Stenographisches Protokoll

14. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 21. März 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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14. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 21. März 1996

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 21. März 1996: 9.02 – 20.09 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996 samt Anlagen

2. Punkt: Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1997 samt Anlagen

3. Punkt: Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Estland andererseits samt Anhängen und Protokollen

4. Punkt: Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Litauen andererseits samt Anhängen und Protokollen

5. Punkt: Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Lettland andererseits samt Anhängen und Protokollen

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 7

Ordnungsruf 104

Geschäftsbehandlung

Vorschlag des Präsidenten des Nationalrates, dem Budgetausschuß zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage 72 der Beilagen (Strukturanpassungsgesetz 1996) gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 15. April 1996 zu setzen 8

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 2 GOG 8

Redner:


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14. Sitzung / Seite 2

Mag. Dr. Heide Schmidt 100

Dr. Peter Kostelka 101

Dr. Andreas Khol 102

Dr. Jörg Haider 103

Ing. Monika Langthaler 105

Annahme des Vorschlages betreffend Fristsetzung 106

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 8

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Reihenfolge der Redner (im Zusammenhang mit der Rede des Abgeordneten Dr. Jörg Haider) 104

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Johann-Ewald Stadler betreffend Rede des Abgeordneten Dr. Jörg Haider sowie Erteilung von Ordnungsrufen (im Zusammenhang mit der Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer) 104

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer zur Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Johann-Ewald Stadler betreffend Erteilung von Ordnungsrufen 104

Unterbrechung der Sitzung 105

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 7

Ausschüsse

Zuweisungen 7, 149

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996 samt Anlagen (70 und Zu 70 d. B.)

2. Punkt: Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1997 samt Anlagen (71 und Zu 71 d. B.)

Redner:

Dr. Ewald Nowotny 9

Mag. Dr. Josef Höchtl 12

Mag. Gilbert Trattner 15

Dr. Hans Peter Haselsteiner 24

Mag. Dr. Madeleine Petrovic 32

Rudolf Nürnberger 38

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 41

Dr. Jörg Haider 43

Mag. Helmut Peter 50

Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen 53

Bundesminister Mag. Viktor Klima 56

Ing. Kurt Gartlehner 59

Jakob Auer 61

Hermann Böhacker 63

Dr. Volker Kier 65

Karl Öllinger 67


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14. Sitzung / Seite 3

Anton Leikam 71

Rosemarie Bauer 74

Peter Rosenstingl 76

Maria Schaffenrath 78

Mag. Doris Kammerlander 80

Kurt Eder 82

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 85

Ing. Mathias Reichhold 87

Mag. Thomas Barmüller 89

Theresia Haidlmayr 92

Anna Huber 96

Georg Schwarzenberger 97

Herbert Scheibner 99

Klara Motter 106

Andreas Wabl 108

Mag. Thomas Barmüller (tatsächliche Berichtigung) 108

Emmerich Schwemlein 109

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 111

Elfriede Madl (tatsächliche Berichtigung) 112, 135

Dr. Helene Partik-Pablé 113

Mag. Reinhard Firlinger 115

Otmar Brix 117

Karl Donabauer 121

Ing. Mathias Reichhold (tatsächliche Berichtigung) 123

Edith Haller 123

Marianne Hagenhofer 125

Ridi Steibl 127

Mag. Johann-Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) 129

Dr. Alois Pumberger 129

Dr. Robert Rada 132

Wolfgang Großruck 133

Sigisbert Dolinschek 135

Brigitte Tegischer 138

Johann Schuster 139

Dr. Alfred Gusenbauer 141

Fritz Neugebauer 143

Karl Freund 145

Katharina Horngacher 146

Dr. Stefan Salzl 148

Zuweisung der Regierungsvorlagen 70 und Zu 70 d. B. sowie 71 und Zu 71 d. B. an den Budgetausschuß 149

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Regierungsvorlage: Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Estland andererseits samt Anhängen und Protokollen (78 d. B.)

4. Punkt: Regierungsvorlage: Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Litauen andererseits samt Anhängen und Protokollen (79 d. B.)

5. Punkt: Regierungsvorlage: Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitglied


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14. Sitzung / Seite 4

staaten einerseits und der Republik Lettland andererseits samt Anhängen und Protokollen (80 d. B.)

Redner:

Dr. Alfred Brader 150

Mag. Doris Kammerlander 151

Genehmigung der drei Staatsverträge 152

Beschluß, daß die Kundmachung der drei Vertragstexte samt Anhängen und Protokollen in allen authentischen Sprachfassungen gemäß Artikel 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten erfolgt 152

Eingebracht wurden

Bericht 7

III-22: Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 1994; BM f. Frauenangelegenheiten und BM f. Arbeit und Soziales

Anträge der Abgeordneten

Maria Schaffenrath, Karl Öllinger und Genossen betreffend die Einführung der Teilrechtsfähigkeit von Schulen und der Schulbuchautonomie (149/A) (E)

Peter Rosenstingl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr.  376/1967, zuletzt geändert durch das BGBl Nr. 297/1995, geändert wird (150/A)


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14. Sitzung / Seite 5

Herbert Scheibner und Genossen betreffend die Setzung legistischer und organisatorischer Maßnahmen, um Frauen den freiwilligen Dienst im Bundesheer zu ermöglichen (151/A) (E)

Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend die Aufnahme von Verhandlungen mit den Vertragspartnern des Nordatlantikvertrages über einen Beitritt Österreichs zum NATO-Vertrag (152/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Plattform "Die Frauen sind die Mehrheit" (336/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Neustrukturierung des Straßenbaus in Österreich (337/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Stellungnahme von Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums zu der von uns an Sie gerichteten Anfrage vom 28. Februar 1996 in der rechtsextremen Zeitschrift "Junge Freiheit" vom 15. 3. 1996 (338/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Ausbauarbeiten an der B 115 (339/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ausbauarbeiten an der B 115 (340/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend Ausbauarbeiten an der B 115 (341/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Einsätze des Bundesheeres gemäß Wehrgesetz § 2 (342/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Ausrüstung der Artillerie des Bundesheeres mit dem Waffensystem M-109 (343/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Truppenbesuche von politischen Vertretern beim Bundesheer (344/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Umsetzung des Kasernen-Standortprojekts (345/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend den Einsatz österreichischer Soldaten im Rahmen der IFOR (346/J)

Johann Schuster und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend die vorgeschriebenen Impfintervalle bei FSME-Impfungen (347/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gewalt im Zusammenhang mit der Kraftwerksbaustelle Lambach (348/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend gefährliche Seite des INTERNET (349/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belastungsstudie 1992 bis 1994 (350/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Änderungen bei den Landesgendarmeriekommanden (351/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend das Büroautomations- und Kommunikationssystem für die Sicherheitsexekutive (352/J)


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14. Sitzung / Seite 6

Mag. Johann-Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend einseitige Kündigung der Vereinbarung über gemeinsame Hubschrauberrettungsdienste (353/J)

Anton Blünegger und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Ausbau der B 169, Zillertal Straße (354/J)

Anton Blünegger und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend Maßnahmen zur Steigerung der Verkehrssicherheit auf der Zillertaler Autostraße (S 169) (355/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend den Tod von Herrn Josef Enser (356/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Änderungen beim Gendarmeriezentralkommando (357/J)

Mag. Johann-Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend schikanöse Behandlung österreichischer Betriebe durch das Österreichische Statistische Zentralamt (358/J)

Mag. Johann-Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Unterstützung verbotener linksradikaler Schriften durch das "TATblatt" (359/J)

Mag. Johann-Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend illegal Beschäftigte und Schwarzarbeiter (360/J)

Dr. Susanne Preisinger und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend kilometerabhängiges Mautsystem (361/J)

Mag. Johann-Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend exzessive Auslegung des § 26a Arbeitslosenversicherungsgesetz (362/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen (40/AB zu 94/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (49/AB zu 39/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen (50/AB zu 40/J)


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14. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte, Platz zu nehmen. Ich darf die Damen und Herren herzlich begrüßen und eröffne die 14. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Kröll, Dr. Schwimmer und Dipl.-Ing. Prinzhorn.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt Mitteilung gemacht:

Herr Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Scholten wird durch Frau Bundesministerin Dr. Christa Krammer vertreten.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände verweise ich auf die schriftliche Mitteilung, die nach § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung im Haus verteilt wurde.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände :

Anfragebeantwortungen: 40/AB, 49/AB und 50/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

Budgetausschuß:

Strukturanpassungsgesetz 1996 (72 der Beilagen);

Gleichbehandlungsausschuß:

Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes im Jahr 1994, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und vom Bundesminister für Arbeit und Soziales (III-22 der Beilagen),

Antrag 147/A der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird;

Verfassungsausschuß:

Antrag 144/A der Abgeordneten Mag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über das Grundrecht auf Gesundheit,

Antrag 145/A der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Änderung des Bundesgesetzes über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, BGBl. Nr. 432/95,


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14. Sitzung / Seite 8

Antrag 148/A der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz durch Bestimmungen über die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern ergänzt wird und das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder, das Universitäts-Organisationsgesetz, das Akademie-Organisationsgesetz 1988, das Kunsthochschul-Organisationsgesetz und das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten geändert werden.

*****

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, dem Budgetausschuß zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage 72 der Beilagen, Strukturanpassungsgesetz 1996, eine Frist bis 15. April 1996 zu setzen.

Hiezu liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen. Diese kurze Debatte wird nach Erledigung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 16 Uhr stattfinden. Auch die Abstimmung über diesen Fristsetzungsantrag wird im Anschluß an diese kurze Debatte vorgenommen werden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2 sowie 3 bis 5 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen. Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Was die Redezeiten betrifft, wurde in der Präsidialsitzung Konsens über die nachfolgende Einteilung erzielt.

Die Dauer der Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2 wird mit 11 "Wiener Stunden" festgesetzt, sodaß sich folgende Obergrenzen für die Redezeiten ergeben: SPÖ 165 Minuten, ÖVP 154 Minuten, Freiheitliche 143 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 99 Minuten. Sollte ein Mitglied der Bundesregierung länger als 20 Minuten sprechen, wird das Ausmaß der Überschreitung dieser 20 Minuten in die Redezeit der jeweiligen Fraktion eingerechnet.

In der gemeinsamen Debatte zu den Punkten 3 bis 5 soll ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von 10 Minuten zu Wort kommen. Ich stelle an das Hohes Haus die Frage, ob es Einwendungen gegen diesen Vorschlag gibt? – Dies ist nicht der Fall und ist somit beschlossen.

1. Punkt

Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996 samt Anlagen (70 und Zu 70 der Beilagen)

2. Punkt

Erste Lesung der Regierungs


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vorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1997 samt Anlagen (71 und Zu 71 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 und 2: Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1996 samt Anlagen (70 und Zu 70 der Beilagen) sowie erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1997 samt Anlagen (71 und Zu 71 der Beilagen).

Die Redezeiten sind soeben bekanntgegeben worden.

Wir gehen in die Debatte ein. Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. Er hat das Wort.

9.06

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Budgetdebatte, mit der wir jetzt beginnen, ist ja in vielfacher Hinsicht eine besondere. Es hat in der Zweiten Republik noch nie den Fall gegeben, daß zwei Budgets auf einmal diskutiert werden, und es ist mit dieser Konsolidierung ein Volumen verbunden, das Größenordnungen hat, die noch nie dagewesen sind, sowohl absolut wie auch als Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts.

Man muß feststellen, daß hinter diesem Konsolidierungsansatz eine gewaltige politische und administrative Leistung liegt. Ich möchte daher namens meiner Fraktion all jenen danken, die an diesen schwierigen Verhandlungen mitgewirkt haben. Das gilt für das Verhandlungsteam unter der Führung von Kanzler Vranitzky und dem bewährten "Finanz-Duo" Klima und Ditz, das gilt aber genauso für alle Beamtinnen und Beamten, die da wirklich mit großem Einsatz gearbeitet haben. Ich meine, das sollten wir Parlamentarier mit Dank anerkennen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Form der Budgetdebatte betrifft – und das wird ja heute auch noch diskutiert werden –, so sind wir sicherlich im heurigen Jahr in einer Sondersituation, einer Sondersituation, die nicht zuletzt bedingt ist durch die Neuwahl im Jahr 1995, – meines Erachtens aus nicht sehr notwendigen Gründen –, einer Neuwahl, wodurch wir das Budget 1996 nicht beschließen konnten (Widerspruch bei der ÖVP) und es natürlich auch zu gewissen Verzögerungen gekommen ist.

Das bedeutet, daß wir jetzt unter erheblichem Zeitdruck stehen, einem Zeitdruck, der besonders bezüglich der Budgetbegleitgesetze zu vermerken ist, was sich nicht zuletzt – das muß man offen sagen – in einer extrem kurzen Begutachtungsfrist ausgewirkt hat, ein Zeitdruck, der auch – das muß man ebenfalls offen sagen – die Mitwirkungs- und Informationsrechte des Parlaments gegenüber Regierung und Ministerialbürokratie de facto in einem erheblichen Maß nicht zur Geltung kommen hat lassen.

Im gesamtwirtschaftlichen Interesse akzeptieren wir, daß das jetzt aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht anders durchführbar ist. Es ist uns aber klar, daß das kein Muster für künftige Budgeterstellungen und künftige Gesetzgebungsverfahren sein kann, und ich bin der Überzeugung, daß die parlamentarische Ebene in diesem Zusammenhang wieder jenes starke – ja noch stärkeres! – Gewicht bekommen wird, das ihm nach der Verfassung zusteht. (Abg. Böhacker: Alle Jahre wieder!) Eben nicht "alle Jahre wieder"! Wir befinden uns eben in einer Sondersituation, und diese muß im Interesse des Landes berücksichtigt werden, aber es soll eine Sondersituation bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zahlen selbst wurden ja gestern vom Herrn Finanzminister vorgetragen. Ich möchte mich daher auf eine politische und ökonomische Bewertung konzentrieren.

Erstens – und das ist eine Frage, die sehr oft gestellt wird –: Ist dieses Konsolidierungspaket ausreichend und ist damit für die Zukunft eine klare Linie gegeben? – Ich meine, was die Budgetzahlen betrifft, so sind diese solide kalkuliert. Es wird Ihnen ja aufgefallen sein, daß wir Privatisierungserlöse für 1996 nur in einem geringen Ausmaß und für 1997 gar nicht ins Budget aufgenommen haben und daher davon ausgehen können, daß zusätzliche Reserven vorhanden sind. Auch die Einnahmenschätzung ist zweifellos eher vorsichtig durchgeführt worden.


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Was die mittelfristige Tendenz betrifft, so sehen wir eine ganz klare Neustrukturierung vor, wodurch erreicht wird, daß mit Ende 1997 das Budgetdefizit nicht mehr als 2,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen wird. Das bedeutet, daß man von diesem Zeitpunkt an das Budget tatsächlich kontinuierlich weiterentwickeln kann und keine neuerlichen speziellen Einsparungsmaßnahmen notwendig sein werden.

Ich glaube daher, daß es uns mit diesem Budget gelungen ist, den Österreicherinnen und Österreichern, aber auch den ausländischen Investoren eine sehr klare Perspektive, Sicherheit in bezug auf wichtige Grundlagen der österreichischen Wirtschaftsentwicklung zu geben. Und es ist erfreulich, daß die meisten Menschen in Österreich das auch so sehen, wie uns ja Ergebnisse von Meinungsumfragen bestätigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang muß man mit aller Nüchternheit feststellen, daß das, was wir bis jetzt seitens der Oppositionsparteien gehört haben, eigentlich keine wirklich sinnvollen ökonomischen Alternativen waren. (Zwischenruf des Abg. Rosenstingl .) Wir lassen uns gerne überraschen, wenn Sie heute hier anderes einbringen. Bis jetzt ist es so – man muß sagen, das gilt für alle drei Oppositionsparteien, aber speziell für die Freiheitlichen, Sie melden sich jetzt zu Recht –, daß es zwar eine Fülle von Vorschlägen gibt, die sich gegen Einnahmenerhöhungen wenden, eine Fülle von Vorschlägen, die sich gegen Ausgabenkürzungen wenden, aber nicht bedacht wird, daß das alles zusammen ein höheres Budgetdefizit bedeuten würde. – Und genau das ist es, was wir für Österreich nicht wollen, was aber mit Ihren Vorschlägen verbunden wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Man muß ganz klar sagen: Natürlich wäre es politisch vielfach angenehmer, diesen bequemeren Weg zu gehen, den die Opposition hier manchmal vorschlägt, aber man muß sich auch bewußt sein: Die Folge wäre, daß wir im nächsten Jahr das nächste Sparpaket schnüren müßten, und genau das wollen wir nicht. Wir wollen klare Strukturen für die Zukunft Österreichs.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein besonderer Aspekt, auf den der Herr Finanzminister gestern eingegangen ist und der uns alle, da ja die meisten von uns in Gemeinden oder Ländern ebenfalls politisch tätig sind, berührt, ist das Verhältnis Bund, Länder und Gemeinden. In der Gesamtbetrachtung der Verschuldungsentwicklung müssen wir stets davon ausgehen, daß die vollkswirtschaftliche Verschuldung insgesamt die relevante Größe ist. Es ist mit Ländern und Gemeinden eine Verschuldensobergrenze in der Höhe von 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vereinbart worden, was eine erhebliche Einschränkung bedeutet, weil wir ja jetzt davon ausgehen müssen, daß die Nettoverschuldung der Länder und Gemeinden ungefähr 0,6 Prozent beträgt. Das heißt, wir werden auch auf Landes- und Gemeindeebene vor durchaus schwierigen Aufgaben stehen, wobei der Bund da insofern geholfen hat, als Länder und Gemeinden in Zukunft Mehreinnahmen in der Höhe von ungefähr 10 Milliarden Schilling haben werden. Ein neuer Finanzausgleich ist abgeschlossen worden, der Ländern und Gemeinden Sicherheit in bezug auf ihre Einnahmenentwicklung gibt.

Man muß aber ganz klar sagen: Insgesamt werden wir auf allen Ebenen – nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf Länder- und Gemeindeebene – ein höheres Kostenbewußtsein benötigen, was zwei Aspekte hat.

Der erste Aspekt: Der Bund muß, wenn er Gesetze erläßt, die Gesamtkosten nicht nur für den Bund, sondern auch für die Länder, für die Gemeinden und natürlich auch für die Steuerzahler und Staatsbürger insgesamt berücksichtigen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß die Sozialdemokratische Partei als eine der ersten Initiativen in diesem Parlament einen Antrag auf Einführung eines parlamentarischen Haushaltsausschusses gestellt hat, und wir hoffen sehr, daß das ein sinnvolles Instrument ist, um die tatsächliche Gesamtkostenentwicklung, die mit einzelnen Gesetzen verbunden ist, rechtzeitig in den Griff zu bekommen. Ich möchte daher an alle hier im Haus appellieren, diesen Vorschlag entsprechend zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein zweiter Aspekt betrifft die Frage einer Neuordnung des Föderalismus in Österreich. Auch dazu haben wir inzwischen entsprechende Vorschläge gebracht. Ich möchte hier ganz offen


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sagen: Die Neuordnung des Föderalismus in Österreich kann nicht ohne eine gleichzeitige Kostendiskussion erfolgen. Wenn wir in Österreich beklagen, daß es zu hohe Kosten der öffentlichen Verwaltung gibt, so ist es ja falsch, das als Problem der öffentlich Bediensteten zu sehen; das ist nur das Symptom. Die Ursache sind zum Teil Strukturen, für die wir als Politiker – nicht zuletzt auch in einem föderalen System – zuständig sind und um die wir uns kümmern müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend zu einer Frage, die uns in vielen Diskussionen gestellt wird, nämlich wie die Verteilungswirkung dieses Sparpaketes aussieht. Ist dieses Sparpaket fair? Das war ja nicht zuletzt auch einer jener Punkte, die eine erhebliche Diskussion ausgelöst haben.

Es ist klar: Der Ansatz, eine Konsolidierung etwa nur von der Ausgabenseite vorzusehen, hätte bedeutet, daß massivste Einschnitte – gerade auch im Sozialbereich, gerade auch im Pensionsbereich – notwendig gewesen wären. Wir haben uns daher immer – speziell wir Sozialdemokraten – dafür eingesetzt, daß Budgetkonsolidierung durch eine ausgewogene Mischung von ausgabenseitigen und einnahmenseitigen Maßnahmen erfolgen muß. Und ich meine, wir haben uns auf ein Modell geeinigt, das tatsächlich zu einer entsprechenden sozialen Ausgewogenheit führt. Ich glaube, es ist wichtig, das Gesamtbild zu sehen.

Es wird – das ist ja wohl unbestreitbar – allgemein anerkannt, daß von diesem Sparpaket jeder und jede betroffen ist. Also die Situation, die es ja früher gab, daß jemand sagen konnte: Bitte schön, das ist ein wunderbares Paket, mich betrifft es nämlich überhaupt nicht!, ist eindeutig ausgeschlossen.

Die zweite Frage ist: Wie ist der einzelne betroffen? – Diesbezüglich hat es eine Diskussion gegeben, ausgehend von einer Stellungnahme des Präsidenten der Tiroler Arbeiterkammer, der gemeint hat, es sei aber doch so: je höher das Einkommen, desto geringer prozentual der Beitrag, den der einzelne für dieses Sparpaket leisten muß. Diese Ausage ist insofern falsch, als sie unvollständig ist. (Abg. Mag. Haupt: Nein!) Sie berücksichtigt nur die Tarifeffekte, die sich unmittelbar ergeben. Wir haben aber gerade in diesem Sparpaket eine Reihe von Maßnahmen, etwa in bezug auf Verlustabschreibungsgesellschaften, in bezug auf steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, die besonders hohe Einkommensgruppen betreffen, und wenn man das mitberücksichtigt, dann kommt man zu einem Belastungsverlauf, der sehr wohl so gestaltet ist, daß Bezieher hoher Einkommen prozentuell auch einen höheren Beitrag leisten, wie es sich ja auch bei einer Belastung nach ökonomischer Leistungsfähigkeit gehört.

Wir können daher deutlich feststellen: Dieses Sparpaket ist einerseits ökonomisch wirksam, es ist aber auch sozial ausgeglichen, und das war für uns ein ganz wichtiger Punkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt natürlich schon das Phänomen – und dafür sind wir auch nicht blind –, daß sich in einzelnen Bereichen Belastungen aus diesem Sparpaket kumulieren können. Da muß man aufpassen, damit mögliche Härten entsprechend gemildert werden können. Wir haben ja derzeit eine Diskussion, die die Universitäten betrifft – sowohl die Assistenten als auch die Studierenden. Die Entwicklung ist dahin gehend, daß man versucht, speziell für sozial Schwache entsprechende Ausgleiche zu gestalten. Es ist ja eine Illusion, zu sagen, jeder Student, jede Studentin ist sozial schwach. Das ist ganz offensichtlich nicht der Fall. Aber dort, wo es tatsächlich einen sozialen Bedarf gibt, werden wir eine entsprechende Abgeltung vorsehen. So ist etwa für die Studentenfreifahrt ein Sozialfonds vorgesehen. Wir hoffen, daß auf diese Weise gerade jene, die es brauchen, auch tatsächlich keine Belastung haben, während jene, die es sich leisten können, eben auch einen größeren Beitrag erbringen.

Wir werden auf jeden Fall hier – wie auch in anderen Bereichen, etwa im Familienbereich – die Entwicklungen genau beobachten. Man muß natürlich ganz offen sagen: Eine Konsolidierung von 100 Milliarden Schilling ist eben keine Kleinigkeit. Wir haben auch nie behauptet, es gebe eine schmerzlose Konsolidierung. Was wir erreichen wollen, ist eine Konsolidierung, die sozial


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ausgewogen ist und die eben die wirtschaftlichen Notwendigkeiten, von denen wir ja alle in Zukunft profitieren werden, erfüllt.

Bei allen Einzeldiskussionen, die es gibt, dürfen wir jedoch nicht vergessen, warum wir das Ganze überhaupt tun: Wir machen es, um für diesen Staat, für unser Österreich langfristig eine gesunde finanzielle Struktur zu sichern, damit dieser Staat seine sozialen Aufgaben weiterhin in ordentlicher Weise wahrnehmen kann, damit diesem Staat sein beschäftigungspolitischer Einsatz erhalten bleibt, damit dieser Staat seine Aufgaben zur Bereitstellung von innerer Sicherheit, zur Bereitstellung von äußerer Sicherheit, zur Bildung im Infrastrukturbereich erfüllen kann.

Das sind die Zwecke, die wir mit diesem Konsolidierungsprogramm erreichen wollen. Diese Zwecke werden mit den zwei Budgetvoranschlägen erfüllt, und daher werden wir diesen Budgetvoranschlägen von unserer Seite her unsere Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Er hat das Wort.

9.21

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Ing. Meischberger: Aber Pepi! Da geht es ja um das Budget!) Wir haben erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik zwei Budgets, nämlich für das Jahr 1996 und das Jahr 1997, gemeinsam zu debattieren, weil wir uns in einer außerordentlichen Situation befinden. Und die Politik ist dann gefordert, wenn außerordentliche Herausforderungen an die Politik herangetragen werden. Wir sind bereit, diese Herausforderungen anzunehmen, Lösungen anzubieten und sie auch umzusetzen. Das erwarten die Österreicher von einer soliden, einer seriösen Regierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Politik heißt nicht, vor Problemen zu flüchten. Politik heißt nicht, eine Vogel-Stauß-Haltung einzunehmen: nichts sehen, nichts hören, nichts fühlen, und das Unheil wenige Jahre später auf sich hereinbrechen zu lassen, sondern Politik heißt, rechtzeitig Schwierigkeiten festzustellen und ihnen mit einer klaren Antwort zu begegnen. Das, was wir mit dieser Konsolidierung 1996/97 vorschlagen, ist die klare Antwort, und ich glaube, die klare Antwort wird auch von der Mehrheit der Österreicher als sinnvoll, als verantwortungsbewußt betrachtet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich sage sehr offen: Diese Herausforderungen haben wir von der Volkspartei bereits im vergangenen Jahr klar gesehen (Abg. Scheibner: Vor allem vor den Wahlen!) und diese Neuwahlen sind deswegen notwendig geworden, weil eben beide Koalitionsgruppierungen das nicht gemeinsam als Herausforderung gesehen haben. Die Volkspartei aber wollte auf diese Herausforderung eine klare Antwort geben, während in der Koalition damals keine Einigung auf diese klare Antwort bestanden hat. (Abg. Wabl: Jahrelang haben Sie Schwindelbudgets gedeckt!) Es soll auch die Geschichte der letzten Monate klargestellt sein.

Wir sind froh, daß nach dem Kassasturz, bei dem ein Konsolidierungsbedarf in der Höhe von 100 Milliarden Schilling gemeinsam festgestellt wurde, diese nun von allen Gruppen getragene Lösung erarbeitet wurde. Mit dieser Lösung kann man in der Bevölkerung eine seriöse Diskussion führen. Die Bevölkerung ist nämlich viel mehr dazu bereit, sinnvolle rechtzeitige Lösungen gemeinsam zu tragen, als sich über die Probleme hinwegzuschwindeln, dessen negative Auswirkungen in ein, zwei Jahren in einem wesentlich größeren Ausmaß auf die Bevölkerung herunterprasseln würden.

Wir haben diese Antwort gemeinsam gefunden. Wir stehen dazu, und wir werden unsere Vorhaben nicht nur auf dem Papier beschließen, sondern sie auch verwirklichen. Das ist eine Antwort, die von der Volkspartei gemeinsam mit dem Koalitionspartner heute gegeben wird. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich sage Ihnen von den Oppositionsparteien auch sehr offen: Wir ÖVP-Abgeordnete und die SPÖ-Abgeordneten wissen, daß eine Ausgabenreduktion beziehungsweise eine Steuerkorrektur, die zu Erhöhungen, zu mehr Steuern führt, natürlich keine freudvolle Angelegenheit ist. Eine Konsolidierung ist nicht eine Politik der Freude, sondern eine Politik des Verantwortungsbewußtseins! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jede einzelne Maßnahme, die ein Weniger an Transferleistungen oder ein Mehr an Steuern bewirkt, ist schmerzvoll. Wir alle haben Verständnis dafür. Wir wissen natürlich, daß jede dieser Maßnahmen, die notwendig sind, Schmerzen bereitet. Aber es ist besser, 1996 und 1997 diese Konsoliderung vorzunehmen, damit wir ab dem Jahre 1998 wieder geordnete, finanziell gesunde Haushaltsverhältnisse haben, eine Grundlage, auf der man aufbauen kann und mit der man wieder eine für die Menschen sichere Entwicklung für die kommenden Jahre vorhersehen kann. Das ist die Antwort der Volkspartei, das ist die Antwort unseres Regierungspartners auf diese Probleme.

Ich lade die Oppositionsparteien ein, von ihrer Nur-Kritik-Haltung endlich abzugehen, von mir aus Lösungsvorschläge alternativ vorzulegen, aber endlich auch Verantwortung zu übernehmen. Alles andere ist unverantwortlich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte dem Herrn Haigermoser (Abg. Haigermoser: Pepi! Ich habe überhaupt nichts gesagt!) beziehungsweise seinen Kollegen folgendes klar sagen: Das, was hier an Konsolidierung gemacht wird, was an Sparpolitik vorgesehen ist, ist nicht etwas, was Selbstzweck darstellt. Sparen ist kein Selbstzweck, sondern Sparen ist ein Mittel, um klare, übergeordnete Ziele zu erreichen.

Mit dieser konsolidierten, mit dieser gesundeten Haushaltspolitik wollen wir erreichen, daß vorhandene Arbeitsplätze wieder gesichert sind und zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. (Abg. Haigermoser: Wie viele, Pepi?) Wir wollen nicht in eine Richtung gehen, wo wir durch immer mehr Schulden ein immer höheres Ausmaß an Belastungen, an höheren Steuern den Österreichern in den kommenden Jahren zumuten müssen. Wir wollen nicht, daß wir durch das Zahlen vom immer mehr Zinsen immer weniger Möglichkeiten für produktive Investitionen haben. Wir wollen nicht die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft, der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber gefährden und schließlich und endlich das nicht gefährden, was wir in jahrzehntelanger partnerschaftlicher Arbeit aufgebaut haben, nämlich ein System der sozialen Marktwirtschaft, in der ein hohes Maß an Sicherheit für den einzelnen gegeben ist. Das ist unser Ziel: Wir wollen Sicherheit geben und nicht verunsichern. Das ist eine klare Zielrichtung der Österreichischen Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß diese Vorgangsweise volkswirtschaftlich vernünftig und arbeitsmarktpolitisch möglich ist, haben wir auch in den Diskussionen mit den einzelnen Wirtschaftswissenschaftlern erfahren. Wir streben nicht nur eine Gesundung des Haushaltes an, sondern in gleicher Weise auch eine offensive Arbeitsmarktpolitik, eine offensive Beschäftigungspolitik, und wir bringen auch die entsprechenden Vorschläge ein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren seit langem, wie wir die Gründung von kleinen und mittleren Betrieben schneller, besser, zielgerichteter fördern können. Das werden wir nun verwirklichen, indem wir viele kleine Betriebe fördern, und damit werden wir auch Arbeitsplätze schaffen, weil jeder neugegründete Betrieb im Durchschnitt drei bis fünf Arbeitsplätze in den ersten paar Jahren schafft. Wir sagen ein klares Ja zu mehr Betrieben, weil es dann ein Mehr an Arbeitsplätzen gibt, und damit wird auch das, was wir als Beschäftigungsoffensive benötigen, verwirklicht werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sagen auch ja zu einer Offensive im Bereich der Teilzeitarbeit, weil viele Menschen, vor allem Frauen, die Beruf und Familie verbinden wollen, aber auch ältere Arbeitnehmer, weniger als 40 Stunden in der Woche arbeiten wollen.

Warum sollte man einem solchen Bedürfnis nicht mit Politik gerecht werden? Wir glauben, mit einer Offensive im Teilzeitbereich haben wir die Chance, viele Menschen auch zusätzlich in den Arbeitsmarkt zu bringen und deren Bedürfnissen gerecht zu werden. Wir wollen dem Wunsch


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der Menschen, nämlich Arbeiten und Kindererziehen zu verbinden, nachkommen und so gleichzeitig mehr Menschen in den Arbeitsmarkt bringen. Wir sagen deshalb ja zu einer Offensive in Richtung Teilzeitarbeit. (Beifall bei der ÖVP.)

Weil heute Meldungen gekommen sind, daß die ÖVP plötzlich für ein Mehr an Arbeitszeit eintrete, sage ich Ihnen sehr offen: Wir wollen und werden nicht die Arbeitszeit verlängern, sondern wir sagen ein klares Ja zu mehr Verfügbarkeit des einzelnen Arbeitnehmers über seine Arbeitszeit, zu mehr Einteilungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer, und wir sagen ein klares Nein zu einer Verlängerung der Arbeitszeit! Das ist ein klarer Standpunkt, den wir haben und den wir auch Hinkunft vertreten werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Haupt: Das ist Sozialabbau in Reinkultur! – Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben sich nie damit beschäftigt, Vorschläge zu machen.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Meine Damen und Herren! Die armen Stenographen! Wie sollen die das alles aufschreiben, was da gleichzeitig gerufen wird? (Abg. Scheibner: Die brauchen es ja nicht aufzuschreiben! Es genügt ja, wenn der Höchtl es hört!)

Der nächste Redner ist von den Freiheitlichen, und der kann dann Ihren Standpunkt darlegen. Jetzt ist Kollege Höchtl am Wort!

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (fortsetzend): Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der freiheitlichen Partei! Ich erwarte mir, daß der nächste von Ihnen, der hier herunterkommt, endlich einmal eine sinnvolle Idee, eine verantwortungsbewußte Idee der Konsolidierung bringt. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Dazwischenschreien, das Krakeelen, das Heruntermachen von Vorschlägen, die wir bringen, ist nicht Politik, sondern das ist destruktives Verhalten. Das erwarten nicht die Österreicher von verantwortungsbewußten Politikern. Das lassen Sie sich heute einmal gesagt haben! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Oberlehrer!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ein klares Bekenntnis zu diesen Budgets 1996 und 1997 insofern gegeben, als daß wir Herausforderungen sehen. 100 Milliarden Schilling an Konsolidierungsbedarf sind viel. Aber wir wissen dadurch, daß sich keiner ausgenommen fühlt, daß alle ihren Beitrag leisten, wenn. Und auch der ehemalige Finanzminister Androsch kann diesmal nicht hergehen und sagen: Ich bin von den Sparmaßnahmen nicht betroffen! Also das gibt es dieses Mal nicht: Die Zielgenauigkeit ist erreicht worden, jeder leistet nach seinen Leistungsfähigkeiten seinen Beitrag. So können wir die Lasten gerecht verteilen und den Menschen die Zukunft sichern. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme zum Schluß, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Abg. Scheibner – Beifall spendend: Bravo! Das ist gut!) Politik ist nicht nur Bewältigung vorhandener Probleme der Gegenwart, sondern Politik ist auch die Vorbereitung der Gestaltung der Zukunft. Ich bin überzeugt davon, daß wir, wenn wir 1996 und 1997 diese Gesundung durchführen, aufgrund der Entwicklung des Steueraufkommens der darauffolgenden Jahre auch wieder Hoffnung dadurch vermitteln können, daß wir mit der kommenden Steuerreform mehr an Gerechtigkeit für Familien und eine Entlastung des einzelnen Steuerzahlers erreichen können. Das ist etwas, was der einzelne erwartet. Wir können mit einer Gesundung des Haushaltes, mit einer Beschäftigungsoffensive und der In-Aussicht-Stellung dessen, daß wir durch ein Mehr an Steuereinnahmen die Chance haben, auch wieder Steuerreduktionen vorzunehmen (Abg. Böhacker: Das ist die Höhe!), das schaffen, was wir glauben als Zukunftsfundament für Österreich schaffen zu müssen.

Die Budgets 1996 und 1997 und die zusätzlichen politischen Maßnahmen geben die Gewähr, daß wir uns auf einem guten Zukunftsweg befinden. Wir von der Österreichischen Volkspartei sagen ja zu diesem Weg. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall des Abg. Dr. Nowotny. )

9.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Er hat das Wort. – Und jetzt gilt das gleiche mit umgekehrten Vorzeichen.

9.35

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe angenommen, daß nach der letztwöchigen Regierungserklärung beziehungsweise nach der gestrigen Budgetrede des Neo-Finanzministers die Märchenstunde vorbei ist. Aber zu dem, was heute hier Herr Kollege Höchtl als Erstredner der "Wirtschaftspartei" Österreichische Volkspartei aufgeführt hat, kann ich wirklich nur das eine sagen: nicht einmal ignorieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wir haben keine Budgetwunder hier erwartet. Aber wir haben etwas anderes erwartet – und das ist das mindeste, was man hier im Hohen Haus erwarten kann –, daß Sie nämlich endlich einmal die Wahrheit über die Budgetzahlen offenlegen und nicht eine Fortschreibung der Schwindelbudgets der letzten zehn Jahre hier betreiben. Das ist das mindeste, auf das das Hohe Haus Anspruch hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Drei Premieren haben wir diesmal beim Budget erlebt: Es war das die erste Budgetrede des Finanzministers Klima, erstmals wurden zwei Budgets gleichzeitig verhandelt, weil man nicht in der Lage war, ein Budget 1996 zustande zu bringen – man hat fast über ein Jahr dafür und eine Neuwahl gebraucht –, und erstmals verlangt man von den Bürgern, daß sie ein Belastungspaket mittragen. Es wäre wirklich höchst an der Zeit gewesen, den Bürgern einmal die volle Wahrheit über die Budgetlage, die volle Wahrheit über die Staatsverschuldung zu sagen, und wie es mit der Wirtschaftsentwicklung in den nächsten Jahren weitergehen soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber statt dessen hat ein Feuerwerk der groben Skizzen seine ungebrochene Fortsetzung gefunden – neuerlich begleitet von den für diese große Koalition symptomatischen partiellen Realitätsverweigerungen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Einer der wenigen Sätze, der von den Vertretern der Regierungsparteien in den letzten Tagen verkündet wurde und den wir Freiheitliche voll und ganz unterschreiben können, stammt – und nur für diesen Satz gilt das! – vom "Zukunftsminister" Rudolf Scholten. Wenn Scholten in der Fernsehsendung "Zur Sache" festgestellt hat, daß die Situation für Zahlenspiele zu ernst sei, kann ich nur zustimmen und gleichzeitig den Finanzminister fragen, warum er sich nicht an die Scholtischen Erkenntnisse hält.

Warum halten Sie sich nicht daran? Warum versuchen Sie, sich mit alten, überholten, geschönten, schlichtweg falschen Zahlen über Ihre erste Budgetdebatte zu retten? Warum erklärten Sie gestern dem Hohen Haus gegenüber, daß das Maßnahmenpaket im Verhältnis von zwei Dritteln Einsparungen und einem Drittel Ausgaben erstellt wurde, obwohl Sie ganz genau wissen, daß diese Aussage jeglicher Grundlage entbehrt?

Es gehört ein wirklich gerüttelt Maß an Unverfrorenheit dazu, bei den ausgabenseitigen Budgetmaßnahmen Positionen anzuführen – wie beispielsweise Lizenzeinnahmen für die Post, Körperschaftssteuervorauszahlungen für die Post, Kommunalsteuer für die Post, Gewinnabschöpfung für die Post. Das sind bei Ihnen Ausgabeneinsparungen – Ausgabeneinsparungen in einer Größenordnung von 13,5 Milliarden Schilling für die Jahre 1996 und 1997. Weitere Positionen bei den "Ausgabeneinsparungen" sind für Sie die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für die Bauern und für die Selbständigen in der Größenordnung von 1,3 Milliarden. Wenn Sie allein diese beiden Zahlen abziehen von den 64 Milliarden, die Sie ausgabenseitig einsparen wollen ... (Abg. Dr. Kostelka spricht mit Bundesminister Dr. Klima. ) – Es wäre aber ganz angenehm, Herr Finanzminister, wenn Sie mir zuhören würden. Ich finde das eigentlich schon ein bißchen unfair, daß Sie sich hier mit dem Klubobmann der sozialistischen Partei unterhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Das ist eine Unsitte!)


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Herr Finanzminister! Das alleine zeigt, wie Sie vorgehen, und das zeigt auch die Ignoranz des Klubobmannes Kostelka, der damals nach der Wahl im Jahr 1994 gesagt hat: Wir werden in einer Größenordnung von 280 Milliarden Schilling ausgabenseitig sanieren. Nichts davon ist eingetroffen. (Zwischenbemerkung des Abg. Dr. Kostelka. ) Setzen Sie sich bitte auf Ihren Platz (Beifall bei den Freiheitlichen), denn es ist wirklich unfair, sich bei einer Budgetdebatte mit dem Finanzminister zu unterhalten! Aber das paßt zu Ihrem Stil. (Heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen, darunter: Kostelka weg! Auf den Platz! – Abg. Dr. Kostelka begibt sich auf seinen Platz.)

Es ist eigenartig, daß hier im Hohen Haus, die dummen Bemerkungen meistens nur von einer Ecke kommen, nämlich von Ihrer. (Der Redner deutet auf die Sitzreihen der SPÖ. – Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Schauen wir uns die Zahlen etwas genauer an, Herr Finanzminister. Sie wollen klarmachen, daß die Erhöhung der Beiträge für die Sozialversicherung für Bauern und Gewerbetreibende in der Größenordnung von 1,3 Milliarden zur ausgabenseitigen Budgetsanierung gehört. Aber auch höhere Lizenzeinnahmen bei der Post, Körperschaftssteuervorauszahlungen beziehungsweise Gewinnabschöpfungen in der Größenordnung von 13,5 Milliarden Schilling zählen Sie zur ausgabenseitigen Budgetsanierung. Das ergibt ein Paket von 15 Milliarden Schilling.

Herr Finanzminister! Laut dem Finanzausgleichsgesetz ergibt sich in den Budgetjahren 1996 und 1997 ein zusätzliches Steueraufkommen aus dem Budgetjahren 1996/97 von 79,9 Milliarden Schilling. Mit den richtig verbuchten 15 Milliarden Schilling kommen Sie daher auf eine einnahmenseitige Belastung von 95 Milliarden Schilling. (Abg. Ing. Tychtl spricht mit Bundesminister Mag. Klima. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Gehen Sie doch raus, wenn ein SPÖ-Redner spricht!) Aber ich nehme an, das interessiert Sie nicht.

Bei den Einsparungen auf der Ausgabenseite kommen Sie daher nicht auf 66,7 Milliarden, sondern bestenfalls auf rund 50 Milliarden Schilling. – Das ist Ihre "Budgetwahrheit". Sie wollen der österreichischen Bevölkerung weismachen: ein Drittel einnahmenseitige, zwei Drittel ausgabenseitige Budgetsanierung – das Verhältnis ist aber genau umgekehrt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mittlerweile sind wir nicht mehr alleine mit der Aussage, daß die hinsichtlich der Budgetsanierung von Ihnen gebrachte Verhältniszahl nicht in Ordnung ist. Sogar das Wirtschaftsforschungsinstitut, das bei der Erstellung des Kassasturzes und bei der Erstellung des Budgets dabei war, spricht mittlerweile zumindest schon von einem Verhältnis von 1:1.

Im Zuge der Revidierung der Konjunkturprognosen hat der Konjunkturexperte des Wifo, Georg Busch, festgestellt, daß dieses Verhältnis tatsächlich bei 1:1 angelangt ist. Wie wird dieses Verhältnis am Ende der Legislaturperiode ausschauen?

Damit komme ich zur Budgetlüge Nr. 1 des Kabinetts Vranitzky V. Sie sind immer davon ausgegangen, daß es einen Konsolidierungsbedarf in Höhe von 100 Milliarden Schilling gibt. Jetzt holen Sie aber auf der Einnahmenseite – das geht aus den Papieren zum Finanzausgleich hervor – 79,9 Milliarden Schilling herein, und durch die falsch verbuchten Einnahmen 15 Milliarden Schilling; insgesamt also 95 Milliarden Schilling. Das ergibt zusammen mit den 50 Milliarden an Ausgabeneinsparungen einen Konsolidierungsbedarf von 145 Milliarden Schilling und nicht 100 Milliarden Schilling. Das ist also die Lüge.

Wie Sie mit diesen Zahlen umgehen, wie der Kassasturz ausschaut, haben wir ja schon beim Versuch der Budgeterstellung für das Jahr 1996 unter Ihrem Vorgänger Staribacher gesehen. Zuerst hat es geheißen: Die Lücke beträgt 30 Milliarden Schilling! Die Sozialpartner haben sich dann bemüht, ein Konsolidierungspaket für 30 Milliarden fertigzustellen. Staatssekretär Ditz hat gesagt: Die 30 Milliarden stimmen nicht, es werden 50 Milliarden sein! Staribacher: Nein, es sind 30 Milliarden! Daraufhin mußte der Kanzler zugeben: Es sind 50 Milliarden! Dann haben Sie einen Kassasturz gemacht.


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Aber Sie sind ja nicht einmal in der Lage, einen wirklichen Kassasturz zu machen, die Höhe der Schulden tatsächlich festzustellen. Sie haben in einzelnen Ministerien nicht einmal eine offene Postenrechnung, Sie wissen nicht, wie hoch die Verwaltungsschulden dezidiert sind. Sie wissen nicht, wie hoch die Lieferantenverbindlichkeiten sind. Wie sollen Sie einen Kassasturz machen, wie können Sie sagen, daß Ihnen 100 Milliarden Schilling fehlen? Sie haben sie wahrscheinlich geschätzt. Mittlerweile sind es ja 145 Milliarden! Das ist die Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben wirklich eine eigenartige Art und Weise, Einsparungen darzustellen. Wie soll es Ihnen bei der Post, die ohnedies schon so hoch verschuldet ist, gelingen, in den nächsten zwei Jahren zuzüglich der Umsatzsteuer 20 Milliarden Schilling zu lukrieren? – 20 Milliarden Schilling von einem Unternehmen, das hoch verschuldet und ein echter Problemfall ist. Und jetzt soll das ganze Unternehmen eine sogenannte Cash-cow werden. Sie glauben wohl selbst nicht, daß das gelingen wird.

So, wie Sie hinsichtlich der Post beziehungsweise der Einnahmenerwartungen bei der Post vorgehen, gehen Sie auch bei der Erstellung des Budgets mit den Wirtschaftsdaten beziehungsweise den Wachstumsdaten vor. Während im Zuge der Budgetverhandlungen mit Wifo-Zahlen für das Wachstum für das Jahr 1996 von 1,6 Prozent beziehungsweise für 1997 von 1,2 Prozent argumentiert beziehungsweise operiert wurde, hat einen Tag vor der Regierungserklärung des Bundeskanzlers das Wifo eine Rezession nicht mehr ausgeschlossen.

Gleichzeitig revidiert IHS-Chef Felderer die Wachstumsprognose von 1996, die laut IHS ohnedies nur mehr bei 1,4 Prozent lag, weiter nach unten. Und Sie, Herr Minister, haben gestern von der Regierungsbank aus gesagt: Dieses Budget ist erstellt worden auf Basis einer Wachstumsrate von 1,6 Prozent.

Das heißt, auch bei Ihnen ist es so wie bei Ihrem Vorgänger Lacina – Staribacher hat ja kein Budget zusammengebracht –: Die übliche Schere zwischen Budgetrede und Wirtschaftsrealität wird immer größer! (Beifall bei den Feiheitlichen.)

Diese Vorgangsweise hatten wir von einem Mann wie Ihnen, Herr Finanzminister, der Sie aus der Wirtschaft kommen, nicht erwartet. Von Ihnen hatte ich mir erwartet, daß Sie ein bißchen mehr Realitätssinn haben, daß Sie nicht Märchenstunden halten wie andere. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Laut Felderer können wir die Wachstumsentwicklung in Österreich nicht autonom sehen. Wir sind ja abhängig von der Entwicklung in Deutschland, davon, wie die Schätzungen für Deutschland ausschauen, wie die Evaluierung der Wachstumsraten in Deutschland ausschaut. – 1995 gab es in Deutschland ein Minuswachstum: viertes Quartal: minus 0,5 Prozent. Für 1996 sind die Prognosen so stark revidiert worden, daß sie gegen null gehen.

Wir sind unmittelbar beziehungsweise mittelbar von den deutschen Wirtschaftswachstumsraten abhängig, und die Budgetzahlen, die Sie dem Hohen Haus hier präsentiert haben, sind aufgebaut auf diesen Prognosenzahlen.

Was wird passieren, wenn das prognostizierte Wachstum nicht eintritt? – Es wird das Budget wieder aus allen Fugen geraten. Das Budget ist ja sogar im Jahr 1995 aus den Fugen geraten, als wir noch reale Wachstumsraten hatten: im ersten Quartal: 0,9 Prozent, im zweiten Quartal: 0,4 Prozent. Trotzdem und trotz Ihres Sparpakets I ist der Bundeshaushalt 1995 total aus den Fugen geraten; das Defizit stieg von 102 Milliarden auf 118 Milliarden Schilling.

Wohin soll das denn führen? Wenn Sie in einer Zeit, in der es ein Wirtschaftswachstum gibt, keine Budgetkonsolidierung zustande bringen, wie wollen Sie diese dann in einer Zeit der Rezession zustande bringen? Den Bürgern sagen Sie: Das wird schon gehen! – Da befinden Sie sich wirklich auf dem falschen Weg! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum soll es gerade bei uns in Österreich gelingen, auf die falsche Art und Weise – nämlich einnahmenseitig – die Budgetsanierung durchzuführen? Grundlegende strukturelle Änderungen


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fehlen weitgehend. Das wird auch bei uns nicht – entgegen allen internationalen Erfahrungen – eine Sanierung der maroden österreichischen Staatsfinanzen zum Ergebnis haben.

Es gibt eine Untersuchung zweier Universitätsprofessoren. Herr Alberto Alesina von der Harvard Universität und Herr Robert Perotti von der Columbia Universität haben eine Studie über 20 OECD-Staaten gemacht, und zwar darüber, wie man das Budgetdefizit in den Begriff bekommen kann: ausgabenseitig oder einnahmenseitig.

Die beiden Universitätsprofessoren vergleichen darin die beiden angewandten Strategien, nämlich jene der einnahmenseitigen und der ausgabenseitigen Maßnahmen, und sie kommen zu folgendem Ergebnis – ich zitiere –:

Fiskalische Maßnahmen, die lediglich Steuererhöhungen sind und vor allem Direktsteuern für die Haushalte darstellen, sind ungeeignet, einen permanenten Anstieg der öffentlichen Schuldenlast zu stoppen. Steuererhöhungen führen zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Nach kurzfristigen Erfolgen führt der einnahmenseitige Versuch einer Budgetsanierung spätestens mittelfristig zu einer weiteren Explosion der Staatsschulden.

Herr Finanzminister! Das sollten Sie sich einmal anschauen! Wohin führt Ihrer Meinung nach unser Weg einer einnahmenseitigen Budgetsanierung?

Das Ergebnis dieser Studie bedeutet in bezug auf den österreichischen Haushalt, daß es der Bundesregierung eventuell gelingen könnte, kurzfristig die Maastricht-Kriterien für eine gemeinsame Währungsunion zu erreichen; aber da werden schon alle möglichen Tricks angewandt: Ausgliederung von Bundesschulen, Quersubventionen zwischen solventen und insolventen Fonds, und ein sozial unausgewogenes Belastungspaket. Damit wird man höchstens das Ziel für Ende 1997 erreichen, aber danach – 1998 – wird ein Belastungspaket für die österreichische Bevölkerung kommen, das alles Bisherige in den Schatten stellen wird.

Herr Finanzminister! Ich da komme damit zu Ihrer Budgetlüge Nr. 3. Gestern haben Sie gesagt: Tragen Sie dazu bei, daß das auch umgesetzt werden kann. Dann wird ähnliches im heute vorliegenden Ausmaß nicht mehr notwendig sein. – Das stimmt zwar, aber nicht so, wie Sie es der sparbereiten und sparwilligen Bevölkerung verkaufen wollen, die den Ernst der Lage erkannt hat – im Gegensatz zur Bundesregierung.

Wenn dieses Belastungspaket überstanden ist, werden Maßnahmen vor allem einnahmenseitiger Natur notwendig sein, die alles Bisherige in den Schatten stellen werden.

Herr Finanzminister! Sie haben im März dem "Industriemagazin" ein Interview gegeben, laut dem Ihnen der Steuerstaat schwedischer Prägung vorschwebt. Darin haben Sie offenbart: Es wird zu einer Neuordnung des Steuersystems mit einer allgemeinen Veranlagung und damit zu einer vollen Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehalts kommen – die ersten Vorläufer haben wir ja bereits mit der Sozialversicherung gehabt –; ohne Anpassung der Steuersätze, voraussichtlich keine Anpassung an die kalte Progression, Erhöhung der Erbschaftssteuer und so weiter.

Statt weniger Belastungen nach dem von dieser Bundesregierung verkündeten Gewaltakt zur Budgetsanierung ist also die nächste Belastungswelle offensichtlich leider schon beschlossene Sache. Alle Warnungen der Experten, der Wirtschaftsforscher werden in den Wind geschlagen; unter dem Deckmantel der Vranitzkyschen Worthülsenpolitik werden neue Belastungen erfunden, statt strukturelle Fehler zu beseitigen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daß da die Sozialpartner nicht zurückstehen dürfen, liegt ja auf der Hand. Einige Auszüge aus deren Vorstellungen: Reduzierung des Krankengeldes auf ein halbes Jahr, höhere Krankenkassenbeiträge für Rentner sowie Verteuerung der Rezeptgebühr und des Spitalsaufenthaltes – quasi als Draufgabe für die Klima-Visionen, für die Klima-Lüge Nr. 3.

Damit bin ich bei der Budgetlüge Nr. 4! Bei diesen Aussichten – vor allem im Sozialbereich –, und den schon jetzt zur Beschlußfassung anstehenden massiven Eingriffen wird wohl niemand


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der Überzeugung sein, daß der folgende Satz aus Ihrer gestrigen Budgetrede auch nur annähernd Realität werden wird, nämlich: "Trotz der notwendigen Anpassungen wird der soziale Standard in Österreich in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre höher sein als zu Beginn der Dekade." – Bis zum Ende der neunziger Jahre werden sich die Parameter der österreichischen Wirtschaft leider so verschlechtert haben, daß ein struktureller Wandel dieser Wirtschaft leider nicht mehr möglich sein wird.

Es ist auch bezeichnend, wie leichtfertig diese Regierung Vranitzky V, vor allem Neo-Finanzminister Klima, mit dem Thema Insolvenzen umgeht. (Abg. Dr. Sonja Moser spricht mit Bundesminister Mag. Klima. – Ruf bei den Freiheitlichen: Der hört überhaupt nicht zu! – Abg. Scheibner: Laß ihn eimal ausreden, du störst den Minister bei seinem Gespräch!)

Ich möchte den Herrn Minister wirklich nicht stören, aber ich meine, Sie sitzen immerhin in einer Regierung, Herr Minister, und da können Sie wirklich auf eine anderen Art und Weise darüber reden. (Abg. Mag. Posch: Das ist eh im Stenographischen Protokoll nachzulesen, was Sie sagen! Sie sind so anerkennungssüchtig!)

Ich habe Ihnen schon gesagt, woher diese Bemerkungen meistens kommen: aus Ihrer Ecke – das paßt zu Ihnen, Herr Posch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, hinsichtlich Ihrer Person, Herr Kollege Posch, gibt es auch eine schöne Liste von Privilegien. Daraus sollte man vielleicht zitieren, aber vielleicht macht das dann ein Nachredner von mir. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. )

Ja, zum Beispiel. – Es ist ja gescheit, daß man das System aufrechterhält, damit die Privilegien noch ein bißchen bestehen bleiben. Sie gehen auch über die Entwicklung der Insolvenzen einfach hinweg: 1995 hatten wir eine Schadenssumme in Höhe von 63 Milliarden Schilling aus den Insolvenzen – zum größten Teil für die österreichische Volkswirtschaft unwiederbringlich verloren. Bei einem Wertberichtigungsbedarf in der Größenordnung von etwa zwei Dritteln ergibt das für den Finanzminister einen Schaden – nur aus den direkten Ertragsteuern! – in Höhe von 14 Milliarden Schilling.

Daß die Insolvenzen des Jahres 1995 noch nicht alle waren, sondern daß es 1996 weitergehen wird, sagen nicht nur die Oppositionsparteien. So zum Beispiel hat der Chefredakteur der "Salzburger Nachrichten" Barazon im Herbst in der Sendung "Zur Sache" prognostiziert, daß der Höhepunkt in bezug auf Firmenpleiten in Österreich 1995 noch nicht erreicht sei und für 1996 und 1997 viel Ärgeres zu befürchten sei.

Aber Sie von den Regierungsparteien ignorieren das einfach. Es gibt keinen Strukturwandel in der österreichischen Wirtschaft. Es wird nichts geändert dahin gehend, daß überholte, nicht mehr zeitgemäße Unternehmungen in neue, zukunftsträchtige Geschäftsfelder einsteigen.

Der Strukturwandel bei uns in Österreich führt lediglich dazu, daß jährlich volkswirtschaftliches Vermögen, nämlich 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – Tendenz steigend –, vernichtet wird und die freigesetzten Arbeitskräfte auf einem Arbeitsmarkt landen, auf dem es keine Perspektiven gibt.

Herr Finanzminister! Als "worst case" haben Sie eine Arbeitslosenrate von 7 Prozent bezeichnet – das wird höchstens ein Mittelwert sein, die Spitzenwerte werden das bei weitem übersteigen.

Aber Sie ignorieren alle Alarmsignale: Der Insolvenzentgeltausgleichsfonds ist mit 6 Milliarden Schilling verschuldet; er ist fast pleite, und Sie werden versuchen, auch für diesen Fonds durch sogenannte Querfinanzierung aus noch solventen Fonds Mittel bereitzustellen – wie es vor Jahren, damals waren Sie, Herr Minister Klima, noch nicht in der Regierung, die rot-schwarze Koalition gemacht hat, als man den Familienlastenausgleichsfonds ausgeräumt hat. Und jetzt sagt man den Familienlastenausgleichsfonds betreffend: Es ist nicht möglich, die Familien dahin gehend zu unterstützen, daß auch kinderreiche Familien die Möglichkeit haben, in Österreich weiterzukommen. – Das ist Ihre Art von Politik!


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Sie versuchen nicht, ein klares Budget zu erstellen, sondern Sie versuchen lediglich eine Ausgliederung von Verbindlichkeiten und Schulden, um das vor den Bürgern zu verstecken.

Herr Finanzminister Klima! Sie sollten sich etwas einfallen lassen, wie man den sozialen Folgen von Konkursen beziehungsweise Ausgleichen entgegentritt. (Abg. Edler: Schattenminister!) Die Bundesregierung ist in den letzten zehn Jahren daran gescheitert – sie wird auch in den nächsten Jahren immer wieder daran scheitern –, diese Folgen auszugleichen beziehungsweise abzuschwächen. Das einzige, das Ihnen immer wieder eingefallen ist, sind Steuererhöhungen, neue Geldquellen durch Quersubventionen, außerbudgetäre Finanzierungen – die solventen Fonds sollen jetzt angeknabbert werden –, aber diese Bundesregierung ist nicht in der Lage, einen tiefen strukturellen Schnitt vorzunehmen. Ihnen ist es viel lieber, kurzfristig Löcher zu stopfen und so die Politik Vranitzky – Schüssel – Ditz – Klima in den nächsten Jahren fortzusetzen.

Genau dieser Weg führt aber in die falsche Richtung, und zwar deshalb, weil Sie damit bewirken werden, daß es zu einer Verschärfung der Rezession kommt – weil der Insolvenzentgeltausgleichsfonds pleite ist, weil die Sockelarbeitslosigkeit durchschnittlich 7 Prozent und mehr betragen wird und weil der freie Handlungsspielraum für zukünftige Budgets immer geringer wird. (Zwischenruf des Abg. Edler. )

Der freie Handlungsspielraum wird immer geringer – das stellt auch der Direktor des Instituts für Höhere Studien fest. Prof. Felderer sagte: Bisher war es so, daß das Milliarden-Füllhorn der öffentlichen Förderungen immer in die Industrie gegangen ist. Man hat die starke kleine und mittelständische Wirtschaft, die sehr viel für die Bereitstellung von Arbeitsplätzen gemacht und viel aus eigenem Engagement und Risiko in Österreich betrieben hat, vernachlässigt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edler: Machen Sie einen Vorschlag.)

Hätte man diese Förderungen nicht nach dem Gießkannenprinzip nur der Industrie gegeben, um dann "Industriefriedhöfe" zu erhalten, sondern mittleren und kleineren Betrieben übelassen, wäre eine Struktur entstanden, wodurch man in der Lage gewesen wäre, den Konkurrenzanpassungsdruck seit dem EU-Beitritt zu bewältigen. Aber Sie haben diese Unternehmen nur vor Probleme gestellt. (Abg. Dr. Nowotny: Zusperr-Strategie!)

Das ist keine Zusperr-Strategie! – Das, was ich soeben gesagt habe, kommt nicht nur von seiten einer Oppositionspartei, sondern auch vom IHS, von Herrn Dr. Felderer, der immerhin der Leiter dieses Instituts ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Es ist trotzdem nicht richtig! – Abg. Dr. Haider: Herr Nowotny lernt ja nichts mehr dazu!)

Aber Professor Felderer ist ja nicht der einzige, der diese Dinge bekrittelt. Auch der Innsbrucker Rektor Universitätsprofessor Christian Smekal warnt und sagt, daß diesmal die Sanierung des Budgets kein Schwindel sein darf, obwohl alle Anzeichen erneut in diese Richtung gehen. Er stellt fest, daß angesichts des erwarteten abgeschwächten Wirtschaftswachstums die Budgetsanierung nur möglich ist, wenn die Gesamtausgaben des Bundes in dieser Zeit über alle Bereiche hinweg nominell um rund 2 Prozent sinken. Da aber die dynamischen Ausgabenblöcke wie öffentliche Besoldung, Soziales und vor allem die Zinsen für die Staatsschuld um mehr als 5 Prozent steigen werden, ist das Sanierungsziel der Koalition in hohem Maße unwahrscheinlich.

Es ist daher die Gefahr nicht auszuschließen – so Smekal weiter –, daß es in den kommenden zwei Jahren zu einem Schwindelbudget kommen wird, mit einem Maximum an budgetexternen Schuldenfinanzierungen und unrealistischen Privatisierungserlösen.

Professor Smekal ist sicher kein Freiheitlicher; er ist eher, glaube ich, der ÖVP-Reichshälfte zuzuordnen. (Abg. Ing. Meischberger: Warum glaubt du das?) Ich glaube, mit dem sollten Sie sich eher auseinandersetzen. – Warum ich das glaube? Weil Smekal einer derjenigen aus der Österreichischen Volkspartei ist, die nicht mehr mit anschauen können, daß diese Partei ständig Schwindelbudgets mitträgt, weil er der Meinung ist, daß es so nicht mehr weitergehen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Die Finanzierungsprobleme gehen ja weiter: im Bereich der Bahn, des Familienlastenausgleichsfonds und der ASFINAG. Aber diese Aktionen, die bereits von Staribacher angedroht wurden – Auslagerung der Schulden – und nun von Klima fortgesetzt werden sollen, stellen ja keine Budgetkosmetik mehr dar. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was Sie hier machen, sind Panikaktionen sondergleichen!

Das glaubt Ihnen doch kein Mensch mehr! Sie können diese Dinge nicht mehr verschachteln!

Gestern haben Sie in der Budgetrede erwähnt, es handle sich nur um 4,7 Milliarden Schilling an Privatisierungserlösen. Auf der anderen Seite sagen Sie aber, Sie wollen die CA, den Flughafen Wien und die Bundesanteile an der Bank Austria privatisieren. Das hat nichts mit Vorsicht zu tun. (Bundesminister Mag. Klima: Oja!) Was tun Sie denn mit dem Geld? (Bundesminister Mag. Klima: Spielraum!) Erklären Sie das einmal. Werden zuerst Schulden ausgegliedert, die Sie dann mit der Privatisierung refundieren wollen? Was machen Sie da? Wir hätten schon ein Anrecht darauf, daß Sie uns hier die Wahrheit sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie müssen auch einmal einsehen: Es geht einfach nicht mehr, so starr zu denken und zu sagen: Wir sind eine Insel der Seligen, uns kann ohnehin nichts passieren, wir machen unsere Budgetpolitik, wir führen neue Steuern ein, wir führen eine Öko-Steuer ein – unabhängig von sämtlichen Wahlversprechen der Österreichischen Volkspartei, die immer wieder beteuert hat, eine Öko-Steuer werde nur dann eingeführt, wenn sie aufkommensneutral ist. Jetzt stimmt die ÖVP mit dem Minister überein und rechtfertigt sich: Wir verwenden sie ja nur zur Budgetsanierung beziehungsweise zum Stopfen von Budgetlöchern.

Herr Finanzminister! Mit dieser Budgetpolitik werden Sie sicherlich nicht weiterkommen. Das Budget, das Sie hier erstellt haben, ist kein Konsolidierungsbudget! Das ist höchstens ein Panikbudget, das die Fortsetzung des Weges in die falsche Richtung bedeutet. Sie wollen nicht große Entwürfe verwirklichen, sondern Sie wollen kontinuierlich die derzeitigen Verhältnisse weiteradministrieren: Es soll sich nichts ändern am System, es soll alles gleich bleiben wie es ist. Klubobmann Kostelka hat das bei der Regierungserklärung hier so schön formuliert, als er meinte: Sparen ja, aber das System wollen wir auf alle Fälle erhalten.

Das ist Ihre Einstellung! Sie wollen Ihre "Pöstchen" sichern, Sie wollen die Privilegien nicht angreifen: weder in den geschützten Bereichen, noch in der Notenbank und schon gar nicht in Ihren eigenen Bereichen.

Das erwartet hingegen die Bevölkerung! Sie will nicht nur sinnlose, sture Steuererhöhungen, sondern die Bevölkerung ist offen für Strukturänderungen, für Perspektiven für die Zukunft. Die Bevölkerung wäre jetzt dazu bereit, aber sie wird 1998 nicht mehr dazu bereit sein, wenn sie das Gefühl hat, daß sie eineinhalb Jahre lang wiederum nur angelogen wurde. – Daß die Bevölkerung aber angelogen wird, zeigen ja Aussagen mehrerer Wirtschaftspolitiker. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf in diesem Zusammenhang auf einen Artikel von Christian Ortner in der "WirtschaftsWoche" hinweisen, der Stellung nimmt zu den Strukturänderungen, die Sie und der Herr Bundeskanzler vorhaben. Er schreibt – ich zitiere –:

Es braucht schon ein ordentliches Maß an politischer Einfalt, von dieser Regierung einen nennenswerten Plan darüber zu erwarten, wie Österreich durch substantielle Veränderungen seines politisch-ökonomischen Systems für die außerordentlichen wirtschaftlichen Herausforderungen der nächsten Jahre kampfstark gemacht werden soll. Es widerspräche ja der Politik des Moderierens geradezu diametral, einen derartigen Plan vorzulegen.

Christian Ortner hat das genau getroffen. Es ist wirklich bemerkenswert, mit welcher Konsequenz und Perfektion die Veränderung bis ins kleinste Detail verweigert wird.

Ortner schreibt weiter: Wenn wir im Arbeitsprogramm des Kabinetts Vranitzky V etwa lesen: "Die Ladenöffnungszeiten sind unter Einbeziehung der Sozialpartner bedarfsgerecht zu gestalten", dann wissen wir genau, was zu erwarten ist: Es wird nichts passieren.


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Wenn wir im gleichen Papier ein paar Seiten weiter lesen, daß der Zugang zur gewerblichen Tätigkeit zu erleichtern ist, dann frage ich Sie: Wie lange ist der schon zu erleichtern?

Der frühere Wirtschaftsminister Schüssel und der jetzige Wirtschaftsminister Ditz haben ständig bekundet: Die Rahmenbedingungen sollen erleichtert werden. (Abg. Mag. Haupt: Und der Herr Minister Graf!) Es soll strukturelle Veränderungen geben. Schon Minister Graf hat das immer gesagt. Richtig, Herr Kollege Haupt. Aber passiert ist gar nichts.

Ortner schreibt weiter: So wie die Regierung an diese Sache herangeht, ist das eher zu vergleichen mit dem Tempo einer fußversehrten Schildkröte unter dem Einfluß einer beachtlichen Menge von Rohypnol. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Das heißt, Sie wollen nach dem Motto vorgehen: "Keine Reformen durchgehen lassen, nur das System erhalten."

Auch Rechnungshofpräsident Fiedler hat das Ganze auf den Punkt gebracht. Auch er drängt zu strukturellen Veränderungen. Viele Reformen, so Fiedler, wurden in den letzten Jahren versäumt beziehungsweise nicht rechtzeitig durchgeführt. – Sie tun aber heute so, als wären Sie schuldlos. Herr Höchtl kommt hier heraus und sagt: Jetzt machen wir alles besser. Alles was bisher war, interessiert keinen Menschen. – So eine Märchenstunde habe ich überhaupt noch nie gehört!

Herr Präsident Fiedler meint, es gäbe jetzt die Hoffnung, daß nun alles besser wird, daß es im Verwaltungsbereich zu einem Abspecken der Verwaltung kommen würde – aber nicht deshalb, weil den Regierungsparteien eine Erleuchtung gekommen ist, sondern deshalb, weil die finanziellen Mittel nicht mehr da sind, weil die Finanzknappheit so groß geworden ist, daß man wirklich sparen muß. Dr. Fiedler sagt ganz eindeutig, was er von diesem Sparpaket hält: Es ist unausgewogen, durch die massiven Versäumnisse der letzten Jahre ist diese Bundesregierung stark unter Druck geraten, und sie versucht nun mit allen Mitteln, die Deadline für 1998 zu erreichen.

Sie haben Notmaßnahmen ergriffen – das ist kein strukturelles Budget! –, die undifferenziert Einsparungsmaßnahmen verlangen und laut Fiedler fahren Sie über alles wie mit einem Rasenmäher drüber. Das ist keine strukturelle Änderung!

Allerdings ist es so, daß wir jetzt im Nationalrat über zwei Budgets abstimmen sollen, die überhaupt keine Perspektiven aufzeigen. Die Bürger werden lediglich über Gebühr belastet, es gibt keine strukturellen Verbesserungen, die Wirtschaft wird nicht gestärkt. Im Gegenteil: Durch die Maßnahmen, die Sie ergreifen, durch diese begleitenden Strukturanpassungsgesetze, wird leider die Rezession noch so verschärft werden, daß sich das Problem sicher über die magische Jahreszahl 1998 hinausschieben wird. Es wird sich in der Form hinausschieben, daß Sie 1998 wieder mit einem einnahmenseitigen Notprogramm agieren werden müssen und wieder per "Rasenmäheraktion" über die österreichische Bevölkerung drüberfahren werden.

Herr Bundesminister! Sie haben nur die eine Maxime im Kopf – genau wie Ihr Vorgänger Lacina; von Staribacher haben wir diesbezüglich gar nichts gehört, der hat nicht einmal ein Budget zustandegebracht –: Wie bekomme ich möglichst schnell Steuermittel, um ein überholtes System so lange wie möglich am Leben zu erhalten, solange ich an der Macht bin? – Das ist Ihr einziges Ziel! Was die österreichische Bevölkerung, was die Masseneinkommen und die österreichische Wirtschaft, was die Klein- und Mittelbetriebe betrifft, das ist Ihnen völlig egal! Sie fahren einfach über alles drüber.

1996 führen Sie eine Umstellung der Berechnungsgrundlage des 13. und 14. Monatsbezuges ein, erhöhen die Mindestsätze für die Körperschaftssteuer auf 50 000 S. Sie kommen mit einer Sistierung des Freibetragsbescheides, mit einer nicht aufkommensneutralen Energiesteuer, mit massiven Kürzungen im Sozialbereich, mit Streichung des Verlustvortrages, Abschreibungsverlängerung und damit Erhöhung der Bemessensgrundlage für die Steuern, damit Sie sogenannte Scheingewinne besteuern können; das sind Ihre Intentionen. Aber sonst haben Sie leider keine Philosophie!


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Diese Bundesregierung geht leider diesen Weg, daß sogar das Steuerrecht auf der Spielwiese dieser Regierungspolitiker ausgetragen wird; auch die Rechtsunsicherheit wächst. Mittels Verfassungsbestimmungen wollen Sie auch den schlüssigen Aufbau des Steuersystems sowie die Steuerkontinuität ad absurdum führen.

Allein die Bestimmungen des Investitionsfreibetrages haben Sie in den letzten fünf Jahren viermal geändert! (Abg. Dr. Haider: Das ist ein Faktum!) Es ist doch kein Vertrauen mehr da! Was soll denn ein Investor, der in Österreich investiert, von Österreich halten, wenn Sie die Rahmenbedingungen ständig ändern? – Er wird natürlich nicht mehr in Österreich investieren.

Aber nicht nur die Steuerkontinuität ist gefährdet. Sie wollen jetzt mit diesen Strukturanpassungsgesetzen die Bundesverfassung so behandeln, daß diese im Hinblick auf die Budgeterstellung keine Gültigkeit mehr hat. Denn anders ist es nicht zu erklären, daß gerade im Einkommensteuergesetz 20 Maßnahmen beschlossen werden sollen, von denen die Kammer der Wirtschaftstreuhänder der Überzeugung ist, daß diese verfassungswidrig sind. Sie sollen, wie der Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder kritisierte, als Verfassungsbestimmungen beschlossen und so der nachfolgenden Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof entzogen werden. Diese Vorgangsweise veranlaßt Herrn Kammerpräsidenten Klaus Hübner – wörtlich! –, "alle demokratisch Gesinnten, denen an den Grundprinzipien unseres Staates gelegen ist, aufzurufen, sich deutlich gegen diese Vorgangsweise auszusprechen". (Ruf bei den Freiheitlichen: Und die ÖVP macht mit!)

Sie wollen das umgehen. Der Gesetzgeber will vor allen Dingen das Prinzip des Rückwirkungsverbots von Gesetzen umgehen, denn wenn Sie keine Verfassungsbestimmung machen, dann können Sie die Gesetze nicht rückwirkend einführen – und das würde Ihren Griff in die Steuersäckel der österreichischen Bürger beziehungsweise Bürgerinnen wieder arg unterminieren. (Zwischenruf des Abg. Edler. – Abg. Dr. Haider: Du hörst nicht zu, das ist dein Problem! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Edler. )

Herr Finanzminister! Daß es so nicht weitergehen kann, sagte Präsident Hübner auch, indem er ausführte: Wir sind zwar miteingebunden gewesen in die Gespräche über die Maßnahmen für dieses Sparpaket, aber es war nicht davon die Rede, daß es rückwirkende, verfassungswidrige Maßnahmen gibt. (Abg. Edler: Herr Kollege Trattner! Machen Sie Vorschläge!) Da gibt es ein völlig kontraproduktives Verhalten Ihrerseits!

Auch der Innsbrucker Steuerrechtler Doralt bringt Ihre Fiskalpolitik auf einen Punkt. Er meinte – ich zitiere –: Der einzelne Steuerpflichtige ist dem Chaos der "Reformer" ausgeliefert. Es gibt weder Vereinfachungen noch wurden Privilegien beseitigt. Eine große Chance wurde vergeben. Hier haben nicht nur die Politiker versagt, sondern auch die Beamten des Finanzministeriums.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß es hier zu einem Kahlschlag quer durch die gesamte österreichische Bevölkerung kommt, und zwar ohne Rücksicht auf irgendwelche begleitende Maßnahmen. Das wird nicht nur von den Oppositionsparteien kritisiert, sondern auch vom Präsidenten des Rechnungshofes, von Universitätsprofessoren, von Leuten, die nicht der freiheitlichen Partei, sondern die dem roten beziehungsweise dem schwarzen Lager nahestehen, die jedoch nicht mehr mitanschauen können, welche Budgetpolitik Sie da betreiben wollen. Sie werden mit dieser Budgetpolitik keine Lösungen schaffen!

Sie haben immer wieder beteuert – es ist das auch in der Regierungserklärung Vranitzky V gesagt worden –, man müsse den Mut zur Wahrheit haben. – Den Mut zur Wahrheit hätte ich von Ihnen hier einmal erwartet; gestern bei der Budgetrede zum Beispiel. Den Mut zur Wahrheit, daß Sie gesagt hätten, wie der Budgethaushalt wirklich aussieht und wie es in Zukunft weitergehen soll.

Aber da Sie und der Herr Bundeskanzler im Zuge der Debatte über diese Regierungserklärung das Wort "Mut" immer wieder in den Mund genommen haben, darf ich Ihnen einen Satz von Alfred Herrhausen in Erinnerung rufen. Herrhausen kritisiert die auch in Österreich ausgebrochene "Unter-uns-gesagt-Gesellschaft", in der immer öfter Wahrheiten unterdrückt werden,


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die dann mit der Zeit giftig werden. Das ist das Gefährliche! Sie werden unterdrückt und werden dann giftig. Um das zu verhindern, fordert er folgendes – ich zitiere –:

Es bedarf Mutes, unpopuläre Wahrheiten auszusprechen und nicht zu unterdrücken, übertriebene Hoffnungen zu senken und nicht zu stimulieren, keine Versprechungen zu machen, die man hinterher nicht einhalten kann.

Das Kabinett Vranitzky V mit seinen sogenannten zwei Belastungsbudgets beziehungsweise Panikbudgets verstößt massiv gegen all diese Postulate. Die Folgen sind absehbar: weitere Verschlechterung der Staatsfinanzen, weiterer Kahlschlag im Sozialsystem, eine weitere Belastungswelle für die Bürger und keine Möglichkeit für die österreichische Wirtschaft, die erforderlichen Maßnahmen für einen strukturellen Umbau zu setzen.

Mit dieser Budgetpolitik, Herr Finanzminister, verwalten Sie Österreich leider zu Tode, und mit der zu erwartenden Beschlußfassung der vorliegenden Bundeshaushalte verlegen Sie leider den "Patienten Österreich" in die Intensivstation für praktisch hoffnungslose Fälle. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haselsteiner. Er hat das Wort. (Abg. Dr. Haselsteiner bringt die Regierungsvorlagen betreffend Strukturanpassungsgesetz mit zum Rednerpult. – Rufe bei der FPÖ: Einen Träger! – Abg. Dr. Haider: Das ist das erste Mal in deinem Leben, daß du selber arbeitest!) Wenn Sie uns das zeitgerecht gesagt hätten, hätten wir natürlich einen Mitarbeiter zur Verfügung gestellt, damit Sie sich nicht plagen müssen. (Abg. Dr. Khol: Kollege Haselsteiner! Sie brauchen es nicht vorzulesen, wir haben es ja erarbeitet! – Abg. Dr. Haselsteiner: Ich komme darauf zu sprechen!)

10.14

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat gestern die Abgeordneten dieses Hauses eingeladen, konstruktiv, zielstrebig beim Zustandekommen des Budgets der Jahre 1996 und 1997 und der dazugehörigen Begleitgesetze mitzuwirken. – So weit, so gut.

Am gleichen Tag ist dieser Stoß Papier gekommen. Zu Ihrer Information: Er ist knapp einen halben Meter hoch und wiegt 22,4 Kilogramm. Es wurde uns gesagt: Bitte schön, das hier sind die Unterlagen.

Meine Damen und Herren! Jetzt müssen wir uns doch einmal darüber unterhalten, wie denn eine solche Einladung zu konstruktiver Mitarbeit verstanden werden soll? (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Freiheitlichen. – Rufe bei den Freiheitlichen: Das ist Verhöhnung!)

