Stenographisches Protokoll

630. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 2. Oktober 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

630. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 2. Oktober 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 2. Oktober 1997: 9.05 – 17.28 Uhr

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Tagesordnung

1. Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend den Situationsbericht 1996

2. Außenpolitischer Bericht 1996

3. Bundesgesetz zur Festlegung von Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen

4. Interregionales Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Mercado Comun del Sur und seinen Teilnehmerstaaten andererseits samt Gemeinsamer Erklärung

5. Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zur Vorbereitung einer politischen und wirtschaftlichen Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits samt Unterzeichnungsprotokoll und Gemeinsamen Erklärungen

6. Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits und der Schlußakte

7. Protokoll zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits und der Schlußakte


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630. Sitzung / Seite 2

8. Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits und der Schlußakte

9. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Vorbereitenden Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen über den Amtssitz der Kommission samt Anhängen und Briefwechsel

10. Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Joint Vienna Institute über den Amtssitz des Joint Vienna Institute samt Anhang

11. Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, 1946

12. Vertrag der Internationalen Fernmeldeunion (Genf 1992) samt Anlagen und Fakultativprotokoll sowie Änderungsurkunden von Kyoto 1994 samt Anlage und Vorbehalte der Republik Österreich

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Inhalt

Bundesrat

Unterbrechung der Sitzung 9

Personalien

Krankmeldungen 9

Entschuldigungen 9

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 30

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 29

Ausschüsse

Zuweisungen 29

Fragestunde

Bundeskanzleramt 9

Stefan Prähauser (776/M-BR/97); Engelbert Weilharter, Franz Richau

Gottfried Jaud (785/M-BR/97); Johann Payer, Dr. Reinhard Eugen Bösch

Dr. Michael Ludwig (777/M-BR/97); Monika Mühlwerth, Mag. Harald Himmer

Alfred Schöls (786/M-BR/97); DDr. Franz Werner Königshofer


Bundesrat
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630. Sitzung / Seite 3

Karl Pischl (787/M-BR/97); Johann Grillenberger, Dr. Reinhard Eugen Bösch

Dr. Susanne Riess-Passer (783/M-BR/97); Dr. Kurt Kaufmann, Erhard Meier

Karl Hager (779/M-BR/97); Andreas Eisl, Dr. Milan Linzer

Anton Hüttmayr (788/M-BR/97); DDr. Franz Werner Königshofer

Erhard Meier (780/M-BR/97); Dr. Susanne Riess-Passer, Engelbert Schaufler

Jürgen Weiss (789/M-BR/97); Dr. Michael Ludwig, DDr. Franz Werner Königshofer

Dr. Reinhard Eugen Bösch (784/M-BR/97); Leopold Steinbichler, Dr. Michael Ludwig

Herbert Platzer (781/M-BR/97); Mag. John Gudenus, Dr. Vincenz Liechtenstein

Therese Lukasser (790/M-BR/97); Irene Crepaz, Monika Mühlwerth

Verhandlungen

(1) Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend den Situationsbericht 1996 (III-162 und 5508/BR d. B.)

Berichterstatterin: Hedda Kainz 30

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 30

Vincenz Liechtenstein 33

Erhard Meier 35

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 41

Mag. John Gudenus 47

Peter Rodek 51

Karl Drochter 53

Mag. Gerhard Tusek 56

Dr. Paul Tremmel 59

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 62

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen zum Bericht des Rechtsausschusses betreffend den Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend den Situationsbericht 1996 33

Ablehnung 62

(2) Außenpolitischer Bericht 1996 (III-164 und 5533/BR d. B.)

Berichterstatter: Gottfried Jaud 62

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. Susanne Riess-Passer 63

Albrecht Konečny 65


Bundesrat
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630. Sitzung / Seite 4

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof 69

DDr. Franz Werner Königshofer 72

Johanna Schicker 78

Mag. Gerhard Tusek 80

Dr. Paul Tremmel 82

Staatssekretärin Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner 86

Irene Crepaz 90

Dr. Milan Linzer 92

Karl Drochter 95

Leopold Steinbichler 97

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 97

Gemeinsame Beratung über

(3) Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Bundesgesetz zur Festlegung von Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen (703 und 850/NR sowie 5534/BR d. B.)

(4) Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Interregionales Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Mercado Comun del Sur und seinen Teilnehmerstaaten andererseits samt Gemeinsamer Erklärung (705 und 851/NR sowie 5535/BR d. B.)

(5) Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zur Vorbereitung einer politischen und wirtschaftlichen Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits samt Unterzeichnungsprotokoll und Gemeinsamen Erklärungen (706 und 852/NR sowie 5536/BR d. B.)

(6) Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits und der Schlußakte (799 und 856/NR sowie 5537/BR d. B.)

(7) Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Protokoll zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits und der Schlußakte (800 und 857/NR sowie 5538/BR d. B.)

(8) Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften


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630. Sitzung / Seite 5

und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits und der Schlußakte (801 und 858/NR sowie 5539/BR d. B.)

(9) Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Vorbereitenden Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen über den Amtssitz der Kommission samt Anhängen und Briefwechsel (710 und 854/NR sowie 5540/BR d. B.)

(10) Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Joint Vienna Institute über den Amtssitz des Joint Vienna Institute samt Anhang (711 und 855/NR sowie 5541/BR d. B.)

Berichterstatter: Peter Rieser 99

[Antrag, zu (3), (5), (6) und (7) und (8) keinen Einspruch zu erheben, zu (4) 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, und zu (9) und (10) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

Redner:

Dr. Peter Böhm 101

Ferdinand Gstöttner 105

Mag. John Gudenus 106

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3), (6), (7) und (8) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 108

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (4) 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben 109

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (5) keinen Einspruch zu erheben 109

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (9) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen 110

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (10) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 110

(11) Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, 1946 (707 und 853/NR sowie 5542/BR d. B.)


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630. Sitzung / Seite 6

Berichterstatter: Mag. Gerhard Tusek 111

(Antrag, 1. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Monika Mühlwerth 111

Stefan Prähauser 112

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 114

(12) Beschluß des Nationalrates vom 19. September 1997 betreffend einen Vertrag der Internationalen Fernmeldeunion (Genf 1992) samt Anlagen und Fakultativprotokoll sowie Änderungsurkunden von Kyoto 1994 samt Anlage und Vorbehalte der Republik Österreich (844/NR sowie 5543/BR d. B.)

Berichterstatterin: Irene Crepaz 115

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben 115

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Albrecht K. Konečny und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Oberstleutnant Robert Bernardis – Ehrung desselben – Anfragebeantwortung des Bundesministers für Landesverteidigung auf die schriftliche Anfrage des Bundesrates Liechtenstein (1333/J-BR/97)

der Bundesräte Erhard Meier und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Übungsflüge mit Düsenflugzeugen im Gebiet des Salzkammergutes (1334/J-BR/97)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Gottfried Waldhäusl und Kollegen (1194/AB-BR/97 zu 1293/J-BR/97)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch (1195/AB-BR/97 zu 1289/J-BR/97)

des Präsidenten des Bundesrates auf die Frage der Bundesräte Irene Crepaz und Kollegen (1196/AB-BR/97 zu 1308/J-BR/97)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Paul Tremmel, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Andreas Eisl und Kollegen (1197/AB-BR/97 zu 1292/J-BR/97)


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630. Sitzung / Seite 7

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1198/AB-BR/97 zu 1298/J-BR/97)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Erhard Meier und Kollegen (1199/AB-BR/97 zu 1297/J-BR/97)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Erhard Meier und Kollegen (1200/AB-BR/97 zu 1296/J-BR/97)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1201/AB-BR/97 zu 1311/J-BR/97)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und Kollegen (1202/AB-BR/97 zu 1305/J-BR/97)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen (1203/AB-BR/97 zu 1325/J-BR/97)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1204/AB-BR/97 zu 1317/J-BR/97)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Helga Moser und Kollegen (1205/AB-BR/97 zu 1330/J-BR/97)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1206/AB-BR/97 zu 1324/J-BR/97)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Peter Rieser und Kolleggen (1207/AB-BR/97 zu 1299/J-BR/97)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1208/AB-BR/97 zu 1312/J-BR/97)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1209/AB-BR/97 zu 1313/J-BR/97)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Helga Moser und Kollegen (1210/AB-BR/97 zu 1326/J-BR/97)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Helga Moser und Kollegen (1211/AB-BR/97 zu 1328/J-BR/97)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Hedda Kainz und Kollegen (1212/AB-BR/97 zu 1306/J-BR/97)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Irene Crepaz und Kollegen (1213/AB-BR/97 zu 1321/J-BR/97)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Paul Tremmel, Helga Moser und Kollegen (1214/AB-BR/97 zu 1322/J-BR/97)


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630. Sitzung / Seite 8

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Harring und Kollegen (1215/AB-BR/97 zu 1309/J-BR/97)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1216/AB-BR/97 zu 1314/J-BR/97)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1217/AB-BR/97 zu 1323/J-BR/97)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Harring und Kollege (1218/AB-BR/97 zu 1310/J-BR/97)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Dr. Vincenz Liechtenstein und Kollegen (1219/AB-BR/97 zu 1320/J-BR/97)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1220/AB-BR/97 zu 1315/J-BR/97)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Paul Tremmel und Helga Moser (1221/AB-BR/97 zu 1303/J-BR/97)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Monika Mühlwerth und Kollegen (1222/AB-BR/97 zu 1304/J-BR/97)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Helga Moser und Kollegen (1223/AB-BR/97 zu 1327/J-BR/97)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Helga Moser und Kollegen (1224/AB-BR/97 zu 1329/J-BR/97)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1225/AB-BR/97 zu 1318/J-BR/97)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Helga Moser und Kollegen (1226/AB-BR/97 zu 1331/J-BR/97)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Helga Moser und Kollegen (1227/AB-BR/97 zu 1332/J-BR/97)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1228/AB-BR/97 zu 1300/J-BR/97)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth, Helga Moser und Dr. Paul Tremmel (1229/AB-BR/97 zu 1302/J-BR/97)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Gottfried Waldhäusl, Andreas Eisl und Kollegen (1230/AB-BR/97 zu 1307/J-BR/97)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1231/AB-BR/97 zu 1316/J-BR/97)


Bundesrat
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630. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich eröffne die 630. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 629. Sitzung des Bundesrates vom 24. und 25. Juli 1997 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Karl Wöllert, Aloisia Fischer, Ing. Johann Penz und Ernst Winter.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Alfred Gerstl und Dr. Michael Rockenschaub.

Wir würden nunmehr zur Fragestunde gelangen. Im Hinblick darauf, daß der den Bundeskanzler vertretende Staatssekretär Dr. Peter Wittmann aufgrund des Staus, der auf der Südosttangente herrscht, noch nicht hier ist, unterbreche ich die Sitzung des Bundesrates bis zum Einlangen des Herrn Staatssekretärs.

(Die Sitzung wird um 9.06 Uhr unterbrochen und um 9.14 Uhr wiederaufgenommen. )

Fragestunde

Präsident Dr. Günther Hummer: Meine Damen und Herren! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort und gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, mache ich im Hinblick auf die mit der Geschäftsordnungsnovelle vom 15. Juli 1997 in Kraft getretene neue Regelung der Zusatzfragen bei mündlichen Anfragen darauf aufmerksam, daß nach Beantwortung der Anfrage der Fragesteller berechtigt ist, eine Zusatzfrage zu stellen. Danach können auch andere Bundesräte Zusatzfragen stellen, wobei in der Regel jede Bundesratsfraktion, mit Ausnahme der Fraktion des Fragestellers, berücksichtigt wird.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde, soferne mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden werden sollte, im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.15 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundeskanzleramt

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage an den Herrn Bundeskanzler.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Stefan Prähauser, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

776/M-BR/97

Was erwarten Sie sich von der Ausgliederung der Bundessporteinrichtungen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Zunächst, Hohes Haus, möchte ich die Gelegenheit benutzen, mich für mein Zuspätkommen zu entschuldigen, aber ich bin heute mehr als zwei Stunden von Wiener Neustadt nach Wien gefahren.


Bundesrat
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630. Sitzung / Seite 10

Nun zur Ausgliederung der Bundessporteinrichtungen. Es ist vorgesehen, die Bundessporteinrichtungen mit 1. 1. 1998 auszugliedern, und zwar in folgender Form: Die Bundessportschule Spitzerberg soll an den Aero Club, die Bundessportheime Kitzsteinhorn und St. Christoph sollen an den ÖSV als Betreiber weitergegeben werden. Diese beiden Fachverbände, die Flugsport beziehungsweise Skisport betreiben, können als Betreiber gewährleisten, daß diese beiden Heime auch weiterhin dem Sportbetrieb zur Verfügung stehen werden. Die restlichen verbleibenden Bundessportheime sollen in einer Gesellschaft zusammengefaßt werden, und zwar in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wodurch eine Straffung der Organisation beziehungsweise eine Kostentransparenz erzielt und auch eine auf jedes Heim bezogene Gebarung durchgeführt werden soll.

Die Heime selbst sollen Profit-Center mit eigenen Rechnungskreisen innerhalb dieser Ausgliederung sein, und dem Ganzen soll ein Geschäftsführer vorstehen.

Wichtig ist, daß die Sporteinrichtungen dem Sport erhalten bleiben. Die Tarife werden dann zwar den marktwirtschaftlichen Bedingungen unterworfen sein, aber aus den Einsparungen, die dadurch erfolgen, sollen für die Sportvereine jene Tarife gewährleistet sein, die auch jetzt zu bezahlen sind. Das heißt, der Unterschied des Abtarifierungspreises auf den geförderten Preis soll durch die Abteilung Sport direkt an die Vereine erfolgen, sodaß die Sportvereine daraus keinen Nutzen haben, sondern lediglich ein Einsparungseffekt für die Führung dieser Heime zu erwarten ist.

Im wesentlichen befindet sich dieser Gesetzentwurf derzeit im Begutachtungsverfahren. Sinn und Zweck dieser Ausgliederung sind eine Straffung der Organisation, eine Kostentransparenz für die Heime selbst, eine Erhaltung im Sinne des Sports und aus den Einsparungen eine Direktförderung an die Vereine.


Bundesrat
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630. Sitzung / Seite 11

Präsident Dr. Günther Hummer:
Herr Bundesrat Prähauser, wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Staatssekretär! Welche personellen Auswirkungen hat diese Ausgliederung?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Soweit es bis jetzt abzusehen ist, werden personelle Auswirkungen insbesondere dahin gehend zu erwarten sein, daß darüber verhandelt wird, bei St. Christoph den vorhandenen Personalstand direkt in diese Betreiber-GesmbH zu übernehmen, bei Kitzsteinhorn sollen zwei Personen in die Betreiber-GesmbH und beim Aero Club eine Person übernommen werden. Das heißt, im wesentlichen wird sich der direkte Einsparungseffekt in der ersten Phase aus dieser Personenanzahl, die ich jetzt genannt habe, ergeben, aber letztendlich wird durch die flexiblere Aufnahmemöglichkeit bei den Saisonkräften im privatwirtschaftlichen Bereich eine strukturelle Einsparung innerhalb der Führung der Bundessportheime zu erwarten sein. Jene Personen, die im Beamtenstatus stehen, können nicht gekündigt werden; diese werden innerhalb der Sportverwaltung weitere Verwendung finden.

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Staatssekretär! Herr Bundeskanzler Vranitzky und Vizekanzler Schüssel haben ursprünglich für den A-1-Ring 120 Millionen Schilling zugesagt. Faktum ist, daß weder für den A-1-Ring noch für andere Projekte die versprochenen Mittel in die Region oder in die Steiermark geflossen sind.

Jetzt hat die größte Sportveranstaltung alle Erwartungen übertroffen, und die Einnahmen des Bundes sind aufgrund dieser Veranstaltung weit höher als erwartet. Ich frage Sie daher, Herr Staatssekretär: Sind Sie aufgrund dieser positiven Veranstaltung bereit, dem A-1-Ring die versprochenen Bundesmittel zur Verfügung zu stellen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Ist das eine Zusatzfrage zu den Bundessportheimen? (Heiterkeit.) Ich werde aber versuchen, diese Zusatzfrage trotzdem zu beantworten.

Es hat keine Zusage von Bundeskanzler Vranitzky über eine Direktförderung des A-1-Ringes gegeben, sondern es gibt die Zusage, eine Förderung der Region im Größenausmaß von 120 Millionen Schilling vorzunehmen. Damit sind auch Wirtschaftsförderungen im Bereich der Region um Zeltweg gemeint. Ich bin jetzt nicht in der Lage, aufgrund von Zahlen zu sagen, wieviel an derartigen Förderungen schon in diese Region geflossen ist, und bitte Sie, diese Frage schriftlich beantworten zu dürfen. Eine Zusage über eine direkte Förderung hat es nicht gegeben.

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich danke für die Beantwortung.

Ich bitte Herrn Bundesrat Franz Richau um eine weitere Zusatzfrage.

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Die Bundessporteinrichtungen waren in den letzten Jahren Garant für olympische Medaillen und Medaillen bei Weltmeisterschaften. Es stellt sich daher die Frage, ob die Bundessporteinrichtungen durch die von Ihnen gewählte Form der Ausgliederung dem österreichischen Sport in dieser Intensität erhalten bleiben.

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Selbstverständlich bleiben sie in vollem Umfang dem Sport erhalten. Wie bereits erwähnt, soll aus den erzielten Einsparungen eine Direktförderung an die Vereine ergehen, die diese Bundessporteinrichtungen in Anspruch nehmen. Die Ausgliederung der Betriebsgesellschaften an Fachverbände bietet volle Gewähr, daß jene Fachverbände, die diese Heime am häufigsten frequentieren, dort tatsächlich weiterhin ihre Spitzensportausbildung durchführen.

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich bedanke mich für die Beantwortung.

Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage an den Herrn Staatssekretär. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Gottfried Jaud, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

785/M-BR/97

Welche Ergebnisse haben die bisherigen Verhandlungen betreffend die Beschlußfassung der Bundesstaatsreform noch in diesem Jahr gebracht?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Die letzte Verhandlungsrunde hat am 29. August 1997 zwischen den Vertretern des Bundes und der Länder stattgefunden. Es ging in dieser Verhandlungsrunde darum, welche zusätzlichen Punkte für eine erweiterte Bundesstaatsreform in Frage kommen. Vorwegschicken möchte ich jedoch, daß beide Partner daran interessiert sind, eine umfassendere Reform – wie sie in den Perchtoldsdorfer Ergebnissen zusammengefaßt ist – zustande zu bringen. In einem Teilbereich wurde eine gemeinsame Lösung gefunden, nämlich in der Frage einer Vereinfachung des Genehmigungsverfahrens bei Anlagen. Diese Lösung ist bereits in die Verhandlungsergebnisse eingeflossen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)


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630. Sitzung / Seite 12

Des weiteren soll es zu einer tatsächlichen Kompetenzbereinigung und -verschiebung kommen. Hinsichtlich der Perchtoldsdorfer Ergebnisse sind Verhandlungen über die finanziellen Auswirkungen und darüber, wer die Kosten zu tragen hat, im Gange. Die Frage, wer die Kosten trägt, ist eine wesentliche, die derzeit direkt zwischen dem Finanzministerium und den Ländern verhandelt wird. Eine prinzipielle Einigung hat es hinsichtlich der Einrichtung von Landesverwaltungsgerichtshöfen gegeben. Auch in diesem Fall ist es die wesentliche Frage, wer für die Kosten aufkommt, und wir stehen mitten in den Verhandlungen über die Lösung dieses Problems.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wie werden Sie beziehungsweise der Herr Bundeskanzler seiner bei der Landeshauptleutekonferenz getätigten Zusage nachkommen, die Bundesstaatsreform noch in diesem Jahr umzusetzen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Wir stehen mitten in den Verhandlungen und versuchen, dieses Ziel zu erreichen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster Fragesteller ist Herr Bundesrat Payer gemeldet. Ich darf ihn bitten.

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! In den Beschlüssen der Landeshauptleutekonferenz wird von der Regierungsvorlage zur Bundesstaatsreform als einem ersten Schritt gesprochen. Gibt es Vorstellungen über einen weiteren Ausbau des Föderalismus in Österreich?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Das Ziel ist es, eine weitergehende Lösung entsprechend dem sogenannten Perchtoldsdorfer Abkommen zu finden und tatsächlich Kompetenzbereinigungen durchzuführen. Diese Verhandlungen sind im Gange, und ich glaube, daß die Chance besteht, eine weitreichende Kompetenzbereinigung durchzuführen. Diese sollte jetzt mitverhandelt werden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Dr. Bösch gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Staatsekretär! Sie können also nicht zusagen, daß die Bundesstaatsreform heuer beschlossen wird. Ich frage Sie: An welchen Ursachen, vor allem budgetärer Natur, spießen sich die Verhandlungen, von denen Sie sprechen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Die Ursache besteht darin, daß es zur Verschiebung von Kompetenzen beziehungsweise zur Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung kommt. Damit entstehen den Ländern gewisse Kosten, die von den Ländern anders als vom Bund bewertet werden. Man ist gerade dabei, darüber einen Ausgleich herzustellen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wir kommen zur 3. Anfrage, gestellt von Herrn Bundesrat Dr. Tremmel. Ich darf ihn bitten.

Dr. Tremmel ist nicht da? (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Im Stau!) Ein Stauopfer?

Wir kommen daher zur 4. Anfrage, gestellt von Bundesrat Dr. Michael Ludwig. Ich darf ihn um Verlesung seiner Anfrage bitten.


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630. Sitzung / Seite 13

Bundesrat Dr. Michael Ludwig
(SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

777/M-BR/97

Welche Maßnahmen werden Sie zur Stärkung der Leistungsfähigkeit des österreichischen Films setzen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Dazu ist festzuhalten, daß die österreichische Filmwirtschaft derzeit einen Produktionswert von zirka 1,6 Milliarden Schilling bedient. Daher sollte man diesen Wirtschaftsfaktor nicht unterschätzen. Dabei geht es sowohl um Fernsehproduktionen als auch um Filmproduktionen.

Wir planen eine Novellierung des Filmförderungsgesetzes beziehungsweise hatten wir die Novelle bereits in Begutachtung und stehen kurz vor einer Regierungsvorlage, die wir in den Ministerrat bringen werden. Es soll im wesentlichen zu einer Stärkung der Referenzfilmförderung, das heißt der erfolgsbezogenen Filmförderung, kommen. Dabei werden zwei unterschiedliche Gesichtspunkte maßgebend sein: zum einen der Publikumsfilm, der am Erfolg an der Kinokasse beziehungsweise am Kartenverkauf gemessen wird, und zum zweiten der Film. Wird von vornherein beabsichtigt, einen künstlerisch wertvollen Film zu produzieren, dann wird sein Erfolg an der Teilnahme an bestimmten Festivals gemessen werden. Je nach Schwierigkeitsgrad beziehungsweise Bedeutung des Festivals wird sich eine Wertung ergeben, und auf dieser Grundlage soll sich ein bestimmter Prozentsatz an Förderung des betroffenen Produzenten für dessen nächsten Film ergeben. Denn wir wollen die Produzenten erfolgreicher Filme besser fördern.

Darüber hinaus soll es zu effizienteren Entscheidungen in der Auswahlkommission kommen. Deren Größe wird von neun auf fünf Personen reduziert. Weiters sollen die Ausschließungsgründe strenger gehandhabt werden, damit dem Vorwurf entgegengetreten werden kann, es sei eine unangemessene Beteiligung an der Auswahl der Projekte gegeben.

Darüber hinaus wird es zu einer Erhöhung des Budgets der Filmförderung um 20 Prozent kommen. Dies entspricht einem Betrag von 20 Millionen Schilling.

Ich glaube, damit können wir eine effizientere Förderung des Films erreichen. Diese Branche weist eine bedeutende Beschäftigungskomponente auf, denn es finden beim Film sehr viele Menschen Beschäftigung, sei es als Handwerker oder eben als Darsteller und Statisten. Ich bin bestrebt – die entsprechenden Verhandlungen laufen sehr gut –, mit den Ländern zu vereinbaren, daß sie ebenfalls Filmförderungstöpfe aufstellen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird eine Zusatzfrage gewünscht, Herr Bundesrat? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Herr Staatssekretär! Könnten Sie ein wenig auf die Schwerpunkte der Novellierung des Filmförderungsgesetzes eingehen, die direkt den Filmschaffenden zugute kommen?

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Im wesentlichen habe ich diese schon angedeutet. Der Hauptschwerpunkt ist die Erhöhung des Anteils der erfolgsbezogenen Filmförderung. Das zweite ist die Effizienzsteigerung beim Auswahlverfahren. Drittens werden wir, wie gesagt, völlig klare Förderungsziele vorgeben müssen. Der Produzent hat sich zu entscheiden, ob er einen publikumsträchtigen Film oder einen rein künstlerischen Film macht. Man wird einen bestimmten Prozentsatz der Filmförderung für Nachwuchsförderung und für Innovationsförderung zur Verfügung stellen.


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Das bedeutet eine klare Trennung, eine klare Aufgabenstellung, eine Erhöhung des Budgets und eine schlankere Verwaltung. Das sind die wesentlichen Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz in der Filmförderung.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals.

Zur nächsten Zusatzfrage ist Frau Bundesrätin Mühlwerth gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Glauben Sie, daß die derzeitige Praxis, daß jene Personen, die Förderungen bekommen, gleichzeitig in den Kuratorien für die Vergabe der Fördermittel sitzen, die Leistungsfähigkeit und die Qualität des österreichischen Films sichern kann?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Ich habe darauf bereits Bezug genommen. Wir werden die Ausschließungskriterien und die Kollisionskriterien massiv verschärfen, sodaß das nicht mehr der Fall sein wird.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur nächsten Zusatzfrage hat sich Herr Mag. Himmer gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Welche Rolle sehen Sie für den ORF im Zusammenhang mit der Förderung der österreichischen Filmwirtschaft? Mir ist klar, daß der Österreichische Rundfunk eigene Organe hat. Aber welche Meinung haben Sie dazu als der für die Kultur zuständige Staatssekretär?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Es gibt ein sogenanntes Film-Fernseh-Abkommen, aufgrund dessen der ORF 40 Millionen Schilling für die Filmproduktion in Österreich zur Verfügung stellt. Mit Hilfe des Film-Fernseh-Abkommens werden sowohl Spielfilme als auch Produktionen für das Fernsehen finanziert. Dabei besteht eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen dem Österreichischen Filminstitut, das die Verwaltung der Bundesmittel innehat, und dem ORF.

Derzeit sind darüber Gespräche im Gange – erst vorgestern habe ich wieder ein solches geführt –, daß im ORF Bereitschaft besteht, über seine Möglichkeiten der Werbung für Filme im Medium Fernsehen einen wesentlichen Werbebeitrag zur österreichischen Filmwirtschaft zu leisten.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke schön.

Wir kommen zur 5. Anfrage, gestellt von Herrn Bundesrat Alfred Schöls. Ich darf ihn um Verlesung seiner Anfrage bitten.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

786/M-BR/97

Wie werden Sie gewährleisten, daß in Österreich möglichst bald Privatfernsehen entsprechend den Forderungen der Europäischen Menschenrechts-Konvention ermöglicht wird?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß es bereits nach derzeitiger Rechtslage möglich ist, Kabelfernsehen oder Satellitenfernsehen privat zu betreiben. Lediglich das Satellitenfernsehen bedarf einer Zulassung, während die ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Terrestrisches Kabelfernsehen, Herr Staatssekretär!) Er hat


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630. Sitzung / Seite 15

nicht "terrestrisch" gesagt, aber ich komme gleich darauf zu sprechen. Ich möchte umfassend antworten.

Wir haben also bereits einen Teilbereich liberalisiert. Ein Entwurf für terrestrisches Privatfernsehen wird derzeit ausgearbeitet und wird nach Klärung einiger noch anstehender Detailfragen zur Begutachtung ausgesandt werden. Damit ist meiner Ansicht nach der erste Schritt gesetzt, und man ist dabei, über den zweiten zu verhandeln. (Bundesrat Dr. Königshofer: Können Sie diesen Zeitrahmen einschränken?) Derzeit bin ich nicht in der Lage, einen Zeitplan bekanntzugeben. (Beifall der Bundesrätin Dr. Riess-Passer. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. Wir kommen jetzt zu den weiteren Zusatzfragen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Königshofer. Ich darf ihn bitten.

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Da Sie das Satellitenfernsehen angesprochen haben, könnte man jetzt fragen, wie viele österreichische Satelliten sich im Weltraum bewegen. Das tue ich aber nicht, weil es nur eine rhetorische Frage wäre.

Meine Frage zielt in eine andere Richtung: Die Freiheit der Funkmedien, also von Rundfunk und Fernsehen, ist in Österreich nur in geringem Maße entwickelt. Es wurde schon angesprochen, daß Österreich diesbezüglich vor dem Europäischen Gerichtshof der Menschenrechte verurteilt wurde. Deshalb geht meine Frage dahin, wie die Situation im internationalen Vergleich ist. Können Sie uns einige europäische Länder nennen, in denen die Funkmedien im Hinblick auf Freiheit, Monopolisierung und so weiter genauso rigiden Gesetzesbestimmungen unterworfen sind wie in Österreich?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Ich möchte nochmals darauf verweisen, daß der erste Schritt zur Liberalisierung damit gesetzt wurde, daß Kabelfernsehen und Satellitenfernsehen heuer neu geregelt worden sind. Auch für den Rundfunk sind die Möglichkeiten wesentlich verändert worden. Es wird Regionalradiosender geben, und dafür werden bereits Lizenzen und Frequenzen vergeben.

Ich bin nicht in der Lage, europäische Staaten zu nennen, in denen die Situation ähnlich wie in Österreich ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Auch die 6. Anfrage ist ein Opfer des heutigen Staus auf der Südautobahn geworden. Sie entfällt daher.

Wir gelangen zur 7. Anfrage, gestellt von Herrn Bundesrat Karl Pischl. Ich darf ihn um Verlesung bitten.

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich habe folgende Frage eingereicht:

787/M-BR/97

Wann wird dem Parlament der endgültige Text der Vereinbarung betreffend den Konsultationsmechanismus übermittelt?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Seit der Einbringung der Regierungsvorlage über dieses Bundesverfassungsgesetz hat es auf mehreren Ebenen zusätzliche Gespräche gegeben. Insbesondere wurde vom Parlament die Forderung gestellt, auch Parla


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630. Sitzung / Seite 16

mentarier, die in den Gremien nur beratende Funktion haben, in den Konsultationsmechanismus miteinzubringen. Diese Frage ist bis dato in Verhandlung gewesen und nun entschieden worden. Ich gehe davon aus, daß die Endfassung des Konsultationsmechanismus in den nächsten Wochen fertiggestellt und er dann zur Beschlußfassung vorliegen wird.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird eine Zusatzfrage gewünscht, Herr Bundesrat? – Bitte.

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Herr Staatssekretär! Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Forderung, dem Bundesrat als Länderkammer in Angelegenheiten, in denen die Länder finanziell belastet werden, ein Zustimmungsrecht zu geben?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Das ist ein Teil dieses Verhandlungspaketes. Im wesentlichen ist geplant, bei Bundesgesetzen dem Nationalrat ein Teilnahmerecht von Abgeordneten einzuräumen und bei Landesgesetzen den Landtagen direkt. So ist derzeit die Linie in den Verhandlungen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Nächster Zusatzfragensteller: Herr Bundesrat Grillenberger. – Bitte.

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Wie werden die Gemeinden in den Konsultationsmechanismus eingebunden?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Es gibt im Konsultationsmechanismus eine Ermächtigungserklärung, den Städtebund und den Gemeindebund einzubinden. Grundsätzlich soll den Gemeinden beziehungsweise Städten über diese beiden Organisationen die Möglichkeit gegeben werden, daran teilzunehmen, Informationen aus diesem Gremium zu verlangen und in diesem Gremium vertreten zu sein. Im wesentlichen soll der Konsultationsmechanismus nicht nur zwischen Bund und Ländern, sondern auch zwischen Ländern und Gemeinden funktionieren, sodaß gewährleistet ist, daß derjenige, der ein Gesetz macht, mit dem bestimmte Körperschaften belastet werden, zur Übernahme der finanziellen Belastung herangezogen werden kann.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Herr Bundesrat Bösch hat sich zur nächsten Zusatzfrage gemeldet. – Bitte, Herr Dr. Bösch.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Warum kommt es nicht nur Einrichtung des Konsultationsmechanismus im Rahmen des Bundesrates? Hielten Sie das grundsätzlich für möglich?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Die Vertreter der Länder haben derzeit so die Positionen bezogen, wie ich es in meiner vorangegangenen Beantwortung geschildert habe.

Da auch Sie sozusagen ein Vertretungskörper der Länder sind, denke ich, daß man hier den Informationsfluß zwischen den Verantwortlichen der Länder besser gestalten sollte, um dann entsprechende Verhandlungen in die eine oder andere Richtung zu führen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zur 8. Anfrage, gestellt von Frau Bundesrätin Dr. Riess-Passer. Ich darf sie um Verlesung der Anfrage bitten.


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630. Sitzung / Seite 17

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer
(Freiheitliche, Wien): Meine Frage lautet:

783/M-BR/97

Welche konkreten Maßnahmen stellen sicher, daß die Euro-Werbekampagne der Bundesregierung der Bevölkerung auch einigermaßen objektive Informationen über die Auswirkung der gemeinsamen Währung bietet?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Zunächst möchte ich feststellen, daß es sich dabei nicht um eine Werbekampagne, sondern um eine Informationsinitiative handelt, die darauf ausgerichtet ist, der Bevölkerung objektive Informationen über die Umstellung von Schilling auf Euro zukommen zu lassen.

Ich darf Ihnen kurz die bisherigen Aktivitäten bekanntgeben. Es gibt die Broschüre "Neues Geld, gleicher Wert", eine Basisinformation über den Euro und die Umstellung darauf. Sie kann über das Europatelefon kostenlos angefordert werden oder auch von den Euro-Informationspoints in den Bundesländern beziehungsweise den EU-Informationsstellen bezogen werden. Weiters gibt es die Broschüre "Der Euro – sicher wie der Schilling", die sich speziell an die Senioren richtet. Sie ist bei den Pensionistenverbänden erhältlich. Demnächst wird eine Broschüre mit dem Titel "Einkaufen mit dem Euro" aufliegen, auch diese kann man über das Europatelefon beziehen. Eine weitere Broschüre ist "Der Euro kommt – Das kritische Gespräch". Auch darin werden Vor- und Nachteile der Euro-Umstellung beleuchtet. Schließlich soll ein Euro-Buch erscheinen, das sozusagen als Lexikon zum Nachschlagen über diese Umstellung dienen soll.

Abschließend möchte ich festhalten, daß im Verlauf dieser Informationsinitiative dahin gehend geworben wird, daß man sich am Europatelefon Informationen holen kann und in diesen Informationen Vor- und Nachteile in objektiver Form dargestellt werden. Im wesentlichen handelt es sich dabei um Informationen über die Vor- und Nachteile des Euro, wie sie in allen europäischen Ländern üblich ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte, Frau Doktor.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Ihr Kollege Staatssekretär Ruttenstorfer hat gesagt, man werde nicht den Fehler von 1994 wiederholen, sondern in dieser Kampagne auch auf mögliche Nachteile einer gemeinsamen Währung aufmerksam machen. Können Sie mir einen dieser Nachteile nennen, die in der Werbekampagne der Regierung der österreichischen Bevölkerung als mögliche Nachteile bei der Einführung einer Währungsunion mitgeteilt werden?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Die Diskussionen in den Medien, in denen Vor- und Nachteile aufgezeigt werden ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Entschuldigung! Ich möchte Ihren Standpunkt hören!) Ich bin persönlich der festen Überzeugung, daß gewisse Nachteile und Vorteile in jeder neuen Entscheidung gegeben sind. In Anfragen an das Europatelefon wird man sicherlich auch konkret über Nachteile informiert werden. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ich würde es gern von Ihnen hören! Soll ich Sie am Europatelefon anrufen?) Es geht hier nicht darum, Vor- und Nachteile aufzuzeigen oder im Rahmen dieser Beantwortung aufzuzählen, sondern es geht um eine objektive Information der Bevölkerung. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ich muß also das Europatelefon anrufen! Sie können es mir hier nicht sagen!)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesrätin! Wir kommen zur nächsten Zusatzfrage, die Herr Dr. Kaufmann stellen wird.


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630. Sitzung / Seite 18

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann
(ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich möchte Sie im Zusammenhang mit dem F-Volksbegehren gegen den Euro fragen: Wie beurteilen Sie die Auswirkungen eines möglichen Erfolges auf die Stabilität der österreichischen Währung und auf die Sicherheit der Arbeitsplätze in Österreich?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Grundsätzlich denke ich, daß es eines jener demokratischen Mittel ist, welche die Möglichkeit bieten, sich mit diesem Themenkreis auseinanderzusetzen. Aber meiner Ansicht nach sollte man dieses umfassende Thema nicht emotionalisieren, sondern in objektiver Art und Weise betrachten und versuchen, die Vor- und Nachteile für jeden einzelnen Bürger aufzuzählen.

Ich denke aber, daß die Entscheidung, mit 1. Jänner 1999 als Teilnehmer der ersten Runde am Euro mitzumachen, gefallen ist und auch weiterhin verfolgt werden wird. Daher ist dieses Volksbegehren auch eine Möglichkeit, die Vor- und Nachteile in der Diskussion aufzuzeigen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Meier. – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Herr Staatssekretär! Wie sehen Sie im Zusammenhang mit dieser Information die Entwicklung, daß sich bisherige Eurogegner und solche, die mit dem Thema Wirtschafts- und Währungsunion/Euro Unsicherheit erzeugen wollten, nun doch nicht mehr so vehement gegen den Euro wenden, sondern dessen Einführung mit der Haltung anderer EU-Staaten, zum Beispiel Großbritanniens, verknüpfen wollen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Es ist relativ einfach, dazu eine klare Meinungsäußerung und Positionierung abzugeben. Gegenüber Großbritannien beträgt unser Außenhandelsvolumen ungefähr 5 Prozent, gegenüber der Bundesrepublik Deutschland hingegen beläuft es sich auf ein Ausmaß, das weit jenseits der 50 Prozent liegt.

Die logische Konsequenz daraus ist wohl, daß wir uns mit dem Entschluß jenes Partners auseinandersetzen, der für 50 Prozent des Außenhandels steht und mit dem wir in der Währungspolitik seit 20 Jahren verbunden sind. Man wird sich nicht von diesem Partner abkoppeln und einem anderen Partner zuwenden, von dem man weiß, daß er nicht die Bedeutung hat wie jener Partner, der ebenfalls für die Teilnahme am Euro mit 1. Jänner 1999 eintritt.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wir gelangen zur 9. Anfrage, gestellt von Herrn Bundesrat Karl Hager. Ich darf ihn um Verlesung bitten.

Bundesrat Karl Hager (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär!

779/M-BR/97

Wie beurteilen Sie die Umsetzung der EU-Regionalpolitik in Österreich?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Im Vergleich zu den anderen Ländern, die seit der letzten Aufnahmerunde an der EU teilnehmen, ist die Umsetzung beziehungsweise die Allokation der Fördermittel aus der Regionalpolitik hervorragend. Mitte 1997 waren bereits 36 Prozent des Volumens der EU-Strukturfondsprogramme bewilligt, 27 Prozent sind bereits an Österreich überwiesen worden.


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Wir gehen davon aus, daß wir jetzt etwa in der Mitte dieser Periode sind. Das erste Jahr ist zur Vorbereitung und Einreichung der Projekte zwangsläufig auch damit verbunden, daß es noch zu wenig Rückflüssen kommt. Im zweiten Jahr wirken die Projekte bereits beziehungsweise sind größere Rückflüsse zu erwarten, weil die Vorbereitungszeit wegfällt. Wir können davon ausgehen, daß wir wahrscheinlich gegen Ende des Jahres knapp an die 50 Prozent-Grenze herankommen werden. Damit liegen wir vollauf im Zeitplan, obwohl die Auszahlung sämtlicher Mittel bis 1999 in Österreich nicht erfolgen muß, sondern noch darüber hinaus Zeit zur Auszahlung besteht.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Wünschen Sie, Herr Bundesrat Hager, eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Karl Hager (SPÖ, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Welche innerösterreichische Reformschritte sind im Zusammenhang mit der Reform der EU-Strukturfonds in Aussicht genommen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Ich glaube, daß es jetzt noch zu früh ist, über die Auswirkungen der Veränderungen der Strukturfonds innerhalb der EU konkrete Angaben zu machen, weil sie selbst noch nicht im Detail ausgeformt sind.

Grundsätzlich kann man sagen, daß wir auch für eine massive Straffung und Vereinfachung der Förderungstöpfe beziehungsweise Förderungsrichtlinien eintreten. Ich meine, in diesem Sinne sind die Reformansätze, die die EU selbst wählt, richtig, und auch Österreich wird eine Vereinfachung und neue Straffung dieser Linien vornehmen müssen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals.

Eine Zusatzfrage wird Herr Bundesrat Eisl stellen. Ich darf ihn bitten.

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Die Bundesregierung hat der österreichischen Bevölkerung zugesagt, der Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft, zur EU, werde Arbeitsplätze bringen. Die Förderungen laufen aber aus.

Was gedenkt die Bundesregierung nach Auslauf dieser Förderungen in den Regionen zur Unterstützung zu tun, um die Arbeitsplätze zu sichern? Die bereits verlorengegangenen kann man wahrscheinlich nicht mehr zurückholen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Die Fördermittel in den Strukturfonds laufen nicht aus. Ich habe es gerade gesagt: Wir haben noch 63 Prozent auszuschöpfen. Das heißt also: Wir sind mit dem Rückfluß der Mittel voll im Plan, und wir haben für die restlichen zwei Jahre sehr wohl noch ganz massive Strukturmittel zu erwarten. Dies läuft jetzt richtig an. Es liegt in den nächsten zwei Jahren an uns, diese Strukturmittel zu erhalten. Das ist durchaus gewährleistet. Und wir werden unseren Fördertopf zur Gänze ausschöpfen können.

Das bedeutet: Ich sehe die Problematik jetzt nicht kurzfristig. Daß es eine Gesamtreform der Struktur von Mitteln der EU gibt, ist aus den bisherigen Papieren, insbesondere auch aus dem Papier zur Agenda 2000, ersichtlich. Ich gehe jedoch davon aus, daß auch weiterhin Strukturfondsmittel nach Österreich fließen werden, insbesondere zur Vorbereitung der Ostregion für den Fall einer Osterweiterung.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Linzer gewünscht. – Bitte.


Bundesrat
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630. Sitzung / Seite 20

Bundesrat Dr. Milan Linzer
(ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich darf gleich an Ihre letzten Worte anknüpfen. Wie beurteilen Sie die Chancen für die österreichischen Ostgrenzgebiete, besondere Berücksichtigung der Regionalpolitik der EU zu finden in der Zukunft beziehungsweise in der kommenden fünfjährigen Programmperiode?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Das wird einer jener wesentlichen Verhandlungspunkte werden, den Österreich einzubringen hat. Wir sind jenes Land, das die meisten Beitrittspartner direkt als Grenzpartner hat. Es wird Aufgabe der österreichischen Bundesregierung sein, diese Position innerhalb der EU klarzulegen. Die Vorbereitung auf eine eventuelle Ostöffnung wird durchaus auch damit verbunden sein, die Ostregion innerhalb der EU auf diese Erweiterung vorzubereiten.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zur 10. Anfrage, gestellt vom Herrn Bundesrat Hüttmayr. Ich bitte um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär!

788/M-BR/97

Wann werden die Lizenzbescheide für die Regional- und Lokalradiofrequenzen durch die Regionalradiobehörde erlassen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Es gibt hier zwei Sitzungstermine der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde, nämlich den 22. Oktober und 16. November. Man kann daher nach derzeitigem Stand mit Erlassung der Bescheide Ende November rechnen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Ist bereits abzusehen, wie viele Frequenzen für die zukünftigen Regional- oder Lokalradios nach Abschluß der Grundversorgung zur Verfügung stehen werden?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Ich glaube, daß man das erst nach den Sitzungen am 22. Oktober und 16. November 1997 zuverlässig beantworten kann.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Dr. Königshofer. – Bitte.

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Die Landesregierungen sind in diesem Zusammenhang befugt, entsprechende Empfehlungen an diese Regionalradiobehörde zu geben. Wir selbst haben in Tirol einige Probleme damit gehabt, weil die ÖVP die Entscheidung in der Urlaubszeit relativ selbstherrlich herbeigeführt hat. Deshalb meine Frage: Nach welchen Kriterien beurteilt diese Regionalradiobehörde die Empfehlungen der einzelnen Landesregierungen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Grundsätzlich ist es Aufgabe der Regionalradiobehörde beziehungsweise der dort vertretungsbefugten Personen, das in ihrer in


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630. Sitzung / Seite 21

dividuellen Entscheidungsbefugnis innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu beurteilen. Empfehlungen sind Empfehlungen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zur 11. Anfrage, gestellt von Herrn Bundesrat Erhard Meier. Ich bitte ihn um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

780/M-BR/97

Wie ist der Stand der österreichischen Vorbereitungen für den Beschäftigungsgipfel in Luxemburg?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Wie wir alle wissen, war es eine österreichische Initiative, sich mit dem Thema Beschäftigung auseinanderzusetzen. Wir haben letztendlich in Frankreich auch einen starken Partner gefunden, so daß die Beschäftigung ein Thema innerhalb der gesamten Europäischen Union geworden ist. Es wurde eine Art Arbeitsgruppe eingerichtet, die bestimmte Vorschläge erarbeitet, nämlich eine interministerielle Arbeitsgruppe, die auch unter Einbeziehung der Sozialpartner Vorschläge erarbeiten muß und soll.

Den Vorsitz innerhalb dieser interministeriellen Arbeitsgruppe hat das Bundeskanzleramt inne. Diese Arbeitsgruppe hat bereits viermal getagt und wird anhand der schon feststehenden Tagesordnung für den Beschäftigungsgipfel die österreichische Position erarbeiten. Diese wird dann manifest bei diesem Gipfel vertreten werden.

Die genaue Position soll in etwa ein bis zwei Wochen vorliegen. Entsprechend der Aufforderung der derzeitigen Präsidentschaft, nämlich Luxemburgs, wurden bereits jetzt die Best-practices-Beispiele übermittelt, die wir innerhalb dieses Diskussionsprozesses beibringen. Aber – wie Sie anhand dieser Tagesordnung alle wissen – das ist ja nur ein Teil des gesamten Programmes. Österreich hat als seine Best practices die Lohnpolitik, das duale Ausbildungssystem, nämlich Lernort, Betrieb und Schule, Arbeitsstiftungen sowie die gemeinnützige Eingliederungsbeihilfe genannt.

Wie gesagt: In allen Mitgliedsländern werden derzeit die Vorbereitungshandlungen so durchgeführt. Im wesentlichen ist es jetzt zur Vorweginformation über die Best practices gekommen. Zu den anderen Punkten wird eine einheitliche Meinung in den nächsten 14 Tagen vorliegen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Herr Staatssekretär! Wie laufen den Beschäftigungsgipfel betreffend die Vorbereitungsarbeiten, die für Österreich sicherlich einen Schwerpunkt bilden, in anderen Staaten, also auf europäischer Ebene?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Grundsätzlich wird dieser Beschäftigungsgipfel in verschiedenen Gruppierungen vorbereitet. Schwerpunktmäßig laufen die Vorbereitungsarbeiten im ECOFIN und im Rat der Arbeits- und Sozialminister. In diesen Gremien haben schon Vordiskussionen stattgefunden, aber die letztendlich entscheidende Fixierung der Themen wird beim Gipfeltreffen der europäischen Sozialpartner am 13. November 1997 stattfinden. Am 18. November 1997 – das wird wahrscheinlich das entscheidende Vorbereitungsdatum für den Beschäftigungsgipfel sein – wird es eine gemeinsame Tagung des ECOFIN sowie der Arbeits- und Sozialminister geben. In diesen Bereichen bereiten sich die Europäische Gemeinschaft beziehungsweise die Entscheidungsträger vor.


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Die Europäische Kommission hat in den letzten Tagen, nämlich gestern und vorgestern, ihren Vorschlag für die Beschäftigungsleitlinien beschlossen. Diese Papiere werden – wie es üblich ist – dem ECOFIN und dem Rat der Arbeits- und Sozialminister vorgelegt und im Oktober erstmals diskutiert werden. Danach wird man sich an diesen beiden Daten ganz massiv mit dem Thema auseinandersetzen. Im Europäischen Parlament wird es ebenfalls Anfang Oktober eine Stellungnahme geben. Diese Stellungnahme wird als Diskussionsgrundlage für das Oktober-Plenum in Straßburg vorgesehen sein.

Ich kann nur sagen: Von österreichischer Seite laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Wir werden ganz massiv unsere Positionen einbringen, und, wie gesagt, die Best practices liegen bereits vor. Die andere Stellungnahme wird in 14 Tagen vorliegen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Dr. Riess-Passer gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Welche konkreten Vorschläge wird Österreich in Luxemburg vorlegen, um dem vom Europäischen Gewerkschaftsbund befürchteten Lohndumping im Falle der Einführung der Währungsunion entgegenzuwirken? – Ich würde Sie bitten, diese Frage diesmal selbst zu beantworten und mich nicht an das Europa-Telefon zu verweisen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Grundsätzlich liegen schon jetzt einige Vorschläge vor; ich habe sie bereits genannt. Konkret liegen dort das österreichische System der Lohnpolitik, das duale Ausbildungssystem, die Arbeitsstiftungen, wie wir sie in Österreich geschaffen haben, und gemeinnützige Eingliederungsbeihilfen. Das sind konkrete Vorschläge, die Österreich im Sinne der Best practices einbringt.

Wir versuchen, wie gesagt, eine Stellungnahme der österreichischen Bundesregierung in zwei Wochen fertigzuhaben, wobei diese konkreten Vorschläge schon vorhanden sind. Im Grunde genommen wird der Beschäftigungsgipfel genau jene Vorschläge erwarten und in Abstimmung der einzelnen Länderpositionen eine gemeinschaftliche europäische Richtlinie gegen diese Befürchtungen beschließen.

Ich habe ebenfalls bereits darauf hingewiesen, daß es am 13. November hinsichtlich dieses Themas ein Gipfeltreffen der europäischen Sozialpartner geben wird, bei dem auch dieses Thema sicherlich im Beisein des Europäischen Gewerkschaftsbundes mit Vorschlägen besetzt werden wird.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Als nächster ist Herr Bundesrat Schaufler für eine Zusatzfrage gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Wird der Herr Bundeskanzler oder sein Vertreter beim Beschäftigungsgipfel in Luxemburg auch den Themenbereich einer notwendigen Kostenentlastung der menschlichen Arbeitskraft ansprechen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Die Tagesordnung für diesen Beschäftigungsgipfel liegt vor. Es wird um die Themen Wachstum und Beschäftigung gehen. Das Potential der kleineren und mittleren Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen wird diskutiert beziehungsweise hinterfragt werden. Hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit wird eine beratende Gruppe, die derzeit einige beschäftigungspolitisch relevante Fragen zu prüfen hat, eingesetzt werden. Weiters wird es eine Initiative der Europäischen Investitionsbank zur Schaffung


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von Beschäftigungsmöglichkeiten geben. Ich gehe davon aus, daß bei der vorletzt genannten auch dieses Thema zur Sprache kommen wird.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir kommen nunmehr zur 12. Anfrage, die Herr Bundesrat Jürgen Weiss stellen wird. Ich bitte um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

789/M-BR/97

Wie ist der Stand der Vorbereitungsarbeiten für die in der Regierungserklärung angekündigte Änderung des Rundfunkgesetzes?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Ich habe dies bei der Beantwortung der vorigen Frage schon gesagt. Dieses Rundfunkgesetz befindet sich in Ausarbeitung. Auch da sind noch Detailfragen zu klären. Die Verhandlungen sind im laufen. Ich getraue mir keine Fixierung eines Datums vorzunehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eine Zusatzfrage, Herr Bundesrat? – Bitte.

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Staatssekretär! In welcher Weise ist in diesen Verhandlungen sichergestellt, daß die Ihnen bekannten und von den Ländern geltend gemachten Interessen gewahrt bleiben?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Im Grunde genommen sind die Verhandlungspositionen auf dem Tisch, und man ist dabei, diese abzuklären. Es gibt viele Detailfragen. Eine der wichtigsten wird sein: Gibt es auch weiterhin eine Gebührenpflicht, oder ist ein öffentlicher Auftrag durch den ORF zu erfüllen? – Das wird zu bejahen sein, und damit wird es auch dieses duale Finanzierungssystem geben. Das ist wahrscheinlich eine der Kernfragen.

