind, Lohnsummensteuern wieder da sind, wo Stand­ortpolitik zu machen ist und wo Zusammenarbeit bei der Ausweisung von Gewerbege­bieten gegeben sein soll.

Man muss ja nicht immer sofort die Gemeinden zusammenlegen. (Bundesrat Schen­nach: Ja, eh nicht!) In Tirol gibt es keine Gemeindezusammenlegung, und trotzdem gibt es in vielfältiger Weise im Hintergrund die Zusammenarbeit und das Denken in Pla­


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nungsräumen, indem man einfach nach Talschaften, nach sinnvollen, natürlich geogra­fischen Ausformungen Kooperationen macht und die Infrastrukturen steuert und die Hal­lenbäder steuert und alles, was halt dazugehört.

Eine kleine Note in Richtung Gemeindebund: Man sollte nicht immer nur die Finanzfra­ge zum alles füllenden Thema machen, man sollte vielmehr über die Entwicklungslinien reden, denn diese "Platte" ist in guten Zeiten und auch in schlechten Zeiten gelaufen. Wir wissen alle, dass es ein ganz zentraler politischer Wert ist, die Gemeinden zu un­terstützen und stabile Gemeinden zu haben, aber da geht es mehr um die Zukunft.

Der Finanzausgleich ist heute schon sehr oft angesprochen worden. Meine persönliche, politische Meinung ist: Wir sollten beim nächsten Finanzausgleich versuchen, verstärkt in einen interkommunalen Finanzausgleich zu gehen oder vielleicht einen ersten Schritt in diese Richtung zu machen.

Ich kenne Gemeinden, die bekannteste in Österreich ist Vösendorf, wo die Kommunal­steuer aus einem ganzen Bezirk, aus einer Großregion zusammenfließt. Die Gemein­den, die die Arbeitskräfte schicken, haben alle ihre Kindergärten, ihre Daseinsvorsorge und so weiter zu bezahlen, aber das Geld fließt  – Ich könnte in Tirol jetzt ganz pro­minente Beispiele anführen (Bundesrat Konecny: Bleib lieber bei Vösendorf!), tolle Industriebetriebe – Hut ab vor diesen unternehmerischen Leistungen! Aber dahinter ver­bergen sich die Standort-Gemeinde und die Umland-Gemeinde, da gehört eine gewis­se Austarierung her, und ich glaube, wir sollten schauen, dass wir ein bisschen dorthin kommen.

Über den abgestuften Finanzausgleich haben wir schon gesprochen. Beim abgestuften Bevölkerungsschlüssel ist beim letzten Finanzausgleich wieder ein sehr sinnvoller klei­ner weiterer Schritt gemacht worden. Da ist dann immer auch ein bisschen die Solidari­tät der Großen mit den Kleinen gefordert.

Die historische Situation, dass die kleinen Gemeinden weniger Ausgaben haben als die großen, verkehrt sich teilweise ins Gegenteil, denn wenn heute jemand in der Kleinst­gemeinde irgendwo am Berg zuhause ist, will er auch die gleiche Kinderbetreuung, die gleichen Schülertransporte und so weiter, und man hat auf die Strecke und auf die Person gesehen viel höhere Aufwendungen, weil einfach die Masse nicht gegeben ist, um die Dinge zu machen. (Bundesrat Schennach: Da haben wir eben das Stadt-Land-Flucht-Problem und eher höhere Kosten bei der Pflege!)

Da werden wir noch sehr intensive Gespräche führen.

In Summe, glaube ich, sind wir uns einig: Die Gemeinden sind die ersten Partner der Bürger, sie sind die erste Schnittstelle, dort, wo die Daseinsvorsorge zu funktionieren hat.

Ich glaube, wir stehen alle dafür, auch wir als Regierungsparteien, dass die Gemeinden eine stabile finanzielle Situation haben müssen. Es ist ein sehr komplexes Thema, das ganzheitlich zu diskutieren ist, aber ich glaube, dank einer nachhaltigen und auch vor­ausschauenden Politik hat man sich in Österreich nichts vorzuwerfen. Da spricht die Qualität der Kommunalpolitik für sich. Ich glaube, diese Politik ist in Ordnung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lindin­ger. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


15.14.22

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatsse­kretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Mühlwerth, ich mache jetzt gleich Ver­


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waltungsvereinfachung, denn es gibt einen Gemeindefinanzbericht, und daher bitte nicht das Finanzministerium, den Herrn Finanzminister oder den Herrn Staatssekretär damit zu befassen. Man sieht, dass du in der Kommunalpolitik nicht mitten drinnen bist und dich mit solchen Sachen beschäftigst. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth.)

Es gibt diesen Gemeindefinanzbericht, und es gibt einen Gemeindebund, einen Städte­bund und eine Kommunalkredit, die diesen Bericht gemeinsam herausgeben. Es ist ein umfassendes Werk und sehr aufschlussreich, was die Gemeindefinanzen angeht. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach. – Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und Grü­nen.)

Kollege Schennach, jetzt komme ich zu dir. Du hast von Unsinn gesprochen, dass Ge­meinderessorts getrennt sind, dass für eine ÖVP-Gemeinde ein eigener Landesrat zu­ständig ist und für SPÖ-Gemeinden ein eigener Landesrat zuständig ist. Das ist in Ober­österreich so, ich glaube, auch in der Steiermark. Die SPÖ hat in Oberösterreich sicher nicht angesucht, dass das Gemeinderessort geteilt wird. Das wurde von den Grünen mitgetragen. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf bei den Grünen.) Die­se Konstruktion hat also Rudi Anschober mit verursacht. (Bundesrat Schennach: Das war vorher schon!) – Nein! (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und Grünen.) – Nein! Erst unter der Ära von Rudi Anschober ist das geschehen.