Ich, Herr Bundesminister, kann das nur als Hohn oder als Floskel verstehen. (Abg. Mag. Haupt: Richtig!) Ernstgemeint kann eine solche Einladung nicht sein – nicht für einen Oppositionspolitiker, und darüber hinaus, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, auch für Sie nicht! Höchstens für eine Handvoll von Ihnen, die sich im Vorfeld des Entstehens dieses Papiers bereits mit dieser Materie beschäftigen konnten, und die vielleicht aufgrund der einen oder anderen persönlichen Beziehung zu den Denkenden und daran Arbeitenden hiefür einen Vorsprung an Wissen und Kenntnis hatten.

Alle übrigen – auch Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! – sind, so wie die Oppositionspolitiker, lediglich Statisten dieses Hauses – und sonst gar nichts mehr! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Das ist doch gar nicht wahr!)

Herr Bundesminister! Ich darf Sie auch darauf aufmerksam machen – und Sie könnten es uns ja ruhig gestehen –, daß Sie in der Begutachtung dieser Gesetzeswerke großen Schwierigkeiten begegnet sind. Es gibt ja Gebietskörperschaften, die die Begutachtung verweigert haben, und zwar mit dem Hinweis, es sei das nicht seriös, weil in der vorgegebenen Zeit von drei oder sieben Tagen schlicht und einfach nicht. – Ich halte das für einen berechtigten Einwand. Es ist


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nicht möglich, unter derartigen Rahmenbedingungen und unter einem derartigen Zeitdruck seriös Politik zu machen und seriös mitzuarbeiten.

Ich glaube, Herr Bundesminister, Sie haben nicht umsonst die beklagten Eingriffe und die beklagten Rückgriffe auf verfassungsändernde Bestimmungen, auf rückwirkende Gesetze gewählt: Sie hätten das sonst selbst nicht zustandegebracht und diese Wirkung nicht erzielt. Darin steckt ja die gesamte Problematik: Wenn wir glaubhaft in diesem Parlament Politik machen wollen, dann dürfen wir uns diese Vorgangsweise nicht unwidersprochen gefallen lassen! (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Freiheitlichen und bei den Grünen.)

Ich weiß schon, sehr geschätzter Herr Kollege Nowotny, daß Sie sagen, das sei eine Sondersituation – Kollege Höchtl hat das viel weniger fachmännisch als Sie, aber auch gesagt, aber, wie ich glaube, etwas anderes gemeint –, aber ich darf Sie darauf aufmerksam machen: Die "Sondersituation" ist ja schon eine permanente, eine Dauersituation.

Sie haben das letzte Mal Stein und Bein geschworen, es werde nicht mehr vorkommen, es werde nie mehr ein Entwurf eines Budgetbegleitgesetzes in einem Ausschuß diskutiert, auch wenn er noch so strukturiert sei, sondern dort, wohin das gehört: in die Fachausschüsse, in denen Abgeordnete mit Fachkenntnissen darüber beraten können.

Heute machen Sie dasselbe mit dem doppelten Volumen und in der halben Zeit. (Abg. Scheibner: Mit dem doppelten Zeitdruck!) Ich muß sagen: Das geht nicht! Sie überfordern uns, Sie überfordern aber letztendlich auch Ihre eigenen Kollegen, und Sie überfordern das Parlament und damit die Qualität der österreichischen Politik! (Beifall beim Liberalen Forum sowie Beifall des Abg. Blünegger. )

Wir haben drei Tage Zeit, über die Budgetbegleitgesetze zu diskutieren, und wir haben drei Tage für die Diskussion des Budgets im Unterausschuß Zeit. Ihre eigenen Kollegen, Herr Nowotny und Herr Stummvoll, bezeichnen das als hellen Wahnsinn. Nicht wir, sondern Ihre eigenen Kollegen sagen: Das geht nicht! Das ist heller Wahnsinn!

Meine Damen und Herren! Wenn Sie nicht nur Sozialpartner sind, sondern zu Ihrem Abgeordnetenmandat – am echten Machtpol dieser Republik – stehen, dann können Sie hier nur schweigend mit dem Kopf nicken – oder Ihr Mandat zurücklegen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister Klima! Es wäre mir wesentlich lieber gewesen, Sie hätten die Wahrheit gesagt – wir hätten durchaus Verständnis, weil wir glauben, daß wir die schwierige Situation der Republik und der Budgeterstellung gleich einschätzen –, wenn Sie also gesagt hätten: Wir haben ein Notprogramm, und wir müssen das unter Zeitdruck durchpeitschen, wir brauchen daher kleine Teams und viele Helfer – so haben Sie es ja auch gemacht, professionell –, wir wollen daher keine Mitwirkung des Parlaments beziehungsweise eine solche ist jetzt einfach nicht möglich, dann hätten Sie sich die Floskel dieser Einladung zur Mitarbeit sparen können. Diese erscheint ja auch deshalb in einem besonderen Schlaglicht, weil der Herr Bundeskanzler bereits am 27. Februar gesagt hat, das Parlament werde das ohne Änderungen – ich verweise auf diesen knappen halben Meter Papier – beschließen. Am 27. Februar, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, hat der Herr Bundeskanzler das bereits gesagt!

Dr. Vranitzky hat – auch nicht überraschend – dazugesagt: Oppositionelle Änderungswünsche werden in diesem Parlament keine Mehrheit finden. – Das ist die wahre "Einladung" zur Zusammenarbeit, meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Sie sollten nur den Mut haben, das auch so und nicht anders auszudrücken. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich kann die heurige Budgetdebatte und alles, was mit dem Budget, was mit der Budgeterstellung zu tun hat, nicht ohne einen hundertfach genannten Ausdruck, nämlich den des Schwindelbudgets ablaufen. Dazu war diese "Auflage" des Herrn Vizekanzlers Schüssel im Zuge des Wahlkampfs einfach zu schön. Dieser Ausdruck war auch deshalb so rasch im Volksmund verankert, weil er erkennbar der Wahrheit entsprochen hat. Das war kein Versprecher, das war keine falsche Wortwahl, sondern dem


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Herrn Vizekanzler ist das herausgerutscht, was er selbst auch wirklich gemeint hat. Er hat tatsächlich "Schwindelbudgets" gemeint, und ich bin davon überzeugt, er hat gewußt, wovon er spricht.

Wir kennen sie alle, diese Schwindelbudgets. Sie sprechen darin von Budgetdefiziten von 90 Milliarden, und es werden 120 Milliarden Schilling. Sie sprechen von 102 Milliarden Schilling, und es werden 118 Milliarden Schilling und ähnliches mehr. Das alles, meine Damen und Herren, bereits nach Anwendung aller in der Kameralistik erlaubten – und daher selbstverständlich auch möglichen – Tricks. Ich bin nicht gegen diese Darstellung, Herr Sektionschef und meine Damen und Herren von den Beamten, ich bin nur der Meinung, man sollte auch darauf hinweisen, wie man es gemacht hat – es sei denn, Sie haben die Absicht, uns dumm sterben zu lassen. Aber da muß ich Ihnen sagen: Ganz so dumm sind wir dann vielleicht doch wieder nicht und finden den einen oder anderen Hinweis.

Sie schreiben in Ihrem Budgetbericht 1996, es gäbe zwar eine Überschreitung – Sie erinnern sich, meine Damen und Herren: 102 Milliarden Schilling, sonst geht Lacina, hat es geheißen; herausgekommen sind 117 Milliarden Schilling, und Lacina ist trotzdem gegangen –, aber das wäre gar nicht so schlimm, denn es seien ja 15 Milliarden Schilling der Rücklage zugeführt worden. Es fehlt allerdings der Hinweis darauf, daß auch 20 Milliarden Schilling der Rücklage entnommen wurden. – Und das sind die Dinge, mit denen ich Probleme habe, weil ich Ihre Motive nicht erkenne, diese Darstellung den Abgeordneten gegenüber so zu machen. Entweder sollen die Abgeordneten nicht draufkommen, also dumm "sterben" oder Sie wollen eine ganz bestimmte unrichtige Außenwirkung erzielen.

Meine Damen und Herren! Natürlich ist es ein Problem, wenn ein Budget – respektive zwei Budgets in diesem Fall – von unrealistischen Wirtschaftswachstumsraten ausgeht. 1,6 Prozent und 1,2 Prozent werden – das wissen Sie schon längst, so wie wir es wissen, denn Ihre Experten sagen es Ihnen und haben es Ihnen schon oft genug gesagt – nicht gehalten werden können, sondern es ist bestenfalls ein halbes Prozent drinnen. Und dazu müßten wir uns, glaube ich, noch gratulieren, denn dann wäre das Schlimmste für 1996 an uns vorbeigegangen.

Jetzt sagt der Herr Bundesminister für Finanzen, das sei gar nicht so schlimm, denn pro einem Verfehlen von 0,3 Prozent in der Einschätzung des Wirtschaftswachstums sei das Nettodefizit nur mit 0,06 Prozent beeinflußt, und das wäre sozusagen verkraftbar. Herr Bundesminister! Ich glaube, Sie, Ihre Experten und Ihre Beamten wissen, daß diese 0,06 Prozent nicht stimmen werden. Wenn wir das Wirtschaftswachstum tatsächlich um einen Prozentpunkt verfehlen – und das ist durchaus realistisch, das ist keine Panikmache, meine Damen und Herren, sondern das ist eine Feststellung, und ich glaube, es ist immer gut, wenn man der Realität ins Auge sieht, sich darauf einstellt und sich nicht in einer Sicherheit wiegt, die nicht gegeben ist –, wenn wir 1996, also im ersten Budgetjahr, einen Rückgang des Wirtschaftswachstums von 1 Prozent haben werden, dann werden Sie mit mindestens 0,3 bis 0,4 Prozent Defizitsteigerung rechnen müssen. Da Sie aber so knapp daranliegen, macht es sehr wohl etwas aus, denn Sie haben Ihren vielbeschworenen Spielraum nicht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Sie sind auch großzügig in der Interpretation, was einnahmenseitig beziehungsweise was ausgabenseitig ist. Sie bemächtigen sich ferner eines positiv besetzten Wortes in der Bevölkerung. Die Österreicher waren immer sparsame Leute, und sie sehen das Wort "Sparen" positiv besetzt. Wenn man daher eine politische Maßnahme erkennbar mit diesem Sparwillen verknüpft, dann, so meinen Sie, ist es sozusagen leichter, es wird eher akzeptiert. Daher sagen Sie, zu zwei Dritteln würden Sie ohnehin sparen. – Sie sparen, wie heute schon erwähnt wurde, nicht im Ausmaß von zwei Dritteln, sondern bestenfalls im Ausmaß von 50 Prozent, und die anderen 50 Prozent sind reine Geldbeschaffungsaktionen! Es gibt diesbezüglich in Ihren eigenen Unterlagen Widersprüche, Herr Bundesminister, und daher müssen Sie sich auch in diesem Punkt den Vorwurf "Schwindel" gefallen lassen.

Ein besonderes Thema in diesem Budgetentwurf und auch in Ihrer Budgetrede sind die Privatisierungserlöse. Sie verkaufen sie gleich mehrfach. Auf der einen Seite sagen Sie, Sie hätten nur mit 4,7 Milliarden Schilling gerechnet, es werden aber wohl viel mehr werden. – Ich


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weiß nicht, wie oft ich das jetzt schon gehört habe, ich glaube, das dritte Mal, von Herrn Lacina auch zweimal. Er hat gesagt, heuer ist es noch wenig, aber nächstes Jahr wird es sicher viel mehr werden, denn dann kommen die Projekte eins, zwei, drei, vier, fünf. Daher, Herr Bundesminister, muß ich Ihnen heute sagen: Geben Sie die Privatisierungserlöse doch erst dann hinein, wenn es in der Kassa geklingelt hat – und nicht, wenn die Taube noch auf dem Dach sitzt. (Heiterkeit und Beifall beim Liberalen Forum.)

Aber wenn Sie sie schon hineingeben, Herr Bundesminister, dann müssen wir uns auch darüber unterhalten, was Sie damit tun. Denn eines ist ja ganz klar, meine Damen und Herren: Privatisierungserlöse sind einmalige Erscheinungen. Sie gleichen dem Verkauf des Familiensilbers oder des Hauswaldes. Den kann man einmal schlagen, dann muß man 30 Jahre warten, und dann hat man vielleicht wieder ein Familiensilber. Aber was tun Sie damit? – Sie sagen in Ihrer Budgetrede richtig: Ich mache einen Technologiefonds. Forschung und Technologie: Das wäre ein an und für sich von uns geteilter richtiger Denkansatz. Aber auf einer anderen Seite sagen Sie: Das dient mir ja zur Reserve, zur Abdeckung des Budgetdefizits, sollte wider Erwarten das Wirtschaftswachstum nicht 1,6 Prozent betragen. Was gilt denn jetzt, Herr Bundesminister? (Bundesminister Mag. Klima: Beides!) – Ja, Herr Bundesminister, beides, das ist leicht gesagt. Sie meinen, dann, wenn Sie es nicht für die Abdeckung des Budgetdefizits brauchen, nehmen Sie es für die Forschung und für die Technologie. Ich sage Ihnen: Sie werden es brauchen, und daher wird für Forschung und die Technologie nichts – aber auch schon gar nichts! – übrigbleiben! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Abgesehen davon, Herr Bundesminister, haben Sie auch noch ein anderes Problem; ich möchte es hier nur anreißen. Sie erreichen ein Maastricht-Kriterium nicht, und das ist das der Staatsverschuldung. Es gibt glaubhafte und überzeugende Wirtschaftstheorien, wonach Privatisierungserlöse in erster Linie beziehungsweise ausschließlich zur Absenkung der Staatsschuld zu dienen haben. Das sind ja Schulden, die wir auch haben. Wir haben nicht nur das Vermögen, das wir jetzt verscherbeln, sondern wir haben auch diese Schuldenlast. Sie selbst haben ja in großen Teilen Ihrer Budgetrede darauf hingewiesen, wie gefährlich diese Schuldenlast ist, welche Automatik damit verbunden ist, wie rasch die Zinsen aus dem Ruder laufen können und welche unerwünschten verteilungspolitischen Maßnahmen diese Entwicklung aus Ihrer Sicht mit sich brächte. Sie selbst sagen das, Herr Bundesminister. – Und was die Privatisierungserlöse betrifft, könnten Sie auch darüber nachdenken.

Sie schwindeln in Ihren Budgetansätzen noch in verschiedenen anderen Bereichen. Wenn man Ihre Begleitgesetze durchstudiert – Sie werden es nicht glauben, aber ich habe es getan, ziemlich vollständig sogar; zumindest einmal quergelesen –, dann kommt man drauf, daß Sie auf alte Lacinasche Tricks zurückgreifen. Sie ändern nicht den Gregorianischen Kalender, wie es Herr Minister Lacina getan hat, der auf einmal einen dreizehnten Monat erfunden hat, das tun Sie nicht, aber von der Geisteshaltung und von der trickreichen und phantasievollen Gestaltung her stehen Sie ihm nicht nach. Auch Sie machen Vorgriffe. Sie sagen, Sie streichen dies und jenes einmal für zwei Jahre, dann werde man schon sehen. Hauptsache ist, wir sind 1999 entweder in der Währungsunion oder haben zumindest die Kriterien erreicht.

Das ist machbar, das ist legitim, aber Sie sollten es auch dokumentieren. Ein Unternehmer müßte hier einen Hinweis in seiner Bilanz machen. Sie waren lange genug Finanzvorstand in einem namhaften österreichischen Industrieunternehmen. Sie wissen das, Herr Minister! In diesem Punkt entspricht Ihre Vorgangsweise nicht der wünschenswerten Offenheit und Korrektheit, insbesondere nicht gegenüber diesem Haus, sonst hätten Sie eine Fußnote gemacht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Sie und alle Redner der Regierungskoalition beschwören die "soziale Ausgewogenheit" dieses Pakets. Das ist ein besonderes Kapitel. Sie verstehen jetzt auf einmal unter "sozialer Ausgewogenheit" das Unmöglichmachen einer Bemerkung à la Androsch. Sie sagen, wenn Androsch nicht mehr sagen kann: Mich betrifft es nicht!, dann ist das Paket sozial ausgewogen. Das sitzen Sie aber einem Irrtum auf. Die Summe von sozial ausgewogenen Maßnahmen wäre soziale Ausgewogenheit, aber nicht die beliebige Verteilung von unsozialen Maßnahmen auf verschiedene Bevölkerungs- und Einkommensgruppen. Das ist keine soziale


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Gerechtigkeit, meine Damen und Herren; insbesondere nicht auf Ihrer Seite. (Der Redner weist in Richtung der SPÖ-Bänke.) Das müssen Sie doch wissen oder wenigsten spüren! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie haben seinerzeit nach dem Gießkannenprinzip verteilt; wir haben das beklagt. Aber heute kürzen Sie mit dem Rasenmäher. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen! Er ist richtig, und er kommt nicht nur von der Opposition, sondern von jedem, der sich mit Ihrer Sozialpolitik auseinandersetzt. Sie spüren es auch, Sie merken es, daß das nicht sozial ausgewogen ist, Frau Ederer! Leider Gottes! Und wir spüren das mit Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf der Abg. Mag. Ederer. )

Es ist nach meinem Dafürhalten kein Qualitätsmerkmal dieses Budgets und dieses Budgetbegleitgesetzes, wenn Androsch oder irgendein anderer in dieser Republik sagen muß: Es trifft auch mich. Das ist keine Kategorie, das ist lediglich ein Marketingerfolg: Es geht leichter "eini", wenn es jeden trifft.

Wir wollen ein sozial ausgewogenes Paket, sozial ausgewogene Maßnahmen. Wir laden Sie zum wiederholten Male ein, unser Transfermodell zu studieren, festzustellen, daß es wohldurchdacht, schlüssig und verfassungskonform ist und vor allem sozialer Ausgewogenheit entgegenkommt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Sie sagen hier selbst, selbstverständlich sei das vorliegende Konvolut ein Kompromiß, und Sie betonen die Rolle der Sozialpartnerschaft; wie ich überhaupt feststelle, daß die Sozialpartnerschaft seit dem 17. Dezember 1995 sozusagen eine Renaissance erlebt.

Sie kennen, Herr Dr. Stummvoll, meine Grundhaltung zur Sozialpartnerschaft. Ich nehme an, Sie können und wollen sie nicht teilen, aber ich glaube, das trennt uns nicht so weit, daß wir nicht doch feststellen können: Die Sozialpartnerschaft und die Notwendigkeit, diesen Kompromißweg zu gehen – denn ein anderer wäre nicht erfolgreich –, verhindert auf der anderen Seite die Innovation. Wir müssen uns darüber im klaren sein – Herr Bundesminister Klima wird es wissen –: Wenn wir immer nach dem Kompromiß suchen, wenn wir immer den Weg der Mitte gehen, dann gehen wir früher oder später automatisch und unweigerlich auch den Weg des Mittelmaßes, und zwar als Qualitätsbegriff.

Hier, meine Damen und Herren, haben wir es mit einem Produkt des Mittelmaßes zu tun. Es ist einiges drinnen, Herr Bundesminister, von dem ich sagen kann: Jawohl, da habt ihr euch etwas getraut, verschiedene Punkte habt ihr angeknabbert, aber in toto ist es ein Produkt des Mittelmaßes. Wir werden aber mit Produkten des Mittelmaßes diese Republik nicht erneuern, wir werden sie nicht fit machen, wir werden nicht erreichen, was Sie selbst als Ihre fünf Ziele formulieren. Hiezu brauchen wir kein Mittelmaß, sondern hiefür bräuchten wir Innovation, und die, meine Damen und Herren, wird Ihnen mit diesem System der Sozialpartnerschaft, mit diesem ewigen Kompromissesuchen nicht gelingen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie selbst reden von "Reformen für die Zukunft". Ich möchte nur einige aufgreifen, einige davon mit einem sehr aktuellen Bezug. Ich habe mich heute in der Früh gefreut, als ich gehört habe, daß die ÖVP in der Zwischenzeit das Arbeitszeitmodell von uns Liberalen – zehn Stunden Durchrechnungszeitraum und so weiter – weitgehend auch zu ihrem eigenen gemacht hat. Es freut mich natürlich immer, wenn ich sehe, daß man auch als Oppositionspartei zumindest hin und wieder einen kleinen Gedanken einbringen kann, aber es war gleichzeitig auch desillusionierend – auch wenn ich mich nicht gewundert habe –, die Reaktionen von der SPÖ zu sehen.

Meine Damen und Herren! Das wäre eine der Strukturmaßnahmen: eine dauerhafte, durchgehende Flexibilisierung der Arbeitszeit. Es wäre eine jener Strukturmaßnahmen, die vorzunehmen Sie behaupten, die aber hier (der Redner weist auf einen hohen Stoß Unterlagen auf dem Rednerpult) nicht enthalten sind. Und Sie sehen selbst, daß Sie scheitern werden, denn Frau Reitsamer hat, glaube ich, gesagt – hoffentlich zitiere ich sie richtig –: Eine solche Maßnahme wird im Parlament keine Mehrheit finden. Und deshalb haben Sie sich selbst auch


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keinen koalitionsfreien Raum zugestanden (Abg. Mag. Stadler: Besenkammer!) , damit Sie sozusagen diese "Gefahr" von vornherein ausschalten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das, meine Damen und Herren, sind unsere Probleme. Bei den Strukturreformen sind Sie steckengeblieben. Dasselbe gilt aber auch für die Gewerbeordnung. Das, was Sie, Herr Dr. Stummvoll und Kollegen, an "Gewerbereform" zusammengebracht haben, ist es einfach nicht wert, Strukturreform genannt zu werden. Ein bißchen da, ein bißchen dort! (Abg. Tichy-Schreder schüttelt den Kopf.) Es tut mir leid, Frau Tichy-Schreder, daß es so ist. Sie sollten es auch wenigstens nicht allzu vehement bestreiten, sonst verlieren Sie an Glaubwürdigkeit. (Abg. Tichy-Schreder: Ich werde es Ihnen zeigen! – Abg. Dr. Schmidt: Sie haben es sich nicht einmal vorgenommen!)

Sie haben keine Gewerbereform durchgebracht, und Sie – nämlich Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, die Sie das vielleicht leichter vertreten können – werden sie auch nicht durchbringen, denn so wie bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit das Njet kommt, wird das Njet auch bei der Gewerbeordnung kommen. (Abg. Dr. Schmidt: Sie wollen es ja nicht einmal!) Das kommt darüber hinaus noch dazu: daß Sie es nur predigen, aber nicht wirklich wollen.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Sparen ohne Verwaltungsreform, Sparen ohne Föderalismusreform, und zwar in dem Sinne, daß wir den Budgetvollzug in kleinere, autonome, rechtsfähige oder teilrechtsfähige Einheiten zerlegen, wird nicht funktionieren. Ein Sparen in einem Ministerium von oben herab funktioniert nicht – oder es hat unerwünschte Folgen. Sparen kann man nur dort, wo derjenige, der in der Verantwortung ist, auch erkennen kann, wo die Sparmaßnahme wirksam und wo sie verkraftbar ist. Dort müssen Sie sparen!

Daher müssen Sie nicht stolz sein auf einen Finanzausgleich, den Sie jetzt für vier Jahre verlängert haben. Sie müssen sich schämen, denn Sie haben ein ganz wesentliches Kriterium in dieser Republik wieder nicht angegangen, und dieses Kriterium wäre, auch die Landeshauptleute und auch die Bürgermeister zum Sparen zu verpflichten. Der schönste Job in diesem Land ist der eines Landeshauptmannes. Das wird sogar Herr Dr. Haider bestätigen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Haider nickt mit einer gewissen Skepsis.) Das ist der schönste Job in diesem Land, denn über den Finanzausgleich bekommst du die "Marie" – und dann verteilst du nach eigenem Gutdünken. Und es schert keinen Menschen, daß wir in Kärnten 14 Beamte auf 100 Einwohner haben, obwohl wir es mit acht auch schaffen könnten.

Da sind die Widerstände, gegen die Sie sich nicht zu stellen wagen, da sind die Gruppeninteressen, da sind die Parteiinteressen verankert. Und wenn Sie die nicht aufbrechen, dann werden Sie dieses Land nicht in eine neue Zukunft führen können! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Herr Kollege Haselsteiner! Sie wissen schon, daß die Länder- und Gemeindebudgets auch einbezogen sind!) Lieber Andreas, ich glaube, ich weiß das fast so gut wie du, auch wenn ich nicht Professor in Innsbruck bin. (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Das scheint aber nicht durchzukommen!)

Im Konsolidierungspaket sehen Sie beschäftigungsrelevante Maßnahmen vor und behaupten dann, diese Maßnahmen würden zur Neuschaffung und zur Sicherung von 30 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen führen. – Ich bewundere den Mut und die Courage, daß Sie sich so weit festzulegen wagen.

Wenn ich dem jetzt entgegne und sage: Sehr geehrter Herr Bundesminister, jawohl, damit werden Sie einen Teil der in der Zwischenzeit verlorengegangenen 50 000 Arbeitsplätze wiederherstellen können, was sagen Sie denn dazu? Denn daß wir jetzt permanent Arbeitsplätze verlieren, das können Sie nachlesen, und zwar nicht nur in der Zeitung, sondern auch an den Indikatorenkann man das ablesen. Das, was Sie hier an beschäftigungsrelevanten Maßnahmen vorsehen, stellt bestenfalls wieder jenen Zustand her, den wir vor dieser bedauerlichen Krise, die in Ihrer Verantwortung liegt, hatten. Das ist nichts, worauf man stolz sein kann. Das ist die Mindestaufgabe, der Sie sich stellen müssen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Maßnahmen sind überwiegend bauspezifisch, und daher werden Sie mir, glaube ich, eine gewisse fachmännische Beurteilung in diesem Punkt zutrauen. Das wird uns und die öster


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reichische Bauindustrie bestenfalls auf einem sehr, sehr niedrigen Niveau mit hohen Freisetzungsquoten in der Arbeiterschaft stabilisieren, aber keinesfalls wird es zu zusätzlichen Beschäftigungsimpulsen kommen.

Ich möchte noch einmal, weil es mir ein so besonderes Anliegen ist, auf das Bonus-Malus-System zurückkommen. Auch das, Herr Bundesminister, war in Ihrer Budgetrede enthalten. Ich bitte Sie noch einmal, das zu überdenken. Wir wissen, daß es viele in der SPÖ gibt, die dieses Modell nicht so gewollt haben und die sich ein anderes besser hätten vorstellen können. Ich halte das für ein wirklich unvertretbares und auch unverantwortbares Modell.

Ich glaube, die Unterschutzstellung der über Fünfzigjährigen ist nicht notwendig. Wir über Fünfzigjährigen brauchen keine Unterschutzstellung, wir wollen auch keine Unterschutzstellung. Wir wollen nicht stigmatisiert werden! Herr Stummvoll, ich glaube, da sollten Sie einen anderen Weg gehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Sie haben hier Offensiven, Initiativen und ähnliche Programme angekündigt. Da bitte ich Sie um Einschränkung oder zumindest um die Randbemerkung, daß auch Sie wissen, daß Technologieoffensiven, Exportoffensiven, Beschäftigungsoffensiven nicht oder nur in einem sehr, sehr bescheidenen Umfang von einer Bundesregierung gemacht werden können, sondern daß diese von den jeweiligen Unternehmungen eines Landes gemacht werden müssen. Sie wissen doch, wie viele Milliarden für Technologie und Forschung heute international die Größenordnungen sind, und Sie wissen auch, wo unser eigentliches Problem liegt. Wir haben zuwenig internationale Konzerne; ich vergleiche jetzt nicht mit Deutschland, Frankreich oder anderen, wesentlich größeren Industrienationen, sondern ich stelle den Vergleich mit der Schweiz an. In der Schweiz ist aufgrund der großen Konglomerate, die dort entstanden sind, ein anderes Potential gegeben – und dieses entspricht unserem Gesamtbudget und nicht dem Förderungsteil unseres Budgets; es ist nicht die Rede von 20 Milliarden, auch nicht von 40 Milliarden, sondern von Hunderten Milliarden, die dort heute für Forschung und technologische Erneuerung zur Verfügung stehen. Wir haben dieses Geld bedauerlicherweise nicht. Aber ich wollte nur den Eindruck korrigieren, daß wir nur Offensiven zu starten haben und daß damit alles besser werde.

Ich glaube, wir sollten uns vielmehr darauf konzentrieren, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, daß wir mit großen Innovations- beziehungsweise Forschungsetats ausgestattete Offensiven nach Österreich locken können. Das werden Sie aber nicht zustande bringen können, wenn Sie rückwirkend Gesetze ändern und beliebig Verfassungsbestimmungen einführen, denn damit erschüttern Sie die Glaubwürdigkeit der österreichischen Finanzpolitik, das Vertrauen in die Kontinuität und in die Berechenbarkeit dermaßen, daß Sie jahrelang daran zu kauen haben werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition! Sie sagen: Wir brauchen eine Gründerwelle, wir brauchen Innovation für Unternehmungsgründungen, dadurch würden wir auch das Arbeitsplatzproblem leichter in den Griff bekommen. Da stimme ich Ihnen zu. Wir bräuchten, damit wir auf diesem Gebiet den Durchschnitt der Industrienationen auch in Österreich erreichen, 140 000 Neugründungen, und dann lägen wir im Durchschnitt der OECD-Staaten. 140 000 neue Unternehmungen!

Meine Damen und Herren! Selbst wenn zurzeit die Bedingungen dafür günstig sind, da die Stärkung im Dienstleistungssektor in der volkswirtschaftlichen Entwicklung die Neugründung kleiner Unternehmungen mit wenig Arbeitskräften tendenziell fördert, darf man diese doch nicht durch 50 000 S an Mindestkörperschaftsteuer im Jahr der Gründung gleich wieder umbringen, Herr Minister, denn sonst hat man nichts davon! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Diese vielen Maßnahmen, die Sie nach meiner Interpretation – und da mag ich durchaus irren – deshalb gemacht haben, damit sie jeden treffen und dadurch soziale Ausgewogenheit scheinbar gegeben ist, sind nach meinem Dafürhalten der falsche Weg. Ich glaube, Herr Bundesminister, es ist vor allem mit einem von vornherein aufzuhören, und das


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sollten Sie auch wirklich tun: Sie beschwören, Sie würden den budgetpolitischen Spielraum wiedergewinnen. Herr Bundesminister, ich verstehe das nicht. Sie kommen mit Hilfe Ihrer Fachexperten auf Budgets, die gerade noch den Kriterien entsprechen. Sie haben sich zwar durch Möglichkeiten des Kameralismus ein bißchen Spielraum geschaffen, aber in Wahrheit haben Sie doch nicht mehr Spielraum.

Herr Bundesminister! Sie sollten uns und auch die österreichische Bevölkerung darauf vorbereiten, daß das tendenziell ein Schritt in die richtige Richtung ist, der aber nicht mehr als die Qualität eines Notprogrammes hat und daß alles andere erst zu folgen hat. Sie sollten nicht denselben Fehler machen wie bei der EU-Debatte, wo Sie eine überwältigende Zustimmung bekommen haben und hinterher dann die volle Wahrheit stückerlweise zugeben mußten und zur entsprechenden Frustration der österreichischen Bevölkerung beigetragen haben. Diesen Fehler sollten Sie nicht noch einmal begehen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich glaube, daß es viele Abgeordnete hier im Hause gibt und daß es auch viele Menschen in diesem Land gibt, die Vogel Strauß spielen wollen. Wenn der Herr Abgeordnete Höchtl gesagt hat: Wir von der Österreichischen Volkspartei spielen nicht mehr Vogel Strauß!, dann muß ich ihm sagen: Ja, aber die Augen sind noch vom Sand zugeklebt. Sie haben doch die Wahrheit noch nie gesehen, meine Damen und Herren! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Insgesamt gesehen werden Sie verstehen, daß wir aus mehreren Gründen diesen Budgets unsere Zustimmung verweigern müssen. Wir halten es für unseriös, in der gegebenen Zeit dieses Budget wirklich seriös zu beraten. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß unsere Mitwirkung bei diesem Budget auch insofern nicht erwünscht ist, als von vornherein Änderungswünsche beziehungsweise Anregungen der Opposition nicht zu einer Auswirkung in diesem Paket führen. – Zitat des Herrn Bundeskanzlers vom 27. Feber.

Darüber hinaus haben wir auch schwerwiegende inhaltliche Bedenken. Trotz Attestierung Ihres guten Willens, trotz Attestierung, daß Sie, Herr Sektionschef (der Redner blickt zu den Sitzreihen links vom Präsidium), viel und nächtelang gearbeitet und viel Sach- und Fachverstand eingebracht haben, müssen wir sagen: Dieser Inhalt stimmt nicht mit den Vorstellungen des Liberalen Forums überein. Wir glauben nicht daran, daß Sie Ihre sieben Ziele erreichen werden. Wir glauben, daß Sie vier davon nicht erreichen werden. Sie werden den Wirtschaftsstandort Österreich und damit die hohe Beschäftigung damit nicht nachhaltig sanieren können. Ich will nicht darüber reden, Herr Minister, was passieren würde, wenn dies alles nicht geschehen wäre. Nur: Sanieren werden Sie damit den österreichischen Wirtschaftsstandort nachhaltig nicht. Auch den Staat schlankmachen werden Sie damit nicht.

Ich bestreite vehement, daß es Ihnen gelungen ist, mit diesem Paket den Handlungsspielraum für öffentliche Leistungen in künftigen Budgets zu vergrößern. Das glaube ich Ihnen einfach nicht, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir das bei irgendeiner Gelegenheit vorrechnen würden. Ich sage: Sie kratzen, Sie schrammen gerade an den Vernunftgrenzen von Maastricht vorbei. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich glaube, Sie haben mit diesem Paket, aber vor allem mit der Art und Weise des Zustandekommens und im Vorfeld dieses Pakets die Glaubwürdigkeit der österreichischen Politik nachhaltig beeinträchtigt, sonst müßten Sie sagen: Nein, alles geht, nur nicht rückwirkend und nur nicht mit dem Drüberfahren mit dem Verfassungsknüppel, denn jetzt haben wir die drei Stimmen. Ich darf dich neuerlich daran erinnern, Herr Klubobmann Khol: Gewöhne dich nicht an diese Mehrheit, du wirst sie auch wieder los werden! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich glaube, meine Damen und Herren, daß die Aussage, daß mit diesem Paket der soziale Friede in Österreich nicht gefährdet, sondern garantiert sei, und die Stabilität, die damit einhergeht, gesichert sei, unter den Ereignissen der letzten Tage in einem besonderen Licht zu sehen ist. Ich würde es mir wünschen, daß zumindest dieses Ziel, Herr Bundesminister, für Sie und für diese Bundesregierung erreichbar wäre. Das läge in unser aller Interesse. Ich glaube, daß dann auch die Ziele, die Sie sonst noch anführen: Zinsen, Währungsstabilität, harter


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Schilling et cetera, noch erreichbar wären. Wir können Ihnen zwar alles Gute wünschen, daß die für Österreich wichtigen Entwicklungen so eintreten, wie sie vorhergesagt sind; Ihrem Paket zustimmen und auch die Qualität dieses Pakets bestätigen, das können wir beim besten Willen nicht! – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.49

(Der Redner läßt seine Unterlagen auf dem Rednerpult liegen. – Abg. Dr. Haselsteiner: Der Präsident hat mir angeboten, das hier wegtragen zu lassen, weil ich nicht gewohnt bin, mehr als einmal pro Tag zu arbeiten! – Die Unterlagen des Redners werden von einem Beamten der Parlamentsdirektion weggetragen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer (zu einem Bediensteten der Parlamentsdirektion): Lieber Herr Kollege! Sie werden eine kleine schwache Parlamentsfraktion in diesem Haus unterstützen. Ich danke Ihnen vielmals.

Ich erteile als nächster Frau Abgeordneter Dr. Petrovic das Wort. – Bitte.

10.50

Abgeordnete Mag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Finanzminister hat gestern in seiner Budgetrede – fast möchte ich sagen: selbstverständlich als Sprecher der Regierung in dieser Angelegenheit – diese beiden Budgets über den grünen Klee gelobt und hat leicht kritisch beziehungsweise vorwurfsvoll in Richtung Opposition gemeint, diese Budgets seien notwendig, um ein Notprogramm zu vermeiden. Jetzt ginge dies gerade noch – zwar mit einem schmerzhaften und belastenden Paket, aber sonst wäre wohl ein Notprogramm erforderlich.

Herr Bundesminister, mit Verlaub, da muß ich schon sagen: Wer hat uns denn an den Rand dieses Notprogramms gebracht: diese Regierung oder die Opposition? – Das heißt, da werden Sie sich wohl auch mit etwas Selbstkritik fragen müssen, wodurch diese Situation zustande gekommen ist und weshalb wir vor einer Entwicklung stehen, die bis in das Jahr 1997, also bis in die Zeit Ihrer angeblich so glorreichen Sparbudgets hinein, mit einem wachsenden Anteil der Finanzschuld am Bruttoinlandsprodukt verbunden ist.

Dieser Trend geht nach wie vor nach oben (die Rednerin zeigt eine Graphik vor), und das ist eine Entwicklung, die diese Regierung verursacht hat und die jetzt mit Maßnahmen bekämpft werden soll, von denen wir glauben, daß sie nicht die von Ihnen angeführten Eigenschaften der Gerechtigkeit und der Ausgewogenheit aufweisen.

Meine Damen und Herren! Der Finanzminister hat aber gestern – zumindest einmal in der Budgetrede; das war sehr bemerkenswert – hinsichtlich der Ursachen, also weshalb dieser doch so besorgniserregende Zustand der Staatsfinanzen eingetreten ist, ein bißchen anders die Gewichte gesetzt, als das bisher der Fall war. Bisher hat es immer nur geheißen, der Sozialstaat sei unfinanzierbar, es habe Ausweitungen bei den Transferleistungen gegeben – das stimmt, das trifft zu –: Pflegevorsorge, zweites Karenzjahr, und deswegen sei der Sozialstaat auf einmal nicht mehr finanzierbar.

Ich bin ja froh darüber, daß Sie gestern – zumindest einmal – auch die viel stärker ins Gewicht fallenden Ursachen angesprochen haben, nämlich die Steuerreformen, die durchgeführt wurden – die jedoch einseitig die Besserverdienenden begünstigt haben – und die Kosten des EU-Beitrittes. Daß Sie es aber dann dabei haben bewenden lassen und nicht auch die Maastricht-Kriterien kritisch hinterfragt haben, obwohl bereits international und auch von Regierungsparteien eine sehr kritische Diskussion in Gang gesetzt wurde, ist wieder ein Manko Ihrer gestrigen Rede.

Sie haben dann auch ausgeführt, daß sich die europäischen Sparprogramme dämpfend auf die Wirtschaft auswirken. Das ist, glaube ich, ein sehr, sehr ernstes Problem, über das Sie allerdings etwas zu schnell hinweggegangen sind. Sie haben gesagt: Wir brauchen jetzt diesen Dämpfer, damit die Wirtschaft in Zukunft stärker und besser florieren kann. Diese Brücke, dieser Sprung kam meiner Meinung nach ein bißchen zu schnell. Denn Sie müssen schon sagen, wie


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Sie einer Arbeitslosigkeit, die jetzt bereits als drückend empfunden wird, die jetzt bereits einerseits zu gewaltigen volkswirtschaftlichen Kosten und andererseits zu einem unermeßlichen menschlichen Leid führt, Herr werden wollen. Wie können Sie bei dieser Situation eine Verbesserung erwarten, wo Sie doch selbst sagen, daß die Arbeitslosigkeit noch weiter steigen wird, und zwar von 4,7 Prozent auf 5,5 Prozent, also um fast einen Prozentpunkt. Das ist doch etwas, wo dann dieser Sprung, dieser nahtlose Schritt zur besseren Zukunft, zum großen Erfolg, sehr unbegründet erfolgt.

Sie sagten des weiteren in Ihrer Budgetrede, daß die Masseneinkommen stagnieren werden. Auch dieser Satz müßte weit kritischer durchleuchtet werden, als Sie dies gestern getan haben. Wir haben bereits jetzt ein massives nachfrageseitiges Wirtschaftsproblem, und wenn die Masseneinkommen stagnieren, dann – und Sie wissen, was das heißt – hat das nicht nur für die Betroffenen dramatische Auswirkungen – gerade im Bereich der mittleren Einkommen ist es ja heute so, daß angesichts der gestiegenen Wohnungskosten, daß angesichts der in vielen Bereichen angestiegenen Kosten die Menschen kaum noch über die Runden kommen –, sondern auch für die Wirtschaft. Dort, wo Nachfrage ausfällt, leiden beide Seiten: diejenigen, denen das Geld fehlt, und diejenigen, die eine mangelnde Nachfrage zu beklagen haben.

Sie sprachen hier so etwas dezent von "kleinen Einsparungen" im Bereich der Pensionen der öffentlich Bediensteten, und Sie haben diese "kleinen Einsparungen" für das Jahr 1996 mit 600 Millionen Schilling beziffert. Da muß ich aber doch den Vergleich anstellen: Wenn Sie oder wenn die Frauenministerin immer so mit Worten der Anerkennung, was da an großartiger Leistung erbracht werde, von der gekürzten "Kindergartenmilliarde" spricht, dann denke ich mir: Wenn diese 600 Millionen Schilling an Einsparungen bei den Pensionen im öffentlichen Dienst "kleine Kürzungen" sind, dann ist das auch eine sehr kleine "Kindergartenmilliarde", die Sie da haben zusammenschrumpfen lassen.

Meine Damen und Herren! Wir von den Grünen sehen, daß sich die Regierung zwar bemüht hat, daß sie auch zumindest ein bißchen ehrlicher geworden ist, was die wahren Ursachen der Sparnotwendigkeiten betrifft, daß sie aber bei den eigentlich zu ziehenden Konsequenzen nach wie vor säumig ist.

Was wir jetzt bräuchten, wäre eine große Strukturreform – vor allem eine ökologische Strukturreform – und nicht ein unter dem Druck der Maastricht-Kriterien, die bis 1997 erfüllt sein müssen, rasch, rasch zusammengeschustertes Budget. (Beifall bei den Grünen.)

Unsere Kritik läßt sich mit einigen Überbegriffen umschreiben. Wir halten diese beiden Budgets erstens für unökologisch, zweitens für unwirtschaftlich, drittens für sozial unausgewogen, viertens für frauen-, jugend- und bildungsfeindlich und fünftens für einen Rückschlag in der Weiterentwicklung einer offenen Kunst- und Kulturszene. Ich werde das begründen:

Dieses Budget ist unökologisch, denn es läßt auch Ziele, die in den letzten Regierungsverträgen noch verankert waren, vermissen: Das Toronto-Ziel, das Bekenntnis zur Schadstoffreduktion, haben Sie einfach aus den Texten herausfallen lassen.

Das angekündigte Umwelthaftungsgesetz – das wäre der wichtigste marktwirtschaftliche Schritt in Richtung Ökologisierung der Wirtschaft – findet sich nicht mehr. Das wird nicht nur der österreichischen Wirtschaft, sondern auch der Umwelt zum Schaden gereichen.

Es finden sich auch kleine Details im Umfeld dieser Budgetberatungen, die den Geist der Regierungsarbeit deutlich illustrieren. Wie ergeht es jetzt den Aktivistinnen und Aktivisten, die seinerzeit im Ennstal demonstriert haben? – Wir wissen, daß das Recht auf ihrer Seite war; der Verfassungsgerichtshof hat eindeutig entschieden: Das ist ein Schwarzbau, der dort errichtet wurde! Das Land Steiermark hatte nicht die erforderlichen Genehmigungen! Wie wird jetzt reagiert? – Sie lassen die Finanzprokuratur auf diese Studentinnen und Studenten los und belangen sie mit sechsstelligen Schadenersatzforderungen. Das ist die antiökologische Haltung, die im kleinen wie im großen aus diesen Budgets hervorleuchtet. (Beifall bei den Grünen.)


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Ich ersuche Sie dringend: Nehmen Sie diesbezüglich Einfluß auf die Finanzprokuratur, daß dieser wirklich dreiste und rechtswidrige Schritt gegen Studierende, gegen Menschen, die für das Recht eingetreten sind, unterbleibt und daß diese Schadenersatzforderungen als ungerechte Forderungen zurückgezogen werden!

Ich habe zweitens gesagt, daß dieses Paket und der Inhalt des Regierungsübereinkommens unwirtschaftlich sind. Sie haben ja selbst gesagt: Wir dämpfen mit diesem Zahlenwerk, mit diesen Plänen der Regierung die Konjunktur. Sie tun dies zu einem Zeitpunkt, zu dem unsere Wirtschaft, zu dem unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dringend einen Konjunkturaufschwung brauchen. Das kommt in der von Ihnen selbst prognostizierten Zunahme der Arbeitslosigkeit zum Ausdruck.

Ich glaube nicht ganz an die Zahlen, die Sie dazu im Budget haben: Wenn Sie annehmen, es wird beim Arbeitslosengeld eine Zunahme von "nur" – unter Anführungszeichen – 1,1 Milliarden Schilling geben, dann sage ich Ihnen: Das stimmt nicht, das wird so nicht aufgehen. Es ist auch unlogisch, was Sie hier schreiben: Wenn knapp 5 Prozent Arbeitslosigkeit fast 17 Milliarden Schilling kosten, dann schlägt sich – das wissen Sie – 1 Prozentpunkt mehr Arbeitslosigkeit mit mindestens 3 Milliarden Schilling zu Buche – es sei denn, Sie planen ganz dramatische Schnitte bei den Arbeitslosen, und das, obwohl Sie wissen, daß es dieser Bevölkerungsgruppe ohnehin schon wirklich extrem schlecht geht und sie auch als Nachfrager für die Wirtschaft ausfällt. – Diese Medaille können Sie immer von beiden Seiten betrachten.

Das heißt, in Zeiten, in denen in manchen Bereichen ums Überleben gerungen wird, bei den Universitäten etwa um 1 Milliarde Schilling, deren Entfall dort zu dramatischen Schnitten führen würde, nehmen Sie ohne weiteres mehr als 1 Milliarde Schilling Zuwachs bei den Arbeitslosenunterstützungen in Kauf, statt daß Sie wirklich kreativ neue Wege suchen, um eine Umverteilung der Arbeitszeit auf mehr Menschen zu realisieren, statt daß Sie den Versuch unternehmen, mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen. Das ist ein dramatisches Versagen! Wie gesagt, wir werden uns am Ende des Jahres darüber zu unterhalten haben. Ich bin davon überzeugt, daß Ihre Zahlen nicht halten werden. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Dritter Punkt: Dieses Paket ist sozial unausgewogen. Auch dazu lasse ich Ihre eigenen Zahlen sprechen, Herr Bundesminister. Es findet sich im statistischen Teil Ihrer Rede eine Tabelle betreffend die öffentlichen Abgaben des Bundes. Diese spricht eine ganz besonders deutliche Sprache. Ich brauche sie fast nicht mehr als Oppositionspolitikerin zu bewerten. – Die Lohnsteuer ist seit 1991 ganz kontinuierlich von einem damaligen Anteil von 6,33 Prozent auf – Prognose 1997 – 7,28 Prozent gestiegen. Das ist ein deutlicher Anstieg. Hingegen ist die veranlagte Einkommensteuer im selben Zeitraum kontinuierlich von 1,86 Prozent – insgesamt schon deutlich weniger – auf 1,53 Prozent gesunken.

Sie sagen immer: Wir müssen den Standort Österreich für die Unternehmen steuerlich attraktiv halten. – Dabei zahlen diese immer weniger Steuern, wohingegen die Masseneinkommen, die sozial Schwachen, deutlich und von Ihren eigenen Statistiken ablesbar immer stärker besteuert werden!

Noch dramatischer sieht es im Bereich der Entwicklung der Besteuerung von Vermögen und Vermögensverkehr aus. Wir wissen, daß das Vermögen sehr deutlich zugenommen hat, das heißt, eigentlich müßte ein verantwortungsvoller Finanzminister dort auch neue Steuergrundlagen suchen – oder zumindest nicht alte fallen lassen. Was ist diesbezüglich passiert? – Wieder: Wert 1991: 1,0 Prozent – im internationalen Vergleich sensationell wenig, bereits damals, zu Beginn der neunziger Jahre –, jetzt, Prognose 1997: 0,37 Prozent – etwa ein Drittel.

Wie können Sie uns das erklären, Herr Bundesminister, daß Sie, während bei den Behinderten, bei den Alleinerzieherinnen, bei den Studierenden dramatische Schnitte gesetzt werden, im Bereich der Vermögenssteuern trotz deutlich angestiegener Vermögen die proportionale Steuerbelastung um zwei Drittel vermindert haben? – Das hat mit "sozial ausgewogen" und mit "volkswirtschaftlich vernünftig" nichts mehr zu tun!


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Meine Damen und Herren! Diese Tabelle – wie gesagt, von der Regierung selbst vorgelegt – spricht eine deutliche Sprache, und sie beweist, daß dieses Paket sozial unausgewogen ist. Auch die Kürzungen bei den Transferleistungen wurden bewußt dort nicht angesetzt, wo die Transferleistungen von unten nach oben umverteilen, etwa im gesamten Bereich der Wohnbauförderung, wobei ich betone, daß wir selbstverständlich für eine Wohnbauförderung und für eine diesbezügliche Unterstützung sozial Schwacher eintreten, nicht aber für eine Fortschreibung der Förderung der rot-schwarzen Wohnungswirtschaft und für eine Umverteilung von unten nach oben.

Hohes Haus! Viertens: Wir erachten dieses Paket als bildungsfeindlich und als dazu geeignet, neue Hierarchien aufzubauen. Und wieder brauche ich das nicht mit einer grünen Kritik zu begründen, sondern diesbezüglich spricht das Wifo eine sehr klare Sprache. Das Wifo sagt, das Sparpaket werde zu einer Verdoppelung der Akademikerarbeitslosigkeit führen. Was das angesichts einer ohnehin schon stark angestiegenen Akademikerarbeitslosigkeit heißt, das brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen.

All das bedeutet: Belastungen für die Familien von Studierenden und die Studierenden selbst, Belastungen für den Mittelbau – einmal mehr auch dort! –, Aufbau neuer Hierarchien und die Tatsache, daß die Frauen an den Universitäten von diesem Paket stärker betroffen werden als die Männer. Beispiel Universität Innsbruck: Frauen stellen bei den halbtags beschäftigten Vertragsassistenten einen Anteil von 37,3 Prozent, bei den habilitierten Assistenten hingegen einen Anteil von nur 8,8 Prozent. – Auch da gilt: Sie tun es versteckt und etwas zugedeckt, aber die Frauen- und Bildungsfeindlichkeit zieht sich durch das ganze Paket wie ein roter Faden! (Beifall bei den Grünen.)

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß die Studierenden von einem "volkswirtschaftlichen Wahnsinn" sprechen. Und die Art und Weise, wie Sie in den letzten Tagen das Parlament abriegeln mußten, wie Sie auch hier offenbar wirklich nur mehr ganz wenige Leute bis auf die Galerie vorlassen, spricht Bände. Das ist die erste Budgetberatung, bei der Sie dieses Haus vor der österreichischen Bevölkerung praktisch verschlossen halten – und das ist ein Skandal an sich! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Mühlbachler: Dank der Grünen! – Abg. Großruck: Weil Sie die Bevölkerung aufgehetzt haben! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nicht "dank der Grünen", sondern dank dieser Ihrer unökologischen, unsozialen, unausgewogenen und unwirtschaftlichen Sparpolitik! Sie werden in Österreich die Demokratie nicht abschaffen! Und Demokratie heißt, daß Menschen ihren berechtigten Unmut auch zum Ausdruck bringen können – so wie Sie hier auch frei reden können! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Koppler: Nur dann, wenn es Ihnen paßt!)

Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, haben für Ihre Klientel, für eine viel kleinere Bevölkerungsgruppe, der ich auch berechtigte Anliegen zugestehe, am Ballhausplatz mit einer Demonstration von Landwirten mit Traktoren – wie gesagt: berechtigte Anliegen! – über 1 Milliarde Schilling erfochten. Für diejenigen aber, die jetzt auch ihre berechtigten Anliegen anmelden, wollen Sie am liebsten nur Zäune errichten und Polizisten mit Schlagstöcken auftreten lassen! Das ist wider den Geist der Demokratie! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Wir haben einen Rechtsstaat!) – Da frage ich Sie: Wo war der Rechtsstaat bei den Demonstrationen der Landwirtinnen und Landwirte? (Abg. Großruck: Gestehen Sie Ihre Wahlniederlage ein! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Wir sind in der zweiten Republik und nicht im Ständestaat!)

Meine Damen und Herren! Fünftens: Dieses Paket ist kunst- und kulturfeindlich. Sie haben bei allen Förderungen, die die Wirtschaft betreffen, nichts eingespart. Die Wirtschaft darf weiter die Hände aufhalten. Es wundert mich, daß Herr Abgeordneter Haselsteiner hier eigentlich sehr wenig darüber gesagt hat, weshalb die Wirtschaft keine Kürzungen ihrer Förderungen erfahren muß, obwohl wir wissen, daß diese Förderungen teilweise wenig effizient sind und gießkannenartig ausgeschüttet werden. Im Kunst- und Kulturbetrieb dagegen – ein Bereich, der in Österreich auch ein Wirtschaftsfaktor ist – werden Förderungen um 10 Prozent gekürzt.


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Meine Damen und Herren! Ein Wort noch zur besonderen Frauenfeindlichkeit dieses Pakets: Wenn der Finanzminister gestern gesagt hat, es werde nicht in das gesetzliche Pensionsalter eingegriffen, dann muß ich ihm erwidern: Das stimmt nicht! Herr Minister! Sie greifen bei allen Frauen, die eine bessere Qualifikation haben – und Gott sei Dank ist das eine wachsende Zahl! –, die zumindest Maturaniveau oder eine Fachausbildung anstreben und erreichen, sehr wohl ein. Sie brechen das Gleichbehandlungspaket handstreichartig!

Eine einfache Rechnung zeigt es: 37,5 Beitragsjahre werden vom Pensionsantrittsalter abgezogen, das ergibt: 55 minus 37,5 ist gleich 17,5. Das heißt, alle Frauen, die eine etwas höhere Qualifikation haben, die über das Alter von 17 1/2 Jahren hinaus in Ausbildung stehen, können das gesetzliche Pensionsalter nicht mehr ausschöpfen! Das heißt, Sie haben auf kaltem Weg das Gleichbehandlungspaket entsorgt und damit gebrochen! (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt eingehen, der mir wichtig ist. Es ist vielleicht ein kleiner Punkt, aber das Sparen beginnt im kleinen Bereich. Ich kann nicht verstehen, warum Sie einerseits etwa die "Kindergartenmilliarde" auf 600 Millionen herunterkürzen, Ihnen in anderen Bereichen aber ein paar hundert Millionen offenbar egal sind.

Es wird jetzt – Sie haben es selbst angesprochen – mit dem Budget 1996/97 auch eine riesige Zahl von Begleitgesetzen geben, Hunderte haben Sie gesagt. Sie haben in diese Begleitgesetze einiges hineingejubelt, was einerseits dort nicht hineingehört und was andererseits – und das ist das besonders Arge – auch zu Mehrausgaben führen wird, so etwa die sogenannte Privatisierung der Bundesversuchs- und Forschungsanstalt Arsenal. Sie wissen, daß eine Unterstellung dieser Anstalt unter das Regime von Seibersdorf zu gewaltigen Mehrkosten führen wird. Das sind wieder keine Berechnungen seitens der Grünen, sondern Berechnungen der Finanzierungsgarantiegesellschaft und der Alpentreuhand. Es wird bei diesem Modell etwa 200 Millionen Schilling an Mehrkosten geben.

Herr Bundesminister! Ich hätte diese 200 Millionen Schilling lieber für die Schaffung neuer Kindergartenplätze verwendet. Und außerdem – und das ist noch schlimmer! – setzen Sie damit wieder einen Schritt in Richtung Unfähigkeit der öffentlichen Hand, gerade im ökologischen Bereich mit objektiven, nicht irgendwie von kommerziellen Instanzen abhängigen Überprüfungsorganen tätig zu werden.

Die Forschungsanstalt Arsenal hat vor ziemlich genau zehn Jahren beim Reaktorunfall von Tschernobyl als erste Stelle gewarnt. Sie hat vor dem 1. Mai, als es darum ging, die Menschen vor dem atomar verseuchten Regen bei den Mai-Aufmärschen zu schützen, rechtzeitig gewarnt. Sie ist damals von der Regierung zurückgepfiffen worden. Man soll doch nicht die Bevölkerung verunsichern, hat es geheißen. – Aber sie hat recht behalten. Und sie war auch nachher aktiv bemüht, die Lebensmittel zu überprüfen, objektive Proben zu erstellen und sie hat in vielen Bereichen ökologisch Bahnbrechendes geleistet.

Derzeit wird in der Forschungsanstalt Arsenal an einem Programm gearbeitet, um Verschmutzer, Betriebe, die rechtswidrigerweise Schmutzwasser nächtens in Flüsse und Bäche ableiten, ausfindig zu machen beziehungsweise die dafür Verantwortlichen zu finden. Das ist ein ganz wichtiges Programm. Das ist außerdem ein Programm, das Kosten spart, das der Regierung die Beseitigung von Altlasten ersparen kann – wenn diese Forschungsanstalt kommerziell unabhängig, der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Wahrheit verpflichtet bleibt und nicht kommerziellen Lobbies und gewissen Interessen unterstellt wird, die diese Objektivität in Frage stellen.

Gerade einer Forschungseinrichtung wie Seibersdorf, die auch in sehr problematischen Forschungszweigen wie zum Beispiel gentechnologischen Freisetzungsexperimenten ganz aktiv unterwegs ist, sollte man diese unabhängige Forschungsanstalt Arsenal nicht unterstellen.

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie, uns hier zu erklären, weshalb Sie diese 200 Millionen Schilling Mehrkosten in Kauf nehmen und damit die Möglichkeiten der Republik Österreich für ökologische Überprüfungen schwächen! – Ich habe dafür kein Verständnis. (Beifall bei den Grünen.)


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Ebenso erwähnten Sie in Ihrer gestrigen Rede die Bundesforste. Sie merken da aber an, daß es wichtige ökologische Anliegen gibt, die man im Falle einer Privatisierung beachten wird müssen. Herr Bundesminister! Ich glaube, daß gerade angesichts der österreichischen Wirtschaftsstruktur, der Bedeutung des Tourismus und auch der Freizeit- und Erholungswirtschaft der Bereich der Bundesforste ein ganz wichtiger öffentlicher Bereich ist und daß viel besser und sorgfältiger überlegt werden sollte, was mit den Bundesforsten passiert.

Da könnte nämlich sehr schnell eine ganz falsche Rechnung Realität werden, und zwar dadurch, daß vermeintliche Einsparungen oder vermeintliche Privatisierungserlöse sehr schnell zu dramatischen Mehrbelastungen beziehungsweise auch zu Einbußen in anderen Bereichen führen.

Daher mein Appell an Sie: Überdenken Sie diese Maßnahme noch einmal!

Meine Damen und Herren! Die Grünen sind nicht grundsätzlich gegen Privatisierungen. Im Bankenbereich, bei Beteiligungen an Unternehmungen, die in einem kommerziellen, dem Markt zugänglichen Bereich agieren können, sehen auch wir keinen Grund für die Ausübung öffentlicher Eigentumsrechte. Aber dort, wo der Markt versagt, wo es um die Herstellung der Kostenwahrheit geht, wo es auch um die Interessen künftiger Generationen und um wichtige Wirtschaftszweige geht, ist die öffentliche Hand gefordert. Es ist kurzsichtig, sich aus dem Blickwinkel eines sehr kurzfristigen Sparziels heraus aus dieser öffentlichen Verantwortung zu verabschieden.

Damit haben Sie keine Sicherheit mehr, daß ökologische Ziele verfolgt werden. Gerade bei den Bundesforsten ist in der Vergangenheit sehr viel passiert. Ich vermisse jede kritische Haltung, wenn mit den Bundesforsten in derselben Art und Weise wie mit den Anteilen an irgendeiner Bank vorgegangen wird. – Der Wald ist nicht irgendeine Bank oder irgendeine Versicherungsanstalt oder irgendein Reisebüro! Da geht es um ein Zukunftskapital für Österreich – auch für künftige Generationen! (Beifall bei den Grünen.)

Ein allerletzter Punkt: Wir von den Grünen haben uns sehr viel Mühe gemacht und haben, und zwar auch vor der Wahl, ein detailliertes Budgetprogramm vorgelegt. Es ist uns klar, daß man kurzfristige Maßnahmen – diese sind notwendig – setzen muß, die bei aktuellen Einnahmen- und Ausgabenströmen ansetzen, und wir haben auch solche Maßnahmen vorgeschlagen, und zwar im Spitals- und Krankheitsfinanzierungsbereich, im Bereich des Straßenbaus, im Bereich des Militärs und der dringend erforderlichen Abrüstung. Das heißt, wir haben auch kurzfristige Maßnahmen vorgeschlagen. Was aber den grünen Ansatz eigentlich auszeichnet und was Ihrem Budgetprogramm gänzlich fehlt, ist eine ein bißchen weiterblickende Sicht, und zwar eine Sicht, die über das magische, von der EU vorgegebene Datum 1997 hinausreicht, etwas, was echte Strukturreformen ermöglichen würde.

Dieser Weitblick würde eine andere Form des Sparens eröffnen, über die leider derzeit in Österreich kaum jemand redet. Sparen heißt nicht nur Ausgaben zurücknehmen oder Einnahmen erhöhen, sondern Sparen heißt doch auch – und das scheint Ihren Vorstellungen überhaupt abhanden gekommen zu sein –, Schäden und Kosten für Schadensreparaturen vermeiden, diese Kosten gar nicht erst entstehen zu lassen. – Und wir haben viele Kosten dieser Art!

Wieder liegen dem keine Berechnungen der Grünen zugrunde, sondern Berechnungen der Wirtschaftsuniversität, des Wifo und ähnlicher Einrichtungen. Verkehrsunfälle zum Beispiel sind schwer zu beziffern. Die Wirtschaftsuniversität gibt einen approximativen Wert von 40 Milliarden Schilling an, das ist viel mehr als das ganze Wissenschaftsbudget, um gut ein Viertel mehr! Oder das Waldsterben ... (Abg. Großruck: Das Leben kostet Geld!) – Ja, man kann aber auch so leichtfertig damit umgehen, wie das heute im Straßenverkehr passiert. Man kann leichtfertig Hunderte Tote beziehungsweise Schwerverletzte in Kauf nehmen. Wir werden es nicht ganz vermeiden können, da gebe ich Ihnen schon recht, aber wir tun viel zu wenig, und dabei könnten wir gerade in diesem Bereich überaus sozial, ökologisch und vor allem human sparen! (Beifall bei den Grünen.)


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Die Kosten des Waldsterbens – auch das sind Kosten, die jemand bezahlt oder bezahlen wird –, sei es für private Waldeigentümer, sei es für die öffentliche Hand, beziffert das Wifo mit 1 bis 2 Prozent des Bruttoninlandsproduktes, Milliardenbeträge also!

Altlastensanierungen – Schätzungen für Österreich: 30 Milliarden Schilling. Nur der dringendste Bedarf wird mit 6 Milliarden Schilling quantifiziert. Sie wissen es: Die Mitterndorfer Senke, viele undichte Deponien, all das verursacht Milliardenkosten. Und vor allem geht die Verschmutzung weiter, und es wird zu wenig getan, um wenigstens jetzt einmal die Schäden einzubremsen beziehungsweise zu stoppen.

Die Krankheits- und Spitalskosten sind ein Bereich, der immer noch wächst und explodiert. Aber wir tun zu wenig, um zu den Ursachen zu kommen. Wir brauchen eine bessere arbeitsmedizinische Ausstattung in Österreich. Sie muß sich auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nicht nur auf die in den Großbetrieben tätigen beziehen. Wir brauchen eine bessere Gesundheitsvorsorge. Was jetzt aber zum Beispiel mit der Einsparung der Geburtenbeihilfe passiert, wird eher in die falsche Richtung führen, daß nämlich auch in diesem Bereich schon bei den Kindern gespart werden wird.

Das ist jener Aspekt, den wir von den Grünen vor allem vermissen. Wir vermissen diesen weitblickenden, weit über 1997 hinausgehenden Aspekt, der zugegebenermaßen erst in zwei, drei, vier Jahren zum Tragen kommen würde, aber wenn man mit diesen Strukturreformen nicht schon jetzt beginnt – und sie beginnen offenbar nicht –, dann kommen wir nie zu diesen Einsparungen.

Ich ersuche daher dringend – eigentlich sind Sie, Herr Finanzminister, aufgrund des Gesetzes, aufgrund des Bundeshaushaltsrechts auch dazu verpflichtet –, diese Kosten, diese Prognoseberechnungen, die Kosten einer unterlassenen, besseren Legistik, einer unterlassenen, besseren Administration zu berechnen. Und ich fordere Sie dringend auf, daß Sie sich gemeinsam mit diesem Haus, mit dem Budgetausschuß an die Arbeit machen und eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung auf eine neue Grundlage stellen. Was wir für Österreich brauchen, ist eine ökologische volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, und zwar eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, die sich vor allem dem Ziel verpflichtet fühlt, Schäden gar nicht erst entstehen zu lassen, denn dann werden wir uns in Zukunft derart dramatische, unsoziale und unausgewogene Sparpakete hoffentlich ersparen können. (Beifall bei den Grünen.)

11.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.21

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt einen Grundkonsens in diesem Land, und dieser Grundkonsens heißt Sparen. – Sparen einerseits, um den Wohlstand der Menschen langfristig abzusichern, Sparen andererseits, um den politischen Handlungsspielraum für die Zukunft zu erhalten.

Daß dies freilich nicht ohne Opfer abgeht, ist klar. Jeder einzelne muß das Seine dazu beitragen, um diesen Grundkonsens nicht zu gefährden. Jeder einzelne muß etwas hergeben, um später auch etwas zu bekommen. Letztendlich muß jeder einzelne bereit sein, zum Wohle des Staatsganzen ein wenig zurückzustecken. Das ist hart, speziell für die Arbeitnehmer – keine Frage! Als Gewerkschafter weiß ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, wovon ich spreche, doch genauso gut weiß ich, daß sich die Österreicherinnen und Österreicher zu jeder Zeit ihrer Verantwortung bewußt waren. Dafür möchte ich ihnen von dieser Stelle aus einmal meinen aufrichtigen Dank aussprechen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wenn wir heute in erster Lesung die Bundesfinanzgesetze für 1996 und 1997 diskutieren, so muß man sagen, daß dieser Grundkonsens des Sparens natürlich an allen Ecken und Enden spürbar ist: Kein Ressort, kein Budgetkapitel bleibt davon verschont. Eine Hauptlast der Konsolidierung trägt allerdings – das ist unbestritten – der Sozialbereich. Nahezu ein Drittel der aufzu


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bringenden 100 Milliarden Schilling gehen auf das Konto des Sozialbereiches. Wenn manche nun meinen, der Sozialbereich sei neben den Beamten der große Konsolidierungsverlierer, wie andere sich Sorgen um die Zukunft, um die sozialrechtliche Absicherung machen, so muß ich ersteren widersprechen und kann letztere beruhigen.

Den von Zukunftssorgen Geplagten wiederum muß ich klipp und klar sagen: Es braucht niemand Angst um unser Sozialsystem zu haben, es ist nicht, wie viele Berufspessimisten täglich zu wissen glauben, am Ende, sondern ganz im Gegenteil: Mit dem vorliegenden Konsolidierungsprogramm ist es nicht zuletzt uns Sozialdemokraten gelungen, das System der sozialen Sicherheit aufrechtzuerhalten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das soziale Netz hält und läßt nach wie vor keinen durchfallen, der tatsächlich Hilfe braucht. Durch die heute gesetzten Maßnahmen werden keineswegs die lang und hart erkämpften sozialen Errungenschaften von gestern untergraben oder abgeschafft, sondern vielmehr für morgen abgesichert. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

An die Adresse jener, die immer wieder meinen, daß wir zu übersozial sind und der Sozialstaat ausufert, sei gesagt: Das stimmt einfach nicht. Richtig ist vielmehr das Gegenteil. Die jüngsten Statistiken des Wirtschaftsforschungsinstitutes bestätigen uns das. Österreichs Sozialausgaben liegen im internationalen Vergleich mit einem Anteil von rund 30 Prozent des BIP keinesfalls im Spitzenfeld, sondern bloß im Durchschnitt der europäischen Länder.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Betrachtet man die Reformen im Sozialbereich im einzelnen, so kann man feststellen, daß sie in erster Linie nicht darauf ausgerichtet sind, bestehende Rechte zu beschneiden oder abzuschaffen. Primär geht es darum, gewisse Mißbräuche abzustellen, Gesetzeslücken zu schließen und Ungleichheiten zu beseitigen.

Als Beispiel möchte ich nur die aktive Arbeitsmarktpolitik ansprechen, bei der es zu keinerlei Kürzungen der finanziellen Mittel kommt. Die Ausgaben werden zwar auf dem Niveau des Jahres 1995 stabilisiert, zusätzlich stehen aber dem Arbeitsmarktservice Gelder aus den Töpfen des europäischen Sozialfonds und daher in Zukunft mehr zur Verfügung.

Aber auch die vielerorts heftig diskutierte Anhebung der Anwartschaftzeiten von 26 auf 28 Wochen für einen neuerlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld gibt es in Sparzeiten wie diesen nicht. Dies ist zweifellos ein Erfolg der Gewerkschaften, die dies entschieden abgelehnt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

In jedem Fall wird mit den geplanten Maßnahmen dem Mißbrauch der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung der Kampf angesagt, denn es darf tatsächlich nicht so sein, daß dadurch immer wieder das soziale System an sich in Mißkredit gebracht wird. Zugegeben: Es wird eine schwierige Gratwanderung werden, bei der in jedem Fall soziale Härten vermieden werden müssen, ich bin aber zuversichtlich, daß uns das gelingen wird.

Nun zu einem zweiten Bereich, nämlich jenem der Pensionen. Wie Sie alle wissen, sind wir Sozialdemokraten in der letztjährigen Wahlauseinandersetzung dafür eingetreten, daß es zu keinem Eingriff in bestehende Pensionen kommen darf. Dieses Versprechen haben wir gehalten, denn unser Pensionssystem wird durch zeitgemäße Reformen sogar weiterhin abgesichert. Das gesetzliche Pensionsantrittsalter bleibt auch für die Frühpension mit 55 beziehungsweise 60 Jahren unverändert. Durch überschaubare Übergangsregelungen konnten wir abrupte Änderungen vermeiden. Und letztendlich wird durch die stärkere Berücksichtigung der Versicherungs- und Beitragsmonate ein Mehr an Gerechtigkeit im System erreicht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte noch viele andere Maßnahmen aufzählen, die im Sinne einer langfristigen sozialen Absicherung gesetzt wurden. Ich möchte allerdings an dieser Stelle noch kurz einen anderen Gedanken aufgreifen.

Darf man den Wirtschaftsforschern glauben, befindet sich die Weltwirtschaft an der Schwelle zum dritten Jahrtausend im Umbruch. Märkte werden globaler, Handelsbeziehungen liberaler,


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Ostöffnung und neue Konkurrenten in den Billiglohnländern Asiens fördern den Wettbewerb. Die europaweite Konjunkturentwicklung zeigt eher nach unten als nach oben. Die Arbeitslosenzahlen steigen, das Wachstum sinkt, man spricht wieder offen von Rezession und fordert, um den Standort zu sichern, langfristige Reformen und das Zauberwort "Flexibilisierung".

Gemeint ist damit allerdings oft die Flexibilisierung nach unten: Lohnkosten sollen gesenkt werden, Regelarbeitszeiten auch auf Wochenenden ausgeweitet werden, vielen Unternehmern geht es letztendlich um Kostensenkungsprogramme auf Kosten der Arbeitnehmer. Gestern hat der ÖAAB mit seinem Obmann Höchtl das Zauberwort "Flexibilisierung" entdeckt, doch anscheinend vergessen, daß der Zug "Flexibilisierung" seit langem auf Schienen steht, daß vieles geschehen ist, daß der Zug schon lange aus dem Bahnhof draußen ist. Wahrscheinlich schaut der ÖAAB jetzt noch, daß er den letzten Puffer erwischt und mitaufspringen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe sehr genau die Meinungen und die Presseaussendung gelesen, aber Vorteile für die Arbeitnehmer habe ich als Interessenvertreter der Arbeitnehmer nicht feststellen können. Diese Aussendung, die Kollege Höchtl gemacht hat, hätte ohne weiteres – und da hätte ich es akzeptiert! – von Kollegen Dr. Stummvoll kommen können. (Abg. Schwarzenberger: Es kann auch ein Arbeitnehmer wirtschaftliche Interessen vertreten!) Dann sollte er einmal die Presseaussendung seines Fraktionskollegen Neugebauer lesen, und dann soll er sich mit dem Kollegen Neugebauer in dieser Frage auseinandersetzen, der teilt nämlich diese Aussage nicht, diese Presseaussendung, so glaube ich, ist nachzulesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Herr Dr. Haselsteiner gesagt hat, zu Reformen bei der Arbeitszeit werde es ein "Njet" geben, dann sagt er dies auch wider besseren Wissens. Natürlich hat es schon vieles gegeben. Der Wirtschaftssprecher des Liberalen Forums, Herr Mag. Peter, wird es ihm ausrichten, er vertritt hier ja die gleichen Auffassungen. Da gibt es vieles. Österreichische Arbeitnehmer sind flexibel, und wir werden noch flexibler werden.

Aber eines sage ich Ihnen zum wiederholten Male, ohne meine Grundsatzposition und die Position der Gewerkschaften insgesamt zum Thema Flexibilisierung zu wiederholen: Ein "Njet" zu Ihren Vorstellungen, wie Sie sich die Flexibilisierung vorstellen, wird es geben. Es wird nämlich nur dann eine Flexibilisierung geben, wenn es Vorteile für beide Seiten, vor allem klar erkennbare Vorteile für die Arbeitnehmer gibt. Aber diese sehe ich bei Ihren Vorschlägen nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

All diese Forderungsprogramme, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir in unserem hochentwickelten Land nicht zulassen – noch dazu, da die Produktivität unserer Arbeitnehmer nach wie vor einen Spitzenwert erreicht und die Lohnstückkosten im internationalen Vergleich konkurrenzfähig sind.

Aber neben dem Zauberwort "Flexibilisierung" sind in den letzten Tagen und Wochen auch noch andere Forderungen – wohlerworbene Rechte der Arbeitnehmer zu beschneiden – aufgetaucht: Abschaffung der Abfertigung, weil sie überholt sei, Abschaffung des 13. und 14. Monatsbezuges, des Urlaubszuschusses, der Weihnachtsremuneration, weil das nicht mehr zeitgemäß sei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch all diesen Forderungen werden wir eine klare Absage erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

In dieser wirtschaftlich schwierigen Situation den Staatshaushalt zu konsolidieren, ist keine leichte, wenngleich notwendige Aufgabe, um negative Folgen für das Land und alle Beschäftigungsgruppen hintanzuhalten. Die Konsolidierung, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist daher im allgemeinen Interesse notwendig.

Als Vertreter einer der größten Gewerkschaften unseres Landes bekenne ich mich zum Konsolidierungskurs der Bundesregierung. Obwohl er einen Kompromiß zwischen den unterschiedlichsten Interessen darstellt, ist er in seinen Grundzügen ein gangbarer Weg, unser Bundesbudget zu konsolidieren und den Industriestandort Österreich abzusichern. Obwohl ich weiß,


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daß noch viele strukturelle Reformen anstehen – ich denke etwa nur an den Spitalsbereich –, ist mir bewußt, daß wir den Kern unseres Sozialstaates nur erhalten können, wenn wir die Finanzierung auf eine neue sichere Basis stellen und die Treffsicherheit erhöhen.

Ich betone allerdings nochmals, daß die Budgetkonsolidierung nur Teil eines Gesamtkonzeptes sein kann, im Zuge dessen Maßnahmen zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen gesetzt werden. Budgetkonsolidierung und Beschäftigungspolitik haben quasi siamesische Zwillinge zu sein. Ich fordere deshalb, daß parallel zu den Einsparungen tatsächlich Investitionen in Industrie, Infrastruktur, Innovation, Bildung und Qualifikation getätigt werden, denn nur so wird es uns gelingen, erstens bestehende Arbeitsplätze zu sichern, zweitens neue zu schaffen und drittens den Industriestandort Österreich langfristig abzusichern.

Wir, die Arbeitnehmer, stehen zu unserer Verantwortung und sind jederzeit gesprächsbereit für weitere sinnvolle Reformen. Es liegt aber auch an den Unternehmern, Mut zu zeigen und zu beweisen, daß ihnen etwas an diesem Land und seinen Menschen liegt. In diesem Sinne appelliere ich an die Regierung, die Sozialpartner auch in Zukunft einzubinden, wenn das auch nicht von jeder politischen Gruppierung in diesem Lande gerne gesehen wird – das haben wir heute von diesem Rednerpult aus schon gehört. Ich glaube aber, daß das sinnvoll ist, denn nur gemeinsam wird es gelingen, die zuletzt mit der Bundesregierung ausgearbeiteten Maßnahmen zur Standort- und Beschäftigungssicherung auch tatsächlich umzusetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst soziale Sicherheit gewährleistet wirtschaftliche Erfolge. Diese Maxime bewährt sich immer wieder. Auch jene Länder, die versuchen, mit liberalen Regelungen zum Erfolg zu kommen, werden das früher oder später zur Kenntnis nehmen müssen. Deshalb bin ich darüber erfreut, daß es bei uns zu keinem Rückbau des Sozialstaates nach dem Muster Englands oder Frankreichs gekommen ist. Auch wenn viele das immer wieder fordern. Make jobs: hire and fire!, und die Klasse der Working poor wird es bei uns nicht geben. Die Gewerkschaften in diesem Lande waren und bleiben Garant dafür. (Beifall bei der SPÖ.)

11.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. (Abg. Koppler: Wie wenn es ausgemacht wäre!)

11.35

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es schadet gar nicht, wenn die Abfolge eine gewisse sozialpartnerschaftliche Achse, Herr Kollege Nürnberger, hier zum Ausdruck bringt. Auch wenn wir nicht in allen Details einer Meinung sind (Abg. Nürnberger: Das wäre schlecht!) , so glaube ich doch, daß uns der Grundkonsens eint. Und ich glaube, das ist gut so. Das ist gut für den sozialen Frieden und die Stabilität in diesem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir heute hier das wahrscheinlich größte Spar- und Reformpaket in der Geschichte der Zweiten Republik debattieren, meine Damen und Herren, ein Paket im Umfang von 100 Milliarden Schilling, ein Paket, mit dem rund 100 Gesetze verändert werden, ein Paket, in dem erstmals zwei Budgets unter einem diskutiert und beschlossen werden sollen, dann, so muß man sagen, ist das ein außerordentliches Ereignis. Das ist nicht business as usual, nicht die übliche Tagespolitik, das ist mehr: Das ist Zukunftsgestaltung, meine sehr geehrten Damen und Herren!

In diesem Zusammenhang muß ich schon eines sehr deutlich sagen: Ich habe bei allen Oppositionsrednern sehr gut aufgepaßt. Die Oppositionsreden waren für mich ein Beweis dafür, meine Damen und Herren, daß es im Grunde keine realistische Alternative zu diesem Paket gibt. (Abg. Ing. Reichhold: Dann haben Sie schlecht aufgepaßt, Herr Kollege!)