Auch auf europäischer Ebene ist das ein Thema. Die Europäische Union hat sich dazu bekannt, daß es gebührenpflichtige Rundfunk- und Fernsehstationen geben muß. Die Position der Länder ist bekannt und wird derzeit verhandelt. In welcher Form diese in die Endfassung kommen wird, ist beim derzeitigen Verhandlungsstand nicht zu sagen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Ludwig gemeldet. Ich darf ihn bitten, die Frage zu stellen.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Herr Staatssekretär! Ich möchte noch einmal genauer nachfragen: Wird es nach der Änderung des Rundfunkgesetzes bei der dualen Finanzierung bleiben? Das heißt: Werden Einnahmen aus der Werbung und aus Beiträgen lukriert werden?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Ich gehe davon aus, daß dieses System weiterhin aufrecht bleiben wird. Wie gesagt: Auch die meisten europäischen Staaten haben sich dafür ausgesprochen, beziehungsweise es gibt dahin gehend Willenserklärungen. Der ORF wird sicherlich auch weiterhin einen öffentlichen Auftrag zu erfüllen haben; damit sind auch Gebühren gerechtfertigt.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals.


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Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Dr. Königshofer gemeldet. – Bitte.

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, daß diese Rundfunkgesetz-Novelle noch vor dem Jahr 2000 zustande kommen wird?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, bitte.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Wenn ich nach einer Chancenbewertung gefragt werde, würde ich sagen, daß die Chancen sehr hoch sind. (Bundesrätin Crepaz: Sehr hoch! – Bundesrat Konečny: Das ist eine weitere Zusatzfrage! Die ist nicht zulässig! – Allgemeine Heiterkeit.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals.

Wir kommen nunmehr zur 13. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

784/M-BR/97

Welche konkreten Gründe haben Sie bewogen, den als österreichischen Ausstellungsbeitrag zur Biennale 1997 in Venedig erstellten Katalog in Auftrag zu geben?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Grundsätzlich ist es darum gegangen, das Schaffen der Wiener Gruppe zu dokumentieren. Professor Weibel, der für den künstlerischen Beitrag Österreichs verantwortlich ist, wurde der Auftrag gegeben, das Schaffen dieser Gruppe zu dokumentieren.

Es handelt sich hiebei um eine Gruppe, die mittlerweile international anerkannt ist und einen ganz wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Moderne geleistet hat. Sie hat unter anderem auch gesellschaftliche Tabus, und zwar 1958 und in den folgenden Jahren, gebrochen. Ich meine, daß diese Gruppe gerade auf internationaler Ebene einen wesentlichen Beitrag geleistet hat – wie bereits gesagt –, die Moderne weiterzuentwickeln. Die künstlerische Eigenheit dieser Gruppe ist uns allen bekannt. Wir wissen auch, daß diese Gruppe im Jahre 1958 beziehungsweise in den sechziger Jahren für große Aufregung gesorgt hat. Aber alle Bilder in diesem Katalog stellen Kunstwerke dar, die nicht älter als 30 Jahre sind und damit seit 30 Jahren Eingang in unser Kulturleben gefunden haben. Ich glaube nicht, daß wir 1997 eine Diskussion über Bilder, die bereits älter als 30 Jahre sind, zu führen haben, sondern daß es das künstlerische Wirken dieser Gruppe wert ist, in einem umfassenden Katalog zusammengefaßt und auch dokumentiert zu werden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Staatssekretär! Ihre Position in Ehren, aber wie begründen Sie, daß für stilisierte Kinderpornographie und unflätige Sprache, wie sie in diesem Katalog vorkommen, als Repräsentation unserer Republik nach außen öffentliche Gelder verschwendet werden?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Es handelt sich um eine Gruppe, die international anerkannt ist und schon vor 30 Jahren Österreichs Kulturleben nach außen vertreten beziehungsweise internationale Wirksamkeit gehabt hat.


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Professor Weibel ist ein international anerkannter Künstler, der meiner Ansicht nach sehr wohl weiß, wie die Wiener Gruppe international darzustellen ist. Ich glaube, daß es ein durchaus aufsehenerregender Beitrag bei der Biennale war. (Bundesrat DDr. Königshofer: Ja! Das ist richtig!)

Ich darf darauf hinweisen, daß auch Ihr Kultursprecher sehr bereitwillig an der Eröffnung dieser Biennale teilgenommen, auch das Gespräch mit den Künstlern gesucht und bei weitem keine Aufregung dabei gefunden hat.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Für eine Zusatzfrage hat sich weiters Herr Bundesrat Steinbichler gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Einen Teil meiner Zusatzfrage haben Sie schon angesprochen. Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß die FPÖ einerseits in einer auf unwahren Behauptungen beruhenden Inseratenkampagne verkündet, die Regierungsparteien hätten mit der Zustimmung zum Kunstbericht 1995 auch ein Urteil über den Biennale-Katalog abgegeben, andererseits aber, wie erwähnt, der FPÖ-Kultursprecher Dr. Krüger zur Eröffnung der Biennale nach Venedig gereist ist?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Grundsätzlich wird durch die Diskussion um den diesjährigen Beitrag Österreichs bei der Biennale gezeigt, daß die Kunstvermittlung weiterhin ein Anliegen bleiben muß, da die Bereitschaft, sich mit zeitgenössischer Kunst auseinanderzusetzen, derzeit nicht unbedingt gegeben ist.

Ich schätze es, wenn Parlamentarier durch Ihre Anwesenheit bei kulturell so wichtigen Ereignissen wie der Biennale ihr Interesse am Beitrag Österreichs demonstrieren.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Dr. Ludwig gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es hat in der Vergangenheit immer wieder Versuche, auch von politischen Kräften und Parteien, gegeben, Zensurmaßnahmen zu setzen und Kulturschaffende in der Ausübung ihrer Tätigkeit einzuschränken. Werden Sie auch in Zukunft dafür eintreten, daß es in Österreich Rahmenbedingungen gibt, die es Kulturschaffenden ermöglichen, sich mit gesellschaftlichen Bedingungen auch kritisch auseinanderzusetzen? (Bundesrat DDr. Königshofer: Gehn’S, hören΄S auf!)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Zunächst ein klares Ja dazu, daß die Rahmenbedingungen für Kulturschaffende so weitläufig und frei bleiben, wie sie derzeit sind. Damit verbunden ist die Tatsache, daß es oft Schwierigkeiten geben kann, die es auf Seiten der Künstler auszutragen gilt.

Ich möchte aber dazu eine besondere Anmerkung machen: Bei dem hier immer wieder als Beispiel genannten Bild ging es darum, daß es im Jahr 1958, also in einer Zeit, in einer gesellschaftlichen Entwicklung, in der es Kindesmißbrauch ebenso wie im Jahre 1997 gegeben hat, nicht möglich war, darüber zu sprechen, weil dieses Thema tabuisiert wurde. Die Künstlergruppe, die wir bei der Biennale präsentiert haben, hat schon im Jahre 1958 versucht, diesen Mißstand, diese wirklich abscheulichen und abstoßenden Aktivitäten mancher anzuprangern und der Gesellschaft bewußt zu machen, daß sie sich darum zu kümmern hat, daß dagegen etwas unternommen werden soll.

Es hat offensichtlich bis zum Jahre 1997 gedauert, daß man dieses Thema offen diskutiert und auch offen über Gegenmaßnahmen spricht. Dies war auch ein Beitrag zur Bewältigung von gesellschaftlichen Problemen durch die Kunst, ein Beitrag, der seinerzeit sicherlich zukunfts


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weisend war. Ich glaube, daß auch viele künstlerische Aktivitäten von heute erst im nachhinein betrachtet tatsächlich jene Rechtfertigung erfahren werden, die sie bereits zum Zeitpunkt ihrer Entstehung haben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zur 14. Anfrage, gestellt von Herrn Bundesrat Platzer. Ich darf ihn um die Verlesung der Anfrage bitten.

Bundesrat Herbert Platzer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Der Kabarettist Werner Schneyder hat einmal gesagt, daß es einen starken Trend zum Zweitbuch gibt. Meine Frage dazu lautet:

781/M-BR/97

Welche kulturpolitischen Akzente wird Österreich auf der heurigen Buchmesse in Frankfurt setzen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär.


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Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann:
Im wesentlichen wird Österreich bei der Frankfurter Buchmesse erneut sehr prominent vertreten sein. Wir werden mit mehr als 179 österreichischen Verlagen – Einzelausstellern, Firmengemeinschaften, allen Varianten von Zusammenarbeit – bei der Frankfurter Buchmesse antreten.

Eines der wichtigsten Themen – es ist dies besonders ein österreichisches, auch innerhalb der EU – wird die Buchpreisbindung sein. Österreich tritt innerhalb der Europäischen Gemeinschaft vehement dafür ein, die grenzüberschreitende Buchpreisbindung aufrechtzuerhalten, da dies eine Fördermaßnahme ist, die den Kleinverlagen beziehungsweise den Verlagen überhaupt die Möglichkeit gibt, auch künstlerisch wertvolle Bücher zu verlegen, die zwar vielleicht nicht sehr marktfähig sind, keinen großen Absatz haben und sich deshalb an sich nicht rechnen würden, im Zusammenhang mit anderen Büchern aber finanzierbar sind. Das ist der Sinn und Zweck dieser Buchpreisbindung. Bei der Frankfurter Buchmesse werden wir diesen Schwerpunkt, ein Ja zur Buchpreisbindung, in den Mittelpunkt unseres Auftretens stellen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Herbert Platzer (SPÖ, Niederösterreich): Glauben Sie, Herr Staatssekretär, daß sich die Ausgaben für den Schwerpunkt 1995 für Österreich gerechnet haben?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Wenn man die Medienberichte zu dieser Ausstellung betrachtet, ist diese Frage klar zu bejahen. Es hat sich auf alle Fälle gerechnet. Die internationale Präsenz der österreichischen Literatur hat sich vervielfacht. Aber auch die Umsatzzahlen der österreichischen Literatur sind gestiegen. Es war eine Leistungsschau heimischer Kreativität! Ich glaube, daß wir uns mit dieser Aktivität während der Buchmesse 1995 einen fixen Platz als beispielgebende Literaturnation in Europa erarbeitet haben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Für eine nächste Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Gudenus gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Sie haben 179 Verlage erwähnt, welche heuer in Frankfurt präsent sein werden. Wie vielen und welchen von ihnen wird durch öffentliche Mittel die Teilnahme in Frankfurt ermöglicht?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Wir unterstützen grundsätzlich die Teilnahme an sich und die Ausstellung mit Hilfe öffentlicher Mittel. Ich kann im Moment nicht sagen, wie viele es konkret sind, und ersuche, diese Frage schriftlich beantworten zu dürfen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Als nächster hat sich Herr Bundesrat Liechtenstein für eine Zusatzfrage gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werden Sie dafür Sorge tragen, daß in künftigen Kunstberichten die österreichischen Aktivitäten auf der Frankfurter Buchmesse detaillierter ausgewiesen werden?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Wir sind heuer dabei, den Kunstbericht grundsätzlich auf andere Beine zu stellen. Wir wollen ihn transparenter und interessanter gestalten und besser handhabbar machen. Derartige Großereignisse sollen darin detailliert angeführt sein. Wir haben damit heuer einen anderen Weg gewählt, und ich hoffe, daß Ihre Frage mit einer detaillierten Aufzeichnung der Ausgaben beantwortet wird.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir gelangen nun zur 15. Anfrage. Die als krank gemeldete Frau Bundesrätin Fischer hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ihr Einverständnis bekanntgegeben, daß Frau Bundesrätin Therese Lukasser die Frage stellen wird. – Ich darf um die Verlesung bitten.

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Mann und Frau haben seit 1993 gesetzlich verankerten Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Meine Frage lautet:

790/M-BR/97

Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die nach wie vor bestehenden großen Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen zu beseitigen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Ich möchte zunächst grundsätzlich feststellen, daß es leider ein Faktum ist, daß Frauen in der Berufswelt weiterhin diskriminiert werden. Im Bereich der einfachen und mittleren Angestelltentätigkeit sind Frauen überrepräsentiert, während sie in den gehobenen Funktionen nach wie vor unterrepräsentiert sind – das möchte ich vorweg unterstreichen.

Durch die Frauenförderung sollen politische Anreize gegeben werden, Frauen entsprechend ihrer Qualifikation einzusetzen und damit die Diskriminierung abzubauen.

Einer der wesentlichen Bereiche wird meiner Meinung nach auch darin liegen, die Wirtschaft davon zu überzeugen, daß die versteckte oder offene Diskriminierung von Frauen auch der gesamtbetrieblichen Wirtschaftsentwicklung schadet, denn man verzichtet damit auf die Hälfte des kreativen Potentials. Auch hier sollte Aufklärungsarbeit beziehungsweise Bewußtseinsbildung durch die Regierung erfolgen.

Es gibt eine Palette von Möglichkeiten, diese Förderung der Chancengleichheit durchzuführen: Frauenförderpläne, eigene Betriebsvereinbarungen und Frauenausschüsse. Zu den politischen Steuerungsmöglichkeiten gehört eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die arbeitssuchende beziehungsweise in den Arbeitsmarkt wieder eintretende Frauen und Männer bei der wohl größten Hürde, nämlich der Kinderbetreuung, unterstützt. Auch eine Verstärkung der Maßnahmen zur Qualifizierung oder Höherqualifizierung von ArbeitnehmerInnen halte ich für eine Möglichkeit,


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von politischer Seite her Weiterentwicklungen zu forcieren. Diese Maßnahmen seien nur beispielhaft für viele genannt.

Meiner Ansicht nach muß aber auch die Europäische Union bei ihrer Beschäftigungspolitik auf dieses Thema eingehen. Es wird daher eines jener Anliegen sein, das Österreich innerhalb des Beschäftigungsgipfels geltend machen wird. Denn es wird notwendig sein, die nichttraditionellen Berufswege für Frauen zu öffnen und damit auch gesellschaftsfähig zu machen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ein Zitat aus dem Frauenbericht 1995 lautet: Die Beweisführung der systematischen Unterbewertung von Frauenarbeit erfordert eine grundsätzliche Infragestellung der bisherigen Entgeltfestsetzung.

Meine Zusatzfrage lautet: Beabsichtigen Sie in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern neue Kriterien für die Bewertung der Arbeit auszuarbeiten, um damit der Veränderung des traditionellen Rollenbildes Rechnung zu tragen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Da diese Frage eindeutig in den Kompetenzbereich von Frau Bundesministerin Prammer fällt und ich hier nicht über meine Kompetenz hinaus in einem Bereich, über den ich für die Beantwortung solcher Fragen nicht genug informiert bin, Auskunft geben will, darf ich Sie bitten, diese Frage an Frau Bundesministerin Prammer weiterzuleiten und um eine schriftliche Beantwortung zu ersuchen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Crepaz. – Bitte.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Bleiben wir bei den Einkommensunterschieden und Chancenungleichheiten für Frauen. Gibt es Förderungen oder besondere Anreize für Frauen bei Unternehmensgründungen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Derartige Initiativen sind in jedem Fall grundsätzlich zu unterstützen. Es gibt auch in Wien und Graz bereits Ansätze dazu in Form von sogenannten Business-Frauen-Centers, die im wesentlichen Unterstützung bei der Unternehmensgründung beziehungsweise beim Betrieb der Unternehmen bieten sollen. Das wäre meiner Ansicht nach durchaus eine Möglichkeit, die auch in den anderen Bundesländern ausgebaut werden könnte. Frauenspezifische Förderrichtlinien sollten für das gesamte Bundesgebiet ausgebaut werden, denn gerade in diese Richtung sollte man Akzente setzen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Aufklärungsarbeit allein wird nicht genügen, und auch die Anreize, um Frauen in höhere Positionen vorrücken zu lassen, allein werden nicht viel bewirken. Ich frage Sie daher, Herr Staatssekretär: Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, damit Männer und Frauen endlich den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit bekommen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Ich gehe davon aus, daß grundsätzlich für die gleiche Arbeit auch gleicher Lohn gezahlt wird. Wenn das nicht der Fall ist, wird


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man sich Maßnahmen zu überlegen haben, wie dies im Zuge der Gleichbehandlung hintangehalten werden kann. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Welche Maßnahmen dabei zur Verfügung stehen, möchte ich nur informativ aufzählen. Es wird Sache des Frauenministeriums sein, konkrete Vorschläge dazu zu machen, aber ich könnte mir zum Beispiel durchaus eine Bevorzugung bei Anboten für frauenfreundliche Betriebe vorstellen. Das ist meine persönliche Meinung, die sich nicht unbedingt mit der Meinung der Frau Bundesministerin decken muß. Ich ersuche Sie, die konkreten Vorschläge dazu ebenfalls bei der Frau Bundesministerin zu erfragen. Ich werde Ihre Frage diesbezüglich weiterleiten, und sie wird sie sicherlich mit konkreten Vorstellungen beantworten.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Die Fragestunde ist damit beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich teile Ihnen mit, daß 38 Anfragebeantwortungen eingelangt sind, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt ist ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend eine Ministervertretung, die den heutigen Tag betrifft.

Ich ersuche die Schriftführung um die Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Der Herr Bundespräsident hat am 26. September 1997, Zl. 300.100/136-BEV/97, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer innerhalb des Zeitraumes vom 27. bis 30. September den Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek und vom 1. bis 4. Oktober 1997 die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Verlesung dieses Schreibens.

Die eingelangten Berichte über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1996 (Grüner Bericht 1996) (III-165 der Beilagen) und über Maßnahmen für Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998 gemäß § 9 Abs. 2 LWG (III-166 der Beilagen) hat der Herr Präsident dem Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft, den Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 1996 (III-168 der Beilagen) dem Wirtschaftsausschuß und den 13. Sportbericht 1996 (III-167 der Beilagen) sowie den Bericht der Volksanwaltschaft 1996 (III-169 der Beilagen) dem Ausschuß für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen.

Ich weise darauf hin, daß bei der Beratung über den Bericht der Volksanwaltschaft 1996 das Bundes-Verfassungsgesetz unmittelbar angewendet werden wird, da die Rechte der Mitglieder der Volksanwaltschaft im Artikel 148d Bundes-Verfassungsgesetz für eine solche unmittelbare Anwendung ausreichend definiert sind.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.


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Der Herr Präsident hat diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über den bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingelangten und zugewiesenen Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend den Situationsbericht 1996 sowie über den ebenfalls bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingelangten und zugewiesenen Außenpolitischen Bericht 1996 abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Der Herr Präsident hat all diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 3 bis 10 der Tagesordnung unter einem durchzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

1. Punkt

Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend den Situationsbericht 1996 (III-162 und 5508/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend den Situationsbericht 1996.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Hedda Kainz übernommen. Ich bitte sie um den Bericht.

Berichterstatterin Hedda Kainz: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der angesprochene Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich darf mich daher auf die Antragstellung beschränken.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 30. September 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag , den angesprochenen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für diesen Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

10.34

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Wir diskutieren heute den Situationsbericht 1996 des Bundesministeriums für Landesverteidigung. Wir haben in diesem Zusammenhang meiner Auffassung nach zwei Aspekte herauszuarbeiten: zum einen die internationale Zusammenarbeit unserer Streitkräfte, welche durch den Beitritt zur Europäischen Union und das damit zusammenhängende Ende der Nachkriegszeit eine neue Qualität bekommen hat, und zum anderen den Zustand des Bundesheeres im Inneren, die Lücken, welche da erkennbar sind, und die Entwicklung hin zu einer neuen Wehrstruktur.

Zunächst zur internationalen Verflechtung unserer Sicherheitspolitik: Meine Damen und Herren! Herr Minister! In der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik schwindeln sich die Sprecher der beiden Regierungsparteien immer über dieses Thema hinweg. Polen, Tschechien, Slo


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wenien und Ungarn werden 1999 NATO-Mitglieder sein. Damit ist nach den Beschlüssen der NATO-Tagungen von Berlin und Brüssel das künftige europäische Sicherheitskonzept des Bündnisses einstweilen fertiggestellt, aber ohne Republik Österreich.

Obgleich Sie, Herr Verteidigungsminister, klar festgestellt haben, daß ein Beitritt zur NATO die beste Option für uns sei, werden aus dieser richtigen Analyse von Ihnen von der Bundesregierung nicht die notwendigen Schlüsse gezogen. Auch heutige Pressemitteilungen weisen in diese Richtung. Die SPÖ verhindert eine zukunftsweisende Politik, und die ÖVP setzt sich in dieser Frage anscheinend nicht durch.

Meine Damen und Herren! In der Außen- und Sicherheitspolitik bietet diese Bundesregierung nach wie vor ein Bild der Uneinigkeit und Unsicherheit. Die Bürger fragen sich zu Recht, wozu wir eigentlich der Europäischen Union beigetreten sind. – Nur um den Beitrag Jahr für Jahr zu bezahlen, oder auch um die Zusammenarbeitsmöglichkeiten der Gemeinschaft in wichtigen Bereichen zu nutzen? – Denn warum die Bundesregierung gerade in jenem Bereich, in dem unsere Republik die größten Defizite hat, nämlich in der Sicherheitspolitik, nicht in der Lage ist, die notwendigen Schritte zu setzen, ist unverständlich, Herr Bundesminister!

Sicherheitspolitik, meine Damen und Herren – ich konnte das hier schon öfters sagen – ist nicht Verteidigungspolitik und Militär alleine, aber in letzter Konsequenz eben auch und in der allerletzten Konsequenz eben ausschließlich. Wir Freiheitlichen haben deshalb schon vor der EU-Volksabstimmung 1994 gesagt, daß die Entwicklung und Herausbildung eines europäischen kollektiven Sicherheitssystems erforderlich seien und daß die NATO und die WEU den einzigen Weg dazu darstellen.

Mit dem Vertrag von Maastricht – das scheinen die Damen und Herren der Regierungsparteien zu vergessen – wurde auch ein Kapitel über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eingeführt, und zwar mit dem Ziel der Stärkung der Sicherheit der Union und ihrer Mitgliedstaaten in all ihren Formen. Artikel J 4 besagt unter anderem: Die GASP, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, umfaßt sämtliche Fragen, welche die Sicherheit der Europäischen Union betreffen, wozu auf längere Sicht auch die Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen können muß.

Außerdem hat Österreich im Beitrittsvertrag eine gemeinsame Erklärung zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik abgegeben, worin die EU und Österreich übereinkommen, daß mit dem Beitritt alle Ziele des Vertrages, auch die Bestimmungen der GASP und die ihm beigefügten einschlägigen Erklärungen vollständig und vorbehaltlos übernommen werden.

Meine Damen und Herren! Tatsache ist, nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes und dem Zerfall des Ostblocks werden völlig neue Anforderungen an die europäische Sicherheitspolitik gestellt. Die Gefahr von regionalen Konflikten, die eine Bedrohung für Österreich bedeuten könnten, ist rapide gestiegen. Die GASP ist, wie am Beispiel des Balkankonfliktes deutlich wurde, völlig unzureichend entwickelt, um die anstehenden Probleme zu lösen. Die Neutralität unseres Landes hat in der Vergangenheit sicherlich einen großen Beitrag zu Sicherheit und Unabhängigkeit geleistet, aber glücklicherweise, so muß man sagen, mußte der Wahrheitsbeweis, nämlich der Schutz im Aggressionsfall, auch nie angetreten werden. Eine ernstgenommene Neutralität würde nämlich bedeuten, daß wir in Friedenszeiten eine konsequente Neutralitätspolitik gegenüber allen potentiellen Konfliktparteien beachten müßten, was die völlige Isolation Österreichs im Rahmen der EU und in der internationalen Staatengemeinschaft zur Folge hätte. Auch wären die Kosten für eine alleinige und isolierte Landesverteidigung kaum abschätz- und bewältigbar.

Bisher hat Österreich seine Landesverteidigung leider stets vernachlässigt und in den wesentlichsten Bereichen auch regelrecht ausgehungert. Österreich liegt nach wie vor mit etwas mehr als 0,8 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt bei den Verteidigungsausgaben hinter Luxemburg an letzter Stelle in Europa. Der Beobachterstatus bei der WEU und die zögerliche Teilnahme an der Partnerschaft für den Frieden bringen keine zusätzliche Sicherheit für Österreich.


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Mit lediglichem Beobachterstatus sind wir weder in die Planungsarbeiten eingebunden, noch können wir mitbestimmen. Wir sind Mitglied dritter Klasse.

Alle künftigen Verteidigungs- und Sicherheitsstrukturen in Europa werden nur innerhalb der NATO oder zumindest gemeinsam mit der NATO entwickelt werden können. Ein Beitritt zur NATO ist deshalb ein wesentlicher Faktor zur bestmöglichen Gewährleistung der zukünftigen österreichischen Sicherheit. Das heißt, nur eine Vollmitgliedschaft in NATO und WEU gewährleistet im Ernstfall den Schutz durch die Staatengemeinschaft.

Fast alle ehemaligen Ostblockstaaten wollen derzeit in die NATO. Ich habe sie vorhin schon zitiert. Die NATO ist ein wesentlicher Bestandteil der gemeinsamen Sicherheit in Europa und wird es auch weiterhin sein. Dem Argument, die Sicherheit umfassend und nicht nur auf den militärischen Aspekt beschränkt zu sehen, wird bereits Rechnung getragen. Die soziale und die wirtschaftliche Sicherheit wird im Rahmen der Europäischen Union und all ihrer Möglichkeiten bereits betrieben. Die Zusammenarbeit im Bereich von Justiz und Inneres ist eine eigene Säule des EU-Vertrages. Damit versuchen wir, die Migration, Drogen, internationale Kriminalität und alle Probleme, die damit im Zusammenhang stehen, zu bekämpfen. Die kooperative Sicherheit in Europa wird durch die OSZE und die internationale, globale Sicherheit durch die UNO festgelegt. Bei all diesen Systemen ist Österreich Mitglied und arbeitet bereits jetzt vollberechtigt mit.

Nicht abgedeckt ist allerdings der militärische Aspekt. Und dieser Aspekt ist nur lösbar, wenn sich Österreich zu einem konsequenten Schritt durchringt. Der sogenannte Optionenbericht, Herr Bundesminister, in welchem die verschiedenen Möglichkeiten dargelegt werden sollen, ist jetzt bereits auf das kommende Frühjahr verschoben worden, obgleich Sie ursprünglich angekündigt hatten, noch heuer die Entscheidung treffen zu wollen. Eine klare Entscheidung der Bundesregierung ist aber notwendig, um überhaupt die Weiterentwicklung und die Reform des Bundesheeres glaubwürdig steuern zu können.

Damit, meine Damen und Herren, sind wir beim zweiten Aspekt, beim Zustand des österreichischen Bundesheeres und der Notwendigkeit seiner Reform. Das Budget 1998 weist im wesentlichen keine Erhöhung zum Vorjahr auf, weshalb eine grundsätzliche Verbesserung auch kaum zu erwarten ist. Herr Bundesminister! Sie kaufen eine Anzahl von Kampf- und Jagdpanzern, was ich grundsätzlich begrüße, die Beschaffung von ausreichenden Rad- und Kampfschützenpanzern ist aber nach wie vor unklar. Über die Erhaltung der Beweglichkeit dieser Panzergrenadierbrigaden durch ausreichendes Brückenlegegerät, durch Minenräumpanzer und durch die Sicherstellung eines notwendigen Luftschirmes wird von Ihrer Seite aus leider nicht gesprochen.

Hier wird, so glaube ich, nur zum Schein eine professionellere Effizienz erreicht, also der Weg Richtung Berufsarmee wird nur vorgespielt. Auf der anderen Seite bringen Sie, Herr Bundesminister, einen Erlaß heraus, der die Möglichkeit für Milizsoldaten, freiwillige Waffenübungen abzuleisten, drastisch einschränkt. Also auch in Richtung Milizarmee scheint es Akzente zu geben, die auf Einsparung und Abschaffung hindeuten.

Herr Minister! Das sind für uns Widersprüche, die Sie nach unserer Auffassung bald lösen sollten, denn es geht auch um die Akzeptanz der Führung in der Truppe. In der Zeitschrift "NEWS" – Sie werden das gelesen haben – wurde in der letzten Woche kolportiert, daß nach einer Umfrage aus dem Jahre 1992 sage und schreibe 5 Prozent der Heeresangehörigen volles Vertrauen in ihre Führung hätten. Sie können das ja dann kommentieren, ob dies zu Recht oder zu Unrecht gesagt wurde. Dagegen müssen Sie, Herr Bundesminister, auch wenn es einige Prozent mehr sein sollten, etwas tun.

Herr Bundesminister! Sie haben mit der "Heeresgliederung-Neu" die Armee halbiert, ohne daß es zu einer spürbaren Reduktion auf der Verwaltungsebene gekommen wäre. Sie führen für internationale Einsätze vorbereitete Einheiten ein, stellen aber gleichzeitig nicht sicher, daß Berufssoldaten hinkünftig verpflichtend an internationalen Einsätzen teilnehmen müssen. Sie haben eine Milizarmee, Herr Bundesminister, Sie reden aber von einer Berufsarmee und machen weder das eine noch das andere umfassend und klar erkennbar. Sie sollten sich in der


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nächsten Zeit ein wenig durchsetzen. Sie sollten sich den notwendigen Entscheidungen stellen, sie treffen und sie dann konsequent und richtig umsetzen.

Stellen Sie sicher, Herr Bundesminister, daß Österreich Mitglied des einzig funktionierenden Sicherheitssystems Europas, nämlich der NATO, wird! Stellen Sie sicher, daß wir den Weg zu einer Berufsarmee, unterstützt durch eine Profimiliz und abgestützt auf eine allgemeine Dienstpflicht, konsequent einschlagen! Dieser Bericht, den wir heute hier debattieren, weist diese Konsequenz nach unserer Auffassung nicht auf. Wir werden deshalb nicht zustimmen.

Ich kann aber für meine Fraktion einen Entschließungsantrag einbringen.

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen zum Bericht des Rechtsausschusses (5508/BR der Beilagen) betreffend den Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend den Situationsbericht 1996 (III-162/BR der Beilagen)

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Landesverteidigung wird aufgefordert,

1. keine neuerlichen Umgliederungen in der Friedens- und Mobilgliederung des österreichischen Bundesheeres vorzunehmen, die über die Ebene der militärischen Einheit hinausgehen, bevor nicht die grundsätzliche Entscheidung über den sicherheitspolitischen Weg Österreichs in Europa gefallen ist,

2. die budgetäre, materielle und personelle Ausstattung des Bundesheeres, insbesondere der Miliz, sicherzustellen,

3. für die Durchführung aller 1998 turnusmäßig heranstehenden Truppenübungen Sorge zu tragen und

4. den Erlaß über die Beschränkung der freiwilligen Waffenübungen (GZ 21.520/29-2.8/97) aufzuheben."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Dr. Bösch und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

10.46

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter, lieber Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Situationsbericht 1996 über die militärische Landesverteidigung behandelt wird, so ist der Anlaß nicht nur der, eine Bilanz über die im Jahr 1992 beschlossene Heeresgliederung zu ziehen, sondern ist das ebenso Anlaß für einen Ausblick in die Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik.

Zur Bilanz: Der Situationsbericht 1996 zeigt eine Reihe von Maßnahmen auf, die zu einer Steigerung der Effektivität der militärischen Landesverteidigung beigetragen haben. Die Bildung rasch verfügbarer Kräfte von 10 000 Mann zuzüglich 5 000 Mann rasch aufbietbarer Milizkräfte gibt der politischen Führung ein Mittel zur raschen Reaktion in die Hand. Die personelle Situation der Verbände konnte durch die Verdichtung des Kaderpersonals konsolidiert werden. Das Wehrpflichtaufkommen wurde allerdings unter dem notwendigen Niveau von 34 000 Mann jähr


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lich durch die Verlängerung des Zivildienstes auf 12 Monate stabilisiert. Daß dies erst zu einem so späten Zeitpunkt möglich war, ist bedauerlich. Nicht zuletzt möchte ich als Erfolg diverse Neuerungen im Rüstungsbereich erwähnen, die, wie etwa der Ankauf von Lenkwaffen, die Beschaffung von Radschützenpanzern sowie der Beschluß zum Ankauf des sogenannten Mech-Pakets – also Kampfpanzer, Leopard II, Jaguar, Ascot, Pandur und so weiter – die ärgsten Mängel beseitigen.

Zu den Zukunftsperspektiven: Österreichs Sicherheitspolitik steht vor einer Reihe grundlegender Richtungsentscheidungen. Für eine effektive militärische Landesverteidigung zum Schutz Österreichs sind aus meiner Sicht folgende Elemente essentiell: Zunächst der Beitritt zur NATO. Zweiter essentieller Punkt ist zunächst einmal auf jeden Fall die Aufrechterhaltung der allgemeinen Wehrpflicht, zumindest auf absehbare Zeit bis zu einer wesentlichen Vergrößerung der NATO in unserem Nachbarbereich, das heißt aber auch sehr weit im Osten. Weiters: effiziente Geräteausstattung, planbare Budgetansätze entsprechend der Größenordnung, ein entsprechender politischer Rückhalt der militärischen Landesverteidigung als Signal des Selbstbehauptungswillens Österreichs. Daß auch den Frauen das Bundesheer offensteht, ist eine äußerst positive Sache.

Erlauben Sie mir ein paar Bemerkungen.

Beitritt zur NATO: Die reale Entscheidung ist bereits gefallen. Wir brauchen eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die zur Verfügung stehenden Finanzmittel und das damit verbundene Rüstungsniveau lassen eine eigenständige, umfassend ausgerüstete Verteidigung nicht zu.

Eine solche ließe sich nur mit einer massiven Erhöhung des Verteidigungsbudgets realisieren, die politisch irreal ist, wobei ich an dieser Stelle anmerken möchte, daß gerade jene, die am heftigsten gegen einen NATO-Beitritt opponieren, seit Jahren vehement gegen eine effektive, eigenständige Landesverteidigung und die Bereitstellung der dafür nötigen Mittel auftreten. Ein NATO-Beitritt bringt meiner Meinung nach ein Höchstmaß an Sicherheit bei dem vorhandenen Ressourcenrahmen mit sich.

Zur Frage allgemeine Wehrpflicht als personelle Basis: Die zweite Notwendigkeit ist meiner Meinung nach die Aufrechterhaltung der allgemeinen Wehrpflicht als personelle Basis. Ein Berufsheer ist meiner Auffassung nach für österreichische Verhältnisse zurzeit keine Lösung. Nach einer wesentlichen Ausweitung der NATO in Mitteleuropa unter Beiziehung Österreichs wird sich zeigen, ob wir über diese Frage diskutieren können.

Abzulehnen ist meiner Meinung nach ein Berufsheer aus folgenden Gründen: Die zu geringe Größe – die diesbezüglich kolportierten Zahlen betragen 20 000 bis 30 000 Personen –, die etwa mit dem derzeitigen Planstellenrahmen vergleichbar ist, reicht nicht aus, um die derzeit erforderlichen Kräfte für Assistenzen, für Auslandseinsätze sowie vor allem für eine Landesverteidigung an sich aufzubringen. Man darf dabei unsere geographische Situation in der Mitte Europas nicht vergessen.

Eine Folge dieser geringen Größe wäre ein Mangel an Infanterie. Gerade diese Waffengattung in einer zeitgemäßen Form ist nicht nötig, um die heute aktuellen Bedrohungen durch einen Sicherungseinsatz an der Grenze oder durch einen Sicherungseinsatz gegen subkonventionelle beziehungsweise terroristische Kräfte zu bewältigen. Technik kann Mannstärke ersetzen – dies trifft hier nicht zu. Gerade die Grenzgebiete bei uns in der Steiermark, aber auch in Kärnten zeigen, daß nur eine hohe Zahl an Soldaten eine solche Grenze, wenn es nötig ist, dichtmachen kann.

Auch bei einem NATO-Beitritt ist meiner Meinung nach ein Berufsheer noch nicht zwangsläufig sinnvoll. Ein kleiner Teil als Bereitschaftstruppe für internationale Einsätze wird sicherlich notwendig sein. Die überwiegende Masse des Heeres muß jedoch nach dem System der allgemeinen Wehrpflicht organisiert sein, um die nötige Zahl an Truppen aufzubieten. Es kann sich natürlich mit dem europäischen Einigungsprozeß und mit den entsprechenden Veränderungen die Fragestellung auch anders positionieren.


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Drittens: effiziente Geräteausstattung. Die Qualität der Bewaffnung bildet das nächste Effizienzerfordernis. Zwar wurde in den vergangenen Jahren mit dem Lenkwaffenkauf und mit dem Mech-Paket ein gewisser Nachholbedarf befriedigt, andere Bereiche bedürfen jedoch dringend der Modernisierung. Auch diesbezüglich müssen wir das Ministerium stärken. Nahezu der gesamte Bereich der Fliegerkräfte, insbesondere die Abfangjäger und die Hubschrauberflotte, ist dringend erneuerungsbedürftig. Natürlich ergäbe sich im Zusammenhang mit der NATO eine neue Fragestellung. Fliegerabwehrpanzer für die mechanisierten Kräfte und Fliegerabwehrlenkwaffen mittlerer Reichweite fehlen zurzeit gänzlich.

Ein vierter Punkt, den ich ansprechen möchte, sind die budgetären Rahmenbedingungen. Um all diese Vorhaben realisieren zu können, bedarf es eines planbaren budgetären Rahmens. Die bereits im Ministerratsbeschluß zur Heeresgliederung 1992 versprochenen 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollten künftig Richtschnur sein. Wir sind, was das Budget anlangt, in Europa leider wirklich Schlußlicht. Sinnvoll wäre ein eigenes Investitionsgesetz, mit dem über einen mehrjährigen Zeitraum planbare Geldmittel für die Landesverteidigung zugesichert werden könnten.

Fünftens möchte ich den politischen Rückhalt erwähnen. Mindestens ebenso wichtig wie die vorher genannten materiellen, organisatorischen und budgetären Maßnahmen ist auch der politische Rückhalt. Anstelle des ewigen Kritisierens und Hinterfragens sowie des politischen Desavouierens vernünftiger Maßnahmen, wie etwa dem Ankauf des Mech-Pakets, sollen alle staatstragenden Kräfte ein klares Bekenntnis zur Landesverteidigung ablegen. Nur ein solches klares Bekenntnis wird im Inneren die erforderliche Motivation und nach außen das Signal mit sich bringen, daß Österreich seine Sicherheit ernst nimmt und nicht mehr als außenpolitischer Trittbrettfahrer zwar die Vorteile, nicht jedoch die Lasten gesamteuropäischer Sicherheit lukriert. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

12.56

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meier. – Bitte.

12.56

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich will auf den ersten Teil, der sich mit der Heeresgliederung-Neu aus dem Jahre 1992 befaßt, Seiten 1 bis 9 des Berichtes, nicht mehr im Detail eingehen, weil die damals beschlossene Umstrukturierung 1996 wohl bereits abgeschlossen wurde. Es ist allgemein bekannt, daß durch die Änderungen und Umwälzungen, wie sie für Österreich besonders augenscheinlich durch den Wegfall des Eisernen Vorhangs folgten, eine neue Situation eingetreten ist, die hoffentlich zu einer dauernden Verminderung der Gesamtbedrohung führen wird. Diese neue Situation machte aber auch eine Neuorientierung der österreichischen militärischen Landesverteidigung notwendig.

Gott sei Dank blieb uns ein Ernstfall erspart, und alle Spekulationen, ob und inwieweit unsere Verteidigungsbereitschaft große Opfer erfordert hätte, welchen Widerstand wir leisten hätten können, wie die Stellung als neutraler Staat berücksichtigt worden wäre, ab welcher geographischen Linie das westliche Verteidigungsbündnis zur Sicherheit der eigenen Interessen Österreich verteidigt hätte, blieben Theorie – Gott sei Dank! Deshalb werden unter dem Punkt "Grundsätzliche Konsequenzen für die militärische Landesverteidigung" unter anderem neben den Maßnahmen der Überwachung, der angemessenen Reaktion auf Gefährdungen und dem Schutz unseres Bundesgebietes durch Verteidigungskonzepte auch folgende Aufgaben angeführt: die Mitwirkung an der Friedenssicherung und Konfliktverhütung im Rahmen internationaler Organisationen, die Wahrnehmung der aus internationalen militärpolitischen Verpflichtungen oder Zusammenarbeitsregelungen resultierenden Aufgaben der Beobachtung, Inspektion und Verifikation, die internationale Hilfeleistung bei Katastrophen und Einsätze zur humanitären Hilfe sowie die Bewahrung des Prinzips der Freiwilligkeit für internationale Einsätze.


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Ich begrüße diese Formulierungen des Berichtes ausdrücklich, weil sie gerade in der täglichen Diskussion über die Sicherheit und internationale Zusammenarbeit richtungsweisend sind und beachtet werden sollten. Handeln wir auch nach diesen Punkten!

Auch im zweiten Teil dieses Berichtes, der den Ist-Stand 1995/96 mit den Änderungen im sicherheitspolitischen Umfeld darstellt, wird dieser neue und geänderte Aufgabenbereich unterstrichen und werden notwendige Anpassungen an die sich verändernden Verhältnisse aufgezeigt. Österreich ist seit 1. Jänner 1995 Mitglied der Europäischen Union. Tatsache ist, daß Österreich mit seinem Status quo als EU-Mitglied aufgenommen wurde, mit dem EU-Vertrag aber keine expliziten Forderungen verbunden sind, seinen militärischen Status zu ändern oder etwa die militärische Neutralität – und es handelt sich immer um die militärische Neutralität und nicht um wirtschaftliche Neutralität oder gar um die Verpflichtung des einzelnen Staatsbürgers, seine Ideen oder seine politische oder weltpolitische Meinungsfreiheit einzuschränken – aufgeben zu müssen. Dies ist und bleibt Angelegenheit Österreichs und seiner Bürger und Bürgerinnen.

Österreich hat Beobachterstatus bei der WEU, aber wie wir alle wissen, war und ist die WEU nicht voller Bestandteil der Europäischen Union, und es kann nur ein weiterer Entwicklungsprozeß nach den EU-Vertragsbestimmungen, den in der EU festgeschriebenen Verfahren und den Zustimmungskriterien der Mitgliedsstaaten, darunter selbstverständlich auch Österreich als gleichberechtigtes EU-Mitglied, zu einer Einbeziehung der WEU in die Europäische Union führen.

Da aber die WEU derzeit allgemein als wenig effizient angesehen wird, wird in der Diskussion gerade für den militärischen Bereich die NATO als wirksames Militärbündnis und als Verteidigungsbündnis dargestellt. Aber die NATO ist kein europäisches Bündnis, sondern wird von den USA dominiert; als Beispiel sei hier nur etwa die Entscheidung erwähnt, welche Staaten bei der Osterweiterung als nächste aufgenommen werden. Dabei setzte sich zweifellos die USA mit ihren Vorstellungen gegenüber den europäischen Partnern durch.

Die NATO ist auch kaum in der Lage, die Gegensätze, zum Beispiel zwischen Griechenland und der Türkei, zu verhindern und abzubauen, was derzeit im Rahmen der Zypern-Frage – denn Zypern steht auf der Liste zukünftiger EU-Mitglieder – wieder sichtbar wird.

Die NATO hat 1994 eine Initiative gesetzt – siehe die Seiten 10 und 11 dieses Berichtes –, die eine über die NATO-Grenzen hinausgehende "Partnerschaft für den Frieden" begründet. Das Konzept ist eine Verbesserung der friedenssichernden Zusammenarbeit zwischen Partnern, die bisher nicht in eine derartige Kooperation eingebunden waren, ja zwischen Staaten, die bis zum Fall des Eisernen Vorhangs in sich feindlich gegenüberstehenden Strukturen eingebunden waren, nämlich der NATO und dem Warschauer-Pakt. Es ist dies – vergleichen wir die Situation in Europa mit jener vor zehn Jahren – ein ungemein rascher und umwälzender Strukturwandel. In der Geschichte hat sich aber eines immer wieder bewiesen: daß abrupte Änderungen von vornherein Konfliktstoffe in sich getragen haben, weil die davon betroffenen Strukturen zuwenig Zeit hatten, die Änderungen zu bewältigen und zu verkraften, vor allem aber auch deswegen, weil die davon betroffenen Menschen aus Gewohnheit, aber auch bedingt durch ihre Umgebung und vor allem durch ihre Erziehung diese Änderungsprozesse nicht so rasch nachvollziehen und daher diese raschen Umwälzungen nicht mittragen konnten. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Wenn nun die mittel- und osteuropäischen Staaten nach dem Westen drängen und in alle Institutionen aufgenommen werden wollen – im Europarat sind nahezu alle bereits Mitglieder –, so hängt das in bezug auf die Europäische Union und die NATO auch mit wirtschaftlichen Interessen und dem Wunsch nach Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und des Lebensstandards zusammen. Andererseits besteht von seiten der Russischen Föderation immer noch – bedenken wir die letzten zehn Jahre – eine gewisse Skepsis gegen die Einbeziehung dieser mittel- und osteuropäischen Länder. Bedenken Sie bitte auch – ich ersuche, dieses Beispiel jetzt nur theoretisch zu verstehen –, wie die USA reagiert hätten, wenn sich Mexiko dem Warschauer Pakt angenähert hätte. Da wäre die seinerzeit proklamierte Monroe-Doktrin sofort auf die


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Fahnen geheftet worden. – Ich wollte das nur symbolhaft erwähnen, um zu zeigen, daß man auch Verständnis für die bisher bestehenden Strukturen haben sollte.

Daher glaube ich, daß die "Partnerschaft für den Frieden" ein gangbarer Weg sein kann, unter Miteinbeziehung betroffener Staaten ein Sicherheitssystem zu schaffen, das der Sicherheit aller Beteiligten dient, weil sie sich einbezogen fühlen, weil sie mitwirken können und weil sie sich selbst nicht bedroht fühlen. In diesem Sinne begrüße ich die "Partnerschaft für den Frieden" und die Tatsache, daß Österreich als 25. Land Mitglied geworden ist und an den Aktionen der "Partnerschaft für den Frieden" kooperativ mitwirkt. Ich stimme daher den auf Seite 11 dieses Berichtes in fünf Spiegelstrichen ausgedrückten Folgerungen zu, die ich hier nicht mehr wörtlich zitieren, sondern nur mehr stichwortartig erwähnen will: Katastrophenhilfe, Umweltschutz im Inneren wie im internationalen Bereich, Aufgaben der Bewältigung und Steuerung von Migrationsströmungen, Kontrolle der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, das gesamte Einsatzspektrum des Peace-keepings, die Abwehr staatsgefährdender Bedrohungen und der Schutz unserer Grenzen.

Sie führen aber auch wörtlich aus – ich zitiere –: Ausgelöst durch diese Szenarien und durch diese bedingt, haben sich auch die Prioritäten im Bedrohungsbild verschoben, aber eben nur die Prioritäten. Es bleibt die gesamte Bedrohungspalette, mit Ausnahme des atomaren Großkonflikts – das hoffen wir alle sehr –, weiterhin bestehen. – Ende des Zitates aus dem Bericht.

Wenn diese Bedrohungspalette weiterhin bestehenbleibt, muß es wohl auch feindselige Gegnerschaften geben, zwischen denen auch die Neutralität ihren Wert hat. Ich meine damit nicht die Trittbrettfahrermentalität, die einen persönlichen Vorteil verspricht, sondern ich verstehe darunter eine Friedenshaltung, die ernstzunehmen ist, weil davon garantiert keine Aggression und keine Gewalt ausgehen.

Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute so viel von Globalisierung und meinen damit die wirtschaftliche Entwicklung. Wo sprechen wir von einer Globalisierung der Menschlichkeit, der Friedenserhaltung, der Abrüstung, der Konzentration auf die von der Menschheit zu lösenden Grundprobleme: der Ernährung, der Umweltfrage und der sozialen Ungleichheiten? (Beifall bei der SPÖ.) – Sprechen wir auch diese notwendige Globalisierung neben jener der Wirtschaft an.

Wenn es diese Bedrohungen nicht mehr gäbe, wäre wohl auch die NATO nicht mehr notwendig. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, daß ich kein Gegner der USA-dominierten NATO bin und natürlich auch nicht der USA. Ganz im Gegenteil. Aber positive Seiten in der NATO und in den USA zu sehen, muß nicht unbedingt bedeuten, sofort Mitglied zu werden. Mir ist noch immer die Aussage des FPÖ-Bundesrates Dr. Rockenschaub in Erinnerung, der fragte, was denn geschehen würde, wenn Österreich von NATO-Ländern umzingelt wäre. Und dahin gingen auch die Ausführungen des Herrn Bundesrates Dr. Bösch, der meinte, daß ohnehin bald alle Länder, die Österreich umgeben, NATO-Mitglieder seien, daß aber auf der anderen Seite, wenn etwa zehn Jahre vergehen, alle neuen Demokratien oft Probleme haben und neue Gefahren von diesen Nachbarländern ausgehen.

Die FPÖ beruft sich in ihrer Argumentation auf Maastricht. Sie haben aus dem Maastricht-Vertrag zitiert. Es wundert mich, daß Sie diesen Vertrag, den Sie eigentlich gar nicht anerkennen wollen und gegen den Sie immer angetreten sind, jetzt zitieren, weil Ihnen Stellen daraus, die aber interpretierbar sind, opportun erscheinen. – Ich möchte entschieden einer Aussage entgegentreten, die hier gemacht wurde, nämlich daß Österreich ein Mitglied dritter Klasse in diesem Konzert der europäischen Völker sei. Österreich ist kein Mitglied dritter Klasse, sondern erster Klasse, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Tremmel: Leider hilft da das Klatschen auch nicht!)

Meine Antwort darauf ist, es dürfte eigentlich für Österreich nichts zu befürchten sein. Da die NATO ein militärisches Verteidigungsbündnis ist, wird sie uns wohl nicht angreifen und wir wohl auch die NATO nicht. Man muß nicht immer die Schweiz als Vorbild nehmen, aber in den Aussagen hoher Militärs und Politiker der Schweiz heißt es einhellig auf alle Fragen und auf jedes Drängen von NATO-Vertretern: Die Schweiz hat eine Verfassung, nach der wir uns zu


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richten haben. Diese Verfassung kann nur durch die Mehrheit bei einer Volksabstimmung und durch Beschlüsse der Mehrheit der Kantone geändert werden. Diese Meinung vertreten die Schweizer derzeit übereinstimmend im Ausland. Ich glaube, daran sollten sich auch unsere österreichischen Politiker halten, die im Ausland ihre persönliche Meinung vertreten.

Natürlich darf jeder seine persönliche Meinung haben, damit das sofort klargestellt ist. Aber auch Sie, Herr Bundesminister Dr. Fasslabend, haben hierüber bereits mehrmals Aussagen im Ausland gemacht. Ich zitiere hiezu die Aussage eines österreichischen Generals beim Rose-Roth-Seminar für NATO-Parlamentarier 1996 in Genf, die lautete: Vor einem Monat erklärte Verteidigungsminister Dr. Fasslabend in einem Interview für "Jane’s Defence Weekly" – ich zitiere den englischen Text –: "Austria’s neutrality was a product of the Cold War and has lost its function with the end of the bipolar confrontation. Today neutrality provides neither security nor stability. Although neutrality remains a constituent part of Austrian identity for a considerable part of our population, opinion polls show that the perception of its importance is dwindling fast." – Ende des Zitats.

Auf deutsch heißt das: Die Neutralität ist überflüssig, wartet noch ein bißchen, bis wir auch die Österreicher und Österreicherinnen herumbekommen haben.

Herr Minister! Ich bitte Sie eindringlich, diese Ihre Äußerungen noch einmal zu überdenken, muß dem aber gleich hinzufügen, daß ich froh bin über die letzte Entwicklung innerhalb der Koalition, da man versucht, sich gegenseitig zu verstehen, und übereingekommen ist, Vorgangsweisen zu diskutieren, wie zum Beispiel in bezug auf den Optionenbericht, und die Zeit für alle weiteren Entwicklungen, wie immer sie kommen mögen, reifen zu lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt wäre hier noch richtigzustellen; ich nehme dabei auch auf die Rede von Bundesrat Dr. Liechtenstein Bezug. Herr Bundesrat! Du hast gesagt, wir bräuchten mehr Mittel. Das kann man ohne weiteres befürworten. Man bräuchte in allen Bereichen mehr Mittel. Nur: Wir kaufen jetzt Panzer, die nicht mehr die neuesten sind. Aber wir müssen uns auch die Frage stellen, woher wir die Mittel dafür nehmen. Sind im Budget Mittel dafür vorgesehen, oder nehmen wir Kredite auf? Wie schaut es damit aus? – Ich bitte Sie, uns das auch zu sagen. Denn in Zeiten des Sparens, der "Sparpakete" – unter Anführungszeichen –, der Pensionsreform und so weiter ist das eine wichtige Frage. Es ist es leicht, eine Forderung – eine zugegebenermaßen wichtige Forderung; ich streite gar nicht ab, daß man beim Heer mehr finanzielle Mittel bräuchte – zu erheben, aber dann müssen wir, gerade wir Parlamentarier, vor allem der Nationalrat, der das Budget beschließt, auch sagen, woher wir diese finanziellen Mittel nehmen.