Kollege Keuschnigg, ich verstehe schon, das Thema „interkommunale Zusammenar­beit“ soll man forcieren, aber mir wäre es weit wichtiger, wenn man die derzeit leerste­henden Industriehallen, von denen es gerade im ländlichen Raum sehr viele gibt, nützt. Wir brauchen keine neuen Betriebsbaugebiete, wir brauchen keine neuen Hallen zu bauen, sondern nützen wir die vorhandenen und füllen wir diese mit Arbeitskräften und mit Industrieanlagen und mit Maschinen, dann haben wir genügend Arbeit in den Re­gionen! (Bundesrat Schennach: Das ist richtig!) Das wäre eine Aufgabe, der wir uns widmen könnten. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Städte und Gemeinden sind besonders von der Wirt­schaftskrise betroffen. Gemeindeeinnahmen brechen ein und Pflichtausgaben explo­dieren. Die Kommunen können ihre Aufgaben im Sozial-, Gesundheits- und Freizeit­sektor nicht mehr erfüllen und brauchen Hilfe. – Wer wird das sagen? Der Städtebund? Der Gemeindebund? Der Finanzminister? – Nein, die Arbeiterkammer sagt das. (Bun­desrat Perhab: Ah!)

Warum? Warum nimmt sich die Arbeiterkammer dieses Problems an? – Die Arbeiter­kammer hat erkannt – das habe ich auch bei den Vorrednern gehört –, dass die größ­ten Investoren in den Regionen die Gemeinden sind. Die Arbeiterkammer hat gemein­sam mit dem WIFO eine Studie darüber herausgegeben, wie wirksam es wäre, die Ge­meinden zu unterstützen und in der Wirtschaftskrise ein Gemeindepaket zu schnüren.

Die Wirtschaftskrise hat zu einer Beschäftigungskrise geführt, und die Beschäftigungs­krise bringt wiederum das öffentliche Budget massiv ins Schwanken. Die Zahlen haben wir schon gehört. Die Kommunen können der Finanznot nicht ausweichen und kom­men auch unter die Räder. Das kann man bezeichnen, wie man will, etwa wie in der Dringlichen Anfrage, dass man „desaströs“ sagt, oder wie auch immer. (Zwischenrufe der Bundesräte Mühlwerth und Schennach.)

Seit Mitte des Jahres 2008 steigen die Arbeitslosenzahlen rasant an. Im März 2010 wa­ren österreichweit fast 355 000 Personen als arbeitslos gemeldet, in Schulungsmaß­nahmen oder auf der Suche nach einer Lehrstelle – was noch schlimmer ist, wenn Ju­gendliche keine Arbeit bekommen. Das ist der höchste Wert seit zehn Jahren!

Die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen. Das WIFO prognostiziert für 2011 eine Arbeits­losenquote von 8,1 Prozent. Es ist zu befürchten, dass sich die Arbeitslosigkeit dauer­haft auf hohem Niveau verfestigt.


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Die wirtschaftliche Lage erkennt man insbesondere anhand der Arbeitslosigkeit. Ich ha­be hier jetzt die Vergleichszahlen von Oberösterreich und Bund: Vom Februar 2009 bis zum Februar 2010 ist die Arbeitslosigkeit in Oberösterreich um 11,8 Prozent gestiegen, in Österreich um 3,7 Prozent – wir können nicht von einer Beruhigung am Arbeitsmarkt sprechen, denn sie steigt noch weiter an –, im Vergleich zum Februar 2008 in Öster­reich um 28,3 Prozent (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel), und in Oberösterreich ist die Arbeitslosigkeit in diesem Vergleichszeitraum um sage und schreibe 61,1 Pro­zent gestiegen. Das heißt, 312 000 Menschen sind ... (Bundesrat Kneifel: Aber die nied­rigste ... zumindest! Der niedrigste Stand aller Bundesländer! – Zwischenruf des Bun­desrates Stadler.) – Der niedrigste von der Quote her (neuerlicher Zwischenruf des Bun­desrates Kneifel), aber gestiegen.

Die Arbeitslosigkeit ist in Oberösterreich vom Bundesländervergleich her am stärksten gestiegen (Zwischenruf des Bundesrates Perhab), weil andere Bundesländer auch ein höheres Niveau in der Arbeitslosigkeit hatten. Das ... (Bundesrat Kneifel: Alle Bundes­länder, auch Oberösterreich!) In Wien ist die Arbeitslosigkeit nur um 10 Prozent gestie­gen, im Vergleich zu Oberösterreich mit 61,1 Prozent. Man sieht also, dass Maßnah­men in den Gemeinden vielleicht doch greifen. (Bundesrat Schennach: Kollege Kneifel macht eine tatsächliche Berichtigung! – Ruf: Kann er ja! – Zwischenruf des Bundesra­tes Stadler.) – Ja, nachher.

Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Beantwortung der Anfrage von einem „V“ und von einem „L“ in der Entwicklung der Ertragsanteile gesprochen. Leider sind wir derzeit auf dem Stand von 2002 und entwickeln uns noch ein wenig nach unten, und das wird ein Rückschlag sein, der uns um zehn Jahre zurückwirft.

Geschätzte Damen und Herren! Bei der Ausgabenentwicklung trifft es die Gemeinden ganz besonders: Die Aufgaben der Gemeinden in der Altenpflege und -betreuung, in der Jugendwohlfahrt, in der Spitalsfinanzierung haben eine dynamische Ausgabenent­wicklung zur Folge. Die Ausgabenentwicklung ist aber nicht das eigentliche Problem der Gemeinden, sondern die Tatsache, dass sich die notwendigen und teilweise extra dafür vorgesehenen Einnahmen nicht in einem entsprechenden Ausmaß entwickeln – das sind die Ertragsanteile und zum Beispiel auch das Pflegegeld. In den letzten 15 Jah­ren ist das Pflegegeld nur drei Mal valorisiert worden, und das zehrt an den Finanzen im Sozialressort, im Sozialbereich, im Bereich der Altenheime. Das heißt, wir haben hier Nachholbedarf! (Bundesrat Perhab: Das kostet eh nur dreitausend... €!)