Herr Kollege! Ich habe jetzt erstmals richtig verstanden, warum alle drei Oppositionsparteien bei der letzten Wahl Stimmen und Mandate verloren haben, weil ihr Verhaltensmuster so gelautet hat: Wir erklären, was alles nicht geht – und die Regierung soll sagen, wie es geht. (Zwischenruf


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bei den Freiheitlichen.) Dieses Verhaltensmuster wollen die Menschen in unserem Land nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das ist auch der klassische Unterschied zwischen Regierungspolitik und Oppositionspolitik. Die Opposition zeigt auf (Abg. Meisinger: Wie war das in Tirol?), kritisiert, was alles schlecht ist, was alles nicht geht, zum Teil mit einer Arroganz... (Abg. Dr. Haselsteiner: Die Sie auch an den Tag legen!) Herr Kollege Haselsteiner! Sie wissen, ich schätze Sie als erfolgreichen Unternehmer, aber bei der Arroganz (Abg. Dr. Haselsteiner: Das sind Sie, Herr Kollege!), die aus Ihren Worten spricht, müßte man annehmen, daß Sie im Besitz der absoluten Wahrheit und Weisheit sind. Seien Sie doch so ehrlich: In diesem Besitz sind Sie nicht, Herr Kollege Haselsteiner. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Sie und der Nürnberger, Sie besitzen sie!)

Es war auch nicht im Sinne der Glaubwürdigkeit der Politik, Herr Kollege. (Abg. Dr. Haselsteiner: Na, die haben Sie!) – ich hätte das nicht gesagt, wenn Sie nicht ständig dazwischenrufen würden –, hier herzugehen, einen Stoß Papier herzulegen und einerseits zu erklären, es bleibe keine Zeit, das durchzuschauen, andererseits aber so zu tun, als hätten Sie alles peinlichst genau durchgesehen. Das war eine Doppelmühle, die Sie sich selbst aufgemacht haben. Entweder haben Sie es durchgearbeitet, dann konnten Sie hier reden und kritisieren – oder Sie haben es nicht durcharbeiten können, dann haben Sie von etwas gesprochen, was Sie gar nicht wissen. Entscheiden Sie sich für eine der beiden Varianten! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Haselsteiner! Ich weiß, es muß nicht jeder erfolgreiche Unternehmer auch ein erfolgreicher Politiker sein. Das weiß ich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Da muß ich sagen, das ist Arroganz!) Herr Kollege Haselsteiner! Gerade, weil Sie Unternehmer sind (Abg. Dr. Haselsteiner: Es ist Arroganz, einem erfolgreichen Unternehmer die Politikfähigkeit abzusprechen!), wissen Sie, daß es eine Reihe von Entwicklungen gibt... (Abg. Dr. Haselsteiner: Und das von einem Generalsekretär einer Kammer, wo ich Pflichtmitglied bin!) Gerade, weil Sie Unternehmer sind, wissen, daß es eine Reihe von Entwicklungen gibt (Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist Arroganz, Herr Stummvoll!), die sich dem Einfluß der Regierungspolitik entziehen.

Wir haben heute die Billigkonkurrenz aus Osteuropa (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie sollten das Wort "Arroganz" nicht in den Mund nehmen!), die Globalisierung des Wettbewerbs, und das ist kein Ergebnis einer Regierungspolitik, da müssen wir neue Rahmenbedingungen schaffen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie sollten das Wort "Arroganz" nicht in den Mund nehmen!) Schauen Sie, mit der Lautstärke steigt nicht die Stärke Ihrer Argumente, Herr Kollege Haselsteiner! Auch das sollte man einmal sehr deutlich sagen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, wir sollten hier ehrlich und sachgerecht diskutieren. (Abg. Dr. Haselsteiner: Tun Sie das!) Das ist keine Plattform für Tageshickhack, für Tiraden und für leere Worthülsen. Wir haben bis Ende April Zeit (Abg. Dr. Haselsteiner: Aber bitte ohne Pauschalurteile!), dieses Paket zu diskutieren. Dazu ist das Parlament da.

Herr Kollege Haselsteiner! Zu Ihren Aussagen: Ich war überrascht, wie wehleidig Sie hier davon gesprochen haben, wieviel Arbeit uns bevorsteht. Wir sind vom Volk dazu gewählt, daß wir hier arbeiten, und nicht, um nur Wirtshaustischpolitik zu betreiben (Abg. Dr. Haselsteiner: Sie werden mir doch nicht das Arbeiten beibringen wollen!) und Worthülsen von uns zu geben. Das ist harte Arbeit. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich gebe zu, das ist harte Arbeit. Wir haben auch in den letzten Wochen oft bis vier Uhr früh verhandelt, und wir haben Samstag gearbeitet, wir haben Sonntag gearbeitet. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist eine Auseinandersetzung von arroganten "Argumenten"!) Das steht Ihnen noch bevor. Wir scheuen uns nicht zuzugeben: Das ist harte Arbeit. Das sind auch schmerzhafte Maßnahmen. Gar keine Frage! (Abg. Dr. Frischenschlager: Sie verhöhnen das Parlament!) Sie haben überhaupt keinen konstruktiven Vorschlag vorgelegt.

Sie gehen hierher und sagen: Ich bin überfordert, ich kann das nicht durchschauen. Sie haben aus Steuermitteln bezahlte parlamentarische Mitarbeiter, Sie haben aus Steuermitteln bezahlte


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Klubarbeiter (Abg. Dr. Frischenschlager: Sie verhöhnen das Parlament, Herr Stummvoll!), die werden Ihnen helfen, dieses Paket durchzusehen, Herr Kollege. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Frischenschlager: Sie verhöhnen das Parlament!)

Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Frischenschlager: Sie hocken in der Kammer! Sie verhöhnen das Parlament!) Das ist der Unterschied zwischen Sachpolitik als Zukunftssicherung und Tageshickhack, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Frischenschlager: Ohne Ihre Bürokraten wären Sie nichts!)

Warum sind Sie denn so aufgeregt? ( Abg. Dr. Frischenschlager: Gar nicht! Überhaupt nicht!) So aufgeregt kann man nur sein, wenn man glaubt, im Besitz der absoluten Weisheit zu sein. (Abg. Dr. Frischenschlager: Aber Sie haben sie!) Dann ist man natürlich konsterniert, wenn man erfährt, man ist nicht im Besitz der absoluten Weisheit, Herr Kollege Frischenschlager! (Abg. Dr. Haselsteiner: Die Weisheit haben doch schon Sie! Die Abgeordneten, die Unternehmer sind, sollen ja hier möglichst den Mund halten!) Herr Kollege Haselsteiner! Sie kennen mich lang genug, ich bin der letzte, der hier Schönfärberei betreibt.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Wenn man die Aufregung auf den heutigen Tag gleichmäßig verteilt, dann kommen wir ganz gut aus. (Abg. Dr. Frischenschlager: Wollen wir nicht arrogant sein! – Abg. Dr. Haselsteiner: Wenn Sie die Unternehmer der Politikunfähigkeit bezichtigen...!) – Herr Dr. Stummvoll, Sie sind am Wort! – Bitte.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (fortsetzend): Ich wiederhole noch einmal, damit es hier keine Mißverstände gibt, ich mache aber keine tatsächliche Berichtigung. Ich habe gesagt: Nicht jeder erfolgreiche Unternehmer muß ein erfolgreicher Politiker sein. Dazu gibt es Beispiele aus der Geschichte aller Länder. Mehr habe ich nicht gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich muß noch ein Letztes im Sinne meiner eigenen Glaubwürdigkeit sagen: Natürlich enthält dieses Paket auch Maßnahmen, die mir nicht gefallen. Natürlich vertrete ich die Auffassung, wir müssen auch noch einen Feinschliff in den Ausschüssen durchführen. So ist es ja nicht, wie manche glauben. Es steht uns Ausschußarbeit bevor. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und beim Liberalen Forum!)

Ich sage, Herr Minister, zum Beispiel: Alle jene Bestimmungen, die de facto rückwirkenden Charakter haben, sind schädigend für das Image des Wirtschaftslandes Österreich. Da müssen wir einen Feinschliff und Klarstellungen im Ausschuß noch durchführen – auch wenn wir insgesamt zum Paket stehen und nicht daran denken, das Paket noch einmal aufzuschnüren. Denn dieses Paket, meine Damen und Herren, ist Zukunftssicherung für unser Land und Zukunfssicherung für die Arbeitsplätze in Österreich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und beim Liberalen Forum. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

11.42

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ist sehr interessant, was man jetzt von den Sprechern der Sozialpartner hier gehört hat, was sicherlich darin gegipfelt hat, daß ein Generalsekretär einer Zwangsorganisation, nämlich der Bundeswirtschaftskammer, ein Zwangsmitglied wie Herrn Haselsteiner beschimpft und sagt: Es muß nicht jeder gute Unternehmer ein guter Abgeordneter sein.

Aber gestatten Sie, Herr Kollege Stummvoll, Ihnen das auch zurückzugeben: Es muß wirklich nicht jeder Kammerbürokrat auch geeignet sein, den Unternehmern Ratschläge zu geben (Beifall bei den Freiheitlichen), denn Sie sind es letztlich, die in diesem Land einen Zustand herbeigeführt haben, daß wir, weil die Wirtschaft unter die Käseglocke des Kammerapparates, sowohl der Arbeiterkammer als auch der Bundeswirtschaftskammer, gestellt wurde, in zehn Jahren 700 Milliarden Schilling mehr Schulden zu bedienen haben und die Wirtschaft am Boden liegt,


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während Ihre Kammerbürokraten mit Sonderpensionen für diese Mißleistung belohnt werden. Das ist es, was wir in unserem Land kritisieren müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da stellt sich Stummvoll hier heraus und sagt: Wir sind vom Volk zum Arbeiten gewählt. – Ja, Herr Dr. Stummvoll, Sie sind aber auch vom Volk gewählt, daß Sie das halten, was Sie vor der Wahl versprochen haben.

Bundeswirtschaftskammer: Steuern vertreiben die Arbeiter aus den Dienstleistungsunternehmen, unter dem Übertitel "Ein europäisches Problem verlangt nach einer europäischen Lösung". Wie sichere ich die Arbeitsplätze?, fragt jene Bundeswirtschaftskammer, die Sie hier vertreten, in einem jüngst publizierten Prospekt. Erstens einmal muß man die Mehrwertsteuersätze reduzieren, um wettbewerbsfähig zu sein, zweitens die Lohnnebenkosten reduzieren und gleichzeitig eine Energiebesteuerung einführen und drittens eine Weiterentwicklung der Sonderausgabenregelung möglich machen, damit jene mit mehr Einkommen auch mehr Eigenvorsorge treffen können.

Erklären Sie mir, Herr Dr. Stummvoll, was von diesen Punkten in die neuen Regierungsmaßnahmen eingeflossen ist, die Sie mit Ihrer Stimme unterstützen und wozu Sie ja gesagt haben? – Kein einziger Punkt ist hier eingeflossen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher sage ich auch: Man soll die Leute nicht für blöd verkaufen, aber das Gegenteil wird gemacht. Die Bundeskammer macht eine Unterschriftenaktion gegen die Getränkesteuer – aber im Haus stimmen Sie für die Beibehaltung der Getränkesteuer, Herr Dr. Stummvoll! Das ist die Realität! (Beifall und Oh-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Die Bundeskammer verlangt eine Senkung der Mehrwertsteuersätze zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit – aber hier im Haus stimmen Maderthaner und Stummvoll gegen die Senkung der Mehrwertsteuer. Das ist die Realität! So machen Sie Politik! (Beifall und Oh-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Man kann nicht auf die Dauer mit gespaltener Zunge sprechen. Unsere Aufgabe wird es sein, wenn Sie die Leute vor der Wahl erfolgreich angelogen haben, Ihnen zu beweisen, daß Sie mit dieser Methode nicht lange erfolgreich Politik machen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nicht nur die Bundeskammer, auch die Gewerkschaft, auch die Arbeiterkammer richten dringende Briefe an das Parlament und an die Abgeordneten, so etwa der Kärntner Präsident der Arbeiterkammer Josef Quantschnigg. Er ist auch ein Sozialpartner. Er schreibt uns jetzt, wir mögen uns dafür einsetzen, daß diese Mißstände bei der geplanten Maut abgestellt, daß die Wettbewerbsnachteile für einzelne Bundesländer beseitigt werden. Jetzt kenne ich mich nicht mehr aus: Da loben die Sozialpartnervertreter, wie das alles funktioniert, da werden die Leute mit einem Bundeswirtschaftskammer-Wirtschaftsprogramm hinters Licht geführt, das jedoch in Ihre Politik überhaupt nicht mehr einfließt. Oder sind Sie in den Verhandlungen untergegangen? – Normalerweise müßten Sie heute im Adamskostüm hier stehen – und nicht den Bundeskanzler so publizieren! So hat man Sie offenbar bei den Verhandlungen über den Tisch gezogen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Stummvoll: Zwischen Wirtschaftskammer und Bundesregierung ist ein kleiner Unterschied!)

Meine Damen und Herren! So redet der Präsident der Arbeiterkammer von Kärnten: Er appelliert an die Abgeordneten, gegen die Mautregelung aufzutreten. Die Arbeiterkammer Tirol erklärt, daß das Paket sozial unausgewogen ist. Die Arbeiterkammer Salzburg erklärt, daß diese Paket sozial nicht differenziert ist.

Meine Damen und Herren! Nicht wir sagen das, von Ihrer Seite geschieht das! Und das ist das, was ich eigentlich an die Adresse des Ministers richten möchte. Ich glaube, daß Sie einfach von falschen Rahmenbedingungen ausgehen, wie Sie diesen Staatshaushalt bei gleichzeitig schwieriger Wirtschaftslage in Ordnung bringen wollen. Man kann nicht einfach darüber hinweggehen, daß wir heute einen Rekord an Arbeitslosen, leere Auftragsbücher, daß wir heute eine zu starke eigenkapitalfeindliche Besteuerung haben, und sich dann wundern, daß die Dinge nicht besser werden, wenn man an der Steuer- und Belastungsschraube weiterdreht. In den letzten Tagen


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haben Sie Berichte bekommen, daß es allein im jetzigen Monat soviel an Kurzarbeit in Österreich gibt, wie es sie voriges Jahr das ganze Jahr über nicht gegeben hat – und voriges Jahr war schon ein schwieriges Jahr –, daß die Arbeitslosigkeit dramatisch zunimmt.

Sie stellen sich hierher und sagen: Wir machen jetzt alles besser, es wird wieder eine Offensive geben! – Ja wie glaubwürdig sind Sie denn, wenn man weiß, daß Sie uns beim Transit schon alles mögliche versprochen haben? – Das ist total in die Hose gegangen mit dem Transit. Sie können sich gar nicht mehr nach Tirol trauen, denn dann werden Ihnen die Leute etwas anderes erzählen, wie sich Ihr Transitvertrag zu Lasten der Bevölkerung ausgewirkt hat.

Oder zur Frage der EU-Belastungen: 12 Milliarden Schilling, so hat Herr Vranitzky den Leuten geschrieben, kostet der EU-Beitritt. 50 Milliarden Schilling mußten wir aus öffentlichen Mitteln im Jahr 1995 aufwenden; 34 Milliarden Schilling werden wir im Jahr 1996 brauchen!

Meine Damen und Herren! Wie ernst nehmen Sie es eigentlich mit der wahren Information der Bevölkerung?

Oder Sie sagen, ein Drittel neue Einnahmen, zwei Drittel Sparen, aber in Ihrem Finanzministerium existiert ein Papier zum Finanzausgleich, anhand dessen man errechnen kann, daß 79,9 Milliarden Schilling neue Einnahmen, sprich mehr Belastungen, vorgesehen sind und nur 66 Milliarden Schilling an Ausgabenkürzungen.

Herr Bundesminister Klima! Bei allem Verständnis: Halten Sie uns bitte nicht für so naiv, daß wir Ihnen das abnehmen, daß 79,9 Milliarden Schilling an neuen Belastungen ein Drittel ist und daß zwei Drittel 66 Milliarden Schilling sind! – Ich weiß nicht, in welche Schule Sie gegangen sind. Sie haben ja angeblich 32 Semester studiert. Vielleicht haben Sie einen Ausbildungslehrgang noch nicht abgeschlossen. Erklären Sie uns, welche neue Rechenart Sie in Österreich einführen wollen, damit das stimmt, was Sie uns hier vorgegeben haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Da werden wir eingeladen, mitzuwirken, aber dann heißt es gleichzeitig, daß wir hier im Parlament überhaupt nichts mehr ändern können. Meine Damen und Herren! Man müßte meines Erachtens, wenn schon vom Gegensteuern die Rede ist, fragen: Wie steuern Sie denn gegen, Herr Bundesminister? Wie steuern Sie entschlossen dagegen, wie Sie gestern gesagt haben?

Konsumverzicht. – Da sagt das IHS am selben Tag, weiterer Konsumverzicht, der Nachfrageausfälle verursacht, bedeutet einen Weg in die Rezession. Herr Minister Klima verordnet einen Konsumverzicht. Und ich sage auch, warum Sie den Konsumverzicht verordnen? – Weil Sie damit spekulieren, daß die Österreicher, die ein sehr sparsames Volk sind, ihre Sparguthaben als Kompensation auflösen werden. Ich sage Ihnen, es wird das Gegenteil passieren: Die Österreicher haben Angst vor dieser Politik, die Österreicher haben Angst vor dem, was hier produziert wird, sonst würden nicht 58 Prozent in einer jüngsten Umfragen sagen, daß die Regierung nicht in der Lage ist, die Probleme zu bewältigen, und sie werden nicht ihre Sparguthaben plündern, damit Sie Ihre Konjunktur in Österreich haben, sondern sie werden weiterhin verstärkt Rücklagen bilden mit dem, was sie monatlich verdienen, damit sie für Krisenzeiten entsprechend Vorsorge treffen. – Das ist eine völlig falsche Annahme, die Sie wirtschaftspolitisch treffen.

Oder: Wie wollen Sie offensiv gegensteuern, wenn Ihnen heute die Wirtschaftswissenschafter aller Fakultäten bestätigen, daß die isolierte Einführung der Energiebesteuerung ohne gleichzeitige Senkung der Arbeitskosten zu einem Rückgang des Arbeitsplatzangebotes in der Höhe von zwischen 8 000 und 10 000 Arbeitsplätzen pro Jahr führen wird? Meine Damen und Herren! Das ist doch keine offensive Gegenstrategie, die Sie vorgegeben haben!

Oder Sie rechnen uns im Gewerkschaftspapier vor, 30 000 Arbeitsplätze werden geschaffen, wenn die Sonderausgaben gekürzt werden, weil dann die Leute früher die geförderten Wohnbaukredite zurückzahlen. Also das ist ein hanebüchener Unsinn, wie da Wirtschaftspolitik angelegt wird.


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Oder Sie sagen, man möchte Exportoffensiven machen; eine aktive Arbeitsmarktförderungpolitik wird es geben. Zuerst kürzen Sie sie um Milliarden, und dann sagen Sie: Vielleicht kommt von der EU ein bißchen etwas dazu! – Ja so wird es nicht gehen, denn Sie haben ja nicht mehr zum Einsatz gebracht. Die ÖGB-Frauen sind unsere Zeugen, die heute schon publizieren, daß die Maßnahmen dieser Regierung zu einem weiteren Verdrängen etwa der Frauen vom Arbeitsmarkt führen werden. – Und da reden Sie von einer aktiven, erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik!

Was die Studenten betrifft: Ich habe überhaupt keinen Grund, daß man dieses Thema besonders in den Mittelpunkt stellt. Aber man kann doch nicht hergehen und sagen: Es ist alles in Ordnung, und jetzt kürzen wir einmal Länge mal Breite!

Wie Sie gestern gesagt haben, wird die Ermittlung des steuerlichen Einkommens jetzt für alle Berufsgruppen effizienter durchgeführt. – Ja wie effizient ist das, wenn es dann Studenten gibt, die nachweisbar aus sehr wohlhabenden Familien stammen, in denen großer Grundbesitz und Vermögen vorhanden ist? – Solche sind nach wie vor Bezieher von Stipendien, aber ein Kind aus einem Haushalt, in dem ein durchschnittliches Einkommen erzielt wird, bekommt heute schon bei geringfügiger Steigerung des jährlichen Einkommens kein Stipendium mehr. Das wissen Sie sehr gut.

Machen Sie dort die Dinge effizienter! Stellen Sie den Mißbrauch ab, wenn die Berechnungsgrundlagen nicht in Ordnung sind, dann sparen Sie sich all diese Dinge auf der anderen Seite!

Ich glaube überhaupt, daß man in Österreich – um hier auch über Alternativen zu reden –, wenn man schon die Strukturen ändert, einen Bildungsscheck einmal einführen sollte. Führen Sie einen Bildungsscheck für alle Berufsgruppen gleichermaßen ein! Der Lehrling soll gleiche Bildungschancen haben wie der Student. Er kann seine Ausbildung eine bestimmte Zeitlang mit diesem Bildungsscheck finanzieren. Was darüber hinaus ist, muß er selbst finanzieren, oder er kann mit einem langfristigen Kredit, den er später, wenn er als Akademiker ausgebildet ist, wieder zurückzahlen kann, sein Studium finanzieren.

Aber wir brauchen Chancengleichheit, meine Damen und Herren! Das sind Strukturänderungen, um die es geht, für die wir kämpfen, weil wir Chancengleichheit auf allen Ebenen für die Bürger dieses Landes sichergestellt wissen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold .)

Sie behaupten auch immer, wir würden keine Alternativen aufzeigen. – Selbstverständlich tun wir das, Herr Kollege Nowotny! Aber wir müssen Ihnen zuerst einmal aufzeigen, daß Sie ständig etwas anderes sagen, als Sie in den Verhandlungen beschließen und dann in Ihren Papieren verankern. Gerade beim Thema "flexible Arbeitszeiten" zeigt sich das.

Da geht Kollege Nürnberger hier heraus und sagt: Das wird es nicht geben für die Arbeitnehmer, daß flexible Arbeitszeiten eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit bewirken, die auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen werden. Das haben Sie schon vor der Wahl auf Flugblättern gesagt: "Deregulierung der Arbeitszeit bedeutet jederzeitige Verfügbarkeit des Arbeitnehmers; Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit auf zehn bis 13 Stunden bedeutet Einkommensverlust durch Wegfall der Überstundenzuschläge." – Das sagte die SPÖ vor der Wahl. Liebe Leute, jetzt geht es ums Ganze, hat die SPÖ gesagt, jetzt muß man SPÖ wählen, sonst werden die Freiheitlichen mit der ÖVP das beseitigen.

Was lese ich heute? – Daß Herr Sallmutter und Herr Gewerkschaftspräsident Verzetnitsch der Meinung sind, man sollte flexible Arbeitszeiten schaffen, man sollte die tägliche Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum ausweiten dürfen, das aber nicht in Form von Überstunden abgelten, sondern mit einem Zeitausgleich, mit einem Zeitguthaben regeln.

Meine Damen und Herren! Wie ernst halten Sie es mit den Aussagen auf Ihrem Flugblatt? – Da sind Sie die Kämpfer für die Überstundenzuschläge der Arbeitnehmer. Jetzt sagen Sie: Wir gleichen das mit mehr Freizeit aus. – Das ist eine Doppelstrategie, die nicht aufgehen wird, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Nowotny: Wieder nicht verstanden! Es ist genau das Gegenteil!) – Sie verstehen nie etwas. Sie verstehen nie etwas (Abg. Dr. Nowotny: Besser als


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Sie schon!), weil Sie anpassungsfähig sind wie ein Regenwurm, wenn es darum geht, Ihre Linie zu ändern. Und das haben Sie schon oft getan.

Sie können nicht sagen: Wir kämpfen für Überstundenzuschläge!, und jetzt auf einmal sagen Sie: Nein, das alles ist nicht mehr so wichtig, jetzt machen wir ein Zeitausgleichsbudget! – Das mag vernünftig oder unvernünftig sein. Aber tun Sie nicht so, als würden Sie Arbeitnehmerinteressen vertreten und schützen, wenn Sie gleichzeitig 14 Tage nach der Wahl die Verhandlungen beginnen, um Überstundenzuschläge in Zukunft in Frage zu stellen. (Abg. Dr. Nowotny: Sie sind schlecht informiert!)

Ich stehe auf dem Standpunkt, daß Überstundenzuschläge etwas sehr Sinnvolles sind, und zwar deshalb, weil jene Arbeitnehmer, die sich anstrengen, gefälligst auch etwas verdienen dürfen sollen. Und wer etwas verdienen darf, wird auch ein guter Konsument sein. Denn die fleißigen Leute in diesem Lande schaffen etwas: Sie bauen Häuser, richten Wohnungen ein, kaufen sich Konsumgüter mit dem, was sie verdient haben. Sie drehen ihnen das jetzt ab und sagen: Ihr dürft zwar täglich mehr arbeiten, zehn Stunden, zwölf Stunden, bekommt einen Zeitausgleich, aber ihr verdient nicht mehr! – Das heißt, bei mehr Arbeitszeit weniger verdienen. Und dann soll ich mehr Freizeit haben?! – Das ist eine Sache, die nicht funktionieren wird, Herr Ökonom, Herr Professor Nowotny, denn das ist ein hanebüchener Unsinn! (Beifall den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Sie müssen sich informieren!)

Das ist Ihr einziges Argument, das Sie haben. Sie schütteln dann den Kopf, weil Sie es gewohnt sind, daß Ihre Studenten nicht widersprechen dürfen. Aber hier sollten Sie einmal eine Ausbildung nehmen... (Abg. Dr. Nowotny: Das stimmt nicht, was Sie da sagen!) – Na klar, Sie haben Ihr fixes Einkommen. Das ist kein Problem. Sie sind ein pragmatisierter Beamter. Ihnen ist das letztlich kein Anliegen mehr. (Abg. Dr. Kostelka: Das müssen Sie dem sagen, der solche Ideen hat!) Ihr macht das ja! Ihr verhandelt das! Sie lesen die Zeitung nicht, Kollege Kostelka! Heute läßt Herr ÖGB-Präsident Verzetnitsch uns ausrichten und vor 14 Tagen bereits der Herr Sallmutter – nachzulesen in der Tageszeitung "Die Presse" –, es wird in Zukunft keine Überstundenzuschläge mehr geben, sondern die tägliche Arbeitszeit wird auf zehn Stunden und mehr ausgedehnt werden, und die Menschen bekommen ein Zeitbudget. (Abg. Dr. Kostelka: Warum informieren Sie sich nicht, was wirklich die jeweilige Meinung der Partei ist!) Das ist euch unangenehm, weil damit sichtbar wird, daß Ihr die Leute vor der Wahl einmal mehr angelogen habt, einmal mehr hinters Licht geführt habt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny .)

An die Adresse der ÖVP: Seid nicht so empfindlich und sagt jetzt nicht, ihr habt das mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit alles nicht gesagt. (Abg. Dr. Brinek: Durchrechnungszeitraum!) Nein, heute dementiert die Frau Ridi Steibl das bereits. Aber in der heutigen Ausgabe der "Kleinen Zeitung" steht drinnen, daß Sie diese Frage bereits im Sommer 1995 zwischen ÖAAB und Wirtschaftsbund akkordiert haben. (Abg. Dr. Kostelka: Das ist aber keine SPÖ-Organisation!) Kollege Höchtl, der heute gesagt hat, das komme nicht in Frage, muß sich jetzt die Frage gefallen lassen: Wer lügt jetzt: die Frau Steibl oder er? Hat er die Unwahrheit gesagt heute oder die Frau Steibl in der Zeitung, die gesagt hat, schon im Sommer 1995 haben wir uns ausgemacht, daß täglich mehr gearbeitet wird, aber keine Überstunden mehr bezahlt werden. – Eine feine Politik, die sich da anbahnt, bei der man sich nicht einmal zuzugeben traut, wie man den Kurs in diesem Lande ändern will.

Wir sagen Ihnen daher: Die Wirtschaft muß wieder Optimismus bekommen! Daher die Linie: degressive Transferleistungen. Je besser einer verdient, umso weniger Zuschüsse braucht er vom Staat. Das wäre ein neuer Ansatz gewesen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt: Ein Land, das sich leistet, allein auf Bundesebene 54 Milliarden Schilling im Jahre 1995 für Subventionen auszugeben, muß sich die Frage stellen, ob da nicht ein Einsparungspotential vorhanden wäre, das es verhindert, daß auf der anderen Seite den Bürgern in die Tasche gegriffen wird.


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Dritter Punkt: die öffentliche Verwaltung. Ein schlanker Staat kann nicht erzeugt werden, indem man, wie der Herr Minister, mit Dienstpostenplänen jongliert. Da gliedert er 7 000 Postbedienstete aus und sagt: Jetzt habe ich dafür keine Verpflichtung mehr, jetzt habe ich gespart! – Die sind ja noch vorhanden, die sind ja nicht abgetreten, die leben ja nicht auf dem Mond und wollen natürlich auch weiter ein Gehalt haben, wollen auch eine Pension bekommen.

Ein Ansatz für eine Reform des öffentlichen Dienstes wäre es etwa, auch hier eine Kostenrechnung einzuführen, so wie wir das in Kärnten gemacht haben, etwa in der Bauabteilung – nachweisbar. Wir sparen mit der Kostenrechnung, die unter freiheitlichen Referenten eingeführt worden ist – Herr Minister, schauen Sie sich’s an –, 70 Millionen allein in einer kleinen Abteilung jährlich an Sach- und Personalaufwand. Jährlich! Und wenn Sie das österreichweit machen und eine Kostenrechnung allein im Dienstleistungsbereich der öffentlichen Hand einführen, wo jeder seine Kostenstellen kennt, wo jeder weiß, was er ausgeben darf, wo jeder weiß, welches Budget er verwalten darf, dann sparen Sie unter Garantie – aber ohne daß Sie den Menschen die Arbeitsplätze streitig machen. Sie erzielen damit eine effizientere Organisation des Betriebes, und auch der öffentliche Dienst wird plötzlich wissen, was Kosten, was Wettbewerb und was Einsparungspotentiale sind. – Das muß die Richtung sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vierter Punkt: Privilegien. Niemand hindert Sie als Minister und Aufsichtsorgan von der Nationalbank bis zur Sozialversicherung, dort endlich einmal die Privilegien abzubauen. Allein die Einsparung bei Pensionen der Nationalbank, wo für nur 1 000 Pensionisten Rücklagen in der Höhe von 23 Milliarden Schilling gebildet wurden, würde ein riesiges Einsparungspotential freisetzen und es nicht notwendig machen, neue Belastungen einzuführen, neue Steuern einzuheben.

Oder: Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten. Das haben Sie ja alle vor der Wahl versprochen. – Warum geschieht das jetzt nicht? Sie haben es ja versprochen! So hat etwa der Herr Stummvoll ein Hefterl herausgegeben, in dem er aufzeigt, wie die Wirtschaftspolitik anders gestaltet werden soll.

Oder: Beiträge der Kammer; ein Solidaritätsbeitrag der Kammerorganisationen aus den Pflichtbeiträgen zur Finanzierung der Beschäftigungspolitik.

Oder: Entrümpelung des Steuersystems, aber gleichzeitig Senkung der Tarife. Das ist das entscheidende, weil wir ja international wettbewerbsfähig sein müssen. Und dann haben wir auch Spielraum, um die Lohnnebenkosten zu senken.

Denn, meine Damen und Herren, wir wissen so gut wie alle anderen, daß die Frage der Wettbewerbsfähigkeit eine ganz entscheidende ist. Es geht darum, wie wir in Zukunft unsere mittelständische Wirtschaft behandeln.

Die große Industrie ist nicht sehr heimatbewußt. Die große internationale Industrie siedelt dort an, wo Kostenvorteile gegeben sind. Und wenn Sie froh sind, daß wir General Motors haben, wenn Sie froh sind, daß wir BMW haben, wenn Sie froh sind, daß wir andere große, international tätige Konzerne bei uns haben, dann darf ich Sie aber doch darauf aufmerksam machen, daß allein mit dem EU-Beitritt etwa Autofirmen wie BMW und Mercedes ihre Gewinne nicht mehr in den Ländern, wo die Gewinne entstehen, versteuern, sondern sie in immer stärkerem Maße in das Steuerparadies Irland transferieren, um in Dublin einen "Parkplatz" für ihre Gewinne zu errichten und diese dort nur mit 10 Prozent versteuerten Gewinne dann als günstige Kredite für ihre Unternehmenstöchter weltweit wieder auszugeben. – Das ist die Realität!

Sagen Sie bitte einmal vor dem Parlament, daß Sie einen solchen Unfug stoppen werden und EU-weit dafür sorgen werden, daß so, wie die klein- und mittelständische Wirtschaft, die treu und korrekt ihre Steuern bezahlt, auch diese großen internationalen Konzerne dort die Steuern zu zahlen haben, wo die Gewinne, wo die Erträgnisse entstehen. Sonst werden wir nämlich schön langsam ein Verschiebebahnhof für Gewinninteressen, wo die Arbeitsplätze flötengehen und wir nicht mehr wissen, wie wir alles finanzieren können. All das, meine Damen und Herren, sind Dinge, die der Praxis entnommen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ein letzter Punkt, den ich Ihnen ans Herz legen möchte, Herr Minister Klima, was die offensive Wirtschaftspolitik betrifft, ist die Frage der Generalunternehmerschaft. Meine Damen und Herren! Worunter leidet denn heute unsere mittelständische Wirtschaft so sehr? – Sie leidet darunter, daß überall dort, wo die öffentliche Hand tätig ist, nur mehr Generalunternehmeraufträge vergeben werden, die automatisch mit einem 20prozentigen Zuschlag versehen werden, damit der, der sich als Generalunternehmer placiert, einen Gewinn macht, ohne arbeiten zu müssen. Der Subunternehmer aber – das ist in der Regel der kleine und mittlere Unternehmer – wird so niedergedrückt, daß er schlechte Löhne zahlen muß und keine Erträgnisse mehr erwirtschaften kann, um seine laufenden Investitionen dann wieder ins Verdienen zu bringen.

Das ist schlecht! Wir wissen auch, daß das falsch ist und geändert werden muß. Dort müssen Sie hinein, bis hin zur Frage: Wie halten wir es denn mit den europaweiten Ausschreibungen bei öffentlichen Aufträgen?

Die Franzosen haben ihre ganze Verkehrstechnik mit Schließung des Binnenmarktes für zehn Jahre sozusagen unter Kuratel gestellt. Sie haben gesagt, zehn Jahre gibt es dort keine europaweiten Ausschreibungen: Die französischen Eisenbahnen, die französischen Schienenbauer, die französischen Waggonbauer, die französischen Lokomotivbauer schreiben nicht europaweit aus, sondern sie schützen ihren Bereich.

Die Österreicher sind seit 1. Jänner 1995 bei der EU und haben vom ersten Tag an pflichtbewußt europaweit ausgeschrieben (ironische Heiterkeit der Abg. Dr. Fekter ) – Sie lachen! –, mit dem Ergebnis, daß heute die SGP die Leute gekündigt hat und keine Aufträge hat, mit dem Ergebnis, daß sich die Jenbacher aus diesem Geschäft überhaupt zurückziehen müssen, neue Geschäftsfelder ... (Bundesminister Mag. Klima : Das ist eine einzige ausländische Lokomotive!) – Eine einzige ausländische Lokomotive! Der Kollege Blünegger wird Ihnen heute etwas anderes erzählen, der arbeitet nämlich in einem solchen Betrieb. Herr Minister, lassen Sie sich nicht immer von Ihren Bürokraten etwas erzählen, was in Wirklichkeit ganz anders ausschaut! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Allein in diesem Sektor geht es immerhin um 35 000 Arbeitsplätze. Man sollte sich daher überlegen, wie man die Dinge wieder in Ordnung bringt.

Das sind nur ein paar Anmerkungen unsererseits, die wir hier tätigen wollen.

Ich glaube auch nicht, daß jene Maßnahmen, von denen Sie sich erwarten, daß sie Investitionen freisetzen, wie etwa die Versteuerung der Mietzinsreserven, einen Bauboom auslösen werden. Da müßten Sie das Mietengesetz ändern, Herr Minister, denn im Mietengesetz ist vorgeschrieben, daß alles, was über einen Zeitraum von zehn Jahren als Mietzinsreserve gebildet wird, für die Mieter und für ihre Interessen der Renovierung des Hauses zur Verfügung stehen muß.

Wenn Sie aber jetzt in zehn Jahren 10 Millionen Schilling Mietzinsreserve ansparen und dann versteuern müssen, gehen einmal 5 Millionen Schilling in die Steuer, aber Sie müssen den Mietern dann 10 Millionen Schilling präsentieren. (Bundesminister Mag. Klima : Außer sie lösen es auf! Investiv!) Dann muß der Betreffende sozusagen aus der Substanz 5 Millionen Schilling aufbringen. Das wird nicht funktionieren! Das ist eine Enteignung, aber keine sinnvolle Besteuerung, lieber Herr Minister! Das ist nicht etwas, was zu mehr Investitionen führen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die ÖVP ist auch in der Frage der Verlustbeteiligungen wieder einmal umgefallen. Ich darf Ihnen Ihren Brief vom 6. November 1995 in Erinnerung rufen, als es in der Koalition Krach gegeben hat und der Bruch herbeigeführt worden ist. Damals hat auch die SPÖ gesagt: Wir wollen die Verlustbeteiligungen abschaffen. Die ÖVP aber hat gesagt: Nein, weil damit sind Tausende und Abertausende Arbeitsplätze verbunden. Da schreibt dann der Herr Schüssel einem, der anfragt, und zwar am 6. November 1995 – ich zitiere –:

Die SPÖ hat bei den Budgetverhandlungen versucht, die Verlustbeteiligungen zu streichen. Die ÖVP hat dieser Forderung aber nicht zugestimmt, denn wir wissen ganz genau, wie wichtig diese Maßnahme für die Wirtschafts- und Investitionstätigkeit ist. Lassen Sie sich nicht durch die


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SPÖ-Meldungen verunsichern, sondern vertrauen Sie der ÖVP, die eine Streichung der Verlustbeteiligungen nicht zulassen wird. Anbei schicken wir Ihnen das Wirtschaftsprogramm, den Schüssel-Ditz-Kurs mit, damit Sie sich ein genaues Bild darüber machen können, welche Rahmenbedingungen die ÖVP der Wirtschaft und den Wirtschaftstreibenden bieten möchte. Unterstützen Sie uns am 17. Dezember!, heißt es da. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Kaum sind Sie wieder gewählt, vergessen Sie das auch schon wieder. Es ist alles Schall und Rauch, was man gesagt hat. Die Verlustbeteiligungen sind gestrichen, es wird dadurch wieder ein paar tausend Arbeitsplätze weniger im Bau- und im Baunebengewerbe weniger geben – und dies, wo Sie doch wissen müßten, daß gerade das ein Flaggschiff für die Konjunkturbelebung gewesen wäre.

Es tut mir sehr leid, daß Sie uns solche Angriffsflächen bieten. Es wäre mir lieber, ich müßte als Angehöriger der Opposition mehr nachdenken, wo wir die Kritik placieren könnten. Sie machen es uns wirklich zu leicht, und außerdem geht das alles leider auf Kosten der Arbeitsplätze und der wirtschaftlichen Zukunft dieses Landes. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte.

12.09

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister Mag. Klima, Sie haben wahrlich ein schweres Erbe angetreten. Sie haben gestern den Mut gehabt zu sagen: Ich übernehme als Bundesminister die gesamte Rechtsnachfolge meiner Vor-Ministerkollegen. Androsch, Salcher, Vranitzky, Lacina, Staribacher und nun Klima – ja irgendwer muß ja die Schulden angehäuft haben, die Sie jetzt mit einer Gesamtrechtsnachfolge übernehmen und die jetzt zu diesem Konsolidierungsprogramm führen.

Meine Damen und Herren dieses Hohen Hauses! Unterhalten wir uns doch einmal darüber, welche Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden, um daraus für die Zukunft zu lernen, warum ein so wohlhabendes, ein so schönes Land wie Österreich in eine Schuldenpolitik getrieben wurde, die uns eine Zinssteuerquote von nahezu 20 Prozent im Budget bringt.

Herr Finanzminister Klima! 20 Prozent der Nettoeinnahmen des Bundes müssen Sie dafür verwenden, die Zinsen für die Schulden zu bezahlen, die Ihre Vorgänger aufgenommen haben! – Seit 1970 haben wir durchgehend sozialdemokratische Finanzminister, und seit 1986 beschließt die Österreichische Volkspartei alles gemeinsam mit den Sozialdemokraten mit. Ich verstehe daher die Aggressivität des Herrn Kollegen Stummvoll: Aus ihm spricht nichts anderes als das schlechte Gewissen, der unerhörte Druck, Dinge mitbeschließen zu müssen, von denen er offensichtlich weiß, daß sie falsch sind.

Es ist aber fast unerträglich, wenn die Überheblichkeit, die Arroganz eines Funktionärs, der in seinem Leben noch nicht einmal einen Radiergummi verkauft hat, einen erfolgreichen Unternehmer treffen soll, der hier eine der besten Reden gehalten hat, die ich seit langem im Parlament gehört habe. Ich glaube, das richtet sich von selbst. Es fragt sich nur, wie Herr Stummvoll diesen "Feinschliff" in den Ausschüssen dann bewerkstelligen will.

Wir Oppositionsabgeordnete, Herr Minister Klima, lebten bis zum 20. März 1996 von Zeitungsinformationen, und ich arbeite nicht auf Zuruf. Ich beginne dann ganz konkret und seriös zu arbeiten, wenn ich Unterlagen auf dem Tisch habe, Unterlagen, die hieb- und stichfest sind. Daher ist es überhaupt eine Zumutung, uns zu unterstellen, wir wären nicht bereit, hart und intensiv an diesen Fragen zu arbeiten. Bis zum 20. März 1996 waren wir darauf angewiesen, das zur Kenntnis zu nehmen, was Sie den Zeitungen zur Kenntnis gebracht haben.

In Wirklichkeit wollen Sie ja das Parlament gar nicht damit befassen. Es genügt Ihnen, daß Sie sich in Ihren sozialpartnerschaftlichen Gremien geeinigt haben. Sie wollen uns Oppositionspolitiker zu Statisten degradieren, damit Sie Ihre parlamentarischen Usancen über die Bühne bringen. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Uns dann in jener Stummvoll’schen Wendehälsigkeit, in der ich wenig Seriosität entdecken kann, noch zu sagen, wir werden den "Feinschliff" in den Ausschüssen machen, klingt nicht sehr vielversprechend, aber: Einverstanden, Herr Dr. Stummvoll! Machen wir den Feinschliff in den Ausschüssen! Beginnen wir am 26. März um 14 Uhr mit den Gesetzen des Strukturverbesserungspaketes, das nur die Finanzpolitik betrifft! Ich garantiere Ihnen, wir tagen bis 24 Uhr. Ich bin sehr gespannt, ob Sie das dann auch mit Ihrer Mehrheit – rot und schwarz – zulassen werden.

Meine Damen und Herren! Aber sehen wir uns doch die Fehler der Vergangenheit an, um daraus zu lernen, um festzustellen, was Sie, Herr Dr. Stummvoll, zehn Jahre lang in der großen Koalition falsch gemacht haben, um zu sehen, wodurch Sie diese finanzielle Krise heraufbeschworen haben, in der unser schönes Land jetzt steckt.

Sie haben erstens einmal den Keynesianismus mißbraucht. Sie haben nur die eine Hälfte von Keynes gelesen, die da – richtigerweise – sagt: in der Rezession Deficit-Spending. Sie haben aber die zweite Seite tunlichst nicht gelesen, auf der steht, daß man in guten Zeiten diese Schulden wieder rückbaut, daß man Reserven schafft. In diesem schönen Land Österreich befinden wir uns heute am Vorabend einer neuen Rezession, von der wir hoffen, sie soll nicht tief werden, ohne jeden Spielraum zu einer Gestaltung.

Wir sind in Österreich sogar noch einen Schritt weitergegangen – damit sind wir leider nicht allein in Europa, aber das soll uns nicht entschuldigen –: Wir haben öffentlichen Konsum, wir haben Sozialleistungen, die wir unseren Bürgern versprochen haben, über Verschuldung finanziert. Das ist einer der Urfehler in der Ökonomie, ein Fehler, den man keinesfalls machen darf. Wir können uns sehr wohl verschulden für Investitionen in die Zukunft, aber nicht, um öffentlichen Konsum zu finanzieren!

Diese Politik der Versprechungen hat letztlich die Investitionspolitik vernachlässigt. Wir haben ein Defizit an Infrastrukturen – denken Sie an den Telekommunikationsbereich, denken Sie an den Verkehrsbereich: Nach 50 Jahren Zweite Republik ist es diesem Land nicht gelungen, sein hochrangiges Straßennetz fertigzubauen. Wir haben zwar 78 Milliarden Schilling Schulden im ASFINAG-Bereich, aber das hochrangige Straßennetz ist immer noch nicht fertig. Unser Baubudget ist zur Gänze damit abgedeckt, daß wir die Annuitäten der ASFINAG zu bezahlen haben. Wir können nicht einmal neue Autobahnen reparieren, nein, wir müssen jetzt eine Maut einführen (Beifall beim Liberalen Forum), eine Maut, die in Österreich keine Tradition hat, die in Deutschland keine Tradition hat, die in Holland keine Tradition hat, die es aber sehr wohl im romanischen Sprachraum als allgemeine Autobahnmaut gibt.

Welche Auswirkungen das auf einen ganz wichtigen Wirtschaftszweig unseres Landes haben wird, nämlich auf unsere Gäste, die nicht gewohnt sind, einen Eintrittspreis nach Österreich zu bezahlen, wird die Zukunft weisen. Wir de-investieren so gesehen also in die Einnahmen des Staates, wir werden welche verlieren.

Meine Damen und Herren! Der zweite Urfehler, der in den letzten Jahren passiert ist, ist der Glaube an die Reglementierbarkeit der Wirtschaft. Herr Dr. Stummvoll, Sie sind Generalsekretär der Wirtschaftskammer, aber alle ASVG-Novellen der letzten zehn Jahre haben Sie hier im Hohen Haus mitbeschlossen. Ja, wissen Sie denn überhaupt, was Sie da mitbeschlossen haben? – Sie haben dort einen Wust von Reglementierungen beschlossen, die in den Betrieben – wenn man tatsächlich in die Betriebe hinausgeht, wenn man aus seinem elfenbeinernen Stübchen herauskommt, sieht man das – eine Bürokratie verursacht haben, die nahezu unerträglich ist.

Ich weiß schon: Sie gehen dann zum Bundeskammertag und erzählen dort genau das Gegenteil. Ihre Wendigkeit bewundere ich immer, aber sagen Sie doch einmal in Ihren Kammerversammlungen, daß Sie das alles hier im Hohen Haus mitbeschlossen haben und daß die ganzen Bürokratieaufwendungen, die wir in den Betrieben haben, die ganzen Regulierungen mit den Stimmen der Österreichischen Volkspartei hier im Hohen Haus beschlossen wurden! (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Ein Satz zum Kollegen Nürnberger, von dem ich meine, daß er ein sehr wichtiger und unverzichtbarer Sozialpartner ist, weil er nämlich eines verstanden hat: daß Sozialpartnerschaft eine Form des Umgangs miteinander ist. Leider hat er heute in seiner Rede etwas überzogen: Es ist nicht gut, sich ans Rednerpult des Hohen Hauses zu stellen und im Ton des Diktators zu sagen: Njet, das wird nicht stattfinden!, und eine liberale Fraktion in der Frage der Flexibilisierung der Arbeitswelt anzugreifen, ohne ihre Position zu kennen.

Die Flexibilisierung der Arbeitswelt sollten wir einmal in diesem Hohen Haus nach der Frage betrachten: Was ist marktgerecht, was ist kundengerecht, was ist nachfragegerecht? – Das ist der Punkt! Wenn wir Umsätze machen wollen, wenn wir Wertschöpfung brauchen, um hohe Löhne bezahlen zu können, um soziale Sicherheit zu garantieren, müssen wir uns einmal in diesem Haus spätestens jetzt den Kopf darüber zerbrechen: Was an der Arbeitszeit ist marktgerecht, ist kundengerecht?

Der Mitarbeiterschutz ist unverzichtbar – er ist unverzichtbar, weil der Mitarbeiter allgemein der sozial Schwächere ist –, er muß aber auf der innerbetrieblichen Ebene stattfinden. Ich bin gespannt, wann Herr Nürnberger den Vorschlag aufgreift, die Kraft und die Stärke in die Betriebsräte und in die Betriebsvertrauensleute zu legen, die dazu da sind, ihre Mitarbeiter vor Übergriffen des Unternehmers zu schützen, die aber auch die Möglichkeit geben, eine selbstbestimmte Arbeitswelt zu bauen.

Nicht längere Arbeitszeiten sind das Ziel, sondern marktgerechtere Arbeitszeiten! Unser Vorschlag ist schon mehrfach vorgetragen worden: Die maximale Jahresarbeitszeit soll 1 650 Stunden betragen – alles darüber hinaus müssen Überstunden sein, gar keine Frage –, die Wochenarbeitszeit 32 bis 48 Stunden – alles darüber hinaus müssen Überstunden sein –, und die maximale Tagesarbeitszeit soll zehn Stunden betragen – alles darüber hinaus müssen Überstunden sein. Damit gehen keine Überstundenzuschläge verloren, weil die Jahresarbeitszeit die Grenze ist und alles, was darüber hinausgeht, als Überstunden bezahlt wird.

Meine Damen und Herren! Der dritte Fehler, dessen wir uns für die Zukunft bewußt sein sollen, ist das Festhalten am Wohlfahrtsstaat. Der Wohlfahrtsstaat hat die Grenzen seiner Finanzierbarkeit schon lange überschritten. Das soziale Netz ist für uns Liberale der wichtigste Beitrag zur politischen Kultur dieses Landes. Jemand, der sozial nicht sicher ist, kann nicht frei sein. Wer nicht frei sein kann, kann nicht kreativ sein, und wer nicht kreativ ist, kann nicht produktiv sein. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es ist nur ein Unterschied, ob man das soziale Netz als einen Anspruch für jeden, auch für den Wohlhabenden, begreift – oder ob man das soziale Netz als Hilfe für denjenigen begreift, der sich selbst nicht helfen kann. Die Gießkanne ist da ohne Zweifel keine Lösung.

Der vierte Punkt, meine Damen und Herren – geben Sie es doch endlich einmal zu, auch die Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei; zumindest haben Sie in den letzten Jahren eine Politik in diese Richtung gemacht –: Sie haben ein zutiefst gestörtes Verhältnis zu Eigenkapital. Es gibt in Österreich keine Eigenkapitalpolitik; es gibt keinen Risikokapitalmarkt. Alle Förderungspolitiken, die Sie ausgerichtet haben, die Sie bei jeder Rede stolz verkünden, sind Fremdkapitalförderungen und damit indirekte Bankenförderungen. Eine wirkliche Eigenkapitalkultur existiert in Österreich nicht. Exportoffensive ist ein Schlagwort, Unternehmensgründung ist ein Schlagwort, wenn das nicht auf der Basis von Risiko- und Eigenkapital funktioniert. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Zeit flieht. Eine letzte Bemerkung. – Auch eines haben Sie zugelassen, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei und von der Sozialdemokratie: Sie haben sehenden Auges zugelassen, Ihre Klientel schützend, wie die sozialen Bedingungen der Wettbewerbswirtschaft und die der geschützten Bereiche täglich weiter auseinandergedriftet sind.

Eine kleine Schnurre am Schluß, die leider Realität ist: Wenn 100 Österreicherinnen und Österreicher, die ASVG-versichert sind, im Jahr zwei Kuren beanspruchen, beanspruchen die öffentlich Bediensteten zehn. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Die eine ist Mißbrauch, oder der Staat


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ist der schlechteste Arbeitgeber. Ich glaube, letzteres ist es. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

12.21

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bundesminister Klima hat gestern sinngemäß gesagt, er lädt die Kritiker ein, solidarisch ein Stück mitzugehen. Ich habe das so verstanden, auch die Diskussion heute, daß die Oppositionsparteien eingeladen werden, doch auch ihre Vorschläge zu bringen, und ich nehme diese Anregung auf.

Zuvor möchte ich aber schon sagen: Ein bißchen leichter wäre es natürlich schon, wenn das Budgetdefizit vom Himmel gefallen wäre, so wie es in der Landwirtschaft halt hin und wieder leider passiert: Die gelben Wolken ziehen auf, der Hagel fällt, die Ernte ist vernichtet, und jetzt heißt es, solidarisch zusammenzustehen und den Schaden zu begrenzen. – Ganz so ist es aber da nicht: Sie haben ja diesen Zustand herbeigeführt, der jetzt solidarisch zu bekämpfen wäre, und nach Ihren eigenen Zahlen ist das Budgetdefizit nach der Maastrichter Abgrenzung, Herr Minister, von 1,9 Prozent 1992 auf 6,1 Prozent 1995 angestiegen. Noch im Jänner waren es nach offiziellen Daten des Finanzministeriums 5,5 Prozent. Hoffen wir, daß es in weiteren zwei Monaten nicht 6,5 Prozent sein werden.

Aber schön: Sie sagen, das ist Schnee von gestern, warum über diese vergossene Milch klagen, Sie laden die Oppositionsparteien ein, ihre Vorschläge zu machen und auch etwas Gutes in diesem Programm zu finden.

Also okay, etwas Gutes gibt es schon. Zum Beispiel ist es gemäß allen Regeln der ökonomischen Theorie äußerst unwahrscheinlich, daß dieses Programm nichts Positives für die Leistungsbilanz bewirkt. Das muß so sein, und das wird so sein. In welchem Ausmaß, darüber kann man streiten, aber dem Grunde nach muß das so sein.

Was viele Kritiker zu diesen beiden Budgets gesagt haben, ist, daß es Strukturreformen vermissen läßt. Welche Strukturreformen sind das? Ohne Anspruch auf Vollständigkeit erlaube ich mir, Ihnen einige Möglichkeiten vor Augen zu führen und Sie zu bitten, zumindest zu erwägen, ob Sie das in der verbleibenden Zeit – egal, ob das eineinhalb oder drei Jahre sein werden – wenigstens angehen.

Erstes Stichwort: "Verwaltungsreform"; ich mache das so kurz wie möglich.

Erstens: Einsparung von Hierarchieebenen und Verkürzung der Entscheidungswege in der Verwaltung,

zweitens: Vermeidung von Mehrfachzuständigkeiten zwischen den Ministerien,

drittens: Contracting out, soweit es nur irgendwie geht. Das ist überall dort möglich, wo die Verträge, die mit den Privaten zu schließen sind, so genau spezifiziert werden können, daß die Überwachung nicht teurer ist, als es selber zu machen,

viertens: die leidige Frage der Kostenrechnung in den Ministerien. Gegenwärtig können wir ja nicht einmal die Ausgabentreiber sozusagen auf Knopfdruck lokalisieren, an den Universitäten nicht und sonst auch nirgends;

fünftens: eine Reform des Besoldungsschemas.

Stichwort "Haushaltsrecht": Anreize für die Dienststellen, selber für Einsparungen zu sorgen. Dieses Stichwort ist heute schon gefallen. Ich vermisse leider im Koalitionsübereinkommen oder in der Rede des Bundeskanzlers auch nur bei den Universitäten das Stichwort "Autonomie". Aber das wäre ja das Vehikel, diese Anreize durchzusetzen.


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Wir warten mit Spannung auf das Budgetprogramm im Herbst. Hoffentlich wird es eine bessere Zukunft haben als das Budgetprogramm vom Mai 1995. Vor allem erwarten wir verbindliche und überprüfbare Vorgaben in diesem Budgetprogramm.

Drittes Stichwort: "parlamentarischer Budgetprozeß": Da gibt es Ansätze. Seit letztem Herbst diskutieren wir auf informeller Ebene über die Rechte und Pflichten des Budgetausschusses, und es wird im Mai eine Enquete zu diesem Thema geben. Es muß aber auch Sanktionen geben, wenn nach wie vor keine Kostenschätzungen bei Gesetzen vorliegen und keine Sanktionen für diesen Fall vorgesehen sind. Ich berufe mich da im übrigen auf eine Beiratsstudie der Sozialpartner, die das schon 1995 thematisiert haben.

Viertes Stichwort: Reform des Finanzausgleiches beziehungsweise der Finanzverfassung. Herr Minister, Ihre Ankündigung, daß der Finanzausgleich bis zum Jahre 2000 verlängert wird, ist grosso modo eher eine gefährliche Drohung als ein besonderes Leistungskennzeichen, denn wie oft soll dieses Gesetz denn noch in dieser Form weiter verlängert werden, mit marginalen Änderungen hie und da?

Was hier erreicht werden muß – und wieder berufe ich mich auf die Sozialpartnerschaftsstudie vom Sommer, die haben ja kein Copyright, kein Monopol auf diese Aussagen –: Es muß einmal gelingen, die Koppelung von Ausgabenverantwortung, Einnahmenverantwortung und Aufgabenverantwortung herbeizuführen. Herr Kollege Haselsteiner, glaube ich, hat das heute auch schon angedeutet. Negative Beispiele, immer die gleichen: Landeslehrer, Wohnbauförderung, Spitalsfinanzierung.

Es muß auch gelingen, die Länder stärker in die Steuerverantwortung miteinzubinden. Es geht auf Dauer nicht an, daß die Länder das Geld ausgeben, das der Bund einnimmt. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Fünftes Stichwort: Wohnbauförderung. Herr Bundesminister, meine Damen und Herren! Ich sehe schon ein, daß wir eine Krise in der Bauwirtschaft haben und daß die Arbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft steigt. Man muß aber auch dazusagen, daß Österreich traditionell einen sehr hohen Anteil der Bauwirtschaft am Sozialprodukt hat. Es kann auf die Dauer nicht angehen, daß wir 30, 35 Milliarden Schilling pro Jahr in diesen Sektor stecken, und gleichzeitig fehlt uns das Geld für die Technologieförderung, für eine wirklich investive Zukunftsförderung, die diesen Namen verdient. Denn bei allem Respekt: Ich gönne jedem Häuslbesitzer das Vergnügen, das er an seinem Haus hat, aber das ist im wesentlichen ein konsumtiver Bereich. Hier wird kurzfristig Arbeit geschaffen, aber nicht auf die Dauer.

Also es muß bei der Wohnbauförderung darüber zu reden sein, ob ein Abbau der automatischen Dynamik möglich ist. (Abg. Dr. Haider: Sie haben doch einen wachsenden Wohnbedarf!) Noch, ja. (Abg. Dr. Haider: Doch!) Aber das wird auf die Dauer nicht so weitergehen. – Ich sage nur: Das Geld ist da, aber ich glaube, wir verwenden es tendenziell falsch.

Es muß auch darüber zu reden sein, daß die Einkommensgrenzen zu hoch sind, Herr Kollege Haider, und daß die Rückzahlung der Gelder entsprechend der Einkommensentwicklung des Geförderten möglich sein muß.

Natürlich muß es möglich sein, über stärkere ökologische Kriterien in der Wohnbauförderung zu reden, um Folgekosten zu vermeiden. (Abg. Eder: Das geschieht ja!) Das geschieht teilweise, aber zu langsam, zu langsam. Wir haben nicht ewig Zeit.

Beim Thema Spitäler und Gesundheitsvorsorge – das wäre das sechste Stichwort – halte ich mich nur ganz kurz auf. Ich sage nur: Zum Teil werden die Anreize, über die hier diskutiert wird, auf der Regierungsebene falsch gesetzt. Wenn es darum geht, daß der Spitalsbereich zu groß ist, weil er der teuerste Bereich ist, und es darum geht, die Leute eher in die ambulante Versorgung und zu den niedergelassenen Ärzten zu bringen, dann geht beispielsweise ein Selbstbehalt für Arztbesuche in der Ordination genau in die falsche Richtung. Er treibt die Leute ja geradezu in das Spital hinein.


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Es muß doch einmal gelingen, den KRAZAF so zu reformieren, daß diejenigen Institutionen, die dort die größten Mittel beisteuern, und zwar anteilsmäßig und absolut, auch das meiste Mitspracherecht haben. Derzeit ist es genau umgekehrt. Das ist keine klare Verantwortungsabgrenzung, die zu Einsparungen führen kann.

Auch in diesem Bereich wäre es notwendig, mehr an kurative Medizin und an ökologische Standards im Konsum und auch in der Arbeitswelt zu denken, als Vorbeugung gegen Allergien, gegen Berufskrankheiten und so weiter.

Siebentes Stichwort: Pensionsreform Ich glaube, es wissen alle, was grundsätzlich gemeint ist. Aber derzeit sehe ich noch keine Anzeichen, daß die Pensionen für alle Berufsgruppen wirklich vereinheitlicht werden.

Ich vermisse auch noch einen Teil, der im grünen Pensionsmodell wesentlich ist, nämlich die Absicherung von Menschen im Alter auch dann, wenn sie über kein Erwerbseinkommen verfügt haben; das trifft besonders Frauen.

Schließlich – letzter Punkt und achter Punkt –: Verkehr: Es gäbe ja ganz simple Möglichkeiten, da ein bißchen auf die Dauer auch fiskalisch einzusparen, nämlich zum Beispiel durch Senkung der Tempolimits und Durchsetzung stärkerer Alkoholkontrollen zur Unfallprävention – wie es generell die Richtlinie sein muß, auf die Prävention zu setzen, und Prävention im Verkehrsbereich heißt, nicht Investitionen tätigen, die später umso mehr Folgekosten nach sich ziehen.

Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das ist eine unvollständige Aufzählung. Das fällt einem halt so ein, wenn man sich eine Stunde hinsetzt. Aber wann ist die Zeit, das anzugehen? Das ist das Problem, das ich in erster Linie beim Bundesvoranschlag für 1996 und 1997 sehe. Er sieht nicht keine Reformen vor, das wäre übertrieben zu sagen, ich glaube schon, daß hie und da strukturelle Ansätze sichtbar sind, aber die Vision, wie das weitergehen soll für 1998 und 1999, das wird weder aus den Budgetbegleitgesetzen noch aus dem Koalitionsübereinkommen noch aus Ihrer Rede ersichtlich, Herr Bundesminister.

Eine weitere gefährliche Drohung bei diesem Budgetprogramm ist, daß es ja einerseits zur Hälfte in Wahrheit aus Abgabenerhöhungen besteht. Das allein könnte man ja noch hinnehmen. (Abg. Schwarzenberger: Das haben Sie sogar verlangt!) Natürlich! Wir haben in unserem Budgetprogramm vom Herbst, Herr Kollege, gesagt: Reformen brauchen Zeit. Man muß vernünftige Vorarbeiten machen. Bis zur Wirksamkeit vergeht Zeit. Und für diese Übergangszeit werden Steuererhöhungen unumgänglich sein. Das haben wir gesagt, das war eine realistische Einschätzung. Belohnt worden bei den Wahlen sind wir für diese realistische Einschätzung nicht.

Ich betone aber noch einmal: Wir haben gesagt, Steuererhöhungen werden unumgänglich sein für die Übergangszeit. Es wäre schön gewesen, wenn Sie wenigstens in Teilbereichen Steuererhöhungen befristet gemacht hätten, mit einem fixen Zeitplan, sodaß auch für den Bürger nachvollziehbar ist, daß in dieser Zeit über Reformen der Druck von diesen Ausgaben genommen werden wird.

Ein paar Sätze zu Ihrer gestrigen Rede, Herr Bundesminister Klima. – Also daß es eine breite Akzeptanz bei der Bevölkerung für dieses Sparpaket gibt, ist, glaube ich, eine etwas irreführende Interpretation. Die Öffentlichkeit nimmt mit Fassung zur Kenntnis, daß endlich etwas geschieht! Das ist ja ganz natürlich! Wenn man sich ein ganzes Jahr darauf einstellt, daß der Eindruck von Handlungsunfähigkeit der Bundesregierung sich verdichtet und verdichtet, so wie es 1995 der Fall war, vor allem ab dem Sommer, dann ist man ja froh, wenn endlich einmal die Regierung Ansätze zeigt, das zu tun, wozu sie da ist, nämlich zu regieren. Also insofern herrscht eine gewisse Erleichterung, daß die Regierung etwas zu tun gedenkt gegen eine Situation, die sie aber selbst herbeigeführt hat; das kann man nicht oft genug sagen. Wie die Reaktionen sein werden, wenn die Leute merken, was tatsächlich auf sie zukommt mit diesen Begleitgesetzen, das, glaube ich, wird ganz anders ausschauen.

Sie sollten sich auch nicht, Herr Bundesminister – Sie wissen das ja ganz genau –, wieder und wieder darauf berufen, daß das ein 2 : 1-Paket ist. Nach Ihren eigenen Zahlen aus dem Finanz


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ministerium kann das gar nicht sein. Selbst wenn man jede einzelne Zahl, die in diesen Unterlagen steht, für wahr oder zumindest als glaubhaft annimmt: Es ist ein 1 : 1-Paket. (Bundesminister Mag. Klima: Für den Bundesbereich!) Ja, für den Bundesbereich. Herr Minister! Das ist ein bißl ein Schmäh! (Bundesminister Mag. Klima: Es sind auch 100 Milliarden!)

Von den 100 Milliarden rede ich, genau. Dem Bürger ist das vollkommen egal, ob seine Steuern steigen, weil ein Teil dem Bund zufließt oder weil ein Teil den Ländern und Gemeinden zufließt. Zahlen müssen es die Bürger! (Bundesminister Mag. Klima: Einsparen müssen die auch!) Hoffen wir! Hoffen wir, daß es zu den Einsparungen der Länder überhaupt kommt, Herr Bundesminister!

Wie ein roter Faden, haben Sie gestern gesagt, zieht sich durch das Programm die Sorge um die Beschäftigung. Na ja, also bitte: Zur Konjunkturlage paßt dieses Budget wie die Faust aufs Aug, das muß man sagen. Das ist eine ökonomische Trivialität. Und unabhängig davon, ob jetzt die Wachstumsrate des BIP ein halbes Prozent, wie Herr Haselsteiner meint, oder 1 Prozent oder 1,5 Prozent sein wird: Bei einem durchschnittlichen Produktivitätszuwachs in Österreich von 2 bis 3 Prozent – in einzelnen Jahren sogar mehr – kann die Beschäftigung unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen nur sinken. Die Arbeitslosigkeit kann unter diesen Bedingungen nur steigen.

Daß Sie punktuell versuchen – vor allem im Rahmen der Bauwirtschaft –, durch einzelne Maßnahmen etwas zu tun, ist unbestritten, aber der makroökonomische Effekt, der Effekt im großen und ganzen, muß restriktiv auf den Arbeitsmarkt wirken – ganz abgesehen davon, daß die Schlagzeile des "Standard" von gestern: "Akademiker-Arbeitslosigkeit steigt um das Doppelte", für einen Teilbereich gezeigt hat, wohin diese Maßnahmen in Kürze führen werden.

Warum das alles in dieser Kürze? – Deshalb, weil Sie sich die Maastricht-Kriterien haben einreden lassen und weil es europaweit nicht gelungen ist, den Politikern, den maßgeblichen Sozialpartnern und so weiter klarzumachen, daß man für die Währungsunion sein kann – so wie ich –, aber die Maastricht-Kriterien, namentlich die zwei fiskalischen Kriterien, für einen Unsinn halten kann.

Das ist leider bisher nicht gelungen. Das ist im wesentlich vielleicht mehr eine Aufgabe des Außenministers als Ihre, Herr Minister, aber wenn das so weitergeht, dann wird es damit enden, daß wir weder die Währungsunion bekommen noch eine Budgetkonsolidierung haben. Gar nichts werden wir bekommen, auch nicht die Erfüllung der Maastricht-Kriterien, denn wenn alle europäischen Staaten, alle EU-Staaten genauer gesagt, jetzt gleichzeitig dieses Programm machen, das Österreich macht – ein ehrgeiziges Programm, zugegeben, da hat der Währungsfonds schon recht –, kann das die europäische Rezession nur herbeiführen, beschleunigen, verstärken, und es wird dann umso schwerer fallen, im Jahre 1998 diese berüchtigten 3 Prozent zu erreichen.

Ich sage aber noch einmal, ceterum censeo: Ich persönlich – und ich kann das gut begründen, nur werde ich es nicht hier und jetzt tun – bin für die Währungsunion sofort – "sofort" natürlich unter Anführungszeichen, da gibt es gewisse technische Übergangsprobleme –, aber gegen die beiden fiskalischen Maastricht-Kriterien. Diese machen ökonomisch keinen Sinn, sie sind schädlich und treiben Europa in eine Rezession, die nicht notwendig gewesen wäre. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Bundesminister Mag. Klima. – Bitte, Herr Bundesminister.

12.38

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte Sie ursprünglich heute ungestört reden lassen, weil Sie mir gestern so lange und durchaus auch geduldig und aufmerksam zuhören mußten. Aber vielleicht einige Klarstellungen, meine sehr geehrten Damen und Herren.


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Zur Frage der Prognosen hinsichtlich Arbeitslosenquote und Wirtschaftswachstum. Sie alle kennen das Phänomen der Self-fulfilling-Prophecy. Ich glaube, negative Prognosen sind nicht dazu da, um die Hände in den Schoß zu legen, sie zu bedauern, zu bejammern, sie zu zitieren, sondern alles zu unternehmen, um diese Prognosen nicht eintreten zu lassen. Es ist unsere Aufgabe – ich würde meinen, unsere gemeinsame Aufgabe –, dieser Stimmungslage, die bei grundsätzlich guten wirtschaftspolitischen Fundamentaldaten in Europa – nicht nur in Österreich, in Europa – heute vorhanden ist, entsprechend entgegenzuwirken, und zwar durch konkrete offensive Aktionen.

Genau das, sehr geehrter Herr Abgeordneter, ist es, was die Bundesregierung vor hat: auf der einen Seite das Konsolidierungsprogramm und als zweite Schiene dieses Geleises das Offensivprogramm. Ich glaube, es kann und muß Aufgabe unseres kleinen, exportorientierten Landes in Europa sein, diese Stimmungslage auch in ganz Europa zu bekämpfen und in die Europäische Union das Auseinandersetzen mit dem Problem der Arbeitslosigkeit hineinzutragen. Dazu gehört auch eine Beschäftigungsoffensive, auch mit neuen intelligenten Finanzierungsmodellen.

Das ist ein Punkt, wo wir uns sicher alle gemeinsam treffen, nämlich zu sehen, wie vernetzt die Politik heute ist.

Wenn es nicht gelingt, im Sinne einer neuen Wegekosten-Richtlinie die Kosten des Straßengüterverkehrs etwas anzuheben, werden auch die Benützungsgebühren für Bahnen nicht steigen können, was weiter heißen würde, daß wir keine privatwirtschaftlichen Finanzierungsmodelle für den so notwendigen transeuropäischen Ausbau der Eisenbahnnetze finden. – Sie sehen an diesem Beispiel, wie vernetzt die Dinge sind. Wir sollten daher alle Anstrengungen unternehmen, das, was die Bundesregierung hier vorgelegt hat – einerseits das Konsolidierungsprogramm und andererseits das Offensivprogramm –, zum Leben zu erwecken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Eine zweite Klarstellung: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird hier immer wieder von unterschiedlichen Relationen wie zwei Drittel, ein Drittel, 1 : 1 und wie auch immer gerechnet wurde, gesprochen. Es war immer klar – das sind keine Taschenspielertricks –, daß sich das 100-Milliarden-Schilling-Konsolidierungsvolumen – im Vergleich des Jahres 1995 zum Jahr 1997 prognostiziert – für den Bundeshaushalt ergeben hat. Und es war daher immer klar, daß wir zwei Drittel Ausgabenseite Bundeshaushalt und ein Drittel Einnahmenseite Bundeshaushalt anzusehen haben.

Natürlich ist es wichtig, daß die gesamte öffentliche Verschuldung (Abg. Dr. Haider: Jetzt auf einmal?) – na selbstverständlich! – von Ländern und Gemeinden gleichfalls durch Sparmaßnahmen und durch zusätzliche Mittel, die im Rahmen des Finanzausgleichs zur Verfügung gestellt werden, reduziert wird. Warum? – Weil die Länder und Gemeinden sich schon verpflichtet haben, zum Beispiel das Maßnahmenpaket in bezug auf den öffentlichen Dienst auch auf ihren Personalaufwand anzuwenden.

Ein dritter Punkt: Immer wieder wird von mangelnden Strukturreformen gesprochen. Ich bin überzeugt davon – und das ist nachweisbar –, daß mit sehr vielen Maßnahmen – zum Beispiel den Maßnahmen gegen die Frühpensionierung, den Maßnahmen, das faktische Pensionsalter an die gesetzlichen Grenzen heranzuführen – ein sehr dynamischer, positiver Einsparungseffekt erzielt werden wird, daß sie aber in den ersten Jahren nur relativ wenig an Einsparungen bringen werden. Das gilt auch für die Maßnahmen gegen den Mißbrauch, aber ebenso für die Maßnahmen im Steuerbereich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen doch, daß all jene Maßnahmen, die wir hinsichtlich der veranlagten Einkommensteuer und der Körperschaftssteuer gesetzt haben – Maßnahmen, mit denen wir Steuerschlupflöcher beseitigt haben –, in Wirklichkeit erst 1998 und in den Folgejahren voll greifen werden. Das heißt, daß das, was wir 1996/97 machen, Erhöhungen der VZ plus die Verlustvorträge für 1996/97 nicht ansetzen zu lassen, nur eine kurzfristige


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Liquiditätsüberbrückung ist; die nachhaltige Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird sich erst in der Folge zeigen.

Was ist es denn, wenn nach über 100 Jahren Postoffizials nun ein Poststrukturgesetz vorgelegt wird, mit dem die Post erstmals zu einem selbständigen, marktnahen Unternehmen, zu einer Aktiengesellschaft gemacht wird? Ist das keine Strukturveränderung? Was ist es denn zum Beispiel, wenn ein neues, intelligentes Modell zur Schieneninfrastruktur-Finanzierung vorgelegt wird? Ist das keine Strukturveränderung? Was ist denn das neue Mautgesetz, bei dem klargestellt ist, daß die Vignette nur eine Übergangslösung ist, daß es das politische Ziel der Regierungsparteien ist, im Jahre 1998 so rasch wie möglich für LKWs und nach dem Jahr 2000 auch für PKWs ein gerechtes, entfernungsabhängiges Wegekostensystem einzuführen, wie es in Italien, wie es in Frankreich der Fall ist, und all diese Dinge mehr? – Eine ganz wesentliche Strukturreform! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Das haut uns den Tourismus noch mehr zusammen!)

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Petrovic! Sie haben gemeint, dieses Konsolidierungsprogramm sei kulturfeindlich. Sie haben selbst die statistischen Unterlagen zu meiner Budgetrede zitiert. Daraus werden Sie ersehen können, daß das Kunst- und Kulturbudget nicht reduziert wurde, daß der Stand des Jahres 1995 sogar übertroffen wurde. Ich weiß nicht: Haben wir unterschiedliche Unterlagen?

Sie beklagen weiters das Zurückgehen der Vermögensteuer auf 0,37 Prozentpunkte. Richtig! Aber in diesem Zusammenhang müssen Sie auch die Kapitalertragsteuer sehen, die ja als Ausgleich dazu eingeführt wurde. Der Ertrag aus der Vermögensteuer ist natürlich von 8 Milliarden auf fast null Schilling zurückgegangen, aber jener aus der Kapitalertragsteuer ist von 7 auf 24 Milliarden Schilling angestiegen. Sie ist nur nicht in dieser Rubrik drinnen, sondern auf der nächsten Seite. (Abg. Böhacker: Das weiß die Frau Petrovic!) Ich bitte also um eine sachliche Diskussion.

Wenn Sie die Lohnsteuer, sehr geehrte Frau Abgeordnete Petrovic, ansprechen, dann müssen Sie berücksichtigen – und das muß man wissen, wenn man diesen Vergleich zieht –, daß seit der Arbeitnehmerveranlagung die Rückzahlungen für den Jahresausgleich nicht mehr bei der Lohnsteuer abgezogen werden, sondern bei der Einkommensteuer. Das heißt, es reduziert eine Rückzahlung aus der Lohnsteuer rechnerisch die veranlagte Einkommensteuer. – Das sind alles – ich gebe es schon zu – technisch sehr schwierige Maßnahmen, und vielleicht sollte man das nächste Mal diese Punkte erläutern. Aber es ist das erste Mal, daß ich ein Budget vorlege.

Sie sagen, das Budget sei bildungsfeindlich. – 100 Milliarden Schilling sind in diesem Budget für Bildung, von der Volksschule bis zur Hochschule, enthalten. Da wird nichts zurückgenommen, der Betrag wächst sogar geringfügig. Ich glaube also, daß wir trotz des Sparens den hohen Standard, die hohe Qualität der Bildung durchaus aufrechterhalten.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Sie haben die Arbeitsmarktpolitik beklagt. Diesbezüglich gibt es ein Wachstum von 56 auf 60 Milliarden Schilling, obwohl – und das sage ich ganz bewußt – für die EU-Rückflüsse für arbeitspolitische Maßnahmen, die 1996 etwa 1 Milliarde Schilling und 1997 etwa 1,6 Milliarden Schilling betragen werden, nur 1 000 S als Merkpost enthalten sind, weil wir im Jahr 1995 schon 0,5 Milliarden bekommen haben, aber für 1996 und 1997 aufgrund der Programmabhängigkeit nicht viel eingesetzt ist. (Abg. Dr. Haider: Wie ist es bei den Behinderten?)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haider! Mit Ihren Modellen für ein Wirtschaftsprogramm, die Sie heute vorgestellt haben, haben wir uns schon einmal bei einer Fernsehdiskussion auseinandergesetzt, und sie sind, glaube ich, seitdem nicht besser geworden. (Abg. Dr. Haider: Die Regierung sind ja Sie, nicht wir!)

Eine Bemerkung möchte ich noch machen. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Haider! Ich habe bisher, weil es meine Privatangelegenheit ist, den Kommentaren der Studenten zur Dauer meiner Studienzeit nicht widersprochen. (Abg. Dr. Haider: Das habe ich nur nebenbei bemerkt! Seien Sie nicht so empfindlich!) Sollen sie! Aber wenn das ein Abgeordneter hier in diesem


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Hohen Haus tut, dann kann ich von ihm erwarten, daß er sich zum Beispiel davon überzeugt, daß das Studium der Betriebs- und Wirtschaftsinformatik, das ich 1981 abgeschlossen habe, erst 1976, also fünf Jahre vorher, eingeführt wurde.

Sehr geehrter Dr. Haider! Den Studenten nehme ich das nicht übel. Ich habe es nicht einmal dementiert, weil ich kann nicht alles dementieren und will es auch nicht; das ist mein Privatbereich. Aber wenn Sie das hier im Hohen Haus wiederholen, muß ich Ihnen sagen: Seien Sie mir nicht böse, aber ein bißchen mehr Qualität wäre erfreulich gewesen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Ich habe es gelesen!)

Die Abgeordneten des Liberalen Forums möchte ich noch einmal um Verständnis dafür bitten, daß es notwendig war und ist, rasch und entschlossen zu reagieren, daß es daher notwendig war, in wenigen Wochen Arbeit zwei Budgets zu erstellen, 100 Budgetbegleitgesetze zu erstellen und auch die entsprechenden Strukturgesetze einzubinden. Ich bitte um Verständnis dafür, daß es auch sehr notwendig ist, daß wir das rasch und entschlossen in der parlamentarischen Behandlung diskutieren und Ende April verabschieden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! Ich glaube, Sie sollten sich doch ein Beispiel an der österreichischen Bevölkerung nehmen. 61 Prozent der österreichischen Bevölkerung halten dieses Konsolidierungsprogramm für richtig. (Abg. Dr. Haider: Andere Umfragen sagen, 58 Prozent nicht! IMAS sagt das!) Die österreichische Bevölkerung ist klug und weise. Ich danke dafür. (Beifall bei der SPÖ.)

12.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

12.49

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist an sich nicht meine Art, irgendwelche Kommentare zu den Reden meiner Vorredner zu tätigen. Ich möchte dennoch an meine Ausführungen vor einem Jahr erinnern, die heute eigentlich wortgleich Kollege Haider gemacht hat.