Meine Damen und Herren! Der NATO-Beitritt und die Anpassung der Waffensysteme kosten Geld. Dies betrifft nicht nur die eigenen Kosten, sondern auch NATO-Beiträge für die Unterstützung anderer mittel- und osteuropäischer Länder, weil diese die Mittel nicht selbst aufbringen können. Wer das nicht glaubt, der braucht nur das Papier des Congressional Budget Office "The Costs of Expanding the NATO Alliance" vom März 1996 zu lesen, in dem die Kosten dafür in aufgegliederter Form angegeben werden. Laut diesem Papier werden die Kosten bis zum Jahr 2010 von 61 Milliarden Dollar auf 125 Milliarden Dollar steigen. Die USA werden davon 5 bis 19 Milliarden Dollar tragen, den übergroßen Rest die alten und die neuen NATO-Mitgliedstaaten. Ich frage mich, wo die neuen NATO-Mitgliedstaaten diese Mittel hernehmen werden?

Wer macht das Geschäft? Wer erhält die üblichen im Waffengeschäft vorhandenen Provisionen? Und wer überprüft die versprochenen Kompensationsgeschäfte?

Wir werden zu vertreten haben, ob wir die sparsam zu verwaltenden Mittel für Waffenkäufe und Umrüstung oder für beschäftigungssichernde und soziale Maßnahmen verwenden.

Mit den im Bericht angeführten Aufgaben stimme ich grundsätzlich überein. Über die Tauglichkeit, etwa 82 Prozent, und Untauglichkeit, 11 Prozent, plus 6 Prozent vorübergehend, wird auf den Seiten 25 und 26 berichtet und festgestellt, daß die Entwicklung konstant bleibt.

In diesem Zusammenhang muß ich feststellen, daß auffallend viele Personen aus der Politik – aus verschiedenen Parteien und nahestehenden Bereichen – als untauglich klassifiziert wurden


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oder aus anderen Gründen den Präsenzdienst nicht abgelegt haben. Das sind in den meisten Fällen jene, die in lockerer Weise davon reden, österreichische Soldaten zu Einsätzen zu entsenden, während sie selbst sicher zu Hause bleiben.

Ich setze mich auch da für das Prinzip der zweifachen Freiwilligkeit ein – ich glaube, dieses ist anerkannt –: erstens die Freiwilligkeit Österreichs, Soldaten zur Friedenssicherung und dergleichen zu entsenden, und zweitens die Freiwilligkeit österreichischer Soldaten, an einem solchen Einsatz teilzunehmen.

Ich wurde, ebenso wie Herr Bundesrat Mag. Tusek, Major der Miliz, zur Wahlbeobachtung nach Albanien entsandt. Ich kann über die in Tirana stationierte Einheit sehr Positives berichten: Die Truppe in der Stärke von etwa 120 Mann war vorbildlich organisiert, vom Kommandanten angefangen bis hin zu den Offizieren und Unteroffizieren, ja Trägern aller Dienstgrade. Es waren eine sehr positive Haltung und ein ausgezeichnetes Miteinander zu erkennen. Der Einsatz erfolgte pausenlos, rund um die Uhr, und bestand neben der notwendigen Versorgung und Kommunikation in der Sicherung der Bewachung wichtiger Stützpunkte und der Aufrechterhaltung der notwendigen Transporte.

Der Einsatz war zwar nicht kriegsmäßig – Gott sei Dank! –, aber dennoch nicht ungefährlich, weil andauernd von irgendwem irgendwo geschossen wurde, Tag und Nacht. Das Übermaß an unkontrollierten Waffen, teilweise im Besitz nicht zurechnungsfähiger Gruppen, hätte zu gefährlichen Zufallssituationen und zu absichtlich oder unabsichtlich zugefügten Verletzungen mit sogar tödlichem Ausgang – siehe den Zwischenfall am Golan! – führen können.

Die österreichische Einheit in Tirana war darauf bestens vorbereitet und übte ihren Dienst gewissenhaft und einsatzbereit aus; das sollte man auch deutlich sagen. Das trifft aber auch auf andere Teile des Bundesheeres zu. Das sollte nur ein Beispiel gewesen sein.

Allerdings mußten wir auch erfahren – ich nenne nur ein Beispiel und hoffe, daß das keine negativen Auswirkungen hat –, daß in einem Puch-Haflinger der Empfang des Funkgerätes gut funktionierte und in einem anderen das Senden in gewisse Bereiche. Es mußten also zwei zusammengespannt werden, um beides zu erreichen. Das wollte ich nur als kleines Beispiel anführen. Das berührt nur die Betroffenen, die damit arbeiten müssen.

Aber im großen und ganzen war dieser Einsatz vorbildlich. Die österreichische Truppe war bei den Albanern sehr geschätzt und beliebt und hat Sicherheit vermittelt. An diesem Beispiel hat Österreich bewiesen, daß es eine vorbildliche Leistung in Krisengebieten erbringen kann.

Ich verstehe auch in diesem Zusammenhang die Freiheitliche Partei nicht, die, wie wir heute wieder gehört haben, dafür plädieren, der NATO beizutreten. Herr Minister! Sie haben in dieser Hinsicht die beste Unterstützung von den Freiheitlichen. Aber als geplant war, österreichische Truppen nach Albanien zu entsenden, hat Bundesobmann Dr. Haider sofort davor gewarnt und gemeint, es könnte etwas passieren. Dabei war das beileibe nicht der härteste und gefährlichste Einsatz, den man sich vorstellen kann. Es könnten noch viel ärgere erfolgen, wenn wir einmal Mitglied der NATO sind. Ich verstehe das nicht (Bundesrat Dr. Tremmel: Das würde mich wundern!) : Einerseits sind Sie für die NATO-Mitgliedschaft Österreichs, andererseits sind Sie gegen Auslandseinsätze des österreichischen Bundesheeres! (Bundesrat Dr. Tremmel: ... keine Ausstattung!)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich bezugnehmend auf meinen Vorredner Dr. Liechtenstein sagen, daß ich gegen Frauen als Soldatinnen bin. (Bundesrätin Crepaz: Bravo!) Ich vertrete diese Meinung nicht wegen der Gleichberechtigung – ich meine, daß man Gleichberechtigung zuerst auf anderen Gebieten ermöglichen soll; es kommt ohnehin, es gibt in anderen Armeen schon Soldatinnen –, sondern weil ich froh darüber wäre, daß gewisse Gruppen unserer Gesellschaft, in diesem Fall die Frauen, nicht zu jenem Dienst, den wir eigentlich weltweit am liebsten abschaffen würden, wenn es möglich wäre, eingezogen würden. Da gibt es nun eine Gruppe, die laut unseren Gesetzen derzeit nicht zum Bundesheer gehen kann – ich bin für Gleichberechtigung –, aber diese will man jetzt einschließen und damit ermöglichen, daß es auch Soldatinnen gibt.


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Gott sei Dank gibt es auch international Bestrebungen, die Zahl der Soldaten insgesamt zu verringern. Das tun nicht nur die USA, oder sie haben es schon getan, sondern auch China muß das tun. Wahrscheinlich sind auch wirtschaftliche Interessen damit verbunden. Allerdings ist das Potential an Menschen und an Waffen, bis hin zu den allergefährlichsten Atomwaffen, leider noch in großem Maße vorhanden.

Ich weiß schon, daß wir Österreicher dieses Problem nicht lösen werden, aber ich glaube kaum, daß ein großes Land den ersten Schritt zu wesentlichen Abrüstungen machen kann, obwohl ich sagen muß, daß die Abrüstungsverhandlungen, auch die Verhandlungen betreffend den Atomteststopp, in den letzten Jahren Erfolge gezeitigt haben.

Ich stimme diesem Bericht in vielen Teilen der Folgerungen zu, wenn auch so mancher Punkt noch im einzelnen zu diskutieren wäre.

Der Bericht schließt mit dem fettgedruckten Satz – ich zitiere –: "Die angestrebte Vorgangsweise hat das Ziel einer Effizienzoptimierung bei geringen Ressourcen und sichert die Option, auf Entwicklungen im europäischem Raum weiterhin angemessen und zeitgerecht reagieren zu können." – Ende des Zitates.

Ich weiß, daß auch da viel Interpretation enthalten ist, versuchen wir aber, diesen Satz in seinem Sinne zu verwirklichen!

Ich stimme dieser Aussage zu, fürchte aber, daß diesem Inhalt nicht alle in seinem Sinne zustimmen. Es wird in Österreich unter den Bürgern, vor allem unter den gewählten Abgeordneten, die Diskussion geben, in der Zukunft einen Weg zu gehen, der wirklich in die friedliche Richtung weist. Das wollen wir alle; das muß ich unterstreichen.

Ich glaube und hoffe sehr, daß der Charakter des Militärs, auch ausgewiesen durch die früheren Kriegsministerien bis hin zu den heutigen Verteidigungsministerien, in der Zukunft im Schutz, in der Verteidigung und in der Hilfestellung schwerpunktmäßig liegt. In diesem Sinne werden wir von der SPÖ-Fraktion den Bericht zur Kenntnis nehmen und ihm zustimmen.

Ich darf abschließend – ich bitte dafür um Verständnis – zwei Sätze zu einer Angelegenheit, die das Bundesheer betrifft und die nicht nur im heurigen Jahr, sondern auch in den Jahren davor Probleme verursachte, sagen. Es gibt eine Aktion der Gemeinden des Salzkammergutes, der Tourismusvereine und Bürgermeister, in deren Rahmen sich diese im August und September dieses Jahres stark über den Lärm bei Übungsflügen unserer Militärflugzeuge beklagt haben. Ich habe diesen Lärm auch gehört, habe aber keinerlei Initiative ergriffen, denn sonst hätte es wieder geheißen, irgendein Abgeordneter sieht nicht ein, daß das Bundesheer den Einsatz dieser Maschinen üben muß.

Da aber diese Initiative gestartet wurde, möchte ich diesen Fall kurz in meiner Rede hier vorbringen und bitten, Aufklärung zu geben und zu versuchen, gewisse Dinge, die sich tatsächlich störend auswirken, zu beheben.

Ein zweiter Punkt: Vor wenigen Tagen gab es den Unfall durch einen alkoholisierten Unteroffizier, der einem anderen die Pistole angesetzt hat. Man sollte auch solche Beispiele nicht verallgemeinern und sagen, Alkoholismus sei im Bundesheer gang und gäbe. Wir alle wissen, wie es ist. Ich bin ohnehin gegen jeglichen Alkoholkonsum, aber meiner Meinung nach gibt es auch dort zwei verschiedene Schienen: Als erste Gruppe gibt es die Präsenzdiener, die Ausgang haben und etwas zuviel trinken, sie können sich noch gar nicht im Griff haben. Die zweite Gruppe sind jene, die als Stamm- und Kaderpersonal beim Bundesheer sind und sich an die vorhandenen Dienstvorschriften halten sollten. Denn gerade solche Fälle haben nach außen hin eine negative Auswirkung, was wir im Interesse unserer Landesverteidigung und des Bundesheeres nicht wollen. Ich bitte, aufgrund dieses Anlasses dafür Sorge zu tragen, daß diese Dienstvorschriften strenger eingehalten werden.


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Abschließend auch ein Wort zum Antrag der FPÖ: Wir werden diesem Antrag aus Gründen, die ich in meiner Rede schon dargelegt habe, nicht zustimmen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

11.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Fasslabend. Ich erteile es ihm.

11.23

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in meinen Ausführungen zum vorliegenden Situationsbericht, auch zu den damit verknüpften sicherheitspolitischen Fragestellungen und gleichzeitig auch zum Entschließungsantrag der Freiheitlichen Partei Stellung nehmen.

Zum vorliegenden Situationsbericht: Er zeigt in einer nicht zu überlangen Fassung die wesentlichen Inhalte der Aktivitäten im österreichischen Heer in den letzten Jahren auf. Ich glaube, daß wir ohne Übertreibung, aber mit Stolz sagen können, daß es auf allen Ebenen – auf dem Gebiet der Verwaltungsreform, auf dem Gebiet der Organisationserneuerung, auf dem Gebiet der Erneuerung des Einsatzkonzeptes, auf dem Gebiet der Ausbildung und auf dem Gebiet der Ausrüstung – gelungen ist, maßgebliche Veränderungen herbeizuführen und neue Maßstäbe zu setzen.

Ich möchte das mit einigen wenigen Beispielen dokumentieren. Es ist selbstverständlich für uns eine vordringliche Frage gewesen, daß wir nach dem Ende des kalten Krieges ein neues Einsatzkonzept erarbeiten und auch beschließen. Die Heeresorganisation-Neu ist bereits auf der Grundlage dieses Konzepts erstellt worden. Der wesentliche Inhalt ist, daß es kein raumbezogenes Konzept mehr ist – das Konzept der Raumverteidigung hat seine Funktion mit dem Ende des kalten Krieges verloren –, es ist ein mobiles grenznahes Verteidigungsdispositiv in den Mittelpunkt gestellt worden. Das ist ein Ansatzpunkt, der bereits in die Zukunft weist. Ich werde darauf später noch ganz kurz eingehen.

Es hat sich gezeigt, daß wir damit als erster europäischer Staat auf die neue geostrategische Situation reagiert haben und daß auch die Grundtendenz und die Annahmen, die wir damals getroffen haben, eigentlich vollinhaltlich bestätigt wurden, auch wenn es am Anfang da oder dort, selbst in den eigenen Reihen, Unverständnis dafür gegeben hat, und daß selbst die internationale Entwicklung voll und ganz in diese Richtung gegangen ist.

Ich habe mich auch nicht gescheut – als erster in der Bundesregierung –, zu einem Zeitpunkt, als das noch nicht so modern war, nämlich bereits 1991, einen Aufnahmestopp zu verfügen. Ich habe seit diesem Zeitpunkt eine erkleckliche Anzahl von Verwaltungsplanstellen abgebaut – unter dem Gesichtspunkt, daß selbstverständlich Kostenkontrolle und Kosteneffizienz notwendig sind und daß insbesondere der administrative Teil einer ständigen Überprüfung – auch im öffentlichen Dienst – bedarf.

Wir haben uns mit der HG-Neu ein Konzept gegeben, das auf die Zeit nach dem kalten Krieg ausgerichtet ist, und haben damit auch die Möglichkeit geschaffen, daß fast die Hälfte der Zahl der Regimentskommanden gekürzt werden konnte und daß insgesamt das Heer ein kompakteres, ein in sich geschlosseneres geworden ist – besonders unter dem Gesichtspunkt, daß wir nicht mehr zwei Armeen, nämlich eine Ausbildungsarmee und eine Einsatzarmee, besitzen, sondern daß im wesentlichen eine Einheit zwischen Ausbildung und Einsatz vorhanden ist.

Es ist damit sicher auch eine Qualitätssteigerung erreicht worden, die in den verschiedenen Erfolgen bei den Einsätzen und bei den Übungen auf nationaler und auch auf internationaler Ebene sehr klar zum Ausdruck kommt.

Wir sind darüber hinaus ganz neue Wege in der Ausbildung gegangen. Wir haben zunächst einmal den Schwerpunkt auf die Unteroffiziersausbildung gesetzt. Wir haben die Heeresunteroffiziersschule umgestellt, das gesamte Unteroffiziersausbildungssystem umgestellt, haben aus der Heeresunteroffiziersschule eine Heeresunteroffiziersakademie gebildet, die heute einheitlich


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für ganz Österreich die Unteroffiziersausbildung duchführt, und zwar mit so guter Qualität, daß es immer mehr internationales Interesse aus NATO-Staaten und aus Staaten Ost- und Mitteleuropas gibt, unsere Modelle nachzuvollziehen. Wir können heute mit Stolz sagen, daß wir wahrscheinlich über das modernste, beste und fortgeschrittenste Unteroffiziersausbildungskonzept verfügen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben gleichzeitig auch die Offiziersausbildung auf neue Beine gestellt. Wir haben rechtzeitig mit einer Umstrukturierung begonnen, mit einem Vorbereitungssemester und auch mit einer Lehrplanumgestaltung, bei der wir insbesondere die pädagogischen Ausbildungsinhalte ebenso wie in der Unteroffiziersausbildung ganz enorm verstärkt haben. Das Ergebnis, das auch institutionell bestätigt wurde, ist Ihnen bekannt, und es hat mich mit großer Freude erfüllt, daß wir im Sommer dieses Jahres die Bestätigung auch dadurch erhalten haben, daß die Maria Theresianische Militärakademie – übrigens die älteste Militärakademie der Welt – den Fachhochschulstatus erhalten hat, als Anerkennung als Lehrgang, und daß die zukünftigen Offiziere auch als Magister abschließen werden.

Das ist nicht nur insoferne von großer Bedeutung, als es eine Einordnung in das österreichische Bildungssystem bedeutet, sondern auch deshalb, weil damit auch internationale Vergleichbarkeit gegeben ist und weil es gleichzeitig auch darauf hinweist, daß es sich dabei nicht um eine isolierte Ausbildung handelt, sondern um eine Ausbildung, die im Bedarfsfall über den engeren militärischen Bereich hinausgehen soll.

Wir können sagen, daß uns die bisherige Entwicklung in der Offiziersausbildung auch allen Anlaß gibt, sehr positiv in die Zukunft zu blicken und erwarten zu können, daß wir weitere Qualitätssteigerungen, wie sie auch in der modernen Ausbildungs- und Einsatzsituation notwendig und erforderlich sind, erreichen werden.

Wir haben in den letzten Jahren im Bereich der Ausbildung wahrscheinlich das wichtigste Beschaffungsprogramm, das jemals im österreichischen Bundesheer vollzogen wurde, durchgeführt. Es hat mit der Ausstattung auf dem Lenkwaffensektor begonnen. Wir waren in der Vergangenheit aufgrund staatsvertraglicher Bestimmungen oder diesbezüglicher Interpretationen daran gehindert, über Derartiges zu verfügen. Wir haben mit der Anschaffung von Panzerabwehrlenkwaffen, Boden-Luft-Abwehrlenkwaffen und auch Luft-Luft-Abwehrlenkwaffen zweifellos den rüstungspolitisch wichtigsten Fortschritt der letzten Jahrzehnte erzielen können. Wir haben aber gleichzeitig, parallel dazu, auch die Feuerkraft des österreichischen Bundesheeres gesteigert. Durch die Anschaffung von zusätzlichen M 109 Artilleriekanonen waren wir in der Lage, die Feuerkraft des österreichischen Bundesheeres auf dem Artilleriesektor mehr als zu vervierfachen und damit den höchsten jemals erreichten Standard zu erzielen.

Wir haben im letzten Jahr durch den Beschluß des sogenannten Mech-Paketes auch im Kernbereich der österreichischen Armee, nämlich bei den mechanisierten Truppen, den wichtigsten Modernisierungsschritt durchgeführt. Durch die Anschaffung des Leopard und des Jaguar, die sich gerade im Zulauf befinden, haben wir auch in diesem Bereich die modernste Technologie und den bestmöglichen Ausbildungsstandard für die Zukunft, der eben auch durch die Anschaffung des Pandur beziehungsweise eines neuen Kampfschützenpanzers mit dem Namen Ulan in der nächsten Zukunft noch vervollständigt wird. Mit dem Pandur haben wir bereits erste Erfahrungen, weil 58 Stück aus der Erstbestellung schon vorhanden sind. Da geht es um die Erweiterung des bisherigen Programmes, während es beim Ulan um die Neubeschaffung eines Kampfschützenpanzers geht, der zweifellos große Priorität hat.

Darauf, daß beide Produkte auch österreichische Wertschöpfung bedeuten und damit auch wirtschaftlich einen sehr hohen Stellenwert haben, habe ich bereits wiederholt hingewiesen. Es war für mich sehr erfreulich, daß der Umstand, daß wir in diesen Bestellvorgang – etwa beim Pandur – eingestiegen sind, ein österreichisches Unternehmen in die Lage versetzt hat, Exportaufträge aus anderen Ländern zu erhalten, und daß damit auch NATO-Länder, wie etwa Belgien, aber auch außereuropäische Länder bereits mit österreichischen Produkten in diese Beschaffungsvorgänge eingestiegen sind. Wir können sagen, daß wir damit auch hinsichtlich der Stei


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gerung der österreichischen Wirtschaftskraft zweifellos eine wichtige Initiativ- und Auslösefunktion erfüllt haben.

Selbstverständlich haben wir auf diesem Sektor auch noch einen weiteren Modernisierungsbedarf, der insbesondere den gesamten Luftbereich umfaßt, einen Bereich, der in der Militärtaktik einen immer höheren Stellenwert erhält und auch die Voraussetzung für ein entsprechendes Operieren am Boden darstellt. Das wird sicherlich eine der zentralen Aufgabenstellungen der näheren Zukunft sein.

Das, was sich für uns jetzt ergibt, ist, daß aufgrund der weiteren Veränderung der geostrategischen Situation einerseits neue Maßnahmen zu treffen, neue Zielsetzungen zu entwickeln und andererseits auch entsprechende Schritte zu setzen sind. Es ist heute bereits darauf hingewiesen worden, daß das selbstverständlich auch einer Weiterentwicklung unseres Einsatzkonzeptes bedarf. Man muß aber dazu sagen: Wenn vor zehn Jahren die Raumverteidigung Kern unseres Einsatzkonzeptes war, das heißt, die Begrenzung auf bestimmte begrenzte Räume innerhalb Österreichs zur Sicherstellung der Souveränität und der Sicherheit des Landes, dann war dies eben im Zuge der HG-Neu die Situation, für die wir ein grenznahes Verteidigungsdispositiv aufgebaut haben, weil uns die Beendigung des kalten Krieges diese Möglichkeit geboten hat.

Wir haben jetzt, in der Ära nach dem kalten Krieg, die von meiner Warte aus ab dem heurigen Jahr anzusetzen ist, einen weiteren Entwicklungsschritt vor uns, der in die Richtung geht, daß die Sicherheit des Landes, die Stabilität Österreichs und sämtlicher Funktionen beziehungsweise auch der größtmögliche Schutz für die Bevölkerung im wesentlichen aus einer Situation entsteht, in der die Sicherheitshandlung bereits vor der Grenze beginnt, und zwar im Sinne eines internationalen Engagements und einer präventiven Sicherheitspolitik als Grundlage einer höchstmöglichen Sicherheit für unser Land.

Das ist auch die Zeit, in der sich selbstverständlich auch die Frage stellt, welchen sicherheitspolitischen Weg Österreich geht. Ich habe nie einen Zweifel über meine diesbezügliche Meinung und Absicht gelassen. Auch wenn es einmal einen Zeitungsartikel gibt, der vielleicht mißverständlich sein könnte, so wie das heute in einer Tageszeitung der Fall ist, so kann ich nur eines dazu sagen: Selbstverständlich ist der NATO-Beitritt aus meiner persönlichen Sicht nicht nur notwendig. Und wenn ich sage "aus meiner persönlichen Sicht", dann ist dies eine, die auf einer Vielzahl von nationalen und internationalen Expertenmeinungen aufgebaut ist. Sie werden international kaum einen Experten finden, der nicht diese Ansicht vertritt.

Selbstverständlich ist meine Meinung, die Meinung des Verteidigungsministeriums, wie geplant, in den Optionenbericht der Bundesregierung, der durch Bundeskanzleramt, Außenministerium und Verteidigungsministerium erstellt wird, einzubringen, und danach ist ein gesamthafter Bericht zu erstellen, der spätestens mit Ende des ersten Quartals des nächsten Jahres dem Parlament zuzuleiten ist.

Wenn in diesem besagten Zeitungsartikel die Frage aufgetaucht ist, ob es aus meiner Sicht zu einer Veränderung der Terminfrage kommen sollte, dann kann ich das nur mit einem eindeutigen Nein beantworten. Selbstverständlich nicht! Ich habe auf die Frage eines Diskussionsteilnehmers, welche Möglichkeiten es gibt, einen NATO-Beitritt möglichst aus dem Nationalratswahlkampf herauszuhalten, sinngemäß geantwortet: Es gibt zwei Möglichkeiten, entweder eine ganz klare, direkte Entscheidung in einem entsprechenden zeitlichen Abstand davor, das heißt im ersten Halbjahr des nächsten Jahres, oder – das wäre die zweite theoretische Möglichkeit – danach. Ich habe keine Sekunde lang einen Zweifel darüber gelassen, daß für mich nur die erste Variante in Frage kommt. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Dr. Tremmel. )

Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, daß meiner Ansicht nach eine grundlegende Weichenstellung im nächsten Jahr erforderlich ist, weil wir sonst zweifellos Gefahr laufen, daß bestimmte Entwicklungen in Europa nicht nur auftreten, sondern auch bereits soweit institutionalisiert werden, daß daraus Nachteile für uns entstehen können.


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Ich habe mich dabei auch auf ein ganz bestimmtes Beispiel bezogen. Wir sind heute in der Situation, daß die NATO bereits Vorbereitungshandlungen trifft, um ihre eigene Organisationsstruktur für die Zukunft zu verändern, nämlich in der Form, daß es in Zukunft nur mehr ein Großkommando Nord und ein Kommando Süd geben wird. Ich meine, daß die Frage der Vollmitgliedschaft von Ungarn und die Zuordnung dieses Staates auch für unsere Position bereits vorentscheidend sein kann, weil die Anbindung dieses Landes an das Kommando Nord oder an das Kommando Süd selbstverständlich auch Rückwirkungen auf die künftige Gestaltung der Sicherheitspolitik auf dem Balkan und in Mitteleuropa haben wird.

Was bedeutet das ganz konkret? – Es bedeutet auf der einen Seite, daß die Sicherheitspolitik und die Sicherheitsfunktion für Mitteleuropa im wesentlichen auf europäischer Seite von der Staatengruppe Großbritannien, Holland, Belgien, Luxemburg, Deutschland und Dänemark durchgeführt wird, und auf der anderen Seite, wenn es um den Bereich Süd geht, heißt es, daß Portugal, Spanien, Italien und Griechenland dieser Gruppe angehören werden. Insofern ist natürlich auch diese Frage sowohl hinsichtlich der Orientierung dieser Staatengruppe, was die Sicherheitsprobleme anlangt, als auch von der Effizienz her gesehen, aus unserer Sicht möglichst rechtzeitig zu beantworten; und zwar so rechtzeitig, daß wir in unserem eigenen Interesse möglichst auch noch einen Einfluß auf diese Fragestellung nehmen können.

Es kann uns nicht egal sein, wer um uns herum effektiv die Sicherheitspolitik macht, wer sie organisiert, wer sie durchführt und wer im Eventualfall dann auch die entsprechende Sicherheitsleistung zu erfüllen hat. Dies ist keine Fragestellung, die man vorschnell in der einen oder anderen Richtung, so oder so beantworten soll. Aber wir müssen uns damit auseinandersetzen, und unsere Erklärung, die Klarstellung über unseren Weg wird mitentscheidend dafür sein, in welche Richtung die eine oder andere Entwicklung geht. Sonst riskieren wir einfach, daß wichtige sicherheitspolitische Entscheidungen ohne uns getroffen werden!

Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, daß das eine Frage ist, die uns in den nächsten Jahren in einem Einzelfall wahrscheinlich keine besonders großen Schwierigkeiten machen wird. Aber es beginnt jetzt zweifellos eine ganz wichtige Entscheidungsphase, die auf europäischer Ebene entweder mit uns oder ohne uns erfolgen kann und wird. Das ist die Konsequenz daraus.

Daß sich daraus ganz konkrete und praktische Konsequenzen ergeben, darauf habe ich in diesem Hause und in diesem Saal bereits Bezug genommen. Denken Sie nur etwa daran, daß wir in wenigen Wochen die Räume, die wir derzeit im NATO-Hauptquartier einnehmen, wahrscheinlich räumen werden müssen, um Platz für die neuen Mitglieder Tschechien, Ungarn und Polen zu machen. Wir werden dann nicht mehr die Möglichkeit haben, im Hauptgebäude mitdabeizusein, und werden damit auch aus dem internen Kommunikationsfluß und damit von der Möglichkeit, frühzeitig auch informelle Informationen zu bekommen, ausgeschlossen sein. Das heißt, das hat auch eine ganz praktische Bedeutung.

Ich möchte jetzt gar nicht auf bestimmte Details eingehen. Es muß uns nur bewußt sein, daß wir diese Zielsetzung nicht nur klar verfolgen müssen, sondern daß wir uns auch rechtzeitig dazu durchringen müssen, klare Entscheidungen zu treffen. Der Zeitpunkt für eine klare Weichenstellung ist und bleibt für mich das erste Halbjahr des nächsten Jahres.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß Sicherheit selbstverständlich nicht nur im militärischen Bereich entsteht und nicht nur durch den militärischen Bereich gegeben ist. Ich persönlich bin nicht nur zutiefst davon überzeugt, daß das selbstverständlich etwas Komplexeres ist, sondern möchte auch ganz klar zum Ausdruck bringen, daß ich es absurd finde, wenn wir einerseits unsere Integrationsschritte, die wir auf fast allen Ebenen unternehmen, immer damit begründen, daß das auch ein Beitrag zur Sicherheit und zur Stabilität unseres Landes ist, aber andererseits verkünden, daß wir uns am entscheidenden und zentralen Sicherheits- und Stabilitätsbereich nicht beteiligen sollten. Das wäre für mich absurd! (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall der Bundesräte Dr. Bösch und Dr. Tremmel. )

Es macht mit Sicherheit keinen Sinn, Mitglied der Politischen Union Europas, Mitglied der Wirtschaftsunion, Mitglied der Währungsunion, Mitglied der Union für innere Sicherheit, nämlich


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Schengen, und noch etlicher anderer Unionen und Kooperationsformen zu sein, aber dort, wo es zentral um die äußere Sicherheit geht, nicht mitzutun. Da sehe ich wirklich keinen Sinn dahinter, und ich bitte, das auch in die Beratungen und Überlegungen dieses Gremiums miteinzubeziehen! (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall der Bundesräte Eisl und Dr. Tremmel. )

Ich möchte jetzt nicht auf einzelne Wortmeldungen eingehen, nur dem Erstredner möchte ich sagen: Daß Sie auf "News" gekommen sind, spricht für sich! Sie werden alle 14 Tage einen "netten" Artikel über mich in dieser Zeitschrift lesen. Ich habe dort offensichtlich Stammfans im journalistischen Bereich. (Bundesrat Dr. Bösch: Wir auch! – Heiterkeit.) Damit muß man leben lernen. Von der Qualität her spricht das für sich.

Es ist die Frage aufgetreten, wie sich die Schweiz im sicherheitspolitischen Bereich bewegen wird oder bewegt. Ich möchte auch hier noch einmal zum Ausdruck bringen, wie sehr sich die Sicherheitslandschaft in Europa verändert hat. Wie sehr sich auch der Charakter der NATO – nicht nur für uns und für die Mitglieder – verändert hat, kann man nicht nur aus der Tatsache ablesen, daß ehemalige Mitgliedsländer des Warschauer Paktes der NATO beitreten, sondern auch vielleicht daran ersehen, daß die Schweiz zwar bis heute nicht Mitglied der Vereinten Nationen ist – ich betone: nicht Mitglied der Vereinten Nationen! –, daß sie aber seit wenigen Wochen Mitglied der "NATO-Partnerschaft für den Frieden" ist, und daß damit die NATO in ihrem Grundsatz, in ihrer Zugänglichkeit einen zumindest ebenso hohen Zugangswert besitzt wie die Vereinten Nationen. Das sollte dem einen oder anderen bei seinen Überlegungen doch helfen, die Maßstäbe vielleicht etwas anders zu setzen als bisher.

Ein weiterer Punkt, der mir ganz wichtig erscheint, ist, daß die wichtigste und effizienteste Sicherheitsorganisation dieses Kontinents die NATO ist und dies auf absehbare Zeit zweifellos auch bleiben wird. Die NATO hat sich auch dazu bereit erklärt, daß sie von ihren Mitgliedern als das zentrale Element zur Herausbildung einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität vorgesehen ist und daß das in den Strukturmaßnahmen auch bereits zum Ausdruck kommt. Das heißt, europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist ein Punkt, der für uns von größtem Interesse sein muß.

Ich stimme mit Ihnen überein, daß Europa in dieser Frage in Zukunft selbständiger agieren muß, daß es in der Lage sein muß, mehr Probleme aus eigener Kraft zu bewältigen. Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben, daran müssen wir alle arbeiten! Aber umso wichtiger ist es auch, daß sich europäische Nationen dort beteiligen und dort mitarbeiten, wo diese Sicherheitspolitik gemacht wird und wo die Instrumente bereitgestellt werden. Sonst ist es so, daß wir draußen stehen und reden, aber das Herstellen von europäischer Sicherheitspolitik anderen überlassen. Insoferne glaube ich, daß wir alles daran setzen sollten, um diesen Prozeß, der jetzt auch in der Umstrukturierung der NATO zum Ausdruck kommt, nicht nur von außen her zu stützen, sondern möglichst frühzeitig auch von innen heraus mitbeeinflussen zu können. Es zeigt sich auch, daß überall dort, wo sich Österreich engagiert, durchaus die Chance besteht, entsprechend mitwirken zu können.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch ganz ausdrücklich für das Lob und die Anerkennung danken, die von den Sprechern aller drei Fraktionen für die Soldaten im internationalen Einsatz gekommen sind. Wir haben wirklich allen Grund, sehr zufrieden damit zu sein. Ich habe schon des öfteren ausgeführt: Ich habe im heurigen Jahr so viel Lob über unsere internationalen Einsätze und Übungen bekommen, daß es mir manchmal schon beinahe zu viel war.

Tatsache ist, daß wir höchste Anerkennung genießen, und zwar bei allen Arten von Einsätzen, gleichgültig, ob das der Einsatz in Bosnien ist, ob das der Einsatz in Albanien ist, ob das die klassischen Einsätze auf Zypern und am Golan sind, ob das der Katastropheneinsatz in Polen ist, ob das eine Übung in Amerika, eine Übung in Österreich oder wo auch immer ist. Wir haben gezeigt, daß wir hinsichtlich des Ausbildungsniveaus zweifellos zu den besten Nationen in Europa zählen und daß es uns gelungen ist, mit den anderen mitzuhalten. Das heißt nicht, daß wir bereits ein Stadium erreicht haben, an dem wir nicht mehr weiter arbeiten müssen, sondern wir werden selbstverständlich ganz konzentriert daran weiterarbeiten müssen.


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Zur Frage der Kosten, die auch noch aufgetreten ist, möchte ich noch einmal auch hier in die Debatte einbringen, daß selbstverständlich die wesentlich kostengünstigere Form die Zusammenarbeit auf sicherheitspolitischem und militärischem Feld ist und sein wird. Das zeigt sich am besten daran, daß auch der internationale Vergleich deutliche Indizien in diese Richtung zeigt.

Tatsache ist, daß die neutralen Länder in Europa – die Schweiz, Schweden und Finnland – im Durchschnitt höhere Militärausgaben haben als die NATO-Länder. Das ist eine Tatsache! Daher sollten wir auch nicht jeweils von dem Vergleich eines Landes zu einem anderen ausgehen. Es ist so, daß die Bandbreite der Aufwendungen naturgemäß eine von Land zu Land sehr unterschiedliche ist, weil es auch unterschiedliche Schwerpunkte geben muß. Tatsache ist und bleibt jedoch, daß die gemeinsame Organisation und Gestaltung einer Verteidigung zweifellos kostengünstiger ist, als wenn man alle Aufwendungen und alle Maßnahmen selbst finanzieren und treffen muß – und das üblicherweise auch noch in relativ kleinen Einheiten. Ich meine, das ist eine Frage, die man relativ leicht beantworten kann.

Zweifelsohne ist in Zukunft die Prävention eine Aufgabenstellung von überragender Bedeutung. Das heißt, wir müssen gerade aus den jüngsten Erfahrungen – auf der einen Seite von Ex-Jugoslawien, auf der anderen Seite auch von Albanien – lernen, in der Zukunft mit möglichen und bereits effektiven Krisensituationen richtig umzugehen.

Wir wissen heute, daß es möglich gewesen wäre, den Bosnienkrieg zu verhindern, und zwar mit dem Einsatz eines relativ kleinen internationalen Kontingents. Wir haben auf der anderen Seite gesehen, daß ein relativ kleines internationales Kontingent wie in Italien – mehr oder weniger aus dem Boden gestampft, könnte man fast sagen – eine ganz wichtige Sicherheitsaufgabe geleistet und durchgeführt hat.

Wir sehen auf der anderen Seite gerade auch am Beispiel Albanien, daß es unmöglich ist, bestimmte Sicherheitssituationen mit Sicherheit vorherzusagen. Dort hat es erstmalig in der Geschichte den Kollaps eines Staates, von Staatsautoritäten gegeben, angefangen von der Regierung, über das Parlament, über die Polizeikräfte bis zur Auflösung des Heeres.

Innerhalb von wenigen Stunden, innerhalb von 48 Stunden hat dort ein Staatswesen einen Kollaps erlitten und war nur mit internationaler Hilfe, wozu ich auch das wirklich hervorragende Wirken unseres ehemaligen Bundeskanzlers Vranitzky zähle, in der Lage, innerhalb relativ kurzer Zeit wieder soviel an Stabilität aufzubauen, daß die internationalen Kräfte das Land verlassen konnten. Denken wir nur daran, was passiert wäre, wenn es dort zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen wäre, wie groß unsere Chance wenige Wochen später gewesen wäre. Das muß für uns ein Ansatzpunkt sein, eben auch verstärkte Aktivitäten in diese Richtung zu setzen und diese nicht nur durch eine zufällige Staatengruppe bewerkstelligen zu lassen, sondern selbstverständlich durch gemeinsame europäische Institutionen, die das entsprechend vorgeplant und vorbereitet haben.

Zum Schluß ein paar Bemerkungen zum Entschließungsantrag der Freiheitlichen. Es wäre meiner Ansicht nach nicht sinnvoll, alle Umgliederungen hintanzustellen bis zum effektiven Beitritt Österreichs zur NATO. Wir sind in einem Prozeß der Neugestaltung der Sicherheitssituation begriffen und sollten auch unsere eigene Organisationsform laufend darauf ausrichten. – Das heißt, alles zu unternehmen, was notwendig ist, um die bestmögliche Form für die heutige Sicherheitssituation zu haben, und gleichzeitig auch die wahrscheinliche Situation der Zukunft vorwegzunehmen und selbstverständlich keinen Schritt zu setzen, der einem NATO-Beitritt widersprechen würde, sondern ganz im Gegenteil einen Schritt, der uns hilft, einen NATO-Beitritt auch institutionell noch problemloser, noch leichter, noch schneller und noch effizienter durchführen zu können. Und daran arbeiten wir auch. Das sage ich hier in aller Deutlichkeit, weil es völlig falsch wäre, auf ein bestimmtes Datum zu warten, sondern es sind einfach jederzeit zukunftsorientierte Maßnahmen zu ergreifen.

Ich werde mich selbstverständlich voll und ganz dafür einsetzen, die budgetäre, materielle und personelle Ausstattung des Heeres, insbesonders auch der Miliz, sicherzustellen, denn es kann keinen Zweifel daran geben, daß die Miliz selbst im Falle einer zukünftigen Umstellung auf ein


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anderes Wehrsystem immer einen zentralen Anteil an der österreichischen Landesverteidigung haben wird und haben muß. Insofern kann ich mich voll und ganz mit diesem Punkt identifizieren.

Der dritte Punkt betrifft die turnusmäßig heranstehenden Truppenübungen. Dazu ist zu sagen, daß das Übungsprogramm des nächsten Jahres deutlich geringer sein wird als das dieses Jahres oder des vorangegangenen Jahres. Warum? – Wir haben im heurigen Jahr oder in den letzten zwei Jahren das größte Übungsprogramm der letzten Jahrzehnte absolviert, das dazu dienen sollte, der neuen Heeresorganisation auf Grundlage der HG-Neu auch die übungsmäßigen Möglichkeiten zu bieten. Wir werden das auch in Zukunft im gleichen Ausmaß tun. Allerdings wird das im Jahr 1998 anders erfolgen. Da wird die Anzahl der Übungen reduziert werden, aber nicht aufgrund vermeintlicher Umstände, wie sie immer kolportiert werden, sondern der Hauptgrund dafür liegt zweifellos in der Umstellung der Geräte im zentralen terrestrischen Bereich, nämlich bei der Mech-Truppe. Es würde keinen Sinn machen, Großübungen mit den alten M 60 durchzuführen, wenn die Truppe gerade erst dabei ist, das neue Gerät zu übernehmen, sondern wenn sie das Gerät übernommen hat, wenn sie in der Lage ist, entsprechend zu agieren, dann ist das auch entsprechend zu beüben. Da kann vielleicht bereits die eine oder andere organisatorische Adaption dann zusätzlich noch mitberücksichtigt werden. Das ist die Grundlage, und genauso werden wir auch vorgehen, da es ja nicht nur darum geht, Übungen in einem bestimmten Ausmaß anzusetzen, sondern das den Zweck haben muß, eine möglichst gute Ausbildung auf dem Gerät, das vorhanden ist, zu haben und nicht auf dem Gerät, das abgegeben wird. Das wäre eine verlorene Investition, und das werden wir daher auch nicht durchführen.

Zu dem Erlaß über die Beschränkung der freiwilligen Waffenübungen gibt es einen recht guten Artikel im "Soldaten". Ich zeige ihn hier. Ich bitte, ihn nachzulesen. Es würde zu lange dauern, wenn man darauf eingehen wollte. Der Erlaß ist nicht darauf ausgerichtet, jemanden an der Milizarbeit zu hindern, aber selbstverständlich sind wir unter Kostengesichtspunkten auch dort verpflichtet, einfach die Übungen schwerpunktmäßig vorzusehen oder – so wie es da heißt – nicht mehr als 20 Prozent Überschreitung der für ein Ausbildungsziel erforderlichen Übungen zu haben.

Es kann nicht darum gehen, jedem zu ermöglichen, irgendwelche Übungen zu machen und irgendwelche Kurse zu besuchen, sondern es geht im wesentlichen darum, daß jemand eine möglichst auf seine Funktion bezogene Ausbildung erhält und das natürlich auch in einem vertretbaren finanziellen Rahmen erfolgt. Das heißt, das dient zur Verbesserung der internen Organisation und selbstverständlich auch zu einer Optimierung der Kostensituation, zu der wir uns alle selbstverständlich bekennen müssen. Wie in der Privatwirtschaft gilt das auch bei uns. Die Mittel stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung, und wir sind auch dem Staatsbürger gegenüber verpflichtet, alles zu nutzen, um möglichst sparsam und möglichst zweckorientiert vorzugehen. Und dafür stehe ich jetzt und in der Zukunft.

In diesem Sinne bedanke ich mich für die Debattenbeiträge. Ich bedanke mich auch für die Anerkennung, die von den verschiedenen Fraktionen ausgesprochen worden ist, und ersuche Sie um Zustimmung zu diesem Situationsbericht über das österreichische Bundesheer. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

11.57

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben den Worten des Herrn Bundesministers entnommen, daß er sehr vehement für die NATO plädiert, und er hat sich hier auch über den Termin, also betreffend Beitritt vor oder nach der Wahl, geäußert. Als Teilnehmer an der damaligen Diskussion kann ich seine Äußerungen hiezu vollauf bestätigen. Sie sind so erfolgt, wie es der Bundesminister heute hier gesagt hat. Dem ist nichts hinzuzufügen.


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Der Herr Bundesminister ging bei dieser Diskussion auch darauf ein: NATO-Kommando Nord oder Süd. Ich glaube, Herr Bundesminister, es wäre für manchen Österreicher, der gerne und überzeugt die militärische Landesverteidigung vertritt, zweckmäßig, zumindest die Idee eines NATO-Kommandos Ost aufzugreifen. Bedauerlicherweise hat der Herr Bundesminister jetzt draußen Sprechstunde – nein, er ist noch da. Ein NATO-Kommando Ost wäre nämlich vielleicht schon deshalb zweckmäßig, weil Österreich derzeit gewissermaßen die NATO-Ostgrenze absichern sollte. Und wir wissen von der Problematik des NATO-Kommandostreits um das Kommando Süd. Vielleicht ließe sich durch die Anregung eines NATO-Kommandos Ost, welches dann natürlich seinen Sitz in Österreich haben sollte, diese Problematik im Sinne eines großen diplomatischen Gesprächs und eines Runden Tisches leichter beilegen, weil man dann drei Kommanden zu verteilen hätte und nicht nur zwei. Ich rege ein NATO-Kommando Ost an, das sollte man vielleicht ins Auge fassen, um die Differenzen über das NATO-Kommando Süd entschärfen zu können. Dann hätte man drei Sachen zu teilen. Es gäbe drei Generäle, drei Stäbe. Es geht auch ein bißchen darum, daß sich jeder in seiner Würde beachtet fühlt. Und Österreich könnte hier in Wien oder in der Umgebung von Wien dieses NATO-Kommando Ost sicherlich, wie wir es gewohnt sind, in guter, in attraktiver Weise zur Verfügung stellen.

Das hätte auch zur Folge, daß diese NATO eine verstärkt europäische Institution würde. Derzeit ist die NATO eine sehr stark nordamerikanisch geleitete Institution. Würde sie sich mehr nach Ost- oder Mitteleuropa verschieben und ein NATO-Kommando Ost hier installiert werden, könnte man sagen: Nun ist sie wirklich eine europäische Verteidigungsstruktur geworden, und die Amerikaner haben uns halt nur mit einer großen Logistik für manche Bereiche zu dienen. (Bundesrat Prähauser: Ein wirklich naiver Wunsch, wenn man jetzt hört, was die Amerikaner in Wirtschaftsüberlegungen mit dem Rest Europas vorhaben und was das militärisch schon heißt, nämlich nur Waffen verkaufen zu gehen! Das bitte ich auch zu beachten!) Das ist schon richtig, ich bin ganz der Meinung, alleine die Waffen aus Amerika nach Osteuropa zu verkaufen – das ist auch nicht meine Absicht. Deswegen bin ich für eine starke Europäisierung der NATO.

Warum die Schweizer lieber zur NATO als zur UNO gehen – ich glaube, das ist kein Geheimnis und ist nicht so schwer darzustellen. Die UNO gibt Auflagen, die jedes Mitglied dann befolgen muß, und die NATO hat die Freiwilligkeit der Teilnahme an ihren gemeinschaftlich beschlossenen Einsätzen. Das stellt einen gewissen Unterschied dar.

Nun komme ich zum Situationsbericht: Es ist durchaus erfreulich und auch verständlich, wenn der Herr Bundesminister auf allen Gebieten maßgebliche Veränderungen und neue Maßstäbe erkennt. Aber Maßstäbe und Veränderungen allein bedeuten noch nicht Qualität. Und der Situationsbericht, den wir heute hier behandeln, drückt auch – manchmal vielleicht ein bißchen sanfter, manchmal ein bißchen deutlicher – die Schwierigkeiten, die das Bundesheer hat, aus. Daher glaube ich, daß es vielleicht zu schöngefärbt ist, wenn man von "neuen Maßstäben" und "maßgeblichen Veränderungen" spricht, wenn diese dann nicht mit materieller und finanzieller Substanz ausgefüllt werden können.

Zur Modernisierung gewisser Ausbildungsgänge: Die Neubenamsung in "Akademie" beziehungsweise in "Fachhochschule" ist zwar für jene, die stark statusbezogen dort tätig sind, erfreulich, gibt aber noch nicht wieder, was da wirklich das Neue, was da der Sprung in die Zukunft ist, insbesondere was die Offiziersausbildung in Wiener Neustadt anlangt. Es bleibt den Offizieren trotz angehobenen Niveaus – sprich: sie dürfen sich dann "Magister" nennen – nur das Einkommensniveau eines B-Beamten. Ich weiß, das ist ein schwieriger Punkt in Zeiten von Budgetverhandlungen, aber die Situation der Leute, die dort ein vermeintliches Studium abgeschlossen haben, um sich dann wieder nur auf das Niveau eines Maturanten gestellt zu sehen, möchte ich nicht außer acht gelassen haben. Es sind jährlich rund 80 bis 90 Mann, die diesen Magistertitel erwerben sollen. Ich glaube daher, daß über die rein namensmäßige Verbesserung hinaus nur eine Verbesserung auf dem Gebiete der materiellen Ausstattung, der finanziellen Ausstattung dieser Akademie und dieser Fachhochschule erst richtigen Inhalt geben kann.

Der gegenwärtige Situationsbericht stellt jedoch nicht den Zustand der einzelnen Verbände und der einzelnen Waffengattungen dar und kann daher auch nicht darstellen, was diese derzeit zu


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bewältigen und zu leisten in der Lage sind. Es gibt auch für diese Verbände kein Kraft-Raum-Zeitkalkül, um darzustellen, wenn es zu Konflikten in der Nachbarschaft kommt, wenn eine militärische Bedrohung von außen kommt oder auch ein Auslandseinsatz erforderlich ist, wie weit sie dann abberufen werden können. Uns im Verteidigungsbereich sind diese Probleme intern bewußt, sie müssen aber auch der Bevölkerung bewußt gemacht werden, denn nur wenn die Bevölkerung entsprechend Kenntnis von der Situation hat, wird sie auch eventuell die Politiker hier im Hohen Haus und in ihrem Wahlkreis dazu nötigen, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Der Situationsbericht ist die eine Seite, aber ohne Verständnis für ein Bedrohungsbild, welches derzeit nicht gegeben ist, ist es für die Bevölkerung sehr schwer zu akzeptieren, daß Mittel für eine militärische Landesverteidigung zur Verfügung gestellt werden müssen. Diese Mittel müssen begründet werden, und zwar nicht nur damit, daß die Offiziere und die Unteroffiziere gerne in Uniform mit teurem Gerät spazierenfahren, sondern weil all diese Einrichtungen höhere Zwecke haben als nur den, an einem Staatsfeiertag hergezeigt zu werden. Das muß ich bei allem Respekt sagen. Als Angehörige des Verteidigungsministeriums sind wir nicht nur eine Staffage bei Neujahrsfesten, bei Empfängen von ausländischen Besuchern oder bei einem Zapfenstreich. Das ist nur sozusagen der kleine, elegante Drüberstreuer. Wir haben eine wirklich sehr ernste Aufgabe zu erfüllen, und diese ernste Aufgabe, die wir erfüllen müssen, soll auch durch diejenigen, die uns den Auftrag dazu geben, nicht nur alibihaft unterstützt werden, denn sie müssen uns auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. Und da zeigt dieser Bericht eben, daß diese Aufgabe seitens des Parlaments – das muß ich wertfrei sagen, die politischen Parteien ausgenommen – nicht entsprechend ernst genommen wird.

Die grundsätzlichen Probleme des Bundesministeriums für Landesverteidigung, der militärischen Landesverteidigung werden durch diesen Situationsbericht nicht gelöst. Sie werden angerissen, aber die Lösung steht aus. Die Koalition – ich betone: die Koalition – ist nicht in der Lage, sicherheitspolitische Leitlinien zu entwickeln und vorzugeben, mit denen sie der Bevölkerung sagt: So gehört es! Die Aufgaben eines Präsenzheeres, eines Ausbildungsheeres und eines Mobilmachungsheeres, die jetzt in einem gemacht werden sollen, sind eigentlich nicht erfüllbar. Der Herr Bundesminister hat die Idee gelobt. Sie mag gut sein, viele Leute zweifeln aber an der Güte dieser Idee. Das ist jedoch nur die eine Seite. Die Schwierigkeiten liegen in der personellen und materiellen Situation. Und diese wird durch Umstrukturierungen nicht immer besser. Einmal wird die Ausbildung vom Präsenzheer und vom Mobilmachungsheer getrennt, ein anderes Mal kommt man mit einer neuen Idee und legt sie wieder zusammen.

Als problematisch erscheinen mir auch die rasch verfügbaren Kräfte von 10 000 Mann. Ich glaube, man ist sich bei uns im Haus nicht immer darüber im klaren, aus welchen Bereichen die jeweils 5 000 Mann kommen sollen. Unterschiedliche Vorstellungen liegen vor. Wenn ich mir die verschiedenen Vorstellungen anschaue, dann habe ich den Eindruck, es ist zwar eine gute Absicht vorhanden, es mangelt jedoch noch an der Ernsthaftigkeit der Durchführung oder an der Umsetzung auch aufs Papier. Denn diese 5 000 Mann werden oftmals mehrfach "verkauft", möchte ich sagen. Zum Glück bleiben sie zum Teil in Österreich, sie werden aber oft mehrfach eingesetzt.

Schwierigkeiten bereiten auch die elf verschiedenen Einrückungstermine. Ob das die Lösung ist für unser Heer mit derzeit rund 28 500 Wehrpflichtigen? – Es sind nicht mehr 32 000; aber streiten wir uns nicht um die Zahlen, es gibt jene von 28 500, der Herr Bundesminister meint, es sind vielleicht noch 32 000. Diese elf verschiedenen Einrückungstermine erschweren natürlich in jeder Beziehung eine Mobilisierung, erschweren die Erstellung der schnell verfügbaren Kräfte und erschweren die Herstellung der Einsatzbereitschaft des Heeres. Denn rechnen Sie sich aus, wie oft elf in rund 30 000 enthalten ist – das sind immer nur 3 000 Mann. Diese haben vielleicht einen brauchbaren Ausbildungsstand, die anderen dann nicht. Ich sehe darin eine grundsätzliche Problematik.