Wir haben uns die Mühe gemacht, die verschiedenen Umlagen, Abgaben, Beiträge der Gemeinden in Österreich einmal zu durchleuchten, und da gibt es in den neun Bundes­ländern unterschiedlichste Umlagen:

Die Landesumlage kennen wir – in Niederösterreich kennt man diese Umlage nicht. Sie liegt in Österreich im Durchschnitt bei 7,6 Prozent.

Die Sozialhilfeumlage ist jene Umlage, die der Bezirk wiederum an das Land bezahlt. Das sind in Oberösterreich die Sozialhilfebeiträge, wobei hier Sätze von bis zu 30 Pro­zent der Finanzkraft schon normal sind, obwohl das in Oberösterreich mit 25 Prozent gedeckelt ist – aber es werden dann auch 30 Prozent eingehoben.

Es gibt die Krankenanstaltenbeiträge. In Kärnten und Vorarlberg, glaube ich, gibt es noch Schulbaufonds. Dann gibt es die Beiträge an den Verkehrsverbund, die Beiträge für die Erhaltung der Berufsschulen, den Rettungsbeitrag, den Beitrag für den Betrieb des Not­arztwagens. (Bundesrat Kainz: In Niederösterreich nicht!) – Ich sage ja, es gibt unter­schiedliche Beiträge in verschiedenen Bundesländern.

Es gibt den Musikschulbeitrag für die Erhaltung der Musikschulen insgesamt. In Kärnten gibt es noch einen Beitrag für das Medienzentrum. Dann gibt es die Jugendwohlfahrts­


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umlage in Niederösterreich, die Beiträge an den Bezirksabfallverband gemäß § 34 Ab­fallwirtschaftsgesetz, den Wohnbaufonds in Vorarlberg, den Beitrag für die Tierkörper­verwertung, in Oberösterreich gibt es den Beitrag für den Winterdienst auf Landesstra­ßen mit 600 € pro Kilometer, den Feuerwehrbeitrag – die Erhaltung der Feuerwehren obliegt insbesondere den Gemeinden, aber es gibt den Feuerwehrbeitrag an den Be­zirk –, den Zivilschutzbeitrag, den Pensionsaufwand für die Gemeindeärzte, den Unfall­fürsorgefonds der oberösterreichischen Gemeinden – wahrscheinlich gibt es den auch in anderen Bundesländern –, Beiträge für die Erhaltung der Schulen, der Kindergärten, der Horte, Krabbelstuben, Eltern-Kind-Zentren – die verstärkt errichtet werden, um El­tern bei der Erziehung zu unterstützen –, die Jugendzentren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Katalog der Ausgaben ist nicht vollständig (Bun­desrat Kainz: Bei Weitem nicht!), sondern nur ein kleiner Auszug der größeren Bro­cken, wie man so schön sagt.

Und die Steuerverteilung ist ja so: der Bund bekommt 67,8 Prozent, die Länder 20,5 Pro­zent und die Gemeinden 11,7 Prozent. Eine Milliarde mehr an Steuereinnahmen be­deutet zum Beispiel allein für unser Bundesland Oberösterreich 17 Millionen € mehr an Ertragsanteilen für die oberösterreichischen Gemeinden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei den Einnahmen der Gemeinden ist es schon an­ders: Die Gemeinden haben 40 Prozent Ertragsanteile. Davon „leben“ sie, denn gemein­deeigene Steuern sind nur 22 Prozent, weil ja – darüber gab es in der letzten Sitzung des Bundesrates auch eine Debatte – die Getränkesteuer abgeschafft wurde. Noch ein­mal: 22 Prozent gemeindeeigene Steuern und sonstige Einnahmen, Gebühren 38 Pro­zent. – Sie sehen, die Verteilung fällt nicht zugunsten der Gemeinden aus, aber auch aufgrund der Belastungen fehlt den Gemeinden das Geld, um die Schulden tilgen zu können.

Zu den Gemeindeschulden: 77 Prozent der Gemeindeschulden basieren auf Wasserlei­tungs- und Kanalbau, 23 Prozent sind nur normal verzinsten Darlehen, die für Investi­tionen, Zwischenfinanzierungen, Vorfinanzierungen von den Gemeinden verwendet wer­den. – Würden wir die Gemeinden um den Schuldenstand der anderen Bereiche ent­lasten, hätten sie um 23 Prozent – und das ist ein sehr, sehr großer Anteil der Schul­den – weniger Schulden zu tilgen und dementsprechend mehr Geld in ihren ordent­lichen Haushalten zur Verfügung.

Sie sehen also: Weniger Wirtschaftsleistung in den Betrieben führt zu Rückgängen bei den Steuereinnahmen. Mit Mindereinnahmen des Bundes von rund 5 Milliarden € wird gerechnet. Dann heißt es: So, der Staat muss sparen! – Das ist die häufigste Progno­se.

Aber eine rigorose Budgetkonsolidierung hemmt Wachstum und Beschäftigung! Sparen in der Rezession würgt die Konjunktur ab und belastet die öffentlichen Haushalte noch mehr. – Ein zweites Konjunkturpaket würde den Aufschwung bewirken, und die öffent­liche Haushalte könnten sich mittelfristig konsolidieren, aber ohne drohenden Konjunk­tureinbruch und hoher Arbeitslosigkeit.

Die Gemeinden stehen vor einer Krise, und diese Krise können sie nur bewältigen, wenn nicht allgemein höhere Steuern eingeführt werden, sondern auch Einsparungen getrof­fen werden. Diesbezüglich hat es schon sehr viele Vorschläge gegeben, und daran wird auch in den Gemeinden ständig gearbeitet, aber die Pflicht- und Fixausgaben der Ge­meinden betragen oft schon mehr als 90 Prozent, sodass nur sehr wenig übrig bleibt, wo man einsparen kann.