Als es um das Absaugen von Gewinntransfers gegangen ist – internationale Konzerne betreiben das ja gerne heftig und sehr intensiv auch in Österreich –, wurde ich vor einem Jahr von meinem freiheitlichen Nachredner Dr. Schreiner hier eigentlich gezüchtigt – der leibhaftige Karl Marx hätte da gesprochen und dergleichen mehr. Ich frage mich aber, ob die FPÖ, nachdem Dr. Schreiner nicht mehr da ist, jetzt in eine unkontrollierte Marxismus-Phase verfällt (Abg. Schwarzenberger: Sie sind ein sehr guter Beobachter!), da Dr. Haider heute einen derartigen Vorschlag gebracht hat. (Abg. Böhacker: Das heißt, Sie reden der Gewinnverschiebung ins Ausland das Wort? Wollen Sie das?) Nein!

Ich habe nur daran erinnert, Herr Kollege Böhacker, daß Ihr Kollege, Ihr Wirtschaftssprecher mich in der vergangenen Gesetzgebungsperiode deshalb als "Marxist" bezeichnet hat, als "leibhaftigen Karl Marx", weil ich das voriges Jahr selbst vorgeschlagen habe. (Abg. Dr. Krüger: Das ist ja bei euch kein Schimpfwort! Bei uns auch nicht!) Ich habe damit kein Problem. Ich denke mir nur, daß ihr damit ein Problem haben müßtet, aber ich werde damit fertig. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweiter Punkt. Herr Dr. Haider hat heute dem ÖGB-Präsidenten Verzetnitsch vorgeworfen, daß er flexiblere Arbeitszeiten und Zeitausgleich fordert. Ich möchte ganz kurz die Überschriften der letzten Tage zu diesem Thema, die von Verzetnisch via APA gekommen sind, hier zitieren. "Verzetnitsch fordert Verhandlungen über 35-Stunden-Woche. – Stummvoll darauf: Wäre Gefährdung für Betriebe und Sparkurs".

Weiters – das ist anscheinend die APA-Meldung, um die es gegangen ist –: "an Verzetnitsch:" – nicht: Verzetnitsch, sondern: an Verzetnitsch – "Arbeitszeit flexibilisieren, nicht verkürzen". Herr Dr. Haider hat offenbar überlesen, daß das eine Aussendung der Industriellenvereinigung war.


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Weiters deklariert sich der ÖGB in Stellungnahmen eindeutig, sodaß klar ist, daß diese Aussagen in der Form weder vom ÖGB noch von Verzetnitsch gemacht wurden.

Nun aber zum Thema Budget. Ich möchte daran erinnern, daß der Herr Bundesminister für Finanzen gestern hier einige Ziele nachhaltig festgehalten hat, und zwar mit diesen Maßnahmen, den Wirtschaftsstandort und die hohe Beschäftigung in Österreich zu sichern, die Kreditwürdigkeit Österreichs auf den internationalen Kapitalmärkten zu gewährleisten, den günstigen Zinssatz, den harten Schilling zu halten, den Haushaltsspielraum für zukünftige Budgets wieder zu vergrößern und letztlich den sozialen Frieden, Stabilität und die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt zu sichern.

Ich bin überzeugt davon, meine Damen und Herren, daß diese Ziele mit den vorliegenden Entwürfen erreicht werden können, und bestärkt werde ich in dieser Meinung auch von einem Autor der "Finanznachrichten". Ich gestatte mir, hier ganz kurz den Beginn dieses Aufsatzes zu zitieren, der den Titel "Ausgabenseitiger Fehlalarm?" trägt. Da schreibt Herr Christoph Hartmann:

"Ohne Zweifel: Die politische Entscheidung, die Budgetkonsolidierung primär ausgabenseitig anzugehen, ist richtig. Sie ist insbesondere auch deshalb richtig, da jede Begründung dafür fehlt, daß Staatsausgaben (...) proportional mit der Wirtschaftsleistung mitwachsen müssen: Bei steigendem Wohlstandsniveau der Gesellschaft insgesamt sollte statt der steigenden Leistungsfähigkeit (auch) des Staates dessen geringere Leistungsnotwendigkeit in den Mittelpunkt der Betrachtungen rücken. Falsch hingegen wäre es, die asymmetrische Budgetkonsolidierung – zwei Drittel über die Ausgabenseite, ein Drittel über die Einnahmenseite – mit der notwendigen Eindämmung ,explodierender‘ Staatsausgaben zu begründen: diese ,Explosion‘ hat nur in politischen Stellungnahmen und in Medienkommentaren stattgefunden, nicht aber in der österreichischen Realität; und auch die beim ,Kassasturz‘ beziehungsweise der ,Eröffnungsbilanz‘ zutage geförderte Ausgabenentwicklung bis 1999 läßt sich schwerlich als Explosion bezeichnen." – Dies zu einem Zeitpunkt, zu dem die Berechnungen noch unkonsolidiert erfolgten.

Ich kann Ihnen sagen, daß die Ausgabenquote und natürlich auch die Einnahmenquote in den neunziger Jahren gesunken sind. Im Jahr 1986 betrug diese Ausgabenquote 35 Prozent, derzeit liegen wir bei 32,8 Prozent – unkonsolidiert –, 1999 werden es 32,5 Prozent sein. Mit anderen Worten: Der Autor unterstellt in diesem Artikel, daß die Budgetpolitik in den nächsten Jahren dazu führen wird, daß neben der Erreichung der wesentlichen Konvergenzpunkte die Reduzierung der Neuverschuldung und die Ausgabenreduzierung stärker vorangetrieben wird, als hier hochgerechnet wurde. Der Autor geht sogar davon aus, daß eine sogenannte Sanierungsreserve entstehen wird, und diese Sanierungsreserve durch höhere Privatisierungserlöse oder durch bessere konjunkturpolitische Daten sogar noch steigen könnte. Der budgetäre Handlungsspielraum wird sich also durch die Budgets 1996, 1997, durch Strukturanpassungsgesetze und diesen Maßnahmen vergrößern.

Grundlegende sozialdemokratische Positionen sind eingeflossen und haben dieses Sparpaket im wesentlichen sozial gerecht gemacht. Wer mehr verdient, der soll mehr dazu beitragen. Die Berücksichtigung dieser sozialdemokratischen Forderungen hat letztlich auch dazu geführt, daß es eine doch sehr hohe Akzeptanz dieses Sparpaketes gibt und daß die Menschen in Österreich das Paket so auch mittragen. Ich meine, daß die Ausführungen des Kollegen Trattner, der natürlich als Oppositionspolitiker hier verschärft formulieren muß und das ein "Schwindelbudget" genannt hat, nicht zutreffen. (Abg. Böhacker: Ist es auch!)

Es ist vielmehr so, daß es ein mit Vorsicht erstelltes Budget ist (Abg. Aumayr: Das hat der Schüssel gesagt! Ist das richtig?) – der hat es auch einmal gesagt, ja! –, daß diverse Unwägbarkeiten bei der Budgetplanung sehr stark berücksichtigt und sehr vorsichtig gehandhabt wurden. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich meine, daß die – problematischen – Prognosen unserer Wirtschaftsforscher, die ja auf die Budgeterstellung – und auch auf die Budgetverfehlung! – immer maßgeblichen Einfluß gehabt haben, in diesem Fall sehr vorsichtig eingesetzt wurden, weil die Erfahrungen im Jahr 1993 auf


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grund einer falschen Prognoserechnung ja sehr bitter waren. Man kann aus diesen Budgets erkennen, daß ein anderer Weg gegangen wird.

Es ist, glaube ich, auch die Unsicherheit der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland in den Exportrechnungen mitberücksichtigt. Wir wissen ja, daß Deutschland der für uns größte und wichtigste Exportmarkt ist und es dort derzeit Probleme gibt. Es ist auch eine vorsichtige Schätzung der Privatisierungserlöse gemacht worden, die Hoffnung gibt, daß es zu besseren und zu höheren Erträgen kommen wird. Weitere Strukturmaßnahmen, die noch getroffen werden und die auch so vereinbart sind, sind im Budget bisher noch überhaupt nicht berücksichtigt und geben auch zusätzlich Sicherheit, daß die Ziele erreicht oder sogar überschritten werden können. Ich denke da etwa an die Spitalsreform – KRAZAF –, an die Beamtenpensionsreform und andere derartige Punkte, die sich strukturell gewaltig auswirken.

Diese Unwägbarkeiten sind daher meiner Meinung nach sehr vorsichtig formuliert worden. Strukturelle Maßnahmen sind außerhalb dieser Budgetaktivitäten noch möglich und werden auch realisiert werden. Das heißt also, daß positive Auswirkungen eintreten werden.

Erwähnt sei auch noch, daß die geplanten Privatisierungserlöse nicht zur Gänze nur als Einmaleffekt zur Budgetsanierung beitragen, sondern daß Teile davon auch für die von Kollegen Van der Bellen angesprochenen Standort- und Technologieaktivitäten, die erforderlich, ja ganz wichtig sind für diese Republik, eingesetzt werden. Damit läßt sich durch Privatisierungen nicht nur ein Einmaleffekt, sondern auch ein struktureller Effekt erzielen.

Ich bin daher überzeugt davon, meine Damen und Herren, daß diese Koalitionsregierung mit den vorliegenden Budgets, dem Strukturanpassungsgesetz und dem Finanzausgleich über die nächsten vier Jahre ein sehr homogenes und sehr rundes Paket vorgelegt hat. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte, Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

12.59

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war heute fast bezeichnend, als Kollege Haselsteiner sein Unterlagenpaket mühselig hierher schleppte, erklärte, daß er dieses große Paket genau durchstudiert hätte, aber beim Rückgang nicht mehr in der Lage war, das Paket, mitzunehmen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.) Also ist dieses Paket, das Strukturreformen und zwei Budgets enthält, dieser Opposition zu schwer, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich gestehe einem Oppositionsredner durchaus zu, daß er pointiert, scharf und kritisch alle Dinge beleuchtet, daß er durchaus nicht zimperlich ist in der Auswahl der Sprache, aber eines habe ich festgestellt: wie empfindsam man reagiert, wenn mit der gleichen Sprache, mit den gleichen Fakten zurückgezahlt wird – dann ist Wehleidigkeit am Platz, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundesminister Klima hat uns gestern zwei Bundeshaushalte vorgelegt, den Finanzausgleich, Hunderte Budgetbegleitgesetze und einige bedeutende Strukturgesetze. Von der Notwendigkeit gemeinsamer Arbeit im Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden und von einem Konsolidierungsprogramm, das mutig und sozial ausgewogen ist, wurde gesprochen. Ich verstehe durchaus, daß hier die Opposition aufschreit, daß sie Zielgruppenprobleme aufzeigt, punktuelle Benachteiligungen findet. Es ist das gute Recht der Opposition, daß sie aufzeigt, wo eventuelle Schwächen, wo eventuelle Probleme gegeben sind. Warum auch nicht? Aber es wäre dann auch die Pflicht der Opposition, bessere Vorschläge darzulegen. Die haben mir bis heute gefehlt! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Hans Helmut Moser: Sie müssen zuhören, wenn die Opposition redet! Vorschläge haben wir immer gemacht!) – Herr Möchtegern-Pensionist Moser! Ich bitte um ein wenig Zurückhaltung. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Frühpensionist!)


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Meine Damen und Herren! Bei aller Schärfe des Blickes durch die Oppositionsbrille sollte man nicht so schwarzsehen, daß man den Gesamtüberblick dabei verliert.

Meine Damen und Herren! Jedem von uns steht es zu, die Problemkreise kritisch zu hinterfragen, nicht alles zu glauben, was gesprochen, versprochen wird (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist richtig!); das habe ich auch nicht gemacht. Ich glaube weniger der Opposition, und ich glaube auch nicht alles, was von den Ministerien gesagt wird. Aber, meine Damen und Herren, ich will jemand Objektiven zitieren, nämlich den Herausgeber der "Finanznachrichten". In diesen steht zu lesen:

Die politische Entscheidung, die Budgetkonsolidierung primär ausgabenseitig anzugehen, ist richtig. Sie ist auch insbesondere deshalb richtig, weil jede Begründung dafür fehlt, daß die Staatsausgaben proportional, geschweige denn überproportional ansteigen. Über größere Zeiträume betrachtet, liegt das Niveau der Staatsausgaben in den neunziger Jahren zwar über jenen der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre, hingegen um genau einen Prozentpunkt unter jenem der achtziger Jahre. Es kann daher von einer unkontrollierten Ausgabenentwicklung – das ist wortwörtlich hier zu lesen – vor dem Hintergrund dieser Daten in seriöser Weise nicht gesprochen werden. (Abg. Mag. Trattner: Wer sagt das?) – Professor Horst Knapp, Herausgeber der "Finanznachrichten", besser gesagt, seine Nachfolger.

Das tut Ihnen natürlich sehr weh, Herr Kollege Trattner, denn in den achtziger Jahren war ja irgend jemand von Ihnen an der Regierung beteiligt.

Seit 1975 sind die Zinszahlungen im Budget immer stärker gewachsen – das wird nicht bestritten. Aber Zinszahlungen sind, pointiert formuliert, eine Erinnerung an vergangene Defizite, die mit der laufenden Ausgabenentwicklung in keinem Zusammenhang zu sehen sind. Interessant ist: Selbst ohne Budgetsanierung wäre 1999 mit 28,8 Prozent der zweitniedrigste Wert des Zeitraumes zwischen 1975 und 1999 erreicht. Dieser Wert läge bloß um 2 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der Jahre 1950 bis 1974.

Also, Herr Kollege Trattner, Sie können Ihre stumpfen Waffen, die Sie heute auf den Tisch gelegt haben, einpacken. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Trattner: Sie sind ein Märchenerzähler!) Nicht ich sage das, Sie können das in den "Finanznachrichten" nachlesen, die Sie ja sonst immer zitieren und als seriöse Grundlage darzustellen bemüht sind. Aber wenn einmal etwas drinsteht, was Ihrer Oppositionsstrategie widerspricht, dann hinterfragt man es kritisch.

Meine Damen und Herren! Ich zitiere noch etwas: Wenn die Koalitionsregierung ihr Budgetziel oder, besser gesagt, das Ausgabenziel erreicht, dann ist nicht nur eine Stabilisierung der Ausgabenentwicklung sondern ein Roll back der Staatsausgaben geschehen. (Abg. Mag. Trattner: Ist das ein Budgetspiel?)

Herr Kollege Trattner! Die "Oberösterreichischen Nachrichten" zitieren heute Bernhard Felderer, der Ihnen ja nicht unbekannt ist, denn Sie zitieren ihn ja auch: Es gebe zwar einen Wachstumsrückgang, aber keine Rezession. Einiges deutet darauf hin, daß Österreich besser gegen den Abschwung gewappnet sei. Österreichs Unternehmen seien 1994 von staatlichen Abgaben entlastet worden. Es wird angeführt die Abschaffung der Vermögensteuer. Der Körperschaftsteuersatz sei in Österreich mit 34 Prozent deutlich niedriger als in Deutschland. Die Unternehmenssteuern seien in Österreich insgesamt um 20 Prozent niedriger als in Deutschland. – Also da sollten Sie ein wenig aufpassen, Herr Kollege Trattner.

Dieses ehrgeizige Budgetprogramm der nächsten Jahre ermöglicht auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Oberösterreich investiert – weil hier die gemeinsame Arbeit von Bund, Ländern und Gemeinden angesprochen wurde – in Telearbeitsplätze. Bis zum Jahr 2001 sollen in Oberösterreich 5 Prozent der oberösterreichischen Erwerbstätigen Telearbeiter sein, also zumindest einige Tage in der Woche zu Hause ihre Arbeit verrichten. Das würde zur Folge haben, daß es um 25 000 Pendler weniger gibt und 100 Millionen Kilometer weniger gefahren werden müssen. (Abg. Mag. Trattner: Was sagen Sie dazu, daß die Abgabenquote von 41,1 auf 43,4 Prozent steigt?) Das ist, meine Damen und Herren, eine Investition in die Zukunft, die sehr positiv zu sehen ist. (Beifall bei der ÖVP.)


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Gerade Sie fordern doch immer wieder positive Investitionen in die Zukunft. Sie fordern Strukturreformen für die Zukunft. Wenn sie vorgesehen sind, sollten sie diese auch unterstützen, Herr Kollege Trattner! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist notwendig, eine Strukturreform des Finanzausgleiches, wie es von Kollegen Van der Bellen angesprochen wurde, in die Wege zu leiten, weil eine reine Fortschreibung – ähnlich wie beim Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds – auf die Dauer untragbar ist. Das ist unbestritten. Diesbezüglich müssen Dinge in Bewegung gesetzt werden.

Zum Schluß kommend möchte ich noch zwei Problemkreise meines Bezirkes ansprechen: Ich verstehe nicht, daß der Herr Bundesminister für Inneres, dessen Kapitel wir in diesen Tagen natürlich mit beschließen und mit behandeln, den Bezirksgendarmerieposten einfach verlegt, weil dies ein Bürgermeister seiner Farbe wünscht. Er nimmt ihn einem weg, der zwar auch von dieser Partei gestellt wird – obwohl Millionen investiert wurden –, nur damit man einem anderen quasi entgegenkommt. Das hat mit Sparen wenig zu tun.

Das zweite ist: Ich verstehe es nicht, Herr Bundesminister Einem, daß in Lambach auf der Kraftwerksbaustelle nicht endgültig und ein für allemal dafür gesorgt wird, daß verschiedene Veranstaltungen so abgeführt werden können, daß der Rechtsstaat auch Rechtsstaat bleiben kann, und daß man, so wie es bisher geschehen ist, immer wieder verschämt die Augen verschließt vor den tatsächlichen Problemen. Das wird so nicht gehen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Wieso reden Sie von Rechtsstaat?)

Ich hoffe, daß die Exekutive bei ihrer Arbeit nicht weiter behindert wird, daß der Rechtsstaat Rechtsstaat bleibt, daß die ungesetzliche Blockade und die Demonstrationen beendet werden, damit die rechtsgültigen Bescheide in diesem Bereich umgesetzt werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Insgesamt hat Herr Bundesminister Klima stellvertretend für die neue Regierung ein ehrgeiziges Programm vorgestellt, und wir unterstützen dieses sehr gern. (Beifall bei der ÖVP.)

13.10

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.10

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanzminister! Hohes Haus! (Abg. Dr. Khol: Haben Sie die "Finanznachrichten" gelesen, Herr Kollege?) Herr Kollege Stummvoll hat in seiner Rede gemeint, das vorliegende Doppelbudget mit den Begleitgesetzen sei dazu angetan, die Zukunftsprobleme zu lösen. – Herr Kollege Stummvoll, diese Meinung teile ich nicht!

Herr Kollege Stummvoll! Dieses Doppelbudget mit den Begleitgesetzen ist nichts anderes als der gescheiterte Versuch, zehn Jahre rot-schwarzer Mißwirtschaft zu vertuschen. – Nicht mehr und nicht weniger ist es. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Auer! Ich habe Herrn Professor Knapp, solange er noch unter den Lebenden weilte, immer sehr geschätzt. Er war ein blendender Statistiker. Aber, Herr Kollege Auer: Zitier nie eine Statistik, die du nicht selber gefälscht hast! – Das einmal vorweg. (Abg. Mag. Kukacka: Du fälscht immer deine Statistiken? Jetzt wissen wir es!)

Ich werde Ihnen jetzt Zahlen aus dem Finanzministerium zitieren. Herr Kollege Auer, weil Sie gemeint haben, die Steuerquote sei in Österreich besonders niedrig: Es ist unbestritten, daß die Betriebssteuern in Österreich sehr moderat sind. Aber eines müssen Sie sehen – Kollege Auer, horch zu, da könntest du etwas lernen –: Die gesamte Steuer- und Abgabenquote steigt von 1995 auf 1997 von 41,1 Prozent auf 43,4 Prozent. Damit liegen wir wesentlich über der Steuer- und Abgabenquote der Bundesrepublik Deutschland. (Abg. Auer: Ist das eine gefälschte Stati


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stik?) Das habe ich den Unterlagen des Finanzministers entnommen. Herr Finanzminister! Sind diese Zahlen echt?

Noch eines, Herr Kollege Auer, zur Staatsverschuldung. Bis zum Jahr 1997 steigt die Staatsverschuldung laut Auskunft und Bericht des Finanzministeriums auf 72,8 Prozent des BIP. Das liegt 20 Prozent über dem Maastricht-Kriterium. – Das ist alles in Ordnung, paßt alles bestens. So wird Politik in dieser Regierung gemacht.

Alle Abgeordneten der Regierungsparteien und auch der Herr Bundesminister haben von einer sogenannten Sondersituation gesprochen. Das ist sehr stark untertrieben, Herr Bundesminister. Es ist eine dramatische Budgetsituation. Sie wollten uns hier heute klarmachen, daß diese "Sondersituation" – unter Anführungszeichen – vielleicht sogar gottgewollt ist oder von der Opposition verschuldet wurde oder gar der Bürger schuld daran ist, weil er in den letzten Jahren jene sozialen Errungenschaften konsumiert hat, die ihm diese Regierung präsentiert hat.

Es ist den rot-schwarzen Regierungspartnern, den sogenannten Sanierungspartnern, gelungen, in zehn Jahren die Staatsschulden um 700 Milliarden Schilling zu erhöhen, jenen Sanierungspartnern, die angetreten sind, das Budget zu sanieren. Und in jeder Budgetrede wurde darauf hingewiesen, daß die Sanierung des Budgets absolute Priorität hat.

Meine Damen und Herren! Sie werden daher Verständnis dafür haben müssen, daß wir Freiheitliche Ihren Zahlen, Ihren Vorschauen berechtigten Zweifel entgegenbringen.

Der Chefredakteur der "Salzburger Nachrichten" und Wirtschaftsjournalist Ronald Barazon hat es heute auf den Punkt gebracht, wenn er schreibt – ich zitiere –: Viktor Klima fällt auf. Noch kein Finanzminister vor ihm hat in einer Budgetrede vergleichbare Wunder versprochen. (Bundesminister Mag. Klima: Ich bin gewohnt, meine Versprechungen zu halten!)

Herr Kollege! Sie halten sich wahrscheinlich an das Sprichwort: Unmögliches wird sofort erledigt, Wunder dauern etwas länger. (Bundesminister Mag. Klima: So ist es!) Wir werden daher noch sehr lange darauf warten müssen, daß das Budget saniert ist.

Barazon schreibt weiter: Vielleicht hat Viktor Klima am Mittwoch im Parlament den Mund auch so voll genommen, weil er nicht nur seine Budgetrede gehalten hat, sondern in Wahrheit auch die seines politischen Zwillings Johannes Ditz. Und zwei Sanierer müssen allemal mehr versprechen als nur einer.

Herr Bundesminister! Sie haben gestern auch gesagt, 1996 werde es "nur" – unter Anführungszeichen – 96 Milliarden Schilling Defizit geben. Wie Sie dazu kommen, hier von "nur" zu sprechen, das müssen Sie diesem Hohen Haus noch erklären. (Beifall bei den Freiheitlichen.) 96 000 Millionen Schilling Defizit – das bezeichnen Sie mit "nur".

Auch Ihr Vorvorgänger, Minister Lacina, hat immer von einem Budgetdefizit in der Größenordnung von 60 bis 70 Milliarden Schilling geträumt. – Erreicht hat er es nie. Sie werden daher sehen: Auch Sie, Herr Bundesminister, werden daran scheitern!

Die Zeit ist wie im Fluge vergangen, es gäbe noch sehr vieles dazu zu sagen. Ich kann Ihnen versichern, Herr Finanzminister, ich habe die Entstehung der Strukturanpassungsgesetze, soweit sie den Steuerbereich betreffen, von Anfang an intensiv verfolgt, habe die Vorlagen studiert und mir die wesentlichen Stellungnahmen aller Fachleute zu Gemüte geführt. Und wenn man all diese Dinge zusammenfaßt, dann kommt man bei diesem Belastungspaket zu folgendem Schluß:

Dieses von der Regierung vorgelegte Steuer- und Belastungspaket ist wirtschafts- und standortfeindlich und damit arbeitsplatzvernichtend. Es ist ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und damit eine Zerreißprobe für das Steuersystem, ist teilweise verfassungsrechtlich bedenklich bis verfassungswidrig, stellt einen Vorgriff auf künftige Budgets und damit eine Belastung künftiger Generationen dar, ist sozial nicht ausgewogen, familien-, behinderten- und frauenfeindlich und schafft neue Bürokratie.


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Ich darf schließen mit einem Zitat eines Salzburger Universitätsprofessors, des Vordenkers der Sozialdemokraten in Salzburg und Landtagsabgeordneten Dr. Klaus Firlei, der dieses Belastungspaket als einen einmaligen Jahrhundertflop bezeichnet hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.17

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.17

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe mir vorgenommen, kurz ein paar Anmerkungen zur sozialen Verträglichkeit dieses Budgets hier in der Debatte zu machen. Ich kann an die Ausführungen meines Fraktionskollegen Haselsteiner anknüpfen, in denen das schon angetönt ist: Wir halten dieses Strukturverbesserungsgesetz, wie es sich nennt, das die Grundlage für die beiden Bundesvoranschläge ist, um die es heute hier geht, für nicht wirklich sozial verträglich, denn die Gleichmäßigkeit der Betroffenheit, wie Kollege Haselsteiner das ausgeführt hat, ist kein Indikator für soziale Verträglichkeit, sondern nur ein PR-Effekt.

Es kann jetzt nicht mehr so ohne weiteres behauptet werden, es gebe Personengruppen, die vom Sparpaket überhaupt nicht betroffen seien. Aber über die Gleichmäßigkeit der Betroffenheit, über die Ausgewogenheit der Betroffenheit und über die Effekte des Paketes ist damit nichts ausgesagt. Das ist auch kein Wunder, denn bei dem, was hier jetzt vorliegt, was wir notdürftig "querlesen", aber noch nicht auf seine wirklichen Auswirkungen prüfen konnten, handelt es sich eigentlich um ein Tarnen und Täuschen, um den Versuch beider Regierungsparteien, so zu tun, als ob die Versprechen und Ansagen, die im Wahlkampf formuliert wurden, jetzt auch tatsächlich eingehalten würden.

Damit ist ein Element der Unehrlichkeit in das gesamte Konstrukt eingedrungen, was gleichzeitig zur Folge hat, daß die Papiere so unübersichtlich sind. Denn wenn ich nicht klar und präzise auf den Punkt das tun kann, was zu tun ist, sondern so tun muß, als ob ich etwas anderes täte, dann kommt ein Verwirrspiel heraus, dann muß man in Hunderten Seiten suchen. Es ist daher kein Wunder, daß Experten, die mitgewirkt haben an diesen Papieren, auf Befragen selbst zugeben, daß sie bezüglich der Effekte eigentlich noch gar nicht auskunftsfähig sind.

Ich befürchte, es sind in diesem Paket mehr Dominoeffekte enthalten, als wir heute mit Sicherheit sagen können; Dominoeffekte, die sich zum Beispiel dadurch manifestieren, daß es eine Vielzahl von Verknüpfungen quer durch die sozialen Gesetze gibt, sodaß, wenn ein Baustein herausgenommen wird, auf einmal Erhöhungsmultiplikatoren fehlen und nachgebessert werden muß. Es wird aber erst später nachgebessert werden, zu einem Zeitpunkt, zu dem der soziale Schaden schon eingetreten ist.

Das Ganze unter dem Prätext, es handle sich um ein Paket, das unter keinen Umständen aufgeschnürt werden darf, das sozusagen auf Punkt und Beistrich durch die Ausschüsse getragen wird, aber auf keinen Fall modifiziert werden wird – also weder diskutiert noch wirklich parlamentarisch behandelt wird.

Ein vernünftiger Oppositionspolitiker muß selbstverständlich damit rechnen, daß die Regierungsparteien von ihrer Mehrheit Gebrauch machen werden. Daß aber mit diesem Zynismus bereits vorher angekündigt wird, daß jedenfalls, unter allen Umständen und ganz gleichgültig, welcher Verbesserungsvorschlag auch kommt, von der Mehrheit Gebrauch gemacht werden wird, macht absolut verdrossen. Man fühlt sich hier insofern parlamentarisch verspottet und mißbraucht, als der Eindruck erzeugt wird: Wenn es möglich gewesen wäre, hätte man das überhaupt nicht durch das Parlament getragen, sondern dort gelassen, wo es erfunden wurde, nämlich bei den Expertenstäben der Sozialpartner.

Es ist daher überdies – und das ist für mich eine wichtige Qualifikation – ein Insider-Papier; ein Papier, das bestenfalls noch Insider einigermaßen nachvollziehen können.


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Ich hätte mir folgendes gewünscht und wünsche es mir immer noch: daß zugegeben worden wäre beziehungsweise wird, daß es sich eindeutig um ein Notprogramm handelt – wobei man über die Prämissen auch noch diskutieren müßte im Sinne von Van der Bellen –, also um das Herbeikarren von Löschwasser, wo auch immer man es findet, damit man den vermeintlich brennenden Dachstuhl löschen kann. Wir hätten das dann verstanden und die Ehrlichkeit gelobt.

Wir sind der Meinung, es wäre viel besser, sich zu überlegen: Wie kommen wir zu einem neuen Sozialkontrakt? Wie kommen wir – in meinem Bild – zu einer feuerfesten Konstruktion? – Sodaß wir uns nicht von Jahr zu Jahr bemühen müssen, wieder irgendwo einen Kübel Löschwasser zu finden. Diesmal sind es zum Beispiel 4,9 Milliarden Schilling aus dem AMS-Bereich, dem Arbeitsmarktservice, die wir zu den Pensionen transferieren, um behaupten zu können, daß wir bei den Pensionen weniger zuschießen. In Wirklichkeit entziehen wir diese Mittel einer aktiven Arbeitsmarktpolitik. Es wird nur dadurch, daß diese Mittel im Umweg über die AMS transportiert werden, versucht, den Anschein zu erwecken, der Bund zahle um 4,9 Milliarden Schilling weniger an Pensionszuschuß. Ein typischer Fall von Tarnen und Täuschen.

Es wäre ein wirklicher Systemwechsel angesagt. Ich verstehe, daß das nicht in wenigen Tagen oder in wenigen Wochen zu machen ist und daß man froh war, überhaupt ein konsensfähiges Paket zwischen den beiden Regierungsparteien gefunden zu haben, auf das man einen Rütlischwur geleistet hat, aber es hätte doch möglich sein müssen, folgendes zu sagen: Wir ziehen das bis Ende April durch, und am 1. Mai setzen wir uns zusammen und reden darüber, wie es wirklich weitergehen soll, welche Reformen wir wirklich machen! – Wir hätten Verständnis gehabt dafür, daß man zuerst löscht und sich dann über die neue Architektur unterhält. Aber jetzt zu löschen und gleichzeitig zu behaupten, daß die Brandruine, die entsteht, die man notdürftig wieder eindeckt, eine neue Architektur sei, ist eine Verspottung des Parlaments, eine Verspottung der Öffentlichkeit, eine Verspottung der Wähler – sie werden das spätestens dann, wenn einige der Maßnahmen, die eindeutig unsozial sind, zu greifen beginnen, bemerken. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Der akademische Mittelbau hat es vielleicht nur schneller überrissen, die Studenten haben es schneller bemerkt – sie hatten vielleicht auch ein bißchen mehr Zeit, sich das anzuschauen; ein kleiner zynischer Einwurf, aber so unrecht haben sie nicht. Denn wenn ein Systemwechsel diskutiert würde, würde man sich jetzt nicht überlegen, ob man die Familienbeihilfe für Studenten, und zwar nach dem Gießkannenprinzip, für alle um 100 oder um 300 S senkt, dafür aber um drei Jahre verlängert, sondern man hätte sich zurück an den Start begeben und hätte gefragt: Was ist das Problem? Die Situation ist folgende: Es gibt Menschen, die studieren wollen und ihren Lebensunterhalt absichern müssen, sie haben möglicherweise Unterhaltspflichtige, die diesen nicht leisten können, oder überhaupt niemanden, der sie unterstützt, wir wollen ihnen das Studium ermöglichen, daher finanzieren wir es durch ein Ausbildungsfinanzierungsmodell, das – selbstverständlich – an Erfolgskriterien gebunden ist, statt zu versuchen, mit irgendwelchen abstrakten Fristkürzungen oder Streichungen zu operieren. Die Unterhaltspflicht bleibt bestehen – mit oder ohne Familienbeihilfe; sie wird nur allen gleichmäßig entzogen.

Ich meine, wenn man sich bewußt macht, daß die Mitversicherungsproblematik daran hängt, daß man jetzt versucht, durch einen Rückverweis auf ein im Jahr 1992 in Geltung gestandenes Gesetz die Mitversicherung aufrechtzuerhalten, also lauter solche Bocksprünge macht, dann ist evident, daß es sich hiebei um eine Löschwasseraktion handelt und nicht um neue Architektur.

Wenn man sich auf eine neue Sozialarchitektur – und zwar auf eine, die sich zum Beispiel auf Existenzminimumabsicherung vereidigt, unabhängig davon, was versicherungsmäßig dabei noch einzutragen ist – nicht einigen kann, gefährdet man nicht nur den sozialen Frieden, sondern mittelfristig, vielleicht sogar kurzfristig auch unseren demokratiepolitischen Grundkonsens; und das wird politisch gefährlich. Es gibt dann nicht nur einige, die stärker in den sauren Apfel beißen müssen, dann sind vielleicht mehr Leute auf der Straße als die 30 000 oder 40 000 Studenten. Wenn man das sehenden Auges abschätzen kann, sollte man etwas dagegen tun.

Ich muß dem Herrn Bundesminister in einem Aspekt, was die Prognosen anlangt, ausdrücklich widersprechen. Selbstverständlich wissen wir alle, daß die Prognosen, die hier zugrunde liegen


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und die auch die Einnahmen- und Ausgabenschätzungen nicht unwesentlich beeinflussen, auf ganz, ganz dünnen Beinen stehen. Ich möchte aber nicht das erleben, was ich 20 Jahre lang in der Energiewirtschaft erlebt habe: daß man irgendwelche Prognosen erfindet und sich dann auch noch einredet, daß sie stimmen, daß man zum Beispiel den Kraftwerksbau aufgrund solcher Prognosen vorantreibt und sich dann wundert, daß man eine Überkapazität und die höchsten Strompreise in Europa hat. Im Bereich des Bundeshaushalts können wir uns so etwas nicht leisten.

Ich hoffe, daß am 1. Mai die Arbeit beginnt – bis zum 1. Mai werden wir ein Pseudotheater von Scheinparlamentarismus haben, und das tut mir sehr leid, denn das ist nicht der Zugang der Liberalen zum Parlamentarismus. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

13.27

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.28

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben gestern in Ihrer Budgetrede davon gesprochen, daß in Zeiten der Konsolidierung unsere Phantasie mehr denn je gefordert ist. Ich muß Ihnen zugestehen: Sie haben Ihre Phantasie bei dem Versuch, dieses Budget einigermaßen zu kaschieren, ganz ordentlich angestrengt. Sie haben einiges von Ihrem Hirnschmalz investiert, sodaß Sie tatsächlich einen großartigen Versuch unternehmen, nicht nur den Österreicherinnen und Österreichern, sondern im Hinblick auf die Erfüllung der Maastricht-Kriterien vor allem den EU-Behörden und -Vertretern klarzulegen, daß Österreich ernsthafte und sehr seriöse Anstrengungen unternimmt, um die Konvergenzkriterien zu erfüllen.

Wenn man sich das näher anschaut, kommt man darauf, daß da offensichtlich ohne Rücksicht auf Verluste gearbeitet wurde, daß für die Jahre 1996 und 1997 Positionen, Einnahmen im Hinblick auf die Maastrichter Konvergenzkriterien kreiert werden, die sich nach Ablauf der Jahre 1996 und 1997 in Ausgaben des Bundes umwandeln werden. Es wurde versucht, um jeden Preis bis Ende 1997 die Erfüllung der Konvergenzkriterien zu simulieren, ohne Rücksicht darauf, welche Belastung wir in Österreich dadurch nicht nur in den Jahren 1996 und 1997, sondern vor allem in den darauffolgenden Jahren erfahren werden. Ich nenne Ihnen einige Beispiele dafür, wie von Ihrer Seite versucht wurde, diese Simulation zu betreiben.

Sistierung der Freibetragsbescheide – Punkt 1 im Rahmen der steuerlichen Maßnahmen –, Rückstellungsnachversteuerung, Aussetzen der Verlustabschreibungen, Erhöhung der Vorauszahlungen bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer, Anhebung des Mindestsatzes bei der Körperschaftsteuer – all das sind Maßnahmen, die nur in den Jahren 1996 und 1997 einnahmenseitig wirksam werden und in den darauffolgenden Jahren für den Bund ausgabenseitig wirksam werden, also ein zusätzliches Defizit erzeugen werden.

Auch im Bereich der sozialpolitischen Maßnahmen gibt es einzelne Positionen, an denen man das sehr klar und leider nur allzu deutlich und verbunden mit bitteren Konsequenzen nachvollziehen kann: Nichtanpassung der ASVG-Pensionen in den Jahren 1996 und 1997, Mittelentnahme beim AMS – jährlich 4,9 Milliarden; das ist schon angesprochen worden – für 1996 und 1997, Mittelentnahme bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt – pro Jahr 0,8 Milliarden; in einem Bereich, in dem es tatsächlich dringender wäre als je zuvor, Strukturmaßnahmen zu setzen, nämlich im präventiven Bereich; genau diesen Bereich wird es bei der AUVA treffen. Auch der Nachkauf der Studienzeiten, würde ich meinen, ist eine kurzfristig orientierte Maßnahme, die 1996 und 1997 dazu dienen wird, noch schnell Geld zu beschaffen, in der Konsequenz aber nicht zu mehr Einnahmen führen wird, sondern höchstens zu Ausgaben.

Ich denke, der Rahmen dieser Maßnahmen – man könnte noch einige andere anführen – zeigt deutlich, worum es Ihnen geht. Wir können hier aber nicht so tun – Sie haben gestern versucht, das so darzustellen –, als machten wir dieses Konsolidierungsprogramm nicht wegen abstrakter Maastricht-Kriterien. Es ist nämlich tatsächlich so, daß zumindest diese konkrete Form der Kon


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solidierung einen Sinn nur dann ergibt, wenn sie zu den Maastricht-Kriterien und zu deren vermeintlicher Erfüllung in Bezug gesetzt wird.

Ich halte das für einen falschen Ansatz. Er verhindert, daß in ganz wesentlichen Bereichen tatsächlich strukturelle Reformen durchgeführt werden, er verhindert, daß Maßnahmen gesetzt werden, die in den darauffolgenden Jahren ausgabendämpfend wirken, etwa im Bereich der Gesundheitsförderung, der Gesundheitspolitik im allgemeinen, aber auch im Bereich der Pensionspolitik.

Es ist doch ein Unding, daß, obwohl in den letzten Koalitionsübereinkommen immer wieder von der Harmonisierung der Pensionssysteme die Rede war, obwohl noch vor den Wahlen 1995 von allen Parteien gesagt wurde: Wir wollen die Harmonisierung der Pensionssysteme!, in der Koalitionsvereinbarung genau der Punkt "Harmonisierung der Pensionssysteme", der immer Bestandteil Ihrer Koalitionsvereinbarungen war, nicht mehr enthalten ist. Dieser Punkt fehlt komplett. Aber das war das einzige Wahlversprechen, das Sie und alle Oppositionsparteien abgegeben haben. Dazu hätten Sie also die Zustimmung gehabt. In diesem Punkt hätten Sie darauf hoffen können, daß nicht nur der Koalitionspartner, sondern auch die Oppositionsparteien bei einem vernünftigen Konzept mitmachen. Genau in diesem Bereich fehlen aber jegliche Ansätze. Die gibt es nicht mehr – eliminiert!

Herr Minister! Ich muß schon sagen: Das sind die Hypotheken auf die Zukunft, die Sie mit diesem Budget eingehen.

Ich möchte noch auf den Bereich Arbeitsmarktpolitik zurückkommen, weil hier – und das hat schon unsere Klubvorsitzende erwähnt – besonders klar wird, daß die Annahmen, von denen Sie in bezug auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit ausgehen und die die Grundlage der Budgetierung darstellen, in keiner Weise stimmen.

Herr Minister! Sie gehen im wesentlichen – wir wissen das (Bundesminister Mag. Klima: 7,2 im Jahr 1997!) – von 6,8 Prozent Arbeitslosigkeit im Jahr 1996 (Bundesminister Mag. Klima: Ja!) und 7,2 Prozent im Jahr 1997 aus. Das sind Daten, die nicht haltbar sind! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Sie wissen so wie ich, daß die Maßnahmen, die Sie selbst mit diesem Konsolidierungspaket setzen, zusätzliche Arbeitslosigkeit produzieren; ich brauche Ihnen das hoffentlich nicht im Detail aufzuzählen, ich kann es aber.

Die Maßnahmen, die im Schulbereich gesetzt werden, werden dazu führen, daß die 2-L-Verträge, also die befristeten, nicht mehr erneuert werden. Im Bereich universitärer Beschäftigung wird es im Mittelbau ähnliche Effekte geben.

Weiters haben wir noch die Kürzung der Auszahlungsdauer des Karenzurlaubsgeldes. Es werden 15 000 bis 20 000 Frauen pro Jahr zusätzlich auf den Arbeitsmarkt drängen. Wohin sollen sie, Herr Minister? Wo sollen diese Frauen Beschäftigung finden, wenn die schon auf dem Arbeitsmarkt Befindlichen keine Beschäftigung finden? – Sie erzeugen durch diese Maßnahme zusätzliche Arbeitslosigkeit, nicht nur wegen der fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen, sondern es ist nicht davon auszugehen, daß diese Frauen einfach nur deswegen, weil sie sich infolge kürzerer Karenzurlaubszeiten auf dem Arbeitsmarkt zurückmelden müssen, eine Beschäftigung finden. Das heißt, das Potential der Arbeitslosigkeit wird dadurch erhöht werden. Das ist eine Maßnahme, die völlig kontraproduktiv ist und die Sie bei den Arbeitslosenzahlen noch nicht berücksichtigt haben.

Es gibt selbstverständlich auch schon Berechnungen von den Wirtschaftsforschungsinstituten, und diese besagen, daß die für 1996 prognostizierten Arbeitslosenzahlen von 6,8 Prozent in keiner Weise halten werden. Natürlich wissen die Wirtschaftsforscher und auch Sie, Herr Minister – seien wir uns doch ehrlich! –, daß die Arbeitslosenzahlen in diesem Jahr schon darüber liegen, nur: Die geänderten Prognosen werden erst nach Ablauf unserer Budgetberatungen veröffentlicht werden, vermute ich. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Klima. ) Am


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29. März – okay! Wir können davon ausgehen, daß es höhere Zahlen sein werden – dem werden Sie zustimmen.

Ich denke, daß diese Zahlen im Verlauf des heurigen Jahres, dann, wenn die Effekte dieses Konsolidierungspakets durchzuschlagen beginnen, noch weiter steigen werden. Der Arbeitsmarkt wird das nicht aushalten, vor allem aber die Leute, die Arbeitslosen werden das nicht aushalten! Was haben Sie an Rezepten anzubieten? – Wenig! Nur einige Maßnahmen im Baubereich – sei es drum.

Mein Vorredner Abgeordneter Van der Bellen hat schon ausgeführt, was von diesen kurzfristigen Maßnahmen zu halten ist. Es fehlen wirklich auch Strukturmaßnahmen.

Wenn ich auch nur höre, daß durch Telearbeit ungeahnte Möglichkeiten geschaffen werden, indem dann nämlich nicht mehr in Wien produziert wird, sondern in Gramatneusiedl am Home-PC gearbeitet werden kann, steigen mir schon die Krausbirnen auf. Was kann diese Art von Verlagerung der Arbeit? – Arbeit verlagern, aber nicht unbedingt nur von Wien nach Gramatneusiedl, sondern, was wesentlich realistischer ist, über die Grenzen hinweg. Selbstverständlich ist einer der Effekte, die man sich dadurch erhofft, daß man billiger produzieren kann. Das heißt, die Effekte, die Sie sich davon erhoffen, nämlich daß in einem beschleunigten Ausmaß Telekommunikation, Informations- und Kommunikationstechnologien zur Anwendung gebracht werden, wird es nicht geben.

Es wird nicht so sein, daß es dadurch zu einem beträchtlichen Potential an zusätzlichen Arbeitsplätzen kommt. Ganz im Gegenteil. Alles, was wir jetzt schon über die Auswirkungen dieser spezifischen Form von neuen Technologien wissen, deutet eher in die andere Richtung: Das Potential an Rationalisierung wird ansteigen, das Potential an Verlagerung von Arbeitsplätzen wird ansteigen, auch das Potential an Einsparung von Arbeitsplätzen wird dadurch wesentlich erhöht werden.

Ich denke, Ihnen ist in bezug auf Beschäftigungspolitik mit Ausnahme einiger allgemeiner Versprechen sehr wenig Konkretes eingefallen. Ich habe schon in meiner letzten Rede versucht, das sehr klar auszuführen. Der Bereich, in dem Sie noch einige Hoffnung haben, ist die aktive Arbeitsmarktpolitik, die Sie immer wieder anführen. Aktive Arbeitsmarktpolitik – da werden die Milliarden hinausgebuttert.

Meine Damen und Herren! Sie wissen doch genauso wie ich, daß Österreich in bezug auf aktive Arbeitsmarktpolitik eines der europäischen Schlußlichter ist. 5 Milliarden Schilling geben wir dafür aus – 0,39 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Damit sind wir das Schlußlicht in Europa; gemeinsam mit Portugal und Griechenland befinden wir uns hinsichtlich der Maßnahmen für aktive Arbeitsmarktpolitik am unteren Ende Europas – und das angesichts steigender Zahlen von Arbeitslosigkeit.

Und welche besonders obszöne Maßnahme fällt Ihnen dann noch im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik ein? – Die Pflichtarbeit für Langzeitarbeitslose; eine Maßnahme, die Sie sozusagen wortwörtlich aus dem FPÖ-Konzept abgeschrieben, übernommen haben, die keinen zusätzlichen Beschäftigten schaffen wird. Es geht nur darum, daß Langzeitarbeitslose, weil das an Stammtischen gern so gefordert wird, wieder zur Arbeit getrieben werden; zu einer Arbeit, die nicht von Dauer ist, die keine Perspektive hat, die den Bereich aktive Arbeitsmarktpolitik immens viel Mittel kostet, die verhindern wird, daß sich die Leute für andere Jobs qualifizieren können, die verhindern wird, daß die Leute wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt eintreten können, und die keine strukturelle Perspektive aufweist.

Ich denke, das ist eine völlig kontraproduktive Maßnahme, das ist eine sozialpolitisch obszöne Maßnahme, das ist wirklich die 1 : 1-Übernahme eines Konzepts, das vermutlich nicht einmal die Freiheitlichen in seiner Konsequenz genau durchdacht haben (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), das aber an unrühmliche Zeiten erinnert – das sei auch hier gesagt, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! (Beifall bei den Grünen.) Für den Fall, daß Sie das jetzt noch nicht kapiert haben: Das ist mehr oder minder das Anknüpfen an Konzepte, wie wir sie aus der Zeit des Dritten Reiches kennen.


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Daß Sie das übernehmen, ohne es zu reflektieren, ist Ihre Sache. Jetzt wissen Sie es, und Sie sollten es in Zukunft besser wissen. Daß die Sozialdemokratie und die Österreichische Volkspartei das Konzept der Freiheitlichen 1 : 1 übernehmen und zu ihrem eigenen machen, das ist dann schon die Chuzpe, die nicht mehr zu überbieten ist, meine Damen und Herren! Das ist obszön, das ist sozialpolitische Obszönität! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Blünegger. )

Es ist wesentlich, in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, daß alles, was Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, im Bereich sozialpolitischer Maßnahmen anzubieten haben und was auch der Herr Minister in seiner Budgetrede ausdrücklich erklärt hat, nichts anderes ist als Sozialmißbrauchsverhinderungsgesetzgebung. Sie beschließen ein Gesetz nach dem anderen, eine Novellierung nach der anderen, die sich gegenseitig wieder aufheben, die nur dem Ziel dienen, sozialen Mißbrauch zu verhindern. Das ist Ihre Art, Sozialpolitik zu machen! So wollen Sie Sozialpolitik in diesem Land und den Sozialstaat sichern. Das wird so nicht gehen; das ist sozialpolitisch kontraproduktiv, das ist auch verwaltungstechnisch kontraproduktiv.

Ich erinnere nur daran – Präsident Neisser, der ja vorgestern seinen 60. Geburtstag gefeiert hat, ist gerade nicht hier –, daß es nicht reichen wird, Herr Präsident Neisser, daß Sie und Frau Abgeordnete Frieser immer wieder kritisieren, daß dieses Parlament jedes Jahr unzählige neue Gesetze produziert, wenn Sie im Bereich der Sozialpolitik nichts anderes machen, als den Takt, in dem diese Gesetze produziert werden, noch deutlich zu erhöhen.

Ich erinnere daran: Es gibt nicht nur 52 ASVG-Novellen, sondern im Bereich des ASVG insgesamt 110 Novellierungen seit 1955. 110 Novellierungen! Wissen Sie, wie die Qualität dieser Gesetze ist? Wissen Sie, wie man in der Schweiz etwa ein vergleichbares Gesetz beschließt, zum Beispiel betreffend die Alters- und Hinterbliebenenversorgung? – Seit 1935 gibt es die AHV in der Schweiz. Insgesamt gibt es bis 1995 zehn Novellierungen, während wir im Bereich des ASVG seit 1955 gezählte 110 Novellierungen vorfinden, wovon nur 52 eine Nummer erhalten haben.

Im Bereich der Arbeitslosengesetzgebung haben wir derzeit jährlich zwischen drei und vier Novellierungen; und das seit Jahren. Das macht diese Gesetze natürlich nicht nur unlesbar, sondern auch unvollziehbar. Sie schaffen damit nur mehr Bürokratie, mehr Verwaltungsaufwand, mehr Kontrolle, und das alles verkaufen Sie dann unter dem Stichwort "Sozialmißbrauchsverhinderungsgesetzgebung". So sichern Sie den Sozialstaat, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien? – Das glauben Sie doch selbst nicht! Sie können doch nicht im Ernst glauben, daß Sie damit Maßnahmen setzen, die dazu dienen, den tatsächlichen sozialen Mißbrauch in diesem Land zu verhindern.

Ich bringe Ihnen ein Beispiel: Das, was Sie in bezug auf die Werkverträge beschlossen haben, fördert den sozialen Mißbrauch. Herr Kollege Verzetnitsch, du weißt ganz genau, was damit verbunden ist. Es wurde damit – offensichtlich ohne jegliche Debatte, ohne daß die gewerkschaftliche Öffentlichkeit beziehungsweise die allgemeine Öffentlichkeit damit befaßt wurde – eine neue Kategorie von Arbeitnehmern geschaffen: Arbeitnehmer zweiter Ordnung, das sind die Werkvertragnehmer. Die kommen billiger, keine Frage. Daß das aber die Perspektive ist, die ihr euch gewünscht habt, das wage ich zu bezweifeln. (Abg. Verzetnitsch: Genau deswegen haben wir das ja gemacht!) – Nein, das ist die falsche Richtung, die mit diesem Gesetz eingeschlagen wird. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Verzetnitsch: Das ist notwendig!)

Natürlich wäre es notwendig. Ich bin der Meinung, daß es notwendig ist, hinsichtlich von Werkverträgen Maßnahmen zu setzen, die dazu dienen, den Mißbrauch, der damit betrieben werden kann, einzudämmen. (Abg. Leikam: Genau das ist geschehen!) Nur: Wenn man da etwas verbessern will, dann darf man die Debatte darüber nicht nur über einen Monat oder einen halben Monat, sondern muß sie über ein Jahr oder zwei Jahre öffentlich führen. Man muß sich die Stellungnahmen, die berechtigten Einwände von den verschiedenen Verbänden und Organisationen anhören und die Debatte öffentlich führen. (Abg. Verzetnitsch: Wie lange ist denn die


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Debatte über die Werkverträge schon im Gange?) – Nein! Es hat keine öffentliche Debatte darüber gegeben.

Wenn es nicht von hinten herum noch einige Versuche bei den Werkverträgen gegeben hätte, beispielsweise im Bereich – ich sage das ganz konkret – der Arbeitsmarktpolitikförderungen Maßnahmen zu setzen, die verhindern, daß zum Beispiel die Werkvertragnehmer des BFI auch mit dieser Abgabe belegt werden, dann wäre ja das Budget für die Arbeitsmarktpolitik explodiert. Dann müßte es um 30, 40 oder 50 Prozent höher budgetiert werden. Darum wird mit einer Konstruktion von hinten herum versucht, diese und andere Gruppen wieder von dem auszunehmen, was man soeben als allgemeine Regelung beschlossen hat.

Meine Damen und Herren! So geht es nicht. Man kann nicht eine Diskussion und einen sozialpolitischen Regelungsversuch im Ansatz schon ersticken. Das ist die falsche Perspektive, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Der Versuch, Sozialmißbrauchsverhinderungsgesetzgebung zu installieren – und das ist offensichtlich der gemeinsame Wille der Regierungsparteien –, ist von Anfang an falsch. Sie sollten hergehen und in der Öffentlichkeit darüber diskutieren, wie bestimmte Regulative in der Sozialpolitik, im Sozialstaat neu gestaltet werden können. Man hätte darüber diskutieren können. In bezug auf den Karenzurlaub wäre es notwendig gewesen, darüber zu debattieren, ob der Karenzurlaub in seiner bestehenden Form ein Wiedereinstiegsmodell oder ein Ausstiegsmodell ist.

Was machen Sie? – Sie machen daraus ein absolutes Ausstiegsmodell, vor allem für die Alleinerzieherinnen. Das kann nicht die Perspektive sein, die sich die Leute davon erwarten, wenn Sie sagen, Sie wollen in diesem Bereich Strukturreformen erreichen. Das ist falsch, das ist kontraproduktiv!

Es ist natürlich Ihr gutes Recht mit Ihrer Zweidrittelmehrheit, in allen Bereichen – auch in sozialpolitischen Belangen – drüber hinwegzufahren und Maßnahmen zu setzen, die tatsächlich kontraproduktiv für den Sozialstaat sind. Natürlich haben Sie jetzt diese Möglichkeit. Sie dürfen sich aber nicht wundern, wohin das in den nächsten Jahren führen wird; Beispiel Pflichtarbeit. Sie werden sehen, welche Richtung Sie damit eingeschlagen haben, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. )

Das sind die Konsequenzen, die Sie in den nächsten Jahren zu tragen haben, die auch, lieber Kollege Verzetnitsch, der ÖGB mitzuverantworten hat, wenn er die Arbeitnehmer und die Arbeitslosen faktisch im Stich läßt und sie in Zwangsarbeitskonzeptionen verpflichtet. (Abg. Verzetnitsch: Wer redet von Zwangsarbeit?) Meine Damen und Herren! Das ist falsch. (Beifall bei den Grünen.)

13.48

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.48

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Öllinger, einige Bemerkungen zu Ihren Ausführungen: Sie hätten recht mit Ihrer Sorge um die Arbeitsplätze in unserem Lande, wenn es so wäre, wie Sie es im Zusammenhang mit diesem gesamten Konsolidierungpaket geschildert haben. Sie haben aber einen ganz wesentlichen Punkt in Ihrer Darstellung ausgelassen – bewußt oder unbewußt –: daß nämlich das oberste Ziel das Bemühen der Bundesregierung ist, mit all den konkreten Maßnahmen, die in diesem Sparpaket enthalten sind, in diesem Land eine Beschäftigungsoffensive einzuleiten. Man muß sich nur die Mühe machen und das gesamte Paket lesen, nicht nur einen Teil, der einem für die politische Argumentation wichtig erscheint.

Es gibt keine realistische Alternative zu diesem Paket. Natürlich kann man bei vielem darüber diskutieren, ob es so oder anders besser gewesen wäre. Tatsache ist, daß Zeit zum Handeln war und diese Bundesregierung auch unter Einbindung der Sozialpartner gehandelt hat.


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Da Sie hier bezüglich der Novellierungen der Sozialgesetzgebung Vergleiche mit anderen Ländern angestellt haben, darf ich Ihnen folgendes sagen: Schon in der Vergangenheit war es so, aber auch in der Gegenwart und in der Zukunft wird es so sein – trotz oder vielleicht wegen dieses Sparpakets –, daß Österreich nach wie vor eines der am stärksten sozial abgesicherten Länder dieser Welt ist. Es hat keinen Vergleich in dieser Richtung zu scheuen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte mich nun aber einem anderen Thema zuwenden, das ich gerne bei dieser Ersten Lesung zum Budget einbringen möchte: der Sicherheitspolitik unseres Landes.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Das Grundrecht auf Sicherheit in seiner gesamten Bandbreite für den einzelnen Staatsbürger ist nicht allein durch polizeiliche Mittel zu erhalten. Der demokratische Rechtsstaat und damit auch seine Sicherheitsexekutive leisten jedoch einen wichtigen Beitrag zur inneren Sicherheit unseres Landes. Das subjektive Sicherheitsgefühl des einzelnen Staatsbürgers wird in der Regel nur sehr bedingt von den Fakten der objektiven Sicherheit in seinem unmittelbaren Lebensraum mit beeinflußt.

Der von der Bundesregierung vorgegebene Kurs der Budgetkonsolidierung wird selbstverständlich auch vom Bundesministerium für Inneres unterstützt. Die Budgets 1996 und 1997 sowie die Strukturanpassungsgesetze sind – bei allen notwendigen Sparmaßnahmen – ein weiterer Fortschritt in der Bekämpfung der Kriminalität in unserem Lande und damit auch ein weiterer Beitrag zur Sicherheit der österreichischen Bevölkerung.

Einige konkrete Punkte betreffend die Sicherheitspolitik in diesem Konsolidierungspaket und in den Begleitgesetzen (Zwischenruf des Abg. Scheibner ): Es ist Klarheit bei der Schaffung des Grenzdienstes geschaffen worden (Abg. Scheibner: Wo denn?) – eine ganz wesentliche und wichtige Maßnahme, Kollege Scheibner.

Bei den Verhandlungen war manches unklar, das gebe ich gerne zu, aber jetzt besteht Klarheit darüber, wie künftighin der Grenzdienst, der Grenzschutz an den österreichischen EU-Außengrenzen aussehen sollte: kombiniert mit der Exekutive, mit der Zollwache. Es gibt auch die klare Aussage, daß das Bundesheer bis zum Jahr 2000 weiterhin Assistenzdienst an der EU-Außengrenze leisten wird. Das ist eine sehr wichtige Maßnahme, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Was ist mit der Doppelmaut?) Dazu könnte ich auch einiges sagen: Ich könnte aber auch einiges darüber sagen, was der Kärntner Wirtschaft mehr geschadet hat: die Rülpser des freiheitlichen Parteiobmannes, die manchen Betrieb davon abhalten, nach Kärnten zu kommen, oder die soeben ausverhandelte Frage der Finanzierung per Maut.

Immerhin haben wir noch ein sehr beträchtliches Stück Lückenschluß bei der Autobahn auch in Kärnten zu meistern; das könnte mit diesem Geld fertiggestellt werden. Es ist Aufgabe der Interessenvertretung, sich dafür massiv einzusetzen, das ist überhaupt keine Frage! (Abg. Ing. Reichhold: Der Vorstand der Kärntner Arbeiterkammer Quantschnig hat gesagt, wir sollen uns einsetzen gegen die Doppelmaut!)

Zweiter Punkt in diesem Paket – ich habe leider nur zehn Minuten Redezeit, aber wir können ja daheim weiterdiskutieren, wir wohnen ja nicht so weit voneinander entfernt –: Verbesserung der Fahndungsmethoden – ein Wunsch, der zugegebenermaßen nicht überall auf volle Zustimmung gestoßen ist. Wir glauben aber, daß gerade bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität dieser Punkt sehr wesentlich ist, und er ist in diesem Arbeitsübereinkommen klar enthalten.

Reform des Migrations- und Fremdenwesens unter Einbindung der bisherigen Vollzugspraxis: Es ist ganz wichtig und wesentlich, daß das, wovon man in der Praxis festgestellt hat, daß man es ändern oder verbessern muß, enthalten ist. Der Nationalrat wird sich mit diesen Fragen sicher noch gesondert auseinandersetzen können.

Die budgetäre Absicherung der Erfüllung der Aufgaben unserer Exekutive ist trotz aller Sparmaßnahmen genauso sichergestellt wie die Verbesserung der Ausrüstung und der Unterkünfte für unsere Exekutive. Als Kärntner Abgeordneter freue ich mich, daß der Herr Finanzminister


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nun auch grünes Licht für das Kärntner Sicherheitszentrum gegeben hat – etwas, was wir schon jahrelang gefordert haben, bisher aber nicht zustande gebracht haben –; dem Baubeginn 1996 steht also nichts mehr im Weg. Das ist nicht nur für die Beamten, die dort Dienst machen, erfreulich, sondern auch für die Kärntner Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Das hast du gut gesagt!)

Zur Reform des Migrations- und Fremdenwesens noch einige kurze Bemerkungen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! 50 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Suche nach einer neuen Heimat. In einer derartigen Situation eine Politik der beliebig offenen Grenzen zu betreiben, wie sie zum Beispiel die Grünen in diesem Hause fordern, wäre irreal und inhuman, sowohl für die Bürger der betroffenen Länder als auch für die Einwanderer selbst. Meine Damen und Herren! Kein anderes Land in Europa hat die Zuwanderungsprobleme ähnlich umfassend gelöst wie Österreich!

Es wurde eine Gesamtlösung zur Reform des Migrations- und Fremdenwesens erarbeitet, die unser Land einerseits vor einer unkontrollierten Zuwanderung schützt und andererseits jenen Ausländern, die bei uns legal – ich betone: legal! – Aufnahme finden, zumutbare Lebens- und Arbeitsbedingungen sichert.

Was noch zu verbessern ist – das habe ich bereits erwähnt –, ist der Bereich der Vollzugspraxis, in dem die Erfahrungen zu berücksichtigen sind und der legistisch anzupassen ist. Ziel dieser Fremdenpolitik muß es sein – das kommt in diesem Arbeitsübereinkommen auch klar zum Ausdruck –, daß für alle in Österreich legal lebenden Menschen Sicherheit zu schaffen ist.

Meine Damen und Herren! Durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und den damit verbundenen Wegfall der Binnengrenzkontrollen innerhalb der Europäischen Union muß Österreich zur Überwachung und Kontrolle an den EU-Außengrenzen, auch wenn sie Schengener Standard erreichen will, entsprechende Maßnahmen setzen, um dort die Kriminalitätsbekämpfung entsprechend miteinbeziehen zu können.

Nach mühevollen Verhandlungen – darauf habe ich schon hingewiesen – ist es dieser Bundesregierung gelungen, beim Grenzdienst klare Verhältnisse zu schaffen. Die Verunsicherung bei den einzelnen Wachkörpern – bei den Gendarmen, bei den Zollwachebeamten, beim Bundesheer, das Assistenzleistung an der burgenländischen Grenze erbringt – ist mit dieser klaren Festlegung beseitigt, und es wird möglich sein, bis Ende 1999 Schengener Standard an Österreichs EU-Außengrenzen zu erreichen. Damit wird auch ein wichtiger Schritt zur besseren Abwicklung an den Binnengrenzen gesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zu einem Thema, das ich als Kärntner Abgeordneter auch künftig besonders massiv und intensiv vertreten werde, weil ich da eine andere Auffassung habe als jene, die zumindest derzeit im Innenministerium beziehungsweise im Finanzministerium vorherrscht. Herr Bundesminister, es geht um die Diskussion hinsichtlich der beabsichtigten Einstellung des Flugrettungsdienstes. Wir Kärntner können uns nicht damit abfinden, daß hier Maßnahmen überlegt werden, die Flugrettung nicht mehr in jenem Ausmaß einzusetzen, um der Bevölkerung Hilfe leisten zu können, wie es derzeit der Fall ist.

Es wird notwendig sein, Verhandlungen mit den Ländern zu führen. Es ist zu akzeptieren, daß die bisherige Art und Weise des Aufkommens für die Kosten ein nicht zufriedenstellender ist, und es wird Überlegungen geben müssen, wie es zu einer Besserstellung kommen kann, aber mit der Absicht, die Flugrettung in der Form, wie sie wunderbar funktioniert, nicht mehr zum Einsatz zu bringen, kann sich in unserem Lande niemand anfreunden, Herr Bundesminister. Wir werden Ihnen gerne behilflich sein, eine gemeinsame Lösung zustande zu bringen.

Ich möchte einen Aspekt einbringen, der bisher viel zuwenig diskutiert worden ist: Es gibt ja im Bereich der privaten Unfallversicherungen schon Vorsorgen für den Bergungsdienst. Kreditkartenbesitzer wissen, daß Bergungskosten übernommen werden können. Bei alpinen Vereinigungen, beim Österreichischen Schiverband ist selbstverständlich auch die Bergung von Verletzten mittels Hubschraubers in der Unfallversicherung bereits enthalten. Wenn man diesen


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Bereich noch ausdehnen kann, dann muß es auch möglich sein, die Flugrettung so, wie sie bisher existiert hat, aufrechtzuerhalten.

Meine Damen und Herren! Einen Satz zu Europol: In den letzten Tagen sind uns immer wieder mittels Fax Informationen zugekommen, daß die für die Sicherheit Europas so wichtige Einrichtung Europol Probleme hat. Die Probleme sind deshalb gegeben, weil Großbritannien nach wie vor ein Veto einlegt.

Es ist nur zu hoffen, daß die Verhandler recht bald zu einer Einigung kommen, denn die EU, Europa braucht Europol zur Bekämpfung der Kriminalität. Daher ist alles zu unternehmen, damit recht bald eine entsprechende Lösung gefunden wird. Die Politik und vor allem die Sicherheitspolitik erfordert Fakten und nicht Polemik! Das gilt auch für Europol und für die gesamte Sicherheitspolitik in Europa.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Unsere Exekutive kommt häufig mit gesellschaftlichen Randgruppen in Berührung – selbstverständlich, das ist eine ihrer ureigensten Aufgaben. Darüber hinaus ist sie auch mit der Vollziehung der Fremdengesetze betraut, was nicht immer besonders leicht ist. Diese verantwortungsvollen Aufgaben stellen unsere Exekutive oft vor sehr große Herausforderungen. Manche dieser Tätigkeiten führen auch zur Frustration der Mitarbeiter in der Sicherheitsverwaltung. Aber eines dürfen wir nicht übersehen: Polizei und Gendarmerie haben in der Zweiten Republik sehr positive Beiträge zur demokratischen Entwicklung Österreichs geleistet. Österreich ist dank des Einsatzes unserer Exekutive nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt. So soll es auch bleiben!

Die Tatsache, daß wir eines der sichersten Länder der Welt sind, hat viele positive Auswirkungen auf die Lebensqualität der Menschen im Lande. Sie trägt auch dazu bei, daß Touristen in großer Zahl in unser Land kommen. Um diesen Standard halten zu können, sind gemeinsame Anstrengungen der Bürger, der Politik und der Sicherheitsexekutive notwendig.

Meine Damen und Herren! Daher sollte ohne großes tagespolitisches Gezänk zur Umsetzung, zur Erhaltung der guten Sicherheitsverhältnisse in unserem Land beigetragen werden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.02

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.02

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon oft habe ich von dieser Stelle aus darauf hingewiesen, daß wir in Österreich im Bereich der Sozial-, Familien- und Frauenpolitik einen sehr hohen Standard haben. Unter der Prämisse, daß dieses Konsolidierungspaket unsere Erwartungen erfüllt, das heißt, daß wir uns davon nicht nur die Sanierung des Staatshaushaltes erwarten, sondern neue Arbeitsplätze, qualifizierte Arbeitsplätze und auch die Sicherung unseres sozialen Netzes und eben dieses hohen Standards, stimmen wir ÖVP-Frauen diesem Koalitionsbudget zu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Zeit um den 8. März hat es heftige Debatten bezüglich Frauenpolitik gegeben. Wir haben uns der Demonstration nicht angeschlossen, weil nicht klar erkennbar war, wohin die Reise geht. (Abg. Scheibner: Waren Sie auch bei der Dohnal-Partei?) Zuerst hat es geheißen, es geht um die Alleinerzieher. Doch nur wenige Monate trennen uns von dem Zeitpunkt, als wir die Differenzierung von verheirateten und unverheirateten Frauen hinsichtlich des erhöhten Karenzgeldes abgeschafft haben, weil wir gewußt haben, daß das ein Instrumentarium des Mißbrauchs ist. Es wäre daher unklug, die gleiche Situation in einem anderen Bereich herzustellen, obwohl – das muß ich sagen, und dazu bekenne ich mich – ich Verständnis für diese Situation habe und glaube, daß wir in Zukunft gerade jenen Frauen sehr wohl helfen und sie unterstützen müssen.


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In den letzten Tagen wurde hier von einigen Rednerinnen und Rednern ein zunehmender Konservativismus kritisiert. Die Frauen würden an den Herd zurückgelockt. – Ich glaube, es ist eher das Gegenteil der Fall! (Beifall bei der ÖVP.) Mit der Kürzung der Karenzzeit auf 18 Monate werden die Frauen im Gegenteil eher zurück in den Arbeitsprozeß getrieben. Es wird jedoch die Sondernotstandshilfe nach den ersten 18 Lebensmonaten des Kindes schlagend, sodaß die Frau sehr wohl die Möglichkeit behält, in Karenz zu bleiben.

Was mir besonders wichtig ist: Es bleibt auch die Rechtssituation gewahrt. Obwohl das letzte halbe Karenzjahr nicht bezahlt wird, sofern nicht der Mann in die Karenzzeit eintritt, hat die Frau aber das Recht, trotzdem erst nach zwei Jahren in den Beruf zurückzukehren. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist klar und man soll es offen sagen – ich verschweige nichts –: Diese Maßnahme trifft gerade uns ÖVP-Frauen, weil wir uns besonders für das zweite Karenzjahr eingesetzt haben und auch unsere damalige Ministerin Flemming sehr stark darum gekämpft hat, diese Leistung zu bekommen. Wie bei allen Maßnahmen, die Meilensteine in der Geschichte waren – wie zum Beispiel die Anerkennung der Kindererziehungszeiten für die Pension oder, wenn ich ganz weit zurückgreife und an Grete Rehor denke, überhaupt der gesamte Mutterschutz –, kann es uns nicht freuen, wenn sie zurückgenommen werden müssen, was uns schmerzhaft berührt.

Es wird daher auch an uns liegen, dort, wo Härten auftreten, Maßnahmen zu setzen und einzugreifen. Im Bereich der Studentinnen haben wir zum Beispiel durchgesetzt, daß die Studienzeit im Fall, daß die Studentin ein Kind bekommt, um zwei Jahre verlängert wird. (Beifall bei der ÖVP.) Nicht gelungen ist uns – und das hätte ich auch gerne gehabt –, daß bei den Studenten die Höhe des Betrages der Zuverdienstklausel angehoben wird, weil sie dann die Möglichkeit gehabt hätten, mehr zu verdienen als 3 600 S. Es sollten 5 400 S möglich sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich aber noch etwas sagen: Vernünftigen Gründen und letztendlich dem Ziel dieser Budgetkonsolidierung, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen, neue Beschäftigung zu bewirken, neue Arbeitsplätze, qualifiziertere Arbeitsplätze zu schaffen, können wir Frauen uns nicht verschließen. Ich glaube auch, daß wir uns nichts Gutes damit tun – ich höre das jetzt schon seit Jahren –, Frauenpolitik hier immer als so eine Art Minderheitenpolitik darzustellen, Trauerreden zum Thema Frauen zu halten, wie schrecklich es ist, eine Frau zu sein. Ich hätte gerne, trotz unserer unterschiedlichen Lebensumstände und der Tatsache, daß es Frauen gibt, die in wirklich ärmlichen Verhältnissen leben, daß wir dieses Problem anders betrachten. Altersarmut ist gestern von Frau Kollegin Schaffenrath angesprochen worden. Natürlich ist dort ein Ansatzpunkt zu finden, aber ein Kampfmittel gegen diese Altersarmut war gerade die Anerkennung der Erziehungszeiten für die Pension. Wenn es jetzt vielleicht noch mehr Frauen mit geringer Pension gibt, dann hat das wahrscheinlich auch den Grund, daß viele überhaupt erst durch diese Anrechnung der Erziehungszeiten eine Pension bekommen haben – wenn es auch nicht viel ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wissen, daß eine gute Beschäftigung, daß eine adäquate, der Ausbildung entsprechende Beschäftigung die beste Lebensgrundlage für Frauen ist. Wir bekennen uns dazu, wir wissen es, ich habe es schon einige Male gesagt: Heutzutage ist eine Ehe kaum mehr ein Auffangnetz oder eine Garantie fürs Leben, sondern die Frauen wollen mehr: Sie wollen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Sie wollen nicht Almosenempfänger durch den Staat werden. Man kann die Lebensqualität der Frauen auf die Dauer nicht durch Transferleistungen – obwohl ich mich dazu bekenne –, aber auch nicht allein durch Verfassungsregelungen sichern. (Beifall bei der ÖVP.)

Das heißt, wir brauchen ein offensives Programm für die Frauen. Hätten wir uns zu einigen Punkten durchringen können, dann wäre ich mitmarschiert, dann wäre es mir wert gewesen, zu demonstrieren. Aber ich weigere mich, zu demonstrieren, wenn ich nicht weiß, in welche Richtung es geht und wenn die einzelnen Punkte zerbröselt sind – bis hin zur Kindergartenmilliarde. Wir haben uns nie dagegen gestellt, Frau Abgeordnete Mertel, aber unsere Familienministerinnen könnten erzählen, daß sie immer ein Phantom war. Denn auf die Frage: Bekomme ich sie jetzt?, hat es immer geheißen, es gibt sie nicht. Daß wir jetzt 600 Millionen


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Schilling bekommen haben, das freut uns, und ich bin ganz Ihrer Meinung, daß wir damit vielfältige Formen der Kinderbetreuung finanzieren. Da liegen wir ganz gleich. Ich habe das in einer Aussendung von Ihnen gelesen, und das freut mich sehr. Die Zettelaktion, die wir gestern gesehen haben, disqualifiziert sich ganz von selbst. Das positive Denken ist noch nicht überall durchgedrungen. Jetzt haben wir 600 Millionen, aber es fehlen offensichtlich 400 Millionen, und es steht eine neue Demonstration diesbezüglich ins Haus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für Frauen gibt es viel zu tun. Es gibt Frauen in unterschiedlichsten Lebenssituationen und Gegebenheiten. Wir sollten uns jedoch nicht durch Verallgemeinerungen und durch einen ewigen Trauergesang die Sicht auf diese Dinge verstellen. Wir sollen sehr wohl den Finger draufhalten. Wir liegen parteiübergreifend ideologisch gar nicht so weit auseinander, wenn es darum geht, da zu helfen. Das Ziel ist das gleiche – den Weg müßten wir finden.

Ich bin gerne bereit, diesbezüglich auch weiterhin meine Unterstützung zuzusagen. Es hat mich ein bisserl gewundert, daß die Ministerin, die sich offensichtlich angegriffen gefühlt und die Flucht nach vorne angetreten hat, sich dieser Demo angeschlossen hat, während ich sehr positiv vermerkt habe, daß einige Damen der sozialdemokratischen Fraktion dem absolut gelassen und ruhig gegenübergestanden sind.

Das war kein Streikbruch oder so etwas. Ich glaube, es hat auch nicht viel genützt. Aber wir sollten das Thema trotzdem zum Anlaß nehmen, in der Hoffnung, daß dieses Konsolidierungspaket für uns eine gute Basis bildet, offensiv Frauenpolitik zu betreiben, sehr wohl zu schauen, wo die Armutskriterien liegen, ob wir sie bekämpfen können, wie wir ansetzen, bis hin natürlich auch zu jenen Frauen, von denen man landläufig sagt, sie hätten es geschafft. Frau Dr. Irene Dyk hat eine Studie vorgelegt über die Situation der Frauen, die in den Chefetagen sitzen. Diese müssen für die Karriere natürlich auf vieles verzichten, zum Beispiel auf Familie, weil sie diesem Druck sonst nicht standhalten könnten. Wenn sie Karriere machen wollen, müssen sie meist das Singleschicksal wählen.

Da jedoch jeder Mensch ein Recht auf Familie hat, sollten die Rahmenbedingungen für alle Frauen so sein, daß das Leben, das sie sich wünschen, für sie auch lebbar, durchsetzbar und verwirklichbar ist. Dafür sind wir zuständig, und dafür lohnt es sich auch zu kämpfen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.12

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rosenstingl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.13

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Höchtl! Es war zwar rührend, wie du heute theatralisch die Interessen der Arbeitnehmer zu verteidigen versucht hast. Aber von Stunde zu Stunde wird es für die ÖVP immer peinlicher, weil jetzt erwiesen ist, daß ihr natürlich überhaupt keine Arbeitnehmerinteressen vertretet und du auf einsamer Flur in deiner Fraktion bist. (Abg. Dr. Höchtl: Du warst auch schon ein bisserl gescheiter in deiner Argumentation!)

Es wird peinlich, wenn Frau Kollegin Steibl jetzt meint, sie ist mißverstanden worden, das ist ja alles nicht so gewesen und so weiter. Das meinte sie um 13.17 Uhr. (Abg. Steibl: Waren Sie dabei?) Nein, Frau Kollegin! Ich bringe Ihnen zur Kenntnis, sollten Sie es nicht kennen, was der ORF zu Ihrem Auftritt sagt. Sie glauben, Sie kommen jetzt gut drüber, aber Sie haben sich nur ein Eigentor geschossen. (Abg. Steibl: Das ist eine Frechheit!)

Der ORF meint – und zwar laut APA-Meldung von 13.36 Uhr – als Reaktion auf Ihre Aussendung: "Die Leiterin der Innenpolitik im ORF-Hörfunk Gisela Hopfmüller wies Donnerstag nachmittag auf Anfrage der APA den Vorwurf der ÖVP-Abgeordneten Ridi Steibl entschieden zurück. Im Radio-,Morgenjournal‘ sei nichts journalistisch verkürzt, sondern der Inhalt des Antrages wiedergegeben worden, den Steibl bei einem Hintergrundgespräch Dienstag mittag verteilt habe.


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In diesem Hintergrundgespräch sei darauf hingewiesen worden, daß der Antrag bereits im Juli 1995 eingebracht worden sei und jetzt in der neuen Legislaturperiode erneut in den Nationalrat eingebracht werden soll. Dieser Antrag auf Änderung des Arbeitszeitgesetzes beinhalte die im ,Morgenjournal‘ gemeldete Verlängerung der Arbeitszeit auf zehn Stunden, wobei die Mehrleistungen als Zeitausgleich abgegolten werden sollen." (Abg. Dr. Höchtl: Es ist weder 1995 ein Antrag eingebracht worden, und es ist auch jetzt nicht beabsichtigt, einen Antrag einzubringen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines ist offensichtlich: Sie stellen sich hier in diesem Haus gegen die Arbeitnehmer und sind schon lange, genauso wie die Sozialdemokraten, weil diese werden ja in dieser Sache mittun, als Arbeitnehmervertreter abgetreten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Höchtl: Sie sind taub, Herr Rosenstingl!)

Aber die ÖVP treibt es ja heute überhaupt besonders wild. Heute ist aufgezeigt worden, wie problematisch es ist, wenn der Generalsekretär der Wirtschaftskammer, der ja Angestellter der Wirtschaftskammer ist, auch ein Mandat einer Partei hier innehat: Alle Wirtschaftskammervertreter, angefangen beim Präsidenten Maderthaner über Generalsekretär Stummvoll, Kollegen Puttinger und so weiter legen ihre Vertretungsabsichten hier beim Eingang ab.