Die große Problematik ist auch der Auslandseinsatz. Wir ernten zwar großes Lob beim Auslandseinsatz. Aber was bringt uns dieses Lob? – Es wäre eine schöne Sache, wenn das Lob,


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das wir vom Ausland bekommen, auch von den Ausländern honoriert werden würde, wenn uns die Vereinten Nationen das, was wir immer vorschießen, auch zahlen würden. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie tun es, ja, aber wir wissen, was die Vereinten Nationen auf dem Gebiet tun und was sie nicht tun. Dazu kann ich nur sagen: Ja wofür werden wir gelobt? Es ist wunderschön, international immer als Vorzugsschüler dazustehen, Herr Bundesminister! Aber die Kosten des Vorzugsschülerdaseins sind auch mit erklecklichen Nachteilen verbunden, die durchaus genannt werden müssen. Denn im Inland haben wir dann die Schwierigkeiten. Es sollen 2 500 Mann ständig für Auslandseinsätze vorhanden sein, aber diese jetzt zusätzlich zu den sich sowieso schon im Ausland befindlichen Truppen. Das war meiner Information nach ursprünglich nicht so gedacht. Wir kennen die Engpässe an Kader und Material. Ob es richtig ist, das nur um des guten Lobes willen, um nicht zu sagen: um Gottes Lobes willen, zu machen? – Ich denke mir, das ist ein bißchen problematisch.

Zur Frage des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres an der österreichischen Grenze im Burgenland: Es ist dies eine Frage des Personals und der Kosten, die das Bundesheer übernimmt, obwohl es eine Aufgabe der Gendarmerie wäre. Es ist dies aber auch eine Frage des Rechtes: Ist es überhaupt noch mit unserer Verfassung konform, über Jahre hinweg einen Assistenzeinsatz an der Grenze zu haben?

Assistenz heißt doch Hilfe leisten, und zwar für eine nicht erwartete Abwehr eines Schadens, Assistenz ist aber keine Dauereinrichtung. Da wäre der Gesetzgeber wirklich gefordert, die Aufgabenstellung des Bundesheeres so darzustellen, daß wir ohne verfassungsmäßiges Würgen – ich behaupte schon, es ist ein Verfassungsbruch – das Bundesheer an die Grenzen stellen können. Der Einsatz des Bundesheeres ohne notwendige Strukturen und Rechtsvorschriften ist für die Soldaten, aber auch für jene, die es befehlen, eine schwierig handhabbare Vorgangsweise.

Die Anzahl der Schulen und Akademien für ein kleiner werdendes Heer, meinen wir, muß überdacht werden. Die Anzahl der Schulen und Akademien stammt noch aus einer Zeit, als man viel höherfliegende Personalpläne des Bundesheeres hatte, auch der sogenannten Spanocchi-Doktrin folgend, und damals – so scheint es – dürfte es für ein großes Heer durchaus zweckmäßig gewesen sein. Aber die vielen Schulen, die irgendwo in Österreich verteilt sind, sind sicherlich nicht das Gelbe vom Ei und müßten aus Budgetgründen zusammengelegt werden.

Auch betreffend die vorhin erwähnten Auslandseinsätze fehlt unseres Erachtens ein eigenes Kommando. Es scheint nicht zweckmäßig, ein Korpskommando zur Miterfüllung zu betrauen, sondern es ist dies eine Aufgabe für sich, die eine spezielle Aufgabenstellung, eine spezielle Durchführung der Aufgabenstellung auf Dauer erfordert.

Im Situationsbericht ist der Zustand der Militärkommanden nicht aufgelistet. Die Militärkommanden – es sind deren neun an der Zahl – haben einen großen Hofstaat, aber sie sind wahrscheinlich mit einer Aufgabe befaßt, und zwar als taktisches Kommando, welche sie aufgrund des kleiner werdenden Heeres nicht mehr wahrnehmen müßten. Sie wären unseres Erachtens abspeckbarer.

Das Mech-Konzept sieht vier Panzerbataillone vor, aber mit den von Herrn Bundesminister genannten Leopard II, die angeschafft werden, werden sich zwei, bestenfalls drei Bataillone ausrüsten lassen. Und das widerspricht meines Erachtens dem Einsatzkonzept des Bundesheeres, welches wir auch vor Jahren im Ministerratsbeschluß 1991 beschlossen haben. Es ist natürlich nicht nur ein Versehen des Bundesheeres, Panzer für nur zwei Bataillone zu kaufen, sondern es ist auch der Mangel des Geldes. Wenn der Herr Bundesminister mit großer Freude auf diese Panzer und auf die M 109 hingewiesen hat, meine Damen und Herren, heißt das noch nicht, daß die Truppe mit ihnen ausgestattet ist. Sie fließen langsam, nach und nach zu und werden, glaube ich, in den nächsten zwei, drei Jahren erst komplett mit diesem neuen Gerät ausgestattet sein.


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Ich möchte nicht auf die nicht oder nur gering vorhandene Luftwaffe eingehen. Das ist ein eigener Punkt, das ist ein trauriger Punkt, und damit ist eigentlich schon alles gesagt, denn das, was nicht vorhanden ist, kann man schwer beschreiben.

Es scheint im einen oder anderen Fall eine gewisse Unsicherheit gegenüber Ausrichtungen und Aufgaben des Bundesheeres zu herrschen. Manchmal wird der militärische Einsatz als Primäraufgabe erwähnt. Andererseits werden im Situationsbericht, meine Damen und Herren, sieben oder acht Aufgaben erwähnt. Angesichts der Reihenfolge, wie sie da aufgelistet stehen, erübrigt sich eigentlich das schwere Gerät. Es heißt: die Assistenzleistung jeder Art im Inland, Hilfeleistungen im Ausland, Bewältigung von Eskalationen im Bereich des Migrationsdruckes, Mitwirkung bei Truppenbestellungen bei internationalen Einsätzen der Friedenssicherung, Beherrschung subkonventioneller Bedrohungen und grenznahe Sicherung beziehungsweise Verteidigung zur Erhaltung der Souveränität sowie zum Schutze der EU-Außengrenze in Österreich.

Eigentlich ist nur der letzte der hier aufgezählten Punkte jener, den ich mit dem Begriff "militärische Landesverteidigung" gleichsetzen kann. Die vorangegangenen sechs Punkte könnte man eher als "technischer Hilfsdienst" und ähnliches darstellen. Daher hat es mich auch einigermaßen amüsiert, als ein Herr des Ministeriums am 1. September 1997 in der "Presse" einen Kommentar schrieb, der da lautete: Wer wird die Sandsäcke in Hinkunft schleppen? Er führte weiters an: Sandsäcke schleppen, Lawinenopfer bergen, Feuerwehren unterstützen, das Sozialsystem vor dem Zusammenbruch bewahren. Ich frage mich: Was soll das? – Dafür brauche ich kein Bundesheer, denn es ist Aufgabe des Parlaments, durch vernünftige Gesetzgebung das Sozialsystem vor dem Zusammenbruch zu bewahren, aber sicherlich nicht des Bundesheeres, denn er meint, daß die notwendige Zahl der Zivildiener nur durch eine Wehrpflicht sichergestellt werden kann. Mir würden dazu noch weitere Dinge einfallen, die in diesen Arbeitsdienst hineinfallen: Pistenstampfen, Ballbesuche und ähnliches. Ich glaube, der Artikel hat sehr zur Verwirrung beigetragen, er hat nicht dazu beigetragen, das Bundesheer im richtigen Lichte erscheinen zu lassen.

Abschließend möchte ich sagen, wir alle hier im Bundesrat sind sehr gefordert, in Sachen Bundesheer den richtigen Ton zu finden, denn durch die Neustrukturierung des Bundesheeres werden verschiedene Kasernenorte obsolet. Das ist wohl die schwierigste Aufgabe, die man lösen kann, und es sind daher die einzelnen Bundesländer und die Landesregierungen aufgefordert, vielleicht auch mit dem Verteidigungsministerium einen gemeinsamen Weg zu finden, wie jeweils Kasernenstandorte so zusammengefaßt werden können, daß am wenigsten persönliche, aber auch materielle Schäden entstehen. Es ist eben nicht so, daß man Einheiten zusammenlegen und an eine Kaserne verkaufen kann, was übrigens schwer geht, wie sich herausgestellt hat. Aber Zusammenlegen heißt ja, daß in dem Ort, wo es zusammengefaßt werden muß, Neubauten entstehen, und diese Neubauten sind ebenso sicherzustellen wie die gute Absicht, eine Strukturreform des Bundesheeres durchzuführen.

Dieser Situationsbericht ist für uns ein Hinweis dafür, daß es um das Militär, um die militärische Landesverteidigung derzeit nicht gut steht, daß die Bevölkerung zu wenig Anteil daran nimmt und daß die Koalitionsparteien das Militär noch immer sträflich vernachlässigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.19

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Rodek. Ich erteile es ihm.

12.19

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ihren Worten wäre an und für sich nichts mehr hinzuzufügen. Sie waren sehr ausführlich. Ich möchte mir aber trotzdem erlauben, noch einiges anzumerken, denn aus diesen ersten Debattenbeiträgen ist bereits hervorgegangen, daß die Standpunkte über die Notwendigkeit und über die Art und Weise des Bestandes des Bundesheeres sehr unterschiedlich sind.


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Aber eines ist sicherlich richtig und kommt in diesem Situationsbericht zum Ausdruck: Mit dem Beitritt zur Europäischen Union und der unglaublich raschen Entwicklung der europäischen Sicherheitsszenarien treten an Österreich ganz andere Konsequenzen hinsichtlich Gestaltung seiner Sicherheitspolitik und deren Einbau in den europäischen Sicherheitsverbund heran. Diese Tatsache macht aber über kurz oder lang eine Anpassung des Bundesheeres an die Streitkräfte der EU-Partner notwendig, denn ob es uns paßt oder nicht, Österreichs Sicherheit ist engstens mit dem Schicksal aller EU-Staaten verknüpft. Unsere Sicherheit ist die Sicherheit der Europäischen Union. Und alles, was wir als kleines Land zur Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit beitragen können, ist auch zu tun.

Gerade aber diese Tatsache verpflichtet Österreich auch, die Europafähigkeit unseres Bundesheeres herzustellen und damit einen Solidarbeitrag für die Zielsetzung der EU zu leisten, um nicht, wie schon zum Ausdruck gekommen ist, als sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer abqualifiziert zu werden. Doch leider war das Bundesheer schon immer ein ungeliebtes Kind und wird auch dementsprechend behandelt.

Ich kann die Worte des Bundesrates Gudenus, daß der Bundesrat dazu etwas beitragen muß, um die Situation zu verbessern, nur unterstreichen, denn ich persönlich war ganz überrascht bei der Debatte am Dienstag über das Bundesheer, daß kein eigener Verteidigungsausschuß besteht, sondern daß diese Dinge im Rechtsausschuß behandelt wurden. Ich glaube, daß es auch im Bundesrat an der Zeit ist, einen Verteidigungsausschuß zu installieren, denn es gibt zu jedem Ministerium einen Ausschuß, nur das Bundesheer wird vom Rechtsausschuß behandelt. Das kann es im großen und ganzen doch nicht sein.

Aber auch in finanzieller Hinsicht – auch das ist schon zum Ausdruck gekommen – ist das Bundesheer ein Stiefkind. Das Budget unserer militärischen Landesverteidigung beträgt nur in etwa die Hälfte des Defizits unserer Bundesbahnen. Und es wird trotzdem noch immer der Sparstift angesetzt. Kollege Meier hat gefragt: Na ja, woher nimmt man das Geld für Erhöhungen? – Die Bundesbahn wäre ein Unternehmen, das nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeiten müßte. Man braucht nur das Defizit dort etwas zu verringern, und dann wäre genügend Geld für die entsprechende Ausstattung des Bundesheeres vorhanden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind das Schlußlicht bei den Wehrausgaben im Vergleich mit den anderen europäischen Staaten. Wir geben nur zirka 0,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes dafür aus, während selbst Luxemburg mit 1,7 Prozent noch vor uns liegt, ganz zu schweigen von den Norwegern mit 3,7 Prozent oder von den Griechen mit 5,4 Prozent. Und daher grenzt es beinahe schon an ein Wunder, daß es unserem Bundesminister Fasslabend gelungen ist, und ich bin sehr froh darüber, nunmehr ein 6 bis 7 Milliarden Schilling umfassendes Mech-Paket zu schnüren, das unter anderem, wie es auch schon zum Ausdruck gekommen ist, auch den Ankauf von Kampfpanzern des Typs Leopard II und Raketenjagdpanzern des Typs Jaguar vorsieht. Ganz wichtig erscheint mir die von Ihnen bereits erwähnte vorgesehene Anschaffung von 110 Kampfschützenpanzern und 200 Radpanzern des Typs Pandur sowie der Kampfschützenpanzer Golan aus Steyrer Produktion. Das sichert nämlich nicht nur inländische Arbeitsplätze, sondern auch die Schlagkraft unserer Garnisonen. Ich denke an meine Hausgarnison im Innviertel, an das Panzergrenadierpataillon 13, dort wird man über jedes Neugerät dankbar sein. Ich habe als Milizoffizier sehr oft in dieser Garnison geübt und weiß, wie veraltet dort eigentlich die Schützenpanzer sind, und auch der Jagdpanzer Kürassier ist nicht mehr auf dem neuesten Stand. Dabei ist eine moderne Ausrüstung Voraussetzung für optimale Sicherheit, und es wäre grobe Verantwortungslosigkeit, unserer Jugend mit unzureichendem Material sicherheitspolitische Aufgaben zu übertragen.

Daß es aber weitestgehend so ist, hat auch damit zu tun, daß von einigen politischen Parteien so getan wird, als wäre jeder Schilling für das Bundesheer hinausgeschmissenes Geld, da wir ohnedies neutral sind und somit keine Bedrohung gegeben ist. Die damit in weiten Teilen der Bevölkerung vorhandene und – wie gesagt – von manchen Politikern geförderte Einschätzung, daß die Neutralität alleine schon Garant der Sicherheit sei, war für eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Erfordernissen der Landesverteidigung überaus abträglich. Dazu kommt noch die


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einseitige Berichterstattung im ORF, und ich möchte in diesem Zusammenhang auch ein Beispiel anführen:

Eine Berichterstattung über die Notwendigkeit oder Nichtnotwendigkeit des Ankaufes der bereits erwähnten Panzerfahrzeuge wird in "Zeit im Bild 2" gesendet. In der Absage meinte dann dazu die Kommentatorin Ingrid Turnherr: Damit steht der Anschaffung neuer Geräte im Kampf gegen den Rost nichts mehr im Wege. Wer hat sich eigentlich darüber aufgeregt, daß nach dieser Aussage eine an und für sich sehr objektive Berichterstattung ad absurdum geführt wurde? Über die Berichterstattung des ORF über die Notwendigkeit der Abfangjäger möchte ich hier gar nicht reden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesen Tagen wird im Nationalrat und in der Öffentlichkeit über den NATO-Beitritt Österreichs diskutiert. Ausgangspunkt dieser Überlegungen sind die beiden grundsätzlichen sicherheitspolitischen Möglichkeiten, die Österreich in Zukunft offenstehen. Erstens könnte Österreich die bisherige Linie fortsetzen und darauf warten, bis sich Bedrohungen ergeben, um dann festzustellen, daß wir erstens neutral und zweitens ohnedies zu schwach sind, unser Staatsgebiet zu schützen. Günstiger und besser erscheint mir daher die zweite Möglichkeit, nämlich von vornherein daran mitzuarbeiten, daß in Hinkunft Bedrohungen für unser Land minimiert werden können. Ziel einer vernünftigen österreichischen Sicherheitspolitik muß es daher sein, einen möglichst hohen Grad an Stabilität und Sicherheit im Umfeld unseres Landes zu erreichen. Dazu tragen einerseits das wirtschaftliche Engagement Österreichs in unseren Nachbarstaaten bei und andererseits das aktive Mitwirken in militärischen Bereichen.

Gerade im Hinblick auf die Tatsache, daß die sicherheitspolitische Struktur Europas durch die Beitrittsansuchen der verschiedenen Oststaaten zur NATO eine Phase der Neustrukturierung durchläuft, eröffnet für Österreich die Chance, bestmöglichen Einfluß auf die Gestaltung dieser Institutionen zu nehmen und damit letztendlich die sicherheitspolitische Zukunft unseres Landes gestalten zu können. Voraussetzung ist allerdings dafür, daß Organisation, Ausrüstung und Bewaffnung den neuen Erfordernissen entsprechen. Sie sind wesentlich für die Erfüllung der Aufgaben unseres Bundesheeres. Die konkreten Schritte für die Umsetzung dazu sind im Situationsbericht 1996 im Rahmen der Heeresgliederung-Neu festgelegt, die vom Herrn Bundesminister bereits auch ausgeführt worden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Bundesheer hat den verfassungsmäßigen Auftrag, unsere Heimat und ihre Bewohner zu schützen und Frieden und Freiheit zu bewahren. Meine Fraktion ist der festen Überzeugung, daß mit den in den Schlußfolgerungen des Berichtes festgehaltenen Feststellungen und richtungsweisenden Maßnahmen dieser Auftrag erfüllt werden kann, und daher nehmen wir diesen gerne zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP. )

12.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster ist Herr Bundesrat Karl Drochter zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

12.28

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich glaube, daß es an der Zeit ist, sich nach einer Stunde NATO-Berichterstattung wieder auf den Boden der Realität zu begeben, vor allem im Interesse des österreichischen Bundesheeres, an dem der Sozialdemokratie und mir persönlich sehr viel liegt.

Wir haben uns in der vergangenen Stunde im scheinbar wolkenlosen NATO-Himmel befunden und haben uns in Vergleiche wie Österreichische Bundesbahn und Bundesheer oder Schweizer Aktivitäten, NATO-Partnerschaft für den Frieden und der UNO verstiegen. Das sind nur einige Beispiele, die so haarsträubend sind, daß ich sie anführen muß und nicht darüber hinwegsehen kann. Kollege Gudenus hat die Kosten kritisiert, die der Republik Österreich oder dem Bundesheer erwachsen, wenn sie sich an Katastropheneinsätzen beteiligen beziehungsweise Friedensstiftung auf der ganzen Welt machen. Auch dazu kann ich nur sagen, Herr Bundesrat, daß uns als Österreicher Kosten für solche Einsätze nie zu hoch sein sollten.


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Ich kann nichts damit anfangen, wenn Sie, Kollege Gudenus, aber auch der Herr Bundesminister behaupten, daß Ihnen das Lob, das unsere Soldaten, die im friedensstiftenden Einsatz oder bei Katastrophen im eigenen Land ihr Leben riskieren – manchmal leider auch verlieren –, von der Bevölkerung bekommen, zu viel werden kann. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist ein Mißverständnis! Nicht das Lob ist zuviel, das Geld ist zuwenig!)

Ich meine, daß das doch eine sehr gespaltene Haltung für Verantwortungsträger beziehungsweise ehemalige Mitglieder des österreichischen Bundesheeres ist. Ich glaube, wir sollten stolz darauf sein, daß diese jungen Burschen, die Soldaten und die Offiziere, freiwillig bereit sind, in aller Welt ihr Leben für den Frieden zu riskieren und den Menschen behilflich zu sein, wenn sie unter Katastrophen leiden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Kollege Meier hat schon gesagt – damit sind alle Zweifel aus der Welt geschafft –, daß wir Sozialdemokraten diesem Bericht die Zustimmung geben werden, weil er doch wesentliche Ansätze beinhaltet, auf denen künftig aufgebaut werden kann.

Man muß aber kritisch anmerken, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß viele Fragen der 1992 eingeleiteten Heeresgliederung weiter offen sind – das hat auch der Herr Bundesminister nicht bestritten. So wurde im Rahmen der Verwaltungsreform eine umfassende Reduzierung im Bereich der Zentralstellen zwar angekündigt, bis jetzt aber noch unzureichend durchgeführt. Die Reduzierungen haben eher bei der Truppe Platz gegriffen, aber überhaupt nicht oder viel zu wenig in der Bürokratie. Ich meine auch, daß die Führungskader im Verhältnis zum Truppenumfang noch immer zu groß sind.

Wir haben auch keine beziehungsweise keine ausreichende Antwort auf die Frage bekommen, welche Konsequenzen sich aufgrund der Reduzierung der Truppe, der Mobilmachungsstärke von 300 000 Mann auf 120 000 Mann auf die notwendige Anzahl der Kasernen ergeben: Welche Objekte und Liegenschaften werden nicht mehr benötigt? Welche wurden verkauft oder stehen zum Verkauf an?

Wir haben in den letzten Monaten erlebt, daß Österreich immer öfter ersucht wird, sich an Friedenssicherung und internationaler Katastrophenhilfe zu beteiligen. Das ist auch hier in der Diskussion schon angeführt worden, aber die endgültige Antwort fehlt: Sind wir wirklich für diese Einsätze gerüstet? Verfügen unsere Soldaten über jene Ausrüstung und Gerätschaft, die für solche gefährlichen Einsätze vor allem zum Schutze ihres Lebens notwendig sind?

Wie schaut es mit unserem Milizsystem – auch das ist hier schon andiskutiert worden – aus? Funktioniert es noch, oder wird es ausgehungert? Ich möchte positiv anmerken – das hat auch der Herr Bundesminister bereits getan; und ich glaube, daß es ein wichtiger, richtiger Schritt war –, daß die Militärakademie zu einer Fachhochschule aufgewertet wurde.

Das waren einige wenige offene Fragen, die sich für mich aus dem vorliegenden Bericht ergeben haben. Aber ich möchte mich – die Diskussionsbeiträge seitens der ÖVP, aber auch der Freiheitlichen Partei machen das notwendig – auch mit den anderen Themen, die nicht im Bericht stehen, auseinandersetzen. Und ich denke, Sie werden dafür Verständnis haben, wenn ich das nun vorhabe.

Ich gehe vom österreichischen Landesverteidigungsplan aus, in dem geschrieben steht: Die Sicherheitspolitik in Österreich soll von der gesamten Bevölkerung bejaht und auch mitgetragen werden. Ich meine – und auch hier habe ich es heute vormittag erlebt –, daß immer mehr Österreicherinnen und Österreicher von der Politik die Umsetzung der sogenannten umfassenden Landesverteidigung erwarten. Wenn man aber die Diskussion der letzten Monate und Tage verfolgt, fällt auf, daß sich berufene, weniger berufene und selbsternannte Fachleute zu Aussagen über unsere militärische Sicherheit hinreißen lassen, die dem Normalbürger keine Auskunft geben, sondern ihn immer mehr verunsichern.

Meine Damen und Herren! Aufgrund meiner Erfahrung aus den Diskussionen, die ich zum Thema Bundesheer führe, weil ich kein Gegner des österreichischen Bundesheeres bin, muß ich sagen, es ergeben sich für die Normalbürger doch Verständnisprobleme. Sie haben Bewer


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tungsprobleme bei der Bildung einer eigenen Meinung – vor allem mit den Begriffen, die in den letzten Monaten vorwiegend diskutiert wurden. Kein Mensch weiß, was "NATO-neu" ist. Es gibt eine europäische NATO. Soll man die Russen in die NATO einbinden? Sind Neutralität und NATO-Beitritt vereinbar? Müssen in der Zukunft junge Männer, Söhne im Ausland ihr Leben riskieren?

Das Berufsheer ist auch schon angesprochen worden, daher erlaube ich mir, hierzu einige Anmerkungen zu machen: Berufsheer – ja, Berufsheer – nein? Wie sehen Kosten und politische Kontrolle eines Berufsheeres in Österreich aus?

An die Adresse der NATO-Beitrittsbefürworter, die das in einer euphorischen Form machen: Völlig unklar – ich hoffe, nicht den politischen Verantwortungsträgern – sind die etwaigen Kosten eines NATO-Beitrittes. Wie hoch ist der jährliche Beitrag Österreichs zum NATO-Budget? Was kostet uns die Anpassung des österreichischen Bundesheeres an die bestehenden NATO-Systeme? Wie hoch wird der Personalaufwand Österreichs beziehungsweise des österreichischen Bundesheeres für die NATO-Administration in Brüssel sein? – Der Herr Bundesminister hat vor einer halben Stunde beklagt, daß wir aus der bestehenden Administration der NATO in Brüssel ausziehen müssen und dort die Polen, die Ungarn, die Tschechen und vielleicht noch andere einziehen werden.

Der Umbau der NATO und die Neustrukturierung eines europäischen Sicherheitssystems können meiner Meinung nach die UNO und die OSZE nicht ersetzen. Und es darf keinesfalls zu einer Abwertung – ich glaube, daß das auch nicht geplant ist – dieser beiden Organisationen kommen. Ich meine, daß eher das Gegenteil der Fall sein sollte. Die Einbettung einer "NATO-neu" in UNO und OSZE erscheint mir vor allem wegen der militärischen Friedenseinsätze unbedingt notwendig. Ich könnte mir auch vorstellen, daß eine kleine, aber schlagkräftige ständige Eingreiftruppe Europas zu diesem Zweck installiert wird und der UNO bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden kann.

Sie, Herr Minister, haben sich am 14. Juli beim Sonderparteivorstand der Österreichischen Volkspartei uneingeschränkt für eine Vollmitgliedschaft der NATO ausgesprochen. Ich habe gestern in einer APA-Aussendung gelesen, daß Sie unter Anführungszeichen "scheinbar" verkündet haben, daß die Entscheidung über den NATO-Beitritt Österreichs erst im Jahre 1999 fallen wird. – Vor wenigen Minuten haben Sie uns gesagt, daß diese im Frühjahr 1998 fallen muß!

Sie gehen in dieser Presseaussendung davon aus, daß auch die SPÖ dafür sein wird. (Bundesrat Bieringer: Die SPÖ ist sicher dafür!) Sie meinen weiters, wenn ÖVP, FPÖ und SPÖ schlußendlich dafür sind, dann wird auch die gesamte Bevölkerung automatisch dafür sein.

Ich glaube, daß das ganz leicht ein Trugschluß werden kann, und ich würde mich nicht allein darauf verlassen. (Bundesrat Eisl: So wie beim Euro!) Ich glaube, daß es zu wenig ist, wenn man sich als Parteivorsitzender darauf verläßt, daß es genügt, ein Bekenntnis abzugeben. Ich meine, daß es notwendig ist, sich mit der Bevölkerung in dieser Frage ernsthafter auseinanderzusetzen. (Bundesrat Eisl: Genau wie beim Euro!)

Das veranlaßt mich auch, nun einige Anmerkungen zu der immer wiederkehrenden Diskussion über die Neutralität Österreichs zu machen. Die Neutralität war zur Zeit ihrer Einführung eindeutig ein Instrument der Friedenspolitik, und sie ist es heute noch, wenn auch – das sei hier auch erwähnt – in einer anderen Form. Die Frage, ob sie auch morgen noch das optimale Friedensinstrument für unser Land sein wird oder ob vielleicht aus anderen Gesichtspunkten eines immer enger werdenden, zusammenwachsenden Europas eine neue Position Österreich nötig werden wird, ist nicht so leicht vom Stand aus, wie man bei uns sagt, zu beantworten.

Vorteilhaft für Österreich ist, daß wir nicht unter einem unmittelbaren Entscheidungsdruck stehen und somit Zeit haben, uns mit der Bevölkerung auseinanderzusetzen. Daher ist es auch nicht notwendig, sich schon heute jenen anzuschließen, die den sofortigen bedingungslosen NATO-Beitritt Österreichs anstreben. Wir sollten vielmehr in die Überlegungen miteinbeziehen, wie das Konzept "Partnerschaft für den Frieden" erweitert werden könnte, um auch andere


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Länder ohne deren Vollmitgliedschaft bei der NATO enger in ein europäisches Sicherheitsbündnis einzubinden. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Als Sozialdemokrat und auch als Gewerkschafter – das sei hier nicht verschwiegen – trete ich nach wie vor für eine umfassende neutralitäts- und sicherheitspolitische Diskussion unter objektiver und voller Information der Öffentlichkeit und unter Einbindung der Bevölkerung ein. Wir sind daran interessiert, daß die Entscheidung über den sicherheitspolitischen Kurs unseres Landes und in diesem Zusammenhang auch über einen allfälligen notwendigen Beitritt zu einem Bündnis nicht aus kurzfristigen tagespolitischen Erwägungen oder gar aus populistischem Opportunismus getroffen wird, sondern daß dabei von grundsätzlichen langfristigen Entwicklungsperspektiven Österreichs sowohl im nationalen als auch im gesamteuropäischen Rahmen ausgegangen wird. Eine derart tiefgreifende Diskussion ist bisher leider nur ansatzweise geführt worden.

Es ist heute auch schon angemerkt worden – ich möchte das ergänzen beziehungsweise unterstreichen –, daß bisher auf sozialpolitische und wirtschaftspolitische Aspekte überhaupt nicht eingegangen wurde, obwohl wir alle wissen, daß mangelhafte Lebensbedingungen, soziale Verelendung, Wanderungsbewegungen, die wir erleben – vom Osten in den Westen, vom Süden in den Norden –, die Hauptursache von politischer Instabilität, organisierter Kriminalität und gewaltsamen Konflikten sind.

Herr Bundesminister! Sie haben im Juli eine umfassende Diskussion angekündigt. Im Koalitionsübereinkommen vom März 1996 steht geschrieben, daß es im Laufe des ersten Quartals 1998 einen Bericht über weiterführende sicherheitspolitische Optionen Österreichs geben wird, den sogenannten Optionenbericht. Dieser Bericht ist vom Außenministerium, vom Bundeskanzleramt und von Ihrem Ministerium zu erstellen.

Ich möchte abschließend anmerken: Die Zeit drängt. Viele Österreicherinnen und Österreicher erwarten Informationen und Mitgestaltungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten in ausreichender Form bei den angekündigten und bisher nicht stattgefundenen Diskussionen. Für mich persönlich steht zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls fest, daß über einen Verzicht auf unsere Neutralität, über die etwaige Einführung eines Berufsheeres anstelle unseres Bundesheeres und über einen Beitritt zur NATO nach meinem Verständnis eigentlich nur das österreichische Volk entscheiden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

12.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Tusek. – Bitte.

12.46

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich kann gleich lückenlos an meinen Vorredner, Kollegen Drochter, anschließen.

Herr Kollege Drochter, Neutralitätsdiskussion – ja, selbstverständlich! Allerdings darf ich in Erinnerung rufen: Österreich hat sich 1945 zur Neutralität bekannt, das ist Faktum. (Bundesrat Dr. Tremmel: 1955!) Entschuldigung, ich habe mich versprochen, selbstverständlich mit dem Neutralitätsgesetz am 26. Oktober 1955. Sie hat uns in der Zeit des kalten Krieges durchaus geholfen und war möglicherweise das optimale Instrument für unsere Sicherheit. Aber, Herr Kollege Drochter, und auch das gehört in einer Neutralitätsdiskussion betont und offen auf den Tisch gelegt: So richtig ernst genommen haben wir unsere Neutralität nie! Das läßt sich mit Zahlen belegen.

Es hat immer bei der Neutralität so quasi im Klammerausdruck geheißen: nach Schweizer Vorbild, nach Schweizer Muster. – Ich vergleiche einige Daten des Musterlandes unserer Neutralität, der Schweiz, und Österreichs in einer offiziellen Publikation des Büros für Wehrpolitik: Die Schweiz hat ziemlich genau die halbe Fläche Österreichs – nicht auf den Quadratkilometer genau, aber ungefähr. Gerade was das Panzergelände betrifft, ist die Schweiz noch schlechter dran, sie hat noch weniger davon als Österreich, aber das Wehrbudget pro Kopf beträgt in


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Österreich 2 600 S, in der Schweiz 6 050 S. Kampfpanzer: Österreich 170, Schweiz 742. Artilleriegeschütze: Österreich 271, Schweiz 796. Kampfflugzeuge: Österreich 53, Schweiz 153.

Ich glaube, aus diesem Vergleich ersehen wir sehr wohl, was echte bewaffnete Neutralität bedeutet und wie sehr in Österreich die Neutralität in den letzten Jahrzehnten finanziell vernachlässigt wurde.

Kollege Meier hat gemeint, ganz Europa, die ganze Welt ist in Richtung Abrüstung unterwegs. In diesem Zusammenhang möchte ich ergänzen – das ist im Bericht nachzulesen –: Österreich hat seine Mob-Stärke drastisch verringert, von 300 000 Mann auf 120 000 Mann plus Reserve. Das heißt, wir sind auch da auf dem richtigen Weg. Aber jetzt nur um der Neutralität willen die Neutralität beizubehalten und keinen anderen Denkanstoß, keine andere Denkmöglichkeit in einer sich verändernden Welt zuzulassen, das hielte ich für falsch. Es muß in erster Linie um das höchstmögliche Maß an Sicherheit für die Bevölkerung gehen. Das muß unser erster Gedanke und unsere erste Verpflichtung sein. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Eisl. )

Zur Freiheitlichen Partei, zumindest zu den beiden Rednern, Kollegen Bösch und Gudenus, muß ich sagen, daß ich von Ihrer heutigen Linie, was das Bundesheer betrifft, sehr enttäuscht bin. Ich habe immer geglaubt, daß die Freiheitliche Partei hinter den Anliegen der Landesverteidigung steht, aber durch Ihre heutige, teilweise unsachliche Kritik kann ich diesen Eindruck nicht mehr haben. Ich bin eher der Meinung, es paßt in Ihre derzeitige ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie haben nicht ganz zugehört! Sonst hätten Sie es besser verstanden!)

Kollege Gudenus! Ich habe einige Ihrer Aussagen mitgeschrieben und werde darauf noch zu sprechen kommen. Grundsätzlich möchte ich sagen, ich habe aus diesen beiden heutigen Debattenbeiträgen der Freiheitlichen den Eindruck gewonnen, daß Sie auch das Bundesheer in Ihre übliche Parteilinie der Verunsicherung und des Schlechtmachens miteinbeziehen wollen. Das hätte ich mir gerade von einer Partei wie den Freiheitlichen im Bereich der Landesverteidigung nicht erwartet! (Bundesrat Dr. Tremmel: Sie schätzen uns eh sehr hoch ein! Danke!)

Kollege Gudenus! Sie haben die finanziellen Voraussetzungen angeprangert – völlig zu Recht! Ich habe das mit Zahlen im Vergleich zur Schweiz auch bewiesen. Nur kann man für diese finanzielle Ausstattung nicht den Bundesminister für Landesverteidigung verantwortlich machen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist ja nicht geschehen!) Er ist ein Kämpfer für eine höhere und bessere finanzielle Ausstattung. Wie wir aber alle wissen, ist die Vergabe der Budgetmittel Sache des Finanzministers. (Bundesrat Dr. Tremmel: Aber den Budgetkrieg hat er in den Verhandlungen verloren!) Es hat jedes Ministerium verloren. Ich sehe ein, die Dotierung müßte wesentlich besser sein.

Kollege Gudenus! Sie haben wörtlich gesagt: Der Assistenzeinsatz an der österreichischen Grenze ist, weil er schon so lange dauert, verfassungsmäßig bedenklich. – Das war Ihre Aussage hier an diesem Rednerpult. (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!) Für mich ist klar, daß die gesetzliche Grundlage gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Wehrgesetz gegeben ist. Gerade Sie als Offizier wissen, was im Wehrgesetz steht, vor allem im § 2. Es wundert mich ... (Bundesrat Mag. Gudenus: In Verfassung etwas kundig, weiß ich, daß das eine ungeheuerliche Strapaz der Terminologie und der Interpretation ist, Herr Kollege! ... – Bundesrat Konečny: Reargumentation! – Weitere Zwischenrufe.)

Kollege Gudenus! Wenn Sie eine sachliche Berichtigung oder Ergänzung vorzubringen haben, haben Sie die Möglichkeit, sich noch einmal zu Wort zu melden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.) Ich habe nichts gegen einen kurzen Zwischenruf, aber ein Koreferat können wir hier nicht brauchen. (Bundesrat Prähauser: Wenn es etwa beinhaltet, ist es angebracht!)

Kollege Gudenus! Gerade Ihre Partei müßte – Sie haben hoffentlich die Zahlen gelesen – mit den Ergebnissen dieses Assistenzeinsatzes mehr als zufrieden sein. Seit 1. September 1990 sind Soldaten unseres Bundesheeres an der Grenze, und bis 31. Oktober 1996 – ich zitiere aus dem zur Debatte stehenden Bericht – wurden 37 871 Aufgreifungen getätigt: 9 809 – das sind


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25,9 Prozent – durch Gendarmerie und Zollwache, hingegen 28 062 durch Soldaten unseres Bundesheeres. Das sind 74,1 Prozent. Was dieser Assistenzeinsatz bringt, sollten Ihnen und auch allen anderen diese Zahlen vermitteln! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Nun aber zum eigentlichen Bericht. Er ist meiner Ansicht nach sehr übersichtlich und umfassend gestaltet und bezieht sich auf einen Zeitraum, der entscheidend war, denn in diesem Zeitraum konnten wesentliche Veränderungen im Bundesheer positiv abgeschlossen werden. Die neue Situation wurde rechtzeitig zutreffend beurteilt, das hat der Herr Bundesminister bereits erwähnt: Wir waren in Österreich – selbstverständlich auch aufgrund unserer exponierten Lage – die ersten, die sich mit der neuen Situation in Form einer militärischen Beurteilung beschäftigten, und als Folge dieser Beurteilung der neuen Situation gab es die Heeresgliederung-Neu, die in dem Zeitraum von 1992 bis 1995 vom Papier in die Realität umzusetzen war.

Es ist für mich selbstverständlich, daß infolge derart gewaltiger Veränderungen vor allem bei den Betroffenen größte Unsicherheit herrschte. Heute ist diese Umstellung abgeschlossen. Wir können auch in Kontakt mit Betroffenen ruhigen Gewissens behaupten, daß diese Veränderungen ohne Einschränkung der Einsatzbereitschaft – das ist für ein Heer besonders wichtig – und ohne größere personelle Härten durchgeführt werden konnten. Dafür gilt mein besonderer Dank dem Herrn Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend. Von dieser Stelle aus: Danke für die Bewältigung dieser großen Aufgabe! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben mit Verteidigungsminister Dr. Fasslabend einen Minister, der die Situation sehr genau kennt und sich durch sein Beharrungsvermögen auszeichnet. Als ein Detail am Rande möchte ich erwähnen, daß Dr. Fasslabend der längstdienende Verteidigungsminister der Zweiten Republik ist. Das zeigt seine Härte und Standfestigkeit in einer sehr schwierigen Situation. Auch für dein Beharrungsvermögen: Danke schön! (Beifall bei der ÖVP.)

Womit ich mich in erster Linie beschäftigen möchte – auch das wurde von Kollegen Gudenus eher negativ angesprochen –, ist die Ausbildungsreform. Kollege Gudenus sagte, das wäre eigentlich nur eine Namensänderung gewesen, ein Etikettenschwindel, könnte man sagen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das habe ich nicht gesagt!) Sie haben es nicht in der Form gesagt, nennen wir es also wertneutral einen Etikettentausch. Meiner Ansicht nach war diese Ausbildungsreform höchst notwendig, und sie findet – auch das hat der Herr Bundesminister bereits in seinem Debattenbeitrag gesagt – zunehmend internationale Beachtung. Immer mehr ausländische Delegationen aus dem NATO-Bereich, aber auch aus den neuen Demokratien Ostmitteleuropas kommen zu uns an die Heeresunteroffiziersakademie, an die Fachhochschule der Theresianischen Militärakademie oder an die Landesverteidigungsakademie, um dieses Ausbildungsmodell an Ort und Stelle zu studieren.

Das Entscheidende für mich ist – und das kann ich sagen, denn das haben wir gemeinsam, Herr Oberst Gudenus, daß wir einen gewissen Einblick in das Bundesheer haben –, daß die Maßnahmen zur Ausbildungsreform bereits greifen. Der größte Kritikpunkt von Soldaten, in erster Linie von Grundwehrdienern, war, daß sie sich zu wenig pädagogisch behandelt fühlten. Es ist für mich das Entscheidende, daß die Ausbildungsreform gerade in diesem Punkt angesetzt hat.

Wir können heute mit Stolz und Freude im Hohen Haus feststellen: Wir verfügen über ein hervorragendes und zukunftsweisendes Ausbildungsmodell. Im Detail wird die Ausbildung der Soldaten in zwei Hauptabschnitte gegliedert, in die Basisausbildung und die Verbandsausbildung. Während der Basisausbildung lernt der Grundwehrdiener die Aufgabenbewältigung, zuerst in der Einzelausbildung das, was jeder Soldat wissen muß, und dann das Einfügen und Einordnen in das kleinste Organisationselement wie Schützengruppe, Geschützbedienung oder Panzerbesatzung. Diese beiden Abschnitte umfassen vier Monate.

Ab dem fünften Monat beginnt die Verbandsausbildung auf Zugsebene bis hin zur Kompanie. Ab diesem Zeitpunkt kann der Soldat bereits für kleinere Aufgaben wie Assistenzeinsätze und ähnliches herangezogen werden. Der springende Punkt ist, daß aus der Friedensgliederung direkt


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die Einsatzgliederung erwächst. Das halte ich für den entscheidenden und wesentlichen Vorteil gegenüber der alten Situation.

Eine wesentliche Steigerung in der Qualität der Ausbildung wird durch den Einsatz von Simulatoren erreicht. Durch die Verwendung von Simulatoren wird auch ein wichtiger Beitrag im Hinblick auf Umweltschutz und Sicherheit gewährleistet. Es wird dadurch die Motivation für Gefechts- und Schießausbildung wesentlich gehoben. Letztlich ist die Arbeit mit Simulatoren auch finanzgünstig.

Ich sagte es bereits und komme damit allmählich zum Schluß: Wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren einer neuen und zeitgemäßen Ausbildung ist die Neugestaltung der Kaderausbildung. Vor allem die Ausbildung zum Berufsunteroffizier ist für mich das Entscheidende. Nach dem abgeschlossenen Grundwehrdienst und einer vorbereitenden Kaderausbildung wird der Berufsunteroffiziersanwärter zentral für ganz Österreich an der Heeresunteroffiziersakademie in Enns ausgebildet. Das hat den großen Vorteil, daß es – zumindest von der Ausbildung her – kaum mehr Unterschiede gibt, wenn einer dann in Tirol, in der Steiermark oder in Niederösterreich eingesetzt wird. Die Ausbildung ist zentral und wird nach modernsten Gesichtspunkten der Menschenführung und der Pädagogik durchgeführt.

Das ist für mich das Entscheidende, daß gerade der Unteroffizier, der als Kommandant in überschaubaren Bereichen mit den Menschen unmittelbar zu tun hat, die entsprechende, fundierte Ausbildung erhält. Die Offiziersausbildung muß selbstverständlich darübergestülpt sein und erfolgt – auch darüber bin ich froh – jetzt an der Fachhochschule der Theresianischen Militärakademie in einem entsprechenden Fachhochschullehrgang. Die höhere Offiziersausbildung – wie Generalstabs- oder Kommandantenkurse – hat ihren Ort nach wie vor an der Landesverteidigungsakademie.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Ausbildung unserer Wehrpflichtigen, vom Wehrmann bis zum Stabsoffizier, infolge der Ausbildungsreform sehr hohes Niveau besitzt und nicht zuletzt hauptverantwortlich dafür ist, daß unsere Soldaten für ihren Ausbildungsstand bei Inlands- und Auslandseinsätzen stets ein hervorragendes Zeugnis erhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

13.04

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister für Landesverteidigung! Meine Damen und Herren! So wie mein Vorredner es seinerseits getan hat, werde auch ich an meinem Vorredner anschließen, nämlich an Kollegen Tusek. Herr Kollege! Sie können versichert sein: Wir sind für das Bundesheer, wir sind für die Sicherheit dieses Landes, wir sind für die Sicherheit der Menschen dieses Landes. Deswegen mühen wir uns auch mit Entschließungsanträgen oder Debattenbeiträgen so ab. Hin und wieder verstehen Sie es, aber manchmal verstehen Sie es leider nicht. Ich werde auf Beispiele zu sprechen kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine für mich sehr wichtige und gravierende Frage hat Kollege Meier gestellt. Er hat sinngemäß gesagt: Landesverteidigung unbestritten – aber woher soll man das Geld nehmen? – Da werden immer wieder erhöhte Summen gefordert. In diesem Zusammenhang meinte Kollege Drochter in seinem Debattenbeitrag, daß das im Plan für die umfassende Landesverteidigung eindeutig und sicher niedergeschrieben sei. Die Sicherheit unseres Landes, die Sicherheit der Menschen hat für uns höchste Priorität, und nach dieser Prioritätseinstufung hätten wir auch bei der Budgetzuteilung vorgehen müssen, meine Damen und Herren!

Leider Gottes ist das nicht geschehen. Nicht aus Unwissenheit – manchmal aus Fahrlässigkeit, manchmal aber auch mit Vorsatz, denn anders kann ich mir das nicht vorstellen. Das Wehrbewußtsein der Bevölkerung ist an und für sich ein sehr gutes. Das Bekenntnis der Menschen zu diesem Land ist ein hervorragendes, das wird uns selbst von Bill Clinton bescheinigt. Nur die


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politischen Parteien lassen es manchmal daran mangeln, etwa dann, wenn über das Bundesheer diskutiert wird und ein Klubobmann einer – noch – großen Partei sagt: Luftraumüberwachungsflugzeuge brauchen wir eigentlich nicht (Bundesrat Meier: Richtig!), sondern wir stellen Raketen auf und schießen feindliche Flugzeuge herunter. – Er hat nicht gesagt, daß wir sie herunterschießen sollten, aber das ist der Zweck. So denkt ein Mann, der einer Partei angehört, die sich sehr für Frieden und Menschenachtung einsetzt. (Bundesrat Meier: Ist das ein Gegensatz?)

Das ist in dem Fall für mich ein sehr starker Gegensatz. Denn wenn Sie diese Waffe einsetzen, führt das absolut zum Tod eines Kombattanten. Oder eine andere Sache ... (Bundesrat Prähauser: Aber jede Waffe führt, wenn sie eingesetzt wird, zu einem Todesfall, wenn man trifft!) Ich denke, mit einem Luftraumüberwachungsflugzeug kann man kontrollieren und auch abschrecken und muß nicht sofort bis zum Äußersten gehen. (Bundesrat Prähauser: Denken Sie an Angola!) Jedenfalls war das ein ausgesprochen ungeschickter Vorschlag, angesichts dessen sich die Menschen ihren Teil darüber denken müssen, wie die Wertigkeit der Landesverteidigung in gewissen politischen Parteien angesiedelt ist.

Heute wurde einiges über die Neutralität gesagt. Meine Damen und Herren! Sie können sicher sein, daß es auch uns mit diesem Gesetz selbstverständlich ernst ist. Aber wir haben die Realität zu betrachten. Nicht nur unsere eigene Meinung ist dabei maßgeblich, sondern auch die Meinung anderer, die Meinung des Auslandes. Wie aber betrachten uns andere? – Erinnern Sie sich, wie Herr Stoffelen, ein Mitglied des Verteidigungsausschusses der WEU, hier zu Besuch war und ungefragterweise zu sagen wagte, daß sich die Österreicher endlich einmal darüber klarwerden müssen, wie sie zur Neutralität stehen, wenn sie zur EU gehen. Der Herr Bundesminister hat bereits ausgeführt, was das bedeutet, wenn wir bei der EU sind und uns nur von einem Bereich fernhalten, nämlich dem Bereich der Sicherheit, der Verteidigung der EU. Herr Stoffelen sagte, er vergleiche diese Diskussion und dieses Denken, das in Österreich geübt wird, mit einer Jungfrau, die bereits sieben Kinder hat. Damit ist umschrieben ... (Bundesrätin Schicker: Also bitte!)

Das ist nicht von mir, Frau Kollegin, das ist von Herrn Stoffelen. Damit ist also umschrieben, wie das Ausland über diese Dinge denkt. Wir sollten auch darüber nachdenken. Oberste Priorität – ich achte das, was Kollege Drochter gesagt hat – ist die Sicherheit unseres Landes. Daher sollten wir uns jenes Bündnis aussuchen, das derzeit das einzige auf der Welt ist, das die Sicherheit und den Frieden garantiert.

Herr Bundesminister! Ich hoffe und – Sie erhielten von Ihrer Fraktion starken Applaus für Ihre Aussagen – danke Ihnen auch dafür, daß Sie unseren Entschließungsantrag grundsätzlich goutiert haben. Sie haben dazu einige Anmerkungen gemacht. Ich erhoffe allerdings von Ihrer Fraktion, daß nicht nur die applausmäßige Zustimmung gegeben ist, sondern daß Sie sich endlich einmal ein bißchen aus den Koalitionsfesseln herauswagen und möglicherweise einmal zustimmen, damit es nicht wieder zu so etwas kommt: Genau das, was heute Herr Minister Fasslabend gesagt hat, haben wir letztes Mal in einen Entschließungsantrag gekleidet, und bums – da hat er mir wirklich leid getan – wurde er von seiner Fraktion im Regen stehengelassen. (Bundesrat Bieringer: Uns kommen die Tränen!)

Diese sollten dir schon kommen, wenn du den eigenen Minister, wenn er eine tatsächlich richtige und gediegene Aussage trifft ... (Bundesrat Bieringer: Das wissen wir ganz genau!) Wenn du als Fraktionsobmann ihn jetzt noch einmal allein läßt, überlege dir, ob nicht deine Kollegen sagen: Paß auf, lieber Ludwig, so können wir das nicht machen, immer können wir den Minister nicht allein lassen! (Bundesrat Bieringer: Du bekommst nicht einmal Applaus von deiner Fraktion! – Weitere Zwischenrufe.)

Wir alle zusammen bilden ein Gremium, nämlich den Bundesrat, und ich darf mir auch den Kopf darüber zerbrechen, wie es um dessen Geschick steht. Ich möchte auch nicht haben, daß Sie – die ÖVP – immer nur talab und bergab fahren. Irgendwann sollten Sie sich auch einmal erfangen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Und wenn Sie noch so singen, der Herr Minister wird das Fensterl nicht aufmachen! – Weitere Zwischenrufe.)


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Ich darf nunmehr zum Situationsbericht kommen. Herr Minister! Ihren allgemeinen Ausführungen darüber kann ich nicht beipflichten. Der Situationsbericht ist vernebelnd, verdeckend und entspricht nicht der Realität. Sie haben als positives Beispiel die Ausbildung genannt. Jawohl, das hat sich teilweise geändert. Sie haben über gewisse Ausrüstungsbereiche gesprochen. Ein schlagendes Gegenargument – obwohl er das sicherlich nicht im Sinn hatte – hat Kollege Tusek mit der Panzerwaffe der Schweiz gebracht. Vergleichen Sie das auch mit den anderen Anrainerstaaten, dann werden Sie draufkommen, daß wir dabei die kleinsten der Kleinen sind, und zwar nicht nur beim Budget, bei dem wir mit 0,85 Prozent des Bruttoinlandsproduktes hinter Luxemburg die letzten in ganz Europa sind. Soviel wenden wir für unsere Sicherheit auf, daß wir diesbezüglich die letzten sind! Wir wollen immer die ersten sein. Das müßte uns ein bißchen mehr wert sein.

Ich darf Sie weiters auf einige Dinge hinweisen, die man aus dem Sicherheitsbericht direkt herauslesen kann. Sie verfügen über eine relativ kurzzeitig verfügbare Einsatztruppe von rund 15 000 Mann: 10 000 Mann Kaderpersonal, 5 000 aus dem Milizbereich. Diese sollten verfügbar sein, sind es aber nicht, und ich darf Ihnen auch den Grund dafür sagen. Sie wenden derzeit für den Schutz von 1 250 Kilometer Außengrenze 2 000 Mann auf und haben in Ihrem Konzept weitere 400 Mann für die Nordgrenze vorgesehen. Rund 1 000 Leute befinden sich im Auslandseinsatz. Gleich in der nächsten Zeile kommen Sie darauf zu sprechen, daß das Bundesheer, wenn es irgendwo Brennpunkte oder Gefahrenstellen gibt, demonstrative Präsenz zeigen wird. Was heißt das? Ist vielleicht ein Soldat eine demonstrative Präsenz?

Herr Minister! Ich denke, dieser Bereich ist eindeutig zu niedrig angesetzt. Es wäre Ihnen gut angestanden, wenn Sie es wie bei Ihrem NATO-Beitrag gehalten hätten. Wenn eine Meinung richtig ist, dann wird man nicht immer gleich Zustimmung finden. Das kommt langsam, und das ist notwendig in einem demokratischen Land wie Österreich oder auch in der Koalition: Da müssen eben alle beide zustimmen, wie in einer Ehe, auch wenn es kriselt. Aber in diesem Fall hätten Sie die Wahrheit sagen können: Es liegt eine Unterdotierung vor. – Das mit "Verzichtsplan" zu umschreiben, ist zuwenig, Herr Minister!

So könnte man hier auf einige Dinge hinweisen. Ich greife das Thema Überwachungsflugzeuge heraus, weil es heute nur ganz kurz angesprochen worden ist. In dem Bericht steht, daß 1998 der letztmögliche Zeitpunkt ist, zu dem eine Entscheidung fallen muß. Die Entscheidungsvorbereitung für den Ankauf des damals gewählten Abfangjägers Draken hat drei Jahre in Anspruch genommen. Daher stimmte die zeitliche Vorgabe nicht mehr, die Sie angeben.