Aber zurück zur Wirtschaft: Österreichs Gemeinden investieren im Jahr mehr als 2 Mil­liarden € und sind damit zusammen der größte öffentliche Investor. In den Jahren 2003


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bis 2009 haben allein Oberösterreichs Gemeinden fast 6 000 Projekte mit einem Inves­titionsvolumen von mehr als 3,8 Milliarden € umgesetzt. Damit ist jetzt Schluss, weil der Großteil der Bedarfszuweisungen nur mehr zum Ausgleich des ordentlichen Haushal­tes verwendet werden kann.

Noch gestern hat der Städtebund im Rahmen einer Presseaussendung – weil der Bud­getausschuss im Parlament das Bundesfinanzrahmengesetz beraten hat und dieses im Nationalrat beschlossen werden wird – auf Folgendes aufmerksam gemacht: „800 Mil­lionen Euro sollen demnach bei Ländern und Gemeinden eingespart werden.

,Angesichts der prekären Situation der meisten österreichischen Städte und Gemeinden ist es völlig unmöglich, dieses Sparvorhaben zu erfüllen,‘“ sagt der Städtebund und geht diesbezüglich auch mit dem Gemeindebund konform.

Der Städtebund fordert ein Städtepaket oder ein Gemeindepaket des Bundes „(analog zum Bankenpaket), um ein versorgungs- und konjunkturpolitisch unbedingt notwendiges Kommunales Investitionsprogramm (KIP) zu finanzieren, insbesondere zur Stärkung der Liquidität durch günstige Zwischenfinanzierungen.“

In der Altenpflege – wir hatten heute Vormittag schon eine Debatte mit Bundesminister Hundstorfer über die Herausforderungen in der Altenpflege und im Pflegebereich im Rahmen der Aktuellen Stunde – gibt es besondere Herausforderungen, weil jene Grup­pe der Menschen, die zwischen 60 und 80 Jahre alt sind, wächst – und bis 2030 sind dann die jetzt 60-Jährigen auch schon 80, das betrifft auch sehr viele von uns hier. (Bun­desrat Konecny: Ja?!) Das heißt, die Bevölkerung wird älter und es gibt einen höheren Bedarf an Pflegeplätzen und an Altenheimplätzen, einen Erweiterungsbedarf.

Allein in Oberösterreich werden um die 2 900 Wohnplätze notwendig sein, aber das ist auch eine Chance für den Arbeitsmarkt, denn man braucht dafür auch entsprechende Arbeits- und Pflegekräfte – das werden geschätzt 1 360 Pflegekräfte sein. Deswegen ist es auch notwendig, dass wir rechtzeitig mit der Ausbildung und einer Beschäftigungs­offensive in diesem Bereich beginnen.

Geschätzte Damen und Herren! Wie kann man so etwas langfristig finanzieren? – In Ös­terreich gibt es 1 Prozent der Bevölkerung, das 37 Prozent des Vermögens, 944 Milliar­den € besitzt. Das ist keine Studie, die irgendwo hergezaubert wurde (Bundesrat Perhab: Arbeiterkammer! Arbeiterkammer!), das ist der „Bericht über die soziale Lage 2003 –2004“ des Sozialministeriums! Dieses 1 Prozent der Reichen und die nächsten 2 bis 10 Prozent, die das nächste Drittel des Vermögens in Österreich in ihrem Eigentum ha­ben, werden wahrscheinlich gefordert sein, auch ihren Beitrag zu leisten.

Geschätzter Herr Staatssekretär! Wir werden mit diesem Paket auch Folgendes ein­bringen: Besteuerung der Spekulationsgewinne bei Aktien, das würde 200 Millionen € einbringen; Abschaffung der Privilegien bei Privatstiftungen, 750 Millionen € (Zwischen­ruf des Bundesrates Dr. Kühnel); Vermögensteuer bei über 1 Million €, das würde 3 Milliarden € einbringen; eine Bankenabgabe, die 500 Millionen € einbringt; eine Fi­nanztransaktionssteuer, die 1,7 Milliarden € einbringt; und eine Besteuerung bei Grund­stücksspekulationen würde weitere 200 Millionen € einbringen. – All das, und die Ge­meinden wären ihre finanziellen Sorgen los! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

15.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Michal­ke. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.34.53

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Um die Zuhörerschaft jetzt nicht noch länger zu stra­


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pazieren: Es gibt Zeitschriften wie die „Österreichische Bürgermeister-Zeitung, verei­nigt mit Österreich Kommunal", darin sind all diese Zahlen, all diese Artikel wunderbar nachzulesen. Ich möchte das hier jetzt also nicht noch einmal – zum dritten und vierten Mal – wiederholen.

Um nur noch einmal den Griechenlandbezug herzustellen: Das ist nicht von meiner Kol­legin Mühlwerth allein gesagt worden, sondern auch ein Herr Bürgermeister Dworak hat Folgendes gemeint: „,Die Republik Österreich übernimmt ein Darlehen für Griechen­land im Ausmaß von 900 Millionen Euro,“ – die jetzt bereits überholt sind – „da muss auch Geld für die Gemeinden da sein“. – Das ist da einfach dargelegt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte kurz auf den Hinweis des Herrn Staatssekretärs zu sprechen kommen, was die ganze Debatte auf Vorarlberg heruntergebrochen bedeutet, zum Beispiel im Rech­nungsabschluss – obwohl wir ja scheinbar noch recht gut dastehen –: Laut Rechnungs­abschluss 2008 konnten elf von 96 Gemeinden ihre Ausgaben nicht mehr durch die Einnahmen im ordentlichen Haushalt decken, laut Voranschlag 2009 waren dies bereits 24 Gemeinden, und 2010 sind es schon 36 Gemeinden. Das sind 40 Prozent der Vor­arlberger Gemeinden, die die laufenden Ausgaben nicht mehr mit den Einnahmen be­decken können!

Zum Thema Ausgaben beispielsweise, wie bereits angesprochen, die Kinderbetreuung: Es gibt den freien Zugang für die Fünfjährigen in die Kindergärten, was nur noch mit einer Anlauffinanzierung des Bundes abgesichert ist, die jedoch nach vier Jahren auf­hört. Das heißt, alle anderen Investitionen und alle anderen Kosten haben natürlich die Gemeinden zu tragen.