Es ist wirklich ungeheuerlich, Herr Präsident, daß der Generalsekretär der Wirtschaftskammer erstens einmal die Unternehmer überhaupt nicht, in keiner Weise in seiner Rede hier im Haus vertreten hat. Aber was ich noch ungeheuerlicher finde, obwohl es keinen Kollegen von den Freiheitlichen getroffen hat, ist, daß er in einer Art, die wirklich das Letzte war, was ich jemals in diesem Haus gehört habe, die Unternehmer in der Politik abqualifiziert hat! Das weise ich, Herr Präsident Maderthaner, aufs Schärfste zurück! (Abg. Dr. Brinek: Sind Sie der Anwalt vom Haselsteiner?) Sie sollten als Präsident Ihren Generalsekretär zur Ordnung rufen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Leider habe ich nicht mehr viel Redezeit. Aber ich muß noch darauf eingehen, daß Sie gemeint haben, daß im Bundesfinanzgesetz Strukturreformen enthalten sind und die Änderung der Poststruktur als eine solche große Reform angeführt haben.

Herr Bundesminister! Das Gesetz, das jetzt vorgelegt wurde im Rahmen der Strukturanpassungsgesetze, ist nichts anderes als ein Gesellschaftsvertrag und eine Regelung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse und der Dienstverhältnisse bei der Post. Das ist keine Strukturreform! In einem Betrieb muß man etwas anderes reformieren, wenn man etwas verbessern will. Da nützt es nichts, daß Sie dem ganzen eine andere Rechtsform geben. (Bundesminister Mag. Klima: Das kann man doch nicht mit einem Gesetz machen! Das sollen die Manager tun!)

Das war bei der ÖBB Ihr Fehlglaube, das ist bei der Post Ihr Fehlglaube und wird leider immer Ihr Fehlglaube sein! Sie wollen nichts anderes, als die Schulden auszugliedern, und schreiben so schön in den Gesetzentwurf hinein, die Schulden sollen aus Dividenden bezahlt werden. Da hat sich also bisher überhaupt nichts geändert. Ändern würde sich etwas, wenn höhere Dividenden anfallen würden, wenn der Betrieb besser arbeiten würde.

Herr Bundesminister! Es ist nicht mehr Ihr Bereich, aber Sie sollten wissen, daß wir zum Beispiel dort, wo Strukturmaßnahmen möglich sind, nämlich im Autobusdienst – vor vielen Jahren haben sich alle Fraktionen zu einer Zusammenlegung bekannt –, jetzt vor der Situation stehen, daß Draxler und Sindelka kräftig in die eigenen Autobusdienste investieren und keine Rede mehr von Zusammenlegung ist. Daher wird sich da überhaupt nichts ändern. – Das ist nur ein Beispiel, Herr Bundesminister. Sie haben keine einzige Strukturreform in diesem Paket verankert. Sie haben nur ein Belastungspaket vorgelegt.

Sie müssen endlich zur Kenntnis nehmen, Herr Bundesminister, daß durch Steuererhöhungen kein investitionsfreundliches Klima in Österreich geschaffen wird. (Bundesminister Mag. Klima: O ja!) Sie werden nur die Unternehmer vertreiben. Das sagen Ihnen auch schon die Wirtschaftstreuhänder, die meinen, daß dieses Steuerpaket in manchen Bereichen so belastend ist, daß es viele Betriebe schlicht umbringt, Herr Bundesminister! Sie sollten diesen Fachleuten trauen, die in der Wirtschaft arbeiten, die wissen, was in der Wirtschaft los ist, und Sie sollten endlich


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Steuererleichterungen einführen, um die Wirtschaft zu beleben, um ein investitionsfreundliches Klima zu schaffen. (Abg. Dr. Höchtl: Da würde das Defizit doch noch größer werden! Die Freiheitlichen wollen ein noch größeres Defizit!) Dann hätten Sie im Endeffekt mehr Steuereinnahmen. Das haben Sie jedoch bis heute nicht begriffen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.18

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.18

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich finde es ja geradezu überraschend, daß sich Frau Abgeordnete Bauer als Frauenchefin der ÖVP heute überhaupt zu Wort meldet, denn in den vorangegangenen Diskussionen, in denen es um die Belange der Frau gegangen ist, hat sie sich nur durch Stillschweigen ausgezeichnet. Und die Position des Frauensprechers hat Klubobmann Khol in einer recht bedauerlichen, aber doch lauten Weise übernommen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Mertel: Ist Dr. Khol kein guter Frauensprecher?) Darüber läßt sich wirklich diskutieren, gelt? Ehefrauensprecher ist meine Bezeichnung für ihn, Ehefrauensprecher, aber nicht Sprecher für Frauen im allgemeinen.

Frau Kollegin Bauer – sie ist jetzt leider nicht mehr hier – hat in Ihrer Rede gleich einleitend einmal mehr vom drohenden Mißbrauch der Regelung durch Frauen gesprochen. Ich möchte ihr einfach mit einer Frage antworten: Sieht sie auch Mißbrauchsgefahr, wenn eine Haftstrafe des Vaters nicht als Verhinderungsgrund für die Karenz angesehen wird? Ich möchte sie einfach fragen, ob sie nicht erkennt, daß damit ein Kind bestraft wird und daß es dafür einen Ausdruck gibt, nämlich Sippenhaftung. Ich hatte an und für sich gehofft, daß wir über diese Zeit bereits hinaus sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Frau Kollegin Bauer spricht davon, die ÖVP wolle die Frau an den Herd locken. Ich habe eher einen anderen Begriff parat, nämlich den Begriff "drängen", denn Sie drängen die Frau nicht auf den Arbeitsmarkt, wenn Sie nach eineinhalb Jahren Karenz keine Rahmenbedingungen schaffen, Sie drängen viele Frauen, vor allem alleinerziehende Frauen, in die Not. Und das ist leider eine Tatsache.

Daß Frau Kollegin Bauer nicht mitmarschiert ist bei der Demonstration, wundert mich nicht – man kann unterschiedliche Zugänge zu Demonstrationen haben –, aber daß sie nicht mitdiskutiert hat in Frauenbelangen, das disqualifiziert sie meiner Meinung nach als Frauensprecherin.

Ich möchte aber jetzt doch direkt zum Budget kommen. Unser Budgetsprecher, Herr Haselsteiner, hat an und für sich schon die grundlegende Kritik über die doch eher unseriöse Vorgangsweise angebracht, die deutlich gemacht hat, daß eine konstruktive Mitwirkung weder erwünscht beziehungsweise auf der anderen Seite auch kaum möglich ist. Und dieses Kaum-möglich-Sein von konstruktiver Beteiligung ist für mich die einzige Erklärung dafür, daß die Frauen der Koalitionsparteien diesen geplanten Maßnahmen überhaupt zustimmen können.

Wenn hier von einem offensiven, von einem mutigen Programm, von einem offensiven, mutigen Budget gesprochen wird, dann finde ich es zwar grundsätzlich positiv, wenn bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze zumindest angemerkt wird, daß die besondere Situation der Frauen berücksichtigt werden wird, aber die Realität ist leider eine ganz andere, eine traurige. Denn trotz der unterdurchschnittlichen Erwerbsquote von Frauen in Österreich, trotz des Fehlens von Frauen in leitenden Positionen, trotz höherer Arbeitslosenquote bei Frauen gibt es keine konkreten Maßnahmen, gibt es keine Impulse, die tatsächlich auch zur Schaffung von Frauenarbeitsplätzen beitragen würden. Ganz im Gegenteil!

Das Gegenteil ist ja schon geschehen, denn ein ausgesprochen frauendiskriminierendes Bonus-Malus-System wurde in diesem Hause bereits mit Mehrheit beschlossen. Darüber hinaus gibt es keinerlei Ansätze für sozialrechtliche Absicherungen von geringfügig Beschäftigten, und auch davon sind ja wieder zu einem sehr großen Teil Frauen betroffen. Außerdem wird im Bereich der Sparmaßnahmen natürlich ganz besonders offensichtlich, daß dieses Sparpaket nicht aus


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gewogen ist, daß es Frauen im besonderen Maße trifft, und zwar auf eine, wie ich glaube, recht subtile Weise, wie die Einführung des Bonus-Malus-Systems bereits gezeigt hat.

Ich habe mir diese Gesetze, soweit es möglich war, wirklich durchgesehen. Über die De-facto-Kürzung der Karenzzeit wurde schon gesprochen. Sie, Herr Minister, sprachen in Ihrer Budgetrede die Hoffnung aus, daß sich aufgrund der neuen Regelung mehr Männer an der Erziehungsarbeit beteiligen würden. Ich befürchte sehr, daß Ihre Hoffnung nicht erfüllt werden kann, weil es keinerlei gesellschaftspolitische Ansätze in diesen Gesetzen, in diesen Anpassungsgesetzen gibt, die ein realistisches Splitting der Karenz zwischen Mann und Frau überhaupt zulassen würden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn die Generalsekretärin der ÖVP noch eine Studie braucht, um bestätigt zu bekommen, daß es eventuell Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen geben könnte, dann möchte ich ihr raten, eine der von der Frauenministerin bereits in Auftrag gegeben Studie oder einfach nur den Sozialbericht zur Hand zu nehmen. Dann kann sie sich diese Studie sparen! Ihre als Einkommensausgleich für Frauen vorgeschlagene Lösung werden Sie, Herr Finanzminister, wahrscheinlich nicht finanzieren können. Mir wäre ohnehin weitaus lieber, wenn wirksame Maßnahmen gesetzt würden, um die Einkommensschere zwischen Männer- und Fraueneinkommen endlich einmal zu verringern. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Aber es finden sich in Ihren Gesetzen noch viele andere sehr subtile Benachteiligungen, zum Beispiel hinsichtlich der Notstandshilfe. Die Notstandshilfe wird zwar nach wie vor für ein Jahr gewährt, allerdings muß nach einem halben Jahr ein neuer Antrag gestellt werden, und unabhängig davon, daß die Gefahr bestehen könnte, die Anspruchsberechtigung zu verlieren, wird dieses zweite halbe Jahr von der Versicherungsdauer abhängig sein. Davon werden insbesondere junge Frauen, in Ausbildung befindliche Frauen, die über weniger Versicherungszeiten verfügen, in hohem Maße benachteiligt.

Das Betriebshilfegesetz, mit Hilfe dessen Sie die Betriebshilfe auf jeden Fall auf 18 Monate kürzen, weil ein Splitten der Karenzzeit von vornherein nicht vorgesehen ist, haben Sie entweder unüberlegt, überhastet oder vielleicht auch ganz bewußt mit aufgenommen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie es in dieser Form als Offensive für Unternehmerinnen gemeint haben können.

Das Karenzurlaubserweiterungsgesetz haben Sie in der Zwischenzeit korrigiert. Hier wäre Ihnen ohnehin bald ein Mißgeschick passiert, nämlich dadurch, daß Sie diese Wiedereinstiegshilfe nur dann bezahlt hätten, wenn ein Partner die ganze Karenzzeit von zwei Jahren in Anspruch genommen hätte.

Besonders drastisch wird es für Frauen allerdings, wenn es um die Pensionszeiten geht. Dadurch, daß Ausbildungszeiten als Versicherungszeiten und für die Pensionshöhe nachgekauft werden müssen, wird es für Frauen besonders schwierig. Daß die Höchstbeitragsgrundlage, die ohnehin von nur sehr wenigen Frauen in Relation zu Männern erreicht wird, die Basis für die Berechnung darstellt, ist nur ein Punkt. Die De-facto-Kürzung der Karenzzeit bewirkt weiters, daß auch die Beitragszahlungen für Frauen zur Pensionsversicherung de facto um ein halbes Jahr verkürzt werden. Für den Nachkauf von Studienzeiten wird pro Monat in etwa ein Betrag von 6 000 S für Akademikerinnen tragend werden, bei Schulzeiten sind es rund die Hälfte, also 3 000 S. Aber wenn Sie bedenken, daß das Akademikerinneneinkommen durchschnittlich nur so hoch ist wie das Einkommen von Männern mit dem Abschluß einer berufsbildenden mittleren Schule, dann werden Sie einsehen, daß hier Frauen vor sehr schwierige Situationen gestellt werden. Außerdem werden Frauen mit höherer Bildung – darauf hat Frau Kollegin Petrovic bereits hingewiesen – ohne Nachkauf von Pensionszeiten kaum in die Situation kommen, ihre Pension – wie das Männern auch möglich ist, allerdings mit 60 Jahren – mit 55 Jahren anzutreten.

Welch böse Überraschungen auf Frauen noch warten, muß erst festgestellt werden. Ich verweise diesbezüglich auf den Artikel "Verwirrung mit Methode" im letzten "profil". Frauen werden


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bei diesem Verwirrspiel vermutlich noch in mehreren anderen Bereichen auf der Strecke bleiben.

Herr Finanzminister! Lassen Sie mich noch auf den Bildungsbereich zu sprechen kommen. Sie haben gestern in "ZiB 2" angekündigt, es wäre notwendig, die Ausgabendynamik im Bildungsbereich einzubremsen. Man gebe immerhin bereits 100 Milliarden Schilling in Österreich für die Bildung aus. Ich muß dazu schon noch einmal festhalten, daß diese Ausgabendynamik primär daher rührt, daß wir in Österreich überkommene dienstrechtliche Schutzbestimmungen haben, daß wir ausgesprochen reformbedürftigte Besoldungsschemata haben, die für das Explodieren der Personalkosten in diesem Maße tatsächlich verantwortlich sind.

Herr Minister! Sie haben versucht, diese Personalkosten im Jahre 1995 durch eine Kürzung der Werteeinheiten in den Griff zu bekommen. Das hat sich in hohem Maße nachteilig auf die pädagogischen Bedingungen an den Schulen ausgewirkt, und zwar durch Erhöhung der Klassenschülerhöchstzahlen, durch Verschlechterung des schulischen Angebotes und so weiter.

1996 versuchen Sie es durch eine Kürzung der Schulstunden im Sekundarbereich – leider nur als reine Sparmaßnahme, weil hier durchaus auch die Chance auf eine pädagogische Reform bestanden hätte – durchzusetzen. Ich frage mich: Was kürzen Sie denn letztendlich dann im Jahre 1997? Denn wirkliche Reformen im Bildungsbereich bleiben aufgrund des Widerstandes der Lehrergewerkschaften, aufgrund des erfolgreichen Selbstfesselungstricks einer Zweidrittelgesetzgebung und auch durch ein ideologisches Einzementieren leider auf der Strecke.

Es gäbe hier noch viele Punkte anzusprechen – leider reicht meine Zeit nicht aus –, aber eine wirkliche Besonderheit ist, daß Sie tatsächlich beabsichtigen, die Familienbeihilfe auch an die Schuldauer zu knüpfen. Damit werden Eltern bestraft, die sich Nachhilfestunden nicht leisten können, damit wird das Repetieren tatsächlich auch für die Gesellschaft, auch für die Eltern noch teurer. Wenn Sie in diesem Bereich wirklich sparen wollen, dann schaffen Sie dieses unsinnige Wiederholen von Klassen ab! Hier könnten Sie alleine durch eine 50prozentige Reduzierung ein Einsparungspotential von einer Milliarde Schilling innerhalb von zwei bis drei Jahren erzielen. Darüber hinaus könnten Sie damit auch Schülerleid verringern.

Herr Finanzminister! Bei Ihrer Offensive kommen Frauen kaum vor. In Ihrer Budgetrede ist das Wort "Bildung" überhaupt nicht ein einziges Mal verwendet worden! – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.30

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.30

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Bauer meldet sich hier zu Wort und beginnt damit, daß es bedauerlich sei, daß Frauen immer nur im Zusammenhang mit Klagen erwähnt würden, daß über Frauen immer nur in einem klagenden Ton geredet würde – wie schlecht es doch den Frauen ginge, wie arm sie seien –, und daß kein anderes Bild aufscheine, vor allem in den letzten Wochen, als dieses – wie sie es eben wahrnimmt und zeichnet – beklagende Bild. Sie übersieht dabei aber, daß sie selbst hier als Frauensprecherin einer Partei, einer Regierungspartei auftritt, die maßgeblich dazu beigetragen hat, daß – und das beschränkt sich eben offensichtlich auf Oppositionsparteien – die Frauen anderer Parteien dieses Bild immer wieder so darstellen müssen.

Aber es geht nicht darum, daß Frauen an sich die Klagenden sind, sondern es geht darum, daß die Situation eine beklagenswerte ist und daß es beklagenswert ist und kritisiert werden muß, daß die Regierung hier einen Koalitionspakt und ein Sparpaket vorlegt, bei dem die Frauen jene sind, die draufzahlen. Diese Situation macht es erforderlich, daß wir das hier heraußen immer wieder kritisieren. Wenn Sie das als eine Situation der klagenden Frauen wahrnehmen, so ist das eine Verzerrung der Wahrnehmung, und für diese Verzerrung spricht auch noch einiges andere.


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Was mich besonders verwundert hat, ist, daß der Frau Kollegin Bauer das Kunststück gelungen ist, es noch als Fortschritt darzustellen, daß, wenn schon die Karenzzeit auf 18 Monate gekürzt wird – es sei denn, der Vater des Kindes übernimmt die letzten sechs Monate –, ja Gott sei Dank noch immer der Rechtsanspruch gewahrt bleibt, erst nach zwei Jahren wieder in den Beruf einsteigen zu müssen.

Das ist eine Wahrnehmung, der ich nicht folgen kann, denn wenn ich mir das Gros jener Frauen anschaue, die diese Karenzzeit in Anspruch nehmen, dann sind das jene, die auch dringend darauf angewiesen sind, daß sie dabei finanziell unterstützt werden mit dem entsprechenden Karenzgeld. Und da frage ich mich, wie diese Frauen denn jene sechs Monate überdauern sollen, für die sie zwar den Rechtsanspruch, aber nicht das Geld haben. Wie stellen Sie sich denn das vor? Sie scheinen so weit weg zu sein von der Realität, die die Mehrzahl der Frauen betrifft, daß Sie diese Wahrnehmung gar nicht mehr haben, sondern als Frauensprecherin hier herausgehen und sagen: Es ist uns Gott sei Dank gelungen, diesen Rechtsanspruch weiterhin zu sichern. – Was fängt denn eine Frau mit einem Durchschnittseinkommen an, das weit unter jenem liegt, das Sie haben oder von dem Sie sich auch nur eine Vorstellung machen? Was fängt denn eine Frau damit an, daß sie diesen Rechtsanspruch, nicht aber das Geld hat?

Es ist auch von meiner Vorrednerin schon erwähnt worden, aber ich möchte und muß es hier noch einmal erwähnen, daß dem sozusagen der zweite Haken auf dem Fuß folgt. Denn was fängt eine Frau damit an, die diese Karenzzeit nun in Anspruch nimmt, die aber durch die Kürzung der Sondernotstandshilfe nicht die Möglichkeit hat, ihre Kinder wirklich betreuen zu können, weil sie darauf angewiesen ist, in einen Beruf zurückzukehren, wieder einen Beruf auszuüben, wenn wir gleichzeitig wissen, daß Sie die berühmte Kindergartenmilliarde, die Sie seit langem versprochen, aber nie zur Verfügung gestellt haben, erst auf massiven Druck dann doch mit 600 000 S eingesetzt haben? (Abg. Ing. Tychtl: 600 Millionen!) 600 Millionen Schilling! Ja, Entschuldigung.

Gleichzeitig aber haben Sie die Verantwortung dafür delegiert und überhaupt keine Möglichkeit der Evaluation eingezogen, ob das jetzt funktioniert oder nicht. Sie werden das – so wie ich das sehe und wie zumindest ich Ihr Vorhaben wahrgenommen habe – 1997 ganz locker fortsetzen, und Sie werden überhaupt keine Evaluation vornehmen, ob denn diese 600 Millionen Schilling zur Anwendung gekommen sind, ob damit gewährleistet ist, daß Kinderbetreuungseinrichtungen, und zwar ganztägige, in ausreichendem Ausmaß vorhanden sind.

Aber das kümmert Sie offensichtlich ja alles nicht. Das ist gesagt worden, und es muß auch gesagt werden – als Kritik und nicht als Bejammern. Es ist eine Kritik, und man soll Kritik nicht immer so hinstellen, als würde etwas bejammert werden. Es ist eine ganz klare Kritik daran, daß in diesem Koalitionspaket und in diesem Budget jeder frauenpolitische Ansatz fehlt. Ich kann das nur noch einmal aufzählen – ich werde es in entsprechender Kürze tun –, aber es ist eine beachtliche Liste:

Es ist die Kürzung des Karenzurlaubes von 24 auf 18 Monate; es ist die Bestrafung jener Frauen, deren Männer in Haft sind – es ist schon das Wort "Sippenhaftung" gefallen – auf Kosten von Kindern, die wirklich nichts dafür können; es ist die Tatsache, daß neuerlich keine Valorisierung des Karenzgeldes vorgesehen ist; es ist die Kürzung der theoretischen Höchstdauer für Sondernotstandshilfe; es ist eine Kürzung der berühmten Kindergartenmilliarde; es ist die Streichung der Geburtenbeihilfe. Es ist hier auch schon ausgeführt worden, was es bedeutet, daß diese vor Jahren mit großem Paukenschlag eingeführte Maßnahme gestrichen wird. Es ist darauf verwiesen worden, wie wichtig uns die Gesundheit von Frauen während der Schwangerschaft, die Vorbereitung auf die Geburt und die Nachbetreuung auch in den folgenden zwei, drei Lebensjahren ist. Das alles wird jetzt mit der Streichung der Geburtenbeihilfe fallengelassen, weil der Anreiz, der notwendig ist, damit das auch wirklich lückenlos eingehalten und durchgeführt wird, wegfällt.

Es ist die Streichung der Zuverdienstmöglichkeit beziehungsweise die Begrenzung mit 3 600 S, die einfach ein Witz und ein Hohn ist, anders kann man das nicht bezeichnen; es ist der erschwerte Wiedereinstieg, herbeigeführt vor allem auch durch die Einführung des Kriteriums der


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Verfügbarkeit, das überhaupt keine Rücksicht nimmt auf die Frauen, die in dieser Situation sind. Was heißt hier Verfügbarkeit? Wer beurteilt die Verfügbarkeit? Beurteilt die der zuständige Sachbearbeiter? Wer beurteilt die Verfügbarkeit einer Frau, die Kinder zu Hause hat, die sie pflegt, die sie aufzieht? Wer beurteilt, was in dieser Situation zugemutet werden kann oder nicht? – Da gibt es überhaupt keine weiteren Vorstellungen. Es ergibt sich eben – wie schon ausgeführt – der erschwerte Wiedereinstieg durch diese Lücke von einem halben Jahr.

Und es ist letztendlich – und auch das ist schon einmal gesagt worden – der ganze Brocken der Pensionszeiten, der Anrechnungszeiten für Frauen. Es hat schon Madeleine Petrovic in ihrer Rede sehr bildhaft und sehr drastisch vor Augen geführt, daß es Frauen mit einer Qualifikation von der Matura aufwärts mit dieser Regelung nicht mehr möglich ist, mit 55 Jahren in Pension zu gehen.

Es ist Ihnen mit diesem Sparpaket – man kann es eigentlich nicht einmal ein Sparpaket nennen, man kann nur sagen, daß dieses Paket, das Sie da vorgelegt haben, eine Strafaktion für Frauen und für Alleinerzieherinnen ist, die Sie da gestartet haben – gelungen, entgegen all Ihren Versprechungen in der Wahlkampfzeit überhaupt keine strukturellen Änderungen in Angriff zu nehmen und im Koalitionspaket festzuschreiben. Das Ganze ist nicht einmal ein Löcherstopfen. Das Ganze ist nur eine Augenauswischerei.

Sie haben keine strukturellen Änderungen durchgeführt. Zum Beispiel sind Sie nicht einmal ein einheitliches Pensionssystem angegangen, obwohl das, wie wir inzwischen wissen, eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung hätte. Sie würden sich damit vermutlich nur Sporen verdienen. Aber Sie sind dieses Problem in keiner Weise angegangen. Kein Wort darüber findet sich im Koalitionsabkommen!

Das ganze Budgetvorhaben ist davon gekennzeichnet, daß Sie versuchen, das eine Loch zu stopfen, indem Sie ein neues aufreißen, ist davon gekennzeichnet, daß Sie bei den eigentlichen politischen Lösungen in keiner Weise angesetzt haben.

Zuletzt lassen Sie mich noch einmal wiederholen, was ich immer wieder nur sagen kann: Das Ganze spiegelt halt auch ein Stück Realität wider. Wenn wir darauf zurückkommen, welchen frauenpolitischen Akzent Ihre Politik und Ihr Bundesvoranschlag haben, so, muß ich sagen, spiegelt das Ganze halt nur dieses Stück Realität wider, das sich auch hier zeigt. Denn in welchem Ausmaß sind denn hier in Ihren Reihen die Frauen wirklich vertreten? – In einem Ausmaß von 20 oder 25 Prozent. Das liegt weit unter dem, was Sie sich seit Jahren selbst vornehmen und proklamieren, weit unter dem, womit Sie in Wahlkampfzeiten hausieren gehen. Würden Sie einmal dieses Versprechen einlösen, dann würden vermutlich auch Koalitionsabkommen und Budgetprogramme völlig anders ausschauen und ein anderes Gesicht und eine andere Gestalt haben. (Beifall bei den Grünen.)

14.41

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eder. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.41

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Die Notwendigkeit der Budgetkonsolidierung ist, so glaube ich, unbestritten und wurde heute ja schon mehrfach betont. Unbestritten vor allem auch deshalb, weil es ja in erster Linie darum geht, jenen wirtschaftlichen Spielraum zu erhalten, den die Bundesregierung während der vergangenen Jahre so erfolgreich genutzt hat.

Es war auch außer Streit gestellt, daß sich jegliches Konsolidierungsprogramm des Bundes, aber auch der übrigen Gebietskörperschaften, die ebenfalls ihren entsprechenden Beitrag leisten müssen, insbesondere am Gesichtspunkt der sozialen Ausgewogenheit zu orientieren haben wird.

Zahlreiche Reaktionen auf die von der vierköpfigen Budgetarbeitsgruppe unter Finanzminister Mag. Klima vorgelegten Vorschläge haben gezeigt, daß diese soziale Ausgewogenheit auf einen


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breiten Grundkonsens gestoßen ist. Es hat aber auch von Einzelgruppen Proteste gegeben, mit denen man sich ernsthaft beschäftigen muß. Dieser Dialog darf aber nicht zu einem Aufschnüren des gesamten Maßnahmenkatalogs führen. Darüber hinaus sind die Berücksichtigung von notwendigen Beschäftigungseffekten und der Ausbau der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich in die geplanten Maßnahmen eingeflossen.

Ich möchte mich hier vor allem auf die wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Impulse konzentrieren. Jedes Konsolidierungspaket, das, vereinfacht gesagt, über zwei Jahre nachhaltig und strukturell 100 Milliarden Schilling umfaßt, wird ohne Zweifel kurzfristig auch negative wirtschaftliche Effekte auslösen müssen. Gleichzeitig hat daher die Budgetarbeitsgruppe danach getrachtet, durch entsprechend offensive Aspekte des Programms beschäftigungs- und wirtschaftspolitische Impulse zu setzen, um den entsprechenden Ausgleich zu schaffen. Zahlreiche Wirtschaftsfachleute haben auch bereits bestätigt, daß dies mit den vorgeschlagenen Maßnahmen erreicht werden kann.

Als allgemeine Impulse möchte ich hier etwa nur die Einführung beziehungsweise Verschärfung von Ruhensbestimmungen für Pensionisten erwähnen, da dadurch tendenziell die Anzahl an Arbeitsplätzen erhöht wird.

Die Verschärfung und rigorose Bekämpfung der Schwarzarbeit führen darüber hinaus zu einer Legalisierung und damit auch zu einer sozialrechtlich besseren Absicherung von Arbeitsplätzen. Aber auch eine Reihe von gezielten finanziellen Maßnahmen wurde vorgesehen, wobei speziell im Bereich der Bauwirtschaft, die ja über eine äußerst hohe inländische Wertschöpfung und eine enorme Beschäftigungswirksamkeit verfügt, deutliche Akzente gesetzt werden.

Im einzelnen möchte ich etwa die Schieneninfrastrukturfinanzierung erwähnen, wo innerhalb von fünf Jahren 60 Milliarden Schilling an Investitionsmitteln bewegt werden können. Die verstärkte Befassung der Bundesimmobiliengesellschaft wird ebenfalls mit einem geschätzten Volumen von etwa 3 Milliarden Schilling, vor allem im Hochbau, Beschäftigung schaffen und sichern. Neue Finanzierungsmodelle im Bereich der Bewirtschaftung des hochrangigen Straßennetzes werden auch in dieser Sparte entsprechende beschäftigungspolitische Impulse bringen. Die Vignette ist ja nur eine Vorstufe in diese Richtung.

Meine Damen und Herren! In die gleiche Richtung werden die Verpflichtung zur rascheren Auflösung von Mietzinsreserven in Verbindung mit der Nutzbarmachung für Herstellungsinvestitionen sowie die Anhebung der Mittel für die Wohnbauförderung um rund 2 Milliarden Schilling pro Jahr wirksam werden.

Experten haben geschätzt, daß alles in allem die quantifizierbaren Maßnahmen mehr als 20 Milliarden Schilling pro Jahr an Investitionsvolumen aktivieren werden. Die entsprechenden Arbeitsplatzeffekte umfassen dabei die gesicherten beziehungsweise geschaffenen Arbeitsplätze auf dem Bausektor, im Maschinenbau, aber auch bei den betroffenen Zulieferfirmen und dürften in die Zehntausende gehen.

Meine Damen und Herren! Zusätzlich werden die Senkung von Verwaltungskosten, Maßnahmen zur Verfahrenskonzentration sowie die Erleichterung von Unternehmensgründungen weitere positive Effekte bewirken. Hinzu kommen noch die Ergebnisse der verschiedenen Baugipfel der Regierung, die bereits Ende vergangenen Jahres abgehalten wurden. So wurde etwa vereinbart, die bauwirksamen Ausgaben im Bundesstraßenbau um rund 600 Millionen Schilling und im Bundeshochbau um rund 200 Millionen Schilling aufzustocken.

Über die Bundesimmobiliengesellschaft werden bereits zahlreiche zusätzliche Projekte in Angriff genommen, darunter auch etwa die vor einigen Wochen erst beschlossene Übertragung eines Zubaues der Universität Klagenfurt an die Bundesimmobiliengesellschaft.

Die Sozialpartner rechnen damit, daß sich in Summe aus den genannten Maßnahmen ein arbeitsmarktpolitischer Effekt von bis zu 80 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen ergeben kann. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Auch wenn dies von der Opposition in Abrede gestellt wird, ist das vorliegende SPÖ-ÖVP-Konsolidierungsprogramm unter anderem auch dadurch gekennzeichnet, daß trotz konsequenter Ausgabeneinsparungen den öffentlichen Investitionen und der Beschäftigungswirkung der vorgesehenen Maßnahmen breiter Raum gewidmet wird.

Im Wohnbaubereich zum Beispiel betrifft dies unter anderem die Ausweitung der Wohnbauförderung. Mit dieser Ausdehnung sollte meiner Ansicht nach auch eine Initiative Hand in Hand gehen, die Effizienz des Wohnbauförderungssystems und insbesondere dessen soziale Treffsicherheit noch weiter zu erhöhen. Studien haben etwa festgestellt, daß die Höhe des Haushaltseinkommens positiv mit der Inanspruchnahme von geförderten Wohnungen, aber auch mit der Größe dieser Wohnungen und der damit in Verbindung stehenden Fördersummen korreliert. Das heißt, je besser die Haushaltseinkommen in den Familien, desto höher sind auch die Fördersummen.

Eine sinnvolle strukturelle Maßnahme könnte meiner Meinung nach darin bestehen, nicht nur bei Zuteilung von geförderten Wohneinheiten, sondern auch nach deren Bezug regelmäßig das Haushaltseinkommen einer Überprüfung zu unterziehen. Da geht es insbesondere auch darum, die Schere zwischen äußerst gut Verdienenden, aber billig Wohnenden und jenen – und das sind vor allem jüngere Leute –, die geringere Einkommen, aber hohe Wohnkosten haben, zu verkleinern.

Selbstverständlich bedarf es dazu einer Überarbeitung und genauen Definition des Einkommensbegriffes, um Gestaltungsmöglichkeiten, wie sie verschiedenen Berufsgruppen noch offenstehen, zu minimieren und somit die Anspruchsvoraussetzungen zu vereinheitlichen.

Bei Durchführung dieser Maßnahme ergäbe sich im Falle deutlich gestiegener Einkommen die Möglichkeit einer sozial gestaffelten, schnelleren Rückzahlung der Wohnbauförderungen. Entsprechende Änderungen in den Wohnrechtsgesetzen müßten dabei natürlich auch Berücksichtigung finden.

Gleiches gilt für die im Konsolidierungsprogramm vorgesehene verpflichtende Auflösung von Mietzinsreserven. Der beschäftigungspolitische Effekt, der damit auch gerade im Bereich der Wohnhaussanierung verbunden ist, scheint mir von großer wirtschaftlicher Bedeutung zu sein. Auch da bedarf es natürlich einer flankierenden Absicherung in den entsprechenden mietrechtlichen Vorschriften. Insbesondere bei den konkreten steuerlichen Verwendungsmöglichkeiten der Mietzinsreserve schiene mir eine Konzentration auf energie- und betriebskostensparende Investitionen äußerst sinnvoll zu sein, zumal von Wirtschaftsforschern angeführt wird, daß im kommenden Jahrzehnt durch entsprechende Investitionen in die Wärmedämmung von Altbauten zwischen 75 000 und 138 000 dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen werden könnten.

Gerade auch im Hinblick auf derzeit wieder verstärkt abreifende Genußscheine möchte ich noch einen zusätzlichen Vorschlag in die Diskussion einbringen. Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Von den derzeit angebotenen 4 Prozent KESt-freien Wohnbauanleihen konnte mit Ende 1995 ein Volumen von rund 8,4 Milliarden Schilling plaziert werden. Die Laufzeit dieser Anleihen beträgt in der Regel 12 bis 15 Jahre.

Die Wohnbaubanken selbst sprechen davon, daß insbesondere die Kapitalertragsteuerbefreiung vom Publikum als für die Zeichnung ausschlaggebend angeführt werde, der Sonderausgabeneffekt hingegen vernachlässigbar sei. Es kann daher trotz Konsolidierungsprogramm und der damit verbundenen Einschränkung bei den Sonderausgaben weiterhin mit beträchtlichem Interesse gerechnet werden.

Meine Damen und Herren! Würde man neue Wohnbauanleihen mit voller Kapitalertragsteuerfreiheit bei 20jähriger Mindestlaufzeit ermöglichen, so wird geschätzt, daß ein Emissionsvolumen von 1,5 Milliarden Schilling jährlich auf dem Markt plazierbar wäre. Geht man von einem derzeitigen Einnahmenverlust an Kapitalertragsteuer bei diesem Volumen aufgrund der bestehenden 4prozentigen KESt-Freiheit von etwa 15 Millionen Schilling aus und unterstellt man zum Beispiel eine Kapitalertragsteuerfreiheit bis zu 6 Prozent, so steigt der Einnahmenverlust für den Finanzminister auf lediglich 22,5 Millionen Schilling pro Jahr. Das bedeutet, daß mit einem


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zusätzlichen jährlichen Einnahmenverzicht von nur 7,5 Millionen Schilling ein Bauvolumen bis zu 4 Milliarden Schilling ausgelöst werden könnte. Dies würde nicht nur 3 000 neue Wohnungen, sondern vor allem auch an die 3 000 zusätzliche Arbeitsplätze bringen.

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, daß wir in den Ausschußberatungen – vielleicht auch noch hier– Gelegenheit haben werden, darüber zu sprechen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zurückkommend auf mein Eingangsstatement möchte ich noch einmal betonen, daß nicht nur zwei Drittel der vorgesehenen Konsolidierung über ausgabenseitige Sparmaßnahmen bestritten werden, sondern darüber hinaus auch eine soziale Ausgewogenheit dadurch gewährleistet ist, daß alle Einkommensarten und Bevölkerungsgruppen einen entsprechenden Beitrag zu leisten haben. Selbstverständlich werden höhere Einkommen in stärkerem Ausmaß belastet werden als niedrige.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend ist also festzuhalten, daß das vorgestellte Konsolidierungsprogramm zweifelsohne Einschränkungen mit sich bringen wird, daß aber davon alle Bevölkerungsgruppen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit betroffen sein werden. Gleichzeitig wurde höchstes Augenmerk auch darauf gerichtet, insbesondere unter Berücksichtigung der angespannten Arbeitsmarktsituation soweit als möglich stimulierende Impulse zu setzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nunmehr bedarf es der gemeinsamen und konstruktiven Anstrengung aller, die Interesse daran haben, daß unser Land auch in Zukunft den in den vergangenen Jahrzehnten eingeschlagenen erfolgreichen Weg weiter fortsetzen kann. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.53

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.53

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir befinden uns in einer Zeit, in der Gegensätze einander anziehen. Es jährte sich in den Tagen der Regierungserklärung nicht nur zum 113. Mal der Todestag von Karl Marx, sondern auch der Geburtstag von Albert Einstein zum 117. Mal.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alles, was wir hier in diesem Plenarsaal, die Zuschauer auf der Galerie und die Leute vor dem Fernsehschirm heute und in den letzten Wochen zu hören bekamen, scheint nach einem gewissen Muster gestrickt zu sein. Um auch hier bei den Gegensätzen zu bleiben, bezeichne ich es als schwarzweißes Muster. (Abg. Dr. Graf: Versprochen und gebrochen – das ist das Muster!)

Die Opposition hat nichts Besseres zu tun, als alles zu kritisieren und alles ins Negative zu verkehren. Wir als Vertreter der Koalitionsparteien sind natürlich anderer Meinung. (Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. ) Herr Kollege Trattner! Sie haben sich wenigstens eine Arbeit mitgenommen. Sie können somit studieren, was Sie in Zukunft hier erzählen werden. Ich habe gar nichts dagegen einzuwenden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daher möchte ich meine Rede mit einem Zitat von Leopold Figl beginnen, der einmal gesagt hat: Tun wir zusammenhalten, zusammenarbeiten und zusammenstehen. (Abg. Dr. Graf: Er hat noch versprochen und gehalten!) Ich glaube, daß dieses Zitat heutzutage viel eher seine Berechtigung hat und realisiert werden sollte. Wir sind zwar heute nicht in einer so schwierigen Situation wie damals, aber wir sind nicht mehr bereit, auf irgend etwas in unserer Gesellschaft zu verzichten. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Herr Kollege, ich komme schon noch zu euch.

Daß die Studenten die einzige Bevölkerungsgruppe ist, die mit Streiks auf das notwendige Sparpaket reagiert, ist sicherlich der verantwortungsvollen Handlungsweise der Sozialpartner zu ver


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danken, ihrer Bereitschaft, im Interesse des Gemeinwohls und damit im Interesse der von ihnen Vertretenen spürbare Einschnitte nach innen und nach außen mitzutragen. Das, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sollten wir in der heutigen Zeit alle lernen: etwas mitzutragen, um ein langfristiges Ziel zu erreichen.

Ich glaube, es ist nicht gerechtfertigt, wenn sich die Oppositionsparteien, ob Grün, Liberal oder Blau, heute hier die Chance nicht entgehen lassen, das als Kompromiß hinzustellen. Das ist ungerechtfertigt, meine Damen und Herren! Es geht um eine gemeinsame Zielsetzung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein praktisches Beispiel: Was wäre aus Bill Gates, dem Microsoft-Chef, dem Softwaremulti aus den USA, geworden, wenn seine erste Betriebsstätte eine Garage irgendwo in Österreich gewesen wäre? (Abg. Mag. Barmüller: Dann hätte es ihn nicht gegeben!) Er hätte wohl bald das Handtuch geworfen. Da haben Sie völlig recht. Bill Gates hätte wahrscheinlich als erstes Probleme mit der Gewerbebehörde bekommen. In dem Moment, in dem er sein Tor geöffnet, den ersten Arbeitnehmer angestellt hätte, wäre der Arbeitsinspektor da gewesen, und der Betrieb wäre wahrscheinlich geschlossen worden.

Wer weiß, wie viele Bill Gates es in der heutigen Zeit gibt, wie vielen Bill Gates wir durch unsere Vorschriften, durch unsere Verordnungen, durch unsere Erlässe das Leben schwer gemacht haben? Dafür haben wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, letzten Endes die Verantwortung zu tragen. Machen wir von dieser Verantwortung für den Wirtschaftsstandort Österreich Gebrauch! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Was ist mit der Mindestkörperschaftsteuer? – Abg. Dr. Graf: Was ist mit der Getränkesteuer?)

Wir brauchen – das ist heute schon öfters gesagt worden – ein neues Klima, eines, das die Unternehmensgründungen fördert. Wir brauchen ein Klima, das tüchtigen Arbeitgebern zugute kommt. (Abg. Dr. Graf: Wir brauchen einen Puttinger! Name bürgt für Qualität!) Ich darf euch eines sagen: Ich habe lieber einen Koalitionspartner, wo ich beim Verhandeln einmal einen roten Kopf bekomme, als daß ich euren Wunsch erfülle und mich bei euren Zwischenreden rot und blau ärgere. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.) Produktiv arbeiten ist gescheiter als hineinreden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchen ein Klima, das die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe verbessert. Wir brauchen ein Klima, in dem die Unternehmer wieder das Gefühl bekommen, daß es sich lohnt, am Wirtschaftsstandort Österreich zu arbeiten, und wir brauchen ein Klima, in dem wir unsere Exporte wieder fördern können. (Zwischenrufe.)

Hohes Haus! Zu diesem positiven Klima (Heiterkeit – Ruf bei der ÖVP: Ein Verehrer!) , das der Unternehmer gerade in schwierigen Zeiten braucht, werden die Budgets 1996 und 1997 beitragen. Die ÖVP-Vertreter der Wirtschaft werden jedoch beim neuen Finanzminister vorstellig werden, um auch all das von ihm einzufordern, was jetzt im Budget nicht drinnen ist, was also nicht budgetwirksam ist. Ich denke zum Beispiel an Pauschalierungsverordnungen, an die Vereinfachung des Arbeitszeitrechtes. Ich denke etwa an die Jugendbeschäftigung, an die Folgekosten der Gesetze. Ich denke an die Eigenkapitalbildung im Hinblick auf Beteiligungsgesellschaften, an Verwaltungsvereinfachungen, an Vereinfachungen der Lohnverrechnung, an Dinge, die heute nicht unbedingt budgetwirksam sind, von denen wir aber annehmen können, daß wir sie gemeinsam – Koalition, aber auch Opposition – verwirklichen werden können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Was habt ihr denn gemacht?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die ÖVP ist ein Garant für eine verantwortungsvolle Budgetpolitik. (Beifall bei der ÖVP.) Mit ihr ist die Stabilität des Wirtschaftsstandortes Österreich gewährleistet und der starke Schilling nicht in Gefahr. Sie hätten es ja einmal beweisen können, daß Sie mitarbeiten und mit Ihren Ideen auch durchkommen wollen. Sie stellen nur Forderungen: 40 Milliarden Schilling, und sagen dann: Ihr habt nicht mitgestimmt. Dabei habe ich heute noch nichts gehört. Es tut mir schrecklich leid, euch nicht besser bedienen zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Stabilität ist eine unabdingbare Voraussetzung für ausländische Investitionen. Die Stabilität ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Sicherung der Arbeitsplätze. Die Stabilität ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Kreditwürdigkeit


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eines Staates. Die Stabilität ist eine unabdingbare Voraussetzung für günstige Zinssätze, aber auch für den sozialen Frieden. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich schließen mit einem Zitat von Wilhelm Röpke, dem Vordenker der sozialen Marktwirtschaft. Er hat am Beginn der sechziger Jahre als unentbehrliche Voraussetzungen für wirtschaftlichen Aufschwung folgende Eigenschaften formuliert: "Selbstdisziplin, Gerechtigkeitssinn, Ehrlichkeit, Fairneß, Gemeinschaftssinn und Achtung vor der Menschenwürde des anderen." All das fordere ich in diesem Haus hier ein. Wenn wir in Österreich Stabilität sichern wollen, wenn wir in Österreich einen dazu führenden Weg gehen wollen, dann haben wir diese Bedingungen auch zu erfüllen. Nur so können wir es erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich appelliere noch einmal an Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren: Laßt uns etwas unternehmen und überlassen wir das Unterlassen – das gilt auch für die Opposition – jemand anderem. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reichhold. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.02

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An der Rede des Abgeordneten Puttinger und am Beispiel Bill Gates wurde deutlich, welch schwere Versäumnisse in Österreich diese Regierung zu verantworten hat und welch wirtschaftsfeindliches Klima in diesem Land eigentlich herrscht. Herr Kollege Puttinger! Ich gratuliere Ihnen zu dieser Ihrer Rede. Sie könnten eigentlich in die Reihen der Opposition eintreten, denn Ihre Appelle werden verhallen, werden ins Leere gehen, weil sie in Ihrer eigenen Partei nicht ernstgenommen werden.

Ich nehme die Appelle, die heute von einzelnen Rednern der Regierungsparteien an uns gerichtet wurden, ernst, wenngleich die Einladung zur Mitarbeit nicht sonderlich fruchten wird, weil das nichts mehr bewegen wird. Es ist von mehreren Seiten gesagt worden, daß die Ideen, die die Opposition hier einbringt, nichts am bereits beschlossenen Paket verändern kann. Dennoch will ich, Herr Bundesminister, einige Anregungen machen; diese trage ich auch als seinerzeitiges Mitglied der Kärntner Landesregierung hier vor.

Mir persönlich ist es unverständlich, warum seitens der Bundesregierung immer noch geduldet wird, daß es im Ablauf der Verwaltung sehr viele Doppelgleisigkeiten und sogar Dreifachgleisigkeiten gibt. Ein Beispiel: In der Bundesgebäudeverwaltung gibt es die BGV I, die BGV II, die Bundesimmobiliengesellschaft, die einzelnen Ämter in den Bundesländern. Da gibt es viel Koordinationsbedarf, da gibt es viele Reibungsverluste, da gibt es bei der Abwicklung von Projekten Unstimmigkeiten, die vermieden werden könnten, würde man da klare Konzepte und Linien anstreben.

Herr Bundesminister Klima! Im Bereich der Straßenbauverwaltung ist das Problem ähnlich gelagert. Da gibt es die Bundesstraßenverwaltung mit den Ministerien, dann gibt es die Landesorganisationen, und daneben gibt es noch die Sondergesellschaften. Ich selbst habe es erlebt, wie schwierig sich da der Verwaltungsweg gestaltet. Wenn man ein Projekt, bei welchem ohnehin schon die Bundesbeamten mit eingebunden sind, endlich nach langen Diskussionen, nach einer langen Begutachtungsphase, nach vielen Analysen, projektreif auf dem Tisch liegen hat, dann muß man nach Wien pilgern und dieses dort noch von anderen Bundesbeamten beurteilen lassen, und dort wird die Entscheidung dann auf die lange Bank geschoben. Da kommt es zu Verzögerungen, die der Wirtschaft schaden, die der Volkswirtschaft schaden, die dem Bundesland, in welchem dieses Projekt verwirklicht werden soll, Schaden zufügen.

Daher wäre es mein Wunsch – eine Idee, eine Anregung, die ich nirgends sehe, in keinem Koalitionsübereinkommen –, daß da klare Strukturen geschaffen werden, daß da auch die Länder mehr Kompetenzen erhalten, um endlich die Doppelgleisigkeiten zu beseitigen und zu einer größeren Effizienz und zu einer Einsparung zu kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Bundesminister! Auch wir haben uns in Kärnten, als wir Freiheitlichen dort die Verantwortung tragen konnten, Gedanken über Strukturreformen gemacht. Unter der Zeit des Landeshauptmannes Dr. Haider ist in der Kärntner Landesregierung ein umfassendes Strukturreformprogramm diskutiert worden. Es ist uns am Beispiel der Straßenbauverwaltungen – das wurde dann als Pilotprojekt genehmigt – gelungen, die Idee der Budget Centers zu verwirklichen. Es wurde der Budgetvollzug dezentralisiert, es wurden kleine Einheiten geschaffen und Verantwortung übertragen. Wir haben zum Beispiel den Straßenmeistereien klare Ziele vorgegeben. Es wurde den Abteilungsverantwortlichen auch ein Budget gegeben und ihnen gesagt: Wenn diese Ziele erreicht werden und es gelingt, auch einen Einsparungserfolg zu erzielen, dann gibt es – auch für die Mitarbeiter – eine Prämie auf den Lohn. Das hat funktioniert. Wir haben nachweislich in einem Jahr 70 Millionen Schilling in einem relativ kleinen Bereich eingespart – mit dem Ergebnis, daß die Mitarbeiter wirklich motiviert waren, daß sie erst genommen worden sind und daß Leistungsdenken Platz gegriffen hat.

Das sind jene Ideen, die wir von der Opposition einbringen möchten, weil wir glauben, daß mit diesem System Milliarden Schilling einzusparen wären, die dann für notwendige Investitionen in der Wirtschaft wirklich Spielraum schaffen würden.

Herr Bundesminister! Ich habe Sie schon im Rahmen meiner Tätigkeit in Kärnten kennenlernen dürfen, als wir das Projekt Verkehrsverbund Kärnten gemeinsam umgesetzt haben; ich habe Sie dort als einen wirklich entschlossenen Minister kennengelernt.

Aber ich habe jetzt Sorge – diese befällt mich, wenn ich Ihre Budgetrede und Ihre Aussagen analysiere –, daß Sie Gefahr laufen, auch in die allgemein politische Phrasiologie zu verfallen, wo man den Fehler macht, daß man die wirklich heißen Eisen nicht anpackt. Ich befürchte, daß Sie, so wie Ihre Vorgänger, einen Bogen um die heißen Eisen machen werden – dies deshalb, weil entweder die Zeit noch nicht reif ist, um darüber zu diskutieren, oder man vielleicht in der Partei nicht den entsprechenden Rückhalt hat, um diese wichtigen Strukturreformen letztlich auch durchzuziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele geben. Ich habe mir natürlich auch das Agrarbudget angesehen und bin draufgekommen – ohne jetzt von der großen Agrarpolitik reden zu wollen –, welch Potentiale allein in diesem kleinen Bereich des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft brachliegen. Seit dem EU-Beitritt Österreichs sind ja viele Verwaltungstätigkeiten nach Brüssel verlagert worden; der Rest ist in die Agrarmarkt Austria übergesiedelt. Das heißt, daß für das Bundesministerium an und für sich wenig an Arbeit übrigbleibt. Trotzdem kommt man dort nicht auf die Idee, zum Beispiel die beiden Abteilungen Handelspolitik und Marktordnung zusammenzulegen. Der Grund dafür ist ganz einfach zu durchschauen: weil in dieser Sektion III ein Mitarbeiter des Kabinetts Molterer einen hohen und gutdotierten Posten bekommt, der neben seiner Tätigkeit im Kabinett natürlich ein ordentliches Zubrot darstellt.

Oder: Warum wird in der Forst- und Wassersektion nicht gehandelt, obwohl die Wildbach- und Lawinenverbauung ausgelagert wird? Auch da gibt es keine Zusammenlegung.

Oder: die Rechtsabteilung. In jeder modernen Verwaltung – in Bayern zum Beispiel – werden die Juristen den Abteilungen, den Sektionen zugeteilt. Nur bei uns ist das nicht möglich. Bei uns wird eine eigene Rechtsabteilung weiterhin aufrechterhalten. Warum? – Nur weil ein 34jähriger ÖVP-Parteigänger, ein braver Parteisoldat, dort natürlich auch Macht ausübt und auch versorgt werden muß.

Herr Minister! So lange Macht und Versorgungsdenken im Vordergrund stehen und die Beamten geschröpft, aber die Politgünstlinge geschützt werden, so lange können wir Freiheitliche einem derartigen Budgetentwurf und einem derartigen Belastungspaket nicht zustimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder, ein weiteres Beispiel: die Pensionsreform. Es ist eine alte freiheitliche Idee, die vielen Pensionsversicherungsanstalten zusammenzulegen. Zuerst hat man gesagt: Na, ja, das ist ein typischer populistischer freiheitlicher Vorschlag! Mittlerweile ist durch eine Studie des Bundeskanzleramtes klar geworden, daß da natürlich Einsparungspotentiale brachliegen. Aber was


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machen Sie? Anstatt wirklich dieses heiße Eisen anzupacken, weichen Sie aus und erhöhen ganz einfach die Pensionsbeiträge bei den Bauern und bei den Gewerbetreibenden.

Das ist nicht jene Linie, die wir als Reformlinie verstanden wissen wollen! Sie bestrafen damit gerade eine Berufsgruppe, die vom Sterben betroffen ist. Strukturwandel wird das höflich umschrieben, ich nenne es Bauernsterben. Die Bauern werden doppelt bestraft: einmal, indem man sie wegrationalisiert, und einmal, indem man ihre Pensionsbeiträge erhöht, mit dem Argument, daß sie den Eigenfinanzierungsanteil nicht aufbringen können. Wenn man aber jene, die da wegrationalisiert worden sind und jetzt in andere Pensionskassen einzahlen müssen, berücksichtigt, dann werden Sie draufkommen, daß der Eigenfinanzierungsanteil bei den Bauern weit höher ist als jener der anderen vergleichbaren Pensionskassen.

All das könnte man beseitigen, wenn man da wirklich Reformmut an den Tag legen würde. Doch das erwarten wir als Freiheitliche und als Opposition in diesem Haus!

Nun auch einen Gedanken zum Wirtschaftsstandort. Mir als Kärntner ist dieser Punkt ein besonderes Anliegen, denn unser Bundesland steht aufgrund schwerster Versäumnisse in den letzten Jahrzehnten, die erst jetzt so richtig aufbrechen, bei fast allen Wirtschaftsdaten an letzter Stelle. Wir haben derzeit eine Arbeitslosigkeit von 30 000 Menschen zu beklagen. Die Arbeitslosenrate beträgt in Kärnten 14,3 Prozent und das ist wirklich alarmierend. Aber Sie kommen jetzt daher und verlangen eine Mautgebühr. Diese stellt für Kärnten in Wahrheit eine Doppelmaut dar. Jeder Lkw, der Waren aus Kärnten in andere Bundesländer – vor allem nach Salzburg und nach Tirol – liefert, hat eine Mehrbelastung von bis zu 12 000 S pro Jahr zu akzeptieren, und das trifft vor allem die klein- und mittelständische Wirtschaft und diese prägt das Land, wir haben in Kärnten keine großen Konzerne. Das ist das Problem, das wir in Kärnten mit Ihrem Belastungspaket haben! Ich bitte Sie daher, noch einmal darüber nachzudenken!

Das trifft natürlich auch den Tourismus, der bereits im vergangenen Jahr eine Talfahrt erlebt hat. Dieser kommt jetzt durch diese Diskussion noch einmal unter Druck. Schätzungen der Kärntner Tourismusgesellschaft zufolge entsteht durch diese Maut ein großer Schaden für den Tourismus: 1,5 Milliarden im Sommer und 300 Millionen Schilling im Winter.

Oder: Sie sprachen von der Ansiedelung von Betrieben. Wie sollen wir denn in Kärnten mit diesem Wettbewerbsnachteil leben? Natürlich prüft jeder, der heute einen Betrieb ansiedelt, die Kosten des Standortes. Natürlich! (Bundesminister Mag. Klima: ... die Abgaben gesenkt! Das gleicht sich aus!) Ja schon, Herr Minister! Aber Sie können nicht leugnen, daß diese Doppelmaut ein Kärntner Spezifikum darstellt. Es ist kein Wunder, daß die Kärntner Arbeiterkammer dagegen massiv protestiert. Alle Abgeordneten, die heute hier sitzen und sich verschweigen – wie etwa der Herr Abgeordnete Leikam –, leisten in Kärnten heilige Schwüre, daß Sie gegen diese Doppelmaut auftreten werden. Daß die Kärntner Landesregierung Beschlüsse faßt, das zu verhindern, daß der Kärntner Landtag in Resolutionen auch an uns Abgeordnete und sicher auch an Sie herantritt, den Wirtschaftsstandort Kärnten mit dieser Maßnahme nicht weiter zu belasten, nützt gar nichts, trotzdem stoßen wir da offenbar auf taube Ohren. Ihr Kammerpräsident, Ihr Parteifreund hat in Kärnten in einem Pressedienst gesagt, diese Forderungen seien in Wien vom Tisch gefegt worden und es gebe eine unglaubliche Ignoranz, die uns in Wien entgegengebracht wird.

Ich würde Sie bitten, Herr Finanzminister Klima, daß Sie auch unsere wirklich gut gemeinten Reformvorschläge aufnehmen, ernst nehmen und daß Sie – und das ist mir ein besonderes Anliegen – den Wirtschaftsstandort Kärnten nicht vergessen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.14

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Eder hat hier von einer Initiative im


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Bereich der Wärmedämmung gesprochen und gemeint, daß diese regional und auch beschäftigungspolitisch positive Effekte habe. Dazu kann ich ihm sagen: Ich bin auch dieser Überzeugung. Ich frage ich nur, warum nichts davon bei der Regierungserklärung zu hören war (Bundesminister Mag. Klima: Das habe ich gestern gesagt!) – Augenblick! –, warum nichts davon auch im Arbeitsübereinkommen steht. Von einer Wärmedämmungsoffensive war nicht die Rede, Herr Bundesminister (Bundesminister Mag. Klima: 800 Millionen Schilling!). Es ist auch ganz klar, warum hier die schönen Worte die Taten tatsächlich überwiegen.

Wenn Sie Ihre Erklärung von gestern, Herr Bundesminister, hernehmen, dann werden Sie auf Seite 25 einen einzigen Satz zum Bereich Energie finden. Da rühmen Sie sich, daß Sie eine umfassende Energiebesteuerung einführen werden. Aber darauf komme ich noch später zu sprechen.

Zu den Appellen, die hier vom Rednerpult aus insbesondere an die Opposition gerichtet werden, man möge doch bitte dieses Sparpaket mittragen, man möge doch verstehen, daß das wichtig ist, daß das für Österreich wichtig ist – ich beziehe mich da insbesondere auf den Herrn Abgeordneten Puttinger –, ist eines ganz klar zu sagen: Meine Damen und Herren, diese Koalition, die jetzt wieder an der Regierung ist, ist ja nicht erst seit gestern an der Regierung, diese große Koalition zwischen SPÖ und ÖVP war es doch auch schon in den letzten Jahren, und diese Koalition war es, die dieses Ergebnis in Österreich verursacht hat. Sich jetzt herzustellen und so quasi die Verantwortung mit der Opposition teilen zu wollen, aber während dieser ganzen Zeit nicht bereit gewesen zu sein, auf Vorschläge für Änderungen einzugehen, das ist eine doppelte Moral, meine Damen und Herren, die zutiefst abzulehnen ist! (Beifall beim Liberalen Forum. – Bundesminister Mag. Klima: 800 Millionen Schilling für energiesparende Maßnahmen!)

Diese 800 Millionen Schilling für energiesparende Maßnahmen, Herr Bundesminister, werden mit der Energiesteuer, die Sie einführen und bei welcher absolut keine Bereitschaft besteht, die erneuerbaren Energieträger auszunehmen, zu 100 Prozent zunichte gemacht. Das werden Sie nicht abstreiten können.

Herr Bundesminister! Sie haben heute hier noch einmal an die Opposition appelliert, sie möge doch mit Ihnen diesen Weg gehen, weil es für Österreich sehr wichtig ist. Da frage ich Sie, warum Sie nicht bereit sind, innerhalb eines Zeitrahmens, der akzeptabel ist, hier im Hause mit der Opposition über ihre Maßnahmen zu diskutieren. Denn Sie waren es, Herr Bundesminister, der gesagt hat: Ich werde – haben Sie wortwörtlich gesagt – nicht zulassen, daß im Parlament in den Ausschüssen noch etwas an diesem Sparpaket geändert wird. – Das waren Ihre Worte, die ich über das Radio vernehmen konnte!

Wenn dem so ist, dann sage ich Ihnen: Es besteht doch überhaupt keine Bereitschaft hier im Haus, ehrlich über unsere Vorschläge zu diskutieren. Sie sind ja nicht einmal bereit, darüber zu diskutieren, ob die von Ihnen geplanten Maßnahmen mit jener Effizienz ausgestattet sind, die Sie hier die ganze Zeit behaupten.

Es ist beispielsweise der gesamte Umweltbereich in dieser Regierungserklärung zu kurz gekommen. Das rangiert gerade unter "ferner liefen". Dieser Fehler ist Ihnen nicht unterlaufen, meine Damen und Herren von der Regierung und von den Koalitionsparteien, sondern hinter dieser Sache steckt System.

Noch einmal: Ich beziehe mich da insbesondere auf Ihre Erklärung von gestern, Herr Bundesminister Klima, in welcher Sie gesagt haben, daß eine wichtige Maßnahme im Gesamtpaket die Einführung der Energiesteuer auf Gas und Strom ist. Damit wird unter Einbeziehung der bereits bestehenden und im Vorjahr angehobenen Mineralölsteuer praktisch eine umfassende Energiebesteuerung eingeführt. Das ist deshalb interessant, meine Damen und Herren, weil es – ich erinnere mich noch gut daran – bei der gesamten Diskussion um die ökologische Steuerreform immer geheißen hat, Alleingänge seien nicht möglich, das gefährde den Wirtschaftsstandort Österreich.


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Heute ist das auf einmal ein großes Verdienst dieser Koalition. Ich verstehe die Welt nicht mehr: Entweder haben Sie vorher nicht die Wahrheit gesagt, meine Damen und Herren, oder es ist eben nur eine Frage des politischen Willens, ob man eine Energiebesteuerung einführen will oder nicht. Aber selbst wenn Sie das wollen, dann frage ich Sie: Wo bleibt denn die steuerliche Entlastung der menschlichen Arbeitskraft in diesem Gesamtprogramm? Diese ist nicht gegeben, diese hat man großzügig übersehen. Die Energiebesteuerung enthält nämlich überhaupt keine ökologische Komponente, sie ist ausschließlich ein Teil einer panikartigen Geldbeschaffungsaktion. Sie haben versucht, überall, wo es nur geht, noch irgend etwas zusammenzukratzen, um jene Misere in den nächsten Jahren zu bereinigen zu versuchen, die in den letzten Jahren durch diese große Koalition verursacht wurde.

Meine Damen und Herren! Eine höhere Energiebesteuerung in Österreich einzuführen, das ist offensichtlich – das haben Sie mit diesem Regierungsprogramm bewiesen – eine Frage des politischen Willens. Die Ausgestaltung dieser Steuer wäre aber eine Frage des politischen Weitblicks, und den kann man in diesem Zusammenhang nur vermissen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Beispiel: Elektrizitätsabgabegesetz. Im Elektrizitätsabgabegesetz ist, meine Damen und Herren, null über erneuerbare Energieträger zu lesen. Es wird keine Ausnahme geben für Strom, der durch Windkraft erzeugt wird. Es wird keine Ausnahme geben für Strom, der photovoltaisch, also durch Sonnenenergie erzeugt worden ist. Es wird keine Ausnahme geben für Kraft-Wärme-Kopplung auf Biomassebasis. Es wird keine Ausnahme geben für Kraft-Wärme-Kopplungen auf Biogasbasis.

Das ist doch etwas, was zum Beispiel die ÖVP gerade für die Landwirtschaft hätte einfordern müssen. Nichts davon ist gemacht worden! – weil es darum nicht geht, denn es ist ganz offensichtlich; jeder weiß es: Es ist eine Verpflichtung der Bundesregierung, das Toronto-Ziel einzuhalten. Dazu hat sich die Bundesregierung bekannt, und dazu haben sich auch die Koalitionsparteien bekannt. Aber es ist diesbezüglich nichts gemacht worden. Sie sehen, daß Sie dieses Ziel nicht erreichen werden, und Sie sind nicht einmal bereit, jetzt im Zusammenhang mit dem Elektrizitätsabgabegesetz eine Ausnahme für erneuerbare Energieträger einzuführen. Dabei ist das Beispiel, das in Deutschland gegeben worden ist, doch wirklich schlagend. In Deutschland gibt es seit 1991 ein Einspeisegesetz für erneuerbare Energien. Die Folge davon war, daß die Windkraftbranche seit 1991 förmlich boomt. Das hat zu rund 4 000 neuen Arbeitsplätzen allein in dieser Branche in Deutschland geführt. Allein im Jahr 1995 sind in diesem Bereich umgerechnet 7 Milliarden Schilling investiert worden .

Das ist alles Geld, das im regionalen Bereich verbleibt, das ist Wertschöpfung, die im Inland verbleibt, die würde auch unsere Handelsbilanz entlasten und unsere Energieabhängigkeit vom Ausland verringern.

Aber nichtsdestoweniger gibt es in Österreich solche Ausnahmen nicht. Und Sie, Herr Bundesminister Klima, sind nicht einmal bereit, im Ausschuß darüber zu diskutieren. Sie haben gesagt: Ich werde nicht zulassen, daß in den Ausschüssen an diesem Paket etwas geändert wird.

Ich darf in diesem Zusammenhang noch etwas anführen, meine Damen und Herren, gerade, wenn es um erneuerbare Energieträger geht: Die Einspeisung ist natürlich auch abhängig von den Tarifen, die gezahlt werden. Die EVN in Niederösterreich etwa versuchen, erneuerbare Energieträger durch Netzbereitstellungsgebühren aus dem Netz herauszuhalten. Nichts wird auf politischer Ebene dagegen getan, um das abzustellen.

Unter Bundesminister Schüssel kam es zu einer freiwilligen Vereinbarung mit der Vereinigung österreichischer Elektrizitätswerke, wonach es erhöhte Einspeisetarife für erneuerbare Energieträger gibt. Diese Vereinbarung wird Ende 1996 auslaufen. Aber die neue Energiesteuer, die Sie, Herr Bundesminister Klima, einführen wollen, wird auch nach 1996 bleiben.

Damit sehen Sie, meine Damen und Herren, daß der einzige Ansatz, den Sie damit erreichen, der ist, daß die erneuerbaren Energieträger auch weiterhin nicht zum Durchbruch kommen können.


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Noch einmal: Es war diese große Koalition, meine Damen und Herren, die Österreich in dieses Dilemma geführt hat. Es ist diese große Koalition, die diese Situation nun zu verantworten hat. Und heute einerseits an die Opposition zu appellieren, man möge doch dieses Paket mittragen, aber andererseits nicht einmal die Tür aufzumachen und hier im Hause ehrlich darüber zu diskutieren, das ist doppelte Moral – und das ist zutiefst abzulehnen!

Noch einmal, Herr Bundesminister: Sie wollen keine Änderung. Die Liberalen haben schon vernommen, daß auch die Diskussion im Hause nicht erwünscht ist. Aber wir werden trotzdem versuchen, jene Punkte, von denen wir überzeugt sind, daß sie nicht einer nachhaltigen Entwicklung Österreichs dienen, weiterhin kritisch aufzuzeigen. Ich verweise noch einmal darauf, daß es vor der Wahl geheißen hat: Energiebesteuerung im Alleingang ist nicht durchführbar, ist schlecht für unsere Wirtschaft. – Jetzt machen Sie es. (Bundesminister Mag. Klima: Es geht um die Deckelung!)

Es geht nicht nur um die Deckelung, Herr Bundesminister. Es geht darum, daß Sie dadurch generell die Energiepreise anheben werden, und daß insbesondere keine Strukturreform gemacht wird, und zwar weil den erneuerbaren Energieträgern in keinster Weise eine Tür geöffnet wurde, um auf dem Markt wirklich Fuß fassen zu können.

Meine Damen und Herren! So wie wir Ihnen noch einmal hier im Hohen Haus sagen, daß wir im Ausschuß noch einmal darüber diskutieren wollen, wäre es angemessen, daß Sie mit der gleichen Bereitschaft nicht nur Appelle an uns richten, sondern jetzt schon sagen, daß Sie auf unsere Vorschläge zumindest diskussionsmäßig eingehen werden! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Sie hat das Wort.

15.23

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Sparpaket, das Sie uns für 1996 und 1997 vorgelegt haben, zeigt mir, die ich aus der Wirtschaft komme, daß sein Inhalt nicht ernst gemeint sein kann. Kein Unternehmer – so klein könnte das Unternehmen gar nicht sein –, der nur ein wenig Verantwortung trägt, würde sich trauen, für einen Zeitraum von nur zwei Jahren im voraus zu denken und in diesen zwei Jahren Schäden zu verursachen, deren Folgekosten nach oben nur so explodieren werden.

Warum das so ist, wie ich jetzt gesagt habe, kann ich Ihnen an Hand von Beispielen bereits jetzt sagen. Ich denke da zum Beispiel daran, daß Sie jetzt plötzlich auf den Gedanken gekommen sind, die Höhe des Krankengeldes zu reduzieren. Sie können natürlich sagen: Nicht wir, das machen die Pflichtversicherungen! – Aber die Pflichtversicherungen machen jetzt den Schnitt beim Krankengeld deshalb, weil es seit Jahrzehnten so gut wie keine Regelung und Neuorientierung des Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds gibt. Deshalb müssen die Krankenkassen jetzt den Schnitt beim Krankengeld machen.

Ich kann Ihnen sagen, wie das in der Praxis ausschauen wird. Wenn Sie heute einem Kranken oder Behinderten eine ausreichende Rehabilitation und die Rückführung in den Arbeitsprozeß dadurch verweigern, daß sie ihn bereits nach einem Jahr Krankenstand zum Sozialhilfeempfänger degradieren, dann werden die Folgekosten nur so explodieren. Sie wissen heute noch gar nicht, was da auf Sie zukommt!

Es ist einfach so, daß Sie mit Ihrem Sparpaket keine Treffsicherheit erreicht haben. Sie haben vielmehr die Schwachen noch mehr geschwächt und Menschen, die schon bisher nichts zu lachen hatten, noch mehr ins Abseits gedrängt. Das ist Ihre Sparpolitik. Sie haben das Ziel, die höheren Einkommen entsprechend stärker zu besteuern als die kleinen Einkommen keinesfalls erreicht!


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14. Sitzung / Seite 93

Keinem von uns, die wir hier sitzen, hätte es, glaube ich, in seinem Budget sehr weh getan, wenn er höhere Abgaben hätte leisten müssen. Damit wäre kein Armer geschädigt worden! Aber geschädigt wurden wieder nicht die Reichen, geschädigt wurden wieder nur die Einkommensschwachen und jene, die auf Sozialhilfe, die auf Leistungen des Staates angewiesen sind. Aber es scheint bereits Schule bei uns in Österreich gemacht zu haben, daß man immer wieder genau auf die diejenigen draufdrückt, die sich am wenigsten wehren können.

Ich möchte Ihnen dazu auch konkrete Beispiel nennen. Sie haben mit Ihrem Sparpaket verhindert, daß Menschen in Zukunft das Recht wahrnehmen können, eine bessere Qualifikation zu erreichen, ein Studium zu absolvieren und erst danach in den Berufsprozeß einzutreten. Denn mit Ihrem Sparpaket verhindern Sie jede Möglichkeit zu studieren! Wer kann es sich denn noch leisten, mit 55 Jahren Pensionszeiten nachzukaufen, nur weil er nicht bereits mit 17 1/2 Jahren in den Arbeitsprozeß eingestiegen ist?

Wir alle wissen: Wer mit 17 1/2 Jahren zu arbeiten anfangen muß, um überhaupt jemals seine Pension konsumieren zu können, ist gezwungen, nur im Bereich von Hilfsarbeiterjobs zu arbeiten. Vielleicht kann man noch eine Lehre machen – mehr ist für Frauen nicht drinnen. Daß Sie Frauen bereits mit 17 1/2 Jahren in den Arbeitsprozeß zwingen, zeigt ganz deutlich auf, daß Sie die Zahl weiblicher Arbeitskräfte reduzieren und mit dieser Maßnahme auch ihren Zugang zu Studien und zu höheren Ausbildungen unterbinden wollen. Sie wollen die Frauen an den Herd zurückdrängen, diese sollen dort ihre Erfüllung sehen. (Abg. Dr. Puttinger: Auch eine Frau am Herd kann glücklich sein! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Minister hört Ihnen gar nicht zu, weil er mit Herrn Barmüller redet!)

Meine Damen und Herren! Aber die Zeiten sind schon lange vorbei, in denen sich Frauen hinter den Herd haben drängen lassen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie können dann nach mir sprechen, dann werden wahrscheinlich alle verstehen, was Sie sagen möchten! Auch ich verstehe Sie nicht, ich habe nämlich ein Hörgerät. Sie können sich das ersparen. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Ihnen ist es doch nur wichtig, daß Sie die Frauen wieder entmündigen, daß Sie die Frauen wieder in die Abhängigkeit von Männern bringen. Dann hätten Sie nämlich wieder das erreicht, worum es Ihnen eigentlich immer geht: Frauen sollen nur schön abhängig bleiben, und das Sagen hat der Mann, das Sagen hat der Herr im Haus. Wer in der Familie das Sagen hat, das hängt immer davon ab, wer das Geld heimbringt. So ist es eben. Wenn Frauen nichts mehr verdienen können, dann sind sie von Männern abhängig, das ist unbestritten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Bei Puttinger ist es umgekehrt! Da steht er hinterm Herd! – Abg. Dr. Puttinger: Das ist die alleinige Meinung des Kollegen Schwarzenberger! – Allgemeine Heiterkeit.)

Sie haben auch die behinderten Menschen – ich habe das schon einige Male erwähnt – nicht nur zur Kasse gebeten, sondern durch Ihr Sparpaket so stark geschädigt, sodaß diese wirklich keine Chance mehr haben, selbstbestimmt zu leben, ihr Leben selbst einzurichten. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Klima. )

Herr Minister! Sie brauchen jetzt nicht den Kopf zu schütteln – es ist ganz einfach so. Sie geben behinderten Menschen keine Chance mehr, zu studieren. Es ist finanziell nicht möglich. Sie geben behinderten Menschen nicht einmal mehr die Chance, in die Regelschule gehen zu können. Denn es ist bereits klar, daß für behinderte Menschen eine Integration in Zukunft nur mehr dann möglich sein wird, wenn es sogenannte Restplätze gibt. Da kann man dann ein paar Behinderte hineinsetzen. Aber grundsätzlich wollen Sie uns das Recht auf Integration nicht nur erst ab der Schule, sondern bereits ab dem Kindergarten wieder vermiesen, und zwar dadurch, daß die angekündigte "Kindergartenmilliarde", bei der es auch um Integrationsplätze für Behinderte ging, auf 600 Millionen Schilling reduziert wurde. Das geht auf Kosten von Integrationsplätzen für behinderte Kinder! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Graf: Die Betonung liegt auf "angekündigt"!)


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14. Sitzung / Seite 94

Wenn Sie nicht bereit sind, Integration bereits im Vorschulalter zu ermöglichen, so ist diese in der Praxis meist nie mehr möglich. Sie können das zum Beispiel mit jemandem vergleichen, der nicht behindert ist: Versuchen Sie einmal, einen Nichtbehinderten 30, 40 Jahre lang irgendwo einzusperren. Glauben Sie, daß dieser, wenn er herauskommt, noch fähig ist, seine Existenz selbständig zu bestreiten? – Niemals! Und wenn Sie behinderte Menschen heute 20, 30, 40 Jahre lang einsperren, indem Sie sie von der Gesellschaft wegsperren, dann können sie einfach nicht mehr die Lebensqualität oder das Ziel erreichen, wirklich als Teil der Gesellschaft leben zu können. Das geht ganz einfach nicht!

Daß das stimmt, kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich war 20 Jahre lang eingesperrt! Und was das heißt, danach wieder in die Gesellschaft zurückzukehren, kann ich Ihnen berichten. Meine Aussonderung – das muß ich auch dazusagen – ist allerdings mißlungen, weil ich es irgendwie geschafft habe, dem Aussonderungsnetz zu entkommen, daher bin ich heute hier. Aber viele meiner Freundinnen und Freunde haben das nicht geschafft. Ich habe 20 Jahre alt werden müssen, um einmal allein einkaufen fahren zu dürfen, weil es in dem geschützten Rahmen, in dem Behinderte und alte Menschen leben, keine Infrastruktur gibt. Dort wird das gegessen, was auf den Tisch kommt, und kein Mensch weiß, was die Dinge eigentlich kosten.

Wenn Sie glauben, daß Sie Menschen auf diese Weise mündig machen können, dann sind Sie ganz klar im Irrtum! Sie können niemanden mündig machen und zur Selbständigkeit hinführen, indem Sie ihn wegsperren! Das geht ganz einfach nicht!

Aber jetzt werden behinderte und alte Menschen wieder weggesperrt. Und für den Fall, daß sie trotzdem versuchen sollten, ein Stück Normalität für sich zu erreichen, hat man bereits jetzt im Vorfeld ganz gezielt Maßnahmen gesetzt, um dieses Stück Freiheit auf jeden Fall auch zu unterbinden, und zwar indem man das kleine Taschengeld, das sie bis jetzt hatten, um 50 Prozent reduziert hat. Das heißt, sie haben von ihrem Minimum an Gestaltungsmöglichkeit wieder 50 Prozent einbüßen müssen. Behinderte und alte Menschen können nicht mehr hinaus, weil sie einfach die finanzielle Grundlage dafür nicht haben, wirklich in die Gesellschaft zu gehen und in der Gesellschaft zu leben. Das ist die Realität!

Herr Minister! Ich bin schon erstaunt: Wir haben Ihnen vor fünf, sechs Wochen einen Brief geschrieben, in dem wir Sie genau auf diese Dinge aufmerksam gemacht und in dem wir bereits aufgezeigt haben, was die Folgen Ihres wirklich unmenschlichen Sparpaketes, welches besonders auf Kosten von behinderten und alten Menschen geht, sein werden. Wir haben aber bis heute keine Antwort darauf bekommen. Ich glaube, wir werden auch keine mehr bekommen. (Abg. Dr. Graf: Neues Ministerium! Er hat nicht gewußt, wo er sitzt!)

Wir haben auch keine Antwort von Bundeskanzler Vranitzky, von Vizekanzler Schüssel oder von Sozialminister Hums bekommen. Wir haben bis heute keine Antwort auf die Frage bekommen, wie es in Zukunft mit behinderten Menschen weitergehen soll. (Bundesminister Mag. Klima: Frau Kollegin! Herr Sozialminister Hums hat das ausführlich mit den Behindertenverbänden verhandelt! Ich habe nicht verhandelt.)

Herr Minister Klima! Auch das stimmt nicht – das muß ich Ihnen sagen! –, sondern Sie haben versucht, die Behindertenorganisationen – Sie meinen damit ganz konkret die ÖAR – über den Tisch zu ziehen (Abg. Dr. Graf: Sozialminister Hums hat Sie über den Tisch gezogen!), aber Sie haben mit ihnen nicht verhandelt. (Bundesminister Mag. Klima: Ich habe darüber mit gar niemandem verhandelt.)

Ich kenne auch das "Angebot" des Finanzministeriums an die ÖAR. Dieses "Angebot" des Finanzministeriums an die ÖAR hat nie und nimmer auch nur irgend jemand in Verhandlung gestellt, weil es einfach so unerträglich ist, daß es darüber nichts mehr zu verhandeln gibt.

Sie sind von Ihrer Verhandlungslinie nicht nur nicht abgegangen, sondern Sie haben bei den Verhandlungen sogar noch einen Deckel draufgesetzt! Zuerst hat es geheißen, auf Kosten der behinderten Menschen sollen 1,9 Milliarden Schilling eingespart werden – das war die erste Meldung. Tatsache ist jedoch, daß auf Kosten von behinderten Menschen in den nächsten zwei


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Jahren nicht 1,9 Milliarden, sondern 3,5 Milliarden Schilling eingespart werden. Ihr Verhandlungsteam im Finanzministerium hat nämlich ganz klar zu den behinderten Menschen gesagt hat: 1,9 Milliarden Schilling? Ja, das stimmt schon, aber nicht für zwei Jahre, sondern nur für 1997. Das, was wir uns heuer ersparen, nämlich 1,5 Milliarden Schilling, erwähnen wir gar nicht. Wir sprechen nur von den 1,9 Milliarden für 1997.