Ich möchte noch andere Beispiele erwähnen. Ich bin als kleiner österreichischer Staatsbürger wie auch als Reserveoffizier durchaus stolz auf den Ausbildungsgrad unserer Soldaten, aber es erschreckt mich, wenn ich sehe – dabei werden die Argumente verkehrt –, wie leichtfertig und wie schlecht mit Material ausgestattet unsere Soldaten manchmal ins Ausland geschickt werden. Erinnern Sie sich an den Bosnien-Einsatz! Monatelang mußte das Material teilweise im Ausland angefordert werden, auch mußte diese Transportkompanie in Gratkorn erst einigermaßen kugelsicher gemacht werden. Was ist, wenn wir irgendwo anders solch ein Fahrzeug brauchen? – Wir haben gar keines. Derzeit haben wir so etwas nicht zur Verfügung, und es ist einfach unverantwortlich, unsere durchaus gut ausgebildeten Soldaten sich mit schlechtem Material der Realität stellen zu lassen. Das ist das tatsächliche Problem.

Herr Minister! Ich hätte erwartet, daß Sie in dem Situationsbericht – deshalb muß man nicht gleich zurücktreten – schonungslos die Wahrheit sagen und ebenso schonungslos aufzeigen, daß wir nicht nur chronisch unterdotiert sind, sondern daß es zu viel zum Sterben und zu wenig zum Leben ist, was derzeit im Budget dafür vorgesehen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Um solche Offenheit möchte ich Sie bitten. Ob das eine Koalitionsfrage ist oder nicht, das ist Ihr Problem. Aber es ist eine Frage der Sicherheit unseres Landes, und es geht darum, daß Sie die Sicherheit unseres Staates, die Sicherheit unserer Menschen mit einem entsprechend ausgestatteten Bundesheer zu einer besonderen Priorität der nächsten Verhandlungen machen. Das würde ich mir wünschen. Leider Gottes, Herr Minister, können wir – wie schon die Vorredner aus


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meiner Fraktion ausgeführt haben – auch aus diesem Grund den Situationsbericht nicht zustimmend zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen auf Fassung einer Entschließung zum gegenständlichen Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend den Situationsbericht 1996 vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit des Hauses.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung ist daher nicht angenommen. (Bundesrat Konečny: PfP-plus!)

2. Punkt

Außenpolitischer Bericht 1996 (III-164 und 5533/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Außenpolitischer Bericht der Bundesregierung für das Jahr 1996.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Jaud übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Gottfried Jaud: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Dies ist der Bericht des Außenpolitischen Ausschusses zum Außenpolitischen Bericht 1996.

Am 12. Juni 1997 wurde der gegenständliche Bericht, der sich in die Abschnitte Europa, außereuropäischer Raum, universelle Zusammenarbeit, Weltwirtschaft, österreichische Entwicklungszusammenarbeit, internationale Abrüstung und Rüstungskontrolle, globaler Umweltschutz, Auslandskulturpolitik, humanitäre Dimension in den internationalen Beziehungen, rechtliche Dimension der österreichischen Außenpolitik, Medien und Information sowie österreichischer auswärtiger Dienst gliedert, dem Bundesrat zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung unterbreitet.

In einem Vorwort betont der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten die enge Verflechtung der wichtigsten politischen Fragen, die das neue Europa beschäftigen. Innerhalb der Europäischen Union sei zum Beispiel klargeworden, wie wichtig ein erfolgreicher Verlauf der Regierungskonferenz ist, um den Boden für die Aufnahmen neuer EU-Mitglieder zu bereiten. 1996 habe sich aber auch gezeigt, wie sehr der Erweiterungsprozeß der Union mit jenem der NATO in einem geopolitischen Gesamtzusammenhang steht, sei doch beiden das Ziel gemeinsam, die neuen Demokratien Zentral- und Osteuropas dauerhaft am europäischen Friedens- und Stabilitätsverbund teilhaben zu lassen.

Weiters unterstreicht der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, daß im Europa unserer Tage Sachfragen nicht unabhängig von der Beantwortung institutioneller Fragen gelöst


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werden könnten. Die Erfahrungen des tragischen Konflikts auf dem Balkan haben gezeigt, daß Ideen eines völlig neuen "umfassenden europäischen Sicherheitssystems" keine realistische Perspektive darstellen. Die künftigen europäischen Sicherheitsstrukturen werden viel eher auf einem dichteren – arbeitsteiligen – Zusammenwirken der bestehenden globalen und regionalen Organisationen und Foren, also insbesondere der Vereinten Nationen, der OSZE, der Europäischen Union, der WEU und der NATO, basieren. Der – vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen autorisierte und von der NATO geleitete – multinationale Friedenseinsatz in Bosnien und Herzegowina habe außerdem aufgezeigt, wie entscheidend das solidarische Zusammenwirken der Demokratien Europas und Nordamerikas für die Sicherheit dieses Kontinents ist und bleibt.

Österreich sei in dieses – sachlich und strukturell so vielfältig verflochtene – Geschehen heute insbesondere in seiner Eigenschaft als Mitglied der Europäischen Union eingebunden. Durch diesen Status habe Österreich seit 1995 auch tatsächlich die Möglichkeit, entscheidende europäische Zukunftsfragen, zu denen 1996 neben den Themen der Regierungskonferenz und der EU-Erweiterung insbesondere auch die Vorbereitung auf die Währungsunion gehört hat, gleichberechtigt mitzugestalten.

Besonders hervorzuheben sei auch, daß Österreich seine Stellung als Mitglied der Union wirkungsvoll für Initiativen im multilateralen Bereich nutzen konnte. Hierbei sei unter anderem der Einsatz zur vollständigen Ächtung von Anti-Personenminen und für ein umfassendes Verbot von Atomtests hervorzuheben.

Vor diesem Hintergrund könne dem – für das zweite Halbjahr 1998 anstehenden – Vorsitz Österreichs in der Europäischen Union mit Zuversicht entgegengesehen werden. Der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten verlieh auch seiner Überzeugung Ausdruck, daß Österreich diese große Aufgabe erfolgreich meistern könne und der Verantwortung, in einer besonders wichtigen Phase des europäischen Integrationsgeschehens durch ein halbes Jahr "Gesicht und Stimme in der Union" zu sein, angemessen gerecht werden werde.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 30. September 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Riess-Passer. – Bitte.

13.24

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Der Außenpolitische Bericht, den wir heute diskutieren, hat zwar einen schönen neuen und bunten Umschlag erhalten, der Inhalt wurde dagegen im Vergleich zu den Vorjahren um die Hälfte gekürzt. Kürzer heißt in diesem Fall leider nicht etwa prägnanter oder kompakter, sondern vor allem weniger, und zwar nicht nur im buchstäblichen, sondern auch im übertragenen Sinn des Wortes. Es heißt ganz konkret, weniger Außenpolitik, es heißt konkret, weniger Konsens in der österreichischen Außenpolitik – eine Tradition, die Österreich über Jahrzehnte und oft auch mit großem Erfolg gepflegt hat –, und zwar Konsens nicht nur zwischen der Regierung und der Opposition, sondern auch Konsens zwischen den Regierungsparteien. Aber nicht einmal davon kann heute mehr die Rede sein.

Der mehr als blamable Zickzackkurs der österreichischen Bundesregierung in der Frage NATO- und WEU-Beitritt ist heute schon angesprochen worden. Der NATO-Beitritt ist kein Thema, läßt zunächst der Herr Bundeskanzler die Öffentlichkeit im In- und Ausland wissen. Wenige Tage später tritt der Außenminister bei der NATO auf und bettelt geradezu um eine Einladung zu Beitrittsgesprächen. Kaum daß er seine Rede beendet hat, läßt der Klubobmann der SPÖ, Kostelka, via Medien wissen, daß der Herr Außenminister völlig falsch liege und genau das Gegenteil richtig sei, worauf der Herr Verteidigungsminister erklärt, nicht Kostelka, sondern Schüssel habe recht, und im übrigen verhalte sich das Verteidigungsministerium ohnehin schon längst so, als


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wären wir in der NATO. Während Fasslabend in braver Koalitionsdisziplin von seiner eigenen Partei zurückgepfiffen wird, sieht inzwischen der Bundeskanzler diese Frage gar nicht mehr so eng und sagt: Einen NATO-Beitritt sollte man eigentlich schon einmal diskutieren.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Weiß denn hier die rechte Hand überhaupt noch, was die linke tut und umgekehrt? Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, welch verheerendes Schauspiel der Unzulänglichkeit Sie dem Ausland bieten? Können Sie sich vorstellen, wer die österreichischen Regierungsvertreter auf dem internationalen Parkett überhaupt noch ernst nehmen soll? – Ganz abgesehen davon kann die österreichische Außenpolitik wirklich nicht die Privatsache einzelner Regierungsmitglieder sein. Da gibt es schließlich noch ein Parlament, meine Damen und Herren, Außenpolitische Ausschüsse im Nationalrat und Bundesrat, einen Außenpolitischen Rat, in denen die außenpolitische Linie abgesprochen und ein Konsens darüber hergestellt werden muß.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich möchte Sie mit Nachdruck auffordern, den Parlamentarismus gerade in dieser für unser Land so eminent wichtigen Frage der Außen- und Sicherheitspolitik ernstzunehmen und die österreichische Außenpolitik nicht zum Kabarett des Boulevards verkommen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was den Außenpolitischen Bericht betrifft, so hätte ich, sehr geehrte Frau Staatssekretärin, auch sehr gerne eine Antwort darauf, warum die Frage der Entwicklungen auf dem Gebiet der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion ersatzlos aus dem Bericht 1996 gestrichen wurde. Es kann doch nicht so sein, daß die Entwicklungen in Rußland, in der Ukraine, in Belarus und in anderen Staaten für Österreich ohne Belang sind. Auch die Kapitel Weltenergieversorgung, die internationalen Finanzinstitutionen, die Vertragsübersicht und eine Reihe anderer wichtiger Punkte wurden ohne Angabe von Gründen gestrichen, und die Auslandskulturpolitik wurde auch halbiert.

All das sind Indizien einer negativen Entwicklung in der österreichischen Außenpolitik, die im wesentlichen auf zwei Hauptursachen zurückzuführen ist: einerseits auf den fehlenden Konsens und die fehlende Konzeption einer langfristigen Außen- und Sicherheitspolitik und andererseits auf einen Außenminister, welcher der Ämterkumulation von Außenminister, Vizekanzler und Parteiobmann immer weniger gewachsen ist. Außenminister zu sein ist kein Halbtagsjob und keine nebenberufliche Tätigkeit, sondern erfordert 100prozentigen Einsatz, starke Nerven und – auch das muß einmal gesagt werden – gutes Benehmen und Glaubwürdigkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hier gibt es gravierende Defizite, die näher auszuführen ich Ihnen, mir und dem Protokoll ersparen möchte, die aber in so massiver Weise zutage getreten sind, daß sie nicht nur die Handlungsfähigkeit des Außenministers selbst, sondern der österreichischen Außenpolitik insgesamt in Mitleidenschaft ziehen. Die Glaubwürdigkeit des Herrn Außenministers hat sich längst dem Nullpunkt genähert, und zwar nicht nur, was seine von mehreren Augen- und Ohrenzeugen widerlegten Rechtfertigungen betrifft, sondern auch, was seine politische Glaubwürdigkeit gegenüber der österreichischen Bevölkerung betrifft.

Was die österreichische Außenpolitik dringend braucht, ist eine realistische und ehrliche Standortbestimmung, die auch der neuen geopolitischen Situation nach dem Wegfall der bipolaren Weltordnung Rechnung trägt. Im Zentrum aller Überlegungen muß die Erhöhung der Sicherheit des eigenen Landes stehen. Dazu haben meine Kollegen bei der Debatte über die Landesverteidigung schon ausführlich Stellung genommen. Wer glaubt, unter Berufung auf unsere EU-Mitgliedschaft auf eine eigenständige außenpolitische Rolle verzichten zu können, irrt. Wenn es nach der Ära Mock überhaupt so etwas wie eine Grundausrichtung der österreichischen Außenpolitik gab, dann höchstens jene, in Brüssel zum umgänglichsten Musterschüler zu gehören. Wir sitzen schweigend und gelähmt in Brüssel, hat der ehemalige Generalsekretär der Industriellenvereinigung und nunmehrige österreichische Botschafter in Paris, Ceska, sehr treffend festgestellt. Ohne Wenn und Aber in die EU, war 1994 die Devise, ohne Wenn und Aber in den Euro, heißt es heute.


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Selbst Wirtschaftsminister Farnleitner hat unumwunden zugegeben, daß wir aufgrund der mangelhaften Beitrittsverhandlungen in die Förderfalle getappt sind – so hat er das genannt –, mit all den negativen Folgen für den Arbeitsmarkt, die Landwirtschaft und den Tourismus in Österreich.

Angesichts dieser mehr als mageren Ergebnisse stellt man sich dann schon auch die Frage, warum Österreich bei allen EU-Tagungen einen im Vergleich mit anderen Staaten absolut überdimensionierten Konferenztourismus auf Kosten der Steuerzahler betreibt.

Der Herr Bundeskanzler hat auf meine schriftliche Anfrage betreffend den Europäischen Rat in Amsterdam wie folgt geantwortet: Zum Europäischen Rat nach Amsterdam haben mich der Herr Vizekanzler, ein Bundesminister, zwei Staatssekretäre, vierzehn Beamte, zehn weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie drei Sicherheitsbeamte begleitet, die Journalisten noch gar nicht eingerechnet. – Das ist eine ganz nette Truppe, wenn man sich das so anschaut. Der Witz dabei ist aber, daß an den Verhandlungen des Europäischen Rates nur die Regierungschefs und Außenminister teilnehmen dürfen. Es wäre daher wirklich nett, zu erfahren, wie sich denn die übrigen Herrschaften ihre Zeit in Amsterdam vertrieben haben. Alleine die Flugkosten, die der Steuerzahler aus seiner Tasche berappen mußte, belaufen sich auf sage und schreibe 313 500 S, die Gesamtkosten des trauten Wochenendausfluges liegen noch gar nicht vor.

Das, meine Damen und Herren, ist leider kein Einzelfall, genausowenig wie die Tatsache, daß zu den wichtigen Ministerratstagungen der EU überhaupt kein österreichischer Regierungsvertreter fährt. Hier liegt vieles im argen. Ich möchte Ihnen, Frau Staatssekretärin, persönlich keinen Vorwurf machen, weil ich weiß, daß Sie die undankbare Aufgabe haben, die häufigen Absenzen des Außenministers, so gut es geht, wettzumachen, daß Sie in Wahrheit seine Arbeit tun, und ich fände es daher nur recht und billig, wenn jener, der ohnehin die Arbeit macht, auch das Amt innehätte.

Ich möchte mich abschließend im Namen meiner Fraktion bei den Beamten des Außenamtes bedanken, die ihre Arbeit unter immer schwierigeren Bedingungen machen müssen, vor allem dann, wenn es keine klaren Vorgaben und Zielsetzungen gibt. Hier ist die Regierung gefordert, und ich würde mir wünschen, daß Sie sich nach den unerfreulichen Entwicklungen der letzten Zeit endlich auch wieder darauf besinnen – im Interesse der Sicherheit und Zukunft unseres Landes. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konečny. – Bitte.

13.33

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Wie jedes Jahr ist – dieser Satz ist natürlich ein vielfältiges Zitat aus vielen Jahren – die Diskussion über den Außenpolitischen Bericht nicht nur ein Anlaß, über dieses wichtige Dokument zu sprechen, sondern sie bietet auch die Gelegenheit zu einer außenpolitischen Grundsatzdebatte. Ich glaube – im Gegensatz zu Kollegin Riess –, daß die Straffung des Inhaltes dem Außenpolitischen Bericht in seiner Verwendbarkeit gutgetan hat. Ich glaube auch, daß bei der praktischen Nutzung dieses Dokuments die Tatsache berücksichtigt werden muß, daß Originaldokumente weiterhin im Rahmen der außenpolitischen Dokumentation zur Verfügung stehen. Dieses Gesamtwerk ist eine sehr gut verwendbare und nützliche Arbeitsunterlage. – Ich glaube, es geht zunächst einmal darum, all jenen, die in der Vergangenheit und in diesem Jahrgang diese wichtige Grundlage erarbeitet haben und sich diese Straffung angetan sein ließen, einen herzlichen Dank zu sagen.

Der Außenpolitische Bericht ist aber naturgemäß nicht ein Werk für sich, sondern ein Bericht über die österreichische Außenpolitik. Es ist keine Frage, daß wir vor einer Reihe schwieriger – also nicht nach dem Motto: laßt uns nur einen Konsens finden, das geht doch ohne weiteres – und unter Abwägung aller Optionen zu treffenden Entscheidungen stehen, die vorbereitet wurden und weiter vorzubereiten sind. Es ist zum zweiten so, daß die staatliche Politik nun seit drei Jahren in ein Gefüge eingebunden ist, dem wir mit Überzeugung und mit Begeisterung beige


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treten sind, das aber natürlich eine Reihe von Technizitäten, die nicht Teil unserer Kultur waren, enthält, an die wir uns zu adaptieren haben.

Wir haben uns nicht ohne Startschwierigkeiten, nicht ohne einen gewissen Kulturschock, weil es halt unterschiedliche Usancen, Gewohnheiten, Vorgangsweisen gegeben hat, aber in sehr wirkungsvoller Weise in die EU einpassen können. Mag sein – das hören wir manchmal –, daß da und dort, vielleicht als Erbe aus der Anfangszeit, vielleicht aber auch auf die eine oder andere aktuelle Erfahrung unserer Partner zurückgehend, der Vorwurf oder zumindest die leise Kritik laut wird, daß Österreich zwar durchaus wirkungsvoll dort agiert, wo es um die Vertretung seiner eigenen Interessen im Gefüge der EU geht, aber daß die Beiträge zur Entwicklung einer initiativen Unionspolitik nicht gleich initiativ, sozusagen nicht gleich vom Herzen kommend sind. Dieser Vorwurf mag da und dort berechtigt gewesen sein.

Ich glaube, daß die österreichische Präsidentschaft, die in kurzer Zeit von uns wahrgenommen werden wird, den Beweis dafür erbringen muß – das wird für unser Standing in der Europäischen Union von größter Bedeutung sein –, daß wir nicht nur, wie ich hoffe, talentierte und wirkungsvolle Vertreter unser eigenen Interessen sind – wofür man sich wahrlich nicht zu schämen braucht –, sondern daß wir sehr wohl initiativ, konzeptiv, für die gesamte Union mitzudenken in der Lage sind und vielleicht auch in der einen oder anderen Frage mittels einer österreichischen Initiative die anderen mitreißen können.

Dabei ist klar, daß insbesondere die Frage der Osterweiterung der Union eine Frage ist, bei der viele Augen auf Österreich gerichtet sind. Ich glaube, daß wir gut daran tun, einerseits diese, wenn man so will, Expertenrolle, die uns schon aufgrund geographischer Nähe, langer gemeinsamer Geschichte und doch auch enger kultureller Verbundenheit zugemutet wird, anzunehmen, andererseits dürfen wir uns aber nicht in die Rolle drängen lassen, gewissermaßen der Fachreferent für dieses Thema zu sein, denn eines muß klar sein: Europa – und natürlich auch Österreich – hat ein vitales Interesse daran, daß das Werk der Osterweiterung gelingt, daß die Wiedervereinigung dieses Kontinents – darum geht es letztlich – in jenem Staatenverband der Europäischen Union erfolgen kann, der das einzige glaubwürdige Projekt der wirtschaftlichen Prosperität und der Friedenspolitik auf diesem Kontinent ist. Daß diese Öffnung, dieses künftige Zusammenwachsen im höchsten Maße den politischen, aber auch den ökonomischen Interessen dieses Landes entgegenkommt, braucht im Detail nicht diskutiert zu werden.

Aber ebenso klar ist, daß es nicht darum gehen kann, ein falsches – und zwar für beide Seite dieses Prozesses falsches – Tempo einzuschlagen, das letztendlich die Ökonomie Österreichs und der EU-Staaten, aber genauso die Ökonomie der Beitrittsstaaten beschädigen und damit tiefgreifende und gerade in den Beitrittsstaaten explosive Enttäuschungen hervorrufen würde.

Wir merken heute schon, wenn wir in diesen Ländern politisch tätig sind ... – Kollege Königshofer, ich will Sie ja nicht stören, aber wenn Sie schlafen wollen, dann bitte außerhalb des Saales. (Bundesrat DDr. Königshofer: Ich höre Ihnen schon zu!)

Gut, dann hören Sie mit geschlossenen Augen zu. Das mag die Konzentrationsfähigkeit erhöhen, ich fühle mich dadurch schon ein wenig gestört, ich gebe das freimütig zu. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ganz so spannend ist das auch nicht, was Sie da sagen!) – Frau Kollegin! Ich nehme es schon mit Ihnen auf!

Wenn wir also in diesen Länder reisen, dann merken wir natürlich, wie sich auch heute, ohne Beitritt, in vielen dieser Länder Enttäuschung, auch Ärger, auch Zorn bemerkbar machen, weil die wirtschaftlich potenteren Unternehmen Westeuropas, auch und gerade österreichische Unternehmen, was uns wieder sehr freut, durch Firmenaufkäufe, durch Produktionsausweitungen dort nicht nur Arbeitsplätze schaffen – was auch anerkannt wird –, sondern natürlich auch ein Stück Verdrängung traditioneller Unternehmenskultur und nationalen Eigentums bedeuten. Wenn ich mir die ökonomische Leistungskraft dieser Volkswirtschaften und den Wegfall jeglicher Barrieren vorstelle, dann ist mir auch klar, daß sich der Prozeß bei einem vorzeitigen Beitritt gewaltig beschleunigen würde – mit sehr heiklen und sehr kritischen politischen Folgen in


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diesen Ländern, jedenfalls aber mit keinen Folgen, die dem europäischen Einigungsprozeß förderlich wären.

Ebenso ist natürlich auch auszusprechen, daß es angesichts der Situation auf dem westeuropäischen Arbeitsmarkt unvorstellbar ist, die Freizügigkeit von Arbeitskräften auch nur gegenüber den jetzt in den engeren Kreis der Beitrittskandidaten gezählten Staaten von einem Tag auf den anderen und in kurzer Frist aufzuheben. Die Begeisterung für das europäische Einigungsprojekt darf uns weder die Interessen dieser Länder noch – das in besonderem Maße – unsere eigenen Interessen übersehen lassen. Begeisterung darf nicht blind machen!

Deshalb ist die österreichische Außenpolitik gut beraten – sie tut es, das muß ich auch anerkennend dazu sagen –, keine falschen Zeitpläne zu nennen, keine falschen Erwartungen zu wecken, denn es war am Anfang tatsächlich so, daß eine Reihe "hochmögender" westeuropäischer Politiker die kürzestmöglichen Termine genannt und die zum Teil doch für einen von einem Vollbeitritt weit entfernten Partner ermutigenden Äußerungen gemacht hat.

Nein, morgen wird das alles nicht sein können. Wir werden in einer Strategie des schrittweisen Zusammenwachsens vorgehen müssen. Die heute geschlossenen Europa-Übereinkommen werden in den Jahren bis zum Beitritt weiterentwickelt werden müssen. Die Pre-accession-Strategy der Europäischen Union, die auch bedeutet, daß Mittel dorthin transferiert werden, muß intensiviert werden. Aber der Beitritt wird am Ende dieses Prozesses stehen, und manche Rechte, wie zum Beispiel die Freizügigkeit der Arbeitskräfte – das muß ganz offen ausgesprochen werden –, werden möglicherweise noch nicht mit dem Beitritt verbunden sein.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf den Gedanken von vorher zurückkommen. Wir sollten mit Sicherheit die besondere Rolle, die uns in der Europäischen Union auf Kenntnisebene zugemessen wird, erfüllen. Ich hoffe doch sehr, Frau Staatssekretärin, daß es möglich sein wird, diese Österreich zugeschriebene Rolle auch in Zusammensetzung der Task-force sichtbar zum Ausdruck zu bringen. Aber wir sollten uns nicht in die Rolle des Fachreferenten drängen lassen, denn das, was ich aufgezählt habe, sind Gesichtspunkte, die in erster Linie vom österreichischen Standpunkt aus in den Vordergrund zu rücken sind. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wecken Sie Kollegen Gstöttner auf! Er schläft!) – Kollege Gstöttner bewegt sich, was also beweist, daß er nicht schläft.

Die anderen Mitgliedstaaten, insbesondere jene an der Südflanke der Union, haben natürlich ein sehr viel größeres Interesse an anderen Fragen, die für Österreich nicht bedeutungslos sind, aber nicht so im Mittelpunkt stehen. Wir als Nettozahler haben besonderes Interesse daran, daß unser Beitrag nicht wächst. Ein Projekt, das zusätzliche Mittel erfordert, ist nicht vorstellbar. Ein Projekt, das von den Nettozahlern denselben Beitrag wie bisher abverlangt, ihnen aber weniger zurückgibt, ist auch nicht vorstellbar. Daher – das hat die Kommission zum Ausdruck gebracht – müssen wir die Haltung vertreten, daß die innerhalb der EU fließenden Transfermittel reduziert werden und mit diesen Mitteln geholfen wird, die doch sehr viel tiefergreifenden Einkommens- und Wohlstandsunterschiede zu den Beitrittsstaaten zu überbrücken.

Ich sage deshalb, wir sollten uns davor hüten, uns allzusehr in die Rolle des Fachreferenten drängen zu lassen, denn eines ist auch klar: Das sind keine angenehmen Wahrheiten, vor allem gegenüber den Beitrittsstaaten. Ich glaube, es wäre nur fair und gerecht, jene, die diesen Standpunkt vertreten, diesen Standpunkt auch selbst den Beitrittsstaaten ausrichten zu lassen. Die Rolle des Dolmetschers in dieser Hinsicht ist wenig attraktiv.

Das ist ein langer Katalog von Problemstellungen, die gelöst werden müssen. Das ist im Detail herunterzudeklinieren, das ist ganz konkret zu verhandeln. Da gibt es logische und legitime Interessen, denen man nicht in jedem Fall folgen muß. Aber so wenig uns die Begeisterung über das Zusammenwachsen des Kontinentes für diese realen Probleme blind machen darf, so wenig darf die Beschäftigung mit den realen Problemen die Perspektive verdunkeln. Das ist auch etwas, was die Menschen in unseren Nachbarstaaten von uns erwarten, nämlich daß wir unsere grundsätzliche Bereitschaft und unsere grundsätzliche Absicht klar zum Ausdruck brin


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gen. Aber niemand erwartet von uns, daß wir unsere Interessen dabei unter den Tisch fallen lassen.

Die österreichische Präsidentschaft wird sicherlich nicht nur unter diesem Aspekt stehen und stehen können. Es wird andere Fragen geben, die sich im nächsten Dreivierteljahr entwickeln werden. Aber wir müssen gleichzeitig dazusagen, was immer das Formale und Tagesordnungsmäßige ist: Wenn wir Europapolitik ernst nehmen, wenn wir unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Union mit Leben erfüllen wollen, dann sollten wir uns sehr davor hüten, Probleme, die tatsächlich europäische sind, zu renationalisieren oder nur in einem nationalen Kontext zu betrachten.

In einem sich immer mehr vernetzenden Kontinent ist beispielsweise Arbeitslosigkeit zwar natürlich ein Problem, das sich national ausformt – nicht zufällig gibt es auch gewaltige Unterschiede, wobei Österreich zu jenen gehört, die mit diesem riesigen Problem noch relativ am besten zurechtgekommen sind –, aber die Rahmenbedingungen werden im europäischen Maßstab gesetzt.

Deshalb ist es so wichtig, daß im Vertrag vom Amsterdam – das ist ein österreichischer Erfolg und, ich füge das hinzu, zu einem guten Teil ein sozialdemokratischer Erfolg – ein Beschäftigungskapitel enthalten ist und daß wir einen Beschäftigungsgipfel vor uns haben, der sicherlich nicht das Wundermittel sein wird und sicherlich nicht durch Beschluß die Arbeitslosigkeit in Europa zum Verschwinden bringen wird, der aber doch konkrete Schritte zuwege bringen sollte und nicht zuletzt ein Signal dafür ist, daß auf der europäischen Ebene dieses zentrale Problem der arbeitenden Menschen ernstgenommen und an die oberste Stelle der Prioritätenliste der Union gereiht wird.

Das ist unsere politische Verantwortung, und es ist kein Zufall, daß die Europäische Union ab dem Zeitpunkt in der Lage war, dieser politischen Verantwortung Rechnung zu tragen, als es in wichtigen europäischen Staaten zu einer entscheidenden Wende zugunsten der Sozialdemokratie kam.

Die österreichische Außenpolitik, die diesen Aspekt betonen muß, die ihre Mitarbeit in der Union stärken und alle Möglichkeiten nutzen muß, ist freilich dennoch nicht nur eine Unterabteilung der EU-Politik. Wir sollten uns dessen bewußt sein – das kommt auch in dem Bericht sehr klar zum Ausdruck –, daß wir nicht "abgedankt sind" als ein Element internationaler Politik, nicht nur im Bereich vieler friedenssichernden Maßnahmen, sondern daß wir natürlich auch in Drittregionen unsere Interessen, unsere Standpunkte, aber auch unseren Beitrag konkret und gesondert zum Ausdruck zu bringen haben.

Frau Kollegin Riess hat zumindest in der polemischen Ausprägung – sonst glaube ich das eigentlich nicht (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wie immer!)  – ein gestörtes Verhältnis zur Diskussion. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie haben ein gestörtes Verhältnis zu mir! – Allgemeine Heiterkeit.) – Nein, überhaupt nicht. Frau Kollegin! Sie stellen mich geradezu bloß vor meiner Fraktion. Ich würde es wirklich zutiefst bedauern, wenn ich mit irgend etwas diesen Eindruck erweckt hätte. Unsere lauschigen Präsidialkonferenzen lassen sich nicht filmen.

Aber Sie haben versucht, so zu tun, als würde die österreichische Außenpolitik letztlich nicht zu einem gemeinsamen Nenner finden. Zu unterstellen, daß die Österreichische Volkspartei und die Sozialdemokratie von vornherein zu jeder außenpolitischen Frage dieselbe ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Da haben Sie mir nicht zugehört! Da haben Sie mir nicht zugehört!) – Ich habe Ihnen sehr gut zugehört. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Nein, haben Sie nicht! Da haben Sie geschwätzt!)  – Ich habe hochinteressiert zugehört. Ich habe auch Notizen von Ihren Äußerungen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Oder nicht verstanden!)

Liebe Frau Kollegin! Sie wissen, meine Zuneigung hat nahezu kein Grenzen. (Allgemeine Heiterkeit.) Die Betonung lag aber auf "nahezu", das gebe ich schon zu. Wenn wir eine harte Diskussion mit sehr unterschiedlichen Standpunkten führen, die aus unterschiedlichen Einschätzungen, aber natürlich aus unterschiedlichen geistigen Traditionen kommen, wenn wir also einen


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solchen Diskussionsprozeß starten, dann halte ich es für einen Beitrag im Rahmen der Demokratie, daß diese Diskussion nicht im Geheimen stattfindet.

Wie soll der Bürger an einer Diskussion teilnehmen, wenn sie in kleinen Ausschüssen geführt wird? – Ich glaube, daß es für die Beurteilung der österreichischen Außenpolitik – ich sage dazu, auch für die Gewinnung nicht der Mehrheit, da bin ich sehr bescheiden, aber eines nennenswerten Segments der österreichischen Bevölkerung für das Interesse an außenpolitischen Fragen – wesentlich ist, daß wir uns nicht nur pausenlos gegenseitig recht geben – das schadet allerdings auch nichts –, sondern daß wir dort, wo es Meinungsdifferenzen gibt, dies in einer sachlichen, in einer logisch argumentierten und sehr deutlichen Weise aufzeigen.

Es ist keine Frage, daß wir hinsichtlich eines Beitrittes zur NATO in den beiden Regierungsparteien und zwischen den beiden Regierungsparteien nicht eine 100prozentige Übereinstimmung der Standpunkte haben. Ich sehe kein Problem darin, eine Diskussion führen zu müssen, um zu einem gemeinsamen Standpunkt zu kommen. Gemeinsame Standpunkte pflegen nicht vom Himmel zu fallen, sie müssen erarbeitet werden, in dieser Frage und in anderen erarbeiten wir ihn. Nichts daran erscheint mir verwirrend, verunsichernd oder kritikwürdig.

Wichtig ist, daß sich die beiden Regierungsparteien aber auch festgelegt haben, einen gemeinsamen Regierungsoptionenbericht zu erarbeiten, daß sie einen Zeitpunkt genannt haben, zu dem er vorliegen wird, und daß sie möglicherweise verschiedene Optionen in diesem Bericht aufzeigen werden.

So verlaufen demokratische Diskussions- und Entscheidungsprozesse, nicht dadurch, daß einem einzelnen, wie das vielleicht woanders der Fall sein mag, Tag für Tag eine "neue Wahrheit" einfällt, die er dann durchsetzt. Aber das ist eben das Wesen der Demokratie, und zu dieser – nicht nur in Festtagsreden, sondern auch in der politischen Praxis – bekennen sich jedenfalls die beiden Regierungsparteien.

Es gäbe – auch das will ich nicht verhehlen – eine Menge von konkreten Kritikpunkten, die auch ich zu äußern hätte, gar keine Frage. Ich habe das auch zum Teil in der Öffentlichkeit oder in Anfragen getan. Mir erschien beispielsweise die Gewichtung in der Eröffnung neuer Botschaften doch etwas osteuropazentriert – bei aller Bedeutung, die auch ich diesem Problem zumesse. Das sind Fragen, die weiter behandelt werden müssen und bei deren Lösung es auch Kompromisse geben kann und geben muß.

Das einzige, was an dieser Stelle aber mit großer Klarheit herausgestrichen werden muß – auch dort, wo wir unterschiedliche Standpunkte haben, haben wir diese aus der Verantwortung heraus, weil jeder von uns nach einem guten Weg sucht, manchmal finden wir nicht ganz denselben –, ist: Wir haben es zuwege gebracht, eine österreichische Außenpolitik zu konzipieren und durchzuhalten, die uns erfolgreichst in die Europäische Union geführt hat, die uns neue Chancen in den Partnerstaaten Osteuropas gebracht hat und die letztlich andere zentrale und wichtige Regionen der Welt nicht vernachlässigt. Das ist eine Politik im Interesse unseres Landes, seiner Wirtschaft und seiner Menschen.

Ich glaube, daß man daher einen Bericht, der über eine Teilstrecke dieses Weges berichtet, mit allerbestem Gewissen zur Kenntnis nehmen kann. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.56

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. h. c. Mautner Markhof. – Bitte.

13.56

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die zentralen Schwerpunkte dieses Berichtes sind im siebenten Jahr nach der historischen Wende von 1989 und im zweiten Jahr der EU-Mitgliedschaft Österreichs die Themenkreise europäischer Sicherheitspolitik sowie die Europäische Union.


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Wenngleich der Außenpolitische Bericht 1996 im Vergleich zu den "Vorgängern" deutlich gestrafft worden ist – ich darf das ebenfalls begrüßen –, bietet er dennoch eine Fülle an Darstellungen der wichtigsten internationalen Entwicklungen in der österreichischen Außenpolitik während des vergangenen Jahres.

Meine Ausführungen werden sich daher in der Folge auf jene Themenbereiche konzentrieren, die mir ein ganz besonderes Anliegen sind. Als überzeugter Europäer beginne ich natürlich mit der Europäischen Union. Wie Außenminister Dr. Schüssel schon in seinem Vorwort zum Außenpolitischen Bericht 1996 anmerkt, ist zu erkennen – ich zitiere –, wie sehr unser gesamtes internationales Handeln im Zeichen der EU-Mitgliedschaft an Breite und Tiefe gewonnen hat. Dies gelte auch für die bilateralen Beziehungen zu unseren Nachbarn in Zentral- und Osteuropa, die unter dem Einfluß unserer vollen Einbindung in einen europäischen Integrationsprozeß eine neue Dimension erreicht haben.

An dieser Stelle, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich auf das Thema EU-Erweiterung zu sprechen kommen, um noch einmal kurz die diesbezüglichen Ereignisse 1996 Revue passieren zu lassen: Beim Europäischen Rat in Florenz im Juni 1996, in Dublin im Dezember 1996 hat die EU ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, sechs Monate nach Abschluß der Regierungskonferenz, bestätigt. Beitrittsanträge liegen von Zypern und von zehn zentral- und osteuropäischen Staaten inklusive baltischer Staaten vor.

Mittlerweile sind im Juli dieses Jahres auch schon Entscheidungen über den Kreis derjenigen Länder gefallen, mit denen 1998 Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden sollen. Dies möchte ich jetzt gar nicht kommentieren, aber lassen Sie mich zum Thema EU-Erweiterung ein paar grundsätzliche Dinge sagen:

Gerade wir Österreicher müßten massives Interesse an einer EU-Erweiterung und damit auch an den Beitrittsverhandlungen haben, die einen Beitritt in absehbarer Zeit zum Ziel haben. Denn es kann nicht im Sinne unseres Landes sein, auf Dauer Außengrenze der EU zu bleiben. Es ist ganz klar, daß die EU-Erweiterung eine enorme Herausforderung darstellt, und selbstverständlich wird es in einigen Bereichen zu entsprechenden Arrangements und Übergangsfristen kommen müssen, man denke nur an die unterschiedlichen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltstandards, um Anpassungsschocks auf beiden Seiten zu vermeiden.

Eindringlich möchte ich davor warnen, sich im Zusammenhang mit einer EU-Erweiterung in erster Linie mit allen denk- und undenkbaren Schreckensszenarien zu befassen und darüber die Chancen und die vielfältigen Möglichkeiten einer erweiterten EU zu übersehen, von denen gerade Österreich als ein Land in zentraleuropäischer Lage profitieren würde. Mit einem Art Festungssyndrom wird die Zukunft sicher nicht zu bewältigen sein.

An dieser Stelle auch eine kurze Bemerkung zu unserem Nachbarstaat Slowakei: Wie aus dem Außenpolitischen Bericht hervorgeht, hat die EU im April 1996 in einer Demarche ihre Besorgnis über die innenpolitische Lage in der Slowakei zum Ausdruck gebracht. Gerade im Fall Slowakei handelt es sich um eine spezielle Gratwanderung, denn zweifellos sind potentielle EU-Beitrittsverhandlungen an die Einhaltung von Maximen der demokratischen Entwicklung zu knüpfen. Andererseits ist darauf zu achten, einen Dialog aufrechtzuerhalten, um der Bevölkerung nicht den Eindruck zu vermitteln, daß die EU-Tore für sie geschlossen sind, um es bildlich zu formulieren. Österreich soll hier meiner Meinung nach verstärkt mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung drängt sich auch das Thema der EU-Institutionenreform an. Dazu ist im vorliegendem Bericht unter dem Punkt Regierungskonferenz 1996 vermerkt: Die geringsten Fortschritte waren im institutionellen Bereich zu verzeichnen, über den eine Einigung erst für die letzte Verhandlungsphase zu erwarten ist.

Meine Damen und Herren! Die Institutionenreform ist ein Werk, bei dem man äußerst behutsam vorgehen muß. Denn schließlich geht es darum, sehr unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen, wobei das Ergebnis die zukünftige Arbeitsfähigkeit der EU sicherstellen soll.


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In diesem Zusammenhang drängt sich meiner Meinung nach – meine Damen und Herren, Sie kennen vielleicht meine Gedanken – ein Zweikammersystem auf. Das heißt, ein Parlament, in dem die Staaten proportional zu ihren jeweiligen Bevölkerungszahlen vertreten sind; der Ministerrat, der heute praktisch das allein bestimmende Gremium ist, sollte von einem Exekutivorgan, das in der Aufbauphase der EU ausgezeichnete Arbeit geleistet hat, in der nunmehrigen Konsolidierungsphase in eine echte Legislative umgewandelt werden. In diesem Organ hätten alle Staaten mit je zwei Senatoren gleiche Rechte und Pflichten. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Wenn dies gegeben ist, aber nicht vorher – keineswegs vorher! –, dann müßten wir, wie auch andere Staaten, nicht mehr darauf bestehen, daß in der Kommission mehr als vierzehn bis sechzehn politisch besetzte Mitglieder sind. Dies würde keineswegs bedeuten, wie es die Kritiker dieser Gedankenlinie immer wieder betonen, daß die EU damit schon ein föderaler Staat wird. Dies würde jedoch meiner Ansicht nach den Status quo transparent und die Gremien arbeitsfähig machen.

Im übrigen erschien dazu erst vor kurzem in der französischen Zeitung "Le Monde" ein Artikel des ehemaligen französischen Kulturministers und engagierten Europäers Jack Lang, der sich explizit für ein Zweikammersystem im vorher genannten Sinne ausspricht.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß gerade wir im Bundesrat für diese Gedanken ein gewisses Verständnis aufbringen müssen.

Bevor ich das Thema EU schließe, möchte ich es nicht verabsäumen, hinsichtlich des europäischen Sicherheitssystems noch einmal auf Außenminister Dr. Schüssels Vorwort im Außenpolitischen Bericht hinzuweisen. Darin betont der Außenminister – ich zitiere –: "Die Erfahrungen des tragischen Konflikts auf dem Balkan haben gezeigt, daß Ideen eines völlig neuen, umfassenden europäischen Sicherheitssystems keine realistische Perspektive darstellen. Die künftigen europäischen Sicherheitsstrukturen werden viel eher auf einem immer dichteren – arbeitsteiligen – Zusammenwirken der bestehenden globalen und regionalen Organisationen und Foren, also insbesondere der Vereinten Nationen, der OSZE; der Europäischen Union, der WEU und der NATO, basieren."

Meine Damen und Herren! Nicht zuletzt die Ereignisse auf dem Balkan haben gezeigt, daß die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU einer der sensiblen Bereiche, wenn nicht der sensibelste Bereich ist. Und man hat dabei auch die Bedeutung der Rolle der Vereinigten Staaten gesehen.

Für so wichtig ich ein gutes Zusammenwirken mit transatlantischen Partnern auch halte, so meine ich doch, daß sich für Europa stärker die EU einsetzen sollte. Daher bin ich der Ansicht, daß sich auch im Sicherheitsbereich immer stärker die Notwendigkeit abzeichnet, einen Art Aufgabenkatalog zu erstellen, in dem die Aufgaben Brüssels und die Aufgaben der einzelnen EU-Staaten festgelegt werden. Diesbezüglich wurde beim kürzlich abgehaltenen Europaforum in Wien die Frage einer europäischen Verfassung diskutiert, für die sich gewichtige Teilnehmer in dankenswerter Weise besonders einsetzen wollen.

Nun möchte ich mich aber anderen internationalen Organisationen widmen, allen voran den Vereinten Nationen, für die 1996 nicht nur aufgrund der akuten finanziellen Notlage ein schwieriges Jahr war. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen war Wien bei der Kandidatur um den Amtssitz für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Atomwaffentests erfolgreich. Als wichtige in Wien angesiedelte Programme der UNO sind vor allem das internationale Drogenkontrollprogramm und das Verbrechensverhütungsprogramm zu nennen. Im Zusammenhang mit der UNO und dem Thema Verbrechensbekämpfung möchte ich auch anmerken, daß ich die jüngste Initiative von Außenminister Dr. Schlüssel gegen das Schlepperunwesen außerordentlich begrüße.

Meine Damen und Herren! Der Außenpolitische Bericht 1996 belegt deutlich die wirtschaftliche Bedeutung Wiens als Sitz internationaler Organisationen, was zweifellos von gesamtösterreichischem Interesse ist. Dabei möchte ich neben den UNO-Einrichtungen vor allem die OSZE, die


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Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, nennen, die für einen Großteil ihrer Einrichtungen und Organe Wien als Sitz auserkoren hat.

Nicht zu vergessen ist im Zusammenhang mit den internationalen Organisationen auch die große Anzahl an Kongressen und Konferenzen, die in Österreich und vor allem in Wien abgehalten werden. Diese Tendenz ist, wie der Außenpolitische Bericht belegt, im Steigen begriffen.

Ich bin auch davon überzeugt, daß der EU-Vorsitz Österreichs im zweiten Halbjahr 1998 sowohl inhaltlich als auch organisatorisch hervorragend über die Bühne gehen wird. Die Vorbereitungen laufen bereits auf vollen Touren, und ich möchte der Frau Staatssekretärin für ihre Bemühungen danken.

Zum Abschluß meiner Rede möchte ich noch auf ein Kapitel des Außenpolitischen Berichts eingehen, das mir sehr am Herzen liegt, nämlich die Auslandskulturpolitik. Österreich wird im Ausland im hohen Maße mit Kultur, sei es mit Musik, sei es mit bildender Kunst, assoziiert, und von diesem hohen Kapital im Ausland profitieren wir meiner Meinung nach noch viel zu wenig. Es geht in keinster Weise darum, Österreich ein antiquiertes, zuckersüßes oder kitschbehaftetes Image zu verpassen. Ganz im Gegenteil: Kultur und technische Entwicklung, Kunst und Wissenschaft sind keine Gegensätze, sondern ergänzen einander viel mehr. Daß Österreich ein Industrieland ist, stellt keinen Widerspruch dazu dar, daß es auch Kulturnation ersten Ranges ist. Das eine kann das andere sogar bedingen. Denken Sie etwa an das Sony-Werk in Salzburg, um nur ein Beispiel zu nennen. Wenn man bedenkt, welches enorme mediale Echo beispielsweise Auslandstourneen unserer Philharmoniker finden, dann ist es für mich doch erstaunlich, warum man derartige Gelegenheiten im Ausland nicht stärker für die Präsentation des Wirtschaftsstandortes Österreich und seiner Produkte nützt. Im Außenpolitischen Bericht 1996 sind die kulturellen und wissenschaftlichen Aktivitäten der österreichischen Auslandskulturpolitik festgehalten.

Meine Damen und Herren! Kultur und Wissenschaft dürfen nicht zu Randerscheinungen degenerieren, auch nicht in Sparzeiten. Denn ohne Wertschätzung der kulturellen Wurzeln wie auch deren Weiterentwicklung kann es nach meinem Dafürhalten kein gemeinsames Europa geben.

Zum Abschluß ist mir ein Anliegen, allen Mitarbeitern des Außenministeriums, vor allem Herrn Außenminister Dr. Schüssel und Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner, für ihre hervorragende Arbeit im Dienste Österreichs zu danken. Mein Dank schließt selbstverständlich auch die Damen und Herren in den Auslandsvertretungen ein, deren Arbeit im Gegensatz zu manchen leider noch immer vorhandenen Klischees eine äußerst schwierige und manchmal auch nicht ungefährliche ist, wie es etwa das Geiseldrama in Lima gezeigt hat.

Meine Parteifreunde und ich werden dem Bericht gerne zustimmen. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.08

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile es ihm.

14.08

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Konečny! Ich kann auf Ihre oberlehrerhaften Bemerkungen sehr gerne verzichten! (Bundesrat Konečny: Selbstverständlich! Ich habe Sie ja gestört!) Ich kann Ihnen versichern: Ich habe mir Ihre Rede sehr gut angehört, und ich werde auch in bezug auf die Ostöffnung auf Ihre Ausführungen gerne zurückkommen, denn sie waren heute recht interessant und brachten doch ein paar neue Aspekte und Einsichten der Regierungsparteien zutage.

Als Tiroler Abgeordneter habe ich mir im Außenpolitischen Bericht vor allem zwei Bereiche angesehen: einerseits die Südtirolpolitik und andererseits die europäischen Integrationsschritte.


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Ich darf zuerst auf Südtirol zu sprechen kommen: Wie groß das Interesse des Außenamtes an der Südtirolpolitik ist und welche Herzensangelegenheit Südtirol der Bundesregierung zu sein scheint, kann man am Umfang, der der Thematik Südtirol in diesem Bericht gewidmet ist, ermessen: Der diesbezügliche Bericht beschränkt sich auf eine knappe Seite. Dies scheint mir aber nicht nur von der Quantität her zu wenig zu sein – Kollegin Riess-Passer hat schon darauf hingewiesen, daß hier sehr gekürzt wurde –, sondern diese knappe Seite ist auch von der Qualität her mehr als dürftig.

Ich möchte auf ein paar konkrete Punkte eingehen. Im Bericht steht zum Beispiel – ich zitiere –: "Das Ziel der Errichtung universitärer Strukturen in Südtirol bei gleichzeitiger Erhaltung der Funktion Innsbrucks als Landesuniversität wurde weiter verfolgt." Das ist alles, meine Damen und Herren! Man muß dabei bedenken, daß die Landesuniversität für uns Tiroler eine sehr wichtige Institution ist, vor allem im Hinblick auf die immer wieder gepredigte kulturelle Landeseinheit. Es wäre für uns sehr wichtig, zu wissen, welche universitären Strukturen in Südtirol geschaffen werden, in welchem Umfang sie geschaffen werden, wer dafür aufkommen wird, wer sie einrichten wird, von wem sie betreut werden und so weiter. Denn die Landesuniversität wollen wir uns nicht als solche wegnehmen und durch Konkurrenzinstitute in anderen Landesteilen unterminieren lassen. Ferner möchte ich folgendes zitieren: "Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Südtirol und dem Bundesland Tirol, die sich schließlich gemeinsam mit dem Trentino zu einer ,Europaregion Tirol’ verdichten soll, wurde pragmatisch und projektbezogen weiterverfolgt." Wieder einmal ist von etwas die Rede, das weiterverfolgt wurde! Aber auch hier ist kein konkreter Ansatzpunkt vorhanden.

Zuerst müßte man einmal wissen, ob die Trentiner überhaupt bei einer "Europaregion Tirol" mitmachen wollen, nachdem sich die Vorarlberger, was ich ganz gut verstehen kann, aus dieser Region bereits verabschiedet haben, weil sie letztendlich einer anderen Region, der Bodensee-Region, angehören.

Wir als Deutsch-Tiroler wollen die Welsch-Tiroler, wie man diese in der Geschichte genannt hat, sicherlich nicht ausschließen, aber sie haben sich noch nicht deklariert. Eine Delegation des Bundesrates unter dem damaligen Präsidenten Kollegen Jaud hat diese Europa-Region einmal besucht, war auch im Trentino und hat mit Ministerpräsident Andreotti darüber gesprochen. Auch er konnte sich in dieser Frage noch nicht festlegen, geschweige denn, daß konkrete Maßnahmen oder Projekte vorgelegt worden wären. – Ich hätte mir schon erwartet und erhofft, daß, wenn diese "Europa-Region" Tirol schon angesprochen wird, auch bestimmte Projekte, bestimmte Maßnahmen, bestimmte Zielsetzungen im Außenpolitischen Bericht angeführt werden.

Weiters heißt es im Bericht: "Im Sommer hat Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro 24 Südtiroler Aktivisten der sechziger Jahre gnadenweise in ihre bürgerlichen Rechte wiedereingesetzt." – Es ist sehr erfreulich, daß dies geschehen ist. Es fehlt mir jedoch in diesem Zusammenhang ein aktueller Name. Frau Staatssekretärin! Ich meine Karola Unterkircher. Sie werden diesen Namen kennen, viele hier aber nicht, und daher möchte ich kurz berichten:

Frau Unterkircher wurde Anfang der neunziger Jahre von einem italienischen Gericht wegen strafbarer Handlungen und des Vorwurfes des Terrorismus im Zusammenhang mit der Bewegung "Ein Tirol" in Abwesenheit verurteilt. Der Hauptbelastungszeuge ist ein Mann, dessen Strafregister und Vorstrafen auf insgesamt sieben DIN A4-Seiten zu finden sind.

Frau Unterkircher ist österreichische Staatsbürgerin, wohnhaft in Terfens im Tiroler Unterland. Im August 1994 wurde sie offensichtlich, denn anders kann man sich das nicht erklären, vom italienischen Geheimdienst an die Staatsgrenze auf dem Timmelsjoch gelockt und dort von Agenten des italienischen Staatsdienstes gekidnappt und der italienischen Strafjustiz übergeben. Seit drei Jahren sitzt diese österreichische Staatsbürgerin nun in einem Gefängnis in Bozen. (Bundesrätin Crepaz: In Mailand!)

Es wäre meiner Meinung nach angemessen, dieser Tatsache oder diesem Sachverhalt im Bericht Rechnung zu tragen. Denn immerhin ist es ungewöhnlich, meine Damen und Herren, wenn ein Staatsbürger oder eine Staatsbürgerin eines Landes von den Sicherheitsbehörden eines


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Nachbarlandes, das vorgibt, mit uns befreundet zu sein, entführt wird, um der Justiz dieses Landes zugeführt zu werden! Unter zivilisierten Ländern stellt man sich eine Auslieferung anders vor, als sie hier erfolgt ist: Da wird ein Auslieferungsantrag gestellt, und diesem wird vom angesprochenen Staat nachgekommen oder nicht. Auf jeden Fall ist es bestimmt nicht akzeptabel, daß man derartige Kidnapper-Methoden mitten in Europa duldet. Ich hätte mir erwartet, daß das Schicksal der Frau Unterkircher zumindest in objektiver Weise im Außenpolitischen Bericht angesprochen wird!