Nach der Einführung des flächendeckenden Gratiskindergartens und zum Beispiel dem verpflichtenden letzten Kindergartenjahr ist mit einer Kostensteigerung um 50 Prozent zu rechnen. Es wird davon ausgegangen, dass die Gemeinden im Jahr 2009 durch die­se zusätzlichen Angebote rund 1,5 Milliarden € nur für die Kinderbetreuung aufwenden müssen.

Es gilt also zu überlegen, ob tatsächlich alle Angebote in wirtschaftlich schwierigen Zei­ten, die wir im Moment alle erleben, gratis sein können – diese Überlegung muss tat­sächlich erlaubt sein! Ein paar Bundesländer haben das auch bereits angedacht und stellen tatsächlich in Frage, ob die Gratiskindergärten aufrechterhalten werden können. In Kärnten, glaube ich, überlegt man sogar, sie wieder abzuschaffen, und in Salzburg ist man der Meinung, dass das unter Umständen nicht kommen wird, weil es nicht fi­nanziert werden kann.

Ich meine aber, es müssen auch endlich die vielfältigen Verflechtungen aufgelöst wer­den, Zwei-, Dreifachtätigkeiten, verbunden mit Transferleistungen von Gemeinden, Län­dern und Bund. Jene Gebietskörperschaft, die eine Aufgabe am besten erledigen kann, sollte diese auch in ihre Verantwortung übertragen bekommen und selbständige Ent­scheidungen treffen können. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich föderale Strukturen durch mehr Transparenz, Effizienz und Bürgernähe auszeichnen, und die Staats- und Verwaltungsreform muss sich daher an föderalistischen Gesichtspunkten orientieren.

Ich glaube, das Verursacherprinzip muss wieder gelten. Wer anschafft oder bestellt, der bezahlt auch.

Neben all diesen Ansatzpunkten – Sie selbst haben gesagt, dass die Länder das eigent­lich am besten können und die Länder sehr viel mehr Kompetenz erhalten sollten – ha­ben zum Beispiel die Vorarlberger Bundesräte unter der Federführung von Magnus Brun­ner diversen Bundesministern dezidierte Vorschläge unterbreitet.

Das waren oder wären schöne Vorstöße gewesen, indem ein Land selbst Alternativen aufzeigt und nicht immer nur als Neinsager dasteht, denn wenn von Bundesministerien


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Vorschläge gemacht werden, verfolgen diese ja meistens eher zentralistische Interes­sen, aber leider Gottes haben wir zum Beispiel im Bereich von Minister Berlakovich, als es um Vorschläge im Bereich Wildbach- und Lawinenverbauung gegangen wäre, sofort eine Ablehnung erhalten. Dabei wäre es gerade dort günstig gewesen, da in Katastro­phenfällen insbesondere das betroffene Land die Aufgaben sicher am besten, schnells­ten und unbürokratischsten erledigen könnte – aber leider ist gerade hinsichtlich dieser guten Vorschläge vom ÖVP-Landwirtschaftsminister Berlakovich eine klare Absage ge­kommen.

Heute haben wir scheinbar schon die zweite Absage, diesmal von Sozialminister Hunds­torfer, erhalten, der ebenfalls gegen eine Verländerung ist – und ich bekomme gerade aus der Entfernung mitgeteilt, dass die dritte Absage auch schon gekommen ist.

Das, meine ich, sind gute Vorschläge, die sehr wohl aus den Ländern kommen. Wir könnten eigentlich davon profitieren, dass diese Minister tatsächlich die Kompetenzen an die Länder abgeben, denn vielleicht ist dadurch Transparenz eher gegeben. Genau in diesen Bereichen erleiden wir jetzt, sofort nach den ersten zaghaften Versuchen, schon eine Absage. Das ist eigentlich schade.

Dies wäre vielleicht eine Überlegung wert, wie es in Zukunft besser weitergehen könn­te. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Mitterer und Zwanziger.  Bun­desrätin Mühlwerth: Da kann er seine Kollegen überzeugen!)

15.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kersch­baum. Ich erteile ihr dieses.

 


15.40.49

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon sehr viel gesagt worden. (Ja-Rufe und Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich möchte nichts wie­derholen, nur kurz erläutern: Ich komme aus einer Gemeinde in Niederösterreich, bei uns waren vor Kurzem Gemeinderatswahlen. (Bundesrat Perhab: Wie sind sie ausge­gangen?) Nach diesen Gemeinderatswahlen gibt es jetzt – insbesondere in meiner Hei­matgemeinde – einen politischen Wechsel von links nach rechts. (Bundesrat Dr. Küh­nel: ... deswegen hat es diesen Wechsel gegeben!) Also, rechts – ÖVP. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Okay, von der SPÖ zur ÖVP. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Kurzum: Im Zuge dieses Wechsels wurde natürlich auch unserer Gemeinde ein Check übermittelt, es wurden vom Land Informationen darüber angefordert, wie viel Geld wir noch haben. (Bundesrat Perhab: Kassasturz!) Wir erkennen jeden Tag, dass uns viel­leicht doch noch 1 Million € mehr fehlen könnte in den nächsten Jahren – sprich, es gibt einfach überhaupt keinen Freiraum mehr. Es hat aber nicht die SPÖ allzu viel ver­spielen müssen, und wir haben in den letzten Jahren keine großartigen Projekte umge­setzt, dass wir in diese Situation gekommen sind.

Es reicht, dass wir ein Spital haben, das wir zwar dem Land übergeben haben, für das wir aber trotzdem nach wie vor so viel bezahlen wie vorher. Es reicht, dass wir in letz­ter Zeit auch für den öffentlichen Verkehr zumindest mit aufkommen müssen, weil alle neuen Projekte und alles, was im Bereich öffentlicher Verkehr getan wird, nur mit Ko­finanzierung gemacht wird. Zum Teil gibt es die Kofinanzierung ja auch schon bei Lan­desstraßen und Autobahnabfahrten, beim Lärmschutz und bei der Sozialhilfe.