Sie haben also versucht, uns zweimal zu schröpfen und zweimal über den Tisch zu ziehen, indem Sie die Summe für ein Jahr angelegt haben und nicht für den Zeitraum von zwei Jahren, obwohl immer klar war, daß dieses Sparpaket mit diesen Einsparungsmaßnahmen für einen Zeitraum von zwei Jahren gedacht war – und nicht für ein Jahr.

Sie haben wahrscheinlich vermutet, daß wir nicht so klug sind und noch nicht so gut rechnen können, daß wir eins und eins zusammenzählen können! – Glauben Sie uns: Diese Zeiten sind schon lange vorbei! Wir können schneller eins und eins zusammenrechnen, als Sie das vielleicht für möglich halten! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen!)

Aber das war noch nicht das Schlimmste, es kommt noch ärger. – Ich meine, wenn es nicht so traurig wäre, wäre es schon wieder lustig. – Sie versuchen nämlich jetzt auch noch, auf Kosten von behinderten Menschen – mit deren Eigenmitteln, die praktisch sowieso schon auf Null gestellt sind – noch zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, die wir behinderte Menschen zahlen sollen. Sie versuchen das konkret dadurch, daß Sie sagen, wenn sich heute jemand nicht mehr "ins Heim biegen" läßt – das heißt, nicht zwangseinweisen läßt beziehungsweise sich mit allen Mitteln dagegen wehrt, in eine stationäre Einrichtung zu kommen –, dann soll er sich zumindest einen Assistenten anstellen. – Ja wie stellen Sie sich das vor? – Glauben Sie, daß Sie mit 2 000 S Pflegegeld heute jemanden anstellen und sozialversicherungsrechtlich absichern können? – Das ist doch völlig unmöglich! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Frau Ederer kann das wahrscheinlich! – Bundesminister Mag. Klima: Welche Maßnahme ist das? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist eine Gemeinheit, die da passiert! Eine große Gemeinheit!)

Ich zeige es Ihnen! Ich kann Ihnen jetzt vorlegen, was die Länder aus Ihrem Vorschlag zur Anstellung von Assistenten bereits gemacht haben. Oberösterreich zum Beispiel: Amateurpfleger sollen Profis werden. – Da steht ganz konkret: Wer sich durch nichtprofessionelle Hilfe betreuen lassen will – wobei nicht behinderte Menschen feststellen, was Professionalität ist und was nicht, das muß man sich auch einmal vorstellen! –, zu denen soll eine sogenannte Pflegepolizei kommen, um festzustellen, ob sie auch wirklich gepflegt sind. (Abg. Dr. Graf: Weltfremd!) Das heißt also konkret: Bei mir marschiert dann alle drei, vier Wochen – ich weiß nicht, in welchem Intervall – irgend jemand bei der Wohnungstür herein und schaut, ob ich gut gepflegt, gehätschelt und gepudert bin. Ich denke, so kann es nicht gehen!

Wie meine Pflege für mich am besten ist, das weiß nur ich, und ich brauche keine Polizei! Ich brauche nicht die Polizei vom Bund und ich brauche nicht die Polizei vom Land. Ich trage Eigenverantwortung, und Sie können mir glauben: Ich werde nicht versauen und verdrecken und verkommen, ich werde mein Pflegegeld auch nicht aufs Sparbuch legen – ich habe nämlich keines –, sondern ich werde schauen, daß ich meine Lebensqualität mit meinem Pflegegeld verbessere! Und nicht nur ich werde das für mich machen, sondern alle behinderten und pflegebedürftigen Menschen haben versucht, mit dem derzeitigen Pflegegeld, das wir hatten, ihre Lebensqualität zu verbessern. Und diese Lebensqualität wird uns jetzt wieder massiv eingeschränkt. (Beifall bei den Grünen und den Freiheitlichen.)

Ich lese Ihnen noch etwas vor – in den Artikel-15a-Verträgen zur Pflegesicherung steht das dezidiert –: "Die Länder sind verpflichtet, flächendeckend ambulante Dienste aufzubauen und sie langfristig abzusichern – mit dem Ziel, daß behinderte Menschen nicht mehr in stationären Einrichtungen leben müssen, sondern ambulant betreut werden können. Großheime sollen reduziert und deren Ausbau gestoppt werden." – Das war der Grundtenor in den Artikel- 15a-Verträgen. Ein Bericht aus den "Oberösterreichischen Nachrichten": Oberösterreich jammert, Linz jammert, es gibt dort 200 Pflegebetten zuwenig, und zwar deswegen, weil man diesem Artikel-15a-Vertrag nicht nachgekommen ist. Weiters steht in diesem Bericht auch: 50 Prozent der Menschen, die heute in stationären Altenheimen leben, müßten gar nicht dort sein, wenn sie


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nicht dazu gezwungen würden! Oft sind das nämlich überhaupt keine Pflegefälle, sondern Menschen, die einfach älter sind, nicht mehr einkaufen gehen können und wo vielleicht auch das soziale Netz fehlt.

50 Prozent jener Menschen, die jederzeit ohne große Schwierigkeiten ambulant zu Hause betreut werden könnten, sitzen und liegen in diesen Pflegeheimen – und das nur, weil der Bund niemals die Länder gezwungen hat, ihre Artikel-15a-Verträge umzusetzen. Die Länder haben sich – der Bund hat dabei zugeschaut – mit den Pflegegeldern ein ordentliches Körberlgeld gemacht und ihre stationären Einrichtungen damit ausgebaut und nicht reduziert. Ambulante Dienste gibt es in Oberösterreich kaum.

Jede Anstellung für eine Altenhelferin im ambulanten Dienst ist ein Spießrutenlauf, der sich über Jahre hinwegzieht. Das ist die falsche Sparpolitik, Herr Minister! Ich sage es Ihnen noch einmal: Das ist die falsche Sparpolitik! Sie können die Menschen nicht irgendwo in sündteure, menschenunwürdige Einrichtungen hineinzwängen, Sie müssen die Menschen in der Gesellschaft leben lassen, nicht nur weil sie das Recht haben, dort zu leben, sondern weil es menschlicher ist und weil es auch kostengünstiger ist. Es ist traurig, wenn man sagen muß: Bitte laßt uns zu Hause, denn wir kommen euch zu Hause billiger, als wenn ihr uns irgendwo in ein teures Heim steckt. Das kann es nicht sein!

Ihre Sparpolitik geht zielgerade in die falsche Richtung, und die Folgekosten wenn Sie das jetzt durchziehen, werden Ihnen in zwei Jahren auf den Kopf fallen, sodaß Sie wirklich nicht mehr wissen werden, woher Sie einen Schilling nehmen. Von uns können Sie nichts mehr absaugen, denn wir haben ohnehin nichts mehr. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die saugen alles ab! Beinhart saugen sie alles ab!)

15.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich stelle fest, daß die restliche Redezeit für die Grünen noch zwei Minuten beträgt, denn die Uhr war auf 20 Minuten eingestellt, 21 Minuten betrug die Redezeit. Zwei Minuten sind noch offen.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Anna Huber. Sie hat das Wort.

15.42

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin nun seit etwas über fünf Jahren in diesem Hohen Haus, und ich muß sagen, an der Inszenierung der Budgetdebatte hat sich nicht viel geändert, auch die Rollenverteilung ist wie gehabt. (Abg. Meisinger: Das ist ja logisch!)

Bei aller Betroffenheit: Die Opposition hat kein gutes Haar am vorgelegten Budget gelassen (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), und die Vertreter der Regierungsparteien streichen natürlich die Positivstrategie der Budgetzahlen hervor. (Abg. Dr. Graf: Jubelmeldungen!)

Daß diesmal an der Budgetkonsolidierung kein Weg vorbeiführt, hat auch die Bevölkerung mehrheitlich zur Kenntnis genommen. Daß trotzdem nicht von allen Seiten Applaus kommt, daß sich Betroffene auch wehren, kann ich verstehen. Es ist eben eine Gratwanderung, massive Einsparungen vorzunehmen und trotzdem – ich denke, das ist mit diesem Budget gelungen – ein Kaputtsparen zu vermeiden.

Dieses vorgelegte Doppelpackbudget hat zwei zentrale Schwerpunkte, die sich in fast allen Bereichen durchziehen, als oberste Priorität (Abg. Dr. Graf: Sparen und belasten!): erstens die Stabilität der Währung und damit die Stabilität und die Berechenbarkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich als wichtigste Voraussetzung und zweitens die Sicherung der Beschäftigung und die Schaffung von Arbeitsplätzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich halte dieses Thema für das zentralste in diesen Jahren des ausgehenden Jahrtausends, weil ich aus besonderer Betroffenheit rede. Ich komme aus einer Region, in der die Arbeitslosigkeit ein Alltagsschicksal ist, mit dem die Menschen leben und auch leben müssen. Wir haben im


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Bezirk Bruck an der Mur mit 12,2 Prozent die höchste Arbeitslosenquote in Österreich. Das heißt, bei uns sind 3 600 Menschen ohne Arbeit (Abg. Scheibner: Im Burgenland bis zu 16 Prozent!), 3 600 Menschen, die sich von der Gesellschaft und vom Wohlstand ausgegrenzt fühlen, 3 600 Menschen, die sich verzweifelt bemühen, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen und die wenig Perspektiven für die Zukunft haben.

Da sind wir als politisch Verantwortliche gefordert. Die Regierung, aber auch wir hier in diesem Hohen Haus werden daran gemessen werden, was wir von den im Budget vorgesehenen Maßnahmen auch konkret umsetzen. Dazu gehört eben, daß wir den verbalen Aussagen von Beschäftigungssicherung, Infrastrukturausbau oder einer zu forcierenden aktiven Arbeitsmarktpolitik Leben einhauchen.

Dazu gehört – an die Adresse aller Fraktionen in diesem Haus gerichtet –, daß dringend notwendige verkehrstechnische Verbesserungen nicht blockiert werden, wie zum Beispiel der für die Wirtschaft der Obersteiermark so dringend notwendige Semmering-Basistunnel. (Beifall bei der SPÖ.)

Dazu gehört auch, daß die Lehrlingsausbildung endlich an die Anfordernisse der Zeit angepaßt wird. Ich appelliere an die Wirtschaft, die Bremsklötze wegzunehmen und endlich einer zukunftsorientierten Lehrlingsausbildung zuzustimmen. Lehrlinge sind nicht billige Hilfskräfte, sondern sie sind das Kapital für unsere Zukunft. Ich denke, hier glaubt wohl keiner, daß ein Industrie- oder Wirtschaftsstandort Österreich ohne hochqualifizierte Facharbeiter möglich ist. (Abg. Dr. Puttinger: Sind Sie für das duale Ausbildungssystem?) Wir sind sehr für das duale Ausbildungssystem. Weil dem Bereich Forschung und Entwicklung zentrale Bedeutung zukommt und eine höhere Dotierung der Forschungsförderung vorgesehen ist, wird es aber ganz dringend notwendig sein, ja gelingen müssen, die Barriere zwischen Forschungseinrichtungen und den Produzierenden auf der Werkbank zu eliminieren. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Denn innovativer Geist – Sie können sich ja dann hier melden und Ihre lichtvollen Ausführungen hier zum besten geben – könnte zu mehr Erfolg und damit zu mehr Beschäftigung führen. Für Einsparungen haben nämlich dann alle mehr Verständnis, wenn die elementarsten Bedürfnisse, nämlich ein sicherer Arbeitsplatz und ein sicheres Einkommen, auch erfüllt sind.

Ich hoffe daher sehr, daß all die beschäftigungssichernden und arbeitsplatzschaffenden Impulse dieses Budgets auch wirken, und ich erwarte, daß diese Impulse in dem Budget – die Förderungsprogramme zur Qualifikation, die Programme für Betriebsansiedlungen, für Forschung und Entwicklung – zu mehr Betrieben und damit auch zu mehr Beschäftigte führen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. Er hat das Wort.

15.48

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es wird sehr oft formuliert, daß das Budget die in Zahlen gegossene Politik ist, weil Budget Umverteilung bedeutet und natürlich mit diesen Geldern Politik gemacht wird. Es ist deshalb kein Wunder, daß die Opposition das vorgelegte Budget massiv kritisiert. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß wir in den vergangenen Jahren Maßnahmen beschlossen haben, zum Teil gemeinsam beschlossen haben, deren Finanzierung wir unterschätzt haben.

So stieg etwa die soziale Wohlfahrt von 135 Milliarden Schilling 1990 auf 213 Milliarden Schilling 1995. Das heißt, innerhalb von fünf Jahren gab es eine 50prozentige Steigerung. (Abg. Aumayr: Was haben die Bauern davon gehabt?) – Dazu komme ich auch noch. Der Familienlastenausgleichsfonds etwa war im Jahr 1990 mit 41,8 Milliarden Schilling und im Jahr 1995 mit 55,7 Milliarden Schilling dotiert. Das ist immerhin auch eine Steigerung von 30 Prozent. Oder eine Einzelmaßnahme, bei der es besonders stark ins Auge fällt, ist die im Jahr 1992 erfolgte Maßnahme des zweiten Karenzjahres und die Teilzeitbeihilfe. Das Karenzgeld war 1990 mit 3,7 Milliarden und im Jahr 1995 mit 11,5 Milliarden Schilling veranschlagt. – Eine Ausweitung


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von 300 Prozent. Und da kann man doch nicht sagen, daß wir schlechte familienpolitische und sozialpolitische Leistungen erbringen.

Oder: Die Wohnbauförderung war im Jahre 1990 mit 18,5 Milliarden Schilling dotiert, im Jahre 1995 mit 24,1 Milliarden Schilling. Das ist immerhin auch eine Steigerung um 30 Prozent, wobei im Budget 1996 bezüglich Wohnbauförderung eine weitere Steigerung und im Jahre 1997 ebenfalls eine Steigerung verankert sind, sodaß auch arbeitsmarktpolitische Effekte durch die Wohnbauförderung zum Tragen kommen. – Ich habe jetzt nur einzelne Beispiele zu genannt.

Es ist daher zuwenig, wenn sich die Opposition nur gegen die Sparmaßnahmen ausspricht, gleichzeitig aber Steuersenkung verlangt und dann noch die hohe Verschuldung kritisiert. Das ist ein gordischer Knoten, der nicht zu lösen ist. (Abg. Aumayr: Ihr spart nur für die Maastricht-Kriterien, Herr Kollege!)

Wenn wir die Vorschläge der Opposition im Budget einbauen würden (Abg. Aumayr: Das Belastungspaket ist nur, weil Sie das Geld für Brüssel brauchen!), so hätten wir im heurigen Jahr einen Budgetabgang in der Höhe von 200 Milliarden Schilling. (Abg. Aumayr: Sie sanieren nichts, Kollege Schwarzenberger! Das geht alles nach Brüssel!)

Frau Abgeordnete Aumayr! Sie sollten wissen, daß der Bund nur so viel verteilen kann, soviel die Steuerzahler einbezahlen (Beifall bei der ÖVP – Abg. Aumayr: 30 Milliarden für Brüssel!) beziehungsweise die Kreditaufnahmen ausmachen, die Sie dann mit Zinsen und Zinseszinsen zurückzahlen müssen, die auch dann von den Steuerzahlern, wahrscheinlich aber erst von der nächsten Generation, bezahlt werden. (Abg. Aumayr: Die Schulden, die Sie angehäuft haben, sind für drei Generationen!)

Wir leben nicht so schlecht in Österreich, daß wir unsere jetzigen Probleme an die nächste Generation übertragen, sondern wir sollten versuchen, in den nächsten Jahren sparsam zu sein. (Abg. Aumayr: Nach Brüssel!) Sie können sich dann zu Wort melden. Ich habe nur eine beschränkte Redezeit zur Verfügung. Sie können sich nicht in die erste Bank setzen, nur Zwischenrufe machen und sich bei der Debatte nicht zu Wort melden! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Bei einer Defizitverringerung von 100 Milliarden Schilling pro Jahr trifft es natürlich alle Bevölkerungsschichten. Aber es gibt dafür keine vernünftige Alternative. Auch die Bauern, welche mit dem EU-Beitritt schon große Opfer bringen mußten, haben erhebliche Lasten zu tragen, ist doch die derzeit geringe Steigerung des Lebenshaltungskostenindex in erster Linie auf die Verbilligung der Grundnahrungsmittel zurückzuführen, bei denen die Bauern einen wesentlichen Einkommensverlust hinnehmen mußten. Darüber hinaus sinken die Budgetmittel für die Land- und Forstwirtschaft durch die Verringerung der degressiven Zahlungen in den nächsten Jahren von etwa 33,2 Milliarden Schilling im Jahre 1995 auf 29 Milliarden Schilling im Jahre 1996 und auf 27,3 Milliarden Schilling im Jahre 1997.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ordnung in den Staatsfinanzen ist Grundvoraussetzung dafür, daß die Politik wieder Gestaltungsspielräume zurückgewinnt. Und diese Spielräume sind bewußt zu nutzen, um jene Schwerpunkte finanzieren zu können, die im Arbeitsprogramm der Regierung verankert sind und die zur Beschäftigungs- und Standortsicherung beitragen.

Gerade auf internationaler Ebene kommen auch auf Österreichs Bauern große Herausforderungen zu. Es ist dies etwa die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik, es ist dies aber auch die zumindest in den nächsten Jahrzehnten prognostizierte Osterweiterung der EU. Es ist dies aber auch eine neuerlich Diskussion über eine Weiterentwicklung des Welthandelsabkommens. Bei all diesen Verhandlungen ist aber – und das verlangen wir hier – auf die regionale Situation Österreichs mit seiner klein- und mittelbäuerlichen Struktur Rücksicht zu nehmen. Wir wollen auch in Zukunft unsere bäuerlichen Familienbetriebe erhalten und einer ökologischen Wirtschaftsweise das Wort reden. (Beifall bei der ÖVP.)


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So kann es allerdings nicht sein, wie Abgeordneter Haider heute in seinem Debattenbeitrag gesagt hat, indem er meinte, man solle anstatt Steuern zu erhöhen, die -zig Subventionen, die vergeben werden, reduzieren, denn das würde wieder bedeuten, daß die Bauern zusätzlich zu den degressiven Ausgleichszahlungen weitere Reduzierungen der Ausgleichszahlungen in Kauf nehmen müßten. (Abg. Aumayr: Geben Sie den Bauern Subventionen oder Förderungsgelder?)

Wir sind deshalb der Auffassung: Wenn die Budgets 1996 und 1997 im Rahmen der vorgelegten Höhe – es wird natürlich bei den Ausschußberatungen gewisse Veränderungen geben können – umgesetzt werden, dann werden wir die Stabilität unserer Wirtschaft und unseres Schillings erhalten können. (Beifall bei der ÖVP.)

15.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Ich mache darauf aufmerksam, daß ich die Beratungen um 16 Uhr zu unterbrechen habe.

15.55

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Hohes Haus! Ich möchte es nicht versäumen, mich bei Kollegen Schwarzenberger zu bedanken. Herr Kollege Schwarzenberger! Es war erstmals eine offene und ehrliche Rede. (Beifall des Abg. Mag. Steindl .) Sie haben nämlich in Ihrer Rede zugegeben, warum wir dieses Budgetdesaster haben. – Sie haben sich in den letzten Jahren verrechnet, Kollege Schwarzenberger! Sie haben ja gesagt, all die Maßnahmen, die Sie in den letzten Jahren gesetzt haben (Abg. Schwarzenberger: Es hat eine Reihe von sozial- und familienpolitischen Maßnahmen gegeben!), kosten mehr, als Sie geglaubt haben. Sie haben ja auch zugegeben, daß Sie es nicht geschafft haben, echte Strukturreformen in Angriff zu nehmen, und deshalb gibt es jetzt diese einschneidenden Maßnahmen auf dem Rücken aller Österreicherinnen und der Österreicher! Vielen Dank für diese Offenheit! Ich hoffe, mehr solche Reden zu hören, in denen Sie endlich einmal zugeben, warum wir heute hier über diese Belastungspakete diskutieren müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Es wäre schön, wenn Sie so ehrlich wären!)

Herr Kollege! Wo sind denn die Strukturmaßnahmen? Sie sind doch mit dieser Koalition im Jahre 1986 angetreten, um die großen Probleme in diesem Land zu lösen. Und es waren, Kollege Schwarzenberger, immer zwei Punkte in Diskussion: Das eine waren die Pensionen, das andere war das Gesundheitswesen. Auch jetzt diskutieren wir wieder darüber, daß diese beiden Bereiche nicht mehr zu finanzieren sind. Sie gehen aber den falschen Weg! Gerade auf seiten der ÖVP ist das ja interessant: Sie sagen nicht, versuchen wir den Leuten, die Eigenvorsorge schmackhaft zu machen, damit eine Entlastung für den Staat erzielt wird, nein, Sie machen das genaue Gegenteil. Sie streichen den Leuten den Anreiz über die Absetzmöglichkeiten der Prämien, der Versicherungsprämien und schauen nur, daß möglichst alle wieder vom staatlichen Apparat abhängig sind.

Herr Kollege Schwarzenberger! Nur ein Beispiel bezüglich Krankenvorsorge: Im größten Spital Österreichs, im Allgemeinen Krankenhaus, kostet das Spitalsbett – nur das Bett – pro Tag 10 000 S! Die Krankenkasse bezahlt nicht einmal 2 000 S dafür. (Abg. Donabauer: Hören Sie doch auf mit dem Unsinn!) Herr Kollege, 8 000 S pro Tag zahlt man im Wiener Allgemeinen Krankenhaus nur für das Bett! (Abg. Donabauer: Lesen Sie das doch nach! Das ist doch lauter Unsinn!) Ich bin selbst eine Woche drinnengelegen. Ich weiß das – im Gegensatz zu Ihnen, Kollege! 8 000 S bezahlt der Steuerzahler. Wenn dieser Patient privat versichert ist, dann zahlt es natürlich die Privatversicherung.

Sie streichen jetzt dieses Anreizsystem. Was hätte das gekostet, Herr Kollege? Nehmen Sie eine Jahresprämie von etwa 16 000 S her. Beim derzeitigen System hätte das im Jahr eine Steuerersparnis von 4 000 S gebracht. 4 000 S hätte das den Staat gekostet, das ist eine halbe Tagesprämie, die der Steuerzahler im AKH für ein Bett zuschießt. Das ist Ihr System, jetzt möglichst schnell jeden Schilling zu lukrieren, damit Sie die Budgetlöcher stopfen können – aber für die Zukunft haben Sie sich noch größere Probleme eingehandelt, als Sie bisher schon hatten.


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Genauso ist es bei den Privatpensionen. Auch da fordern wir immer wieder ein Drei-Säulen-Modell, Herr Kollege. Wo ist denn der Anreiz für die private Vorsorge, daß wir heute den Leuten sagen können, macht eine private Vorsorge, damit ihr dann auch in der Pension ein entsprechendes Einkommen habt und nicht ausschließlich auf die öffentliche Pension angewiesen seid, weil das in Zukunft schwer zu finanzieren sein wird.

Das wären die Strukturmaßnahmen, die notwendig sind, um in Zukunft den Staatshaushalt finanzieren zu können. Sie aber machen nur Belastungen. Sie haben gesagt: einnahmen- und ausgabenseitig. Durch Einnahmen und Ausgaben belasten Sie die Bevölkerung gleichermaßen. – Strukturmaßnahmen wären notwendig gewesen, damit nämlich endlich auch in diesen Bereichen eingespart wird und auch für die Zukunft positive Effekte zu erzielen sind. Das würden wir uns von einer aktiven Regierung erwarten! Aber Ihnen ist es doch gar nicht darum gegangen; auch das ist heute schon einige Male zum Ausdruck gekommen. Sie machen jetzt für 1996 und für 1997 ein Budget, 1998 werden Sie dann versuchen, noch einmal eine Keule draufzusetzen. Aber ich bin sicher, daß es soweit gar nicht kommen wird, denn spätestens 1998 wird Ihnen der Wähler dann für diese Belastungspakete endgültig die Rechnung ausstellen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.00

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche jetzt die erste Lesung über die beiden Bundesfinanzgesetze zum Zwecke der Durchführung der beantragten kurzen Debatte über einen Fristsetzungsantrag. Die kurze Debatte betrifft den Antrag, dem Budgetausschuß zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage 72 der Beilagen, das ist das Strukturanpassungsgesetz 1996, eine Frist bis zum 15. April 1996 zu setzen.

Gleich nach Durchführung dieser kurzen Debatte wird die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, auch keine Rednerin.

Als erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. Ich erteile es ihr.

16.01

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie wollen in dieser Sitzung dem Budgetausschuß für den Bericht über das Strukturanpassungsgesetz eine Frist bis zum 15. April setzen, und Sie wollen – und das ist ein Jammer – das gleiche offensichtlich in der nächsten Sitzung für die Beratungen über die Bundesfinanzgesetze tun.

Sie wollen das offenbar deswegen, weil Sie sich eine Disziplinierungsmaßnahme von einer Mehrheit absichern lassen wollen – und nicht nur das, sondern offenbar auch, um die Oppositionsparteien mit in die Pflicht zu nehmen und sich ihre Mitverantwortung für diesen wahnwitzigen Zeitplan zu sichern. Das wird Ihnen, jedenfalls was die Liberalen betrifft, nicht gelingen.

Ich erinnere mich noch sehr gut an das Vorfeld zur Nationalratswahl. Vielleicht erinnern auch Sie sich, daß die Liberalen es waren, die sich bis zur letzten Minute gegen Neuwahlen ausgesprochen haben. Da gab es schon Anträge der Freiheitlichen und der Grünen hier im Haus auf eine vorzeitige Beendigung der Gesetzgebungsperiode. Die Liberalen wollten das nicht, sondern wir wollten, daß diese Regierung gefälligst arbeitet und ihren Auftrag erfüllt.

Erst zu jenem Zeitpunkt, als klar war, daß Sie einander jede Gesprächsbereitschaft zur Budgeterstellung verweigern, erst als klar war, daß es überhaupt keine Chance mehr gibt, haben wir dem Antrag auf vorzeitige Beendigung der Gesetzgebungsperiode zugestimmt. Das war nicht,


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um die Richtigkeit dieser Nationalratswahl zu bestätigen, sondern dieses Abstimmungsverhalten sollte nur die Unumgehbarkeit dieser Entscheidung unterstreichen.

Inbesondere Sie, Herr Abgeordneter Khol, haben dieses Stimmverhalten der Liberalen des öfteren öffentlich uminterpretiert, mir persönlich des öfteren vorgehalten: Sie waren ja dafür, daß diese Wahlen stattfinden! – Offensichtlich wollen Sie jetzt mit der gleichen Maßnahme das Gleiche wieder erreichen. Sie wollen jetzt wieder so tun, als würde die Opposition und als würden daher auch die Liberalen diesen Zeitplan richtig finden. Etwas anderes ist passiert.

Es ist wahr, daß dieser Zeitplan gemeinsam erarbeitet wurde, daß er auch ein Einvernehmen in der Präsidiale gefunden hat. Das heißt aber nicht, daß er deswegen richtig ist, sondern das heißt, daß wir hier zum Ausdruck bringen wollten, daß wir nicht blockieren wollen, weil jeder Tag, der noch vergeht, zusätzlich 35 Millionen Schilling für diesen Staat kostet und wir uns nicht für die Not, die Sie zu verantworten haben, zur Verantwortung ziehen lassen, sodaß es heißt, die Liberalen seien schuld. Und dieser Not gehorchend haben wir versucht, eine Struktur mitzugestalten, die gerade noch zumutbar ist, wenn es ein Strukturanpassungsgesetz gewesen wäre, das einen anderen Umfang hat.

Jetzt sagen Sie, weil wir in der Präsidiale zugestimmt haben: Jetzt beschließen wir auch noch ein Fallbeil einer Fristsetzung! – Das bedeutet, daß unabhängig davon, ob es sich sachlich als notwendig erweist, eben doch länger zu verhandeln, daß unabhängig davon diese Verhandlungen abzubrechen sind und daß die Vorlage ins Plenum zu kommen hat.

Das heißt, Sie wollen der Opposition die Verantwortung übertragen: Ihr habt ja mitgestimmt, daß genau zu diesem Zeitpunkt alles erledigt sein muß! – Wenn Sie sich noch daran zurückerinnern, welcher Stoß Papier hier gelegen ist, als Kollege Haselsteiner das Wort ergriffen hat, dann werden Sie doch nicht wirklich sagen wollen, daß in acht Tagen eine seriöse Behandlung dieses Stoßes Papier stattfinden kann!

Selbst mein Bemühen in der Präsidiale, wenigstens noch eine innere Redezeitstruktur zusammenzubringen, daß nicht jeder großartige Grundsatzerklärungen abgibt, wenn man ohnehin nur drei Stunden Zeit hat, sondern viele Fragen gestellt und beantwortet werden können, hat zu keinem Erfolg geführt, aus anderen Gründen wiederum. Ich nehme das jetzt nur vorweg, damit es nicht heißt, wir wollten sogar eine kürzere Redezeit.

Wir wollten insgesamt mehr Zeit für die Beratungen für diese Materie, vor allem auch deswegen, weil Sie praktisch auch das Begutachtungsverfahren unterlaufen haben, weil nämlich eine Zeit zwischen zwei und acht Tagen – viel mehr war nicht zur Verfügung – gar nicht ausreichen kann, um tatsächlich zu jenen Vorlagen Stellung zu nehmen, die Sie ausgeschickt haben. Deswegen werden Sie zu diesem Fristsetzungsantrag eine Zustimmung der Liberalen bestimmt nicht bekommen, denn die Verantwortung für diesen Wahnwitz übernehmen Sie gefälligst selber, und zwar mit Ihrer Zweidrittelmehrheit, auf die Sie so stolz sind! (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. Er hat das Wort. – Gleichfalls: Redezeit 5 Minuten.

16.06

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Das Budget 1996, 1997 und die Budgetbegleitgesetze sind fürwahr ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Wir sind stolz darauf, daß diese Bundesregierung in einer so kurzen Frist gebildet werden konnte und gleichzeitig die Budgets für zwei Jahre ausverhandelt hat, samt den Budgetbegleitgesetzen, und daß insgesamt auf diese Art und Weise das größte Reformpaket in budgetärer Hinsicht – aber nicht nur in budgetärer Hinsicht – zustande gekommen ist, das es wahrscheinlich je in der Zweiten Republik gegeben hat.

Das hat die Regierung auch unter zeitlichen Druck gesetzt, und das setzt – das gebe ich offen zu – auch den Nationalrat unter Druck. Aber die Antwort kann doch nicht sein, daß wir aufgrund dieses ambitionierten Vorhabens von vornherein die zeitlichen Möglichkeiten der Umsetzbarkeit


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in Frage stellen, sondern ganz im Gegenteil: Wir haben uns mit der Kompromißfähigkeit, die gefordert ist, in Gesprächen mit der Opposition zusammengesetzt und einen Terminplan erstellt. Wir haben darüber hinaus in der Präsidiale Einvernehmen erzielt, daß dieser Terminplan gehalten wird und nicht – durch welche Aktionen immer – gestört wird.

Es liegt Einvernehmen vor, diese Budgets und dieses Budgetbegleitgesetz in den eineinhalb Monaten, die vor uns liegen, umzusetzen und zu beschließen. Daher bin ich wirklich irritiert, daß auf einmal, wenn als Fallnetz für diese Einigung in der Präsidiale ein entsprechender Beschluß gefaßt werden soll, die gesamte Einigung von Ihrer Seite in Frage gestellt wird.

Frau Dr. Schmidt! Ich nehme Ihr angekündigtes Stimmverhalten als den ersten Akt des Dissenses, der bei Budgetgesetzen zwischen Regierung und Opposition stets besteht. Es bedarf nicht vieler Phantasie, vorherzusagen, wie Sie und die anderen Fraktionen in Budgetangelegenheiten abstimmen werden. Sie werden nein sagen, das gehört vielleicht – ich verstehe es nicht so – zum Geschäft der Opposition, aber eine Einigung in der Präsidiale in Frage zu stellen (Abg. Dr. Schmidt: Das tut kein Mensch!) , gehört nicht zu der Gemeinsamkeit, die dieses Haus bisher stets ausgezeichnet hat.

Sie selbst haben gesagt, die Einigung in zeitlicher Hinsicht, die wir gefunden haben, geht gerade noch. Sie haben damit zum Ausdruck gebracht, daß wir genau diese Trennlinie zwischen den Interessen der Opposition und der Regierung mit diesem Zeitplan umgesetzt und verwirklicht haben.

Es wäre schön, wenn Sie dabei geblieben wären und es auch hier akzeptiert hätten. Die Bilder, die Sie für die morgigen Zeitungen produziert haben, sind irreführend. Herr Dr. Haselsteiner! Die Gesetze enthalten auch vieles, was Ihnen die Arbeit erleichtert, nämlich Arbeitsbehelfe, Erläuterungen und entsprechende Unterlagen. Bitte, verzerren Sie nicht so das Bild!

Wir sind bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Wir haben ohne Präjudizien diesen Zeitplan gemeinsam erarbeitet, und ich appelliere jetzt nur an Sie: Erkennen Sie an, was Ergebnis der gemeinsamen Arbeit in der Präsidiale war! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Er hat das Wort.

16.10

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sieben Wochen lang hat das Verhandlungsteam zwischen den beiden Regierungsparteien gebraucht, um dieses große Reformpaket – zwei Budgets und das Strukturanpassungsgesetz – zu entwickeln. Wir setzen uns heute eine Frist von sechs Wochen, um die notwendigen Beschlüsse im Nationalrat zu fassen. Ich glaube, es ist von uns allen nicht zuviel verlangt, daß wir genauso Tag und Nacht arbeiten, wie es die Regierungsparteien getan haben, und daß wir jetzt die Beschlüsse fassen, auf die die Republik wartet. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Frau Dr. Schmidt! Ich muß Ihnen folgendes sagen: Seien Sie bitte nicht so blauäugig (Abg. Dr. Schmidt: Ich habe nun einmal blaue Augen!) und mißverstehen Sie nicht den Fristsetzungsantrag. Sie wissen doch sehr genau – die letzten Tage haben es doch gezeigt (Abg. Dr. Frischenschlager: Sechs Tage!) –, daß, wenn es in der Geschäftsordnung Möglichkeiten gibt, die von jemandem genützt werden können, um einen Stock in die Speichen des Rades hineinzustecken, diese Möglichkeiten immer genützt wurden.

Wir sind es in der Verantwortung für dieses Land schuldig, daß wir wissen: Gelegenheit macht Diebe. Wir wollen, daß dieses große Reformwerk in der vorgegebenen und möglichen Zeit beschlossen wird, und wir wissen genau, daß dieses Begleitgesetz nur dann seine reformatorische Wirkung für dieses Land rechtzeitig entfalten kann, wenn es am 1. Mai in Kraft tritt.

Daher müssen wir einen Fristsetzungsantrag beschließen, weil es sonst immer wieder die Möglichkeit gibt, eine Verzögerungstaktik anzuwenden, eine Obstruktionstaktik anzuwenden und


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uns zu hindern, die Beschlüsse zu fassen, um hinterher mit dem Finger auf uns zu zeigen und zu sagen: Die haben schon wieder nichts zustande gebracht! – Das werden wir verhindern, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Im übrigen – seien wir bitte nicht so wehleidig –: Der Stoß Papier, der hier aufgebreitet wurde, wurde von unseren Bereichssprechern in zwei Tagen durchgearbeitet. Sie haben so wie wir parlamentarische Mitarbeiter, Sie haben so wie wir hervorragende Mitarbeiter im Klub, die Ihnen helfen werden, dieses Gesetzgebungswerk, das in zirka zwölf große Materien zerfällt, zu studieren und zu durchdringen. Wir sind ein Arbeitsparlament, man erwartet von uns Arbeit, also arbeiten wir, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. Er hat das Wort. (Abg. Dr. Frischenschlager: Aus sechs Tagen werden bei Khol sechs Wochen!)

16.13

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, wie die Klubobmänner der SPÖ und der ÖVP festgestellt haben, daß es eine Vereinbarung über einen Zeitplan in der Präsidialkonferenz gibt. Wenn der Fraktionschef der Österreichischen Volkspartei aber jetzt hinzufügt, man müsse eine Befristung einführen, weil die Gelegenheit Diebe macht, dann unterstellt er, daß seine Vertragspartner von der Opposition politische Diebe sind, die hier Obstruktion ausüben und nicht im Sinne der Kontrolle tätig werden. Dann müssen Sie sich aber auch gefallen lassen, daß wir den Verdacht haben, daß es Ihnen nicht nur darum geht, dieses Budget über die Runden zu bringen, dessen verspätete Erledigung ja nicht unsere Sache ist. – Sie haben ja die Neuwahlen vom Zaun gebrochen und nicht die Opposition! (Beifall bei den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum.)

Daher müssen Sie sich auch gefallen lassen, daß wir uns dagegen wehren, angesichts der Situation, daß Sie dem gesamten Paket eine Reihe von Verfassungsbestimmungen beigefügt haben, die in Wirklichkeit verhindern sollen, daß der Rechtsstaat in diesem Lande weiterhin in Funktion erhalten wird, als politische Diebe bezeichnet zu werden.

Sie wollen in Wirklichkeit drüberfahren und wollen auch unsere Bedenken gegen die einzelnen rückwirkenden Verfassungsgesetze im Zusammenhang mit der Steuerpolitik ad absurdum führen, indem Sie sagen: Trotzdem fahren wir mit unserer Zweidrittelmehrheit drüber! – Das wird es also nicht geben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch dazu teilt selbst im Begutachtungsverfahren die etwa unter einem ÖVP-Landeshauptmann in Kärnten stehende Landesregierung mit, daß die Gesetze, die Sie jetzt im Zusammenhang mit dem Budget durchpeitschen wollen, zu einer Verwahrlosung der österreichischen Gesetzeskultur führen! Zu einer Verwahrlosung der österreichischen Gesetzeskultur! (Abg. Haigermoser: Verwahrlost ist der Andreas! Verwahrloster Khol!)

Das heißt, diese Verfassungsbestimmungen, die Sie durchpeitschen wollen, sind im Grunde genommen, meine Damen und Herren, nichts anderes als das Frühlingserwachen autoritär-faschistischer Denkungsart in den Staatsämtern. (Lebhafte Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Das ist genau jene Vorstellung, um die es hier geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Frühlingserwachen werden wir nicht mitmachen! Wir haben die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit zu hüten. Und wir, meine Damen und Herren, werden auch nicht mitmachen, wenn ständig in Strukturgesetzen Dinge vorbereitet werden, die heute abgestritten werden.

Ein Beispiel: Heute vormittag berichtet der ORF, daß sich in den Begleitgesetzen auch die Absicht befindet, die tägliche Arbeitszeit durch eine ÖVP-Initiative auf zehn Stunden auszudehnen. (Ruf bei der ÖVP: Was?) – Das stimmt nicht, jawohl. Das wird von Kollegen Feurstein sofort dementiert. Sozialsprecher Feurstein dementiert laut APA, daß seine Partei einen solchen Antrag vorbereitet habe oder auch nur plane – oder auch nur plane! Es ist richtig, Sie dementieren. Trotzdem – ich habe einen Antrag von Ihnen hier in Händen. (Ui-Rufe bei den Freiheitlichen.) Ich habe hier einen Antrag der Abgeordneten Ridi Steibl und Dr. Feurstein; darin


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steht auf Seite 3: Die tägliche Normalarbeitszeit darf zehn Stunden nicht überschreiten – Änderung. – Und da steht auf Seite 4 bei der Begründung: Durch Kollektivvertrag kann zugelassen werden, daß die wöchentliche Normalarbeitszeit bis 48 Stunden und die tägliche Arbeitszeit bis zu zehn Stunden ausgedehnt wird. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie mißachten das Parlament und belügen die Leute, die hier sitzen! Ganz bewußt sagen Sie hier die Unwahrheit. Und jetzt wollen Sie mit Ihrer Gesetzesmaschinerie, mit Ihrer Zweidrittelmehrheit drüberfahren, indem Sie in der Öffentlichkeit anders reden, als Sie es dann den Österreichern präsentierten. – Dafür steht die Opposition nicht zur Verfügung! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist nicht die Demokratie, die wir uns vorstellen. Wir werden uns gegen diese Form des Mißbrauchs der parlamentarischen Demokratie wehren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Erstens hat es gestern aufgrund einer Geschäftsordnungsmeldung eine kurze Debatte darüber gegeben, welchen Sinn es hat, Pro- und Kontra-Wortmeldungen vorzunehmen. Kollege Dr. Haider war als Pro-Redner eingeteilt. Wenn er als Kontra-Redner eingeteilt gewesen wäre, wäre die Rednerreihenfolge eine andere. (Abg. Dr. Haider: Wir lassen uns nicht als Diebe beschimpfen!)

Zweitens möchte ich ganz ausdrücklich von dieser Stelle aus den Ausdruck "autoritärfaschistische Denkungsart" zurückweisen. Ich kann das nicht akzeptieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Leikam: Ein absoluter Mißbrauch! – Abg. Dr. Haider: Sie haben als Präsident nicht meine Rede zu bewerten, sondern nur zu prüfen, ob ich mich an die Geschäftsordnung halte! – Weitere heftige Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Ich habe in dieser Legislaturperiode noch keinen Ordnungsruf erteilt. Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Dr. Haider für den Ausdruck "faschistische Denkungsart" – an die Adresse von Mitgliedern dieses Hauses gerichtet – einen Ordnungsruf .

Ich bitte Frau Abgeordnete Langthaler, mir mitzuteilen, ob sie Pro- oder Kontra-Rednerin ist. (Abg. Mag. Stadler: Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung!) – Eines nach dem anderen. Sind Sie Pro- oder Kontra-Rednerin? (Abg. Ing. Langthaler: Pro-Rednerin!) – Pro-Pednerin.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Stadler gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

16.19

Abgeordneter Mag. Johann-Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung ): Herr Präsident! Zunächst bitte ich, zur Kenntnis zu nehmen, daß zum Zeitpunkt der Wortmeldung durch unseren Ordner die Wortmeldung des Kollegen Khol noch nicht bekannt war und daher nicht auf die Wortmeldung des Kollegen Khol ex ante eingegangen werden konnte und wir während der Rede des Kollegen Khol den Inhalt der Rede meines Kollegen und Klubobmannes Dr. Haider fixiert haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zweitens, Herr Präsident, ersuche ich Sie um Mitteilung darüber, warum über mehrfaches Verlangen unserer Fraktion bei ähnlichen Vorwürfen, wie sie heute erhoben wurden – und wofür ein Ordnungsruf erteilt wurde –, bei mehrfachen Vorkommnissen dieser Art jedesmal ein Ordnungsruf verweigert wurde, während heute beim Verlangen des sozialdemokratischen Klubobmannes ein derartiger Ordnungsruf sofort erteilt wurde. (Abg. Dr. Nowotny: Sehr schwache Verteidigung! – Abg. Dr. Haider: Bisher ist das immer verweigert worden!)

16.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Stadler! Sie werden mir kaum ein Beispiel aus dieser Gesetzgebungsperiode nennen können, wo es bei meinem Vorsitz der Fall war, daß ich einen solchen Ausdruck nicht geahndet hätte. (Rufe bei den Freiheitlichen: Mehrere!) Außerdem führe ich den Vorsitz nicht im Dialog.


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Ich erteile jetzt Frau Abgeordneter Langthaler das Wort. Ich höre, daß sie doch kontra gemeldet ist. (Abg. Dr. Haider: Zuerst keinen Ordnungsruf, dann doch einen! Das ist eine interessante Sache!)

Ich unterbreche die Sitzung für einige Minuten und bitte die Klubobmänner, zu mir zu kommen.

(Die Sitzung wird um 16.21 Uhr unterbrochen und um 16.24 Uhr wiederaufgenommen .)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Frau Abgeordnete Langthaler hat das Wort als Kontrarednerin.

16.24

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wissen alle, daß der Klubobmann der Freiheitlichen, der Chef der "F"-Bewegung in seiner Wortwahl nicht gerade zimperlich ist (Abg. Mag. Stadler: Da haben wir uns an Sie angepaßt!) und daß von seiner Seite immer wieder Formulierungen kommen, die man natürlich, gerade wenn es von dieser Seite kommt und gerade was diese Tendenz betrifft, zurückweisen soll. Aber in der Sache und in der Art, wie hier über das Parlament "drübergefahren" wird, wo wir doch angeblich hier die Budgethoheit haben, hat er sicherlich in einigen Dingen recht.

Und es ist falsch, wenn immer von dieser Seite des Hauses (zur SPÖ gewendet) sofort alles, was von der rechten Seite des Hauses kommt, in Grund und Boden verdammt wird und man sich nicht doch überlegt, es einem nicht doch zu denken gibt, ob nicht doch, wenn Kritik in dieser Schärfe Kritik kommt, ein Körnchen Wahrheit dabei ist.

Natürlich ist es absurd – und das war es in den letzten Jahren bisher schon: bei einer im Vergleich aber noch nicht so dramatischen Situation des Budgets –, wie mit dem Parlament umgegangen wird. Es gab auch bisher schon eine Mißachtung des Hohen Hauses, und zwar in der Form, daß seitens der Regierung bei den Budgeterstellungen einfach "drübergefahren" wurde. Und es ist mir bis heute unverständlich, wie wenig ernst sich die einzelnen Abgeordneten hier in diesem Haus gerade bei der Budgeterstellung nehmen, gerade dann, wenn es angeblich um Strukturmaßnahmen geht, und wie wenig ernst sie dieses Haus nehmen. (Beifall bei den Grünen.)

Diese Zweidrittelmehrheit und diese große Koalition sind demokratiepolitisch schlecht für dieses Land. Es kann sich kein lebendiger Parlamentarismus, kein spannender Parlamentarismus, kein für diese Republik notwendiger Parlamentarismus entwickeln, wenn einfach mit dieser großen Koalition über berechtigte Kritik und Anliegen der Oppositionsparteien hinweggefegt wird. Natürlich ist es nicht möglich, diese an die hundert Strukturanpassungsgesetze ordentlich zu beraten, und natürlich ist es nicht möglich, als Abgeordneter oder als Abgeordnete die Budgethoheit tatsächlich wahrzunehmen, wenn man nicht in sechs Wochen, sondern im Grunde genommen in sechs Tagen diese Gesetzeswerke durch dieses Haus peitscht.

Es gibt eine Einigung in der Präsidiale, aber es ist völlig unnötig, hier einen Fristsetzungsantrag beschließen zu lassen. Möglicherweise gibt es hier innerhalb der großen Koalition ein Mißtrauen, weil Sie das offenbar noch einmal notifizieren müssen. Das ist gänzlich unangebracht, und Sie nehmen damit diesem Haus nur noch ein Stück mehr an notwendiger Souveränität weg. (Beifall bei den Grünen.)

Sie nehmen das ganze Geschehen hier, die gesamten Beratungen offensichtlich überhaupt nicht ernst. Es wird alles zur Makulatur. Wir sind hier nicht mehr als die Notariatsstelle einer Bundesregierung, wo bis zur letzten Ziffer alles ausformuliert wurde und wo das Parlament offensichtlich nur mehr als Mehrheitsbeschaffer und als formaler Beschlußfasser angesehen wird.

Sie tun der Demokratie in diesem Land keinen guten Dienst, und Sie verhindern, daß in Österreich in demokratiepolitischer Hinsicht ein – wie Sie ja immer wollen – europäischer Standard


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hergestellt wird. Wir werden deshalb dieser Fristsetzung nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

16.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Außerdem haben wir vorhin klargestellt, daß bei der allfälligen Fristsetzung zu den beiden Bundesfinanzgesetzen schriftliche Anträge vorgelegt werden.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Budgetausschuß zur Berichterstattung über das Strukturanpassungsgesetz 1996 eine Frist bis zum 15. April 1996 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag auf Fristsetzung eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag ist mit Mehrheit beschlossen.

Damit ist die Kurzdebatte beendet.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gelangt die Frau Abgeordnete Motter. Ich erteile es ihr.

16.29

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Haidlmayr, ich möchte eingangs zu Ihrer Wortmeldung kurz Stellung beziehen. Ich bin genauso wie Sie überrascht, aber auch verärgert über die Vorgangsweise bezüglich des Pflegegeldes. Ich kann Ihren Ausführungen vollinhaltlich folgen und bin auch mit dem meisten einverstanden. Nur eines möchte ich Ihnen sagen, Frau Kollegin Haidlmayr: Gehen Sie doch auch einmal in das Land Oberösterreich. Denn auch die Länder haben Aufgaben zu erfüllen, und gerade was den Bereich der Pflegebedürftigen betrifft, was die ambulante Pflege betrifft, wären auch die Länder gefordert. Ich glaube, das sollten wir auch in Zukunft in unseren Ländern tun. Ich kann Ihnen allerdings ein Modell anbieten, nämlich das Vorarlberger Modell.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Regierungsabkommen ist wieder einmal von der Notwendigkeit einer umfassenden Reform im österreichischen Gesundheitswesen die Rede. Dazu kann ich aus der Budgetrede des Herrn Finanzministers entnehmen, daß zwischen 1997 und dem Jahr 2000 jährlich 3 Milliarden Schilling für die Krankenanstaltenfinanzierung bereitgestellt werden sollen, wenn die Erstellung eines verbindlichen Krankenanstaltenplanes, der Ausbau der Ambulanzen, die Lösung der Gastpatientenfrage erfolgt und eine Strukturkommission eingerichtet wird.

Herr Finanzminister, ich komme mir gerade bei der letzten Forderung der Strukturkommission verhöhnt vor. Was soll diese Kommission, die zur Beobachtung und Weiterentwicklung des Gesundheitswesens geplant ist? Herr Minister, wissen Sie nicht, daß seit Jahren die Sozialpartner und der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen permanent an Studien arbeiten? Auch das österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen und der Krankenanstaltenfonds haben diese Aufgabe übernommen, die sie mehr oder weniger auch erfüllt haben.

Herr Bundesminister, ich frage Sie daher ernsthaft: Was soll diese Strukturkommission noch erarbeiten? Herr Bundesminister, falls Sie es noch nicht wissen: Es gibt seit 1978 Krankenanstaltenpläne, die nie zum Tragen kamen. Die Weiterentwicklung der Systemplanung fällt auch in die Kompetenz des KRAZAF, der ja eine Funktion zwischen Bund und Ländern ausüben sollte, aber er hat diese Funktion weitgehend nicht ausgeübt.


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In den Jahren 1988 und 1993 hat das österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen diverse Landeskrankenanstaltenpläne erarbeitet. Am 10. Dezember 1993 wurde dasselbe Institut durch Abschluß eines Werkvertrages mit dem KRAZAF erneut mit der Erarbeitung eines österreichischen Krankenanstaltenplanes beauftragt.

Diese Arbeit wurde im November 1994 vorgestellt. Was folgte, war ein Aufschrei aus den Ländern. Es kam wieder zu keiner Einigung, es blieb wieder alles beim alten. Hier möchte ich auch festhalten, daß es auch an der Uneinsichtigkeit der Landesfürsten und deren Finanzreferenten gescheitert ist, daß es gesamtösterreichisch gesehen bisher zu keiner Einigung der anstehenden Probleme im Gesundheitswesen gekommen ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich kann es daher auch nicht glauben, daß bis zum 27. März die Verhandlungen mit den Bundesländern abgeschlossen sein werden und entsprechende Lösungsvorschläge vorgelegt werden können.

Meine Damen und Herren! Wir haben ein Dilemma im Gesundheitswesen, das wir seit Jahren vor uns herschieben. Es wird seit langem immer wieder hier im Haus behandelt, ohne daß konkrete Strukturmaßnahmen vorgenommen wurden. Wir haben dieses Dilemma auch durch die uneinheitlichen Entscheidungs- und Finanzierungsstrukturen sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene.

Auch was die Bundeskompetenz durch zwei Ministerien, das Sozial- und das Gesundheitsministerium angeht, haben wir mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Darüber hinaus haben gerade gestern die Sozialversicherungen mit ihrer Ankündigung auf Kürzung des Krankengeldes bewiesen, daß sie im Rahmen ihrer Selbstverwaltung massive Eingriffe in das bestehende System vornehmen können.

Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bei diesen verzweigten, kompetenzüberschreitenden Strukturen kann ich den Wunsch nach einem verbindlichen Krankenanstaltenplan und einer Strukturkommission verstehen. Aber dieser Wunsch bleibt ein frommer. Herr Minister, ich kann Ihnen heute den Vorwurf nicht ersparen, daß im Koalitionsabkommen wieder einmal die Kompetenzregelung zwischen Bund und Ländern und zwischen den Bundesministerien für Gesundheit und Soziales nicht erfolgte. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang leidet auch die parlamentarische Arbeit in diesem Haus. So ist der parlamentarische Gesundheitsausschuß durch das Übereinkommen, daß weder Länder noch Bund Gesetze beschließen können, die einseitig Kosten verursachen, de facto lahmgelegt. Es werden anstehende Gesetze nicht zur Verhandlung gebracht; ich darf hier nur auf das Gruppenpraxengesetz hinweisen. Ein Gesetz, das mittelfristig Einsparungen im Gesundheitswesen bringen würde, kann nicht beschlossen werden, weil Uneinsichtigkeit vorherrscht. Ich frage ernsthaft: Wie lange können wir uns eine solche Vorgangsweise noch leisten?

Meine Damen und Herren! Erwähnenswert ist auch noch die Ankündigung im Arbeitsübereinkommen, daß besonderes Augenmerk auf die Gesundheitsförderung und auf Vorsorgeprogramme gelegt werden soll. Das hat man in der Tat im Rahmen der Begleitgesetze getan. Man hat in der Tat die einzige Vorsorgemaßnahme, die voll gegriffen hat, nämlich die Geburtenbeihilfe, gestrichen. Es bleibt hier nur noch die Hoffnung, daß die österreichische Bevölkerung sich der Effizienz und der Notwendigkeit solcher Maßnahmen bewußt ist und daß das nunmehr auf "Eltern-Kind-Paß" umgetaufte Programm – allerdings ohne finanzielle Auswirkungen – weiterhin in Anspruch genommen wird.

Abschließend möchte ich festhalten, daß im österreichischen Gesundheitswesen keine umfassende Reform erkennbar ist. Die Bevölkerung Österreichs wird durch erhebliche Sparmaßnahmen, durch die vorliegenden Budgetmaßnahmen für 1996 und 1997, in ungebührlicher Weise zur Kasse gebeten. Die Bevölkerung wird durch die Regierung aufgrund täglicher Meldungen über zusätzliche Maßnahmen, wie etwa die Verkürzung des Krankengeldanspruches, weiterhin verunsichert. Das haben unsere Bürger nicht verdient, die ihrer Verpflichtung durch Zahlung ihrer Beiträge zum Gesundheitswesen nachkommen. Im Gegenteil: Sie können


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erwarten, daß die Verantwortlichen endlich ihren Verpflichtungen nachkommen – dies gilt in vielen Bereichen, insbesondere aber im Gesundheitswesen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. Seine Redezeit beträgt zwei Minuten.

16.37

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Da ich nur mehr zwei Minuten Zeit habe, möchte ich von einer kleinen Geschichte berichten, wie sich die Liberalen die Budgetkonsolidierung vorstellen.

Vor der Wahl im Dezember 1995 haben in der Steiermark die im Landtag vertretenen Parteien die Parteienförderung gekürzt, und alle Parteien waren einverstanden damit, daß endlich dieses satte Hineingreifen in die Steuerkassen ein Ende hat. Eine Person aber hat sich besonders aufgeregt, nämlich Herr Brünner. Er hat ein Schlupfloch gefunden, und da hat er den Parteien unterstellt, sie würden sich durch dieses Schlupfloch doch noch diese Gelder sichern, weil der Fristenlauf mit der Verlautbarung des Gesetzes genau so getimed war, daß man noch zugreifen konnte.

Jetzt stellen Sie sich vor, was passiert ist – 60 Millionen Schilling ist ungefähr der Betrag der Parteienförderung, auf den die Parteien verzichtet haben –: Die Frist war schon fast abgelaufen, da hat sich ein Mann darum bemüht, diese Gelder noch zu bekommen. Herr Brünner hat dieses kleine Schlupfloch gefunden und hat sich diese 2 Millionen herausgeholt.

Ertappt dabei, wie er das steirische Landesbudget "konsolidiert", hat er gesagt, das müsse er deshalb machen, weil sein Steuerberater gesagt hat, er könne seine Wahlkampfkostenschulden nicht decken mit dem Geld, das er jetzt bekommt, nämlich 4,2 Millionen Schilling jedes Jahr aus der Steuerkassa. – Leider habe ihm das der Steuerberater so mitgeteilt.

Herr Kollege Haselsteiner sollte sich beim Herrn Brünner erkundigen, denn der kennt wirklich alle Löcher im Budget. Der kennt sich dort wirklich sehr gut aus, da sollten Sie Anleihe nehmen. Und, Frau Kollegin Schmidt, Sie sollten wirklich dem Herrn Brünner sagen, er soll das Geld zurückgeben, weil diese Art der Heuchelei, diese Art der Schlitzohrigkeit ist mir nicht einmal noch bei der ÖVP und bei der SPÖ untergekommen. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

16.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Barmüller gemeldet. Ich mache ihn auf die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam.

16.39

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Wabl, wie dir sicherlich von deinem Namenskollegen Wabl in der Steiermark erzählt worden ist, ist nicht die Parteienförderung vor der Wahl gekürzt worden, sondern ist die Wahlkampfkostenrückvergütung für jene Parteien gestrichen worden, die in den Landtag kommen; eine an sich sehr sinnvolle Maßnahme. (Abg. Schwarzenberger: Ist das eine tatsächliche Berichtigung? Das ist ja eine Rede!)

Es war, wie du ganz genau weißt, eine Änderung während des laufenden Wahlkampfes, aber es gibt etwas viel Wichtigeres jetzt im nachhinein, wie du richtig zitiert hast, nämlich, daß man die Wahlkampfkosten nicht aus jenen Förderungen bezahlen darf, die die Parteien, wenn sie in den Landtag gekommen sind, bekommen werden.

Da jetzt von eurer Seite offenbar vergessen worden ist, die Wahlkampfkostenrückvergütung ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, es ist das falsche Faktum zu schildern und das richtige gegenüberzustellen, aber nicht eine Erklärung abzugeben.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (fortsetzend): Es ist offenbar falsch an dem, was Herr


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Abgeordneter Wabl gesagt hat, daß er völlig übersehen hat, daß es nicht darum geht und nicht geheißen hat, daß diese Wahlkampfkostenrückvergütung nicht in Anspruch genommen wird, sondern es geht darum, daß man aus der laufenden Förderung, die man bekommt, die Wahlkampfkosten nicht bezahlen darf. Und das ist die Schweinerei, die – verzeihen Sie, ich nehme das zurück –, ist das Unfaire an der Änderung während des laufenden Wahlkampfes gewesen, daß man im laufenden Verfahren die Regeln geändert hat. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. Er hat das Wort. (Abg. Schwarzenberger: Der Schwemlein macht so etwas nicht! – Abg. Schwemlein: Nein!)

16.41

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Budget des Kapitels 65, öffentliche Wirtschaft und Verkehr, ist auch vom Spargedanken getragen. Ausgaben von 35,9 Milliarden Schilling stehen Einnahmen von 23,6 Milliarden gegenüber. Der Nettoeinsparungseffekt beträgt zirka 3,5 Milliarden Schilling.

Der Verkehrsbereich war und ist eine wertvolle Konjunkturstütze, wurden doch in der Vergangenheit und werden in der Zukunft wesentliche Infrastrukturmaßnahmen durchgeführt und damit Arbeitsplätze erhalten.

So ist es zu verstehen, meine Damen und Herren, daß in den Budgetbegleitgesetzen das Schieneninfrastruktur-Finanzierungsgesetz enthalten ist, wo dem Unternehmen ÖBB durch Kreditaufnahmen mit staatlicher Haftung und durch Beteiligung von privatem Kapital die Finanzierung des notwendigen Ausbaus der Schieneninfrastruktur ermöglicht wird.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz ein paar Bemerkungen zur Verkehrspolitik anbringen. Wir müssen unbedingt in naher Zukunft Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit setzen, und ich meine, daß zum Beispiel die Einführung des Punkteführerscheins ein ganz wesentlicher Beitrag dazu wäre, muß sich doch Österreich wegen seiner Unfallstatistik in Europa eher schämen. (Abg. Dr. Lukesch: Das stimmt nicht, Herr Kollege!)

Auch zum Thema "Maut" erlauben Sie mir festzustellen, daß wir uns bemühen müssen, Kostenwahrheit herzustellen, und zwar deshalb, weil nach wie vor der LKW-Verkehr nicht einmal zu 40 Prozent für die selbstverursachten Kosten aufkommt, deshalb, weil der PKW- den LKW-Verkehr quersubventioniert und dies wohl aus verkehrspolitischer Sicht kontraproduktiv ist.

Es ist daher dringend notwendig, möglichst rasch das Road-Pricing für LKW einzuführen. Darum müssen wir uns bemühen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die Post leistet im Rahmen der Ausgliederung einen großen Beitrag zum Stabilisierungspaket. Dennoch wird die Post im Jahr 1996 ein Investitionsvolumen von mehr als 17,5 Milliarden Schilling zur Verfügung haben, um die Fernmeldeeinrichtungen auszubauen und zu modernisieren.

1996 ist überhaupt ein entscheidendes Jahr für die Post, wird Sie doch mit 1. Mai aus der Bundesverwaltung ausgegliedert und in ein selbständiges Unternehmen umgewandelt.

Meine Damen und Herren! Ich verstehe eine Aussage des Kollegen Rosenstingl nicht, der gesagt hat, das Poststrukturgesetz sehe keine Änderungen in der Struktur vor. Dabei meine ich, daß gerade ein Festhalten an einer neuen Struktur durch uns zu Kritik geführt hätte. Es ist wohl Aufgabe der Unternehmensleitung, eine sinnvolle Organisationsstruktur aufzubauen und zu finden, und ich bin zuversichtlich, daß die Fülle von Experten bei der Post das sehr wohl auch schaffen werden.

In der Folge, meine Damen und Herren, wird die Post 1 Milliarde Schilling aus dem Budget für die Abdeckung gemeinwirtschaftlicher Leistungen erhalten.


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Für die Personalaufwendungen des Amtes der Post- und Telekom AG sind für das "Rumpfjahr" 1996 10,6 Milliarden und für 1997 16 Milliarden Schilling vorgesehen. Dieser Personalaufwand wird zur Gänze refundiert.

Den von mir genannten Beträgen stehen Einnahmen aus Konzessionsabgaben von Ö-Call und Post AG in der Höhe von 4,4 Milliarden beziehungsweise 1997 5,6 Milliarden Schilling und 4,1 Milliarden beziehungsweise 3,6 Milliarden Schilling aus der Umsatzsteuer für die Post gegenüber.

Im Jahr 1997 erwarten wir als Eigentümer darüber hinaus eine Dividende von der Post in der Höhe von 4,3 Milliarden Schilling.

Der 1. Jänner 1998 ist das magische Jahr, mit dem in Europa der Abschluß der Liberalisierung durch die Liberalisierung der Sprachtelephonie und der Infrastruktur erfolgen soll. Der Begriff "Freier Netzzugang" kennzeichnet die zweite Priorität der europäischen Telekommunikationspolitik.


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14. Sitzung / Seite 111

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Abgeordneter Schwemlein, darf ich Sie kurz unterbrechen: Ich bitte, daß Klubangestellte nicht in den Bänken von Abgeordneten sitzen! – Danke. (Abg. Dr. Khol: Immer der Moser von den Liberalen! Immer das gleiche! Früher in Pension und jetzt das!)

Bitte fortzusetzen!

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (fortsetzend): Wir schaffen somit, meine Damen und Herren, für die Post die richtigen Rahmenbedingungen. Die "gelbe Post" wird vom dynamischen Bereich der Telekommunikation getrennt. So hat die "gelbe Post" den Bereich der gemeinwirtschaftlichen Leistungen zu definieren und nach dem Bestellerprinzip abgegolten zu bekommen. Dabei sind aber bestimmt die verbilligte Zeitungszustellung und auch so manche Sozialtarife bei den Fernsprechgebühren sehr wohl zu überdenken.

Das Dienstrecht der Postler könnte aus meiner Sicht analog dem der ÖBB erfolgen, wobei eines von vornherein klarzustellen ist: Ein Eingriff in die bestehenden Dienstverträge ist wohl unzumutbar und hat auch zu unterbleiben.

Ein paar Bemerkungen, meine Damen und Herren, noch ganz kurz zur ÖBB und vor allem zum Nahverkehrsfinanzierungsgesetz, das wir zu erstellen haben. Das hat festzulegen, welche Formen des Nahverkehrs unterstützt werden sollen, woher die dafür notwendigen finanziellen Mittel kommen sollen und welche Anteile davon von den jeweiligen Gebietskörperschaften aufzubringen sind.

Dabei meine ich, daß wir hier aus der Sicht des Kunden vorzugehen, zu denken, zu handeln haben, und zwar deshalb, weil es dem Kunden egal ist, mit welchem Verkehrsmittel er unterwegs ist, welche bürokratischen Abläufe es zwischen den jeweiligen Verkehrsträgern gibt, weil der Kunde schlicht und einfach billig mit einer Karte so rasch wie möglich vom Ort A nach B fahren möchte.

Daher sind wir gefordert, danach zu trachten, daß all das umgesetzt wird, was unsere Intentionen im Bereich Nahverkehr sind. Und, meine Damen und Herren, wir mußten feststellen: Wir haben mit 1. Jänner 1994 die Mineralölsteuer um 60 Groschen pro Liter angehoben und diese Mittel, insgesamt 1,7 Milliarden Schilling, den Ländern zweckgebunden für den Nahverkehr zur Verfügung gestellt. – Heute zeigt sich uns, daß einige der Länder diese Mittel nicht widmungsgemäß verwendet haben. Das heißt, wir werden dem einen Riegel vorschieben müssen.

Meine Damen und Herren! Zusammengefaßt können wir feststellen, daß wir auch im Verkehrsbereich sehr wohl gefordert sind. Wir schaffen budgetär richtige, wesentliche, richtungsweisende Rahmenbedingungen. Gehen wir die Lösung der Probleme gemeinsam an – die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes erwarten das von uns. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mühlbachler. Er hat das Wort.

16.49

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte es für unangebracht, daß die heutige Diskussion vom Finanzsprecher der SPÖ, von Herrn Professor Nowotny, mit einem Hinweis auf die Dezemberwahlen und deren "Überflüssigkeit" eingeleitet wurde. Ich meine, daß die Wahlen vom Dezember 1995 sehr wohl notwendig waren, um überhaupt eine Budgetwahrheit in diesem Lande herbeizuführen und auch die entsprechenden Reformen, die daraus zu resultieren haben, in die Wege zu leiten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte kein weiteres Repetitorium darüber abhalten, weil ich glaube, daß derartige Seitenhiebe – sei es jetzt auf die ÖVP oder auch von unserer Seite auf die SPÖ – hinkünftig einfach entbehrlich sind. (Abg. Ing. Tychtl: Mea culpa! Mea maxima culpa!) Faktum ist, wir sind in einer Koalition, und trotz Auffassungsunterschieden haben wir uns zum Ziel gesetzt, in der Zukunft für Österreich zusammenzuarbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

Und ich meine, daß das in den letzten Wochen ja auch ganz gut gelungen ist. Immerhin: Die linksliberale "FAZ" bestätigt das; ich zitiere nur einige wenige Sätze:

"Österreich erweist sich damit" – da wird auf die Zielsetzung der Budgetpolitik hingewiesen – "als vorbildliches Land, in dem es ohne soziale Wirren gelungen ist, die Stabilitätsanforderungen zu erfüllen. Daß man jetzt Übereinstimmung erreichte, während sich im Frühherbst 1995 die Geister schieden, sodaß es zum Bruch der Koalition und zu Neuwahlen kam, ist mehreren Umständen zuzuschreiben. Man fand trotz Wahlkampfrhetorik zu einer die Realitäten widerspiegelnden Lagebeurteilung, machte Kassensturz und plante danach auf der Grundlage ungeschminkter Zahlen."

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der "F"! Das könnte auch von Ihrer Seite, glaube ich, einmal wahrgenommen und möglicherweise auch in einer Ihrer nächsten Reden wiedergegeben werden.

Ermutigend für die ÖVP ist ein abschließender Satz – ich zitiere –: "Die ÖVP, die sie vom Zaun brach und deren Führung sich ein anderes Ergebnis erhofft hatte, darf sich zugute halten, für die notwendige Bewegung gesorgt zu haben. Das ist nicht eben wenig in einem vergangenheitsverliebten Land, das auf 1 000 Jahre urkundlich bezeugten Daseins zurückblicken kann."

Damit sollte dieses Kapitel geschlossen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird von der Opposition immer wieder reklamiert, daß es zuwenig Reformen gäbe. Ich denke, es hat in der Vergangenheit schon eine Reihe von Reformen gegeben. Ich erinnere etwa an die zweite Etappe der Steuerreform, die der Wirtschaftspolitik, im besonderen dem Wirtschaftsstandort Österreich ganz besonders zugute gekommen ist. Das sollten wir nicht vergessen!

In der Sozialpolitik hat es zwei ganz wesentliche und markante Schwerpunkte gegeben: die Einführung des zweiten Karenzjahres, darüber hinaus dann aber auch die Einführung des Bundespflegegeldes.

Ich nehme an, daß dieses Bundespflegegeld die Schatten – Entschuldigung – das Licht vorauswerfen wird. Wir dürfen eines nicht vergessen: Immerhin sind bereits 15,6 Prozent, also fast 16 Prozent der österreichischen Bevölkerung mehr als 65 Jahre alt. Das heißt, in Zukunft wird uns das Thema der Altenversorgung mehr und mehr beschäftigen. Und ich meine, mit dem Bundespflegegeld haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, um entsprechende Strukturen zu schaffen.

Frau Kollegin Motter hat vorhin auf Vorarlberger Strukturen hingewiesen, und zwar mit dem Verweis darauf, man könnte diese bundesweit nachvollziehen. Da möchte ich doch auch


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folgendes erwähnen: Wir haben in Oberösterreich, beispielsweise im Mühlviertel – in manchen Bezirken schon flächendeckend –, sozialmedizinische Betreuungssprengel geschaffen, die zum Teil auf bezahlter Nachbarschaftshilfe, zum Teil aber noch auf Freiwilligkeit beruhen, und zwar in der Erkenntnis, daß institutionalisierte Leistungen totaliter fast nicht mehr finanzierbar wären. – Und ich meine, das Bundespflegegeld ist der Beginn einer Gesundheitsreform. Natürlich müssen die nächsten Schritte dann auch gesetzt werden.

Es ist mir allerdings unverständlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß gerade von der Opposition – und da meine ich zum Teil natürlich auch die FPÖ – verschiedene Fakten nicht wahrgenommen beziehungsweise falsch dargestellt werden.

In seinen Ausführungen zur Regierungserklärung hat Dr. Haider unter anderem die Kürzung des Taschengeldes vom Bundespflegegeld zu skandalisieren versucht. Ich weiß es nicht: entweder er hat keine Ahnung von diesem Sachkomplex – oder er hat den falschen Berater.

Darf ich bitte aufklären, wie es nach den Sozialhilfegesetzen – und da sind diese Bundesländer übergreifend fast gleich – tatsächlich zu- und hergeht: Es stimmt absolut nicht, daß ein Mindestpensionist, der Bundespflegegeld bezieht, von 580 S Taschengeld pro Monat leben müßte beziehungsweise seinen Bedarf, der über Essen und Schlafen hinausgeht, abdecken müßte. Vielmehr gilt, daß selbst Mindestpensionisten 20 Prozent ihrer Mindestpension als Taschengeld zurückerstattet bekommen. Das macht dann unter Einrechnung des 13. und 14. Bezuges immerhin ein monatliches Taschengeld von fast 2 800 S aus. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darüber verfügen sehr viele Familienväter mit drei oder vier Kindern nicht. Und daher sollte man diesbezüglich von Skandalisierungsversuchen absehen.

Ich meine allerdings, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß es um den Wohlstand allein nicht geht in unserem Land, sondern es geht auch darum, daß wir diesen Wohlstand in Sicherheit erleben dürfen.

Da möchte ich jetzt auf ein Ereignis von vorgestern hinweisen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landeshauptmann von Oberösterreich ist von sogenannten Umweltschützern attackiert worden. (Abg. Madl: Das stimmt nicht!) Das kann man so nicht im Raum stehenlassen: Frau Kollegin Madl! Wieso sagen Sie, das stimmt nicht? Lesen Sie bitte den Kommentar in den "Salzburger Nachrichten"! Natürlich ist Ihnen das nicht recht, wenn es so kommt, daß Sie auf einmal auch nicht mehr auf der Seite jener stehen, die recht haben. (Abg. Madl: Ein märtyrerhaftes Verhalten!)

Ich sage Ihnen folgendes, Frau Kollegin Madl: Ich bedaure es zutiefst, daß es auch hier im Parlament Kräfte gibt, die sich hinter jene stellen, die Umweltschutz vorgeben – tatsächlich aber rohe Gewalt ausüben. Und das ist ein Skandal! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines muß hier doch einmal ausgesprochen werden: Da ist der Innenminister gefordert, die öffentliche Sicherheit in Österreich zu gewährleisten, und da sind die Grünen gefordert, zu erklären, wie sie es denn halten mit der Radikalisierung von Umweltschützern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Madl hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. Die Bestimmungen sind bekannt.

16.59

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Mühlbachler hat soeben behauptet, daß gestern (Abg. Mag. Kukacka: Vorgestern!) Landeshauptmann Pühringer von Umweltschützern attackiert worden ist. Das stimmt nicht. (Abg. Mag. Kukacka: Wieso wissen Sie das?) Es konnte nicht bewiesen werden – lassen Sie mich ausreden –, daß der Herr Landeshauptmann attackiert wurde, denn es gibt für diesen Vorfall erstens keine Zeugen (Widerspruch bei der ÖVP) , zweitens wäre es ... (Anhaltender Widerspruch bei der ÖVP.) Nein, selbst sechs Gendarmeriebeamte, die ihn umringt hatten, konnten nicht aussagen, daß der Landeshauptmann attackiert wurde. Es steht lediglich fest, daß der


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Landeshauptmann bei der ersten Stufe im Gemeindeamt gestrauchelt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

17.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Partik-Pablé. Sie hat das Wort. (Abg. Dr. Khol: Das war ja eine tatsächliche Beschwichtigung, keine tatsächliche Berichtigung!)

17.00

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Das Sparpaket ist ein Notprogramm ohne grundsätzliche Reformen. – Das sagt nicht ein miesmachender Oppositionspolitiker, sondern diese Qualifikation stammt von Universitätsprofessor Tichy aus Graz.

Er sagt weiter: "Ich bin ganz, ganz pessimistisch. Die Regierung hat offenbar noch immer nicht realisiert, daß Österreichs Wirtschaft nur noch um 2 Prozent pro Jahr wächst und daß das grundsätzliche Systemreformen erfordert." – Das sagt Herr Tichy.

Diese grundsätzlichen Systemreformen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die vermissen wir völlig. Das haben wir auch immer wieder gesagt. In den vergangenen Jahren haben wir immer wieder diese Strukturmaßnahmen gefordert. Und jetzt – fünf vor zwölf ist es ja bereits geworden – verpassen Sie der Bevölkerung ein Gürtel-enger-schnallen-Programm, daß es nicht mehr ärger geht. Sie haben aber die entscheidenden Reformen, die von Experten, von Politikern gefordert werden, nach wie vor nicht in Angriff genommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir fürchten wirklich, daß Sie so weiterwursteln – vom Sparpaket 1 zum Sparpaket 2 zum Sparpaket 3 –, ohne daß eine Systemänderung durchgeführt wird. Und ich wundere mich wirklich: Sie beweihräuchern sich ständig und sagen, wie großartig dieses Konsolidierungsprogramm ist, das Sie da auf die Beine gestellt haben. Herr Professor Nowotny sagt, mit diesem sogenannten Konsolidierungsprogramm wird Österreichs Staatsfinanz auf eine gesunde finanzielle Basis gestellt. Es werden gesunde Strukturen gesichert.

Aber Sie vergessen dabei, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Minister, daß dieses Konsolidierungsbudget in Wirklichkeit gar kein Konsolidierungsbudget ist, denn die Gesamtverschuldung wird nicht einmal um einen Schilling gemindert. Sie verringern ja nur die Neuverschuldung, das heißt, Sie machen weniger Schulden. Aber vom bisherigen Schuldenberg wird durch Ihr sogenanntes Konsolidierungsbudget kein einziger Schilling abgebaut! (Abg. Auer: Es geht ja auch ums Budget und nicht um die Gesamtverschuldung!) Ich glaube, das müssen Sie sich viel stärker bewußt machen, denn dann würden Sie vielleicht eher einsehen, wie dringend notwendig Strukturmaßnahmen sind.

Mein Vorredner Kollege Mühlbachler hat gesagt, es sind schon wichtige Reformen durchgeführt worden, die beispielsweise dem Wirtschaftsstandort Österreich zugute gekommen sind. Da kann ich eigentlich wirklich nur lachen. Ganz im Gegenteil: Alle Maßnahmen, die bisher gesetzt worden sind, haben dazu geführt, daß Arbeitsplätze vernichtet worden sind, daß Betriebe sich abgesiedelt haben, weil bei uns die Kosten so hoch sind, weil bei uns die Bedingungen für die Wirtschaft so schlecht sind.

Sie haben das Pflegegeld angeführt, Herr Kollege Mühlbachler. Dazu möchte ich Ihnen sagen: Sie brauchen sich überhaupt nicht zu rühmen, denn kaum ist das Pflegegeld eingeführt worden, sind schon Töne laut geworden, daß es wieder abgeschafft werden soll. Frau Ederer hat großartig erklärt, nur derjenige soll mehr Pflegegeld in Anspruch nehmen dürfen, der auch eine qualifizierte Pflegeperson angestellt hat, die ungefähr 200 S in der Stunde kostet, und 50 S bleiben ihm vielleicht beim Pflegegeld. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kollege Mühlbachler ist leider nicht da. Ich werde ihm dann Privatunterricht geben, wie das wirklich ausschaut mit dem Taschengeld für Behinderte. 550 S erhalten die Behinderten jetzt vom Pflegegeld, und er sagt, sie haben zusätzlich die Pension. (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger .) Seien Sie jetzt einmal ruhig, und lassen Sie sich das erklären, Herr Abgeordneter!


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(Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: 20 Prozent vom Ausgleichszulagenrichtsatz!) Seien Sie doch endlich einmal ruhig, und horchen Sie sich das an, was ich Ihnen sage! Es bleiben ihnen von der Pflegevorsorge 550 S. (Abg. Schwarzenberger: Aber von der eigentlichen Pension bleiben 90 Prozent!) Warum lassen Sie mich nicht reden? Ich finde das nicht fair! (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Schwarzenberger .)

Herr Präsident! Ich bitte Sie, einzuschreiten. Ich sage jetzt bereits zum dritten Mal, daß ich ihm das erklären möchte, und er redet mir immer wieder drein!

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete, entschuldigen Sie, aber Sie sind doch stark genug! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Offensichtlich nicht!) Ich werde Ihnen in Zukunft gerne helfen. – Bitte, Herr Abgeordneter Schwarzenberger, Zurückhaltung! (Heiterkeit.)

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Herr Schwarzenberger! Es gibt sehr viele Behinderte, die keine Pension haben. Im Verein Balance – Kollege Feurstein aus Ihrer Partei kennt diesen Verein – sind ungefähr 70, 80 Behinderte. Da gibt es 20 Prozent – ich habe mich erkundigt –, die keine Pension haben.

Wenn beispielsweise ein 18jähriger verunglückt, der niemals gearbeitet hat, der niemals eine Waisenrente bezogen hat, hat er kein Einkommen. Wenn jemand von Kindheit an behindert ist und seine Eltern nicht gearbeitet haben, hat er nichts. (Abg. Schwarzenberger: Er kriegt Sozialhilfe!) Der kann mit 20 Jahren von 550 S leben! Stellen Sie sich das einmal vor!