Frau Staatssekretärin! Ich möchte Ihnen ein Schreiben aus der Heimatgemeinde der Frau Unterkircher zur Kenntnis bringen: Der Gemeinderat von Terfens hat einstimmig einen Beschluß gefaßt und an den Staatspräsidenten der Republik Italien, Herrn Luigi Scalfaro, nach Rom folgenden Brief geschrieben, den ich zitieren möchte. In diesem Brief heißt es:

"Sehr geehrter Herr Staatspräsident! Unlängst hat eine Bozener Bürgerin, welche der italienischen Sprachgruppe zugehört, die Bitte an Sie gerichtet, Frau Karola Unterkircher aus humanitären Gründen zu begnadigen. Wir unterzeichneten Gemeindevertreter und Mitbürger von Frau Karola Unterkircher schließen uns dieser Bitte aus ganzem Herzen an.

Zur Frage ihrer Verstrickung in gesetzwidrige Handlungen können und wollen wir uns mangels Wissens und Kompetenz nicht äußern. Dies fällt in die Zuständigkeit der Gerichte. Wenn eine solche Schuld gegeben ist, so ist Karola Unterkircher sicherlich von jemand anderem oder von anderen Personen hineingezogen worden.

Frau Unterkircher ist von ihrer Natur aus ein guter Mensch, von christlicher Nächstenliebe, hilfsbereit und aufopfernd gegenüber ihren Mitmenschen. Sie sollte diesen Abschnitt ihres Lebens nicht im Gefängnis, sondern an der Seite ihres Mannes verbringen, der ihrer Betreuung und Pflege bedarf.

Frau Unterkircher, die in freundschaftlichem brieflichen Kontakt mit der genannten großherzigen Bürgerin Ihres Staates in Bozen steht, hat in einem Schreiben erklärt, jede Begnadigung gerne annehmen zu wollen. Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Staatspräsident, zu erwägen, ob drei Jahre Haft nicht ausreichend als Sühne sein können. Wir bitten Sie, einer Frau von gutem Charakter und Leumund – welches wir bezeugen – die Freiheit zu geben, damit sie ihren Lebensabend an der Seite ihres ihrer Unterstützung bedürftigen Mannes verbringen kann.

Europa eint sich, das Trennende verschwindet, und auch die Menschen werden zunehmend zueinander finden. Wir bitten Sie sehr herzlich, durch einen Akt der Güte und der Großmut unsere Hoffnungen in diese gute Zukunft zu stärken.

Mit dem Ausdruck größter Hochachtung: Bürgermeister Oswald Schallhart und alle zwölf weiteren Gemeinderäte der Gemeinde Terfens in Tirol."

Frau Staatssekretärin! Ich habe hier eine Kopie des Schreibens. Ich darf sie Ihnen hiermit übergeben und Sie bitten, dieses dem Herrn Außenminister und Vizekanzler Schüssel zur Kenntnis zu bringen, damit er sich einmal informiert, sich dieser Sache vielleicht annimmt, um für Frau Unterkircher, die immerhin eine österreichische Staatsbürgerin ist, gegebenenfalls etwas zu erreichen. (Bundesrat DDr. Königshofer übergibt das Schreiben Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner.)

Meine Damen und Herren! Der zweite Bereich dieses Außenpolitischen Berichtes, dem ich mich widmen möchte, betrifft die wirtschaftliche Integration Europas, insbesondere die Ausführungen zur angestrebten Wirtschafts- und Währungsunion. Hier lese ich in bezug auf die Maastrichter Konvergenzkriterien Sachverhalte, die einander offensichtlich widersprechen. – Und zwar heißt es hier: "Österreich erfüllt derzeit alle Konvergenzkriterien mit Ausnahme des Haushaltsdefizites, das 1996 von 6,17 Prozent (1995) auf 3,9 Prozent des BIP sinken wird." – es liegt immer noch über den 3 Prozent! – "und der Staatsverschuldung, die sich 1996 von 69,2 Prozent (1995) auf 70,1 Prozent des BIP erhöhen wird."


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Das sind zwei wichtige Kriterien, die im Maastricht-Vertrag vereinbart wurden, die Österreich offensichtlich nicht erfüllen kann.

Dann heißt es weiter wörtlich – und da widerspricht sich dieser Bericht selbst –: "Österreich ist zuversichtlich, 1997 alle Konvergenz-Kriterien zu erfüllen." – Da muß ich schon einmal nachfragen, wie das funktionieren soll! Man kann über die 3 Prozent Neuverschuldung denken wie man will, die wird Österreich vielleicht noch durch so manche Budgetkosmetik erreichen, Sie kennen die Dinge mit ASFINAG, den Gemeindebetrieben et cetera. Wie will man aber das Kriterium der Gesamtverschuldung erreichen? Wie will man von 70 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf die geforderten 60 Prozent herunterkommen? – Das Bruttoinlandsprodukt Österreichs, meine Damen und Herren, beträgt über 2 000 Milliarden Schilling jährlich; das ist die Gesamtleistung der österreichischen Volkswirtschaft. 10 Prozent davon sind 200 Milliarden Schilling. Ich stelle mir die Frage: Wie wollen Sie es erreichen, in einem Jahr rund 200 Milliarden Schilling Schulden abzubauen, damit Sie dieses Konvergenzkriterium erreichen? – Sie werden es nicht erreichen!

Jetzt gehen wir in bezug auf diese Währungs- und Wirtschaftsunion in medias res. Sie behaupten immer, die Österreicher hätten bereits 1994 mit ihrem Ja zur EU auch über diese Währungs- und Wirtschaftsunion mit abgestimmt. – Da gebe ich Ihnen recht. Allerdings haben Sie das der Bevölkerung damals nicht gesagt. Aber in diesem Maastrichter Vertrag heißt es auch, daß jemand nur dann verpflichtet ist, wenn er diese Kriterien erfüllt, und wir erfüllen sie eben nicht alle! Damit hat die Regierung genauso wie die schwedische Regierung die Möglichkeit zu sagen: Wir möchten uns diese Sache zuerst anschauen, uns kommt diese Währungsunion zu früh, wir möchten zuerst abwarten, wie sich der Euro entwickelt.

Ich halte es daher nicht für unklug, wenn viele Wirtschaftswissenschaftler sagen – nicht Jörg Haider allein –, daß man einmal die Position Englands einnehmen und zuschauen solle, wie sich diese Union entwickelt, falls sie überhaupt zustande kommt, beziehungsweise, wenn die Kriterien nicht erfüllt werden, den Beitritt zu dieser Währungsunion auf einen späteren, überschaubaren Zeitraum verschieben solle. Wir sagen nämlich, daß eine einheitliche Währung nur dann kommen kann, wenn zuerst die volkswirtschaftlichen Bedingungen, die steuerlichen Bedingungen, aber auch die Rechtsbedingungen angeglichen worden sind.

Ich gebe Ihnen nur ein Beispiel in bezug auf steuerliche Divergenz. Nehmen wir den Mehrwertsteuersatz von Deutschland und Österreich: Deutschland hat 15 Prozent Mehrwertsteuer, Österreich 20 Prozent. Stellen Sie sich vor, eine Ware kostet im Nettopreis 100 Euro. Dann kostet sie in Deutschland mit dem Aufschlag der Mehrwertsteuer 115 Euro und in Österreich 120 Euro. Stellen Sie sich in Anbetracht dessen die Situation in den Grenzgebieten zum Beispiel in Kufstein, Kiefersfelden, Salzburg, Freilassing, Bregenz, Lochau oder Lindau vor! Was glauben Sie denn, wo die Leute einkaufen werden? – Sie werden die Ware beim deutschen Händler kaufen, wo sie um 70 S billiger ist! (Bundesrat Mag. Himmer: Welche Rechnung stellen Sie da an? Das müssen Sie uns auch erklären!)

Ich sage es Ihnen gleich: Sie bezeichnen es immer als Vorteil, daß die Dinge transparent werden. Heute hat der Österreicher vielleicht noch den Vorteil, daß nicht jeder so schnell in eine andere Währung umrechnen kann. Genau das, was Sie jetzt als Vorteil verkaufen, wird jedoch zum eminenten Nachteil der österreichischen Handelsbetriebe in den Grenzbezirken werden. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Herr Kollege Himmer! Ich weise Sie nur darauf hin. Die gleiche Ware wird im deutschen Geschäft um 5 Euro billiger ausgewiesen werden als im österreichischen. Sie sagen, in der Praxis spielt sich das nicht ab! Ich bin auch ein Praktiker! Was wird denn der österreichische Kaufmann tun müssen? – Er wird den Nettopreis zurücknehmen müssen, sprich: seine eigene Handels- und Gewinnspanne verkürzen müssen, damit er den gleichen Preis wie der deutsche in die Auslage hängen kann, um noch wettbewerbsfähig zu sein. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Dann sind wir wieder bei dem Punkt, daß die österreichischen Betriebe in bezug auf das Eigenkapital ausgehöhlt werden. Sie scheinen das nicht zu begreifen! Gehen Sie einmal hinaus in die


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Betriebe, und schauen Sie sich das an! (Bundesrat Mag. Himmer: Das hat damit überhaupt nichts zu tun!) Reden Sie mit den Handelsbetrieben entlang der Grenze zu den EU-Staaten! Reden Sie mit den Kaufleuten in Kärnten, in Tirol, in Salzburg und in Oberösterreich! Schauen Sie, welche Verluste diese bis jetzt schon erlitten haben, und wenn der Euro kommt, werden sie noch größer sein!

Ich sage Ihnen etwas: Spielen wir hier – rein theoretisch – einmal umgekehrte Rollen! Vermuten Sie nicht zu viel dahinter! – Stellen Sie sich vor, wir Freiheitlichen würden Regierungsverantwortung tragen, und wir würden sagen: In dieser Situation wollen wir ohne Wenn und Aber an dieser Währungsunion teilhaben, die auf dermaßen schwachen Beinen steht. Wenn Sie Opposition wären, würden Sie diese freiheitliche Regierung sicher in der Luft zerreißen und würden dem sicher nie zustimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man kann nicht einfach sagen: Die Kriterien werden nicht erfüllt, die einzuhalten wir vor Jahren hoch und heilig versprochen haben! Ich kann mich noch erinnern: Im Jahr 1994 – da waren Sie noch nicht im Bundesrat – habe ich das schon bei der EU-Debatte zur Diskussion gestellt. Ich habe gesagt: Meine Damen und Herren! Ich befürchte auch, daß die Kriterien aufgeweicht werden. Der Vorarlberger Bundesrat Bösch – damals noch nicht der blaue Bösch, sondern der rote Bösch – hat dazwischengerufen: Woher nehmen Sie diese Szenarien, Herr Kollege? Das ist ja völlig undenkbar!

Heute, nur drei Jahre später, sind wir soweit, daß die Kriterien aufgeweicht werden, daß man ohne Erfüllung der Kriterien in diese Währungsunion gehen will! In Anbetracht dessen sage ich Ihnen: Dieses Euro-Experiment ist das größte Währungsexperiment in der Geschichte des Geldes, das etwa um 800 v. Chr. in Lydien erfunden wurde. Dieses Währungsexperiment ist das größte Experiment in der Geschichte der Menschheit, und es ist ein sehr teures Experiment, das Milliarden an Kosten verursachen wird, und kein Mensch weiß, wie dieses Experiment ausgehen wird. Es ist völlig ungewiß, ob es gutgehen oder fehlschlagen wird.

Meine Damen und Herren! Etwas ist aber sehr gewiß: Das Risiko dafür werden alle Bürger in den Staaten tragen, die von Beginn an bei diesem Experiment mitmachen, vom kleinsten Mitbürger bis zum ältesten Pensionisten und Rentenbezieher. Jeder ist davon betroffen, der nur irgend etwas mit Geld zu tun hat. Deshalb stellen wir die Forderung – wir greifen diese nicht aus der Luft –, daß diejenigen, die Risiko tragen, auch darüber abstimmen sollen. Denn Sie können sicher sein: Wenn dieses Experiment fehlschlägt, dann werden wir alle wieder dort beginnen müssen, wo unsere Eltern und Großeltern Ende der vierziger Jahre angefangen haben. Dann werden wir wieder eine neue Währung schaffen müssen, dann wird es wirklich zu einer Umstellung kommen! (Bundesrat Prähauser: Das ist eine Verunsicherung von großen Bevölkerungsgruppen!) Das ist keine Verunsicherung! (Bundesrat Prähauser: Das wird die erste Währungsreform sein, die den Bürger nichts kostet!)

Herr Kollege! (Bundesrat Prähauser: Das wird die erste Währungsreform sein, die berechenbar ist!) Herr Kollege! Ich hole mir die Daten heraus! Sie können doch nicht sagen, das kostet den Bürger nichts! Allein die europäischen Versicherungen kostet das über tausend Milliarden Schilling! (Bundesrat Prähauser: Wir schützen den kleinen Endverbraucher, den Sie zu schützen vorgeben! Wir tun es!)

Ist schon recht! Aber die Kosten, die die Umstellung erfordert, werden natürlich die Konsumenten, die Privatkunden und die kleinen Handels- und Gewerbebetriebe tragen! (Bundesrat Prähauser: Der Wechselschilling wird sich aufhören! Den Wechselschilling wird es für die Banken nicht mehr geben! Das ist gut so!) Ja, der Wechselstubenerlös wird auch ein Problem für die Banken sein. Ich darf Ihnen eines sagen, Herr Kollege: Die Tiroler Raiffeisenbanken allein hatten im Jahr 1995 195 Millionen Schilling an Wechselstubenerlösen, die dann wegfallen werden! (Bundesrat Prähauser: Wenn ich Sie bitte, mir 1 000 S zu wechseln, dann kommen Sie doch auch nicht auf die Idee, mir 1 100 S zu geben! – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. – Rufe und Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)


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Sie verstricken Sie sich ja selbst in Ihren Argumenten! Das, was sich die einen ersparen, zahlen ja andere! Das zahlen die Banken, die Versicherungen, und diese verrechnen es an ihre Kunden weiter. Sie dürfen nicht so blauäugig sein und glauben, daß diese Kosten allein von den Instituten getragen werden!

Letztendlich gibt es viele Wirtschaftswissenschafter, deren Meinung man ebenfalls zur Kenntnis nehmen sollte: Sie ziehen zum Beispiel einen Vergleich zwischen der Vermischung von harten und weichen Währungen und der deutschen Wiedervereinigung auf währungstechnischem Gebiet. Auch in diesem Fall hat ein starker Staat mit einer starken Währung einen Staat mit einer schwachen Währung, der Ostmark, übernommen und die Währung umgestellt. In der Folge waren von heute auf morgen Zigtausende Betriebe in der ehemaligen DDR pleite, und mit einem Schlag hat es Hunderttausende Arbeitslose gegeben. – Das ist ganz logisch, weil diese Betriebe mit ihren schwachen Strukturen im gleichen Währungsverband mit dem Westen nicht mehr in der Lage waren, im Wettbewerb mithalten zu können.

In der DDR hat es eine große Elektronikfirma gegeben, die Firma Robotron, die ein Vorzeigebetrieb war. Ein Jahr später hat dieser Betrieb nicht mehr bestanden. Er war pleite, weg! Und so erging es Zehntausenden anderen kleinen und mittleren VEBs: Volkseigene Betriebe haben sie geheißen!

Herr Kollege Prähauser! Wenn Sie das jetzt in Europa spielen, wenn es auch nicht so kraß werden wird, ist zu befürchten, wenn Italien, Spanien und Portugal dabei sind, daß ähnliche Effekte eintreten werden. Was Herr Professor Rürup sagt, ist nicht von der Hand zu weisen: Jetzt sind wir wieder bei der Vergleichbarkeit, auch der Gehälter. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Herr Kollege Himmer! Wie stellen Sie sich denn vor, wie das funktionieren wird, wenn ein Ford-Arbeiter in Köln auf seinem Lohnzettel 2 000 Euro stehen hat und ein Ford-Arbeiter in Portugal vielleicht 350 Euro auf seinem Lohnzettel vorfindet? – Dann kommen natürlich Forderungen nach Lohnanpassung, so wie das jetzt die ostdeutschen Arbeiter gegenüber den westdeutschen fordern! (Bundesrat Mag. Himmer: Das ist Schwachsinn!) Sie sagen: Das ist Schwachsinn! – Erklären Sie das einem Arbeiter, der fragt: Warum verdiene ich bei gleicher Arbeitszeit und bei gleicher Leistung nur 350 Euro, während der in Deutschland 2 000 verdient? (Bundesrat Prähauser: Das ist ja jetzt auch so!) Natürlich werden dann Forderungen nach Lohnanpassung kommen. Und wenn die Lohnanpassung kommt, dann ist der Standortvorteil weg! All das wollen Sie unter den Tisch diskutieren! (Bundesrat Mag. Himmer: Wenn Sie Wechselkurse berechnen wollen, dann müssen Sie in der Schule die Multiplikation lernen!) Ich habe sie schon gelernt und werde sie später auch noch anwenden! (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. – Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) Herr Kollege Himmer! Sie können all das hier am Rednerpult noch zum besten geben!

Ich sage Ihnen noch etwas, weil Sie immer so gescheit davon reden, wieviel sich die österreichischen Betriebe ersparen werden: Wenn heute ein österreichischer Exportbetrieb in ein Weichwährungsland liefert, dann fakturiert er in der Regel – ich weiß das, denn ich war lange genug im Bankbereich tätig! – in einer Hartwährung, meistens in Schilling oder D-Mark. Wenn er in Schilling fakturiert, hat er kein Währungsrisiko und keine Umrechnungskosten. Wenn er in außereuropäische Bereiche liefert, dann wird er in Dollar fakturieren. Aber das wird auch nach der Einführung des Euro so sein, denn ich habe noch nichts davon gehört, daß auch die USA diesem Euroverband angehören werden. Erdöl werden wir nach wie vor in Dollar bezahlen müssen, Herr Kollege Himmer! Sie haben es heuer im Sommer schon erlebt, welche Preissteigerungen auf uns zukommen, wenn die eigene Währung im Verhältnis zum amerikanischen Dollar schwächer wird.

Nun noch kurz zur Ostöffnung. In diesem Zusammenhang möchte ich gerne auf Kollegen Konečny eingehen: Es kommen jetzt sehr neue Erkenntnisse. Vor ein paar Jahren hat man immer gehört: Die Ostöffnung muß schnell kommen, sie ist ganz wichtig für Österreich. Bei jedem Besuch im Osten hat Ihr Bundeskanzler Vranitzky dem jeweiligen Staatschef zugesichert, daß er


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sich ganz besonders dafür einsetzen wird, daß etwa Tschechien, die Slowakei, Slowenien et cetera so schnell als möglich in die EU aufgenommen werden. Jetzt sind Sie jedoch etwas kritischer geworden! (Bundesrat Prähauser: Er hat den Warenverkehr gemeint und sonst nichts!)

Das ist schon richtig! Das ist auch heute schon ein Markt. Das heißt aber nicht, daß man diesen Markt so schnell in den EU-Bereich integrieren muß. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Prähauser. ) Zu dieser Erkenntnis sind Sie offensichtlich nach den Aussagen des Herrn Konečny gekommen. Dazu kann ich Ihnen gratulieren, auch wir können davor nur warnen!

Meine Damen und Herren! Wir haben uns die Sache zuerst einmal im Agrarbereich angeschaut: Polen allein hat mehr bäuerliche Betriebe als Deutschland, Frankreich und Österreich zusammen. (Bundesrat Prähauser: Noch!) Ja: noch! Sagen Sie dieses "Noch!" denen, die dort in der Landwirtschaft arbeiten. Dieses "Noch" können Sie allerdings auch unseren Bauern sagen. Sie sind jetzt noch Bauern. Aber wenn diese Ostöffnung kommt, wird das Agrarbudget niemals ausreichen, um die Förderungen auch den Bauern in den Ostgebieten zu bezahlen! Und dann stellen Sie sich vor die österreichischen Bauern hin und erklären ihnen, daß es keine Förderungen mehr geben wird, daß der Milchpreis von 4,80 S, der ohnehin schon schlecht ist, auf 2,50 S oder 2,70 S sinken wird! – Dann werden Sie hören, was Ihnen die Bauern erzählen!

Deshalb ist es wichtig, diese Ostöffnung mit besonderer Vorsicht zu betrachten und sich dieser mit besonderer Vorsicht zu nähern. Ich will jetzt nicht wieder auf den Grenzbereich Burgenland-Ungarn zu sprechen kommen, was sich bei neuer Freizügigkeit dort täte, denn das haben Sie schon erkannt. – Dann haben Sie im neuen Lyocell-Werk im Burgenland, in Heiligkreuz, nur mehr ungarische und slowakische Arbeiter, und die Burgenländer stehen wieder auf der Straße. Deshalb ist auch hier Vorsicht geboten! (Bundesrat Payer: Lesen Sie das im Traumbuch?) Im Traumbuch? (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Stix sagt das!) Ihr Landeshauptmann Stix hat gesagt, daß die Gefahr der Ostöffnung das mit sich bringt! (Zwischenruf des Bundesrates Eisl. ) Ich lese nicht in Ihrem Traumbuch, sondern ich zitiere die Worte Ihres Landeshauptmannes Stix, der davor gewarnt hat, die Ostgrenzen so schnell für den Arbeitsmarkt zu öffnen. Denn dann haben Sie sofort Tausende billige ungarische Arbeiter im Lande, das wissen Sie auch! Sagen Sie doch nicht, ich lese aus dem Traumbuch!

Ich darf jetzt zum Abschluß kommen: Ich habe mir den Bericht angesehen. Es ist richtig, was unsere Fraktionsvorsitzende Susanne Riess-Passer gesagt hat, daß man diesem Bericht, wie er jetzt – auch geschönt – vorliegt, deshalb die Zustimmung nicht geben kann, weil sowohl dessen Quantität als auch dessen Qualität zu gering und die darin enthaltenen Aussagen teilweise widersprüchlich sind. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.35

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. – Bitte.

14.35

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Albrecht Konečny hat den Außenpolitischen Bericht 1996 bereits sehr ausführlich aus sozialdemokratischer Sicht kommentiert. Ich nehme die heutige Debatte über den Außenpolitischen Bericht zum Anlaß, kurz auf den Europarat einzugehen.

Seit meiner Entsendung in die Parlamentarische Versammlung des Europarates vor zwei Jahren bin ich wirklich bemüht – entweder aufgrund von ständigen Anfragen, aber auch aus der Erkenntnis heraus, wie gering das Wissen der Bevölkerung über die Arbeit des Europarates ist –, die Stellung des Europarates beziehungsweise den Unterschied der Aufgaben des Europaparlaments und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zu erklären.

Man könnte vielleicht annehmen, daß es sich bei den Nichtwissenden um völlig unpolitische Menschen handelt, die mit Politik im allgemeinen und mit der Europapolitik im besonderen nichts anzufangen wissen. Dem ist jedoch leider nicht so!


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Ich bringe dazu ein Beispiel: Der Europarat schreibt immer wieder Wettbewerbe für Schulen aus, um das Interesse der Jugend für Europa zu wecken. Aus einem solchen Filmwettbewerb sind heuer auch drei höhere Schulen aus Österreich als Preisträger hervorgegangen. Abordnungen dieser Schulen, Schüler und Lehrer, aus dem Burgenland, aus Kärnten und der Steiermark wurden nach Straßburg eingeladen und konnten an Ort und Stelle die Arbeit des Europarates beziehungsweise auch die Stadt Straßburg näher kennenlernen.

Das Besuchsprogramm umfaßte unter anderem eine Einladung beim Botschafter, ein Führung durch das Europapalais, die Teilnahme an einer Plenarsitzung, Gespräche mit Mitgliedern der österreichischen Delegation und vieles andere mehr. Peter Schieder als unser Delegationsleiter hat unsere Gäste herzlich begrüßt und sie kurz über die Tätigkeit des Europarates informiert. Die ebenfalls anwesenden weiteren Mitglieder – ich weiß nicht, ob Frau Kollegin Dr. Riess auch dabei war, ich kann mich nur an Dr. Schwimmer und Kollegen erinnern – führten einen intensiven Dialog mit den Lehrern und Schülern. Es war ein wirklich interessantes Frage- und Antwortspiel.

Kurz nach meiner Rückkehr aus Straßburg las ich dann in einer Zeitung einen Bericht über die Reise einer dieser ausgezeichneten Preisträger-Schulen. Es wurde vom Europaparlament gesprochen, das sie besichtigt hätten, von den EU-Parlamentariern, mit denen sie einen Dialog geführt hätten und vielem anderem mehr. Es wurde in diesem Bericht wirklich alles verwechselt, wobei zu erwähnen ist, daß dieser Bericht von den Schülern beziehungsweise Lehrern dieser höheren Schule selbst verfaßt wurde. – Warum sage ich all das?

Meine Damen und Herren! Ich sage das deshalb, weil ich glaube, daß die Bevölkerung in Österreich viel zu wenig Informationen über Europa bekommt. Es werden zwar bestimmte Europathemen, die die Menschen vor Ort betreffen und direkt berühren, wie zum Beispiel die Einführung des Euro, die gemeinsame Sicherheitspolitik oder Beschäftigungspolitik, überall sehr intensiv diskutiert. Europa ist aber viel mehr! Wir müssen daher versuchen, die Begeisterung für Europa auch auf anderen Ebenen zu wecken, vor allem betreffend die Jugend und deren Chancen in der Zukunft.

Ich denke mir, daß in diesem Zusammenhang vor allem auch dem ORF eine besondere Stellung im Rahmen seines Bildungsauftrages zukommen müßte. Im zuständigen Ausschuß für Bildung und Kultur ist verstärkt zum Ausdruck gekommen, daß in manchen Ländern dieser Bildungsauftrag des staatlichen Rundfunks stark vernachlässigt wird, und ich stehe nicht an zu sagen, daß sich auch Österreich darunter befindet. In vielen anderen Ländern gibt es im Fernsehen verschiedenste Sendungen, die sich mit Europa beschäftigen, die auch bestimmte Regionen in den medialen Mittelpunkt stellen beziehungsweise deren Aktivitäten mit Regionen in anderen Ländern aufzeigen.

Gelingen könnte uns das aber auch über die Gemeinden. Als Mitglied des Ausschusses für die Verleihung von Europadiplomen und Ehren-Europafahnen hatte ich heuer mehrmals die Möglichkeit, an solchen Verleihungen teilzunehmen, beziehungsweise konnte ich in einer Gemeinde in Bayern selbst diese Europafahne für besondere Aktivitäten auf dem Gebiet des Jugend- und Kulturaustausches mit anderen Ländern übergeben. Dabei war es für mich erfreulich, feststellen zu können, mit welcher Begeisterung in manchen Orten für das gemeinsame Europa gearbeitet wird.

Österreichische Gemeinden sind bei den Bewerbungen um solche vom Europarat verliehene Preise nur sehr spärlich vertreten. Es gibt zwar sehr viele Gemeinden in Österreich, die bereits seit vielen Jahren Partnerschaften mit Gemeinden in allen Teilen Europas haben. Diese erbringen meist die notwendigen Voraussetzungen für ein Europadiplom aufgrund von verschiedenen gegenseitigen Besuchen von Kultur- und Sportvereinen beziehungsweise auch von Schüleraustauschprojekten. Ich glaube, es wäre angebracht, gegebenenfalls über den Städte- und Gemeindebund, vermehrt auf diese Möglichkeiten aufmerksam zu machen. Denn gerade auf dieser Ebene ist die Idee "Europa" noch am wenigsten aufgegriffen worden. Europaratsauszeichnungen auch auf der Ebene der Gemeinden würden viel zu einer Begeisterung für Europa beitragen, da sich die Begegnungen ja vor Ort abspielen.


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Ich würde mich freuen, sehr geehrte Frau Staatssekretärin, wenn Sie meine Anregung aufnehmen könnten, denn ich als einfaches Mitglied dieses Ausschusses sehe mich außerstande, diese Aufgabe für ganz Österreich zu übernehmen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.41

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gerhard Tusek. Ich erteile es ihm.

14.41

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Wie unterschiedlich waren doch die beiden letzten Wortmeldungen! Frau Kollegin Schicker! Ohne ein billiges Kompliment vom Rednerpult aus machen zu wollen, möchte ich Ihnen sagen: Danke für Ihre Euphorie, für Ihre Begeisterung zum Gedanken "Europa"! Danke vor allem für die Einbringung der Idee der Verquickung auf unterster Ebene mit den Gemeinden! Es war wirklich herzerfrischend, was Sie über diese Aktivitäten der Gemeinden gesagt haben! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es tut mir leid, daß Kollege Dr. Königshofer seine Wortspende abgegeben und dann den Saal verlassen hat, weil er sich möglicherweise davor fürchtet, daß irgend jemand gegen die von ihm geäußerten Argumente – und das ist wieder die Linie der Freiheitlichen! –, die zur extremen Verunsicherung beitragen sollen, Stellung bezieht. Aber auch wenn er nicht hier ist, werde ich versuchen ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß es in einer Demokratie unterschiedliche Meinungen gibt, daß jemand etwas anderes sagt als Sie!) Frau Kollegin Dr. Riess-Passer! Ich möchte auch hier von dieser Stelle aus meine Meinung, die der Ihren und der von Dr. Königshofer nicht entspricht .... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Aber Sie können doch Meinungen anderer nicht in dieser unerträglichen Art abqualifizieren! – Zwischenruf des Bundesrates Eisl.  – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) Ich habe in keiner Weise eine Meinung abqualifiziert! Das möchte ich hier in aller Deutlichkeit erklären! Ich habe nur festgestellt, daß Herr Dr. Königshofer nicht hier ist.

Er spricht oder sprach vom größten Währungsexperiment seit Einführung des Geldes vor 2 800 Jahren, ich habe richtig mitgerechnet. – Ja! Es ist ein Risiko. Wer jedoch nicht bereit ist, Risiken einzugehen, der kann es auch zu keinem Fortschritt bringen! (Bundesrat Eisl: Dann gibt es aber Arbeitslose, Herr Kollege, das wissen Sie genau!) Kollege Eisl! Darf ich jetzt bitte meine Argumente in aller Ruhe und Sachlichkeit vorbringen? Sie werden nicht mit den Ihren übereinstimmen, aber ich habe Dr. Königshofer auch nicht unterbrochen! Ich habe nichts gegen Zwischenrufe, aber ebenso wie ich Ihre Argumente nicht unterbrochen habe, erwarte ich, daß Sie jetzt auch zuhören, während ich Stellung zu Ihrer Rede nehme!

Herr Kollege Königshofer! Sie haben in einem Nebensatz von Hartwährung und der Gefahr für diese Hartwährung durch die Einführung des Euro gesprochen. Sie haben aber gleichzeitig gesagt, daß man in Österreich die Einführung des Euro verschieben sollte. Ich meine, ich habe Sie richtig verstanden. Was bedeutet das aber konkret? – Wenn die Bundesrepublik Deutschland den Euro einführt und wir nach Ihrem Vorschlag den Euro nicht einführen, dann koppeln wir uns von der D-Mark ab, und was das für den Schilling bedeutet, das kann sich, glaube ich, jeder denkende Mensch in diesem Haus vorstellen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. )

Herr Kollege Königshofer! Sie kommen aus dem Bankenbereich, und Sie wissen ganz genau, worin die tatsächliche Gefahr für eine Währung heute besteht. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Es sind dies in erster Linie die Währungsspekulationen! Von Währungsspekulanten werden Milliarden nicht innerhalb von Tagen, sondern von Stunden hin und her jongliert. Daß eine starke gemeinsame Währung gegenüber solchen Spekulationen wesentlich standhafter ist, ist für mich ein Faktum. Diese Tatsache, daß man mit dem Schilling allein gegen solche Spekulationen wesentlich weniger ausrichten kann als in einer gemeinsamen europäischen Währung, müßte man akzeptieren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Kollege Dr. Königshofer! Sie haben einen für mich völlig unpassenden Vergleich in Ihrer Rede gebracht, nämlich den Vergleich mit der Umstellung der Ost-Mark auf die West-Mark. Der tatsächliche Kurs der Ost-Mark war das am besten gehütete Geheimnis, das es gegeben hat. Ich weiß den tatsächlichen Kurs der Ost-Mark nicht, aber diese Umstellung von der Ost-Mark auf die West-Mark beinhaltete eine Aufwertung um – ich weiß es nicht genau – 300, 400, 500 oder 800 Prozent. Eine derartige Aufwertung hält keine Volkswirtschaft auf der ganzen Welt aus! Sie bringen jedoch jetzt, da die Parität der jetzigen Währungen mit dem Euro bis auf die Zehntausendstelstelle gegeben sein wird, diesen Vergleich und schaffen damit das Horrorszenario, daß es sich bei der Umstellung auf den Euro genauso verhalten wird wie bei dieser gewaltigen Aufwertung der Ost-Mark! (Bundesrat DDr. Königshofer: Ich habe gesagt, daß es sich in abgeschwächter Form so verhalten wird!) Da kann man nicht einmal von "abgeschwächter Form" reden!

Sie haben auch von den Wechselkursen gesprochen. Dazu sage ich Ihnen folgendes: Wenn die Wechselkurse wegfallen, bringt das europaweit etwa 800 Milliarden Schilling, für Österreich rund 23 Milliarden Schilling! Vergessen Sie nicht: Es kann nicht jeder in einer Hartwährung entsprechende Geschäfte abschließen. Und es wird Ihnen und Kollegen Eisl als Vertreter der Landwirtschaft auch bewußt sein, daß mit ein Grund für den Verfall der Rindfleischpreise in den letzten zwei Jahren auch die gewaltige Lira-Abwertung gewesen ist. Wenn nun solche nationalen Vorteile einzelner Staaten durch beliebige Auf- und Abwertungen wegfallen, dann ist die Situation, so glaube ich, wesentlich sicherer.

Ich gebe selbstverständlich zu, daß es absolut auch Nachteile gibt. Man muß auch jedoch hier die Möglichkeit haben, solchen Nachteilen die Vorteile entgegenzustellen. Ich glaube, daß sich allein durch diese 23 Milliarden Schilling an Wechselkursvorteilen, die Österreich haben wird, innerhalb von drei bis vier Jahren die Summe der gewaltigen Umstellungskosten rechnen wird. Selbstverständlich wird es Umstellungskosten geben, das kann nicht wegdiskutiert werden. Das ist ein Punkt, den man auch berücksichtigen muß. Aber ich glaube, aufgrund des Wegfalls der Wechselkursnachteile wird sich das innerhalb von drei bis vier Jahren rentieren.

Aber nun zum eigentlichen Thema des heutigen Tagesordnungspunktes: Es geht um den Außenpolitischen Bericht 1996. Ich möchte in diesem Zusammenhang, wie auch schon mein Vorredner Dr. h. c. Mautner Markhof, sehr herzlich dem zuständigen Ressortminister, Vizekanzler Schüssel, Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner und allen Beamten des Außenministeriums sehr herzlich danken für diesen hervorragenden Bericht, der übersichtlich gestaltet, themenorientiert und sehr benutzerfreundlich geworden ist. – Ich gratuliere zu diesem hervorragenden Werk! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Aus der Fülle möchte ich, wie eigentlich all meine Vorredner, auf einen mir wichtig erscheinenden Teilbereich der Sicherheitspolitik näher eingehen: Es ist klar in diesem Bericht nachzulesen, daß 1996 in Bosnien-Herzegowina, also in unserer mittelbaren Nachbarschaft, wichtige Initiativen zur Durchsetzung des Friedensabkommens von Dayton gesetzt wurden. Damit konnte ein über fünf Jahre dauernder Konflikt zumindest vorläufig beendet werden.

Wesentlich in diesem Zusammenhang sind für mich zwei Fakten. Erstens: Der OSZE ist es gelungen, daß gesamtbosnische Wahlen am 14. September des Vorjahres durchgeführt werden konnten. Zweitens: Voraussetzung für die ordnungsgemäße Durchführung dieser Wahlen war aber der von den Vereinten Nationen autorisierte, unter operationeller Führung der NATO stehende multinationale Friedenseinsatz der ehemaligen IFOR und nunmehrigen SFOR. Durch diese unter Beteiligung von 33 Staaten, darunter auch Österreichs, realisierte Friedensoperation wurde den Menschen in Bosnien und Herzegowina eine reale Chance auf bleibenden Frieden eröffnet.

Durch diesen Erfolg wurde auch innerhalb der Europäischen Union bewußt, wieviel man zur Verwirklichung einer europäischen Friedensordnung leisten könnte. Völlig klar ist, daß durch einen solchen Einsatz sehr viel hätte verhindert werden können, wäre er wesentlich früher gekommen. Daher ist es für die Europäische Union wichtig, eine Verbesserung des Instrumentariums der Krisenbeherrschung und des Krisenmanagements zu erreichen. Als Instrumentarium dafür


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bietet sich meiner Meinung nach die Westeuropäische Union an, die durch die Festschreibung der sogenannten "Petersberg-Aufgaben" in die Lage versetzt werden soll, friedenserhaltende und friedenssichernde Einsätze sowie humanitäre Operationen vorzunehmen. Es muß dazu allerdings die Möglichkeit bestehen, die Europäische Union in die Lage zu versetzen, der Westeuropäischen Union konkrete Aufträge zu erteilen. – Das ist ein Schritt, den ich für wichtig halte und der auch von seiten der österreichischen Außenpolitik so gesehen wird.

Für die Sicherheit Österreichs wird es künftig wichtig sein, die Gesamtentwicklung funktionierender europäischer Sicherheitssysteme sehr genau zu beobachten und dort, wo es möglich ist, auch jetzt schon aktiv mitzugestalten. Ich gebe einem meiner Vorredner, Kollegen Konečny, durchaus recht, der ausführte, daß es innerhalb der Koalitionspartner unterschiedliche Auffassungen bezüglich Weg, Schritte und Ziel einer neuen europäischen Sicherheitsordnung und vor allem der Rolle Österreichs innerhalb einer solchen gibt. Aber ich gebe ihm genauso recht, wenn er sagt, daß diese Dinge diskutiert werden müssen und daß man am Ende einer solchen Diskussion zu einem Ergebnis gelangen wird.

Im Vordergrund muß zumindest für mich die Frage stehen, auf welche Art und Weise – auch darüber sind wir uns einig – die maximale Sicherheit für Österreich und seine Bürger gewährleistet werden kann. Wir können es uns nicht leisten, irgendwelche Gewohnheiten oder sonstige Vorurteile einer klaren, sachlichen Beurteilung entgegenzustellen. Es werden alle Optionen sehr genau zu prüfen sein, und nach dieser Prüfung und nach einer umfassenden Diskussion wird dann zu beurteilen sein, was uns am meisten nützt: Ist es die Beibehaltung der Neutralität, ist es eine engere Bindung an die Westeuropäische Union bis hin zum Vollbeitritt, oder ist es die verstärkte Kooperation mit der NATO, was zum Ende auch zu einem NATO-Beitritt führen kann?

Wir haben diese Optionen zu prüfen, und wir haben in sachlicher Diskussion zu überlegen, was der Sicherheit Österreichs am meisten dienlich ist. Das wird einige Zeit dauern, aber es ist heute vom Verteidigungsminister schon gesagt worden, daß der Optionenbericht der Bundesregierung, an dem das Bundeskanzleramt genauso wie das Außenministerium und das Verteidigungsministerium beteiligt sind, für das erste Viertel des nächsten Jahres zu erwarten ist. Das halte ich für eine wichtige Grundlage, um dann weitere Entscheidungen, die notwendig sein werden, in dieser Richtung zu treffen.

Abschließend möchte ich nochmals feststellen, daß der Außenpolitische Bericht eine hervorragende Informationsquelle für alle außenpolitisch Interessierten ist und sich durch besondere Klarheit und Übersichtlichkeit auszeichnet. Dafür danke ich und kann daher auch ankündigen, daß wir von der Volkspartei diesen selbstverständlich zur Kenntnis nehmen werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Dr. Bösch: Na so etwas!)

14.56

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Paul Tremmel. Ich erteile ihm das Wort.

14.56

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Vorredner Mag. Tusek! Immer wieder habe ich das Vergnügen, unmittelbar nach Ihnen zu sprechen. Ich möchte Ihnen sagen: Argumente werden auch nicht besser, wenn sie immer wieder wiederholt werden. Wenn Sie schon von Verunsicherung sprechen, dann hätte ich zumindest, wenn Sie versuchen, Kollegen Königshofer zu widerlegen, Argumente von Ihrer Warte aus erwartet, die seine Argumente widerlegen. Ich habe solche jedoch nicht gehört!

Ich darf Ihnen aber ein paar Bedenken nennen, die auch wir haben: Selbstverständlich sind auch wir für die Einführung des Euro zu dem Zeitpunkt, zu dem die Wirtschaften innerhalb der EU mit gleicher Geschwindigkeit in den maßgeblichen Eckpunkten Finanz, Steuerpolitik, Wirtschaftspolitik et cetera arbeiten. (Bundesrat Payer: Treue Linie!)

Allein zur Steuerpolitik: Wenn in verschiedenen Staaten verschiedene Sätze zu verschiedenen Bereichen bestehen, dann können sich allein daraus erhebliche Spannungen und erhebliche Schwankungen ergeben. Deswegen sieht man unter anderem die Einführung von Kohäsions


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fonds vor. – Jetzt würde uns einmal interessieren: Wieviel zahlen wir in diesen Kohäsionsfonds ein? Können Sie mir das sagen, Frau Staatssekretärin? Können Sie mir das sagen, Herr Mag. Tusek? – Sind es nur die 3,5 Prozent, die unserem Anteil an der Zentralbank entsprechen würden, oder sind es mehr oder weniger? – Nicht einmal diese Kriterien sind festgelegt! Wir stoßen uns also daran, meine Damen und Herren, daß der Beitritt zur Europäischen Währungsunion schlecht vorbereitet ist! Daran stoßen wir uns, und das sind die Kritikpunkte! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wird Ihnen der französische Finanzkommissär de Silguy in Erinnerung sein, der unter anderem auch gesagt hat, daß man damit rechnen muß, daß die Teilnehmerländer eine Frist von drei bis fünf Jahren haben, innerhalb welcher sich die Währungen anpassen sollen. Es sind allerdings durchaus Schwankungsbreiten von 5 Prozent auf oder ab möglich. Bedenken Sie dabei folgendes: Bei einem Sparguthaben in Höhe von knapp zwei Billionen Schilling, welches die Österreicher haben, würden allein diese Schwankungen 100 Milliarden Schilling ausmachen! Das wollen die Leute hören! Die Leute würden durchaus zustimmen, wenn Sie sagen könnten: Aha, das ist ein kalkulierbares Risiko. Ihr Vortrag und Ihre Argumente verdecken jedoch die Risken, Sie machen sie ergo dessen für die Leute nicht kalkulierbar.

Ich kann mir das auch gar nicht anders vorstellen. Warum haben Herr Präsident Tietmeyer, der mit einem Namen aus dem Tierreich benamst wurde – das scheinen hier auch besondere Qualifikationen der Außenpolitik zu sein! –, oder Schröder oder Biedenkopf Bedenken? Oder warum haben die Engländer Vorbehalte, warum sagt der sonst so angehimmelte Tony Blair: Warten wir erst einmal ab, schauen wir uns das einmal an? Warum macht das Dänemark? Warum macht das Schweden, das zum gleichen Zeitpunkt wie wir beigetreten ist? Können Sie mir das erklären? Sind all die Genannten Verunsicherer? Sind alle EU-Gegner? Sind alle Euro-Gegner? – Nein! Das glaube ich nicht! Aber es werden dort die Argumente auf den Tisch gelegt! Und das sollte bei uns auch erfolgen! Durch solche Wortmeldungen, wie Sie sie hier abgeben, verhindern Sie jedoch, daß das auf den Tisch gelegt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

"Verunsicherer" haben Sie gesagt. Dann gehört ein Teil Ihrer Kollegen auch zu den "Verunsicherern". Bei der Verabschiedung der EU-Begleitgesetze hat seinerzeit ein Teil Ihrer Fraktionskollegen mit berechtigten Argumenten gegen diese Begleitgesetze gestimmt und dabei fast wortgetreu die gleichen Argumente wie wir gebraucht. Die Sache mit den Zuwächsen an Arbeitsplätzen ist nicht so sicher. 38 000 hat uns damals Bundeskanzler Vranitzky versprochen, noch mehr der Herr Außenminister – im Jänner des darauffolgenden Jahres hatten wir die größte Arbeitslosigkeit nach Ende des Zweiten Weltkrieges! (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist ein Skandal! – Bundesrat Eisl: Das ist normal! Geschenk der EU! – Zwischenruf bei der SPÖ. – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Nein! Das hat mit eurer Regierung zu tun! – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Die Qualität des Lebens wird auch durch die Lebensmittel bestimmt, unter anderem dadurch, wie diese Lebensmittel auf den Markt kommen. Der Codex Alimentarius Austriacus ist ein hervorragendes Werk und hat bis jetzt – oder bis vor kurzem – der Bevölkerung garantiert, daß wir entsprechende Nahrungsmittel bekommen. Seit wir in der EU sind, wird uns freundlicherweise zugestanden – das wurde als großer Verhandlungserfolg gefeiert, und damit bin ich beim nächsten Punkt –, daß wir unsere hohen Normen behalten dürfen; die anderen würden irgendwann beitreten. Dafür ist wohl ein Zeitraum genannt worden, aber es sind keine Sanktionen irgendwelcher Art damit verbunden.

Meine Damen und Herren! Die Folge war, daß eine gut florierende, entsprechend dem Gesundheitsbedürfnis der Bevölkerung produzierende Lebensmittelindustrie minimiert wurde. Aber als wir das sagten, waren wir auch "Verunsicherer" – nicht anders übrigens als Ihre Kollegen, die hier mitgestimmt haben. Nicht von ungefähr – nicht nur, weil die interne Finanzplanung in Österreich so schlampig war – haben wir das Sparpaket präsentiert bekommen und als weitere Folge die Pensionsreform. In einem fort müssen die kleinen Leute dafür bezahlen!


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Daß dies zur Sprache kommt, hätten die Leute erwartet. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Uns bezeichnen Sie als EU- und Euro-Gegner. Das sind wir nicht! Wir möchten nur erreichen, daß die Argumente auf den Tisch gelegt werden. Tun Sie das endlich! (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Nun zu einem anderen Thema: Die Qualität der Außenpolitik wird – wie ich in meinem Vorreferat bereits gesagt habe – auch dadurch bestimmt, wie die anderen uns beurteilen. Gestatten und verzeihen Sie mir den Sidestep, den ich mit dem Namen "Tietmeyer" gemacht habe. Aber es bleiben nicht viele Krönungspunkte im Vergleich zur Außenpolitik der Vergangenheit übrig. Nicht nur, daß das Werk von Dr. Mock damals wesentlich mehr Aspekte besessen hat – es war meiner Meinung nach auch fundierter, so wie die Außenpolitik insgesamt fundierter war. Das war sie auch seinerzeit unter Kreisky; denken Sie nur daran, wie der nordafrikanische Raum, wie die Maghreb-Staaten geöffnet wurden, denken Sie an das Abkommen mit Gadafi. All das, meine Damen und Herren, findet heute leider nicht mehr statt.

Welche Beurteilungskriterien gibt es sonst noch? – Was setze ich in der Außenpolitik im eigenen Interesse, aber auch in anderem Interesse durch? Der Euro wurde schon diskutiert. Die Umweltnormen, meine Damen und Herren, habe ich bereits angesprochen. Wir dürfen unsere relativ hohen Umweltstandards behalten. Die anderen können sich anpassen, müssen das aber nicht tun. Dabei ist das Wissen heute Allgemeingut, daß es drei Güter, die wir beinahe in unbeschränktem Ausmaß zur Verfügung haben, die aber in der übrigen Welt nicht mehr in unbeschränktem Ausmaß vorhanden sind – klares Wasser zum Trinken, reine Luft zum Atmen und unvergiftete Erde zum Anbau von Früchten – zu schützen gilt, bei uns und auch bei den anderen.

Deswegen sind wir in dieser Frage so kritisch. Denn keines dieser Dinge haben wir wirklich durchgesetzt. Wir haben uns gegen die Atomkraft gestellt. Vor zwei oder drei Tagen hat der Bundeskanzler der Republik Österreich, Mag. Klima, vor der internationalen Atomenergiebehörde gesagt, daß er für ein atomfreies Mitteleuropa eintritt, aber bei unserem EU-Beitritt haben wir hinsichtlich der E-Wirtschaft unterschrieben, daß wir die Atomkraft goutieren. (Zwischenruf des Bundesrates Payer. )

Frau Staatssekretärin! Das trifft auch bei anderen internationalen Verträgen zu. Wenn Sie nachlesen, was heute als 6. Punkt auf der Tagesordnung steht, sehen Sie, daß es darum geht, für verschiedene Bereiche einen Staatsvertrag mit der Ukraine abzuschließen. Einen sehr wichtigen Bereich, nämlich die Atomindustrie, wird aber erst ein nachfolgender Vertrag zum Gegenstand haben. Wenn Sie diese Zeitung anschauen, die Ausgabe von gestern – mit der Schlagzeile "Krebsrate steigt seit Tschernobyl" –, dann sehen Sie die Nachfolgeauswirkungen. (Der Redner hält eine Titelseite der "Kronen Zeitung" in die Höhe.) Ein Teil der Steiermark und des südlichen Oberösterreichs hat bis vor kurzem eine genauso große Belastung gehabt wie die Umgebung von Tschernobyl!

Meine Damen und Herren! Da wäre es nur recht und gut, bei solchen Verträgen genau darauf zu achten, daß auch solch sensible Themen hineingebracht werden. (Bundesrat Mag. Tusek: Stimmt nicht!) Herr Kollege Tusek! Es stimmt, leider Gottes, es stimmt! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Tusek. ) Wir können nicht so vorgehen: Wasch’ mir den Pelz, und mach’ mich nicht naß! Wir sollten für das eintreten, was wir sagen. Wenn wir für ein Mitteleuropa eintreten, das kernkraftfrei ist, dann sollten wir das auch mit der nötigen Konsequenz tun, freilich auch mit der nötigen Höflichkeit, dazu ist unsere Diplomatie durchaus fähig.

Ich darf mich übrigens in diesem Zusammenhang bei den Damen und Herren bedanken, die die schwere Aufgabe haben, unter geänderten Voraussetzungen Österreich berufsmäßig zu vertreten und diesen Bericht zu erstellen.

Man hätte das durchaus in diesen Vertrag hineinbringen können. Man kann nicht immer nur "ein armes Land" und dergleichen sagen. Denn auch wir tragen die Verantwortung. Ich werde später auf die Umgebung auch noch zu sprechen kommen.

Jetzt möchte ich nicht nur kritisierend tätig sein. Es gibt Bereiche, die meiner Meinung nach in dem Bericht unterbewertet sind. Einen solchen Bereich kenne ich selbst, nämlich die Entwicklungshilfe im Bereich Mittelafrikas, insbesondere in Uganda, wo in jeder Weise große Erfolge zu


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stande gebracht worden sind. Ich weiß, daß dieses Projekt lange Zeit benötigt, und es dauert auch einige Zeit, bis man die Erfolge messen kann. Es sind engagierte Menschen, die dort tätig sind, und es ist durchaus ein Erfolg, daß die Geldmittel direkt eingesetzt werden, daß sie in Projekten eingesetzt werden, die dem Land nützen, aber auch der Industrie, die dort investiert. Das ist eine Art und Weise, wie ich mir Entwicklungshilfe vorstellen kann.

Wenn ich jedoch hier im Bericht lese, was über den Alpentransit geschrieben wird, gnädige Frau, dann muß ich sagen, daß dabei vernebelt wird. Im großen und ganzen wird in dieser Passage auf eineinhalb Seiten dargetan, daß der Alpentransit ein Erfolg sei und die Ökopunkte zurückgegangen wären. Wie aber sieht es in der Praxis aus? – Als einen der Hauptpunkte hat der damalige Finanzminister Klima genannt, daß die EU die Alpenpassage mitfinanzieren soll. Mit der Ankündigung, daß das so geschehen sollte, ist er an die Öffentlichkeit getreten – bis dann Kommissär Neil Kinnock kam und sagte: Jeder, der glaubt, daß die EU das bezahlt, der ist ein Narr.

Es waren die Schweizer, die uns auf der Verkehrskonferenz in Lausanne retteten. Sie forderten, daß in Europa etwas getan werden müsse. Denn sie richten ihre verkehrsmäßige Infrastruktur so aus, daß alles per Bahn oder im Tunnel geführt wird. Das Nadelöhr dabei wird die Alpenpassage in Österreich sein. Das, gnädige Frau, ist kein Erfolg.

Über SFOR und IFOR möchte ich nicht mehr sprechen, da ich das vorhin schon getan habe. Daß gut ausgebildete österreichische Soldaten im Ausland tätig sind, ist, wie vorhin gesagt, zu begrüßen. Wünschenswert wäre es, daß sie mit qualitativ bestmöglichem Material ausgestattet werden. Das ist derzeit nicht immer der Fall, es ist aber die Voraussetzung, unter der wir unsere Soldaten zur friedensstiftenden Mission schicken sollten.