In der Jugendwohlfahrt muss man sowieso zahlen. Das Jugendzentrum müssen wir ganz allein zahlen, da gibt es vom Land keine Unterstützung in irgendeiner Weise. Man kann natürlich sagen, dass das ein Prestigeprojekt ist, aber ich denke, in einer Stadt mit


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12 000 Einwohnern ist ein Jugendzentrum dringend notwendig, weil man sonst später Probleme hat.

Wenn wir – was ja schön wäre und ich mir wünschen würde – in Korneuburg beim Kli­maschutz ein bisschen aktiver werden würden, dann müssten wir das auch finanzieren. Klimaschutz kann natürlich in erster Linie über die Gemeinden funktionieren, die Um­setzung der Maßnahmen, aber das geht nur dann, wenn man Geld hat, damit man ko­finanzieren kann. Das Land zahlt 20, 30 oder 40 Prozent, vielleicht bekommt man vom Bund ein bisschen Geld, aber letztendlich muss man mindestens 50 Prozent selbst be­zahlen können, und das ist Gemeinden, die kein Geld haben, einfach nicht möglich.

Worauf ich hinaus möchte: Es wird immer vom Sparen geredet. Als Gemeinde kann ich im Bereich der Energiekosten sparen – das wäre schön, das braucht Investitionen. Ich kann beim Personal sparen, womit ich mich allerdings ein bisschen schwer tue, weil ich dann Leistungen, die ich erbringen muss, nicht mehr erbringen kann.

Wo soll ich dann noch sparen? – Ich kann dann nur noch im sogenannten außerordent­lichen Haushalt sparen, bei den Investitionen. Da haben wir aber schon in den letzten Jahren sehr viel gespart, und in letzter Zeit ufert eher der ordentliche Haushalt aus, und es wird nichts mehr investiert. Die Kosten im ordentlichen, im laufenden Budget steigen derart an, dass wir nichts mehr investieren können, und das ist eine Abwärtsspirale, die man aufhalten muss.

Sie haben natürlich recht, dass im Prinzip die Länder dafür zuständig wären, dass wir Vergleichsdaten von den Ländern anfordern und auch bekommen könnten. Ich denke aber, dass der Bund schon die Möglichkeit hätte – gerade im Rahmen des Finanzaus­gleichs, gerade im Rahmen von diversen Artikel-15a-Vereinbarungen –, einzugreifen. Ich denke noch immer mit Horror an die Mineralölsteuererhöhung, die den Ländern und den Gemeinden sehr viel Geld für den öffentlichen Verkehr bringen sollte. Die Gemein­den haben kein Geld für den öffentlichen Verkehr bekommen. Wo hat der Bund die Mög­lichkeit, einzuhaken und zu kontrollieren, wohin das Geld fließt?

In diesem Punkt würde ich mir vom Bund schon wünschen, dass er einfordert, dass die unterschiedlichen Regelungen in den Ländern nicht Selbstzweck sind, sondern dazu die­nen, dass man die bestmögliche Variante herausfindet. Ich würde den Bund auffordern, von den Ländern mehr einzufordern. Nur zu sagen, das ist alles Ländersache, das geht uns nichts an, ist zu wenig. Die Gemeinden sind in vielen Dingen zuständig, wenn es ihnen gut geht, dann geht es auch dem Bund besser.

Tatsache ist jedenfalls, dass die negative Finanzspitze im Jahr 2010 mit 289 Millionen € ziemlich sicher ist, dass die Ertragsanteile in den letzten Jahren gesunken sind und dass die Ansprüche an die Gemeinden steigen. Insofern möchte ich mich schon Kollegin Mühlwerth – obwohl nicht oft – anschließen: Es sind schon so viele Pakete geschnürt worden, und ein Paket für die Gemeinden, um da wieder einmal ein bisschen Dampf rauszulassen und die Gemeinden grundsätzlich zu sanieren, das wäre schon dringend notwendig. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

15.45


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Podgor­schek. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.45.51

Bundesrat Elmar Podgorschek (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich könnte jetzt natürlich eine Drohung wahr machen und die Re­de, die ich vor zwei Monaten gehalten habe, noch einmal halten, weil ich im Grunde genommen genau dieses Thema schon einmal angeschnitten habe – und ich wurde sei­nerzeit belächelt. Ich werde mich ... (Bundesrat Mag. Klug: Da können wir es ganz kurz


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machen! Bundesrat Schennach: Mit einem Protokollverweis! Bundesrat Mag. Klug: Genau, Protokollverweis!) – Nur ein Protokollverweis, dann ginge es schneller.

Ich muss ganz offen und ehrlich sagen: Damals wurde ich noch etwas belächelt, aber wie man sieht, war ich vielleicht der Zeit schon etwas voraus.

Herr Staatssekretär, ich muss Ihnen recht geben: Es ist nicht nur der Bund gefordert, sondern vor allem auch die Länder. In einem anderen Punkt gebe ich Ihnen nicht recht, weil ich durchaus der Meinung bin, dass die Lage der Gemeinden teilweise – sagen wir: teilweise – desaströs ist.

Es bedarf wirklich einer enormen Kraftanstrengung der Gemeinden selbst und auch der Länder. Ich möchte jetzt nur noch auf einige Beispiele hinweisen. Zum Beispiel haben wir – und da sind wir nicht die Einzigen – schon viele Dinge ausgegliedert. Ich weiß, wir wollten damit die Maastricht-Kriterien umgehen, aber was noch dazukommt, ist, dass wir dadurch natürlich auch die Möglichkeit haben, uns die Mehrwertsteuer zu ersparen, weil wir dadurch vorsteuerabzugsberechtigt sind, was ja dem Bund letzten Endes wie­der fehlt. Die Gemeinden lügen sich damit ja mehr oder weniger in die eigene Tasche. Mit diesem Unfug muss man früher oder später wahrscheinlich aufhören, weil es ja im Grunde genommen ebenso ein Schuldenstand ist.