Ich weiß nicht, ob Sie Kinder haben. (Abg. Schwarzenberger: Ich habe fünf Kinder!) Können Sie sich vorstellen, daß eines Ihrer Kinder behindert ist und mit 550 S auskommen muß? – Da können Sie noch lachen dazu, weil Sie genug Geld haben! Das ist ja das allertraurigste: daß Sie sich überhaupt nicht mehr in die Lage von Behinderten und Minderverdienenden hineinversetzen können. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Sie polemisieren, und wenn ich Zwischenrufe mache, suchen Sie Hilfe beim Präsidenten!)

Ich polemisiere nicht! Ich führe Ihnen die tragische Realität vor Augen, aber Sie lachen nur dazu. Gehen Sie einmal mit Kollegen Feurstein in ein Behindertenheim, dann werden Sie sehen, welch tragische Fälle es gibt, und dann werden Sie endlich aufhören, immer wieder gegen das Pflegegeld zu räsonieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Mein Sohn hat Zivildienst in einem Behindertenheim geleistet!) Mich interessiert nicht, was Ihr Sohn macht, glauben Sie mir das.

Aber ich komme wieder zurück zu den Strukturmaßnahmen, die so notwendig sind. Beispielsweise haben Sie im gesamten ... (Abg. Kiermaier: Das ist unglaublich!) Was ist unglaublich? Daß es mich nicht interessiert, was sein Sohn macht? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Herr Kollege, der Antrag ist bei mir von den Behinderten eingebracht worden. Sie haben im Jahr 1986 60 000 Unterschriften gesammelt. Vor der Parlamentsrampe haben sie mir diese übergeben. Ich habe mich während all der Jahre dafür eingesetzt, daß dieses Pflegegeld durchgesetzt wird. Das können Sie in allen Protokollen nachlesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich wundere mich aber auch über den blauäugig-heuchlerischen Redebeitrag des Herrn Kollegen Höchtl, der gesagt hat: Das Sparpaket ist notwendig, damit wir geordnete finanzielle Verhältnisse haben. – Ich meine, Sie lügen den Staatsbürgern ja wirklich in den Sack, denn wir werden auch nach dem Sparpaket keine geordneten finanziellen Verhältnisse haben. Wenn die Staatsschulden nur zurückgezahlt werden könnten, indem jeder Staatsbürger mit mindestens 100 000 S überschuldet wird, dann ist es ganz einfach nicht so, daß wir geordnete Verhältnisse haben. Wir sind mit über 1,5 Billionen Schilling total überschuldet! Da kann man doch wirklich nicht davon reden, daß das geordnete Verhältnisse sind. (Abg. Auer: An vierter Stelle in der EU!)

Ich zitiere wieder Herrn Professor Tichy. Er sagt: Das Ganze mit den Einnahmen und Ausgaben ist ein Humbug. Ein Notprogramm hätte hergehört. Und in diesem Notprogramm hätten fixe Termine eingesetzt werden müssen für alle notwendigen Reformen. – Ihr Programm hat keine


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Fixtermine, Ihr Programm enthält überhaupt keine notwendigen Strukturmaßnahmen, sondern Ihr Programm besteht hauptsächlich aus Platitüden, aus flachen Ankündigungen wie: man soll, wir werden, offensiv, Ausbau und so weiter. Nur Ankündigungen sind das! Sie machen überhaupt keine Vorschläge. (Abg. Platter: Da haben Sie das Paket noch nicht angeschaut!) Sagen Sie mir bitte, wie Sie die 30 000 Arbeitsplätze schaffen wollen, von denen Sie ständig reden! Wären Sie arbeitslos, dann wären Sie sicher daran interessiert, wie die Arbeitsplätze geschaffen werden. (Heftige Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie machen überhaupt keine konkreten Vorschläge, wie die jungen Menschen, denen Sie jetzt die Studienzeit verschärfen wollen, indem Sie die finanziellen Zuwendungen kürzen, einmal beschäftigt werden sollen. Wie sollen diese jungen Menschen einmal eine Pension kassieren können? – Diese Fragen lassen Sie alle unbeantwortet.

Sie lassen auch die Frage unbeantwortet, wie das Gesundheitssystem je reformiert werden soll. Mein Kollege Scheibner hat es schon gesagt: 9 000 S kostet ein Platz im Spital. (Abg. Schwarzenberger: Nur in Wien!) Sie haben überhaupt keine Vorschläge, wie man da vorgehen soll.

Sie machen auch überhaupt keine Vorschläge, wie man unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig machen, wie man die Forschung ausbauen soll, damit wir nicht das Schlußlicht von Europa sind. Das vermisse ich.

Ihr Programm ist kein Konsolidierungsprogramm. Ihr Programm ist das Programm von Parteien, die es gewohnt sind, mit dem Rasenmäher überall drüberzufahren. In Wirklichkeit gibt es einen dramatischen Handlungsbedarf, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Ihre Redezeit beträgt maximal 14 Minuten.

17.10

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! – Herr Bundesminister! Sie haben uns gestern erklärt, man werde in Zukunft verstärkt auf alternative Finanzierungsformen in Form der Private Public Partnerships übergehen – so steht es jedenfalls auf Seite 13 Ihrer schriftlichen Erklärung.

Herr Bundesminister! Ich darf an Sie konkret die Fragen richten: Was meinen Sie damit? Wollen Sie es bei diesem Schlagwort bewenden lassen, oder wollen Sie auch einen Inhalt hineinverpacken? – So richtig transparent ist es ja nicht, was Sie eigentlich vorhaben.

Da steht einmal das mit 60 Milliarden Schilling bewertete Schieneninfrastruktur-Finanzierungsgesetz im Raum. Es ist jenes 60-Milliarden-Schilling-Paket, das – natürlich im Wege der Fremdfinanzierung – ausschließlich der Infrastruktur im Bahnbereich zugute kommen soll.

Ursprünglich – noch vor einigen Monaten – war das ja, wenn ich mich recht erinnere, ein 200-Milliarden-Paket oder jedenfalls eine 200-Milliarden-Idee. Sie sind, glaube ich, bei Ihrem Koalitionspartner nicht auf sonderlich hohe Bereitschaft gestoßen, das zu akzeptieren. Sie konnten auch in der "Pressestunde" im Fernsehen keine Erklärung abgeben, wofür Sie diese Beträge eigentlich wirklich verwenden wollen, wie viele Sondergesellschaften Sie noch planen, wer als Partner für diese Private Public Partnerships zur Verfügung steht, welche Ausfallshaftungen der Bund übernehmen wird. (Bundesminister Mag. Klima: Das war nicht in der "Pressestunde"!) Doch, das war in einer "Pressestunde", Herr Minister; Sie erinnern sich sicher. Es war vor etwa sechs Monaten.

Außerdem, Herr Bundesminister, würde ich gerne von Ihnen hören, ob Sie bei Ihrer Aussage bleiben, daß diese Private Public Partnerships ohne Ausfallhaftung des Bundes über die Bühne gehen sollen, ob die Firmen, die Privatfirmen, die sich in solch ein Vorhaben einlassen, wirklich –


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wie Sie im Zuge der Semmering-Debatten schon einmal gesagt haben – auf solche Ausfallhaftungen verzichten und das volle Risiko übernehmen.

Ich sage Ihnen, Herr Bundesminister: Ihre Behauptung von damals wird sich nicht bewahrheiten, und Ihre Absicht, die anscheinend auch hinter dem Budget steckt, nämlich ebenfalls keine Ausfallhaftungen abgeben zu müssen, wird sicher nicht aufgehen. (Abg. Auer: Wer weiß!) Ja, wer weiß! Aber ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen.

Aus diesen 200 Milliarden Schilling sind jetzt eben 60 Milliarden Schilling in einem Zweijahresrhythmus geworden – durch einfache Division durch sieben und Ausmultiplikation mit zwei. Ein Betrag von 60 Milliarden Schilling ist vielleicht etwas leichter verkaufbar als 200 Milliarden Schilling. Nur, Herr Bundesminister: Das ist alles reine Zahlenspielerei. Was mich daran stört, ist, daß Sie dem Management der Bundesbahnen im Wahlkampf und auch nach dem Wahlkampf versprochen haben: Die 60 Milliarden Schilling werdet ihr bekommen, dafür werde ich mich einsetzen, ich garantiere dafür. – Wahrscheinlich haben Sie auch Ihren berühmten Satz gebraucht: Ich, Klima, werde nicht zulassen, daß irgend jemand die 60 Milliarden Schilling in Frage stellt.

Ich muß Ihnen aber darauf sagen: Bevor das Parlament mit dieser Angelegenheit befaßt ist, bevor wir Parlamentarier nicht genau wissen, was Sie damit wirklich bewerkstelligen wollen, welche Projekte angegangen werden, sollte dieses Parlament nicht zulassen, daß es dafür eine Genehmigung gibt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Die Worte "nicht zulassen" kommen Ihnen recht häufig über die Lippen. Sie haben an anderer Stelle – auch vor rund sechs Monaten – gesagt, Sie werden nicht zulassen, daß die österreichische Post zerschlagen wird, und Sie haben auch bei weiteren Gelegenheiten – passend oder unpassend – sehr gerne vom "nicht zulassen" gesprochen.

Angesichts so vieler Machtworte, Herr Bundesminister, muß ich Sie schon fragen: Wie halten Sie es mit dem Parlamentarismus? Wir sollen zulassen, daß ein solches Paket, wie heute eindrucksvoll demonstriert wird, hier in wenigen Tagen "heruntergenudelt" wird, aber Sie lassen so manches nicht zu. – Das einzige, was Sie wirklich zugelassen haben, ist, daß sich zwar eine Handvoll Experten mit diesem Budget auseinandersetzen konnte – wir aber nicht.

Für den Bereich der Schieneninfrastruktur wird also viel Geld ausgegeben und bereitgestellt, andere Infrastrukturvorhaben, wie beispielsweise die Breitband-Datenkommunikation, sind völlig intransparent. Es gibt keine klare Aussage von Ihnen, wieviel der Staat in den nächsten Jahren investieren wird, ob das auch mit Private Public Partnerships gehen wird, wieviel Private alleine einbringen werden und so weiter. Wer investiert? Die Post oder das private Unternehmen? – All diese Fragen stehen im Raum, es gibt keine befriedigenden Antworten.

Aber gerade hier, Herr Bundesminister, schaut die Realität recht traurig aus. Wenn Sie nämlich den Sektor Datennetzwerke außerhalb der städtischen Ballungszentren betrachten, dann werden Sie feststellen, daß man hier mit miserablen Übertragungsraten von 4 800 Baud arbeitet, und nicht einmal das Pan-Datennetz garantiert die 9 600, obwohl die Post eine diesbezügliche Erklärung abgegeben hat. – Ich muß Sie also fragen: Wo bleiben die notwendigen Investitionen und Innovationen?

Es gibt jede Menge Studien, Pilotprojekte und hervorragende Einzelergebnisse in der Theorie, aber was nützen uns letzten Endes diese Studien, wenn die Ergebnisse so vor sich "hinmarodeln" und nicht umgesetzt werden können? – Sie, Herr Bundesminister, sollten nicht zulassen, daß diese Konzepte in der Schublade verschimmeln. Sie sollten uns besser erklären, welche Innovationsschritte in diesem Bereich durchgeführt werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn Sie uns das nämlich nicht erklären und so fortfahren wie bisher und wenn auch Ihr Nachfolger, Herr Minister Scholten, den gleichen Weg beschreitet wie Sie die letzten zwei Jahre, halt immer so ein bißchen hinterherzuhinken, dann lassen Sie, Herr Bundesminister, damit zu,


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daß Österreich in Bälde zu den Schlußlichtern im Bereich des Europäischen Datennetzwerkes zählt.

Herr Bundesminister! Sie sollten auch nicht zulassen, daß die österreichische Post vor die Hunde geht. Den Entwurf Ihres Poststrukturgesetzes, die weitere finanzielle Aushöhlung – ich möchte Sie nur daran erinnern, daß noch etliche Milliardenbeträge in Richtung Finanzminister fließen – und das Vorhaben, die gesamte Post in einem an die Börse zu bringen, halte ich für völlig untaugliche Mittel, die Post zu sanieren. Ich sage das ganz bewußt, weil ich in Sorge um die österreichische Post bin. Ich habe kein Interesse daran, daß die Post ein Sanierungsfall wird. Wir hatten in der Vergangenheit, meine Damen und Herren, schon zu viele und zu teure Sanierungsfälle, wir brauchen uns nicht mit Gewalt einen neuen heranzuzüchten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, daß wir Liberale für eine echte Postreform eintreten und für Scheinlösungen, wie sie anscheinend geplant sind, mit drei Sparten und Schulden-Holding und Obergesellschaft und so weiter nicht zur Verfügung stehen, daß wir für diese Art des Nicht-die-Wahrheit-Sagens nicht zu haben sind. Wir treten auch nicht dafür ein, daß man dem privaten Aktionär weismacht, er könne dieses Unternehmen in absehbarer Zeit kaufen. Das ist eine Verzögerungstaktik, weil Sie, Herr Bundesminister, wie wir wissen, vor der Postgewerkschaft in die Knie gegangen sind und gesagt haben: Ich werde nicht zulassen, daß die Post aufgeteilt wird!, und so im Gegenzug einen Streik bei den Postbediensteten verhindert haben.

Das ist legitim, nur soll man die Wahrheit sagen, daß Sie sich in diesem Fall nicht durchgesetzt haben. Ich glaube nämlich selbst nicht, daß Sie das ernst meinen, daß man mit so einem Konglomerat, mit einer maroden gelben Post, die man mit vier, fünf Milliarden Schilling erst einmal herrichten muß, an die Börse gehen kann. In den Voranschlägen für die Jahre 1996 und 1997 habe ich keine Privatisierungserlöse gefunden, ich nehme an, daß die Privatisierung und der Börsegang 1998 stattfinden werden. Ich bin sehr gespannt, wie das wirklich gehen wird, aber ich trete auch dafür ein, daß man die Wahrheit sagt und mit der Wahrheit nicht erst im allerletzten Moment oder scheibchenweise herausrückt. Ich bin dafür, daß man dem Publikum, den möglichen Interessenten, der Öffentlichkeit und auch diesem Parlament die Wahrheit sagt. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Abgeordneter Brix. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

17.21

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Der Themenbereich Umwelt ist sehr gut positioniert in diesem kommenden Budget, wenn auch bei den Umweltförderungsmaßnahmen im Jahr 1996 eine Senkung von 5 Millionen Schilling vorgesehen ist. Die Förderungsmaßnahmen werden von 125 auf 120 Millionen Schilling gesenkt, und im Jahr 1997 gibt es eine weitere Senkung auf 117 Millionen Schilling. Wenn man sich den Forschungsbericht des Bundes ansieht, dann muß man sagen, es gibt noch einiges an Einsparungspotential. Ich glaube, daß man noch einiges zusätzlich für andere Bereiche in der Umwelt wird verwenden können.

Bei aller Bekenntnis zur Notwendigkeit verschiedener Maßnahmen gibt es gerade im Umweltbereich immer wieder Auseinandersetzungen zwischen dem Bund und den Ländern wegen der Kostentragung. Bei der Errichtung von Meßstellen nach dem Smogalarm-Gesetz beispielsweise sind sich Bund und Länder nicht einig, wer für was aufkommen soll.

Ähnliches soll beim geplanten Emissionsschutz-Gesetz auf jeden Fall verhindert werden. Es ist eine Notwendigkeit, daß man diesen Streit nicht auch im Emissionsschutz-Gesetz fortschreibt.

Der Öko-Fonds hat sich in den letzten Jahren wieder stabilisiert, wenn es auch noch einige Detailprobleme gibt. Besonders liegt mir das Problem des Ost-Öko-Fonds am Herzen, denn es können nur immaterielle Förderungen gegeben werden, sehr oft scheitert dann die Realisierung


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des Projektes daran, daß in den betroffenen Ländern nicht ausreichende Hardware-Investitionen vorhanden sind, sodaß alle gutgemeinten Förderungszusagen nicht realisiert werden können.

Meine Damen und Herren! Es gibt jedoch auch positive Gegenbeispiele, wie zum Beispiel die Förderung der Rauchgasentschwefelung für das Kraftwerk Šoštanj in Slowenien. Im Zuge der Diskussion über das Kernkraftwerk Mochovce ist auch von unserem Umweltminister die Forderung erhoben worden, den Öko-Fonds aufzustocken. Im Budgetvoranschlag sind für den Öko-Fonds insgesamt 542 Millionen Schilling vorgesehen. Damit sollte trotz des Sparpaketes für die Projekte des wirklich sehr wichtigen Ost-Öko-Fonds eine ausreichende Dotierung vorhanden sein.

Meine Damen und Herren! Im Umweltfonds wird eine Vielzahl von Projekten im Rahmen von Aktionen abgewickelt. Für derartige Aktionen gilt ein vereinfachtes Verfahren, das geeignet ist, kleinere Projekte ohne großen bürokratischen Aufwand abzuwickeln.

Auf der anderen Seite unterscheiden sich die spezifischen Kosten gerade bei derartigen Projekten oft in einem sehr hohem Ausmaß, was immer wieder zu Diskussionen in der Umweltfonds-Kommission Anlaß gibt.

Einem dieser Probleme möchte ich meine besondere Aufmerksamkeit widmen, denn über dieses Ökofonds-Gesetz wird vor allem noch im Detail im Ausschuß zu reden sein.

Im Zuge der Debatten um die Novelle des Wasserrechtsgesetzes und die entsprechenden Emissions- und Immissionsverordnungen treten Kosten-Nutzen-Überlegungen immer mehr in den Vordergrund. Es ist volkswirtschaftlich zu diskutieren, ob die Erhöhung des Reinigungsgrades um 10 Prozent, ob die Investitionen in Kläranlagen in der Größenordnung von mehreren Millionen Schilling volkswirtschaftlich vertretbar sind oder ob es nicht notwendiger und besser wäre, dieses Geld in andere Wasserprojekte, wie zum Beispiel in die Sanierung der Grundwasser, zu stecken. Es stellt sich die Frage, ob es noch notwendig ist, daß ein Erfolg von 76, 78 oder vielleicht 80 Prozent bei der Kläranlage erzielt wird.

Für die Altlastensanierung sind im Bundesvoranschlag 1996 wie auch im Bundesvoranschlag 1997 300 Millionen Schilling veranschlagt. Das wesentliche Problem der Altlastensanierung besteht in der unzureichenden Einhebung der Altlastenbeiträge von den Deponiebetreibern. Die als Budgetbegleitgesetz eingebrachte Novelle des Altlastensanierungsgesetzes soll diesen Vollzug verbessern und die Einhebung der Altlastensanierungsbeiträge auf eine neue Basis stellen.

Hohes Haus! Das Jahr 1995 war das internationale Jahr des Naturschutzes. Es ist daher verständlich, wenn der Bundesminister Schwerpunktaktivitäten beim Naturschutz gesetzt hat. Eine der Aktivitäten war die Ratifizierung der Alpenkonvention. Diese Alpenkonvention kann jedoch nur dann mit Leben erfüllt werden, wenn die einzelnen Protokolle, nämlich Verkehr, Berglandwirtschaft, Wirtschaftsraum Alpen und so weiter, ausverhandelt und von den Unterzeichnerstaaten ratifiziert sind. Das fehlt uns zurzeit noch.

Derzeit spießt es sich vor allem beim Verkehrsprotokoll, weil Deutschland und Italien gegen die österreichische Position Stellung beziehen. Aber, meine Damen und Herren, eines muß für uns hier in diesem Haus klar sein: Neue alpenquerende Transitrouten auf den Straßen kommen für uns nicht in Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf eines freuen wir uns besonders – und das ist wirklich ein positiver Aspekt –: Im Jahr 1996, also im Jahr der Milleniumsfeier, wird noch der Nationalpark Donau-Auen eröffnet werden. Ab diesem Zeitpunkt werden wir eine frei fließende Donau östlich von Wien bis zur Staatsgrenze haben und können wir unserer Jugend endlich einen Park anbieten, der die Vielfalt dieser wunderschönen Au präsentieren kann.

Meine Damen und Herren! Der Bereich der Abfallwirtschaft ist sicher der derzeit problematischste im Umweltministerium. Es beginnt mit dem Bundesabfallwirtschaftsplan, in dem die


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festgeschriebenen Zahlen ziemlich weit von der Realität abweichen, und endet mit den bekannten Problemen der Verpackungsverordnung.

Beim Vollzug der Verpackungsverordnung ist die Lizenzierung in allen Bereichen noch nicht ausreichend. Dies führt dazu, daß die Unternehmen, die Lizenzierungsbeitrag zahlen, die Trittbrettfahrer noch immer mitfinanzieren, wodurch es zu einer deutlichen Wettbewerbsverzerrung kommt. Eine Reform der Verpackungsverordnung, wie wir sie schon mehrmals angekündigt haben, ist daher – auch angesichts des bevorstehenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes – unbedingt erforderlich und muß demnächst verwirklicht werden.

Ein zusätzlicher Schwerpunkt in der Umweltpolitik ist die aktive Rolle Österreichs bei der Umweltschutzpolitik in der Europäischen Union. Österreich wird in der EU dafür eintreten, den Umweltschutz in allen Politiken der EU zu verankern und die Gemeinschaftsinstrumente zu stärken. Danach zu streben, daß höhere nationale Standards beibehalten werden können, ist eine große Verpflichtung und eine große Herausforderung für den Umweltminister.

Die Europäische Umweltagentur wird eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der europäischen Umweltpolitik haben. Österreich als einer der Vorreiter im Bereich des Umweltschutzes in der EU sollte mit seinem exzellenten Know-how in der Europäischen Umweltagentur ausreichend vertreten sein, und der Umweltminister wird alles daransetzen, daß auch diese Vertretung erreicht wird.

Meine Damen und Herren! Ein gutes Zeugnis hat die OECD Österreichs Umweltpolitik ausgestellt. Auch der Umweltkontrollbericht konnte sich sehen lassen.

Umweltschutz ist ein positiver Standortfaktor. Der Wirtschaftsstandort Österreich und die Arbeitsplätze können auch mit Umweltschutz gesichert werden, vor allem durch eine ökologische Strukturoffensive. Die Finanzierung von Umweltinvestitionen, auch durch Private-Public-Partnership-Modelle, die Aktivierung einer zusätzlichen Milliarde im Wasserwirtschaftsfonds, die Aktivierung einer Milliarde für Altlastensanierung – diese Maßnahmen sichern, wie gestern der Finanzminister in seiner Budgetrede schon gesagt hat, zusätzlich 3 000 Arbeitsplätze.

Die Schwerpunktsetzung in der Umwelttechnik als Zentrum für umweltgerechte Produktion, um Entwicklungen österreichischer Unternehmen auf den Exportmärkten zu unterstützen, wird ebenfalls eine Aufgabe sein, die wir mit diesem Budget wahrnehmen können.

Meine Damen und Herren! Trotz führender Rolle haben wir noch beachtliche Aufgaben zu lösen. Wir haben vor allem in der nächsten Zeit, wie ich schon zuerst gesagt habe, die Grundwassersanierung und den Grundwasserschutz voranzutreiben. Wir haben vor allem das Problem der Altlastensanierung zu erledigen, die Abfallvermeidung und -entsorgung, die generelle Verbesserung unserer Luft und die Verminderung des Sommerozons zu forcieren. Defizite im Vollzug und bei der Kontrolle des Umweltrechtes müssen noch beseitigt werden. Und vor allem müssen wir schauen, daß die Belastung durch den Verkehr reduziert wird.

Meine Damen und Herren! Der Schutz der Umwelt ist eine der zentralen Aufgaben der staatlichen Daseinsvorsorge. Im Rahmen des Vorsorgeprinzipes hat der Staat für unsere Gesellschaft, für alle Menschen in Österreich saubere Luft, sauberes Wasser, reines Trinkwasser und den Schutz vor Lärm sicherzustellen. Er hat aber auch am Verursacherprinzip, am Prinzip der Kostenwahrheit im Bereich des Umweltschutzes und vor allem in der gesamten österreichischen Umweltpolitik festzuhalten.

Um das Problem der Vollzugsdefizite zu lösen, müssen wir eine Überarbeitung und Vereinfachung des Umweltgesetzes vornehmen. Es muß ein einheitliches Anlagenrecht geben, das gewährleistet, daß das Verfahren rasch und für die Öffentlichkeit transparent abgewickelt wird, sodaß gesundheitliche Gefahren und unzumutbare Belästigungen unter Einhaltung klar vorgegebener Grenzwerte mit Sicherheit vermieden werden und vermeidbare Umweltbelastungen durch Nutzung modernster Technologie unterbleiben.


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14. Sitzung / Seite 120

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir werden rasch – noch vor dem Sommer – Maßnahmen gegen das bodennahe Ozon setzen müssen. Nicht nur der Verkehr, wie zum Beispiel die verbesserte Katalysatorentechnik, sondern auch die jährliche Emissionsüberprüfung für alle Kfz und vor allem für die LKW müssen auf der Liste der Forderungen stehen.

Wir müssen aber auch die Industrie fordern, damit wir nicht wieder höhere Werte beim bodennahen Ozon bekommen. Das heißt, es sind zu kontrollieren die Druckereien, die Lackierereien und vor allem die Spanplattenerzeugung. Was das betrifft, ist der vorliegende Entwurf des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten nicht der allerbeste.

Wir müssen aber auch im Bereich der Energie Vorsorge treffen, daß es im Sommer nicht wieder zu höheren Werten beim bodennahen Ozon kommt. So müssen die Typengenehmigungen für Kleinfeuerungsanlagen, die Einhaltung der regelmäßigen Wartung von Heizanlagen, der NOx-Grenzwerte für alle Arten von Feuerungen überprüft werden. Und wir brauchen auch für die landwirtschaftlichen Betriebe eine Fernwärmeförderung. Wir sollten uns ein Beispiel an Wien nehmen, wo in den letzten Monaten Fernwärme den Erwerbsgärtnern zur Verfügung gestellt wurde, und das zu einem kostengünstigen Preis, damit auch die Produkte kostengerecht auf den Markt gebracht werden können und es zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommt. Ich glaube, eine Fernwärmeförderung wäre auch für den landwirtschaftlichen Bereich von hohem Nutzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sollten aber auch die Emissionsgrenzwerte bei den landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Maschinen überprüfen. Auch die müssen wir, genauso wie bei Düngung und bei der Gülleausbringung, bei der Bekämpfung des Sommerozons mit einbeziehen.

Für die kommenden Jahre – und es ist auch im Budget dafür vorgesorgt – sind Maßnahmen für den Klimaschutz geplant. Die Länder sollen vor allem mit Mitteln aus der Energiesteuer die Möglichkeiten bekommen, Gebäudesanierungen voranzutreiben. Ich meine insbesondere die Ausstattung von Wohnhäusern mit Wärmedämmungen, die zu einer Senkung des Energieverbrauches führen.

Eine Forderung, die schon lange hier in diesem Haus ausgesprochen wurde, sollten wir vorantreiben: daß eine Senkung des Treibstoffverbrauches bei den Kraftfahrzeugen eintritt. Es gehört endlich einmal das 3-Liter-Auto von der Industrie auf den Markt gebracht.

Wir haben drei Schritte im Bereich der Energiesteuern gesetzt: Der erste Schritt war die Erhöhung der Mineralölsteuer für alle Kraftstoffe um 60 Groschen ab 1. 1. 1994. Diese Mittel wurden den Ländern für Zwecke des öffentlichen Nahverkehrs zur Verfügung gestellt, und wir sollten diese Gelder bei jenen Ländern einfordern, die das Geld nicht für den Nahverkehr ausgeben, sondern damit andere Ausbaumaßnahmen vorantreiben.

Den zweiten Schritt haben wir am 1. Mai 1995 mit einer Erhöhung der Mineralölsteuer auf Treibstoffe und Heizöle um 60 Groschen gesetzt. (Abg. Parnigoni: Güterwege in der Steiermark!)

Wie der Kollege Parnigoni richtig sagt: Anstatt das Geld für den Ausbau von Güterwegen in der Steiermark zu nutzen, sollten sie das Geld lieber für den Bereich des Nahverkehrs ausgeben.

Und jetzt folgt der dritte Schritt mit 1. Mai 1996, nämlich die Erhöhung der Steuer auf Gas und Strom, wobei der Strom mit 10 Groschen pro Kilowattstunde und das Gas mit 60 Groschen pro Kubikmeter besteuert wird.

Meine Damen und Herren! In diesem Budget haben wir viele Möglichkeiten, die wir für unsere Umwelt nutzen werden. Wir haben nämlich die Möglichkeit, daß wir die Entwicklung kosteneffizienter Methoden und Maßnahmen zur Vermeidung und Sanierung von Umweltbeeinträchtigungen und Umweltgefahren vorantreiben. Wir wollen Umweltschutz mit Augenmaß! Fortschritt ist nicht Stillstand, aber nach klaren Kosten-Nutzen-Überlegungen durchzuführen.


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Wir wollen nicht länger Milliarden in Kanalbauten und in die aufwendige Steigerung der Reinigungsleistung von Kläranlagen um wenige Prozente investieren, sondern – noch einmal sei es hier wiederholt – diese freiwerdenden Mittel sollen zur Sanierung von Grundwasser und Altlasten verwendet werden. Wir wollen vor allem Strafen für Umweltkriminalität, zum Beispiel für illegale Müllexporte, Atomschmuggel et cetera. Hier soll das Abschöpfen von Gewinnen aus diesen Verbrechen herangezogen werden.

Wir wollen weiter eine klare Anti-AKW-Politik. Österreich muß sich weiterhin gegen die AKW-Kraftwerke bei den Nachbarn wehren. Wir brauchen eine Anti-AKW-Politik innerhalb der Europäischen Union. Wir wollen den langfristigen Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie überhaupt in Europa. Und wir wollen eine aktive Anti-AKW-Politik in bilateralen und internationalen Gremien. Bemühungen um eine internationale Haftung für Nuklearunfälle gehören noch zu diesem Paket dazu.

Ich glaube, daß die nächsten vier Jahre der Umweltpolitik genug Chancen geben, eine Politik zu machen, die es den Menschen ermöglicht, in einer gesunden Umwelt zu leben. Ich glaube, mit dem vorgeschlagenen Maßnahmen sind wir auf einem guten Weg in unserem Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

17.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Abgeordnete, der zu Wort gemeldet ist, ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

17.39

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die letzten Jahre waren davon gekennzeichnet, daß wir ein enormes Wirtschaftswachstum hatten. Wir haben darauf auch unsere Budget- und Wirtschaftspolitik orientiert und nicht zuletzt auch alle anderen Leistungen, die allgemein der Staat zu erbringen hat, danach ausgerichtet. Wir haben – und das, glaube ich, ist tagtäglich erkennbar – zurzeit große Veränderungen zu durchleben, Veränderungen in der Wirtschaft, in der Gesellschaft, auf die wir Antworten brauchen und auch klar reagieren müssen. Ich glaube, daß das eine große Herausforderung und eine enorme Anstrengung für uns alle sein wird. Wir müssen mit größter Behutsamkeit zeitgerecht Dinge verändern, die uns bisher als immer sicher gegolten haben.

Sowohl in der Regierungserklärung als auch im Budget 1996 und 1997 sind klare Absichten dokumentiert, klare Ziele vorgegeben. Ich persönlich orte, daß die Bürger draußen diese Neuentwicklung mit viel Verständnis mittragen. Sie erklären allgemein, daß sie darauf warten, daß die Politik auf all diese Veränderungsprozesse reagiert.

Das einzige Ziel, das wir erreichen müssen, ist, daß wir die Vorgriffe auf die Zukunft eindämmen, um den Spielraum für die Zukunft zu sichern. Wir können nicht heute unseren Kindern und den nachfolgenden Generationen alles wegnehmen. Wir müssen auch auf sie Rücksicht nehmen und ihnen entsprechende Handlungsfähigkeit sichern. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

All die Leistungen, die wir heute haben und für so wichtig erklären, können wir nur sichern, wenn die Wirtschaft insgesamt in Ordnung ist. (Abg. Ing. Reichhold: In dein Mitteilungsblatt schreibst du aber etwas ganz anderes!) Du schreibst gar nichts, weil du nichts zum Schreiben hast, weil dir nichts einfällt. (Abg. Dr. Höchtl: Weil er nicht schreiben kann, oder wie? – Heiterkeit.)

Wir müssen also davon ausgehen, daß sich Dinge ändern müssen, daß wir Arbeit sichern müssen und die Wirtschaft absichern müssen. Wenn wir nicht Erträge erwirtschaften, dann können wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf keinen Fall diese Leistungen erbringen. Ich meine, daß sowohl Herr Bundesminister Ditz als auch Herr Bundesminister Klima klare Vorgaben gemacht haben, daß wir – wie ich glaube – intelligente Ansätze haben (Abg. Böhacker: Steuererhöhungen!) und daß der 17. Dezember deshalb ein wichtiger Tag war, weil ein Umdenken in der gesamten Gesellschaft und auch in der Politik stattgefunden hat – dieses müssen wir entsprechend fortsetzen.


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Mißtöne, Herr Kollege Reichhold, die heute hier herinnen von Oppositionspolitikern gekommen sind, sind selbstverständlich. Es ist ja nicht anzunehmen, daß die Opposition die Regierung unterstützt. Das ist ja etwas ganz Normales.

Meine Damen und Herren! Was mich stört, sind nicht Ihre kritischen Anmerkungen, sondern daß Sie keine tauglichen Vorschläge einbringen. Daran fehlt es. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Da hast du meine Rede heute nicht gehört!)

Leichtfertige Kritik wie "Schwindelbudget" oder "sozialer Kahlschlag" sind Schlagworte, die Sie sich für Ihre eigenen Parteiveranstaltungen aufheben können, die brauchen Sie dem Hohen Haus hier nicht zu erklären. Das können Sie für sich behalten! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Bei Schüssel und Ditz können Sie lernen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Wichtig ist, daß wir erkennen, wo die großen Wachstumsentwicklungen waren. Sie waren im öffentlichen Dienst – da gibt es ganz klare Restrukturierungsmaßnahmen – und vor allem in der Sozialpolitik.

Heute wurde hier heraußen mehrmals gesagt, wie unsozial die jetzigen Vorlagen seien. Ich habe Verständnis dafür, daß man sich mit diesen Veränderungen wirklich kritisch auseinandersetzt, ich habe aber kein Verständnis dafür, wie Sie das darstellen. Sie sagen, ein 18jähriger Sohn hätte bei einer Behinderung 550 S zur Verfügung und sonst nichts. Wenn dieser arme Sohn keine Eltern hat, die der Sorgepflicht nachkommen, dann kann er aufgrund der Sozialhilfe sehr wohl Einnahmen erwarten, die es ihm ermöglichen, ein menschenwürdiges Leben zu führen.

Meine Damen und meine Herren! Erkundigen Sie sich diesbezüglich! Wenn es anders wäre, könnten Sie es hier behaupten. – Sie haben somit hier eine unrichtige Darstellung gebracht! (Abg. Ing. Reichhold: Du schreibst in deinem Mitteilungsblatt das Gegenteil!)

Nächster Punkt: Die Alterssicherung als solche ist deshalb zu überdenken, weil wir mit dem Pensionssystem auf keinen Fall auf Dauer Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik machen können. Wir müssen das Pensionssystem für die Alterssicherung anwenden; dafür wurde es auch geschaffen. Alles andere muß aufgearbeitet und beiseite geschafft werden.

Arbeitslosigkeit ist sicher etwas, was jeden Menschen schwer trifft. Wenn es in diesem Bereich Umbaumaßnahmen gibt, dann nur deshalb, weil das System, so gut es gemeint war, und die Ansätze, so richtig sie auch waren, auch zu Fehlentwicklungen geführt haben. Und diese einzugrenzen, ist unsere Aufgabe, ist die Herausforderung. Dafür treten wir ein, und deshalb verändern wir auch die Zielsetzungen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Kollege Scheibner! Sie haben hier gesagt, Sie kennen eine Spitalsabrechnung, die 10 000 S pro Tag ausmacht, bei der die gesetzliche Sozialversicherung aber nur 2 000 S bezahlt hätte. Lieber Herr Kollege Scheibner! Sie müssen schon, wenn Sie hier stehen, die Wahrheit sagen! – Es kann schon sein, daß das stimmt, aber dann waren Sie in einem Privatspital. Das ist Ihre private Entscheidung, das können Sie machen. (Abg. Scheibner: Nein, ich habe gesagt: im Allgemeinen Krankenhaus, Herr Kollege!) Wenn die gesetzliche Sozialversicherung auch Leistungen in Privatspitälern bezahlt, ist das bestimmt nicht schlecht. (Abg. Scheibner: Das ist kein Privatspital, das sollten Sie wissen, und nicht hier Unwahrheiten sagen!)

Ich sage Ihnen etwas: Wir wissen, daß wir gerade im Gesundheitsbereich vor sehr großen Herausforderungen stehen, wir werden sie gemeinsam zu bewältigen haben. Und ich erwarte mir auch von Ihnen gute und, wenn Sie wollen, intelligente Vorschläge für den Fall, daß Sie sich hier einbringen wollen – wenn nicht, dann machen auch diese Erklärungen wenig Sinn, denn sie sind einfach nicht richtig!

Ich glaube, im Gesundheitswesen müssen wir freiwillige Leistungen zurücknehmen, damit wir die Grundleistungen, die gesetzlichen Leistungen auch für die Zukunft sichern können. Das ist eine Herausforderung, der wir uns engagiert gegenüberstellen müssen. (Abg. Ing. Reichhold: Aber du schreibst das Gegenteil in deinen Mitteilungen!)


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Meine Damen und Herren! Dieses Budget mit seinen Veränderungen findet unsere Zustimmung. Erstens: weil wir verantwortungsbewußt handeln und es keine Alternative dazu gibt – ich glaube, es ist wichtig und richtig, daß man das zeitgerecht aufzeigt. Zweitens: weil wir für heute und für morgen arbeiten und nicht für uns selbst – das kann ich hier manchmal feststellen. Und drittens stimmen wir deshalb zu, weil unser Arbeitsprogramm nicht Unterhaltungswert haben soll, weil wir mit unserem Arbeitsprogramm kein Selbstgefälligkeitsdarstellungsbedürfnis befriedigen, sondern weil wir das Wohl der Menschen in diesem Lande vor Augen haben, und denen müssen und werden wir dienen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Ing. Reichhold hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter! Bitte beginnen Sie mit der Darstellung des Sachverhaltes, den Sie berichtigen wollen. (Abg. Leikam: Er muß immer das letzte Wort haben!)

17.47

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Donabauer unterstellte den Freiheitlichen die geistige Urheberschaft für den Begriff "Schwindelbudget". Das ist unrichtig.

Diese geistige Urheberschaft beanspruchen nicht die Freiheitlichen, sondern der Vizekanzler und ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei den Freiheitlichen: "Staatsnotstand" hat er auch gesagt!)

17.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.47

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Nach den eher doch sehr launig, aber sehr agil vorgetragenen Traumdeutereien meines Vorredners, Präsident Donabauer, müssen wir doch wieder zur eher traurigen Realität dieser Budgets zurückkehren. Ich möchte mich doch vor allem mit dem Urheber und Herausgeber dieser Budgets, unserem Herrn Finanzminister, befassen.

Ich habe festgestellt, daß von seiner doch eher sehr sympathischen Ausstrahlung, die er früher hatte, in der letzten Zeit einiges abhanden gekommen ist. Sein Lächeln ist in letzter Zeit – ich habe das heute festgestellt – eher gequält geworden; ich kann mir auch vorstellen, warum, wenn ich mir einige Details seiner gestrigen Budgetrede ins Gedächtnis rufe. Er weiß nämlich ganz genau, daß bestimmte Sachen, die er darin verkündet hat, nicht der Wahrheit entsprechen; zum Beispiel daß von den verkündeten Maßnahmen zwei Drittel Einsparungen und ein Drittel Einnahmen betreffen. Das hat sich schon vor langer Zeit verschoben. Ich würde Sie bitten, das auch einzugestehen.

Herr Bundesminister! Sie wissen natürlich auch, daß der Zug Österreich auf den von Ihnen zitierten Schienen – einerseits Beschäftigungsoffensive und andererseits Konsolidierung – beim besten Willen nicht parallel fahren kann. Sie wissen aber auch, daß entgegen Ihren gestrigen Aussagen auch zukünftige Notprogramme erforderlich sein werden – das hat die heutige Debatte ja auch wieder bestätigt –, weil Sie es tunlichst vermieden haben, echte Reformschritte in Angriff zu nehmen.

Die beiden Budgets, die Sie uns hier präsentiert haben, Herr Finanzminister, sind Familienverhinderungsbudgets und somit Antiösterreichbudgets. Sie sind Antiarbeitsplatzbudgets, Antiwirtschaftsbudgets und Antidemokratiebudgets geworden.

Durch die Belastungen, die dadurch auf die zukünftigen Generationen zukommen werden, sind sie auch Antizukunftsbudgets geworden.


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14. Sitzung / Seite 124

Schon in der Schule lernen die jungen Menschen, daß das Budget die in Zahlen gegossene Politik ist. Wenn man in der Kommunalpolitik tätig ist oder war, weiß man, daß die Budgets Hilfe dazu sind, für die Kommunalpolitik Signale zu setzen und Prioritäten dort zu setzen, wo man sie haben will.

Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Bundesminister (Bundesminister Mag. Klima spricht mit Abg. Eder ) – auch wenn Sie mir nicht zuhören; es steht dann zumindest im Protokoll –: Die Signale, die diese Regierung mit diesen Budgets gesetzt hat, sind einfach falsch! Sie sind ein Riesenschritt weg von der anzustrebenden Chancengleichheit für alle Bürger auf allen Ebenen!

Es ist selbstverständlich so, daß bestimmte Bevölkerungsgruppen stärker belastet werden als andere; zum Beispiel Familien. Herr Finanzminister! Ich kann Ihnen detailliert vorrechnen, daß durch die beiden Sparpakete eins und zwei innerhalb eines Jahres Kürzungen für die Familie in der Höhe von über 14 Milliarden Schilling schlagend werden. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus: Kürzungen bei der Familienbeihilfe, dem Wegfall der Geburtenbeihilfe, dem Wegfall und den Selbstbehalten bei Freifahrten und Schulbüchern, der Reduzierung der Karenzzeit und dem Einfrieren aller anderen Familienförderungen. – Ich habe hier eine genaue Aufstellung, um Ihnen das belegen zu können.

Diese 14,1 Milliarden Schilling machen insgesamt fast 20 Prozent des gesamten Budgets im Familienbereich aus. Welche andere Gruppe hat Einsparungen in dieser Höhe in Kauf zu nehmen? – Die österreichischen Familien werden das aushalten müssen. Es kommen ja noch zusätzliche Steuerbelastungen im Bereich Einkommensteuer, Energiebesteuerung dazu.

Daß das ein falsches Signal für die österreichischen Familien ist, sagen nicht nur wir Freiheitlichen, sondern das beweist vor allem ein Brief der Frau Dipl.-Ing. Angela Lindner, der auch dem Herrn Bundeskanzler zugegangen ist. Frau Lindner – sie hat den Brief noch von einigen anderen Personen unterzeichnen lassen – hat selbst zwei Kinder und wird jetzt kein drittes mehr haben wollen – dokumentiert! Das hat nichts mit uns Freiheitlichen zu tun. (Bundesminister Mag. Klima: Hoffentlich!)

Also wenn das, was Sie da geschnürt haben, kein Antiösterreichpaket ist, dann, muß ich sagen, verweigern Sie es, der Realität ins Auge zu sehen.

Eigentlich war es die ÖVP, die immer die Familienpolitik groß auf ihre Fahnen geschrieben hat. Spätestens die heutige Vorstellung einiger ÖVP-Abgeordneten hier heraußen war ein Schuldeingeständnis dafür, daß sie für diese Budgets wirklich nur als Mehrheitsbeschaffer gedient hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich erinnere an die holprige Ausdrucksweise einer Rosemarie Bauer, die sonst hier am Rednerpult immer sehr forsch auftritt. Ich erinnere an die Purzelbäume, die Frau Ridi Steibl heute geschlagen hat; sie hat sich jetzt nicht getraut, vor mir ans Rednerpult zu gehen (ironische Heiterkeit bei der ÖVP), sie hat getauscht mit dem Kollegen Donabauer. – Das kann doch kein Zufall sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ist es Zufall, daß Frau Kollegin Steibl nicht herausgegangen ist? Ich fordere sie auf, dazu Stellung zu nehmen! (Abg. Schwarzenberger: Frau Haller! Sie überschätzen sich sehr! – Abg. Dr. Höchtl: Ein ein bißchen seriöseres Argument!) Das ist ein Schuldeingeständnis auf breitester Ebene.

Herr Bundesminister, jetzt wieder zu Ihnen. Es ist Ihnen vielleicht bisher nicht so wichtig erschienen, daß sich der Anteil der kinderlosen Frauen in Österreich in den letzten 20 Jahren verdoppelt hat, daß es immer weniger Mehrkinderfamilien gibt, daß Österreich eine kinderfeindliche Gesellschaft hat. Aber gerade unter diesem Aspekt ist es doch wirklich verantwortungslos und auch inkompatibel mit dem Rest der Gesellschaftspolitik, daß man jetzt die Familien bei der Erziehung und Versorgung von Kindern noch mehr alleinzulassen gedenkt.

Sie haben in der Zwischenzeit zumindest eingestanden – in Ihrer gestrigen Budgetrede –, daß die Kürzung des Karenzurlaubsgeldes als Sparmaßnahme anzusehen ist. Ihr Kollege Staatssekretär Schlögl hat das in der "Pressestunde" noch als Aufwertung der Frauen zu verkaufen versucht. Herr Bundesminister! Sie haben doch auch ein Wirtschaftsstudium, daher kann Ihnen


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14. Sitzung / Seite 125

doch nicht entgangen sein, daß diese Budgets und die Sparmaßnahmen, die Sie gesetzt haben, nicht nur ein gewaltiger Rückschritt in der Frauen- und Familienpolitik Österreichs sind, sondern auch volkswirtschaftlich völlig unsinnig. Wenn man bedenkt – das ist ganz leicht und einfach nachzuvollziehen –, daß das durchschnittliche Karenzurlaubsgeld nicht einmal 7 000 S beträgt, daß man die Frauen ein halbes Jahr früher in den Beruf zurückschicken will, daß die Kinder dieser Frauen, diese eineinhalbjährigen kleinen Buzis, dann einen Betreuungsplatz brauchen, dessen Kosten sich zwischen 9 000 S und 15 000 S monatlich bewegen, dann geht sich ja schon diese volkswirtschaftliche Rechnung nicht aus. Man muß weiters bedenken, daß bei diesem verfrühten Wiedereintritt der Frauen in den Beruf zumindest 12 000 bis 15 000 zusätzliche Frauenarbeitsplätze zur Verfügung stehen müßten, die ja nicht vorhanden sind.

Ich möchte Sie daher ersuchen, sich über ideologische Grenzen hinweg auch in Ihren Reihen, in den Reihen der Sozialdemokraten mit dem Modell des Kinderbetreuungsschecks auseinanderzusetzen.

Sie haben ganz bewußt nur auf kurzfristige Einsparungen gesetzt. Spätestens nach eineinhalb Jahren treten durch diese Verkürzung des Karenzgeldes gewaltige Mehrbelastungen, aber eben in anderen Budgettöpfen, auf. Das kann doch nicht der Sinn einer Sparmaßnahme sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich komme schon zum Schluß. Es sind ja nicht nur die Bischöfe, die die Kurzsichtigkeit der österreichischen Familienpolitik gerade in letzter Zeit angekreidet haben, sondern auch die Familienverbände und Wissenschaftler. Aber Sie setzen sich einfach darüber hinweg. Ich finde, daß das den österreichischen Familien gegenüber verantwortungslos ist, und frage mich: Wie lange werden sich die österreichischen Familien, Herr und Frau Österreicher von Politikern sowohl der Sozialdemokraten als auch der ÖVP noch die leere Ankündigungspolitik anhören müssen, daß wirklich Reformschritte geplant sind? – In Bewegung gesetzt wurde bisher nichts!

Ich erinnere nur an die seit Jahren im Familienbereich laufende Diskussion über die Sanierung, die Reform des Familienlastenausgleichsfonds. Diese Diskussion ist jetzt gänzlich gestorben. (Bundesminister Mag. Klima spricht mit Abg. Eder. ) Ich sehe, Herr Bundesminister, daß Sie der Familienbereich nach wie vor nicht sehr interessiert. Ich finde es verantwortungslos, wenn Sie sich in Ihrer Position nicht mit diesen Dingen wirklich eingehend auseinandersetzen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Abgeordneter Hagenhofer. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

17.59

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Haselsteiner hat heute vormittag in seinem Debattenbeitrag gemeint, die Bundesfinanzgesetze wären Produkte des Mittelmaßes. Ich glaube nicht, daß Herr Dr. Haselsteiner nicht weiß, daß dann, wenn eine Koalition, das heißt zwei verschiedene Interessenvertretungen, etwas zu verhandeln hat, ganz einfach ein Kompromiß herauskommen muß.

Die Kompromisse sind, so würde ich meinen, gut verträglich und ausgewogen, und die Bundesfinanzgesetze stehen – das ist das wichtigste – für die Beibehaltung unseres Sozialsystems.

Es wurde nichts gestrichen, sondern es wurde korrigiert. Das wollen Sie ganz einfach nicht anerkennen. Es ist aber so. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist der Unterschied!)

Die Beibehaltung des Sozialsystems ist wichtig und notwendig. Es sind europaweit Gesamtstrukturveränderungen im Gange, und das darf man nicht aus den Augen verlieren. Die Bundesfinanzgesetze sind weiters Korrekturen der gesamtstaatlichen Strukturen, sowohl im Steuer- als auch im Sozialsystem. Auch das darf man nicht verkennen. Nach dem Motto: Bediene dich und hole dir, was der Staat anbietet; was mein Nachbar hat, hole auch ich mir, gleichgültig, ob ich es


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benötige oder nicht – so geht es halt ganz einfach nicht. Sie von den Freiheitlichen haben das ja auch immer kritisiert. Jetzt wurde es korrigiert und verändert – und Sie kritisieren es auch.

Korrekturen wurden angesetzt – auch das darf man nicht übersehen – im Arbeitslosenversicherungsgesetz, beispielsweise durch die Anhebung des Durchrechnungszeitraumes von sechs auf zwölf Monate, durch die Berücksichtigung der Versicherungsdauer bei der Höhe der Notstandshilfe – das heißt, stärkere Berücksichtigung des Leistungsprinzips ist gefragt. Das sind alles Maßnahmen, die – und jetzt wiederhole ich mich – von den jetzt kritisierenden Oppositionsparteien immer wieder gefordert wurden. Jetzt sind diese durchgesetzt – bitte, kritisieren Sie das nicht wieder!

Korrekturen werden selbstverständlich auch im steuer- und steuertechnischen Bereich durchgeführt, zum Beispiel hinsichtlich der Veräußerungsgewinne. Alle Gewinne wurden insofern verändert – auch die Veräußerungsgewinne –, als sie nun so versteuert werden, wie alle anderen auch. (Abg. Böhacker : Das möchte ich jetzt wissen!) Nur: Bis jetzt konnten sie aufgrund der Steuertechnik sehr elegant umschifft werden. (Abg. Böhacker : Nein, das stimmt nicht!) Das ist aber abgestellt worden, und das wird jetzt natürlich auch wieder kritisiert. Dieses Schließen von Steuerlücken durch diese Bundesfinanzgesetze wird in einem Artikel der heutigen Ausgabe der "Oberösterreichischen Nachrichten" als ein Verstoß gegen Treu und Glauben bezeichnet. (Abg. Böhacker : So ist es!)

Ja, aber bitte, wenn darin ein Wirtschaftstreuhänder beklagt (Abg. Böhacker : Was wurde geändert, Frau Kollegin?), daß seine Kanzlei seit Jahren – und die Betonung liegt auf "seit Jahren" – den Verkauf eines Unternehmens vorbereitet, Verträge sind ausgearbeitet (Abg. Böhacker : Das ist richtig!), und plötzlich beträgt der Veräußerungsgewinn nicht mehr 25 Prozent, sondern eben 50 Prozent, das aber auf fünf Jahre verteilt ... (Abg. Böhacker : Nicht der Veräußerungsgewinn, sondern die Steuern! – Zitieren Sie richtig! – Abg. Dkfm. Holger Bauer : Schuster, bleib bei deinem Rappen!)

Treu und Glaube, daß sich nie etwas verändert, gibt es nirgendwo auf der Welt. Man müßte dem Wirtschaftstreuhänder eben sagen: Hätte er schneller gehandelt, hätte er seine Verhandlungstaktik besser angelegt, bräuchte er jetzt nicht zu jammern. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker : Um Gottes willen, Sie haben wirklich keine Ahnung, Frau Kollegin!)

So viel Ahnung habe ich auch, daß ich weiß, daß man mit der Steuertechnik sehr viel machen hat können. Jetzt jammern natürlich die Wirtschaftstreuhänder, weil sie nicht mehr entsprechend ihrem Geschäft werken können – und das ist richtig so! (Ruf bei der SPÖ: Genau! – Zwischenruf des Abg. Böhacker .)

Die Bundesfinanzgesetze stehen drittens für Innovationen. (Abg. Parnigoni : Herr Kollege Böhacker! Sie hat völlig recht!) Die Innovationen sind unter dem Gesichtspunkt zu sehen, daß auch Unternehmensgründungen unterstützt und erleichtert werden. Das heißt, es werden Vereinfachungen im Verwaltungsbereich herbeigeführt.

Zum Beispiel: Es kann doch wohl bei uns in Österreich nicht angehen, daß jemand, der sich im Bereich des betreuten Radtourismus selbständig machen will, zur Wirtschaftskammer geht und nachfragt, welche Bedingungen er dafür erbringen muß, sich dort sagen lassen muß, eine uneingeschränkte Reisebürokonzession sei notwendig. (Abg. Böhacker : Das ist ein Unsinn!) Nein, das ist so! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni : Frau Kollegin! Das ist doch Wurscht, was der Böhacker sagt!)

Genau in diesem Bereich sind die Bundesfinanzgesetze auf Veränderung gerichtet. Diese uneingeschränkte Reisebürokonzession beinhaltet 16 Auflagen, wobei die 16. Auflage – das muß man sich vorstellen – ein eineinhalbstündiges Fachreferat in Englisch darstellt – und das alles, nur damit jemand Gästen, die mit dem Rad den Inn entlang fahren – so war es in diesem Fall –, auch ein bißchen das Landesinnere zeigen darf.

Der Betroffene hätte sich mit Englisch an sich noch zufrieden gegeben, aber eineinhalb Stunden Fachenglisch war letztendlich zu viel.


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Was hat dieser Mann also gemacht? – Er hat sich im benachbarten Bayern bei der Handwerkskammer nach den Voraussetzungen für diese Tätigkeit erkundigt. Man hat ihm gesagt – bitte, hören Sie gut zu! –, es genüge ein Leumundszeugnis plus 40 D-Mark Verwaltungsabgabe, das sind umgerechnet rund 280 S. Also, wenn das in Deutschland möglich ist, dann müßte es auch bei uns in Österreich möglich sein. Die Bundesfinanzgesetze zielen in diesen Bereichen darauf ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Bundesfinanzgesetze für 1996 und 1997 sichern den österreichischen Sozialstandard – das ist sehr wichtig –, bieten der Wirtschaft Handlungsspielraum, sodaß wir auch weiterhin, wenn wir das gemeinsam wollen – die Opposition muß auch ein bißchen mitspielen –, zu den wohlhabendsten Staaten der Welt gehören werden.

Ich möchte nur etwas korrigieren: Die Kollegin von der "F"-Fraktion, Abgeordnete Dr. Partik-Pablé, hat behauptet, wir seien total verschuldet. Ich möchte sie fragen, wie es sich damit verhält, daß wir im internationalen Vergleich zu den wohlhabendsten Staaten der Welt zählen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich Frau Abgeordnete Steibl zu Wort gemeldet. – Ich erteile Ihnen das Wort. (Abg. Parnigoni : Sie will 24 Stunden arbeiten! – Ruf bei der ÖVP: Bei dir wären 24 Stunden notwendig! – Abg. Steibl: Ich arbeite oft 24 Stunden, wie Sie wahrscheinlich auch! – Abg. Böhacker: Sie bringen Licht ins Dunkel!)

18.07

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Eingangs möchte ich etwas klarstellen (Abg. Böhacker : Aha, jetzt kommt’s!) : Es gibt keinen Antrag zum Arbeitszeitgesetz im Rahmen der Budgetbegleitgesetze von Feurstein und Steibl, wie Herr Dr. Haider festgestellt hat, sondern es gibt ein Arbeitspapier, wie auch Sie wahrscheinlich derer viele haben, weil Sie ja sicher auch gute Parlamentarier sind. (Abg. Mag. Stadler: Sie haben das aber schon im ORF gesagt, oder stimmt das nicht? – Zwischenrufe und Gegenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Parnigoni : Ridi, verwende deine Zeit für deine Rede!)

Ich weiß nicht, ob Sie richtig zugehört haben. Ich glaube, daß hier an dieser Stelle einmal gesagt werden soll, daß man aufpassen muß, mit welchen Killerphrasen manche Medien arbeiten. Man sollte sich fragen, ob das wirklich zum Wohle unseres Staates ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Arbeitszeitregelung ist unter anderem Sozialpartnersache. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Koppler : Bravo!) Der Nationalrat kann nicht ohne vorherige sozialpartnerschaftliche Einigung einfach über die Rechte der Arbeitnehmer drüberfahren. Das sind Aussagen, die heute in den Zeitungen stehen und auch oft wiederholt wurden – und das stimmt auch. Natürlich ist die Flexibilisierung auch ein Teil der kollektivvertraglichen Regelungen, somit sind die Sozialpartner zuständig. Aber eines muß ich schon sagen: Meines Wissens diskutieren wir über dieses Thema schon sehr lange; es gibt aber wenig Ergebnisse.

Ich glaube, daß es auch die Aufgabe der Politik ist, Anstöße zu geben. Vielleicht war es nicht der richtige Zeitpunkt, aber es ist eben die Frage, ob wir alle, die wir hier sitzen, immer den richtigen Zeitpunkt wählen. Ich wollte mich nicht profilieren, sondern ich habe – wie Sie auch das eine oder andere Mal – eben ein Hintergrundgespräch geführt, und ich habe versucht, Kollegen innerhalb unserer Arbeitsgemeinschaft einen Anstoß zu geben im Hinblick auf das, was auch im Arbeitsübereinkommen der Regierung von 1966 auf Seite 10 steht (Abg. Schwarzenberger : 1996!) – 1996! –, vielleicht ist es schon seit 1966 ein Wunsch, in dieser Richtung weiterzukommen.

Hier steht unter anderem: Weiterentwicklung der Arbeitszeitregelungen, mehr Arbeitsplätze statt Überstunden, Einkommen ist verstärkt gegen Freizeit zu tauschen. Dazu muß ich sagen, daß wir beziehungsweise ich keine Erhöhung der Arbeitszeit gefordert und auch gar nicht daran gedacht haben. (Beifall bei der ÖVP.)


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Es wird nicht an den 40 Normalarbeitsstunden oder an den 38,5 Stunden gerüttelt, sondern es wurde lediglich zu verschiedenen Flexibilisierungsmodellen in verschiedenen Branchen angeregt – was ja nichts Neues ist –, und zwar auch in Richtung Vereinfachung in der Praxis, in Richtung mehr Gestaltungsmöglichkeit für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Ich gehe davon aus, daß es sehr viele mündige Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gibt.

Es geht auch weiter in Richtung Zulassung von flexibleren Tages-, Wochen- und Jahresarbeitszeiten. Wir wissen in diesem Zusammenhang natürlich, daß wir auch im Bereich der beruflichen Weiterbildung eine bessere Verankerung brauchen, daß wir neue Modelle brauchen, um in diesem immer enger werdenden Arbeitsmarkt auch weiter zu bestehen.

Ich habe schon erwähnt, daß eine Flexibilisierung nur über einen Branchenkollektivvertrag zu regeln ist, und daß es auf alle Fälle auch festere Regelungen in diesem Bereich geben muß. Da von einem meiner Vorredner heute gemeint wurde, daß es innerhalb der ÖVP beziehungsweise innerhalb des ÖAAB keine einheitliche Meinung gibt, kann ich nur sagen, daß wir sehr wohl auch über diese Thematik diskutiert haben. Das ist auch immer sehr erfolgreich gelungen, obwohl sich die Wirtschaft und die Arbeitnehmer gegenüberstehen. Wir haben diesbezüglich noch keine einheitliche Regelung vorgelegt, sondern gesagt, daß wir nach den Budgetverhandlungen, nach den Verhandlungen der Strukturanpassungsgesetze an diese wichtige Sache herangehen müssen, um hier wirklich weiterzukommen und einen Konsens zu finden.

Ich glaube auch, daß es wichtig ist, in Zukunft mehr Arbeit zu fördern anstatt die Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Ich meine, daß das ein wichtiger Punkt ist in Richtung Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch wenn meine Kollegin Haller meint, daß dies nicht stimmt, so glaube ich, daß – wenn wir jetzt darangehen, die Kinderbetreuungseinrichtung endlich flexibler zu gestalten, auch darüber wurde schon lange gesprochen – sehr wohl auch flexible Arbeitszeiten machbar wären.

Ich habe vor mir eine Meldung vom Dienstag, 9. Jänner, liegen: Sozialminister Hums: Es muß gesetzlich mehrere Möglichkeiten für die Tagesarbeitszeit geben.

Auf der Titelseite des heutigen "Standard": Präsident Verzetnitsch: "Die Verhandlungen müssen auf alle Fälle rasch und effizient geführt werden. Um die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, sollte ein Teil der Überstunden nicht mehr in Geld, sondern in Freizeit ausgeglichen werden. Gespräche über die Flexibilisierung der Arbeitszeit seien im Gang." – Ich freue mich, daß sie im Gange sind. Ich freue mich auch, daß es heute eine Diskussion gegeben hat. Ich hätte mir nur gewünscht, daß wir sie vielleicht etwas später und demokratischer führen hätten können.

Der ÖGB listet in einem Papier auf mehreren Seiten verschiedene Flexibilisierungsmodelle auf – sei es im Bereich Handel, im Bereich der Schichtarbeit, im Bereich der Dekadenarbeit. Es ist sogar schon so weit – und darüber freue ich mich auch –, daß der ÖGB beziehungsweise die ÖGB-Frauen jetzt auch in Richtung Teilzeitarbeit offen sind. Das Arbeitsmarktservice in der Steiermark hat jetzt sogar ein Teilzeitarbeitsmodell in Auftrag gegeben: Über EU-Förderungen, über regionale Förderungen sollen gemeinsam mit der Wirtschaft bessere Teilzeitarbeitsplätze geschaffen werden. (Abg. Dr. Ofner : Wo? Wo gibt es das?) Das gibt es in der Steiermark, in Graz und Umgebung. (Abg. Koppler : Das gibt es schon lange!) Da bin ich aber wirklich sehr dankbar, daß es das schon lange gibt. Hoffentlich hört man das in ganz Österreich.

Oder eine weitere Meldung von heute: Liebherr setzt jetzt auf neue Arbeitszeitmodelle. – Ich frage Sie: Warum kann man darüber nicht diskutieren? Es wurde nie darüber gesprochen.

Ich möchte zum Schluß noch einmal festhalten, daß es keine Ausweitung beziehungsweise Anhebung der Normalarbeitszeit geben wird. Aber über eine Flexibilisierung der Arbeitszeit müssen wir sehr wohl sprechen, sonst wäre das, was im Arbeitsübereinkommen der Regierung steht, für mich nicht glaubhaft. (Beifall bei der ÖVP.)

18.16


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14. Sitzung / Seite 129

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Abgeordneter Mag. Stadler hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter! Bitte beginnen Sie mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen.

18.16

Abgeordneter Mag. Johann-Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Steibl hat soeben erklärt, es hätte über die Frage einer Ausdehnung der Arbeitszeit lediglich Hintergrundgespräche gegeben. Das ist unrichtig. Richtig ist vielmehr, daß es diesbezüglich einen schriftlich formulierten Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz geändert wird, der Abgeordneten Ridi Steibl und Dr. Gottfried Feurstein gibt.

Zweitens hat Frau Abgeordnete Steibl erklärt beziehungsweise behauptet, es sei nie an eine Erhöhung der Arbeitszeit gedacht worden und es werde nicht an den 40 Stunden gerüttelt. Dies ist unrichtig. Richtig ist vielmehr, daß dieser Antrag folgendes beinhaltet: Unter Punkt 2 dieses Antrages heißt es wörtlich: Die wöchentliche Normalarbeitszeit kann in den einzelnen Wochen eines Durchrechnungszeitraumes von vier Wochen bis zu 45 Stunden ausgedehnt werden.

Weiters heißt es: Die tägliche Normalarbeitszeit darf 10 Stunden nicht überschreiten. – Die tägliche Normalarbeitszeit wird also auf 10 Stunden ausgeweitet.

An anderer Stelle, in der Begründung, heißt es: Durch Kollektivvertrag kann zugelassen werden, daß die wöchentliche Normalarbeitszeit innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 52 Wochen bis zu 48 Stunden und die tägliche Arbeitszeit bis zu 10 Stunden ausgedehnt wird.

Daher hat Frau Kollegin Ridi Steibl sehr wohl einen Antrag schriftlich konzipiert, der mehr als Hintergrundgespräche wiedergibt, und darin ist eindeutig eine Ausdehnung der Arbeitszeit vorgesehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger : Aber der ist nie eingebracht worden! – Abg. Mag. Stadler : Sie behaupten die Unwahrheit! Lügen haben kurze Beine!)

18.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.18

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Sparpaket ist geschnürt, der Widerstand in der Bevölkerung wird von Tag zu Tag größer, und während sich auf den Straßen die Studenten zusammenrotten, um ihren Unmut auszudrücken, setzt sich der Bundeskanzler ins ferne sozialistische China ab. Er fühlt sich dort, im sozialistischen China, offensichtlich ganz besonders wohl, denn dort gibt es schon seit vielen Jahren keine Studentenproteste mehr. (Zwischenrufe.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalitionsregierung hat bewiesen, daß in dieser Regierungsvereinbarung nichts Neues drinnensteht, außer einer enormen Belastungswelle, die auf die Bürger zukommt. Die Bürger sollen sparen, weil die Regierung das Geld seit vielen Jahren verschwendet hat.

Am Beispiel der Gesundheitspolitik kann man genau erkennen, was sich in den vergangenen Jahren – und zwar seit der Machtübernahme Vranitzkys – ereignet hat. 1987 steht schon im Koalitionsabkommen – ich zitiere: Die im heurigen Jahr mit dem Auslaufen des derzeitig gültigen Übereinkommens über den Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds notwendige Neuordnung der Spitalsfinanzierung wird eine grundsätzliche Neukonzeption des gesamten Gesundheitswesens notwendig machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heuer läuft der KRAZAF aus, und im Koalitionsabkommen von 1996 steht fast wortgetreu dasselbe wie in jenem von 1987: umfassende Reform des Gesundheitswesens. – Weder im Jahr 2000, noch, wenn es nach Kollegen Rasinger geht, im Jahr 3000 wird das wirklich eine Reform sein, die greifbar ist, meine Damen und Herren.


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In diesem Abkommen steht nur Blabla und sonst nichts, keine Verbindlichkeiten, nur unverbindliche Ankündigungen. Wir wissen ja alle: Da seit 1987 nichts erfüllt wurde, keine Reformen durchgezogen wurden, wird es auch im Jahre 1996 so sein. Diese Koalitionsregierung will über das Jahr 2000 hinaus an der Macht bleiben. Das heißt also, daß wir das Jahr 2000 ohne wesentliche Reformen erleben werden. (Abg. Parnigoni: Haider kann 1998 nicht Kanzler werden! Das ist wichtig für Österreich! Diese Bedrohung ist abgewendet!)

Aber wie die ÖVP die sozialistische Gesundheitspolitik sieht, konnte man am 13. Oktober – das ist der Tag, an dem die große Koalition auseinandergebrochen ist – sehen. Kollege Parnigoni! Kollege Rasinger, ein praktischer Arzt, der zumindest von der Gesundheitspolitik, wie ich glaube, etwas versteht, aber nicht in der Lage ist, innerhalb seiner Fraktion – schon gar nicht als Appendix der SPÖ – seine Ideen durchzusetzen, hat am 13. Oktober, am Bruchtag der großen Koalition, folgendes zur sozialistischen Gesundheitspolitik gesagt: Die Frau Bundesminister irrt herum wie das Gespenst von Loch Ness. Man hat sie nie gesehen, nie gehört. Hin und wieder ist sie aufgetaucht und dann gleich wieder untergetaucht. – Die Meinung der ÖVP zur sozialistischen Ministerin.

Er würde ihr für ihr bisheriges Verhalten in der Gesundheitspolitik – sie ist ja gelernte Lehrerin, muß ich hinzufügen –, für diese Arbeit einen glatten Fünfer geben und ihr außerdem oberlehrerhaftes Aufführen attestieren. Wenn er die Gesundheitspolitik der SPÖ, die er so lange mitgetragen hat, verfolgt, verfiele er in tiefe Depressionen. – Wahrscheinlich ist er gerade deswegen momentan nicht anwesend. Er wird vielleicht die erste psychotherapeutische Sitzung absolvieren, wenn er weiß, daß diese Art von Gesundheitspolitik nun fortgesetzt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weiters sagte er an diesem ominösen 13. Oktober 1995, daß er das Papier, das Gesundheitskonzept der Bundesministerin Krammer erschütternd finde und daß er es nicht unterschreiben könne. Da würde er sich lieber im Grabe umdrehen. Nie und nimmer werde ich dieses Papier unterschreiben, hat er gesagt. Er sagte weiters, daß die Ministerin lüge, parteipolitisch motiviert und unseriös sei. – Das ist die Meinung der ÖVP, ausgedrückt durch den Gesundheitssprecher Dr. Rasinger, zur sozialistischen Gesundheitspolitik.

Jetzt haben Sie sich wieder zusammengeschweißt. Sie haben im neuen Koalitionsabkommen, das Sie unterzeichnet haben, bewiesen, daß Sie auch in Zukunft wieder nicht in der Lage sein werden, eine Reform durchzuziehen. Daher ist Kollege Rasinger wirklich in eine tiefe Depression verfallen. Mit einem solch dünnen Konzept, sagt er, wird auch noch im Jahr 3000 – Sie haben sich nicht verhört – keine Reform zusammengebracht werden. Die Frau Ministerin trete von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen. – Nun, jetzt arbeitet er wieder mit ihr zusammen, er schlüpft wieder hinein unter die Decke der sozialistischen Gesundheitspolitik und der Ministerin. Die ÖVP hat sich schon wieder vermählt mit den Sozialisten.

Ich bin ganz erschüttert, daß im Koalitionsabkommen nichts von der Reform zu lesen ist. Und ich bin ganz erschüttert, daß ich in der gestrigen Budgetrede des Bundesministers überhaupt nicht den geringsten Ansatz für eine Reform im Gesundheitswesen erkennen konnte.

Herr Bundesminister! Entweder hat man Ihnen die Rede geschrieben und Sie haben sie nur heruntergelesen, ohne sich dabei sehr viel zu denken. Wenn Sie das selber geschrieben haben, dann muß ich Ihnen eine völlige Unkenntnis, was die Notwendigkeit einer Reform des Gesundheitswesens in der Zukunft anbelangt, unterstellen.

Sie haben in einem 32-Seiten-Papier der Gesundheitspolitik ganze 17 Zeilen gewidmet. In diesen 17 Zeilen schreiben Sie, daß man einen verbindlichen Krankenanstaltenplan erstellen soll. Herr Bundesminister! Ein verbindlicher Krankenanstaltenplan wurde vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheit bereits 1985 fertiggestellt, vor 11 Jahren (Bundesminister Mag. Klima: Und mit den Ländern verbindlich abgeschlossen?) , und nun neuerlich, Herr Kollege – Herr Bundesminister. – Sie sind ja in dem Fall nicht Kollege.

Am 30. November 1994 wurde neuerlich ein verbindlicher Bundeskrankenanstaltenplan, ersichtlich aus dem Jahresbericht des Österreichischen Bundesinstituts für Gesundheit 1994/95, abge


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schlossen und dem KRAZAF übermittelt. (Bundesminister Mag. Klima: Mit den Ländern verbindlich vereinbart? – Erzählen Sie doch keine Geschichten, Herr!) Und jetzt kommen Sie daher, nachdem das schon 1994 vor der Regierungsbildung eingefordert wurde, obwohl wir es schon hatten und fordern wieder einen bundeseinheitlichen Plan, den es schon längst gibt. Setzen Sie ihn um, setzen Sie ihn durch, sagen Sie nicht mit den Worten der Bundesministerin: Zum Kuckuck noch einmal, die Länder sollen es endlich machen! (Abg. Schwarzenberger: Lassen Sie den Kuckuck im Wald!)

Sie sind jetzt am Drücker, Sie sind der Finanzminister. Sie haben eine maßgebliche Funktion in der Sozialistischen Partei und in der Koalitionsregierung! Sorgen Sie dafür, daß er durchgesetzt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sorgen Sie auch dafür, Herr Bundesminister, daß das, was Sie da gestern bei Ihrer Budgetrede angekündigt haben, nämlich den Ausbau der Spitalsambulanzen, nicht verwirklicht wird, denn die Spitalsambulanzen haben derzeit einen Fallwert von über 2 000 S, während bei niedergelassenen praktischen Ärzten und Fachärzten der Fallwert etwa 400 bis 500 S beträgt.

Das ist eine Defizitvermehrung, die Sie hier planen. Das trägt die Unterschrift der ÖVP, die die ganze Zeit sagt: Ambulanzen abbauen, hin zu den niedergelassenen Ärzten, Ausbau der Gruppenpraxen. – Nichts geschieht! Sie bauen die Spitalsambulanzen aus, die ÖVP unterschreibt das alles. Das ist eine skandalöse Sache nach dem, was in den letzten Monaten und auch schon Jahren immer von den Vertretern der Regierungsparteien behauptet worden ist.

Die Strukturkommission zur Beobachtung ist schon angesprochen worden. Das ist ja wirklich ein Hohn! Herr Bundesminister! Ihre Äußerungen zur Gesundheitspolitik in Ihrer Budgetrede, Ihr Konzept können wir wirklich vergessen. Da ist nichts drinnen, was eine Reform ermöglicht.

Wir Freiheitlichen sind für eine Reform der Sozialversicherung, denn es gibt keine Reform im Gesundheitswesen ohne Reform der Sozialversicherungen. Zusammenlegen, wie Minister Hums schon gesagt hat, Bürokratieabbau, Privilegienabbau bei der Sozialversicherung – nicht, daß man sich Pensionszeiten nachkaufen kann, die im Normalfall 350 000 S pro Fall kosten und bei den Krankenkassen 35 000 S, also um ein Zehntel weniger.

Die Reform der Sozialversicherungen bringt 2,5 Milliarden Schilling. Die Einführung des leistungsorientierten Krankenanstalten-Finanzierungsystems bringt sofort, im ersten Jahr, 7,5 Milliarden Schilling. LKF-forte und nicht LKF-light nach Dr. Rasinger fordern wir Freiheitlichen. Soforteinführung! Das ist schon längst überfällig, das müßten wir einführen. Allein durch diese zwei Reformen würden wir 10 Milliarden Schilling sparen und jede weitere Belastung der Bürger. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir fordern weiters einen Ausbau und nicht eine Blockade der Vorsorgemedizin, wie es durch die Abschaffung der Geburtenbeihilfe jetzt geschehen ist. Durch den Abbau der Geburtenbeihilfe ist die Vorsorgemedizin schwerstens im Mark getroffen. Die Morbidität von Müttern und Neugeborenen wird wieder auf den Stand vor Einführung des Mutter-Kind-Passes 1975 zurückfallen. Die Errungenschaft des Mutter-Kind-Passes ist damit nicht mehr aufrechtzuerhalten. Das ist wirklich ein deutlicher Einschnitt in die Vorsorgemedizin. Das, was wir in der Vorsorge versäumen, kostet uns Milliarden als Folgekosten. Das müssen wir dann sehr teuer bezahlen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Freiheitlichen sind nicht für Krankengeldkürzungen. Wir lassen es nicht zu, daß den Langzeitkranken, Patienten, die schwere Unfälle erlitten haben, die schwerstkrank sind, die ein Jahr und länger im Krankenstand bleiben müssen, jetzt das Krankengeld gestrichen wird und sie in die Sozialhilfe abgedrängt werden. Wir sind für einen gesetzlichen Anspruch auf eineinhalb Jahre Krankengeld, nicht für freiwillige Sozialleistung.

Wir Freiheitlichen sind nicht für eine Erhöhung und Neueinführung von Selbstbehalten – bis zu 5 000 S, wie es Kollege Rasinger fordert zur Belastung der Bürger. Wir sind für eine Reform der Sozialversicherungen. Da können Sie Ihr Budget wieder ausgleichen und auf eine Erhöhung der Selbstbehalte verzichten.


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Wir Freiheitlichen sind nicht für eine Kürzung des Pflegegeldes, denn das Pflegegeld ist eine Errungenschaft, die dazu geführt hat, daß es weniger Spitalsaufenthalte gibt, weniger Einweisungen gibt, daß die alten, kranken und behinderten Menschen ein würdiges Leben zu Hause bei ihrer Familie führen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen sind nicht für eine Kürzung des Taschengeldes der Pflegeheim-Patienten, sondern wir treten für ein würdiges Leben unserer kranken und alten Mitmenschen auch in den Pflegeheimen ein und lassen es nicht zu, daß man ihnen das Taschengeld jetzt auf 569 S halbiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Mediziner bezeichnen einen kurzzeitigen Lichtblick, wie ihn Kollege Rasinger nach dem Bruch der großen Koalition hatte, als Lucidum intervallum. Dieses luzide Intervall hat mir gezeigt, daß er eigentlich schon etwas von der Gesundheitspolitik versteht. Ich biete ihm an, den koalitionsfreien Raum nicht nur auf die Denkmalpflege und die Abfallwirtschaft zu beschränken, sondern auch die Gesundheitspolitik in den koalitionsfreien Raum aufzunehmen, mit uns Freiheitlichen unsere Anträge zu unterstützen, eine Mehrheit zu bilden und die Reform im Gesundheitswesen voranzutreiben. Ich bin überzeugt davon, daß dann über das Jahr 2000 hinaus eine konstruktive Gesundheitspolitik gewährleistet ist, die den Weiterbestand des hohen Qualitätsstandards unseres Gesundheitswesens gewährleistet und die auch die weitere Finanzierbarkeit unseres Gesundheitswesens ermöglicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. – Bitte, Herr Abgeordneter. Ich erteile Ihnen das Wort.

18.32

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren in diesem Hohen Haus! Ich stehe nicht an, gleich zu Beginn persönlich dieses vom Finanzminister vorgeschlagene Budget zu akzeptieren. Ich bekenne mich dazu, umso mehr, nachdem den ganzen Tag über so viele Lamento-Reden geschwungen wurden, daß es überhaupt keine Ansätze zu einer strukturellen Veränderung in diesem Budget gebe. Ich möchte versuchen, an konkreten Beispielen das Gegenteil zu beweisen.

Ich stehe auch nicht an, mich dazu zu bekennen, obwohl es meine Berufsgruppe auch trifft. Ich bekenne mich zu diesem Konsolidierungspaket, auch wenn der schulische Bereich betroffen ist.