Mit einem Punkt, der mir sehr am Herzen liegt, komme ich zum Schluß. Ich habe an Ihren Herrn Außenminister eine Anfrage bezüglich Tschechiens – Benes-Dekrete – und Sloweniens – Jajce-Gesetze – sowie AVNO-Gesetze gerichtet. Er hat diese Problematik durchaus erkannt, hat aber ausgeführt, daß das eine bilaterale Angelegenheit sei. Dagegen muß aufgetreten werden. Es hat dort Menschenrechtsverletzungen in ungeheurem Ausmaß gegeben, die den Holocaust-Verbrechen durchaus gleichzustellen sind, und das ist keine bilaterale Angelegenheit! (Zwischenruf bei der SPÖ.) Abgesehen davon, gnädige Frau, ist die europäische Menschenrechtskonvention ein Rechtsbestand der Europäischen Union, sodaß es schon ergo dessen keine bilaterale Angelegenheit ist.

Es ist nur gut und billig für die Opfer und die Toten – wer seine Toten nicht ehrt, der hat keine Zukunft –, daß wir darauf dringen, daß zumindest die Grabstätten hergerichtet werden können oder – so wie es die Italiener kürzlich forderten – daß die Geschädigten ein Vorkaufsrecht haben. Wir gehen soundso historisch darüber hinweg, daß dort ein Gebietsraub erfolgte, der in keiner Weise zu rechtfertigen ist und der Opfer in ungeheurem Ausmaß gefordert hat, überdies mit einer Bestialität durchgeführt wurde, die es sonst nirgends gegeben hat. Ich bewundere – das möchte ich hinzufügen – den Mut von Herrn Simon Wiesenthal oder die Toleranz von Herrn Bert Linder, der leider Gottes bei der Präsentation seines Buches "Verdammt ohne Urteil" in Graz gestorben ist, daß sie für ihre Ethnien, für die Menschenverständigung und für ihr Volk eingetreten sind.

Ich verstehe nicht, daß wir das in diesem Hause und in der Republik Österreich nicht in gleichem Ausmaß für unsere seinerzeit Ermordeten tun. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Meine Damen und Herren! Wenn wir dazu Gelegenheit haben, dann sollten wir das bei den Verträgen, die anläßlich eines EU-Beitrittes notwendig sind – das entsprechende Avis wird ja bald kommen –, mit der entsprechenden Vornehmheit, aber auch mit der entsprechenden Bestimmtheit tun. Das ist ein Wunsch – weil das sonst überhaupt nicht aufscheint –, und es ist für mich ein Herzensanliegen, daß das hier endlich einmal gesagt wird. Denn Tote können sich nicht mehr wehren, auch deshalb nicht, weil sie nicht einmal mehr Grabsteine haben, sondern in Schächten eingemauert oder sonstwie bestialisch umgebracht wurden. Sie können sich nicht mehr wehren. Wir haben die Aufgabe, als folgende Generation für Frieden zu sorgen, aber wir haben auch dafür zu sorgen, daß unseren Toten Gerechtigkeit widerfährt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.13


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630. Sitzung / Seite 86

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Ich erteile Frau Staatssekretärin Dr. Benita Ferrero-Waldner das Wort.

15.13

Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte noch einmal damit beginnen – das habe ich schon einige Male im Nationalrat getan –, klarzustellen, daß mit der österreichischen EU-Mitgliedschaft ein absoluter Paradigmenwechsel eingetreten ist. Diejenigen, die glauben, daß Österreich jetzt weniger Außenpolitik als vorher betreibe, irren, und zwar ganz klar.

Die österreichische EU-Mitgliedschaft hat Österreich dazu veranlaßt, viel präsenter als vorher zu sein. Selbstverständlich konzentrieren wir uns auch heute noch sehr auf unsere Partnerstaaten in der Europäische Union und auf die Nachbarstaaten – darauf komme ich gleich zu sprechen –, aber darüber hinaus war noch nie so viel an Kontaktnahme mit der gesamten übrigen Welt da, nämlich an Globalisierung. Auch darauf werde ich im Rahmen meines Exposés eingehen. Lassen Sie mich aber zuerst kurz auf die Rolle Österreichs im kommenden EU-Vorsitz eingehen. Das ist meiner Ansicht nach mit eine der größten Herausforderungen der österreichischen Außenpolitik, die auf uns zukommen, und diese Herausforderung wird sicherlich auch von Ihnen mit Interesse verfolgt.

Die Führung der österreichischen Außenpolitik ist eine sehr intensive und fordernde Aufgabe. Weder Herr Vizekanzler und Außenminister Dr. Schüssel noch ich werden uns diese Aufgabe leichtmachen, und wir haben sie uns auch bis jetzt nicht leichtgemacht. Es sind nur noch weniger als 300 Tage, die uns vom Beginn der österreichischen EU-Präsidentschaft trennen. Ich muß hinzusagen, daß weit mehr als 300 Tage gezielter Vorbereitungen bereits hinter uns liegen.

Die Erwartungshaltung in Österreich ist wirklich beträchtlich. Ich sehe großes Interesse in der Bevölkerung, und wir werden uns darum bemühen, auch in Zukunft die österreichische Bevölkerung nicht zu enttäuschen und die Vorbereitung – wie ich es immer als Motto ausgegeben habe – seriös, gediegen und professionell durchzuführen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir wissen, daß die Umsetzung unserer Interessen sicherlich nicht einfach sein wird. Aber das wichtigste Kriterium für den Erfolg einer Präsidentschaft – auch darin sind sich die Experten einig – ist die Unabhängigkeit einer Präsidentschaft. Die Präsidentschaft muß Mittler sein, muß ehrlicher Makler sein, muß Sprachrohr sein. Wer den Vorsitz in erster Linie dazu nützt, nationale Steckenpferde zu reiten oder die eigenen Schäfchen ins trockene zu bringen, der wird scheitern. Das muß man auch in Österreich immer wieder betonen, und ich tue das auch.

Denn hier besteht teilweise die Vorstellung, wir könnten der Union sechs Monate lang unsere eigenen nationalen Wünsche und Prioritäten sozusagen aufzwingen. Selbstverständlich ist das keineswegs der Fall. Der Vorsitz ist vielmehr eine Dienstleistung, eine Managementaufgabe, eine Gestion, die sich am Gesamtinteresse der Union orientieren muß.

Folgende Tagungen werden in Österreich stattfinden: auf Regierungsebene die traditionelle Tagung von Bundesregierung und Kommission, mit der die Präsidentschaft beginnt, und elf informelle Ministerräte, davon neun in den Bundesländern. Ich darf dazu sagen, daß es mir ein großes Anliegen war, in allen Bundesländern zumindest je einen informellen Rat durchzuführen, und das ist mir auch gelungen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Zwei davon werden in Wien stattfinden. Weiters wird es die EU-SADC-Außenministerkonferenz – das ist eine Konferenz mit Vertretern des südlichen Afrikas – und selbstverständlich im Dezember den Europäischen Rat geben.

Offen sind noch – es ist möglich, daß dies stattfinden wird – ein außerordentlicher Europäischer Rat, eine multilaterale Erweiterungskonferenz und eine Reihe von allfälligen weiteren Drittstaatentreffen. Unterhalb der Regierungsebene werden insgesamt 36 Tagungen auf Beamtenebene in Österreich stattfinden.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich ist die EU-Präsidentschaft nicht völlig planbar. Denken Sie nur an Italien: In die Zeit seiner Präsidentschaft fiel die BSE-Krise. In bezug auf die Niederlande galt das zum Beispiel für die Krise mit Albanien. Daher ist es meiner Ansicht nach besonders wichtig – wir versuchen, das zu tun –, Flexibilität und gewisse Reservekapazitäten einzuplanen.

Fest steht allerdings, daß unser Vorsitz in eine besonders sensible Phase fallen wird. Jahrhundertthemen – sie wurden zum Teil auch heute schon andiskutiert – wie Euro oder EU-Erweiterung werden sicherlich Schlüsselelemente dieser Präsidentschaft sein. Mit der Reform der Agrarpolitik und der Neuordnung der Strukturpolitik stehen überaus kontroversielle und schwierige Weichenstellungen in zentralen Politikbereichen an. Die Erarbeitung der finanziellen Vorausschau für die Jahre 2000 bis 2006 ist verteilungspolitisch – auch das ist heute schon angeklungen – nicht zuletzt auch wegen des Zusammenhangs mit der Finanzierung der Erweiterung eine äußerst schwierige Aufgabe.

Wirtschafts- und Währungsunion, die endgültige Festlegung der Wechselkurse: Der Beginn der dritten Stufe der Währungsunion soll am 1. Jänner 1999, also unmittelbar nach Abschluß unserer Präsidentschaft, erfolgen. Das heißt, angesichts des historischen Charakters dieses Ereignisses und seiner ungeheuren wirtschaftlichen und politischen Relevanz ist es daher gut möglich, daß der gesamte österreichische Vorsitz im Zeichen des Euro stehen wird. Allerdings kann man sich nicht 100prozentig auf den Fahrplan für das Jahr 1998 verlassen. Als Fixstarter für die dritte Stufe ist Österreich jedenfalls in einer guten Position, um einen wichtigen Beitrag zum Zustandekommen dieses Projektes zu leisten.

Was die Erweiterung betrifft, hat die Kommission – wie Sie wissen – vorläufig folgendes Modell präsentiert: Beitrittsverhandlungen mit Ungarn, Tschechien, Polen, Estland, Slowenien und Zypern. Das war vorher schon bekannt und entschieden. Darüber hinaus sind bilaterale Beitrittspartnerschaften mit allen Kandidaten vorgesehen und danach die Einberufung einer Europakonferenz unter Teilnahme aller EU- und Kandidatenstaaten sowie vielleicht der EWR-Länder und der Türkei zwecks Zusammenarbeit in den Bereichen GASP und Inneres/Justiz. Darüber besteht noch nicht völlige Klarheit.

In die Zeit der österreichischen Präsidentschaft dürften die ersten wirklichen Verhandlungsrunden fallen. Dabei wird die Positionierung Österreichs besonders sensibel sein. Engagement für Fortschritte in der Erweiterung, die unzweifelhaft – das möchte ich hier auch sagen – klar im österreichischen Interesse liegt, muß selbstverständlich mit wirksamem Eintreten für die spezifischen Interessen unseres Landes verbunden sein. Dabei die richtige Linie zu finden, glaubwürdig und kohärent zu sein, wird keine einfache Aufgabe sein. Aber wir werden uns dieser Aufgabe stellen.

Ich möchte die Themen Strukturpolitik, gemeinsame Agrarpolitik und Santer I-Paket hier nur kurz streifen. Da gemeinsame Agrarpolitik und Strukturpolitik zusammen zirka 79 Prozent der EU-Ausgaben ausmachen, steht deren Reform selbstverständlich in engem Zusammenhang mit der Erarbeitung der finanziellen Vorausschau für die Jahre nach 1999 und mit der Frage der Finanzierung der Erweiterung. Diesbezüglich hat die Kommission bereits in der Agenda 2000 ihre Vorstellungen dargelegt.

Zur finanziellen Vorausschau geht die Kommission davon aus, daß die im derzeit geltenden Delors II-Paket vorgesehene Obergrenze für die Finanzressourcen von 1,27 Prozent des Bruttosozialproduktes auch für die Jahre 2000 bis 2006 gelten soll. Das heißt, zumindest die erste Erweiterungsrunde sollte ohne zusätzliche Finanzmittel finanziert werden. Das ist auch eine Bedingung Österreichs, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Eine wichtige und sensible Komponente der österreichischen Vorbereitungen wird die rechtzeitige innerösterreichische Koordination sein. Es wird vor allem darum gehen, einen tragfähigen Kompromiß zu finden zwischen den Interessen des Nettozahlers sowie den legitimen Anliegen der Bauern und der verschiedenen österreichischen Regionen. Selbstverständlich wird dabei auch die Frage der Arbeitsplätze eine Rolle spielen.


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Falls der Ratifizierungsprozeß krisenhaft abläuft, könnte die österreichische Präsidentschaft in dieser Hinsicht zusätzlich gefordert sein. Selbstverständlich messen wir hierfür der Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament große Bedeutung zu. Ich habe selbst bereits im Juli das Europäische Parlament besucht und mich dort mit den Fraktionsvorsitzenden der österreichischen Parlamentarier getroffen, weil ich glaube, daß es sehr wichtig ist, auch dort Informationen zu verbreiten und weiterzugeben. Dazu muß ich sagen, daß ich eigentlich etwas verwundert darüber bin, daß daraufhin in den Zeitungen anderslautende Kritik geübt worden ist, die ich nicht unbedingt verstehen kann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte jetzt auf verschiedene andere Schwerpunkte der Außenpolitik eingehen, die selbstverständlich in Zukunft, aber auch jetzt schon wegen unserer EU-Mitgliedschaft eine große Rolle spielen. Was wird in bezug auf unsere Präsidentschaft dabei besonders hervorzuheben sein? – Selbstverständlich die Nahostpolitik. Darüber darf ich sagen – das ist meiner Ansicht nach zu wenig verfolgt worden, weil es nicht immer in den Medien gestanden ist –, daß ich selbst eine Unzahl von Reisen nach Nahost durchgeführt habe.

Ich bin erst vor zwei Tagen von einer Reise nach Marokko zurückgekommen. Ich war weiters im Libanon und vor einem Jahr in Ägypten, habe zweimal Israel besucht und einmal Palästina, weiters die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait. Alle Maghreb-Staaten und auch viele andere haben bereits Besuche in Österreich durchgeführt. Daher bin ich der Ansicht, daß man den Vorwurf nicht im Raum stehen lassen kann, daß Österreich jetzt in anderen Bereichen wie zum Beispiel dem Nahostbereich nicht mehr tätig sei. Das stimmt nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Auch die Entwicklungen in Bosnien-Herzegowina haben stets unsere große Aufmerksamkeit gehabt und werden auch in Zukunft unser besonderes Augenmerk finden. Darüber hinaus wird sich die österreichische Präsidentschaft einer Reihe weiterer wichtiger Punkte widmen müssen, darunter der Vollendung der Reform der Vereinten Nationen – das Thema Vereinte Nationen wurde heute zum Teil schon angesprochen –, der Umsetzung der neuen transatlantischen Agenda EU-USA, der Umsetzung der neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit den GUS-Staaten – auch diese sind nicht vergessen; es wird einen neuen Roving Ambassador aus dem Außenministerium geben, damit auch diese Länder besser abgedeckt werden –, der sehr wichtigen Weiterentwicklung der Beziehungen der EU zur Türkei sowie – das fällt ganz besonders in den mir eigenen Bereich – der Fortführung der Lomé-Verhandlungen der AKP-Staaten mit der Europäischen Union, worüber bereits jetzt die Vorverhandlungen für das Mandat laufen. Voraussichtlich werden die eigentlichen Verhandlungen während unserer Präsidentschaft beginnen. Schon angedeutet habe ich, daß eine EU-SADC-Konferenz im November 1998 stattfinden wird, wodurch ebenfalls das südliche Afrika in den Blickpunkt gerückt wird und wobei wir als Schwerpunkt einer konkreten Zusammenarbeit ganz besonders die Konfliktverhütung herausstellen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wollte ich hier ansprechen. Selbstverständlich gibt es noch eine Reihe anderer wesentlicher Themen wie zum Beispiel die heute ebenfalls bereits angesprochene Beschäftigungspolitik, die uns sehr am Herzen liegt, sowie weiters die Menschenrechte. Das nächste Jahr wird das große Menschenrechtsjahr mit dem 50-Jahre-Jubiläum der "Universal Declaration of Human Rights" und 5 Jahre nach unserer Menschenrechtskonferenz sein. Wir arbeiten im Außenministerium jetzt schon intensiv daran, sehr genau zu untersuchen, worin der österreichische Beitrag bestehen kann. Hier möchte ich noch einmal all den Gerüchten oder auch Falschmeldungen entgegentreten, die immer wieder sagen, die österreichische Außenpolitik sei nicht dabei, sich inhaltlich auf die Präsidentschaft vorzubereiten. Das, bitte, stimmt wirklich nicht! Es ist nur manchmal noch nicht so visibel, weil das selbstverständlich lange und sehr detaillierte Vorbereitungsarbeiten sind.

Ein weiterer Punkt, der für die Zeit unserer Präsidentschaft wichtig erscheint, ist der gesamte Bereich der inneren Sicherheit. Auch in dieser Hinsicht wollen wir uns bemühen, daß die Union effektive Maßnahmen gegen organisierte Kriminalität, illegale Einwanderung – die Schlepper-Initiative des Bundesministers wurde schon angesprochen – oder Drogenschmuggel setzt, wobei UNO und Europäische Union durchaus ineinandergehen.


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630. Sitzung / Seite 89

Ich möchte noch kurz auf einige Bemerkungen eingehen, die von verschiedenen Bundesräten geäußert wurden. Was die internationalen Organisationen betrifft, wissen Sie, wie sehr ich mich selbst darum bemüht habe und selbstverständlich weiter bemühe, im Rahmen der internationalen Organisationen Österreich einen Stellenwert zu geben. Wir konnten seit 1995 eine Reihe friedenserhaltender und friedensstiftender Konferenzen in Österreich durchführen oder daran mitwirken. Ich möchte, weil das oft untergeht, hier nur ein paar aufzählen. In Österreich fanden zwei intraosttimoresische Dialoge statt. Das war etwas, das ganz bewußt von der Öffentlichkeit ferngehalten wurde, denn es sollte möglichst vertraulich ablaufen, so wie damals in Norwegen die Oslo-Gespräche über Nahost vertraulich abliefen.

Es gab weiters die Konferenz der Minsker Gruppe über Berg-Karabach im Juli 1995 in Baden, das International Round Table on Human Rights in Bosnien-Herzegowina im März 1996, die Bosnienverhandlungen aufgrund des Artikels 2 des Dayton-Abkommens, die Verhandlungen aufgrund des Artikels 4 des Dayton-Abkommens, das Identifikationstreffen des Prozesses der Stabilisierung der gutnachbarschaftlichen Beziehungen in Südosteuropa im April 1996, die Konferenz über die Implementierung des Brcko-Schiedsspruches im März 1997 und das Kosovo-Forum im April 1997. Selbstverständlich geschieht das im Zusammenhang nicht nur mit den UNO-Organisationen, die ihren Sitz in Österreich haben, sondern vor allem auch mit der OSZE, die sehr wichtige Impulse für Konferenzen mit sich bringt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist weiters das Thema Südtirol angesprochen worden. Ich möchte ganz kurz darauf eingehen und Ihnen sagen, daß Österreich die Schutzmachtfunktion, die es auch nach Abschluß des Südtirol-Paketes im Jahr 1992 eingenommen hat, selbstverständlich beibehält und daß wir laufend mit der deutschsprachigen Volksgruppe in Südtirol in engem Kontakt stehen. Auch wenn das nicht so visibel ist, gehört es heute schon zu den Selbstverständlichkeiten. Landeshauptmann Durnwalder und SVP-Obmann Brugger kamen Ende Mai nach Wien und führten hier sehr ausführliche Gespräche mit dem Bundeskanzler und dem Bundesminister. Die letzte Südtirol-Besprechung in Wien fand am 3. Juli 1997 statt – das ist also noch nicht lange her –, und das Hauptthema dieser Besprechung war die Kooperation Österreichs mit der im Entstehen begriffenen Universität Bozen.

Vielleicht darf ich allgemein etwas sagen, bevor ich auf die zwei Punkte eingehe, die Sie angesprochen haben. Generell zeigt sich die derzeitige italienische Regierung gegenüber den Südtiroler Anliegen sehr aufgeschlossen. Die Beziehungen zwischen Bozen und Rom waren noch nie so gut wie heute, und die Südtiroler Autonomie hat sich dementsprechend positiv entwickelt. In den letzten Wochen hat Südtirol von Rom zum Beispiel neue Kompetenzen im Bereich der Staatsstraßen erhalten, wobei das Land auch die Finanzierung übernimmt. Derzeit laufen Verhandlungen über Rückgabe und Abtretung von Liegenschaften des Staates an Südtirol. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Was die Universität Südtirol anlangt, ist folgendes zu sagen: Ein italienisches Gesetz aus dem Jahre 1990 sieht für Grundschullehrer, Gesundheitsberufe und Kindergärtner nunmehr universitäre Vollstudien vor, und daraus hat sich für uns die Notwendigkeit ergeben, über entsprechende neue Strukturen in Südtirol nachzudenken. Man konnte dabei an eine Zweigstelle der Universität Innsbruck in Südtirol denken oder aber an eine eigene Südtiroler Universität. Schließlich wurde für letztere Option entschieden.

Rom hatte Bozen diesbezüglich ein sehr günstiges Angebot gemacht, indem die Errichtung einer doppelsprachigen, nichtstaatlichen Universität ermöglicht wurde, die zu weitgehender Kooperation mit ausländischen Universitäten ermächtigt ist. Zum Beispiel sollen mindestens 70 Prozent des Lehrpersonals im Ausland rekrutiert werden können. Die Südtiroler Landesregierung wird in den Universitätsgremien eine sehr starke Stellung einnehmen, wodurch das deutschsprachige Element gesichert ist. Bozen hat zugesagt, daß es zu keiner Konkurrenzierung der Universität Innsbruck kommen wird, denn das haben – das muß man auch sagen – die Innsbrucker eine Zeitlang gefürchtet.

Die Universität Innsbruck bereitet sich nun auf die Kooperation mit der Universität Südtirol vor, vor allem durch die Entsendung von Lehrkräften. Österreich wird – das darf ich sagen – auch in


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Zukunft im Einvernehmen mit den Südtirolern darüber wachen, daß diese neue Institution zu einem positiven Element in den Beziehungen zwischen Österreich und Südtirol wird und daß es nicht zu einer Entfremdung zwischen Südtirol und Nordtirol kommt.

Nun zu dem von Ihnen angesprochen Fall Unterkirchner: Im Außenministerium – und zwar in der Sektion IV –, aber auch im österreichischen Konsulat in Mailand ist der Fall Karola Unterkirchner selbstverständlich bekannt. Sie wird seit ihrer Verhaftung im Jahre 1994 auch konsularisch betreut. Selbstverständlich tragen wir der von ihren Anwälten und von ihr selbst gewählten Prozeßstrategie Rechnung. Bisher ist uns nichts darüber bekannt, daß sie selbst eine Begnadigung wünschen würde, aber wir werden dieser Sache weiter nachgehen.

Allgemein möchte ich, nachdem hier auf die große Bedeutung der Auslandskulturpolitik hingewiesen worden ist, hinzufügen, daß diese in all den Staaten, in denen Österreich sonst wenig Standing hatte, auch in der Vergangenheit immer ein wesentlicher Beitrag war. Diesen wollen wir so weit wie möglich ausbauen, selbstverständlich im Rahmen unserer Möglichkeiten. Wir haben dafür ein Budget von 75 Millionen Schilling zur Verfügung, das uns im Rahmen der Gesamtkürzung der Budgets gekürzt worden ist.

Nicht nur in den mittel- und osteuropäischen Ländern oder in anderen Staaten, in denen wir bereits mit großem Engagement tätig gewesen sind, sondern auch in Staaten, in denen wir weniger engagiert waren, versuchen wir jetzt, mit vielen kleineren Kulturveranstaltungen wie Konzerten oder Ausstellungen Präsenz zu zeigen. Daß dies sehr geschätzt wird, kann ich gerade nach meiner Reise nach Marokko feststellen, da dies dort ganz besonders herausgestrichen wurde, auch von marokkanischer Seite.

Ein Wort möchte ich auch über den Europarat sagen, da er ebenfalls erwähnt worden ist. Ich danke für die Bedeutung, die dem Europarat gegeben worden ist. Denn der Europarat hat wesentliche Bedeutung in sämtlichen Bereichen der Rechtsangelegenheiten, der Rechtsvereinheitlichung, der Demokratie und der Menschenrechtsfragen, vor allem aber als Plattform für all jene Staaten, die noch nicht in der Europäischen Union sind, aber langsam an Europa herangeführt werden. Das gilt wesentlich für Länder wie die Ukraine, Belarus oder Moldowa, die langsam an die Standards, die wir im Westen haben, herangeführt werden.

Ich nehme immer an den Ministerratskonferenzen des Europarates teil und werde zusammen mit dem Herrn Bundespräsidenten auch am Europarats-Gipfeltreffen teilnehmen, das am 10. und 11. Oktober in Straßburg stattfinden wird. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Crepaz. – Bitte.

15.36

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In meinem kurzen Beitrag zur Debatte über den Außenpolitischen Bericht konzentriere ich mich vor allem auf zwei Schwerpunkte, auf das Thema Südtirol und auf das Thema NATO.

Im Hinblick auf den kurzen Abschnitt über Südtirol habe ich den Außenpolitischen Bericht – und zwar in seltener Einhelligkeit mit Kollegen Königshofer, wie ich gestehen muß – als sehr kärglich empfunden. Aber es finden sich darin trotz der Kürze einige erfreuliche Mitteilungen.

Die Mitte-Links-Regierung unter Ministerpräsident Prodi widmet dem Schutz der ethnischen Minderheiten besondere Aufmerksamkeit. Südtirol ist es gelungen, im Schulbereich weitere Kompetenzen zu erhalten, und Südtirol erhielt, wie Sie angeführt haben, neue Rechte der Straßenhaltung. Zur Finanzierung der übernommenen Kompetenzen wurden mit Rom steuerliche Vereinbarungen abgeschlossen. Das könnten sich unsere Bundesländer oft nur wünschen.

Die Zweisprachigkeit besteht jetzt nicht mehr nur im öffentlichen Dienst, sondern gilt auch für jene privaten Betriebe, die im öffentlichen Interesse arbeiten. Präsident Scalfaro hat 1996


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24 Südtiroler Aktivisten gnadenhalber wieder in ihre bürgerlichen Rechte eingesetzt. In vielen Bereichen zeigt es sich, daß die von Österreich und Italien vor der UNO abgegebene Streitbeilegung die Situation zusätzlich entspannt und neue Impulse gegeben hat, Impulse für die Weiterentwicklung der Autonomie Südtirols und Impulse für die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Italien.

Vor dem Hintergrund der eingangs skizzierten positiven Entwicklungen der letzten Jahre möchte und muß ich meiner Empörung über die zum Teil revanchistische, zum Teil ignorante und realitätsverleugnende Haltung von ÖVP-Landeshauptmann Wendelin Weingartner und dem Innsbrucker ÖVP-Bürgermeister Herwig van Staa Ausdruck verleihen. Diese beiden Herren haben mit ihrem Versuch, die sogenannte "Dornenkrone" im Herzen von Innsbruck aufzustellen, nationalistischen und unverbesserlich revanchistischen Kreisen das Wort geredet, und zwar trotz warnender Stimmen aus der Südtiroler Landesregierung, die am besten weiß, daß mit der Aufstellung von revanchistischen Symbolen das Verhältnis zu Italien getrübt wird. Die Südtiroler Landesregierung, allen voran Landeshauptmann Durnwalder und sein Vorgänger Magnago, weiß ganz genau, daß von der Aufstellung der "Dornenkrone" nur die italienischen Neofaschisten in Südtirol profitieren würden.

Für diejenigen im Hohen Haus, die nicht wissen, was die "Dornenkrone" ist, hier ein kleiner Rückblick: 1984 wurde diese "Dornenkrone" von Südtiroler Schützen bei einem Landesumzug durch Innsbruck getragen. Schon damals war die "Dornenkrone" politisch umstritten. Die Südtiroler Regierungsstellen sprachen sich schon damals gegen die "Dornenkrone" aus: Diese sei eine unnötige Provokation des italienischen Staates. Nach dem Umzug verschwand die "Dornenkrone". Vor einigen Jahren wurde sie in einem Innsbrucker Bauhof wiederentdeckt, und plötzlich stand die Forderung im Raum, daß sie öffentlich aufgestellt werden müsse. Nur die breite, wochenlange öffentliche Kritik konnte Weingartner und van Staa dazu bewegen, die am 27. September 1997 geplante Aufstellung der "Dornenkrone" abzusagen. Einsichtig haben sich beide Politiker, Weingartner und van Staa, nicht gezeigt.

Der Zeitgeschichtler Michael Gehler hat als Kenner der Südtiroler Geschichte die Probleme der "Dornenkronen"-Diskussion aufgezeigt. Erstens hat sie die Unsensibilität der Tiroler Politik gegenüber Südtirol aufgezeigt. Zweitens ist sie angesichts der Bemühungen um eine Europaregion ein Ausdruck der Phantasielosigkeit durch den Griff in die Requisiten der Mottenkiste. Drittens besitzen die Südtiroler seit dem zweiten Autonomiestatut aus dem Jahre 1992 das Gesetz des Handelns. Seither haben sie das Optimale für ihr Land herausgeholt. Heute von Schmerz und Leid in Südtirol zu sprechen, kommt einer Lebenslüge gleich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun komme ich zu meinem zweiten Schwerpunkt, zum Thema Österreich und die NATO. Die ÖVP und ihr Obmann, Außenminister Schüssel, sind in NATO-Euphorie verfallen. Im Vorwort zum Außenpolitischen Bericht wird von Bundesminister Schüssel der EU-Erweiterungsprozeß unmittelbar mit jenem der NATO in Zusammenhang gesetzt. Soll das für Österreich heißen, daß seinem EU-Beitritt ein NATO-Beitritt zwingend folgen muß? Soll das heißen, daß alle zukünftigen EU-Mitglieder auch oder zuerst NATO-Mitglieder sein müssen?

Selbstverständlich muß Österreich als EU-Mitglied nicht der NATO beitreten. Die EU ist nicht mit der NATO gleichzusetzen. Die EU-Staaten versuchen im Rahmen der WEU, ihre Sicherheits- und Friedenspolitik zu gestalten. Wie das genau geschehen soll, steht noch nicht fest. Ich bin überzeugt, daß wir diesen Diskussions- und Gestaltungsprozeß innerhalb und außerhalb der EU abwarten sollten. Eines ist aber sehr wahrscheinlich: Das vereinigte Europa wird sich in seiner Sicherheits- und Friedenspolitik von den Vereinigten Staaten abkoppeln müssen. Die USA wird nicht für alle Ewigkeit unsere Aufgaben erledigen können.

Ich bin mir ganz sicher, daß die überwiegende Mehrheit der österreichischen Bevölkerung für einen raschen NATO-Beitritt nicht bereit ist. Für sie ist die NATO im Kern noch immer ein reines Militärbündnis. Unsere Neutralität ist mit einem Beitritt nicht vereinbar. Vor dem Beitritt zur EU haben wir immer wieder betont, daß Europa ein Friedensprojekt ist. Zum Aufbau eines Systems kollektiver Sicherheit bedarf es wirksamer Instrumente gesamteuropäischer Zusammenarbeit,


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etwa in den Bereichen der Beschäftigungs- und Sozialpolitik. Diese Aspekte vermisse ich persönlich im Außenpolitischen Bericht. Das Ziel unserer Sicherheitspolitik sollte eine verständnisorientierte Friedenspolitik, eine Politik der Konfliktvermeidung und Konfliktbewältigung sein. Wir streben auch in Zukunft eine aktive Neutralitätspolitik an. Deshalb gibt es keinen dringenden Grund, der NATO beizutreten.

Meine Damen und Herren! Da heute schon öfters gedankt wurde, möchte ich zum Schluß auch einen Dank aussprechen, und zwar nicht nur den Berichterstellern sowie den Beamten und Mitarbeitern des Außenamtes, sondern auch den vielen Frauen und Gattinnen der Botschafter. Ich habe in den letzten Jahren oft Gelegenheit gehabt, mit Botschaftersfrauen Kontakt aufzunehmen, und habe erfahren, welche vielfältigen Aufgaben diese Frauen für die Republik ohne Kosten leisten. Ich denke – das sollte man vielleicht als Anregung aufnehmen –, daß man für diese Frauen eine selbständige Pensionsversicherung einrichten sollte. Denn die repräsentativen Aufgaben und insgesamt das Leben, das sie führen – alle paar Jahre in einem anderen Staat, die Kinder woanders, die Familien oft zerrissen –, wären es wert, daß diese Frauen zumindest eine eigenständige Pension bekommen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Vielleicht könnten Sie diesen Gedanken aufgreifen. Denn ich glaube, das wäre die Republik diesen Frauen schuldig. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.44

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Linzer. – Bitte.

15.44

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich einleitend eines feststellen: Kritik an einem Bericht, Kritik an einer Arbeit ist immer wichtig, vor allem dann, wenn sie konstruktive Kritik ist. Wer die Arbeit unseres Außenministeriums, mit Herrn Vizekanzler Schüssel und Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner an der Spitze, objektiv und sachlich zu beurteilen versucht, wird anerkennen müssen, daß wir es mit ausgezeichneter Arbeit zu tun haben. Ich möchte nicht anstehen, dem Herrn Vizekanzler und Ihnen, sehr geehrte Frau Staatssekretärin, herzlich zu danken, sowie selbstverständlich auch allen Beamten, eingeschlossen alle Damen der Botschafter und Botschaftsangestellten.

Die Sicherheitspolitik ist neben der Beschäftigungspolitik und der Politik über die Wirtschafts- und Währungsunion sicherlich das wichtigste Thema. Die heutige Diskussion zeigt uns, daß wir die Sicherheitspolitik selbstverständlich auch im Bundesrat ernst nehmen, sodaß uns dieses Thema den ganzen Tag begleitet. Ich möchte aus der Sicht eines Österreichers, der im äußersten Osten wohnt, das Sicherheitsthema und die Sicherheitsproblematik ein bißchen beleuchten und dazu einige Gedanken formulieren.

Meine Damen und Herren! Gerade im Osten Österreichs, in den Bundesländern Niederösterreich, Burgenland und Steiermark hatte der Begriff "Sicherheit" jahrzehntelang eine schwerwiegende Bedeutung. Vor acht Jahren verlief dort noch die Frontlinie des kalten Krieges, an der nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich ein frostiges Klima herrschte. Heute hingegen sind diese Bundesländer sozusagen das Schaufenster für Länder wie Ungarn, die Slowakei und Slowenien, für diejenigen Staaten, die einen Beitritt angekündigt beziehungsweise darum angesucht haben, in die Europäischen Union einzutreten.

Unsere Außengrenzen sind derzeit zugleich Außengrenzen der Europäischen Union. Ich denke, daß wir alle die Absicht haben, einmal in die Mitte zu rücken und nicht sozusagen für immer und ewig die Region an der Außengrenze zu bilden. Im kommenden Jahr werden die Beitrittsverhandlungen mit den Beitrittskandidaten beginnen, und in der zweiten Hälfte des Jahres 1998, wenn unser Land den Vorsitz in der Union führen wird, werden sie unter österreichischer Leitung fortgesetzt werden – so wie Sie, Frau Staatssekretärin, es eben gesagt haben.


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Die regionale grenzübergreifende Zusammenarbeit, die heute schon beachtlich ist, wird dadurch weiter vertieft werden. Einige erblicken in der Vertiefung der Europäischen Integration und der wachsenden Bedeutung der Regionen gegensätzliche Entwicklungen, jedoch gibt es nichts, das weniger wahr wäre. In einem Europa, in dem sich die Grenzen immer mehr auflösen, ist gerade der regionale Kontext wesentlich für die Erfahrung der eigenen Identität – sei es im kulturellen, sprachlichen oder schulischen Bereich. Dies geschieht allerdings mit dem Wissen und in der Gewißheit, daß uns Europa unter einem gemeinsamen Dach Schutz bietet und sich der Aufgaben annimmt, die wir nicht allein bewältigen oder die auf europäischer Ebene besser gelöst werden können, wie die Gewährleistung der Sicherheit.

Aber wie definieren wir heute, 1997, den Begriff "Sicherheit"? – Bis 1989 bedeutete Sicherheit in erster Linie militärische Sicherheit. Diese Zeit liegt glücklicherweise hinter uns, doch sind andere komplizierte Herausforderungen für unsere Sicherheit an ihre Stelle getreten, auf welche die Antwort oft nicht einfach und nicht eindeutig ist. Sicherheit bedeutet im wesentlichen, daß wir auf Schutz gegen Gewalt und Kriminalität vertrauen, daß wir zum Beispiel auf einen gut funktionierenden, demokratischen Staatsapparat, auf eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, auf eine gesunde Umwelt, soziale Einrichtungen und Beschäftigungsmöglichkeiten zählen können.

Das Vertrauen auf unsere Sicherheit beruht auf der Berechenbarkeit der Entwicklungen in unserem eigenen Umfeld und andernorts. In der EU besteht meiner Ansicht nach dieses Vertrauen auf Sicherheit, obwohl keineswegs Anlaß zur Selbstzufriedenheit besteht. In einigen Gebieten der Europäischen Union sind wir mit hoher Arbeitslosigkeit konfrontiert. Unsere Wachsamkeit ist immer wieder gefragt, um unsere gemeinsamen Werte zu wahren, zum Beispiel Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten, wo und wann immer sie auftreten mögen. Im Hinblick darauf verdient festgehalten zu werden, daß in Amsterdam beschlossen wurde, ein Europäisches Zentrum zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einzurichten, das seinen Sitz in Wien haben wird.

An unseren Grenzen, ja fast vor unserer Haustür hingegen besteht das Vertrauen kaum oder gar nicht, bedenkt man die potentiellen inneren und äußeren Konflikte im Kosovo – ich erinnere nur an die heutigen Tageszeitungsberichte –, die mangelnde Achtung der Grundfreiheiten einschließlich der Pressefreiheit, die große Zahl von Flüchtlingen und die damit verknüpfte Frage der illegalen Einwanderung.

Meine Damen und Herren! Die Umwälzungen in Europa haben in gewisser Hinsicht auch eine Rückkehr der Geschichte mit sich gebracht. Konflikte, von denen wir glaubten, daß sie für immer der Vergangenheit angehört hätten, scheinen noch und wieder sehr aktuell zu sein. Ethnische Gegensätze, Minderheitenkonflikte und extreme nationalistische Tendenzen haben zur schrecklichen Tragödie im ehemaligen Jugoslawien geführt. Vukovar und Srebrenica – diese zwei Städte werden wegen der Greueltaten, die dort begangen wurden und deren Hauptverantwortliche leider nach wie vor auf freiem Fuß sind, für immer in unserem Gedächtnis bleiben.

Die Lage auf dem Balkan, vor allem in Bosnien-Herzegowina, ist noch längst nicht stabilisiert – das ist heute schon angesprochen worden – und wird auch in den kommenden Jahren ständige Aufmerksamkeit erfordern. Es handelt sich dort um ein Gebiet, das von künftigen Mitgliedstaaten der Union umgeben ist, sodaß die Entwicklung in diesem Raum uns in der Europäischen Union unmittelbar angeht.

Ich hatte vor 14 Tagen Gelegenheit, im Rahmen der Tätigkeit der OSZE in Belgrad als Wahlbeobachter der serbischen Parlamentswahlen zu fungieren und muß bedauerlicherweise feststellen, daß auch dort nach wie vor ein Unruheherd besteht, ja daß er sich sogar – wie Sie ebenfalls den heutigen Tageszeitungen entnehmen können – wesentlich verschärft hat. Auch dort fehlen nach wie vor Grundfreiheiten wie Pressefreiheit, ein demokratisches Wahlrecht oder ein demokratischer Wahlgerichtshof. Es ist zu befürchten, daß es dort nach der illegalen Absetzung des Belgrader Bürgermeisters Djindjic und infolge der sogenannten Tätigkeit der Hardliner Milosevic, Seselj und Vuk Draskovic zu einer Verschärfung der Lage kommen wird.


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Meine Damen und Herren! Diesen und anderen Herausforderungen für unsere Sicherheit können wir nur begegnen, wenn wir ein starkes, ein solidarisches Europa bilden. Wir müssen dem politischen Willen dazu Nachdruck verleihen, da die bipolare Welt von vor 1989 durch eine multipolare Welt abgelöst worden ist, in der die Europäische Union in der Lage sein muß, selbst für ihre Interessen, auch Interessen nichtökonomischer Art, einzutreten. Dabei können wir uns nicht auf eine rein deklaratorische Außenpolitik verlassen. Seit der Vereinbarung des Vertrages von Maastricht im Jahre 1991 sind große Anstrengungen unternommen worden, um die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU mit Inhalt zu erfüllen. Insoweit es sich um die Entwicklung langfristiger Strategien handelt, scheint dies durchaus zu gelingen. Die Erweiterungspolitik der EU – ihr liegen selbstverständlich geopolitische Erwägungen zugrunde – darf als erfolgreiches Beispiel gemeinsamen Handelns in der Außenpolitik angesehen werden.

Anders verhält es sich jedoch mit dem Auftreten der EU in aktuellen Krisensituationen. Die Union ist eindeutig noch nicht krisenerprobt, das ist eine durchaus berechtigte Kritik. Bekanntlich bestanden deutliche Meinungsunterschiede darüber, welcher Kurs während des Konfliktes im ehemaligen Jugoslawien verfolgt werden sollte. Diese Haltung hat uns lange zu Unschlüssigkeit und zum Zusehen verdammt, während gleichzeitig die Menschenrechte und das Völkerrecht mit Füßen getreten wurden. Albanien war meines Erachtens ebenfalls ein besonders geeigneter Fall, in dem die Europäische Union die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente in vollem Umfang hätte anwenden können, ja müssen.

Meine Damen und Herren! In Amsterdam ist ein vorsichtiger weiterer Schritt auf dem Weg zur Einigung Europas zurückgelegt worden. An dieser Stelle möchte ich nicht ausführlich auf die Ergebnisse der Regierungskonferenz eingehen, aber einige Worte sind sicherlich angebracht.

Im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sind einige Fortschritte erzielt worden, was das Instrumentarium zur Vorbereitung und Durchführung politischer Entscheidungen angeht. So hat der Sicherheitsgeneralsekretär des Rates den Auftrag, der Außenvertretung mehr Beständigkeit zu verleihen und damit unserem auswärtigen Handeln mehr Sichtbarkeit und Kontinuität zu geben. Neben diesen beiden praktischen Verbesserungen, die auch zur Erzeugung des politischen Willens zum gemeinsamen Handeln beitragen sollen, verdient festgehalten zu werden, daß der neue Vertrag Formulierungen enthält, die auf eine stärkere Solidarität im Bereich der Sicherheit hinzielen.

Lassen Sie mich dafür einige Beispiele nennen. Die Wahrung der Integrität der EU ist eines der erklärten Ziele der GASP. Die Union macht ihr Bestreben deutlich, Frieden und internationale Sicherheit auch an den Außengrenzen aufrechtzuerhalten. Weiters ist im Bereich der äußeren Sicherheit unter anderem die Möglichkeit zu friedenswahrenden und friedenschaffenden Einsätzen, an denen sich alle Mitgliedstaaten beteiligen können, geschaffen worden.

Der Schwachpunkt ist und bleibt jedoch der Entscheidungsprozeß. Das Einstimmigkeitsprinzip herrscht weiterhin vor. Mitgliedstaaten können sich der Stimme enthalten und sind in diesem Fall nicht einmal verpflichtet, die getroffene Entscheidung umzusetzen.

Meine Damen und Herren! Es steht außer Frage, daß die Europäische Union nur dann erweitert werden kann, wenn gleichzeitig Regeln vereinbart werden, die auch bei einer Mitgliederzahl von 25 oder höher die Handlungsfähigkeit der Union aufrechterhalten. Institutionelle Anpassungen sind unumgänglich, wenn Entscheidungsverfahren nicht blockiert und eine engere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in so wichtigen Bereichen wie der äußeren und inneren Sicherheit erreicht werden sollen.

Meine Damen und Herren! Wer die europäische Geschichte kennt, begreift, daß die Einigung Europas eine historische Notwendigkeit ist. Mit ihr muß ein Schlußpunkt unter die anormale Zweiteilung in Ost und West gesetzt werden. Die Gegenwart begreifen heißt, sobald wie möglich die berechtigten Erwartungen unserer Nachbarn in Mittel- und Osteuropa zu erfüllen, indem wir sie in die EU aufnehmen – nicht allein, um ihre Zukunft zu sichern, sondern auch, um die unsere zu sichern.


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In den vergangenen sechs bis sieben Jahren wurden große Anstrengungen unternommen, um dieses Ziel zu erreichen. Die Europäische Kommission hat ihre Stellungnahme zu den Beitrittsanträgen abgegeben. Darin wird objektiv bewertet, in welchen der beitrittswilligen Länder die politischen und wirtschaftlichen Vorbereitungen weit genug fortgeschritten sind, um die Beitrittsverhandlungen einzuleiten. Über die Aufnahme der Verhandlungen jedoch entscheidet letztlich der Ministerrat.

Meine Damen und Herren! Österreich wird ohne Zweifel eine aktive Rolle in der europäischen Sicherheitspolitik spielen, da dies seiner geopolitischen Lage und europapolitischen Aufgabe angemessen ist. Ostösterreich, die östlichen Bundesländer sind ein idealer Standort, um dieses Sicherheitskonzept zu verbreiten. Als einzige Region der Union grenzen die östlichen Bundesländer an drei Beitrittskandidaten. Diese Region ist daher nicht nur ein besonders günstiger Ausgangspunkt für den Aufbau eines gesamteuropäischen Marktes nach westlichem Standard, sondern sie ist auch eine Region mit Vorbildfunktion für den weiteren Einigungsprozeß und die Gestaltung des neuen Europas nach westlichem Standard. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.59

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Drochter. – Bitte.

15.59

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Die heutige Debatte über den Außenpolitischen Bericht 1996 bietet mir zunächst die Gelegenheit, den Bediensteten des Außenministeriums, die in mühevoller Arbeit die zahlreichen Fakten dieses Berichtes zusammengetragen und analysiert haben, für ihr großes Engagement zu danken.

Der Außenpolitische Bericht 1996 ist – wie seine Vorgänger – für uns eine wertvolle Übersicht über die Grundlinien der österreichischen Außenpolitik sowie über die Entwicklungstendenzen auf internationaler Ebene. Anläßlich der parlamentarischen Behandlung dieses wichtigen Dokumentes soll seitens des Österreichischen Gewerkschaftsbundes ebenso wie von mir persönlich darauf hingewiesen werden, daß die österreichische Außenpolitik in schwierigen Zeiten wie dieser ohne die Kompetenz, die Einsatzbereitschaft und die traditionelle Pluralität der Beamten des Außenministeriums überhaupt nicht vorstellbar ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich betone dies auch in Hinblick auf die großen Herausforderungen, die 1998 im Zusammenhang mit der österreichischen EU-Präsidentschaft auf die Kolleginnen und Kollegen im Außenministerium und im Bereich der gesamten Bundesverwaltung zukommen werden. Es ist zu hoffen, daß seitens des Dienstgebers alles unternommen wird, um der Beamtenschaft in großzügiger Weise alle erforderlichen Arbeitsbedingungen für diese schwierige Bewährungsprobe zu schaffen.

Ich möchte auf einige Schwerpunkte des Berichtes zu sprechen kommen: Von besonderer Aktualität ist in einer Zeit, in der unter dem Schlagwort "Globalisierung" in breiten Kreisen der Öffentlichkeit über die Entwicklung der internationalen Wirtschaft diskutiert wird, natürlich das Kapitel betreffend die weltweite Wirtschaftsentwicklung, die Welthandelsorganisation und ihre erste Ministerkonferenz in Singapur.

Auch in Österreich ist es verschiedentlich modern geworden, den Prozeß der Globalisierung, der auch positiv zur Entwicklung einer sozial oder ökologisch ausgerichteten Weltwirtschaft beitragen kann, zum Vorwand dafür zu nehmen, daß man weitere Kürzungen von Sozialausgaben, Senkungen von Kapitalertragsteuern, weitere ideologisch fundierte Privatisierungen von Gemeinschaftsbetrieben oder eine Deregulierung von Arbeitsmärkten und Sozialsystemen fordert. Häufig wird unter dem Hinweis auf steigende internationale Konkurrenz ein Verzicht auf unsere wohl erarbeiteten sozialen Standards gefordert.

Die Folge dieser kurzsichtigen Politik ist jedoch eine wachsende Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, die immer größer wird, und eine steigende soziale Ungleichheit innerhalb


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dieser Länder. Eine Senkung der Sozialstandards in Europa wäre, wie alle Erfahrungen zeigen, keineswegs gleichbedeutend mit einer Anhebung der sozialen Standards in den armen Ländern dieser Welt. Daher können wir diesem Verständnis von Globalisierung in keiner Weise beipflichten. Wir sind auch nicht bereit, die bitteren Konsequenzen einer rücksichtslosen Politik für die Arbeitnehmer und die ärmeren Schichten der Gesellschaft ganz einfach hinzunehmen.

Nebenbei sei noch bemerkt: Wir sind auch nicht bereit, die Neutralität Österreichs für militärische Strategien, die letztlich auf eine Absicherung dieser sozial schädlichen Aspekte der Globalisierung hinauslaufen, in Frage zu stellen. Als Gewerkschafter vertrete ich im Gegensatz dazu die Meinung, daß diesen Prozessen der Globalisierung, der Deregulierung, der Liberalisierung soziale und umweltpolitische Grenzen gesetzt werden müssen, und zwar rechtzeitig! Nur dadurch können internationale Sicherheit und Entwicklung vorangetrieben werden.

Was bedeutet das in der Praxis? – Das bedeutet unsere Unterstützung der Bemühungen, eine soziale Dimension in die Handelspolitik einzubauen, und das bedeutet, darauf zu achten, daß es zu einer Verbindung der Liberalisierung im Welthandel und der grundlegenden Arbeitsstandards, wie sie in den Konventionen der internationalen Arbeitsorganisation enthalten sind, kommt. Ich denke in diesem Zusammenhang an die von der internationalen Gewerkschaftsbewegung geforderte Sozialklausel, die nicht als Instrument zur Durchsetzung eines neuen Protektionismus, sondern als Mechanismus zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Ausschaltung der Kinderarbeit verstanden werden sollte.

Ich denke auch an einen verbindlichen Verhaltenskodex für multinationale Konzerne oder an eine internationale Vereinbarung über die Besteuerung von Spekulationskapital, wie sie etwa vom amerikanischen Nobelpreisträger Tobin vorgeschlagen wurde. Ich denke weiters an Maßnahmen zur Unterstützung für Bemühungen zur Abschreibung der Schulden der Dritten Welt, deren Höhe und Zahlungsbedingungen arme Nationen davon abhalten, Kapital für Wachstum und Sozialprogramme in ihren Ländern bereitzustellen.

In diesem Zusammenhang muß auch positiv auf den österreichischen Beschluß verwiesen werden, einigen der ärmsten Länder Afrikas die Schuldenrückzahlung zu erlassen. Ein Versprechen unseres früheren Bundeskanzlers Vranitzky vor dem Sozialgipfel in Kopenhagen ist somit erfüllt worden.

Nicht zuletzt muß Globalisierung auch die weltweite Weiterentwicklung der gewerkschaftlichen Organisationsfreiheit bedeuten, nämlich die Freilassung aller Kolleginnen und Kollegen, die wegen gewerkschaftlicher Aktivitäten in den Gefängnissen vieler Staaten sitzen und Repressionen unterworfen sind. Ich erneuere in diesem Zusammenhang unsere Forderung nach einer sofortigen Freilassung unseres indonesischen Gewerkschaftskollegen Mukhtar Pakpahan sowie der seit Jahren ohne Gerichtsverfahren inhaftierten Erdölarbeiter um Frank Kokori in Nigeria. Ich ersuche daher Sie, Frau Staatssekretärin, aber auch den Herrn Außenminister, gegenüber den Regierungen in Jakarta beziehungsweise in Abuja alle diplomatischen Mittel einzusetzen, um die Freilassung dieser Kollegen durchzusetzen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Präsentation des Außenpolitischen Berichtes 1996 muß daher für uns ein Anlaß sein, über die Tagesaktualitäten hinauszublicken und wiederum die Grundfragen der gesellschaftlichen Entwicklung zu stellen: Wie können Armut und Unterentwicklung bekämpft werden? Wie können die hohen Ziele, die sich die Vereinten Nationen in ihrer Menschenrechtserklärung gesetzt haben – Sie haben diese bereits erwähnt, Frau Staatssekretärin! –, verwirklicht werden? Wie können für alle Menschen Leben und Arbeit in Würde gesichert werden? – Ich hoffe, daß diese Fragen von der österreichischen Außenpolitik in den nächsten Wochen und Monaten in einem Geist der Solidarität und der Arbeitnehmerrechte unterstützt und beantwortet werden können! (Beifall bei der SPÖ.)


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630. Sitzung / Seite 97

16.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinbichler. – Bitte.

16.09

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Tremmel ist leider nicht im Saal, aber er hat in seinen Ausführungen ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Dann sagen Sie es mir!) Ich sage es, und es wird auch protokolliert werden: Es ist falsch und unfair, wie Herr Kollege Tremmel – er kommt ja Gott sei Dank soeben herein! – es gemacht hat, nämlich ständig alle Negativa dem EU-Beitritt zuzuschreiben. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Herr Kollege! Sie haben in Ihren Ausführungen eine Vielzahl von Widersprüchen, auch zu Ihrer Parteilinie, gebracht, von denen ich mir drei aufzuzählen erlaube.