Ich verweise jetzt nur noch auf meinen Bezirk beziehungsweise auf meine Gemeinde, weil meine Gemeinde und meine Stadt – die Stadt Ried im Innkreis – immerhin die fünftreichste Gemeinde in Oberösterreich ist und dennoch das Budget praktisch nicht mehr bedecken kann. Wir sind derzeit noch besser als im Fußball – wir haben leider zweimal gegen Sturm Graz verloren. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Lo­patka.Ich weiß, ich habe Sie beim Cup-Spiel gesehen.

Wir sind, wenigstens was die Gemeindefinanzen anlangt, noch ganz gut, aber trotzdem haben wir eine 80-prozentige Ausgabensperre verhängen müssen.

Wir haben ein Hallenbad, das 30 Jahre alt ist, und für das die Sozialdemokraten ganz massiv einen Neubau fordern. Wir können uns das nicht mehr leisten. Wir sind aber verpflichtet, das Hallenbad zu betreiben, damit die Schulen – Ried ist eine Schulstadt – dort ihren Unterricht durchführen können. (Bundesrat Schennach: Wie weit ist das nächste Hallenbad entfernt?) – Das nächste Hallenbad ist – wir haben uns das ausge­rechnet – nicht so weit weg, und wenn wir einen Pendelbus installieren würden, dann käme uns das wahrscheinlich billiger. (Bundesrat Schennach: Das wäre billiger!)

Es kann nicht eine ganze Region benachteiligt werden – die Region Innviertel –, dass sie kein Hallenbad mehr hat. Wir werden nach wie vor ein Notprogramm aufrechter­halten. Das Hallenbad wird nach wie vor genützt werden können, und wir werden halt ein bisschen bescheidener auftreten müssen. Wir haben das Budget erst Mitte April zu­stande gebracht.

Wir haben zum Beispiel in unserem Bezirk 36 Gemeinden. Und ich sage es noch ein­mal: Als der Präsident der Industriellenvereinigung ein bisschen provokant gesagt hat, man solle darüber nachdenken, ob man von den 444 Gemeinden vielleicht einen Teil zusammenlegt, war der erste Reflex von fast allen: Geht nicht, nicht möglich, dadurch zerstört man Strukturen!

Ich weiß, es wird nicht leicht sein, aber dennoch werden wir diesen Schnitt früher oder später einmal machen müssen. Andere Bundesländer haben es auch geschafft.

Auch in Richtung Arbeiterkammer: Vorgestern war ich bei einem Kongress zum The­ma „Gemeinden in der Krise“, den die Arbeiterkammer organisiert hat. Das war eine hoch interessante Veranstaltung, und dort haben dann auch die zuständigen  (Bun­desrat Stadler: Am Montag!) – In Linz. (Bundesrat Stadler: Ja, aber am Montag!) Am Montag, ja.


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Da waren unter anderem auch beide Referenten anwesend, schön brav aufgeteilt, je­der vertritt ja seinen Bereich, wie Herr Kollege Schennach das schon gesagt hat (Bun­desrat Schennach: Genau!) – beziehungsweise ist er ja dann angegriffen worden. Er hat darauf hingewiesen, dass wir uns zwei Landesräte leisten, und jeder davon ist für „seine“ Gemeinden zuständig, nicht?

Bei diesem Anlass waren jedenfalls beide gemeinsam vertreten und haben natürlich auch darauf hingewiesen, wie schlecht es den Gemeinden geht. Aber ich habe nichts darüber gehört – und das tut mir einfach leid –, wie man dann auch die Strukturen an­gehen kann. Es ist eigentlich immer nur darüber gesprochen worden, wo man noch zu­sätzlich Einnahmen lukrieren kann.

Ich gebe Ihnen vollkommen recht, es wird ohne zusätzliche Einnahmen nicht mehr ge­hen, aber man muss einfach einmal so weit kommen, dass man auch darüber nach­denkt, Strukturen zu verändern. Ich kann jetzt nicht sagen, da oder dort gehört einge­spart. Ich weiß nur, dass wir wahrscheinlich eine Verwaltungsebene zu viel haben. Wel­che beziehungsweise wie die Aufgabenteilung in Zukunft aussehen soll, das wird noch intensiver Beratungen bedürfen. Das ist mir ganz klar.

Es muss aber, so glaube ich, im Sinne aller hier Anwesenden sein, dass die Gemeinden, die, wie schon gesagt wurde, ein wichtiger Träger der Wirtschaft sind und Arbeitsplätze sichern, auch in Zukunft überleben können. (Beifall bei FPÖ und Grünen sowie der Bun­desräte Mitterer und Zwanziger.)

15.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg. – Bitte.

 


15.51.30

Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle­gen! Ich trete jetzt nicht deshalb hier ans Rednerpult, um noch weitere Steuererhö­hungsvorschläge zu machen (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), sondern ich möchte nur einige Worte zu diesem Thema sagen. Ich glaube – und das ist heute schon gesagt worden –, Gemeinden sind wichtig. Sie sind die Keimzellen unserer Gesellschaft. Das Einzige, was gefährlich wäre, ist, wenn man vor Aufgabenreformen, Strukturrefor­men und vernünftigen Verbesserungen in der Verwaltung über Steuererhöhungen nach­denkt.

Lieber Kollege Lindinger, es war eine nette Milliardenrechnung von dir, aber es ist ei­gentlich ein Blödsinn. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. Bundesrat Schennach: Und war die erste Demokratisierung in der Monarchie! Das solltest du gerade wissen! Hei­terkeit.)

Ich glaube auch, lieber Stefan, dass dein Vorschlag, wenn ich dich richtig verstanden habe, die Grundherrschaften wieder einzuführen oder nur darüber nachzudenken, auch nicht der richtige Weg ist. Das gebe ich auch ganz offen zu. (Zwischenruf des Bundes­rates Schennach.)