Es scheint zunächst gefährlich zu sein, wenn im Bereich Unterricht, Erziehung, Wissenschaft Sparansätze getroffen werden. Es kann aber dann mit ruhigem Gewissen ja dazu gesagt werden, wenn die Qualitätssicherung der österreichischen Schule garantiert ist. Qualität der österreichischen Schule ist nicht gleich Quantität von Unterrichtsstunden. Daher scheint mir diese vorgenommene Strukturmaßnahme der Kürzung von Unterrichtseinheiten im Sekundarbereich pädagogisch durchaus vertretbar zu sein.

Mit dieser Maßnahme werden nicht nur mehr als eine halbe Milliarde Schilling eingespart – ein positiver Nebeneffekt –, viel wichtiger ist es, daß dadurch Überforderungen unserer Schüler hintangehalten werden. Wissenschaftlich ist erwiesen, daß unsere Volksschulkinder beim Übertritt aus der Grundschule mit 25 Wochenstunden in die AHS-Unterstufe oder in die Hauptschule mit plötzlich 33 und 34 Wochenstunden entsprechende Überforderungen erleiden. So manches schulische Scheitern mag auch hier seine Wurzeln haben. Es wird auch immer wieder darüber geklagt, daß Schüler im berufsbildenden höheren Schulwesen mit 60 und mehr Wochenstunden zu kämpfen hätten.

Ich sehe mit diesen Einsparungen einen gelungenen Weg, der Qualität einerseits und das Sparziel auf der anderen Seite garantiert. Durch diese Maßnahme brauchen keine Lehrer freigesetzt zu werden, auch wenn das so mancher polemisch so dargestellt hat. Sehr wohl werden aber Überstunden abgebaut.

Diese Situation wird die Lehrer auch pädagogisch herausfordern: Es werden wesentliche neue, andere Lehr- und Lernmethoden angewendet werden müssen – gleichsam nicht das End


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produkt als Ziel, sondern vielmehr der Weg als Ziel. Schulautonome Lehrplanbestimmungen werden dieses entsprechend unterstützen; die Ressourcen der Schulen können dadurch optimal ausgenützt werden.

Ich sehe auch eine positive Strukturmaßnahme im Bereich des Normstundenmodells. Es ist ein Übergang von einer lehrerzentrierten Bestundung hin zu einer schülerzentrierten: Die Berechnung erfolgt nicht mehr nach Klassen, sondern ganz einfach nach der Zahl der Schüler, und es orientiert sich die Qualität des Unterrichts an der Zahl der zu betreuenden Schüler. Ich kann daher insgesamt festhalten, daß im schulischen Bereich gewaltige Einsparungen vorgenommen wurden, trotzdem aber Qualität erhalten geblieben ist.

Ich möchte abschließend noch auf einen Punkt hinweisen, der in der Folge zu einer Strukturreform führen müßte, er ist bereits im Regierungsübereinkommen, im Koalitionspapier dargelegt: Das ist der Bereich der universitären Ausbildung der Lehrer auf der einen Seite und der Ausbildung der Lehrer an der Pädagogischen Akademie. Derzeit sind beide Ausbildungsschienen eingleisig. Gegenseitige Anerkennungen und Übertrittsmöglichkeiten gibt es nicht. Ein wesentlicher Schritt wird sein, auch diese beiden Ausbildungssysteme miteinander zu verquicken, gegenseitige Anrechenbarkeiten von einem Studium zum anderen zu schaffen.

In diesem Sinne glaube ich, daß die Schule, die Bildung mit dem vorgelegten Bundesfinanzgesetz leben kann und daß entscheidende Schritte für die Zukunft vorgenommen wurden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Großruck. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

18.38

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man ein politisches Amt übernimmt, dann weiß man, was auf einen zukommt. Man weiß, daß die politische Diskussion hart geführt wird, daß es eine Koalition, eine Opposition gibt und daß die Worte aufeinanderprallen.

Meine Damen und Herren! Es gibt aber auch in der politischen Auseinandersetzung so etwas wie Fairneß und auch so etwas wie politische Grenzen, die nicht überschritten werden sollten. Ich erinnere an die Diskussion, die hier herinnen geführt worden ist, als sich Dr. Haider zu Recht beschwert hat, als er attackiert wurde, und ich erinnere an die Diskussion zwischen Frau Abgeordneter Mertel und Dr. Haider.

Heute kam Frau Abgeordnete Madl zu einer tatsächlichen Berichtigung hier heraus. Wenn Sie Charakter haben, Frau Abgeordnete Madl, dann entschuldigen Sie sich nachher vom Rednerpult aus in aller Form bei unserem Landeshauptmann Dr. Pühringer für das, was Sie tatsächlich berichtigt haben! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie kommen heraus und behaupten wider besseren Wissens, daß es nicht stimme, daß der Landeshauptmann von Oberösterreich attackiert wurde, daß er keinen Schlag in den Bauch bekommen habe, sondern daß er nur bei den Stufen gestrauchelt sei.

Frau Madl! Sie haben hier unwahr tatsächlich berichtigt. Es ist nämlich aktenkundig, daß es eine Anzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft gibt. Es gibt Aussagen von Ihnen, daß es keine Zeugen gebe. Tatsächlich gibt es zwei namentlich bekanntgegebene Zeugen, die den Vorfall bestätigen können. Und wenn der Vorfall nicht so ernst und nicht so traurig wäre, dann könnte man fast sagen: Der Schelm denkt so, wie er ist, Frau Madl! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist gelinde gesagt ein Skandal, wenn ein Politiker – gleichgültig von welcher Richtung, von welcher Partei, von welcher ideologischen Anschauung er kommt – während seiner Tätigkeit, während seiner Aussage tätlich und körperlich attackiert wird. Normalerweise würde man sich hier – ungeachtet der politischen Anschauung – einen nationalen Konsens erwarten. Man würde erwarten, daß ein Aufheulen durch die Reihen geht: So kann


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man in Österreich nicht Politik machen! So kann man seine Meinung nicht durchsetzen, daß es nur mehr die Waffe der Gewalt gibt. Das haben wir schon einmal gehabt. Wir haben das Gott sei Dank überwunden, und wir hoffen, daß es in Zukunft nicht üblich werden wird, daß körperliche Attacken Argumente und andere Handlungen ersetzen.

Frau Madl, ich appelliere an Sie: Widerrufen Sie Ihre Berichtigung! Entschuldigen Sie sich bei unserem Landeshauptmann, denn das hat er nicht verdient! Er setzt sich für den Rechtsstaat ein. Er tut nichts anderes, als einen Regierungsbeschluß des Landes Oberösterreich zu exekutieren, er schaut, daß der Rechtsstaat in Ordnung ist, und dann muß er sich vorwerfen lassen, daß er etwas vortäuscht, was er selbst erlebt hat. Wenn Sie mit ihm geredet haben, dann berichtigen Sie, was er zu Ihnen gesagt hat, aber ich nehme an, Ihr Wissen haben Sie aus der Zeitung oder aus anderen Medienberichten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Madl: Nein! – Abg. Mag. Haupt: "Kronen-Zeitung", Seite 14!)

Herr Präsident Haupt! Wenn Sie Ihr Wissen aus der "Kronen-Zeitung" haben, dann wundert mich so manches nicht mehr. (Abg. Mag. Haupt: Lesen Sie einmal die Seite 14 der "Kronen-Zeitung"! Keine Anzeige vom Bürgermeister!) Das mag schon sein, daß Ihnen das ungelegen kommt, aber dann erkundigen Sie sich beim Landeshauptmann persönlich. Ich glaube, daß er besser weiß, was vorgefallen ist und was er gemacht hat, als der Redakteur der "Kronen-Zeitung". (Abg. Mag. Haupt: Warum soll sie etwas korrigieren? Es steht auf Seite 14 in der "Kronen-Zeitung" von heute! – Weitere Rufe bei der ÖVP und Gegenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme nun zu den Ausführungen des Herrn Bundesministers für Finanzen, zu seiner Budgeterklärung.

Herr Bundesminister! Sie haben gestern eine interessante Budgetrede gehalten, und inhaltlich, muß ich sagen, kann ich mich voll damit identifizieren, denn das ist fast die Übernahme des Schüssel-Ditz-Kurses im Maßstab eins zu eins (Abg. Koppler: Das glaubst du wohl selber nicht!) , und zwar deshalb, meine Damen und Herren, weil es keine andere Möglichkeit und keine andere Alternative gibt, den Staatshaushalt zu sanieren. Deshalb sind die Maßnahmen, die in diesen beiden Budgets beschlossen werden, notwendig und wichtig.

Herr Minister! Ich komme zum Pensionssystem. Es geht in diesem Maßnahmen- und Sparpaket auch um die Aufrechterhaltung der Pensionen. Dabei geht es nicht um eine philosophische oder ideologische Betrachtungsweise, sondern wir sind es der älteren Generation schuldig, daß wir ihr das Gefühl vermitteln, daß die Pensionen gesichert sind und daß sie nicht um ihre Pensionen bangen muß. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Trenk: Für Pensionen brauchen wir Arbeitsplätze!) Gerade deshalb, meine Damen und Herren, gerade um das Pensionssystem auch in Zukunft absichern zu können, sind die geplanten Reformen notwendig (Abg. Trenk: Dazu brauchen wir Arbeitsplätze!) , denn eins und eins ist nicht drei, wie Sie glauben, sondern ist nur zwei. Wenn die demographischen Daten stimmen – und sie stimmen –, dann wird es im Jahr 2010, 2020 so sein, daß auf einen Pensionisten ein Aktiver kommt. Derzeit ist es so, daß zwei Aktive einen Pensionisten erhalten.

Meine Damen und Herren! Diese Daten haben wir bereits. Lassen Sie es sich auf der Zunge zergehen! Wenn man weiß, daß die heute Vierzigjährigen einmal von jenen erhalten werden müssen, die heuer, im Jahr 1996, geboren werden, und daß die heute Zwanzigjährigen einmal die Pensionen von jenen bekommen werden, die in den nächsten 20 Jahren zur Welt kommen, wenn wir wissen, daß der Geburtenrückgang ganz gravierend ist, daß die Lebenserwartung immer höher wird – Gott sei Dank! – und daß der Zeitraum, in dem die Aktiven die Pensionen einzahlen, infolge längerer Studienzeiten immer kürzer wird, dann, glaube ich, erkennt man, daß die Reform angebracht, notwendig und sinnvoll ist.

Es wird jedoch nicht bei einer Reform bleiben, sondern das Pensionssystem muß jedes Jahr permanent überdacht, permanent diskutiert und an die neuen Gegebenheiten angepaßt werden. Dann sind wir sicher, dann brauchen die heutigen Pensionisten nicht um Qualität und Höhe ihrer


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Pension zu fürchten, und dann gibt es auch keine Diskussion über die Auflösung des Generationenvertrages.

Ich glaube, das ist verantwortungsvolle Politik, und dazu ist auch die Regierung angetreten: Maßnahmen und Strukturmaßnahmen zu treffen, damit die Pensionen auch in Zukunft gesichert und gewährleistet sind. (Beifall bei der ÖVP.)

18.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Madl hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Frau Abgeordnete, ich bitte Sie aber, in Anbetracht des Standes der Diskussion die Geschäftsordnung einzuhalten. Es geht nur um die Berichtigung von Behauptungen.

18.46

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Der Abgeordnete Großruck hat behauptet, ich hätte bei meiner tatsächlichen Berichtigung gesagt, daß es unwahr sei, daß der Landeshauptmann von Oberösterreich attackiert worden wäre. Ich habe gesagt, das ist nicht bewiesen, und das ist ein Unterschied, bitte.

Zweitens habe ich gesagt, daß es bewiesen ist, daß er auf einer Stufe des Gemeindeamtes gestrauchelt ist. Das ist bewiesen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

18.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. (Abg. Dolinschek spricht auf dem Weg zum Rednerpult noch mit Zwischenrufern.) Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort, Sie können vom Pult aus reden. (Heiterkeit und weitere Zwischenrufe.)

18.47

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich glaube, alle Redner der Österreichischen Volkspartei haben heute das Thema verfehlt. Für sie geht es um Landeshauptmann Pühringer, und Herr Kollege Großruck hat hier sehr emotional agiert. Herr Kollege Großruck, lesen Sie doch auf der Seite 4 der "Kronen-Zeitung" nach, da steht ausführlich drinnen, was wirklich passiert ist. (Abg. Kiss: Was in der "Kronen-Zeitung" steht, ist richtig! Keine Frage!) Im übrigen, Herr Kollege Großruck, debattieren wir heute das Belastungspaket, das Budget für 1996 und 1997. (Abg. Kiss: Die "Kronen-Zeitung" – das Zentralorgan der Freiheitlichen! – Zahlreiche Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Da die Schwindelbudgets der letzten Jahre mit Kaschieren nicht mehr gehalten werden konnten, hat man sich jetzt dafür entschieden, ein Belastungspaket zu schnüren. Schon anläßlich des Budgets 1995 hat der damalige Finanzminister erklärt, wenn das Budgetdefizit von 102 Milliarden Schilling nicht zu halten ist, tritt er zurück. – Herr Finanzminister Lacina ist zurückgetreten, die Sozialpartner haben ihm das auch leicht gemacht. Sein Nachfolger, Finanzminister Staribacher, hat hier im Hohen Haus durch Arroganz brilliert, und jetzt, nach dem Wahlgang im Dezember 1995, haben wir das Belastungspaket. Es ist geschnürt worden, und Herr Kollege Stummvoll kommt hier heraus und meint, es gebe keine Alternative zum Sparpaket II, zu diesem Belastungspaket, wie ich es nenne.

Kollege Stummvoll! Die Freiheitlichen hier im Hohen Haus haben in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, daß in Bereichen der Privilegienwirtschaft in Österreich, bei den Sozialleistungen, bei Transferleistungen eingespart werden kann, aber nicht nach dem Gießkannenprinzip vorgegangen werden soll, so wie diese Koalition in den letzten Jahren agiert hat. Wenn die Treffsicherheit bei den Sozialleistungen erhöht worden wäre, hätten wir uns jetzt so manches erspart:

Der Familienlastenausgleichsfonds ist in den vergangenen Jahren immer wieder zum Stopfen von Budgetlöchern verwendet worden und außerdem zur Subventionierung der maroden Ver


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kehrsbetriebe. Wenn diese Beträge für die Familien verwendet worden wären, hätten wir heute noch etwas Geld in diesem Topf.

Genauso ist es bei der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder, wo Sie jetzt endlich einmal unsere langjährigen Forderungen umsetzen. Diese Gelder hätte man zur Gänze einsparen können. Wieso machen Sie das erst heute, wieso haben Sie das nicht schon vor fünf Jahren getan? Damit wäre den österreichischen Familien geholfen gewesen.

Kleinherzig und langsam gehen Sie auch bei den Privilegien der Nationalbank vor. Langsam hebt man jetzt den Pensionsbeitrag von 2 Prozent auf 5 Prozent an. Die anderen österreichischen Arbeitnehmer bezahlen über 10 Prozent Pensionsbeitrag; mit dem Dienstgeberbeitrag sind es über 22 Prozent.

Ebenso ist es bei den EVUs, den Sozialversicherungsanstalten oder bei den Kammern. Es ist noch immer keine Rede vom Zusammenlegen der Sozialversicherungsanstalten, und die Privilegien beim Nachkauf von Versicherungszeiten, wobei eben die Angestellten der Sozialversicherungsanstalt weiterhin bevorzugt werden gegenüber anderen, sind nach wie vor aufrecht. (Abg. Koppler: Red über die Privilegien der Notare! Red einmal darüber!)

Und dann geht der Herr Kollege Nürnberger hier heraus – Kollege Koppler, horch mir einmal zu! – und sagt, ein Drittel der Einsparungsvorschläge, die hier vorgelegt werden, trifft den Sozialbereich. Und er sagt weiter: Das soziale Netz läßt aber weiterhin keinen durchfallen. No na net! Österreich ist nicht übersozial, sagt er, sondern im europäischen Durchschnitt. Ich erinnere mich aber noch sehr genau an die Wortmeldungen der Kollegen von der SPÖ. Da ist in den vergangenen Jahren immer wieder davon die Rede gewesen, daß die sozialpolitischen Errungenschaften Österreichs im europäischen Spitzenfeld liegen.

Ich als Sozialpolitiker freue mich natürlich auch, daß wir gewisse soziale Errungenschaften haben, aber es muß natürlich auch so sein, daß den Mißständen nicht Tür und Tor geöffnet wird, sondern daß die Sozialleistungen jenen Leuten zukommen, die dieser bedürfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man hat im Zuge der Wahlwerbung immer wieder betont: Keine Eingriffe in bestehende Pensionen! Das hat heute auch Kollege Nürnberger behauptet. Tatsache ist, sehr geehrte Damen und Herren, daß bei einem alleinstehenden Pensionisten die Pension schon gekürzt wird, wenn er 9 000 S erhält, bei einem Ehepaar erfolgt bereits eine Kürzung ab 13 000 S. – Wenn das kein Eingriff ist, was ist dann ein Eingriff? Es ist auch immer wieder gesagt worden, es müsse bei jenen gekürzt werden, die hohe Pensionen haben. Wenn das hohe Pensionen sind, dann weiß ich nicht mehr, was in Ihren Hirnen vorgeht!

Ein Mehr an Gerechtigkeit, sagt Kollege Nürnberger, im System sei erreicht worden. Meiner Meinung nach ist in bezug auf Harmonisierung noch nichts passiert, denn nach wie vor gibt es keine Harmonisierung der verschiedenen Pensionen in Österreich. Außerdem haben wir weiterhin ein Heer von Frühpensionisten in Österreich. Derzeit sind es bereits 171 000, im nächsten Jahr werden es zirka 200 000 sein. Das ist darauf zurückzuführen, daß es verschiedene Pensionssysteme gibt, daß es Pensionssysteme gibt, wonach jemand nach 35 Erwerbsjahren bereits in Pension gehen kann, und ein anderes System, das ASVG, in dem das erst nach 45 Versicherungsjahren möglich ist. Das ist eine Ungerechtigkeit in den in Österreich bestehenden Pensionssystemen, daher muß eine Harmonisierung dringendst durchgeführt werden.

Bei der Arbeitslosenrate sind wir ebenfalls an einer Rekordgrenze nach Kriegsende angelangt. Wir haben bereits knapp 300 000 Arbeitslose erreicht, und die Zuwachsrate bei den 30- bis 50jährigen und bei den 50- bis 60jährigen steigt weiterhin an. Vor allem ist dieser Anstieg im Bau- und Baunebengewerbe, im Gesundheitsbereich, in den Lehrberufen und in den technischen Berufen zu verzeichnen. Hingegen geht die Zahl der angemeldeten offenen Stellen deutlich zurück, und zwar um 26,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch hinsichtlich der Lehrstellensuchenden ist die Statistik erdrückend, weil für 4 159 Lehrstellensuchende eben nur


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mehr 3 396 gemeldete offene Lehrstellen vorhanden sind. Auch in diesem Bereich besteht Handlungsbedarf, sehr geehrte Damen und Herren. Hier muß gehandelt werden!

Und nun zur flexiblen Arbeitszeit: Verzetnitsch und Sallmutter sagen, flexible Arbeitszeit und Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit nur mit Zeitausgleich und unter Wegfall des Überstundenzuschlages. Sehr geehrte Damen und Herren, das bedeutet nichts anderes als eine Arbeitszeitverkürzung und weniger Verdienst. Wieso will denn heute jemand Überstunden machen? Wieso nimmt jemand eine längere Arbeitszeit in Kauf? – Weil er mehr verdienen, weil er sich etwas leisten will, weil er sich etwas anschaffen will zum Einrichten der Wohnung, zum Häuselbauen und so weiter. Das wollen Sie durch die erhöhte Überstundenbesteuerung diesen Leuten auch noch wegnehmen! (Abg. Dr. Feurstein: Haider sagt etwas anderes als Sie! Nicht mehr arbeiten, sondern weniger arbeiten!)

Und Abgeordneter Höchtl, der Vorsitzende des Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbundes, sagt: Keine Arbeitszeitverlängerung, sondern mehr Verfügbarkeit der Arbeitnehmer! – Wissen Sie, was das bedeutet, Herr Kollege Feurstein? Das bedeutet Arbeit auf Abruf. Wollen Sie das, daß die Arbeitnehmer zu Hause sitzen und warten, bis der Chef anruft: Du, jetzt habe ich eine Arbeit, jetzt kommst du arbeiten!? Der Arbeitnehmer wird dann zwar weniger arbeiten, aber er ist zeitmäßig ständig gebunden.

Das kann nicht der Weisheit letzter Schluß sein. Eine Lösung kann nur durch einen längeren Durchrechnungszeitraum herbeigeführt werden. Wir haben jetzt die Möglichkeit von 13 Wochen, darüber kann man diskutieren. Man muß aber auch über andere Modelle – Jahresarbeitszeitmodelle, das halbe Jahr und so weiter – diskutieren und vor allem auch über eine Änderung der Gewerbeordnung.

Die Vertreter der Wirtschaftskammer sitzen nämlich voll auf der Gewerbeordnung, die ein letzter Ausläufer der Zünfte ist. Die Gewerbeordnung müßte endlich liberalisiert werden, damit die Leute sich eben leichter selbständig machen können, denn heutzutage ist es ja so, daß jener, der in der Wirtschaftskammer sitzt, darüber bestimmt, ob er einen Konkurrenten zuläßt. Darauf ist natürlich niemand neugierig, und das müßte dringendst geändert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Bezüglich des 13. und 14. Monatsgehalts hat man immer wieder gesagt, daran darf nicht gerüttelt werden. Ich bin auch der Meinung, daß daran nicht gerüttelt werden darf. Die günstige Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehalts müßte weiterhin bestehen bleiben. Und was macht man jetzt? – Jetzt geht man her und führt das sozusagen durch die Hintertür ein. Durch eine stärkere Abgabenleistung für alle und durch diese neue Berechnungsmethode, die man jetzt einführt, werden eben auch das 13. und das 14. Monatsgehalt stärker besteuert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Noch dazu ist es so, daß bei all diesen Maßnahmen, die da beschlossen werden – Änderung beim Alleinverdienerabsetzbetrag, Kürzung der Sonderausgaben, Besteuerung der privaten Lebensversicherung und so weiter –, die Sozialpartner zustimmen. Der Österreichische Gewerkschaftsbund, die Kammern stimmen diesem Belastungspaket zu. Dabei sind sie auch noch doppelzüngig, denn auf der anderen Seite protestieren sie, wie etwa die Frauenchefin des ÖGB.

Der Herr Bundeskanzler hat sich im Zuge der Wahlwerbung und bis heute eigentlich demaskiert und als Märchenerzähler entpuppt. Er hat gesagt: Frauenrechte dürfen nicht angetastet werden! – Was ist jetzt mit der Streichung der Geburtenbeihilfe und mit der Kürzung des Karenzgeldes, sehr geehrte Damen und Herren? Es ist ein Einschnitt in die Frauenrechte. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Beim Pflegegeld erfolgt ebenfalls eine Kürzung. Für mich ist es einfach unverständlich – und es müßte auch für Sie unverständlich sein, Frau Kollegin Silhavy –, daß es eine Kürzung beim Pflegegeld gibt, und zwar beim Taschengeld. Wenn sich jemand in Heimunterbringung befindet, wird dieses Taschengeld um die Hälfte gekürzt, und das ist für mich unverständlich!


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Überhaupt ist das gesamte Belastungspaket, sehr geehrte Damen und Herren, alles in allem gewiß alles andere als ausgewogen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tegischer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.58

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, daß alle Abgeordneten dieses Hauses eine sichere Zukunft für unser Land anstreben. Wenn wir die Ausgaben und Einnahmen des Bundesvoranschlages 1996 und 1997 betrachten, muß eines klar festgestellt werden: Das Ziel, das sich die Bundesregierung gesetzt hat, ist eine mittelfristige Konsolidierung und nicht eine kurzfristige.

In der gegenwärtigen Situation, wie wir sie jetzt haben, kommt der Budgetkonsolidierung eine Schlüsselfunktion bei der künftigen Erreichung der wichtigsten wirtschaftspolitischen Zielsetzungen zu: Sicherung der gesamtwirtschaftlichen Stabilität, der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Österreichs, der langfristigen Finanzierung des Sozialstaates sowie der Verbesserung der Beschäftigungslage durch engagierte Beschäftigungsprogramme. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bundesfinanzgesetze für die Jahre 1996 und 1997 sind ein unumgänglicher, daher mutiger und sicherlich nicht leicht zu tragender Entschluß zum Sparen. Natürlich sind Einsparungsmaßnahmen unpopuläre Maßnahmen, und manche empfinden diese als ungerechtfertigt. Einige Interessenvertretungen protestieren gegen dieses Sparpaket und empfinden es als Belastungspaket. Wenn ich die Diskussionen der unterschiedlichen sozialen Bevölkerungsschichten verfolge, dann spüre ich, daß der Bürger aber gerade jetzt Halt und Vertrauen sucht und benötigt. Da helfen keine Angstparolen. Nur durch Solidarität und verantwortungsvolle Politik werden wir gemeinsam die Zukunft Österreichs formen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Österreicherinnen und Österreicher wissen alle – auch wenn es uns schwerfällt –, daß wir sparen müssen, aber wir können uns keinen Augenblick länger vor der Verantwortung für die kommenden Generationen drücken. Deshalb hat die Regierung auch nicht lange gezögert. Sie hat innerhalb kürzester Zeit zwei Bundesfinanzgesetze, nämlich jene für 1996 und 1997, erstellt und damit ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt.

Oft höre ich, und zwar vor allem von seiten der Opposition, das Konsolidierungsprogramm sei für die öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen wegen der Maastricht-Kriterien geschnürt worden. Da muß ich widersprechen, denn die Bundesfinanzgesetze für 1996 und 1997, wie sie jetzt vorliegen, sichern die erforderlichen Spielräume für den Bundeshaushalt. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Die bestehende und künftige Hauptaufgabe des Staates ist meiner Meinung nach die langfristige Finanzierung des Sozialstaates, denn nur so ist sozialer Friede gewährleistet. Ich sehe es als meine Hauptaufgabe und rufe Sie alle auf, nicht Resignation und Angst zu verbreiten, sondern optimistisch und stärkend auf unsere Mitbürger einzuwirken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Solidarität, gemeinsam sind wir stark! – Oft sagt man, das seien strapazierte Schlagworte. Meiner Meinung nach haben sie nichts von ihrer Wirkung verloren, im Gegenteil, sie sind wichtiger denn je. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Rolle der Sozialpartner hervorheben.

Nun möchte ich mich einem besonderen Bereich, der aktiven Arbeitsmarktpolitik, zuwenden. Neue Beschäftigungsimpulse, wie sie die Bundesfinanzgesetze vorsehen, liegen mir als Sozialarbeiterin besonders am Herzen. Durch Förderungen, wie sie vorgesehen sind durch Sonderprogramme und Maßnahmen, werden neue Projekte geschaffen und bestehende weiterentwickelt, die die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit in den Vordergrund stellen.


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Die arbeitsmarktpolitische Zielsetzung wird vor allem in folgenden Bereichen greifen: Erstens finanzielle Mittel zur Wiedereingliederung und erstmaligen Eingliederung in den Arbeitsmarkt, zweitens Qualifizierung durch Aus- und Weiterbildung, drittens Sicherung der derzeitigen Arbeitsplätze.

Durch den Beitritt zur EU können nun zusätzlich auch Angebote und Förderungen im Rahmen des Europäischen Sozialfonds für folgende Personengruppen wirksam werden: Langzeitarbeitslose, ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, NotstandshilfebezieherInnen, Behinderte, schwer Vermittelbare, schwer vermittelbare, benachteiligte Jugendliche und Frauen mit Wiedereinstiegsproblemen.

Ich weiß als sozialpädagogische Leiterin eines sozialökonomischen Betriebes in Osttirol, der alle vorher genannten Gruppen einschließt, wie unentbehrlich derartige Maßnahmen sind, und zwar nicht nur für den einzelnen, der durch Arbeitstraining, gezielte Betreuung und Beratung wieder in den Arbeitsmarkt rückgeführt wird, sondern auch für die regionale Volkswirtschaft. Damit verbunden sollen umweltschonende und energiesparende Produktionstechniken und regional bezogene Rohstoffe beispielgebend für private Unternehmungen sein. Daß diese Projekte gut funktionieren, beweisen die meisten derzeit schon bestehenden sozialökonomischen Betriebe.

In dem Betrieb, den ich in Osttirol mitbegründet habe, werden zum Beispiel aus dem Rohstoff Holz, wovon genügend vorhanden ist, handgefertigte Dachschindeln, Möbel und Spielsachen hergestellt und direkt vermarktet. Absatzprobleme gibt es keine.

Noch einmal: Ein wichtiger Beitrag zur aktiven Arbeitsmarktpolitik sind Maßnahmen zur Integration behinderter und schwer vermittelbarer Menschen in den Arbeitsprozeß. Die persönliche Begleitung beim Arbeitseinstieg durch Arbeitsassistenz oder Coaching, wie es jetzt modern heißt, oder eben Betreuung und Begleitung, erweist sich jetzt schon als erfolgreich.

Auf dem Wirtschaftssektor hat sich vieles in den letzten Jahren verändert: Marktbedingungen, Produktionsverfahren, neue Werkstoffe, Arbeitsorganisation. Gleichzeitig werden immer höher qualifizierte Arbeitskräfte gefordert. Arbeitskräfte mit geringer oder ohne Qualifikation können mit diesen geänderten Voraussetzungen nicht mehr Schritt halten. Vielfach scheitert auch der Umstieg auf eine andere Beschäftigung.

Ein bausteinartig ineinandergreifendes System gewährleistet, daß die einzelnen Abschnitte von der Berufsfindung und Orientierung bis zur Spezialausbildung für bestimmte Produktionstechniken reichen.

Ich betone noch einmal zum Schluß, meine Damen und Herren: Es müssen neue, unkonventionelle und mutige Wege gegangen werden. Ich bin überzeugt, die Bundesfinanzgesetze für die Jahre 1996 und 1997 schaffen die notwendigen Rahmenbedingungen für eine hoffnungsvolle und positive Zukunft Österreichs. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.07

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Johann Schuster. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.07

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollegin Tegischer von den Sozialdemokraten hat es verstanden, mit ihrer Rede eine Klimaverbesserung in dieses Hohe Haus zu bringen. Nicht nur der Bundesfinanzminister heißt Klima, sondern auch dieser Stil ist gefragt. Ich beglückwünsche sie zu dieser gelungenen Rede zur Klimaverbesserung. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Am Montag, den 15. Jänner dieses Jahres, hat sich das Parlament konstituiert, und es fand die Angelobung statt. Die Gelöbnisformel lautet: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."


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Warum sage ich das? – Weil ich meine, daß sich Abgeordnete, besonders wenn die Angelobung erst so kurz zurückliegt, dessen besinnen müßten, was sie gelobt haben. Wenn die freiheitliche Kollegin Madl hier in einer tatsächlichen Berichtigung meinte, der Herr Landeshauptmann von Oberösterreich sei gestrauchelt, nichts sei bewiesen, so möchte ich sie an ihr Gelöbnis erinnern, das sie hier in diesem Hohen Haus abgegeben hat, und wir erwarten, daß sich alle daran halten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Hohes Haus! Die beiden Koalitionsparteien haben gemeinsam ein Arbeitsprogramm beschlossen, und sie wollen in den nächsten Jahren gemeinsam für Österreich arbeiten. Es heißt in der Präambel dieses Programms: "Die beiden Koalitionspartner wollen die Reformen einleiten, die notwendig sind, um Österreich über das Ende des Jahrhunderts hinaus eine ähnlich gute Entwicklung zu garantieren, wie sie in den vergangenen 50 Jahren zu verzeichnen war. Dazu ist ein hohes Maß an Verantwortungsbewußtsein, an Offenheit und Gemeinsamkeit notwendig." Da steckt das Wort "Gemeinsamkeit" drinnen, und ich hoffe, daß es den Kolleginnen und Kollegen der beiden Regierungsparteien gelingen wird, diese Gemeinsamkeit in die vorderste Reihe zu stellen.

Hohes Haus! Es ist klar, daß es eine wesentliche Aufgabe dieser Regierung sein wird, den Wirtschaftsstandort Österreich zu sichern, zu festigen und zu verbessern, Arbeitsplätze zu garantieren und neue zu schaffen. Aber eines soll und muß gesagt werden: Arbeitsplätze können nur dann gesichert und gefestigt werden, wenn die Einstellung, wenn das Klima in den Familien und bei den Werktätigen ein positives ist. Ich meine daher: Je mehr Familie vorhanden ist, desto weniger Staat ist erforderlich.

Meine Damen und Herren! Die Familie hat einen sehr hohen politischen Stellenwert, weil sie der Schutz der Freiheit gegen totalitäre Ansprüche ist. Und Kinder sind eben der lebendige Impuls für Zukunftswillen. In einer Gesellschaft, in einer freien Gesellschaft, meine Damen und Herren, ohne Onkel, ohne Tanten, in der Erwachsene weder Nichten noch Neffen haben, stirbt die Fähigkeit zur Kommunikation und zur Mitmenschlichkeit. Und schon heute zeigt sich in Zentralräumen eine gewisse unverschämte Kinderfeindlichkeit.

Hohes Haus! Woran liegt das? – Eines ist klar: Es kann nicht nur am Geld liegen. Wenn Österreich als Mitgliedsland der EU und im OECD-Vergleich an der Spitze liegt, was die Familienförderungen anlangt, so wissen wir doch, daß in den letzten Jahren trotz dieser Leistungen die Geburtenraten laufend zurückgegangen sind. Aber wer meint, meine Damen und Herren, daß der Stellenwert der Ehe nicht mehr großgeschrieben wird, der irrt. Aus einer Umfrage, die das Institut für Demoskopie der Akademie der Wissenschaften bei Jugendlichen gemacht hat, geht hervor, daß von 1 500 befragten Österreicherinnen und Österreichern 72 Prozent die Institution Ehe nicht für überholt, sondern für besonders notwendig halten.

Wie für einen verantwortungsbewußten Familienvater gilt auch für den Staat und für den Bundesfinanzminister, daß er nicht mehr ausgeben darf, als er hat. Fragen wir uns doch: Muß es immer noch ein bißchen mehr sein? Ist das das Ziel der Demokratie, in der wir leben, uns selbst immer weiter hinaufzulizitieren? Es darf einmal darüber diskutiert werden, daß es nicht immer noch ein Mehr geben muß. Denn nicht das Mehr macht glücklich und zufrieden, sondern wesentlich andere Werte. (Beifall bei der ÖVP.)

Hohes Haus! Aus der jüngsten Volkszählung wissen wir – die Aufbereitung durch das Statistische Zentralamt ist nunmehr der Öffentlichkeit vorgestellt worden –, welche Familien in den letzten zehn Jahren am stärksten an Zahl abgenommen haben. – Es sind die kinderreichen Familien, und zwar jene mit vier und mehr Kindern. Die Zahl dieser Familien ist um 41 Prozent geringer geworden. Obwohl die finanziellen Förderungen in Österreich großartig waren, muß ich sagen, hat das nicht dazu beigetragen, daß Familien mehr Kinder haben. Ich habe schon erwähnt, daß Geld allein nicht ausschlaggebend dafür ist, daß Familien gegründet werden und auch glücklich sind.


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Es ist nicht nur das Familienministerium verantwortlich, sondern auch viele andere Bereiche – man kann sie ohne weiteres aufzeigen –: Es sind der Umweltbereich, der Gesundheitsbereich, die Arbeitsmarktsituation oder die Schul- und Bildungssituation, die wesentlich dazu beitragen, ob familienfreundliche Politik im Lande gemacht wird oder nicht. Ich appelliere daher an uns selbst, an die Koalitionsparteien, daß wir in den nächsten Jahren im Bereich der Familie viel tun müssen. Wir müssen in erster Linie eine familienfreundliche Stimmung schaffen. Das ist das Wesentlichste. (Beifall bei der ÖVP.)

Einige meiner Forderungen an uns selbst sind: steuerfreies Existenzminimum auch für Kinder, weitere Verbesserung bei der Anrechnung der Kindererziehungszeiten auf die Pension, flächendeckendes, bedarfsgerechtes Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen und besseres Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen.

Meine Damen und Herren! Oberösterreich muß auch sparen. Oberösterreich ist vorbildhaft, muß ich sagen, in der Familienförderung.

Aber eines zu sagen sei mir zum Schluß noch gestattet: Die Österreichische Volkspartei bekennt sich kraft ihres Programms zu einer wesentlichen Aussage: Die Familie mit zwei Elternteilen und Kindern ist unser Leitbild.

Und mit einem Zitat möchte ich schließen: Es ist klar, die Opposition hat ihr Recht und ihren Anspruch, die Regierungsparteien haben ihr Recht und ihren Anspruch, ihre Meinung zu sagen. Aber Erfolg ist, wenn man um eine Idee besser ist, meine Damen und Herren, und die Regierungsparteien sind eben um diese eine Idee besser. (Beifall bei der ÖVP.)

19.16

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte.

19.16

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte mich mit einer These auseinandersetzen, die heute von Herrn Professor Van der Bellen hier vertreten wurde. Er hat gemeint, die fiskalischen Kriterien von Maastricht treiben Europa in die Rezession.

In diesem Zusammenhang muß man sich fragen: Was würde die Nichtbeachtung von verschiedenen Verschuldenskriterien zum Beispiel für Österreich bedeuten? Was würde es bedeuten, wenn wir zusehen, wie sich der Staatshaushalt weiter in Richtung erhöhter Verschuldung entwickelt? – Das würde im wesentlichen dazu führen, daß wir öffentliche Verschuldung in einem höheren Ausmaß zur Kenntnis nehmen, während gleichzeitig privater Reichtum anwächst. Und wenn wir uns die Wifo-Verteilungsstudie genau angesehen haben, dann haben wir daraus klar erkannt, daß es kaum eine Ausgabenart des Staates gibt, die in einem derart hohen Ausmaß die Höchsteinkommen in diesem Land privilegiert wie die öffentliche Verschuldung. Denn klarerweise sind die Nutznießer aus einer öffentlichen Verschuldung und aus den rückzahlbaren Krediten des Staates in erster Linie jene Gruppen in der Bevölkerung, die über hohe Kapitaleinlagen verfügen. Das heißt aber auch gleichzeitig, daß eine erhöhte öffentliche Verschuldung vom Standpunkt der sozialen Verteilung eine problematische Angelegenheit ist.

Was heißt es für Europa, würde man nicht gewisse fiskalische Grenzwerte für die Verschuldung akzeptieren? – Bevor die Maastricht-Kriterien beschlossen wurden, hat der Internationale Währungsfonds darauf hingewiesen, wenn alle großen Staaten Europas gleichzeitig rigide sparten, würde das dazu führen, daß sich Europa selbst eine Rezession schafft. Dies hat der Internationale Währungsfonds im Jahr 1992 gesagt. Er hat aber nichts gesagt über die bevorstehende Rezession 1993, die völlig ohne Beachtung der Maastricht-Kriterien über Europa hereingebrochen ist. Insofern ist auch nicht unabhängig von der Art des Sparens zu beurteilen, ob Sparmaßnahmen tatsächlich immer zu einer Rezession führen müssen.


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Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist ein viel größeres Problem, daß wir trotz internationaler Bestrebungen nach wie vor ein viel zu hohes Zinsniveau in Europa haben und daß nach wie vor die Deutsche Bundesbank von der panischen Angst einer Hyperinflation getrieben ist, obwohl wir es mit durchschnittlichen Inflationsraten in Höhe von 2,5 Prozent in Europa zu tun haben.

Viel näher liegt daher der Schluß, daß hier offensichtlich noch gewisse offene Rechnungen aus der deutschen Wiedervereinigung beglichen werden müssen, und zwar über die erhöhte Zinspolitik der Deutschen Bundesbank nicht nur von der Bundesrepublik, sondern im wesentlichen von ganz Europa.

Ich glaube daher, daß in diesem Zusammenhang die Anstrengungen in erster Linie in Richtung Verringerung des Zinsniveaus auf europäischer Ebene gehen müssen, weil das der entscheidende Parameter für die Entwicklung von wirtschaftlichem Wachstum und von Investitionen auf unserem Kontinent ist.

Ein zweiter Punkt, der auf europäischer Ebene von größter Relevanz ist, ist natürlich die Verwirklichung der Projekte der transeuropäischen Netze, um zusätzliches Wachstum und zusätzliche Beschäftigung zu schaffen.

Ein dritter Punkt, der natürlich wesentlich ist und von Österreich bei der bevorstehenden EU-Regierungskonferenz zentral betrieben wird, ist, Beschäftigungsmaßnahmen und Vollbeschäftigung absolute Priorität auf der Tagesordnung der Europäischen Union einzuräumen.

Es stellt sich daher die Frage: Wenn sparen nicht a priori zu einer Rezession führt, welche Art des Sparens, welche Art der Konsolidierung ist dann anzustreben? In diesem Zusammenhang verfügen wir ja über eine Reihe von Beispielen aus der Vergangenheit. Die bürgerliche schwedische Regierung hat seinerzeit einen radikalen Sparkurs zu gehen versucht. Das hat dazu geführt, daß sich die Arbeitslosenrate dort vervierfacht hat. Die britische Regierung hat einen Sparkurs unternommen, der dazu geführt hat, daß das Auseinanderklaffen zwischen Arm und Reich in Großbritannien heute bereits so unerträglich geworden ist, daß selbst der Council of British Industrialists eine Erhöhung der Reallöhne in Großbritannien fordert. Da stellt sich die Frage: Wieso stellen britische Industrielle eine solche Forderung? Dies ist völlig logisch: Trotz sozialer Deregulierung, trotz der Nichtunterzeichnung des Sozialprotokolls der Europäischen Union ist die alleinige Orientierung auf den Export in Großbritannien nicht gelungen. Gleichzeitig ist es nämlich zu einem eminenten Absinken der Kaufkraft in Großbritannien gekommen, zu einem eminenten Nachlassen der Binnennachfrage, und zwar in einem derart hohen Ausmaß, daß sich selbst britische Industrielle heute bereits Sorgen über die Kaufkraft in Großbritannien machen.

Es wurde in der Vergangenheit hier im Hohen Haus des öfteren Rolf Dahrendorf strapaziert. Da möchte ich nur darauf hinweisen, daß seine Kommission erst jüngst einen Bericht über die Reichtumsentwicklung in einer Gesellschaft und deren sozialen Zusammenhang veröffentlicht hat, in welchem sich eine Reihe von Vorschlägen finden, die nun auf die Tagesordnung der britischen Regierung kommen sollen, wenn es bei den Wahlen Veränderungen gibt, Vorschläge, die bei uns in Österreich schon längst auf der politischen Tagesordnung stehen oder sogar bereits verwirklicht sind.

In diesem Zusammenhang ist daher die Frage zu stellen: Wie soll angesichts dieser Erfahrungen der österreichische Weg der Budgetkonsolidierung aussehen? – Erstens: Ein Sparpaket, das niemanden etwas kostet, kann es nicht geben, auch wenn von verschiedenen Teilen der Opposition versucht wird, diesen Eindruck hier zu verbreiten. Zweitens sind natürlich Grenzen für idealtypische Sanierungsmodelle im Bereich der politischen und sozialen Durchsetzbarkeit gegeben. Daher glaube ich, daß man bei aller Kritik an verschiedenen Einzelmaßnahmen, die von unterschiedlichsten Interessengruppen vertreten werden, das Gesamtziel einer näheren Analyse unterziehen muß, und dieses Gesamtziel besteht doch im wesentlichen darin, eine Konsolidierung des Staatshaushaltes durchzuführen und gleichzeitig soziale Gerechtigkeit zu wahren und auszuweiten und besondere Aufmerksamkeit der Beschäftigungssituation in Österreich widmen.


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Wenn man diese beiden prioritären Ziele akzeptiert, dann muß man feststellen, daß das, was die Bundesregierung hier vorgelegt hat, in einem großem Ausmaß diesen beiden Zielsetzungen entspricht.

Erstens: Es wurden bei den steuerlichen Maßnahmen die einkommensschwächeren Gruppen geschont, was nicht nur vom Standpunkt der sozialen Gerechtigkeit aus, sondern auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Es ist deswegen volkswirtschaftlich sinnvoll, weil sich gerade in den niedrigeren Einkommenskategorien Einkommen viel stärker in Kaufkraft, Konsum und Nachfrage umsetzt, als das bei höheren Einkommensbeziehern der Fall ist. Daher ist es nicht nur vom Standpunkt der sozialen Gerechtigkeit aus richtig, sondern auch aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive, daß hier das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit durchgehalten wurde.

Zweitens: Indem die Lohnnebenkosten für die Unternehmungen nicht erhöht wurden, sondern im Gegenteil Investitionsbereitschaft zusätzlich gefördert wurde und auch zusätzliche Maßnahmen zur Stimulierung der Beschäftigung enthalten sind, läßt dieses Paket, das der Finanzminister hier präsentiert hat, darauf schließen, daß Österreich wahrscheinlich als einziges Land in Europa bisher über einen Budgetvoranschlag verfügt, wo man nicht nur ans Sparen denkt, sondern gleichzeitig auch an soziale Gerechtigkeit und an Beschäftigung.

In Anbetracht dieser Fakten ist es daher völlig an den Haaren herbeigezogen, wenn, wie dies Frau Abgeordnete Haller tat, von einem "Antiösterreichpaket" gesprochen wird. Genau das Gegenteil ist richtig: Mit diesem Budget setzt Österreich international anerkannte Standards! (Beifall bei der SPÖ.)

Man sollte auf der Zunge zergehen lassen auch die Art der Argumentation, die heute Abgeordneter Haider hier an den Tag gelegt hat. Er hat nahezu in jedem dritten Satz gesagt: "die Dinge wieder in Ordnung bringen". Ja was heißt denn das: "die Dinge wieder in Ordnung bringen"? Das unterstellt doch die Möglichkeit der Wiedergewinnung einer scheinbar glorreichen Vergangenheit, einer Vergangenheit wohlgemerkt, die, als sie Gegenwart war, immer wieder von der FPÖ als unzulänglich gegeißelt wurde. Jetzt, wo diese Gegenwart eine Vergangenheit ist, wird sie auf einmal von der FPÖ glorifiziert. Das ist die Doppelbödigkeit Ihrer Politik, die auf die realen Probleme der österreichischen Bevölkerung keine Antwort gibt! Aber die Antwort der Bevölkerung auf diese Doppelbödigkeit haben Sie zum Glück am 17. Dezember erhalten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.28

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Neugebauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.28

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Meine sehr geehrten Kolleginnen! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kollegen! Viele Debattenbeiträge des heutigen Tages haben sich mit einem Blick in die Geschichte beschäftigt und haben in mir immer deutlicher die Überzeugung reifen lassen, daß der 13. Oktober und der 17. Dezember des vergangenen Jahres ein wesentlicher Meilenstein in einer anderen Beurteilung von Politik in Österreich sind, der in einem Satz anläßlich der Budgetrede des Herrn Bundesministers gegipfelt hat, nämlich als er meinte, ein Defizit an sich ist kein effektives Instrument mehr, um Beschäftigung zu schaffen. Das, was seit 1970 offensichtlich an Budget- und Wirtschaftspolitik gegolten hat, ist durch eine andere Form der Politik abgelöst worden.

Meine Damen und Herren! Heute ist viel die Ausgewogenheit der Maßnahmen beschworen worden. Ich gratuliere jedem, der diese sensible Apothekerwaage besitzt, jedes Lot der einzelnen Maßnahmen auch tatsächlich so genau abschätzen zu können. Es ist ohne Zweifel das heute schon beschriebene Androschsyndrom in diesem Paket nicht enthalten. Aber ich denke, daß die Reaktion aus der Bevölkerung doch der beste Gradmesser für die Gewichtung ist. Man könnte sagen, es ist eine gleichmäßig temperierte Unzufriedenheit oder Akzeptanz gegeben – ohne Zweifel mit einigen Ausreißern, wie die aktuelle Diskussion an den Hochschulen der dort Beschäftigten und Studierenden zeigt. Man hätte ohne Zweifel in den letzten


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Tagen und Wochen die Dinge auch in der Strukturdebatte etwas früher in den Griff bekommen müssen.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, geschätzte Damen und Herren – und Sie konnten das ja in den Medien in den Monaten Jänner und Februar deutlich miterleben, weil sich die Gespräche zwischen den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des öffentlichen Dienstes und der Bundesregierung ja beinahe permanent vor laufender Kamera abgespielt haben –, daß der Beitrag des öffentlichen Dienstes zum Konsolidierungspaket ohne Zweifel Signalfunktion für alle weiteren Maßnahmen gehabt hat. Der Zuwachs an Personalkosten von 15,7 Milliarden Schilling und damit das Einfrieren des Ausgabenvolumens auf dem Stand des Jahres 1995 waren uns vorgegeben, und wir haben eine doch sehr beachtliche Mehrheit unserer Kolleginnen und Kollegen davon überzeugen können, daß das gemeinsame Interesse in eine Zustimmung zu diesem Konsolidierungsprogramm mündet.

Diese Zustimmung, meine Damen und Herren, ist natürlich auch abhängig von der emotionalen Bereitschaft einer Berufsgruppe, sich dazu zu äußern. Ich mache darauf aufmerksam, daß die emotionale Bereitschaft, einen wesentlichen Beitrag zu leisten, im Augenblick gefährdet ist, etwa bei unseren Kolleginnen und Kollegen der Exekutive, die dafür sorgen, daß die studentischen Proteste in geordneten Bahnen abgehen, nämlich dann, wenn sich linke oder rechte Randgruppen gegen die Exekutivorgane mit Gewalt zur Wehr setzen. Da sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Erfüllung der Gesetze tätig und müssen sich von einigen Rowdies beflegeln und bedrohen lassen.

Meine Damen und Herren! Die emotionale Bereitschaft ist aber auch dann gegeben, wenn die Einsparung beim Personal – ein Aufnahmestopp – durchaus akzeptiert wird, aber im Gegenzug von einem Aufgabenstopp nicht gesprochen wird. Sehen Sie sich heute die Belastung der Justiz an, die Belastung der Finanz, aber auch jene der bereits zitierten Kolleginnen und Kollegen der Exekutivkörper.

Es hat die Kollegin Schaffenrath die Standesvertretung der Lehrer dafür verantwortlich gemacht, daß im Bildungsbereich Einsparungen gemacht werden. Auch ein überholtes Dienstrecht und die Besoldungsstruktur seien schuld daran. Sie hat jedoch nicht hinzugefügt, was sie konkret damit meint. Mit diesem Debattenbeitrag kann ich leider nur wenig anfangen.

Weil man so gerne gegenüber dem öffentlichen Dienst und der Hoheitsverwaltung die Pragmatisierung, also das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis, als etwas Besonderes herausstreicht, darf ich sagen: Es ist doch Aufgabe des Dienstgebers, sich seiner Kolleginnen und Kollegen zu versichern, ihnen auch ein lebenslanges Dienstverhältnis anzubieten.

Weil bei den Pensionen mit vielen Vorurteilen argumentiert wird, lade ich dazu ein, sich mit den Unterschieden des Versicherungsprinzips nach dem ASVG und dem Versorgungsprinzip nach dem Pensionsgesetz 1956 vertraut zu machen.

Ich meine, daß auch im öffentlichen Dienst eine betriebspsychologische Kultur einzuziehen hat. Es wird keine Motivationssteigerung bewirken, wenn man permanent am öffentlichen Dienst herumtüftelt und kritisiert, daß die Kolleginnen und Kollegen, die für die Infrastruktur in unserer Gesellschaft mit sorgen, nicht mit besonderem Engagement ans Werk gehen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst sind mit ihrem 16-Milliarden-Beitrag ohne Zweifel an die Grenze des Zumutbaren gegangen. Ich bedanke mich beim Herrn Bundeskanzler, daß er in seiner Regierungserklärung auch auf die besondere Belastung – manch unzumutbare Belastung – des öffentlichen Dienstes hingewiesen hat. Ich habe keine Ursache, ihm nicht zu glauben, denn er hat seine Regierungserklärung an einem Mittwoch gehalten, und es war daher keine Sonntagsrede. Ich bedanke mich im besonderen Maße beim Herrn Vizekanzler, der für das Berufsbeamtentum eine Lanze gebrochen hat, indem er gemeint hat, die Angehörigen des öffentlichen Dienstes sind Träger staatsbürgerlicher Rechte mit bundesverfassungsgesetzlicher Garantie.


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Wenn man die Diskussion von heute – und ich habe mich bemüht, sehr viele Beiträge zu verfolgen – Revue passieren läßt, dann könnte man schreiben: jeder erwartet vom Staat Sparsamkeit im allgemeinen, aber Freigiebigkeit im besonderen. Ich bedanke mich für viele sehr konstruktive Debattenbeiträge, kann aber mit all jenen nichts anfangen, in denen aufgelistet wurde, was alles nicht sein darf und nicht sein kann, aber kein Satz darüber enthalten war, woher für die Bewältigung der Vorschläge die Ressourcen kommen sollen.

Der gemeinsame Nenner ist – und dieser zieht sich durch alle Debattenbeiträge –, daß ein konsolidierter Staatshaushalt die Grundlage für besseres Wirtschaften und für mehr Beschäftigung ist. Das ist, meine Damen und Herren, aber nicht der kleinste gemeinsame Nenner. Auf diesen dürfen wir stolz sein, denn der kleinste gemeinsame Nenner ist – zumindest im Bruchrechnen – der stärkste Faktor. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.36

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Es sind tatsächlich noch zwei Redner gemeldet.

Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Freund das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.36

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister Dr. Bartenstein! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Nach wochenlangen zähen und harten Verhandlungen ist es nun gelungen, Einigung zwischen den zwei größten Parteien in unserem Lande über die Budgets 1996 und 1997 und die Bildung einer neuen Regierung zu erzielen. Das wird von der Bevölkerung sehr begrüßt, da sie auf stabile Verhältnisse in unserem Land setzt.

Dieses Budget ist aber nicht nur ein Sparbudget, das äußerst notwendig ist, sondern dieser Budgetvoranschlag soll auch Infrastrukturmaßnahmen vorantreiben, um Arbeit zu schaffen und zu sichern. Dies ist deshalb so wichtig, weil der Arbeitsmarkt große Probleme hat und die Entwicklung im ländlichen Raum neue Initiativen verlangt.

Ich begrüße es daher, daß durch die Aufstockung der Wohnbauförderung zusätzliche Bauinvestitionen von zirka 2,5 Milliarden Schilling frei werden. Gerade auf dem Bausektor sind Impulse wichtig, da diese auch für das Baunebengewerbe neue Chancen eröffnen.

Bereits im Juli 1995 war zur Förderung der Bauwirtschaft ein Sozialpartnerprogramm auf Initiative von Vizekanzler Dr. Schüssel angestrebt worden, das eine Verstärkung der Aktivitäten der Bundesimmobiliengesellschaft, insbesondere was die Veräußerung von Bundesgebäuden betrifft, vorsah.

Im November 1995 konnte Wirtschaftsminister Dr. Ditz berichten, daß im Rahmen des BIG-Gesetzes bereits Projekte über 3 Milliarden Schilling ausgearbeitet sind, um der Baubranche neue Impulse zu geben.

Mit den Finanzmitteln aus Immobilienverkäufen ist vor allem der beschäftigungswirksame Neubau von Gebäuden und Gebäudesanierungen an Bundesbauten voranzutreiben.

Allein für Sanierungsmaßnahmen an Bundesgebäuden in Oberösterreich wären 1,3 Milliarden Schilling notwendig, stellte Landeshauptmann Dr. Pühringer im Oberösterreichischen Schulbauprogramm fest. Das Bundesbudget sieht jedoch für Oberösterreichs Bundesschulen lediglich 100 Millionen Schilling vor. Absolute Priorität haben einige Bundesschulen in Linz sowie das Bundesschulzentrum in Schärding.

Herr Finanzminister! Ich appelliere an Sie, diese Tatsachen zu berücksichtigen und darauf positiv zu reagieren und Erlöse aus Privatisierungen der verstaatlichten Unternehmungen für Bundeshochbauten zu verwenden.

Zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes und zur Schaffung neuer Arbeitsmöglichkeiten wären eine Offensive für den Mittelstand und eine Verbesserung der Verkehrsstruktur im ländlichen Raum äußerst notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wenn es nicht so viele bürokratische Hindernisse und übertriebene Regelungen gäbe, würde ich mehr Beschäftigte anstellen, wird mir von Unternehmern bei Betriebsbesuchen immer wieder geklagt. Da müssen wir doch gemeinsam alles tun, um durch weniger Bürokratie die Attraktivität des selbständigen Unternehmertums zu steigern. Ich appelliere an die SPÖ, den Koalitionspartner, mitzuhelfen, die Entbürokratisierung in Angriff zu nehmen.

Eine Standortsicherung und Wettbewerbsgleichheit mit ausländischen Anbietern sind anzustreben. Der EU-Beitritt hat für Österreich, insbesondere für dessen Grenzraum, viele Vorteile gebracht – das kann ich aus meinem Wahlkreis berichten –, man darf aber auch die Nachteile nicht übersehen. Der unterschiedliche Mehrwertsteuersatz zu Deutschland – dort ist er um 5 Prozent niedriger als bei uns – bringt natürlich auch große Probleme für unsere Unternehmungen und auch für die Landwirtschaft. Der Kaufkraftabfluß aus dem Innviertel nach Bayern betrug allein im ersten Halbjahr 1995 525 Millionen Schilling. Da muß gegengesteuert werden.

Für das Leben und Wirtschaften im ländlichen Raum ist natürlich die Verbesserung der Infrastruktur lebenswichtig. Dabei kommen der modernen Kommunikation und den Verkehrsanbindungen zentrale Bedeutung zu. Ich unterstütze und verlange daher Bemühungen um einen raschen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, zum Beispiel auch der Eisenbahnlinie Neumarkt-Schärding, an der schon fleißig gearbeitet wird, sowie der Eisenbahnlinie Wels-Ried-Braunau-Simbach.

Wenn man bedenkt, daß der LKW-Schwerverkehr am Grenzübergang Suben im Vergleich Jänner 1996 zu Jänner 1995 um 46 Prozent gestiegen ist und bereits mehr als 1,2 Millionen Schwerfahrzeuge jährlich die Grenze überqueren, dann erscheint der Bahnausbau, um den LKW-Verkehr dorthin zu verlagern, dringend notwendig. (Abg. Sigl: Bravo!)

Im Budget sind 11 Milliarden Schilling für den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur vorgesehen, was ich sehr begrüße. Eine zeitgemäße Abwicklung des Regionalverkehrs im Raum Ried und Braunau wäre eine wichtige Maßnahme für Betriebe und Beschäftigte. (Beifall des Abg. Ing. Maderthaner. ) Auch der Straßenausbau im Salzburger Raum ist eine dringende Notwendigkeit, und die Innkreis Autobahn braucht eine neuerliche Sanierung der Oberfläche.

Ein bedeutender Faktor für die Wirtschaft und zur Sicherung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum ist natürlich die Landwirtschaft. Den Arbeitsplatz Bauernhof können wir dadurch erhalten und fördern, daß wir neben der Nahrungsmittelproduktion und Landschaftsgestaltung den bereits begonnenen Weg, der von Landwirtschaftsminister Molterer vorgegeben wird, auch weiter beschreiten. Er geht vor allem in Richtung Ökologisierung, bessere Erzeugerpreise und Direktzahlungen für die Bauern. Im Bereich der erneuerbaren Energieträger wie Biomasse und Wasserkraft müssen die Potentiale realisiert werden und durch attraktive Einspeisungstarife auch eine wirtschaftliche Basis erhalten. Ich appelliere von dieser Stelle aus auch an den Innenminister, daß er dem Rechtsstaat zum Durchbruch verhilft und den oberösterreichischen Landeshauptmann Dr. Pühringer unterstützt, damit dies auch geschehen kann.

In diesem Sinne beinhaltet der vorliegende Budgetentwurf wichtige Maßnahmen, die zur Stabilisierung in unserem Land einen großen Beitrag leisten, damit die Zukunft positiv gestaltet werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.42

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Horngacher. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.43

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Für die bäuerlichen Familien hat sich seit dem EU-Beitritt sehr vieles verändert. Der Preiseinbruch war größer als erwartet. Das System der Ausgleichszahlungen macht unseren Bauern voll bewußt, wie abhängig sie von der Politik geworden sind. Jedem Bauern wäre es lieber, er bekäme für seine Produkte einen kostendeckenden Preis, jedoch werden wir das in Zukunft auch nicht mehr zu erwarten haben.

 


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Je weniger die österreichische Familie für die Ernährung ausgeben muß – im Jahre 1955 war es etwa die Hälfte des Einkommens, die man für Nahrungsmittel ausgeben mußte; letztes Jahr waren es nur noch 16 Prozent –, umso mehr hat sie für andere Wirtschaftsgüter zur Verfügung, und dies bedingt und bringt den allgemeinen Wohlstand.

Die Umstellung des Förderungswesens wurde recht gut bewältigt. Nun geht es darum, dort nachzubessern, wo es noch Härten gibt.

Für gut und notwendig halte ich das Umweltprogramm. Es bringt einen Ausgleich für den Verzicht auf ertragssteigernde Mittel, berücksichtigt aber auch Steilflächenbewirtschaftung und die Almwirtschaft. Dieses Programm soll weiter ausgebaut werden, besonders im Berggebiet, weil es den behutsamen Umgang mit unseren Lebensgrundlagen, nämlich mit Luft, Wasser und Erde, berücksichtigt und damit ein Programm der nachhaltigen Bewirtschaftung ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Hormoneinsatz als Wachstumsförderer und gentechnische Veränderungen bei der Lebensmittelproduktion sind weiterhin absolut abzulehnen! (Beifall bei der ÖVP.)

Manche Menschen sind heute der Meinung, man könnte die Nahrungsmittel von den billigen Weltmärkten einführen. Dies könnte man zwar – den Bauern und die bäuerliche Familie aber kann man nicht importieren.

Unlängst war eine Delegation aus Rußland bei uns, hat die landwirtschaftlichen Schulen und die Landwirtschaft besichtigt. Das Endresultat war, daß der Delegationsleiter zu uns gesagt hat: "Hätten wir in Rußland diese Bauern, wir hätten weniger Sorgen. Denn wir haben noch Sorgen um die Ernährung der Bevölkerung – das kennt ihr hier nicht mehr!"

Bauer sein heißt aber nicht nur Lebensmittelproduzent sein, sondern es ist eine gesellschaftlich notwendige und wichtige Lebensform, auf die die Gesamtbevölkerung nicht verzichten kann. In Tirol beispielsweise schützt die Bewirtschaftung der Hochregionen vor Lawinen und Mureneinbrüchen. Der Tourismus wirbt mit der durch die Bauern geschaffene Schönheit der Landschaft. Unser Ziel muß es deshalb sein, die flächendeckende Bewirtschaftung in unserem Land – besonders natürlich im alpinen Raum – zu sichern.

Die bäuerlichen Familien mit ihren Betrieben sind die Garantie für die Bewahrung einer gepflegten und bewirtschafteten Kulturlandschaft in Österreich für die Zukunft. Die Bauernfamilie aber ist mehr: Sie ist ein stabiles Element in der Gesellschaft. Es gibt wenig Scheidungen.

Die durchschnittliche österreichische Familie hat 1,5 Kinder, die Bauernfamilie 2,4 Kinder. Darüber hinaus haben Bauernkinder beste Voraussetzungen, sich zu lebensbejahenden Menschen zu entwickeln. Sie haben genug Raum, um sich entfalten zu können. Sie sehen Vater und Mutter gemeinsam arbeiten. Sie sehen, daß nur derjenige ernten kann, der auch gesät hat. Und die Kinder wachsen oft mit Geschwistern und mehreren Generationen zusammen auf, und sie erleben am Hof noch Geburt und Tod von Mensch und Vieh als etwas Natürliches. – Und wir müssen wieder mehr lernen, die Welt mit den Augen der Kinder zu sehen! (Beifall bei der ÖVP.)

Unsere Bäuerinnen sind laut Umfrageergebnissen noch zu 86 Prozent gern Bäuerin – und dies trotz schwerer körperlicher Arbeit und des relativ niedrigen Einkommens –, weil sie nach eigenen Angaben ein erfülltes Leben haben. Unsere Aufgabe ist es nun, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit das Versprechen, das im Koalitionsübereinkommen klar die Sicherung der bäuerlichen Familienbetriebe festschreibt, auch realisiert wird.

Landwirtschaft ist das vorletzte Kapitel in der Regierungserklärung unseres Bundeskanzlers. Wenn ich nun mit der Bahn nach Tirol fahre, sehe ich die Bedeutung der Bauern Österreichs ganz anders. Ich denke an den Text Grillparzers, der da heißt:

"... es ist ein gutes Land,

Wohl wert, daß sich ein Fürst sein unterwinde!


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Wo habt Ihr dessengleichen schon gesehn?

Schaut rings umher, wohin der Blick sich wendet,

Lacht’s wie dem Bräutigam die Braut entgegen!"

Und dieses schöne Land und diese schöne Landschaft wird von der Landwirtschaft gepflegt, mit Fleiß, und ist eindrucksvoll durch die Jahrhunderte geprägt worden. Ich sehe viel Landschaft und dazwischen hin und wieder eine Stadt.

Ich hoffe nur, daß sich der wirkliche Stellenwert der Landwirtschaft in einer späteren Regierungserklärung in einem besseren Platz niederschlägt! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.49

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Salzl als vorläufig letzter Redner. – Restredezeit 7 Minuten.

19.50

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heutige "Kurier" schreibt unter dem Titel "Gefangen in der Schuldenfalle", daß die Zinsen für unsere Schulden weitaus schneller wachsen als unsere Wirtschaft. Das Wifo ortet eine monetäre Spaltung Europas und erwartet ein weitaus geringeres Wirtschaftswachstum für die Zukunft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden zwar aufgrund des Belastungspaketes die Maastricht-Kriterien bei der Neuverschuldung Ende 1997 erfüllen, bei der Gesamtverschuldung hingegen werden wir weit darüber liegen: statt 60 Prozent werden es Ende 1997 72,8 Prozent sein. Das bedeutet aber, daß wir beim Budget 1998 vor dem gleichen Dilemma stehen werden wie heute.

Ich kann mir heute schon vorstellen, wie sich der Herr Finanzminister hierherstellen und uns erklären wird: Da kann man halt nichts machen! Schuld sind die EU und die in Europa Platz greifenden geringen Wirtschaftswachstumsraten; schuld ist die internationale Wirtschaftsentwicklung. Der Herr Bundeskanzler wird sich hierherstellen und vielleicht nach dem Motto der Wahlkampfslogans sagen: Ich werde es nicht zulassen, daß jemand den Österreichern in die Tasche greift! Aber wenn jemand den Österreichern in die Tasche greift, dann werde das schon ich, Herr Bundeskanzler Vranitzky, sein!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es grotesk, wenn sich heute hier rote und schwarze Abgeordnete für dieses Belastungspaket auch noch bedanken. Es ist ein Belastungspaket, Herr Finanzminister, denn die Belastungen machen weitaus mehr als die Einsparungen aus. Nicht die Abgeordneten sollten sich hier bedanken, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bedanken – aber ganz anders, als Sie sich das vorstellen – werden sich die vielen Österreicherinnen und Österreicher, vor allem jene, meine sehr geehrten Damen und Herren, denen jetzt so unverschämt in die Tasche gegriffen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Ist das der Dr. Salzl? – Abg. Kopf: Ja!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Entwicklung, die vor uns liegt, weist darauf hin, daß sich in den nächsten Jahren für Österreich wirtschaftlich, aber auch im politischen Bereich vieles verändern wird. Die Ostöffnung wird zu einer enormen Konkurrenz werden und wird zu einer massiven Entindustrialisierung Österreichs führen. Daher liegt unsere Chance nicht bei den internationalen Großbetrieben, denn die wandern als erste ab, sondern sie liegt im klein- und mittelständischen Bereich. Das sind die Betriebe, die standorttreu sind und die verläßliche und sichere Arbeitsplätze schaffen. Dort gehören Maßnahmen gesetzt, dort müßte eine Gründungs- und Beschäftigungsoffensive Platz greifen, und eine solche müßte steuerlich begünstigt werden.

Stattdessen macht man aber das Gegenteil: Man führt die Energiesteuer ein, statt die Arbeitskosten zu senken. Das kostet allein in diesem Bereich zirka 8 000 Arbeitsplätze. Man beschließt


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Einschränkungen bei der Bausparförderung, was ebenfalls zu einem Verlust von zirka 10 000 Arbeitsplätzen in der Bauwirtschaft führen wird. Weiters kommt es zu einer Besteuerung der Werksverträge mit einer sehr komplizierten Regelung, wodurch die Bürokratie enorm zunehmen wird – obwohl wir in Österreich im internationalen Vergleich bereits eine viel zu hohe Bürokratie haben. (Abg. Dr. Kräuter: Es heißt Werkverträge, nicht Werksverträge!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wo bleibt hier der oftmals versprochene Bürokratieabbau? Wo bleiben die versprochenen Strukturreformen, zum Beispiel im Sozialbereich? Wo bleibt die versprochene Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten? Wo bleibt der Privilegienabbau gerade in diesem Bereich, wo zum Beispiel Mitarbeiter ihre Pensionszeiten zu einem Sondertarif nachkaufen können? – Dort fehlen wirkliche Strukturmaßnahmen, meine sehr geehrten Damen und Herren, während man auf der anderen Seite künftig beim Krankengeld sparen und das Krankengeld auf ein Jahr beschränken will, weil das Defizit 1995 2,8 Milliarden Schilling und 1996 sogar 3,6 Milliarden Schilling betragen wird.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, Abgeordneter Guggenbichler (Abg. Schwarzenberger: Wer ist das? Guggenbichler haben wir keinen!) kann sich ja eine Reduktion auf einen Zeitraum von einem Jahr vorstellen – eine Reduktion auf unter ein Jahr komme für ihn nicht in Frage, sagt er. Eine moderate Beitragserhöhung wäre für ihn eine angemessene Lösung. – Das heißt, es wird bereits über Beitragserhöhungen zur Sozialversicherung nachgedacht!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind die Probleme, um die es hier geht. Es müssen rasch umfangreiche Weichenstellungen erfolgen, sonst wird es 1998 ein böses Erwachen für viele Österreicherinnen und Österreicher geben – vor allem aber auch für unsere Wirtschaft –, und wir werden beim Budget 1998 die gleiche Problematik vorfinden, wie wir sie heute haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.56

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Gemäß § 69 Abs. 6 des Geschäftsordnungsgesetzes weise ich die Regierungsvorlagen 70 und Zu 70 der Beilagen sowie 71 und Zu 71 der Beilagen dem Budgetausschuß zu.

3. Punkt

Regierungsvorlage: Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Estland andererseits samt Anhängen und Protokollen (78 der Beilagen) (Gemäß § 28a GOG keine Ausschußvorberatung)

4. Punkt

Regierungsvorlage: Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Litauen andererseits samt Anhängen und Protokollen (79 der Beilagen) (Gemäß § 28a GOG keine Ausschußvorberatung)

5. Punkt

Regierungsvorlage: Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Lettland andererseits samt Anhängen und Protokollen (80 der Beilagen) (Gemäß § 28a GOG keine Ausschußvorberatung)

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 3 bis 5 der heutigen Tagesordnung.


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Es sind dies:

Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Estland andererseits samt Anhängen und Protokollen (78 der Beilagen),

Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Litauen andererseits samt Anhängen und Protokollen (79 der Beilagen) und

Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Lettland andererseits samt Anhängen und Protokollen (80 der Beilagen).

Von der Vorberatung dieser Vorlagen in einem Ausschuß wurde gemäß § 28a Geschäftsordnungsgesetz Abstand genommen.

Für die Debatte wurde vereinbart, daß ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von 10 Minuten zu Wort kommt.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Brader. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.57

Abgeordneter Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Ende eines langen Tages mit vielen Pro- und Kontrareden ist es mir sehr angenehm, zu einem Thema sprechen zu dürfen, zu dem ich eigentlich nur positive Beiträge erwarte. (Abg. Kiss: Bitte kurz!)

Mit dem Abschluß der vorliegenden Assoziationsabkommen werden die drei baltischen Staaten voll in die Vorbeitrittsstrategie der bereits assoziierten Staaten Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Rumänien und Bulgarien miteinbezogen. Damit soll ein allfälliger späterer Eintritt in den Binnenmarkt erleichtert werden.

Dieses Assoziationsabkommen ist meines Erachtens das Ergebnis einer vernünftigen Integrationspolitik, die von uns – vor allem von Außenminister Dr. Mock und jetzt von Vizekanzler Dr. Schüssel – immer betrieben, unterstützt und befürwortet wurde.

Es muß an dieser Stelle auch in Erinnerung gerufen werden, daß gerade die baltischen Länder ein besonders hartes Schicksal erleiden mußten. Nach kaum 20 Jahren Eigenständigkeit erlebten sie den brutalen Zugriff der rot-braunen Allianz Nazideutschlands und des kommunistischen Sowjetregimes. Finnland, Estland und Lettland sollten an die UdSSR fallen; Litauen, zwei Drittel Polens und andere Gebiete rund um die Karpaten sollten nach dem Molotow-Ribbentrop-Pakt aufgeteilt werden. Die Nazis errichteten ihre Konzentrationslager und die Sowjets ihre Lager zum Abtransport in den Archipel Gulag. – Noch heute ist unbekannt, wo zwei Staatsoberhäupter von damals geblieben sind.

Auch wenn bei uns von den unzähligen Opfern der Sowjetherrschaft kaum gesprochen wird – was ich, nebenbei gesagt, für ein sehr eigenartiges Phänomen halte –, so muß uns doch allen klar sein, daß gewaltige Wunden geblieben sind – Wunden, die nicht so schnell heilen. Gerade deswegen muß man die Einhaltung der Minderheitenrechte auch in diesen baltischen Ländern sehr genau beachten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Schneller!)

Die jetzt in den baltischen Ländern lebenden Russen können nichts für die Verbrechen ihrer Vorfahren. Heute sind die baltischen Länder nicht mehr halbsouveräne Staaten, sondern souveräne Länder, deren Recht es ist, sich selbst zu entscheiden, welche Allianzen sie eingehen, welchen Weg sie gehen, und sie haben sich für den Weg nach Europa entschieden.

Wir werden sie auf dem Weg nach Europa unterstützen, weil sie für uns ein unverzichtbarer Bestandteil des europäischen Kulturraumes sind. Das heute zu beschließende Abkommen schafft den geeigneten Rahmen für den politischen Dialog. Es ist damit die Basis geschaffen


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worden, daß der sehr mutige Weg nach Europa nicht mehr gestoppt oder gar umgekehrt werden darf. Und der Weg ist richtig. Die Anpassungsrezession scheint überwunden zu sein, die Staatsbetriebe sind weitgehend privatisiert, die Inflation ist im Griff, die Arbeitslosenrate ist stabil, und das Ausbildungsniveau steigt kontinuierlich. Insgesamt kann man also feststellen, daß das Wirtschaftsklima für Osteuropa in diesen Ländern sehr positiv ist.

Diese erfreulichen Entwicklungen werden durch dieses Abkommen noch unterstützt. Die technische Hilfe, der Austausch von Experten, die Hilfe für Klein- und Mittelbetriebe, all das sind Maßnahmen, die helfen werden, die Wirtschaft in diesen Ländern weiterzubringen, und ich bitte Sie daher, diesem Abkommen zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.01

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Khol: Das ist der Höhepunkt des heutigen Tages!)

20.01

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier um die Ratifikation eines Europaabkommens, dem wir auch zustimmen werden, dennoch möchte ich einige kritische Bemerkungen dazu machen, weil ich glaube, daß es gerade auch für uns österreichische Abgeordnete wesentlich ist, für ein Land, das sich sehr stark dafür eingesetzt hat, daß sich die Europäische Union auch für osteuropäische Länder öffnen muß, und das sich sehr stark dafür eingesetzt hat, daß diese Öffnung auch in einem absehbaren Zeitraum geschieht.

Dieses Europaabkommen, das wir heute beschließen, ersetzt die Freihandelszonen der baltischen Staaten, und das Europäische Parlament – das möchte ich Ihnen sagen – hat grundsätzlich keine Einwände gegen dieses Abkommen, kritisiert aber – ich muß schon hinzufügen, daß das, wovon mein Vorredner so euphorisch gesprochen hat, nämlich daß diese Staaten auf dem Weg nach Europa, auf dem Weg zur Europäischen Union sind, nicht stimmt –, daß die Wirtschaften dieser Länder keineswegs in der Lage sind, innerhalb dieses Zeitraumes, der immer wieder ins Auge gefaßt wird, nämlich nach der Regierungskonferenz – Genaueres gibt es nicht –, die Kriterien zu erfüllen, allen voran die Konvergenzkriterien der Wirtschafts- und Währungsunion. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) – Nicht ich setze das an.

Die Erfahrung mit der Freihandelszone zeigt, daß sich die Erwartung, daß die baltischen Länder in die Länder der Europäischen Union exportieren können, nicht erfüllt hat. Die Europäische Union importiert in einem weitaus größeren Maße in die baltischen Länder. Das heißt, diese sind nicht in der Lage, ihre Importquoten auszufüllen.

Diese Situation wird sich mit diesem Abkommen noch weiter verschärfen, weil auch ein gegenseitiges Verbot der Diskriminierung von Waren vorgesehen ist. Und ein solches Verbot wird stets zu Lasten der wirtschaftsschwächeren Länder gehen.

Außerdem werden die Schutzmaßnahmen für die Wirtschaften der baltischen Republiken nur mehr für eine Übergangsfrist möglich sein. Dieses Abkommen stellt also ein reines Wirtschaftsabkommen dar, und auf die Frage der sozialen Absicherung oder auf die Frage des Umweltschutzes wird in keiner Weise eingegangen.

Einige wenige Worte – das ist wesentlich, und ich glaube, daß wir uns darüber Gedanken machen müssen – sind noch zu den Freizügigkeitsbestimmungen zu sagen, die zwar eine Freizügigkeit für Arbeitskräfte, für Staatsangehörige der jeweils anderen Partei vorsehen, aber diese Freizügigkeit hinkt insoferne, als der Berufsfähigkeitsnachweis für die baltischen Staaten noch nicht anerkannt ist.

Dieses Europaabkommen wird, wie mein Vorredner schon gesagt hat, den baltischen Staaten als ein erster Schritt in Richtung Europäische Union verkauft. Ich glaube, wir müssen, wenn wir heute diesem Abkommen zustimmen, dennoch kritisch genug sehen, daß das kein erster Schritt in Richtung Europäische Union ist, sondern daß das ein Vertrösten dieser Länder, ein Aufschub


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und nur eine Hoffnung ist, die man ihnen vorgaukelt, die man nicht erfüllen kann und die sich nicht erfüllen lassen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.06

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jede Vorlage getrennt vornehmen werde.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages samt Anhängen und Protokollen in 78 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Angenommen.

Ich lasse jetzt darüber abstimmen, daß die Kundmachung des Vertragstextes samt Anhängen und Protokollen in allen authentischen Sprachfassungen gemäß Artikel 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten erfolgt, und bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit. Angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über die Genehmigung des Abschlusses des Staatsvertrages samt Anhängen und Protokollen in 79 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Angenommen.

Ich lasse jetzt darüber abstimmen, daß die Kundmachung des Vertragstextes samt Anhängen und Protokollen in allen authentischen Sprachfassungen gemäß Artikel 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten erfolgt, und bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, dem Abschluß des vorliegenden Staatsvertrages samt Anhängen und Protokollen in 80 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Angenommen.

Schließlich lasse ich darüber abstimmen, daß die Kundmachung des Vertragstextes samt Anhängen und Protokollen in allen authentischen Sprachfassungen gemäß Artikel 49 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten erfolgt, und bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 149 A/(E) bis 152/A(E) eingebracht worden sind.

Ferner sind die Anfragen 336/J bis 362/J eingelangt.


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Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich unmittelbar im Anschluß an diese Sitzung ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 20.09 Uhr