Aber ich bin jetzt eigentlich ans Rednerpult getreten, weil ich mich verabschieden möch­te und nach sechseinhalb Jahren in diesem Haus nach Oberösterreich zurückkehre. Ich wollte mich nicht so quasi durch die Hintertüre hinausschleichen, sondern ich möch­te mich bei Ihnen, bei euch allen verabschieden.

Diese Verabschiedung soll auch nicht ohne eine Einladung erfolgen, und diese liegt auf der Hand: In meiner Heimatgemeinde findet heuer die Oberösterreichische Landesaus­stellung statt; sie läuft schon und dauert bis 7. November an.


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Sie hat ein interessantes Thema, das man auch in irgendeiner Form mit unserem Haus, mit unserem Bundesrat in Verbindung bringen kann, und zwar: Renaissance und Re­formation.

Jetzt werden Sie vielleicht sagen, der Bundesrat ist doch „etwas“ später eingeführt wor­den. Wenn man diese Ausstellung aber anschaut und sieht, wie die Renaissance als Aufbruchszeit in der Reformation und dann der Gegenreformation mündete, die letzt­lich mit dem Niederschlagen der Stände im Jahr 1620 in der Schlacht am Weißen Berg eine 300-jährige Geschichte eines scharfen Zentralstaats begründete, dann werden Sie vielleicht verstehen, worauf ich hinaus will.

Mit dem Ende der Selbständigkeit der Stände war ja faktisch der föderale Staat – die föderalen Erblande Österreichs – beendet. Erst die Kelsen-Verfassung hat diesen Fö­deralismus wiederhergestellt und dieses Haus hier, den Bundesrat, geschaffen. Deshalb erlaube ich mir, Sie alle sehr herzlich zu dieser Ausstellung einzuladen, weil ich glaube, dass diese Ausstellung auch zeigt, welche Wichtigkeit und welchen Wert der Föderalis­mus an sich hat.

Ich würde mich also freuen, wenn Sie, wenn ihr möglichst zahlreich dieser Einladung Folge leistet.

Ich möchte auch zum Bundesrat ein paar Worte sagen. Das ist jetzt durch die Länge der Debatte fast schon wieder in Vergessenheit geraten: Der Bundesrat erfährt durch seine neue Kompetenz im Europäischen Recht eine massive – und, wie ich glaube, ei­ne wichtige – Aufwertung.

Bei allen Diskussionen über das Wie und das Was, die heute auch in Bezug auf die Gemeinden geführt worden sind, sollten wir diesen Schatz des Föderalismus weitertra­gen und sollten wir das Subsidiaritätsprinzip wirklich ernst nehmen. Ich glaube, da lie­gen die Benefits eigentlich verborgen, und dann wird man auch eine lebenswerte Gesell­schaft, in der wir uns frei bewegen können, weiter erhalten.

Es mag zwar heute die Rede von großer finanzieller Knappheit sein, aber ich glaube, das ist nicht alles. Es geht auch um die Lebensqualität in diesem Land. Es geht um die Qualität der Gesellschaft und des Sozialstaates.

Zum Abschied möchte ich auch etwas ganz Besonderes erwähnen: Ich danke für diese sechseinhalb Jahre freundschaftliches, ehrerbietiges Miteinander. Ich glaube nämlich, dass der Bundesrat wirklich eine Besonderheit ist – ganz über Parteigrenzen hinweg. Ich habe in diesen Jahren einige Konstellationen von Koalitionen und Oppositionen erlebt, aber letzten Endes sind hier 62 Menschen, die es auf ihrem Weg ernst meinen, die sich für die Gesellschaft einsetzen und die sich auch untereinander – zumindest zum ganz, ganz großen Teil – „riechen“ können.

Ich glaube, das ist wertvoll – wertvoll für die ganze Gesellschaft. Ich glaube, dieses Haus ist es wert, dass man darum kämpft – und das wünsche ich insbesondere den Frak­tionsführern und den Präsidenten –, diesem Bundesrat die Stellung in der Gesellschaft und in dem parlamentarischen System unseres Landes zu erhalten, die er verdient.

Ich glaube, da sind wir uns alle einig, dass wir gemeinsam diesen Weg gehen wollen. Ich danke jedem Einzelnen hier für persönliche Sympathie, für Freundschaften, für Zweckgemeinschaften, und ich danke wirklich dafür, dass hier eigentlich schon immer das Gemeinsame über das Trennende gestellt wurde und dass man schon davon re­den kann, dass in diesen letzten Jahren hier im Bundesrat auch einige Sternstunden des Parlamentarismus stattgefunden haben.

Das macht es mir fast schwer, Abschied zu nehmen, aber ich hoffe, dass dieser Kon­takt zu Ihnen allen nicht abreißen wird, und, wie gesagt, ich wünsche mir, dass mög­


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lichst viele von euch zur Landesausstellung ins Schloss Parz kommen. Da könnten wir in einem sehr angenehmen Ambiente weiter über diese Dinge reden und vielleicht so manche gute Idee auch für den Bundesrat dieser Republik haben. – Danke und alles Gute! (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

15.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Lieber Georg Spiegelfeld-Schneeburg, ich darf dir persönlich und im Namen des Bundesrates sehr herzlich für deine Beiträge in den letz­ten Jahren, insbesondere im Bereich der Außen- und Kulturpolitik, danken.

Du hast ja eine sehr würdige Abschiedsrede gehalten. Ich bedanke mich auch sehr herz­lich für diese kumulative Einladung und denke, sagen zu können, dass ich dir in unser aller Namen alles erdenklich Gute wünsche. – Herzlichen Dank und ad multos annos! (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. (Schade-Rufe und Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich schließe aus der Heiterkeit, dass das nicht der Fall ist.

Die Debatte ist geschlossen.

Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt acht Anfragen, 2750/J-BR/2010 bis 2757/J-BR/2010, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Mittwoch, der 2. Juni 2010, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen wie immer jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchs- be­ziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 1. Juni 2010, ab 14 Uhr vorgese­hen.

Ich wünsche eine gute Heimfahrt.

Die Sitzung ist geschlossen.

16.00.53Schluss der Sitzung: 16.01 Uhr

 

 

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