Erstens: Außenpolitik. Diesbezüglich hat die Frau Staatssekretärin bereits sehr glaubwürdig dargestellt und aufgezeigt, welche aktiven Auslandskontakte stattfinden. Ich finde es daher schlichtweg skandalös, wenn man 300 Tage vor der EU-Präsidentschaft Österreichs behauptet, es gebe keine aktive Außenpolitik!

Zweitens: Kernkraft. Herr Kollege! Ich unterstütze Sie in Ihrer Meinung bezüglich Tschernobyl, Mochovce und Temelin. Man sollte Gegenmaßnahmen treffen. Aber erklären Sie mir bitte, warum Ihr Kollege Landesrat Achatz beim Wasserkraftwerk Lambach zu den Protestierenden gegangen ist und ihnen finanzielle Unterstützung gegeben hat! Das ist unehrlich. (Bundesrat Dr. Bösch: Wiederholen Sie das bitte! Ich bin nicht mitgekommen!) Das ist klar und deutlich. Landesrat Achatz hat den Demonstranten an der Wasserkraftwerksbaustelle Lambach finanzielle Unterstützung zukommen lassen. Er bestätigt das selbst. Ihr Kollege Landesrat Achatz hat es in der Diskussion mit Landeshauptmann Pühringer selbst bestätigt!

Drittens: Es ist unehrlich, ein Anti-Euro-Volksbegehren zu fordern und gleichzeitig von der Regierung die Auszahlung des Hartwährungsausgleiches zu fordern. (Bundesrat Dr. Tremmel: Es heißt Schilling-Volksbegehren! "Anti-Euro" haben Sie gesagt!) Damit wird die angesprochene Problematik bestätigt. So haben Sie sich jetzt in Oberösterreich verhalten: Ihr Kollege Achatz hat behauptet, die Regierung sei säumig bei der Auszahlung des Hartwährungsausgleichs.

Herr Kollege Tremmel! Es hilft nichts, ständig Fehler zu suchen! Auch Sie, Herr Kollege, und Ihre Fraktionskollegen wären glaubwürdiger und gut beraten, wenn sie konstruktiv an gangbaren Lösungen mitarbeiten und so die hervorragende Arbeit im Außenministerium unterstützen und nicht erschweren! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

16.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Bundesgesetz zur Festlegung von Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen (703 und 850/NR sowie 5534/BR der Beilagen)


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4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Interregionales Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Mercado Comun del Sur und seinen Teilnehmerstaaten andererseits samt Gemeinsamer Erklärung (705 und 851/NR sowie 5535/BR der Beilagen)

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zur Vorbereitung einer politischen und wirtschaftlichen Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits samt Unterzeichnungsprotokoll und Gemeinsamen Erklärungen (706 und 852/NR sowie 5536/BR der Beilagen)

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits und der Schlußakte (799 und 856/NR sowie 5537/BR der Beilagen)

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Protokoll zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits und der Schlußakte (800 und 857/NR sowie 5538/BR der Beilagen)

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits und der Schlußakte (801 und 858/NR sowie 5539/BR der Beilagen)

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Vorbereitenden Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen über den Amtssitz der Kommission samt Anhängen und Briefwechsel (710 und 854/NR sowie 5540/BR der Beilagen)


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10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Joint Vienna Institute über den Amtssitz des Joint Vienna Institute samt Anhang (711 und 855/NR sowie 5541/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 bis 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz zur Festlegung von Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen,

ein Interregionales Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Mercado Comun del Sur und seinen Teilnehmerstaaten andererseits samt Gemeinsamer Erklärung,

ein Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zur Vorbereitung einer politischen und wirtschaftlichen Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits samt Unterzeichnungsprotokoll und Gemeinsamen Erklärungen, ein Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits und der Schlußakte,

ein Protokoll zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits und der Schlußakte,

ein Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits und der Schlußakte,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Vorbereitenden Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen über den Amtssitz der Kommission samt Anhängen und Briefwechsel und

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Joint Vienna Institute über den Amtssitz des Joint Vienna Institute samt Anhang.

Die Berichterstattung über die Punkte 3 bis 10 hat Herr Bundesrat Rieser übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Peter Rieser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Nachdem die Berichte in schriftlicher Form vorliegen, werde ich meinen Bericht in verkürzter Form – zuerst die Einleitung und dann den jeweiligen Bericht oder die Antragsformulierung des Ausschusses – vornehmen.

Zu Punkt 3: Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Bundesgesetz zur Festlegung von Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung (EG) Nr. 2271/96


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des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 30. September 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Punkt 4: Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Interregionales Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Mercado Comun del Sur und seinen Teilnehmerstaaten andererseits samt Gemeinsamer Erklärung.

Gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG hat der Nationalrat beschlossen, daß die Kundmachung dieses Abkommens sowie der Erklärung in allen authentischen Sprachfassungen durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu erfolgen hat.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 30. September 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Punkt 5: Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zur Vorbereitung einer politischen und wirtschaftlichen Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits samt Unterzeichnungsprotokoll und Gemeinsamen Erklärungen.

Gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG hat der Nationalrat beschlossen, daß die Kundmachung dieses Staatsvertrages dadurch zu erfolgen hat, daß er samt Unterzeichnungsprotokoll, das in den elf Amtssprachen der Europäischen Union im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht wird, in allen authentischen Sprachfassungen zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 30. September 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Punkt 6: Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über die Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits und der Schlußakte.

Gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG hat der Nationalrat beschlossen, daß die Kundmachung des Protokolls, das in den elf Amtssprachen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wird, sowie die Erklärung in allen authentischen Sprachfassungen durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu erfolgen hat.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 30. September 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Punkt 7: Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits und der Schlußakte.


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Gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG hat der Nationalrat beschlossen, daß die Kundmachung des Protokolls, das in den elf Amtssprachen der Europäischen Union im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wird, sowie der Erklärung in allen authentischen Sprachfassungen durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheit zu erfolgen hat.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 30. September 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Punkt 8: Der Text ist identisch mit dem vorhergehenden.

Auch betreffend diesen Beschluß hat der Außenpolitische Ausschuß mit Stimmenmehrheit den Antrag gestellt, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Punkt 9: Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Vorbereitenden Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen über den Amtssitz der Kommission samt Anhängen und Briefwechsel.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 30. September 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Punkt 10: Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Joint Vienna Institute über den Amtssitz des Joint Vienna Institute samt Anhang.

Auch diesfalls stellt der Außenpolitische Ausschuß nach Beratung der Vorlage am 30. September 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Vielen herzlichen Dank für die Berichte.

Wir gehen nun in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

16.24

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! So unterschiedlich die unter den Tagesordnungspunkten 3 bis 10 behandelten Vorlagen auch immer sein mögen – einzelnen von ihnen werden wir zustimmen –, so sehr sind sie alle bedauerlicherweise von einer Tendenz geprägt, die sich wie ein roter Faden durchzieht: Allzu leicht sind wir heute bereit, Souveränität preiszugeben und auf eigene Rechtspositionen zu verzichten.

In dieser Richtung gilt meine Kritik vor allem dem in Punkt 3 genannten Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Bundesgesetz zur Festlegung von Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung (EG) Nr. 2271/1996 vom 22. November 1996. Der Rat der Europäischen Union hatte die erwähnte EG-Verordnung zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung der von einem Drittland erlassenen Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen angenommen. Artikel 9 dieser Verordnung verpflichtet jeden Mitgliedstaat der EU, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für den Fall einer Verletzung der Vorschriften dieser Verordnung festzulegen. Österreich will nun mit dem vorliegenden Bundesgesetz seiner Verpflichtung zur Erfüllung des Artikels 9 entsprechen.

Worum geht es aber bei all dem? Was ist der Hintergrund? Weshalb verdient das Vorhaben meines Erachtens klare Ablehnung? – Den allerdings weit schärfer zu kritisierenden Anlaß bildeten zwei von den Vereinigten Staaten von Amerika erlassene Gesetze, und zwar der "Cuban Liberty und Democratic Solidarity Act", nach seinen Initiatoren kurz "Helms-Burton-Gesetz" ge


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nannt, und der "Iran and Libya Sanctions Act", ebenso kurz als "D’Amato-Gesetz" bezeichnet. Beide Gesetze stammen aus dem Jahr 1996.

Diese zwei Gesetze stellen im Ergebnis einen ebenso eklatanten wie schwerwiegenden Verstoß gegen internationales Recht dar; ich hätte formuliert: einen einzigartigen Verstoß, wären nicht vergleichbare Übergriffe der USA leider kein Einzelfall. Dabei habe ich durchaus nicht das dubiose Einreiseverbot gegenüber einem ehemals amtierenden Staatsoberhaupt im Auge! – Mit diesen zwei Gesetzen geht es dem Kongreß nämlich nicht allein darum, amerikanische Behörden und Handelsfirmen streng an den wirtschaftlichen Boykott Kubas einerseits und des Iran und Libyens andererseits zu binden. Das wäre durchaus Sache der USA. Es geht jedoch weit darüber hinaus vielmehr um das Ziel, auch alle übrigen Staaten und ihre Unternehmen dem amerikanischen Boykott indirekt zu unterwerfen.

Mit anderen Worten: Die USA erstrecken mit diesen zwei Gesetzen ihre interne Regelung nach außen, erheben für sie also einen weltweiten Geltungsanspruch. Indem sie jede ausländische juristische oder natürliche Person, die sich nicht an diese Gesetze hält, mit einschneidenden Sanktionen bedrohen, maßen sie sich weltweit auch Jurisdiktionsgewalt an. Und eben das ist in der EG-Verordnung in diplomatischer Verbrämung mit der Wendung umschrieben "Auswirkungen extraterritorialer Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte".

Im Klartext: Die USA arrogieren sich das Recht, ausländische Unternehmen für ein außerhalb der USA gesetztes, nach ausländischen wie internationalen Normen rechtmäßiges Verhalten in den USA zu sanktionieren. Insbesondere soll im letzten sogar das dort belegene Vermögen der ausländischen juristischen und natürlichen Person beschlagnahmt werden können. Ich denke – Sie werden mir gewiß darin zustimmen! –, daß man keineswegs ein juristischer Experte sein muß, um das als flagrante Verletzung des Völkerrechts zu erkennen.

Insofern versteht sich auch von selbst, daß kein anderer Staat, der seine Souveränität noch nicht an die USA abgetreten hat, solche Übergriffe in die eigene Hoheitsgewalt hinnehmen kann. Das wollte sich offensichtlich auch die EU nicht bieten lassen. Das wird an der scharfen Kritik des Europaparlaments ganz deutlich; heißt es doch im Bericht Kittelmann vom 25. 10. 1996 in sonst unüblicher Klarheit, daß – so wörtlich – "der Versuch der USA als Weltpolizist – gegen die Vereinbarung der WTO – einer Ausdehnung ihres nationalen Rechts auf Personen aus Drittstaaten, die Neuinvestitionen in den genannten Ländern vornehmen wollten, nicht zumutbar ist". – Dieser Formulierung ist nichts hinzuzufügen.

Wohl aber erhebt sich für mich die Frage, ob die EU dieser zutreffenden Diagnose mit einer angemessenen Therapie begegnet ist. Daran sind für mich größte Zweifel angebracht.

Gewiß ist es das anzuerkennende Anliegen der Ratsverordnung, die legitimen Interessen der Gemeinschaft und derjenigen natürlichen und juristischen Personen, die der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten unterstehen, zu schützen. Das soll, wie es so schön heißt, durch Aufhebung, Neutralisierung, Blockierung oder anderwärtige Bekämpfung der Auswirkungen der betreffenden ausländischen Rechtsakte geschehen.

Auf welchem Weg und mit welchen Mitteln versucht man indes, mit der Verordnung dieses Ziel zu erreichen? – Primär auf eine zumindest auf den ersten Blick geradezu paradoxe Weise: Indem sie die von den negativen Auswirkungen Betroffenen, also sozusagen das Opfer und nicht der Täter, in die Pflicht nimmt! Artikel 2 verpflichtet nämlich jede Person, deren wirtschaftlichen und beziehungsweise oder finanziellen Interessen durch die erwähnten extraterritoritalen Rechtsakte beeinträchtigt werden, die Kommission binnen 30 Tagen davon zu unterrichten. Und Artikel 5 bestimmt, daß keine Person aktiv oder durch bewußte Unterlassung Forderungen oder Verboten, aber auch Aufforderungen ausländischer Gerichte nachkommen darf, die auf solchen extraterritorialen Rechtsakten beruhen oder sich daraus ergeben. Mißachtungen dieser Pflichten sind mit wirksamen und abschreckenden Sanktionen zu belegen, die von den Mitgliedstaaten festzusetzen und zu verhängen sind. Es sind also wohlgemerkt Sanktionen gegen die von den völkerrechtswidrigen Akten betroffenen Personen und nicht etwa gegen die Urheber dieser illegalen Normen und Vollzugsakte zu treffen!


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Man verstehe meine etwas polemisch formulierte Kritik nicht falsch! Mir ist schon klar, daß zum einen jede kollektive Abwehrmaßnahme der EU entsprechender Informationen über konkret vorliegende Rechtsverstöße durch Drittländer bedarf und daß zum anderen jedes unsolidarische Unterlaufen der gebotenen Abwehr seitens der EU-Organe durch Personen, die der Jurisdiktion der EU beziehungsweise ihrer Mitgliedstaaten unterliegen, verhindert werden soll; oder anders gewendet, daß die von den nachteiligen Auswirkungen der unzulässigen extraterritorialen Rechtsakte eines Drittlandes betroffenen EU-Angehörigen in ihrem eigenen Interesse, aber auch im überindividuellen Interesse aller, davon abgehalten werden sollen, sich dem Druck des Drittlandes und seiner rechtswidrigen Akte zu beugen. Sie werden sozusagen vor sich selbst geschützt, indem auf sie ein wirksamer Gegendruck durch die eigene Schutzmacht ausgeübt wird, um zu verhindern, daß sie der unzulässigen Pression des Drittlandes erliegen.

Die gute Absicht vermag jedoch die aufgezeigte schiefe Optik nicht völlig aus der Welt zu schaffen. Zudem rundet es das von mir gezeichnete Bild nur noch ab, wenn sich die EU dazu bereit erklärt hat, jedem Unternehmen, das sich an die Verordnung gehalten hat und das – vielleicht gerade deshalb – aufgrund rechtswidriger Maßnahmen Vermögensnachteile erlitten hat, diese aus Finanzmitteln der EU auszugleichen. Im Ergebnis bedeutet freilich auch dies, daß der Übergriff des Drittstaates nicht ihm selbst durch Retorsion vergolten wird, sondern daß er zu Lasten der Gemeinschaft geht.

Der zentrale Kritikpunkt besteht aus meiner Sicht aber darin, daß einer so evidenten Verletzung allgemeinen Völkerrechts durch die US-amerikanischen Gesetze nicht offen und angemessen entgegengetreten worden ist. Bei aller Berücksichtigung der realpolitischen Tatsache, daß die USA die einzige verbliebene Weltmacht sind, und bei aller Anerkennung des Stellenwerts der transatlantischen Beziehungen – die Instrumentalisierung des Rechts für Wirtschaftsimperialismus und globale Hegemoniebestrebungen hätte jedenfalls zu einer adäquaten Reaktion herausgefordert.

Über die meist erfolglosen klassischen Formen des völkerrechtlichen Protests hinaus lag die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens vor der WTO nahe. Der Teilerfolg der stillen Diplomatie, daß der Präsident der USA – ich anerkenne das – durch sein Veto das Helms-Burton-Gesetz derzeit ausgesetzt hat, erscheint mir sowohl unter grundsätzlichen Gesichtspunkten als auch realpolitisch unzureichend.

Das wird gerade heute am jüngst bekannt gewordenen Vorhaben des französischen Energiekonzerns Total, umgerechnet zirka 25 Milliarden österreichische Schilling in ein Projekt zur Erschließung eines Gasfeldes im Persischen Golf zu investieren, mehr als deutlich. Der für die nach ihm benannte Getzesinitiative verantwortliche Senator Alfonse d’Amato forderte daraufhin umgehend die Verhängung der darin vorgesehenen Strafmaßnahmen, falls es dazu kommen sollte.

Dennoch beschränkt sich die Sorge der EU eigentümlicherweise allein darauf, daß dieser aktuelle Streitfall ihre Verhandlungen mit den USA über gemeinsame Regeln für den Handel mit dem Iran, Libyen und Kuba gefährden könne. Diese meines Erachtens allzu knieweiche Haltung gegenüber den USA ist umso unverständlicher, als diese selbst nicht die geringsten Skrupel hatten, in bezug auf die Bananenmarktordnung ein Urteil der WTO gegen die EU zu erwirken. Und sie waren diesfalls im Recht.

Nach all dem Gesagten mutet es erstaunlich an, daß hinter den Motiven der EG-Verordnung die Wahrung des Zieles angeführt wird, die harmonische Entwicklung des Welthandels und die schrittweise Beseitigung der Beschränkungen im Handelsverkehr zu fördern. Wie schon zu Beginn angedeutet, ist der hier zugrunde liegende Rechtskonflikt zwischen den USA und europäischen Staaten ja keineswegs der erste und, wie ich befürchte, gewiß auch nicht der letzte seiner Art.

Das beruht auf folgenden grundsätzlichen Positionen der USA: Im Bereich der Gesetzgebungsgewalt, so die amerikanische Auffassung, trete neben das klassische Territorialitäts- und das Nationalitäts- oder Personalitätsprinzip das sogenannte Wirkungsprinzip. Dieses erstreckt sich


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auf Personen, die außerhalb der USA tätig werden, sofern ihr Verhalten substantielle und vorhersehbare Auswirkungen auf das Staatsgebiet der USA haben kann. Zwar bestehe eine Vermutung dafür, daß der Kongreß im Zweifel nicht beabsichtigt, durch seine Gesetzgebung das Völkerrecht zu verletzen – amerikanische Gerichte müßten freilich eklatant völkerrechtswidrige Gesetze dennoch anwenden –, und daß der Kongreß grundsätzlich keine extraterritoriale Anwendung der von ihm erlassenen Gesetze intendiere. In zwei Sachgebieten sind die Gesetze aber stets auch extraterritorial angewendet worden, und zwar im Bereich des Anti-Trust-Rechts und des Wertpapierrechts. Insbesondere der bekannte "Sherman-Act" wird nach der "Alcoa Effects Doctrine" im Anti-Trust-Recht immer dann angewendet, wenn irgendein Verhalten, wo auch immer und durch wen auch immer gesetzt, darauf abzielte, den zwischenstaatlichen Handels- und Wirtschaftsverkehr auf eine nach amerikanischem Recht gesetzwidrige Weise zu beschränken.

Wie der führende österreichische Völkerrechtler Professor Seidl-Hohenveldern betont, erheben die USA aber darüber hinaus auch sonst sehr weitreichende Ansprüche bezüglich der extraterritorialen Wirkungen ihrer Rechtsordnung, zum Beispiel im Rahmen des Wirtschaftskrieges. Diese Auffassung hat schon früher zu schweren Differenzen zwischen den USA und ihren Kontrahenten geführt. Die westeuropäischen Staaten haben als Gegenmaßnahme ein Nachgeben gegenüber solchen Forderungen ohne ihre Genehmigung mit Strafe bedroht.

Bemerkenswerterweise war es vor allem das Vereinigte Königreich von Großbritannien, das mit dieser Methode der Abwehrgesetzgebung bahnbrechend war. Das wirksamste "blocking statute" in diesem Sinn war der "United Kingdom’s Protection of Trading Interests Act". In der englischen Parlamentsdebatte wurde dessen Zweck klar ausgesprochen – ich gebe den Text des Protokolls deutsch wieder –: "Es sei unerläßlich, sich gegen Übergriffe von Staaten zu wehren, die ihre Handels- und Wirtschaftspolitik dem eigenen Land völlig einseitig aufzwingen, so durch extraterritoriale Anwendung innerstaatlicher Gesetze. Es werde in keiner Weise das Recht dieser Staaten bestritten, Gesetze welcher Art auch immer zu erlassen, um die Wirtschaft in ihrem eigenen Land völlig zu dirigieren. Doch darf dies nicht in einer Weise geschehen, daß ein Maximum an eigenem wirtschaftlichen Vorteil unter Hintansetzung aller übrigen Länder und ihrer hievon abweichenden Rechtssysteme erreicht wird." – Zitatende.

Auch im sogenannten Justizkonflikt zwischen den USA und einigen europäischen Staaten in den frühen achtziger Jahren brach diese Divergenz voll auf. US-amerikanische Gerichte nahmen nämlich nicht nur ihre internationale Zuständigkeit in Rechtssachen mit Auslandsbeziehungen in exzessiver Weise wahr, sondern sie erstreckten das der Beschaffung der Beweismittel dienende Vorverfahren des amerikanischen Rechts, die "pretrial discovery", auch auf das Ausland. Eine in den USA beklagte Partei wurde demnach zur Vorlage von in ihrem ausländischen Heimatstaat befindlichen Dokumenten beziehungsweise zur Stellung von dort wohnhaften Auskunftspersonen verhalten, und zwar unter Strafandrohung; dies unter Mißachtung der im betreffenden Heimatland geltenden Vorlage- oder Aussageverweigerungsrechte, unter Umgehung bestehender Rechtshilfeverträge und sogar im Durchgriff von der geklagten Muttergesellschaft auf nicht geklagte Tochtergesellschaften.

Bereits in diesem Sachzusammenhang wehrten sich einzelne europäische Staaten dagegen mit Abwehrgesetzen, die den ihrer Gerichtshoheit unterstehenden Parteien bei Strafe untersagten, einer solchen Aufforderung des amerikanischen Gerichts zur Urkundenvorlage nachzukommen; das freilich in der Nebenabsicht, die eigenen Rechtsgenossen durch diese Strafandrohung in eben jene Pflichtenkollision zu treiben, die es dem amerikanischen Gericht erschweren sollte, in der Nichtbefolgung der richterlichen Anordnung einen mit hohen Strafbußen zu ahndenden "contempt of the court" zu erblicken.

Wie Sie aus all dem ersehen können, meine Damen und Herren, gilt die alte Sentenz: Alles schon dagewesen! Die USA überdehnen ihre Regelungs- und Entscheidungskompetenz, indem sie den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz völlig mißachten, daß es für jegliche Jurisdiktion, ob auf der Ebene der Gesetzgebung oder der Vollziehung, einer vertretbaren Anknüpfung an den eigenen Rechtsbereich bedarf. Die europäischen Staaten sind entweder nicht willens oder nicht dazu imstande, diese evidenten Verstöße gegen das allgemeine Völkerrecht im


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offenen Konfliktaustrag abzuwehren. Sie gehen daher zu ihrerseits zweifelhaften Gegenstrategien über und dabei zu solchen, die sich wenigstens zum Teil und zunächst gegen die dem eigenen Recht unterworfenen natürlichen und juristischen Personen richten, da das angeblich in deren Interesse gelegen sein soll.

In meiner abschließenden Wertung kann ich daher nur der Einschätzung des meiner Fraktion angehörenden ehemaligen Abgeordneten zum Europaparlament Nußbaumer beipflichten: Die EG-Verordnung, die dem vorliegenden Ausführungsgesetz zugrunde liegt, mag eine kurzfristige Abhilfe bieten. Doch wäre langfristig zu überdenken, ob der von der EU und der WTO beschrittene Weg einer vorschnellen und schrankenlosen Liberalisierung nicht durch solche Gesetze mit extraterritorialer Wirkung so unterlaufen werden, daß man die dargelegten Rechtsbrüche dann mit ihrerseits höchst bedenklichen Rechtsmitteln bekämpfen muß.

Demgemäß ist nach meiner festen Überzeugung die Reaktion der Europäischen Union weder hinsichtlich der im grundsätzlichen gebotenen Haltung noch bezüglich der Effektivität der vorgesehenen Maßnahmen der Sache angemessen. Ebensowenig ist die österreichische Position im Rahmen der Willensbildung der EU zu billigen, falls wir hier eine eigene Position entwickelt haben sollten. Deshalb müssen wir diesem Gesetz, das einer indirekten Kapitulation vor der Mißachtung des Völkerrechts durch die USA gleichkommt, unsere Zustimmung versagen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gstöttner. – Bitte.

16.43

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Wir beraten heute unter anderen Tagesordnungspunkte, die im Zusammenhang mit unserer Mitgliedschaft zur Europäischen Union stehen und sicherlich auch für unsere Zukunft von Bedeutung sind.

Im Tagesordnungspunkt vier beschäftigen wir uns mit dem Interregionalen Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Mercado Comun del Sur und seinen Teilnehmerstaaten Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay andererseits samt Gemeinsamer Erklärung. Dieses Abkommen ist eigentlich unbestritten, aber deswegen von Bedeutung, weil es signalisiert, daß sich Europa in einer sich immer stärker globalisierenden Weltwirtschaft, die aber immer stärker regionale Integrationstendenzen aufweist, nicht von dieser Entwicklung abkoppelt.

In den Punkten sechs, sieben und acht geht es um die Abkommen mit der Ukraine, mit der Russischen Föderation und der Republik Moldau. Im Ausschuß und auch im Nationalrat gab es in diesem Zusammenhang sehr intensive Beratungen, und letzten Endes wurden dann Beschlüsse gefaßt, die den Menschen und den politischen Verantwortlichen in diesen Ländern entgegenkommen. Wir sind uns dessen bewußt, daß diese Länder auf Sicht zu Europa gehören. Wir sind uns aber auch bewußt, daß der Weg dieser Länder dorthin noch lange ist und noch so manche Hindernisse zu beseitigen sind.

Das Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedsstaaten und der Ukraine, das am 24. Juni 1994, also noch vor dem EU-Beitritt Österreichs, unterzeichnet wurde, soll einen verläßlichen Rahmen für die politischen, wirtschaftlichen und handelspolitischen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine schaffen. Es zielt darauf ab, den politischen Dialog zu fördern, die Ausweitung von Handel und Investitionen anzuregen, die dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung der Wirtschaft zu sichern und die Festigung der Demokratie und den Transformationsprozeß von einer Staats- zur Marktwirtschaft in der Ukraine zu unterstützen.

Das Problem besteht darin – das wissen wir –, daß die mit dem Abschluß des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens von den Vertragspartnern der Europäischen Union verfolgten Ziele bisher von der Ukraine noch nicht in zufriedenstellendem Ausmaß erreicht wurden, was


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sowohl in der schwierigen wirtschaftlichen Ausgangslage zu Beginn des Transformationsprozesses wie auch in der zu langsamen Umsetzung der Reformvorhaben begründet liegt. Mit der Zustimmung zur Ratifizierung des Protokolls geben der österreichische Nationalrat und auch wir im Bundesrat der Hoffnung Ausdruck, daß die staatlichen und lokalen Behörden der Ukraine Geist und Buchstaben des Abkommens umsetzen werden.

Gleichzeitig wollen wir aber mit der Zustimmung zur Ratifizierung unsere Besorgnis über die mangelnden Fortschritte bei der vereinbarten Stillegung des Kernkraftwerkes Tschernobyl, die Maßnahmen zur Modernisierung anderer Kernkraftwerke und insbesondere die langfristigen Maßnahmen zur Vorbereitung des Ausstiegs aus der Atomenergie Ausdruck verleihen. Der österreichische Nationalrat bekräftigt die seitens der österreichischen Regierung wiederholt geäußerten Bedenken hinsichtlich der Verknüpfung des Stillegens von Tschernobyl mit der Fertigstellung der Atomkraftwerke Chmelnizki und Rovno und betont die Notwendigkeit eines langfristigen Umstieges auf umweltfreundliche Energieträger.

Wir erwarten, daß die Regierung im Rahmen des Kooperationsrates zwischen der Europäischen Union und der Ukraine darauf hinwirken wird, daß beim Ausbau der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine der Achtung demokratischer Prinzipien und der Schaffung der Grundlagen für die Marktwirtschaft besondere Bedeutung beigemessen wird und die Probleme einer Lösung zugeführt werden.

Grundsätzlich muß man die geplanten Erweiterungen mit Ja beantworten, weil diese für die Zukunft verbesserte Möglichkeiten bedeuten und mehr Sicherheit in unserem Europa bringen. – Ich meine, daß wir auch eine gewisse Verpflichtung haben, am Aufbau und an der Stabilisierung mitzuarbeiten. Das ist das beste Mittel, wie man den Rückfall in eine Zeit, die niemand mehr möchte, die die Menschen in diesen Ländern nicht möchten und auch wir natürlich nicht, am besten verhindern kann. Die SPÖ steht der Osterweiterung positiv gegenüber. Man muß aber klare Begleitmaßnahmen und Zeitvorgaben erarbeiten und diese dann auch konsequent umsetzen. Die SPÖ-Bundesräte werden gegen die Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ.)

16.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.

16.49

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Wir haben unter diesem Tagesordnungspunkt sieben Gesetze zu beschließen: Vier Gesetzen werden wir unsere Zustimmung nicht geben, drei Gesetzen geben wir unsere Zustimmung.

Mein Kollege Böhm hat schon sehr ausgiebig und tiefschürfend über die Sanktionen, die bei Zuwiderhandlung gegen eine Verordnung der EG entstehen könnten, gesprochen. Ich möchte dazu zusätzlich anführen, daß es sich nicht lohnt, auf einem Auge blind zu sein: Im Hafen von Dubai werden täglich Frachtschiffe mit dem Ziel Bandar Abbas im Iran abgefertigt, welche mit amerikanischen Elektronik- und "Double-use"-Produkten beladen sind. Mehrere Millionen Dollar werden dort fast täglich verschifft. Sie werden natürlich überwacht, aber es geschieht nichts! Die amerikanischen Geschäftsleute sind in Teheraner Hotels Stammgäste, und zum selben Zeitpunkt, in dem Washington dem französischen Unternehmen Total droht, buhlt ein amerikanischer Öl-Emissär um die Gunst iranischer Öllieferanten der dortigen Regierung. Der in Dubai ansässige Repräsentant der texanischen Ölgesellschaft Conoco ist immer wieder in Teheran mit seinen Geschäftspartnern zu sehen.

Die Vereinigten Staaten meinen offenbar, Ende des 20. Jahrhunderts die Monroe-Doktrin des letzten Jahrhunderts, die sie nur für ihre Hemisphäre eigentlich auch völkerrechtswidrig, aber kraft ihrer Stärke durchgesetzt haben, auf den ganzen Erdball ausdehnen zu müssen. Wir sprechen fast schon liebevoll von der letzten Weltmacht, vom Weltpolizisten: Das ist die Selbstaufgabe der Staatlichkeit der anderen auf der Welt. Das ist natürlich auch die Selbstaufgabe eines Kleinstaates wie Österreich, wenn man sich dessen nicht zu erwehren trachtet.


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Noch sind die Vereinigten Staaten nicht die Vereinten Nationen, auch wenn es so ähnlich tönt und auch wenn sie im UNO-Sicherheitsrat jede Abstimmung sperren können, weil sie zu den fünf Gründungsmitgliedern der Vereinten Nationen gehören. Europa hat derzeit vier, fünf Probleme in Brüssel mit den Vereinigten Staaten auszustehen beziehungsweise zum Teil ausgestanden. Es ging um die Bananen aus den Dollarzonen, weiters um das Hormonrindfleisch aus den USA und eben um diese beiden Abkommen, die wir heute hier in einem zusammengefaßt haben, das Helms-Burton-Gesetz und das D’Amato-Gesetz. James Rubin als Außenamtssprecher hat bereits zugesagt, daß es zu Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem EU-Europa kommen soll: Am 8. und 28. Oktober sollen solche Gespräche stattfinden.

Zur gleichen Zeit, vergangenen Montag, haben der französische Mineralölkonzern Total, der malaysische Konzern Petronas sowie die russische Erdölfirma Gazprom einen Vertrag mit der iranischen Firma Nioc zur Erschließung des Gasfeldes Pars-Süd abgeschlossen. Aber das D’Amato-Gesetz schreibt keinen Zeitpunkt für Sanktionen vor. Es ist dies eigentlich als eine sehr hinterhältige Gesetzgebung zu bezeichnen, denn sie läßt der Politik ungeheuerlich viel Spielraum. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bleibt der amerikanischen Regierung überlassen. Diese kann entscheiden, ob Sanktionen ausgesprochen werden. Abgesehen davon steht es der Regierung auch frei, im Rahmen dieses Gesetzes die Sanktionen auszusetzen, wenn es im nationalen Interesse liegt.

Ich wollte, wir Österreicher wären noch solch ein Großmacht, daß wir Gesetze machen können, mit welchen der Staat nicht gebunden, sondern es der Staatsführung freigestellt wird, ob sie diese anwenden oder nicht, je nach der politischen Großwetterlage! – Leider Gottes ist Österreich jedoch ein Kleinstaat und nicht in der Lage, seinen Willen durchzusetzen. Aber wir erkennen, wie zweischneidig viele Vorgänge in der internationalen Politik sind.

Zum gleichen Zeitpunkt, zu dem Gesetze den Handel mit dem Iran verbieten wollen, erkennen wir etwa, daß eine Kommissarin der Europäischen Union in einen Bereich, den diese nicht diplomatisch anerkannt hat, nämlich nach Afghanistan, entsandt wird, um nachzusehen, wie die EU-Mittel verwendet werden. – Schimpf und Schande sind über diese an und für sich mutige Frau, die sich dieser Reise unterzog, gekommen. Sie wurde nicht geachtet beziehungsweise so nicht geachtet, daß sie fast bestraft wurde, und das mit Eurogeldern! Ich weiß nicht, wie viele Milliarden österreichische Schilling von der EU schon nach Afghanistan gegangen sind.

Tatsache ist aber, daß das Regime der Taliban das bevorzugte Regime der Vereinigten Staaten ist, welches über Pakistan finanziert und ausgerüstet wird. Es stellt sich daher die Frage: Warum werden diese Zweischneidigkeiten, dieses doppelte Maß für ähnliche Vorgänge nicht lauthals bekanntgegeben? – Vielleicht werden derartige Methoden das eine oder andere Mal in diplomatischen Gesprächen erwähnt, was aber ohne Wirkung bleibt. Aber wäre es nicht notwendig, daß man über solche Vorgänge offen spricht? – Die Würde des Staates selbst gebietet es doch, daß man jenen, die uns lehren wollen, wie man internationalen Umgang pflegt, entgegenschmettert, daß sie selbst ihre Standards gleichmäßig anwenden sollen!

Ich komme jetzt zu den beiden Abkommen betreffend Südamerika, den Mercado Comun del Sur und Chile: Mit großer Freude stimmen wir diesen beiden Abkommen zu, auch wenn wir ein bißchen Bedenken haben, daß es unmöglich sein wird, die ständigen hohen Nettozahlungen, die Österreich in die Gemeinschaftskasse entrichten muß, zu senken, wenn immer wieder neue Verpflichtungen übernommen werden. Dies wissend stimmen wir aber trotzdem zu, weil wir der Meinung sind, daß sowohl Österreich als auch die Europäische Union in Südamerika einen politisch, aber auch wirtschaftlich besonders interessanten Ansprech- und Handelspartner haben werden.

Die Abkommen mit den drei Staaten der ehemaligen Sowjetunion, der Ukraine, der Russischen Föderation und der Republik Moldau, lehnen wir ab. Wir lehnen diese deshalb ab, weil uns insbesondere die Atomkraftwerkssituation in der Ukraine, die weder unseren Intentionen noch internationalen Regelungen entspricht, nicht behagt. Wir sind nicht der Meinung, daß wir mit allen Ländern gleiche und unbedingt immer sofortige Beziehungen auf gleicher Ebene mit anderen aufnehmen müssen. Es muß möglich sein, auch diesen Staaten zu sagen, daß sie


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warten müssen, da es andere Überlegungen gibt. Denn Österreich hat die Pflicht, die eigenen Landwirtschaftsproduzenten zu schützen. Die Ukraine wird – wie Rußland –, sofern sie in den nächsten Jahren einen landwirtschaftlichen Produktionsstandard erreicht, der unserem europäischen entspricht, uns mit Nahrungsmittel überschwemmen, und wir werden uns dessen nicht erwehren können.

Ich weiß nicht, warum wir jetzt, nachdem der Marxismus und der Leninismus zu Grabe getragen worden sind, den Leninspruch nachvollziehen müssen, daß der Kapitalismus ihnen den Strick liefern wird, an dem sie uns aufhängen können! Jetzt sind sie keine Marxisten mehr, aber ich habe den Eindruck, aufhängen könnten sie uns noch allemal mit verschiedenen ihrer Sachen: Wenn die Produktion dort einmal angelaufen ist, werden wir jene Probleme haben, auf die ich hingewiesen habe, und zwar nicht nur auf landwirtschaftlichem Gebiet, sondern auf allen Gebieten.

Zum Abkommen betreffend das Verbot von Nuklearversuchen, über den Amtssitz der Kommissionen: Meine Damen und Herren! Diesen Abkommen werden wir natürlich zustimmen. Etwas ratlos macht mich jedoch in diesen Abkommen, wie in jenem, welchen wir nicht zustimmen werden, nämlich dem Joint Vienna Institute-Abkommen, die große Anzahl von Privilegien und Steuerfreiheiten, die zugestanden werden. Es ist für mich fast belustigend gewesen, als ich im Ausschuß auf dieses Thema zu sprechen kam. Ich wollte schon sagen: Wir kaufen uns die Institutionen. Wir wurden jedoch belehrt, daß wir sie nicht kaufen, sondern akquirieren. – Das ist so ähnlich, wie wenn man Versicherungspolizzen akquiriert! (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrte Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Etwas bleibt jedoch auf der Strecke, nämlich die Gleichbehandlung der österreichischen Staatsbürger. In manchen Bereichen werden die Ausländer besser behandelt als Österreicher. Dieser Punkt – das muß ich sagen – mißfällt mir! Aus diesem Grund werden wir das Joint Vienna Institute-Abkommen nicht nachvollziehen.

Wir sind aber von dem Atomabkommen so überzeugt, daß wir trotz der Einwände, die wir auf diesem Gebiet haben – ich möchte sie jetzt nicht aufzählen, da dies im Ausschuß in langer Diskussion bereits erfolgt ist –, zustimmen werden, weil wir dieses Atomabkommen für absolut wichtig halten. Es gibt uns damit auch die Rechtfertigung zu sagen, wir wollten die Ukraine diesmal nicht aufnehmen.

Wenn wir all diese Abkommen betrachten, die eigenwilligerweise in einem Tagesordnungspunkt zusammengefaßt worden sind – sie passen nicht alle so zusammen –, dann sehen wir, daß wir uns sehr wohl überlegen, welchem Abkommen wir jeweils Zustimmung oder Nichtzustimmung aussprechen müssen. Das letzte Abkommen ist eines, von dem wir der Meinung sind, daß damit mehr Privilegien verteilt werden, als Österreich an Nutzen einheimsen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Bundesgesetz zur Festlegung von Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor


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den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebender Maßnahmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Interregionales Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Mercado Comun del Sur und seinen Teilnehmerstaaten andererseits samt Gemeinsamer Erklärung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ich bitte weiters jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz, den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies ebenfalls Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz, den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zur Vorbereitung einer politischen und wirtschaftlichen Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits samt Unterzeichnungsprotokoll und Gemeinsamen Erklärungen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits und der Schlußakte.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Protokoll zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Grün


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dung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits und der Schlußakte.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Protokoll zum Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits samt Erklärung einschließlich des diesen als Anlage angeschlossenen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits und der Schlußakte.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Vorbereitenden Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen über den Amtssitz der Kommission samt Anhängen und Briefwechsel.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Joint Vienna Institute über den Amtssitz des Joint Vienna Institute samt Anhang.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.


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Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, 1946 (707 und 853/NR sowie 5542/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung: Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, 1946.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Gerhard Tusek übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Gerhard Tusek: Ich bringe den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1997 betreffend Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, 1946. Da der Bericht des Ausschusses allen Mitgliedern des Bundesrates in schriftlicher Form vorliegt, kann ich auf die Verlesung verzichten und komme zum Antrag.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 30. September 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr. (Bundesrätin Mühlwerth  – das Rednerpult hinunterschraubend –: Wenn John vor mir redet, ist es immer so weit oben!)

17.10

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das uns vorliegende Übereinkommen zum Walfang ist ein nettes Papier: gut gemeint, mit guten Absichten und völlig zahnlos.

Wenn man sich die Quotenzahlen ansieht, stellt sich sofort die Frage, nach welchen Gesichtspunkten diese Quoten unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit eigentlich festgelegt werden. Was ist das für eine Wissenschaft, die Fangquoten braucht? – Das hat mir bis jetzt noch niemand, auch kein Wissenschafter, erklären können. Alle sagen nämlich übereinstimmend: In Wirklichkeit braucht man für die Wissenschaft keinen einzigen Wal zu fangen, weil die Fragestellung einfach nicht vorhanden ist, die irgendwelche Walfänge notwendig machen würde.

Was ist das für eine Wissenschaft, die Fangvorträge erlaubt – und das liest sich dann in dem Übereinkommen wie der Verlustvortrag einer Unternehmensbilanz? Was ist das für ein Übereinkommen, das einem Land die Möglichkeit gibt, Einspruch zu erheben – und dann gilt dieses Übereinkommen für das Land, das Einspruch erhoben hat, gar nicht, und zwar solange nicht, bis dieses Land den Einspruch wieder zurückgezogen hat?

Die Japaner führen uns vor, wie das geht: Sie haben Einspruch erhoben, und jetzt gelten für sie diese Fangquoten nicht. Dabei zeigt sich, daß es selbstverständlich um den kommerziellen Walfang geht. Diesen Quotenregelungen wird der Anstrich der Wissenschaftlichkeit verliehen, in


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Wirklichkeit ist aber der reine Kommerz gefragt. Wenn man in japanischen Restaurants auf die Speisekarte schaut, dann sieht man, daß dort nach wie vor Walspezialitäten angeboten werden. Wenn aber die Quoten nur für wissenschaftliche Zwecke gelten sollen, dann fragt man sich, woher die Spezialitäten auf den Speisekarten der japanischen Restaurants kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Freiheitliche meinen: Wenn wir es mit dem Schutz von Walen wirklich ernst meinen, dann muß der Walfang einer gründlichen Kontrolle unterworfen sein. Kontrolle muß selbstverständlich auch Sanktionen nach sich ziehen. Wir könnten uns beispielsweise vorstellen, daß auf jedem Walfang-Mutterschiff ein internationaler Kontrollor mitfährt. Wenn sich die Länder nicht an die Quoten halten, dann muß es einschneidende Sanktionen geben, die weh tun. Sonst brauchen wir überhaupt keine Übereinkommen zu schließen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da es in diesem Übereinkommen in keiner einzigen Zeile um Kontrolle und Sanktionen geht, können wir dieser Änderung des Übereinkommens nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile ihm das Wort.

17.13

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hoher Bundesrat! Grundsätzlich muß gesagt werden, daß die Schutzbestimmungen, die wir heute verhandeln, dringend notwendig sind, weil das Überleben dieser sensiblen, hochintelligenten Meeressäuger tatsächlich nur dann gesichert werden kann, wenn die Tötung dieser Tiere massiv eingeschränkt wird. Natürlich geht das am besten mit einem generellen Walfangstopp. Die neuen Bestimmungen sehen eine absolute Schutzzone im Südpolarmeer und eine genaue Festlegung von Fangquoten und Fangzeiten vor. Österreich, das seit 1994 Mitglied der internationalen Walfangkommission – IWC – ist, hat sich auch aktiv dafür eingesetzt.

Obgleich für eine Handvoll Walfänger ein Bombengeschäft, ist der Walfang volkswirtschaftlich unbedeutend. Nicht aber die Fischerei: 1994 verdiente Norwegen 4,8 Milliarden Mark durch den Export von Fisch. Doch die norwegische Fischerei ist hiermit an ihre Grenzen gestoßen. Wie überall auf der Welt brachen auch in den norwegischen Gewässern Fischbestände als Folge von Überfischung zusammen. Um das Milliardengeschäft mit dem Fisch auch in Zukunft zu sichern, ist Norwegens Fischereiministerium jedes Mittel recht. So hat man den Walen einfach den Krieg erklärt.

Im Kampf um schwindende Fischbestände sind nicht nur andere Fangflotten, sondern auch Wale und Robben zu Konkurrenten geworden. Deshalb betrachten nicht nur Fischer, sondern auch norwegische Wissenschafter und Politiker Wale als Schädlinge. Das wissenschaftliche Walfangprogramm kam zu dem Ergebnis, daß ein Minkewal der norwegischen Fischerei pro Jahr Fische im Wert von rund 3 300 Mark wegfrißt. – Wohlgemerkt: Ich sage das alles zur Einleitung nur unter Anführungszeichen, denn das deckt sich selbstverständlich nicht mit meiner Meinung.

Der ehemalige norwegische Außenminister Stoltenberg bezeichnete die Minkewale gar als "Ratten der Meere". Jedoch haben große Bestände von Walen, Robben und Fischen seit Jahrtausenden miteinander existiert. Erst ein jahrzehntelanger Raubbau durch die Fischerei führte zum Zusammenbruch der Fischbestände.

Rund 30 norwegische Fischer werden auch in diesem Jahr mit dem Walfang ein gutes Zusatzgeschäft machen: Ein erlegter Wal bringt ihnen mindestens 12 000 Mark ein; jeder weiß, wieviel Schilling das sind. Durchschnittlich verdient jeder Kapitän zirka 120 000 Mark. Selbst wenn alle Betriebskosten abgezogen werden, bleibt ein stattlicher Gewinn, auf den keiner verzichten will. Vielmehr forderten die Walfänger bereits im Dezember 1994, die Abschußquote von rund 300 auf 1 800 Minkewale zu erhöhen. Da sich aber, nach Aussage der Walfänger, nur rund 300 Wa


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le in Norwegen selbst verkaufen lassen, forderten sie gleichzeitig die Aufhebung des Exportverbotes. So könnte das Walfleisch nach Japan exportiert werden, wo der Verkauf noch weit höheren Profit garantiert.

Auch Norwegens Wissenschafter und Politiker sind einer Quotenerhöhung nicht abgeneigt. So erklärte der norwegische Fischereiminister schon 1993 auf einer Pressekonferenz, daß ein Abschuß von 2 000 bis 4 000 Walen unproblematisch sei. Fragt sich allerdings für wen, denn ein Abschuß von durchschnittlich 2 000 Minkewalen jährlich führte in den Hoch-Zeiten des Walfanges zu einer Abnahme des Bestandes um fast 50 Prozent. Eine Folge dieser dramatischen Entwicklung war, daß die IWC den Minkewal 1985 unter Schutz stellte.

Im Mai stachen Norwegens Walfänger wieder in See. Laut Quote dürfen sie diesmal 580 Zwergwale in der Nordsee und im Nordatlantik erlegen – 155 Wale mehr als im Vorjahr. Die höhere Quote zeigt Norwegens härtere Gangart gegenüber der internationalen Walfangkommission. Dabei liegen noch 400 Tonnen Walspeck aus dem Vorjahr in den Kühlhäusern, wie die norwegische Tageszeitung "Nordlys" meldet. Mit einer 250 000 Mark teuren Kampagne soll den Norwegern nun das Walfleisch schmackhaft gemacht werden. Die Walfänger drängen auf eine Aufhebung des Exportverbots: Dann könnte Norwegen Walspeck und Walfleisch etwa – wie schon angedeutet – nach Japan verkaufen. Dort gelten die Meeressäuger als Delikatesse. – Soweit die Walfangsituation aus norwegischer Sicht.

Ich gestatte mir jetzt, einige persönliche Anmerkungen zu machen, von denen ich weiß, daß sie sich mit dem Standpunkt meiner Fraktion decken.

Vorangestellt sei, daß Wirtschaftsinteressen vielfältig und vielseitig sein können. Jeder von uns kennt Lebertran, wir durften ihn als Kind in der Nachkriegszeit – und wahrscheinlich schon davor in der Zwischenkriegszeit – für den Knochenaufbau einnehmen. Das Delikate daran konnte ich niemals feststellen, aber geholfen – das gebe ich zu – hat es in einer sehr entbehrungsreichen Zeit. Das Fleisch kann ich selbst nicht beurteilen, da ich keine persönlichen Freunde habe, die jemals Walfleisch gegessen hätten. Ich weiß auch, daß wir inzwischen nicht mehr darauf angewiesen sind, Walknochen als Mieder, für Korsetts oder andere Ersatzmittel in der Bekleidungsbranche zu verwenden.

Japans wissenschaftliche und wirtschaftliche Interessen sehen allerdings etwas anders aus. Wenn man zum Beispiel weiß, daß Japaner bereit sind, für 1 Gramm – wohlgemerkt: 1 Gramm! – getrocknete Tigergalle 1 000 Dollar auf den Tisch zu legen, um die eigene Potenz erhöht zu wissen, so wirft das ein bezeichnendes Licht auf diese Art von Wirtschaftsinteressen. (Bundesrat Bieringer: Nur keinen Neid!) Herr Kollege Bieringer! Bei mir bedarf es keiner Galle, schon gar keiner getrockneten oder gemahlenen. (Heiterkeit.)

Eine weitere Delikatesse in Japan, die auch demselben Zweck dient, sind geriebene Bärenpenisse – das muß man sich vorstellen! Entsprechend sollen auch Nashornhörner gerieben die Männlichkeit in Japan und ebenfalls in China besonders herausstreichen. Allein deswegen werden unzählige Tiere auf dieser Welt abgeschlachtet: nur um diese paar Zentimeter oder Deka lebenswichtige Organe zu erhaschen. Der Rest des Tieres verendet und verfault.

Ich glaube, daß wir ganz besonders aufpassen müssen, wenn es "wissenschaftliche Zwecke" heißt. Bis heute – das hat Kollegin Mühlwerth bereits angeführt – hat man uns den wissenschaftlichen Nutzen von Walfang nicht deutlich machen können. Wenn man allerdings die Dinge, über die ich berichtet habe, als Untersuchungsgrundlage nimmt, mag das dahingestellt sein. Ich weiß dabei nur eines: Wir Europäer, und insbesondere wir Österreicher, können dem mit Sicherheit nichts abgewinnen!

Ich bin überdies der Meinung, daß Walfang im herkömmlichen Sinn Tierquälerei der übelsten Sorte ist. Wir wissen, daß Ureinwohner in Kajaks mit Speeren kleinere Wale erlegten. Man kann das nachlesen, wenn man sich ein bißchen über die Aleuten informiert. Vielen von uns ist der Film "Moby Dick" noch in besonderer Erinnerung, in dem es darum ging, eine persönliche Feindschaft zwischen Kapitän und Walfisch entsprechend unter die Menschen zu bringen. Dort hat


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man es geschafft, den Wal als das Böse hinzustellen, aber letztendlich wurde auch sein Erleger und Peiniger mit ihm in die Tiefe gezogen.

Modernste Flotten gehen anders auf Walfangpirsch, nämlich mit modernsten Harpunen. Für besonders übel halte ich den Einsatz von Elektrolanzen, die eigentlich nur dazu dienen – jeder weiß, was ein Elektroschocker ist, und so etwas gibt es auch in größerem Maßstab –, bis zu 30 Meter lange Tiere bewegungsunfähig zu machen und damit unsäglichen Qualen auszusetzen. Was Treibnetze, die 100 Kilometer breit quer durch die Weltmeere treiben, in den Walpopulationen anrichten, sollte auch nicht verschwiegen werden. Dabei kommt es zu der traurigen Situation, daß Wale, in diesen Netzen verfangen, ertrinken, nicht ersticken. Wale – das wissen wir – brauchen Luft, um atmen zu können. Dazu müssen sie auftauchen. Wale gehören zu den Säugetieren.

An dieser Stelle bitte ich die Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen, ihren Kollegen Mentil darüber aufzuklären, daß es sich bei Walen nicht um Fische handelt. Er sprach nämlich von der "Walfischkommission". (Heiterkeit bei der SPÖ.) Wieder einmal stelle ich mit Genugtuung fest, daß die Abgeordneten der Freiheitlichen im Bundesrat über einen höheren Wissensstand verfügen als jene im Nationalrat.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, daß Blauwale bis zu 30 Meter lang werden können und Delphine, die ebenfalls zu den Walen zu zählen sind, bis zu 1 Meter. Wir wissen auch – das ist besorgniserregend –, daß in kürzester Zeit, in einem Zeitraum von 50 Jahren, 2 Millionen Blauwale erlegt wurden. Von 250 000 vor nicht allzulanger Zeit gezählten haben bis heute nur mehr 1 000 Blauwale überleben können. Tragischer noch, weil in der Anzahl entsprechend größer, ist es mit den Finnwalen bestellt. Einer Population von 1,5 Millionen vor nicht allzulanger Zeit stehen heute auf der ganzen Welt nur mehr 20 000 Exemplare gegenüber.

Meine Damen und Herren! Es genügt nicht, wenn wir uns darin gefallen, Wale, die aufgrund von Wasserverschmutzung, Luftverschmutzung oder ihrer gestörter Sinnesorgane gestrandet sind, unter Einsatz von Unmengen an Arbeitszeit, Willen und Geld wieder ins Meer zurückzutransportieren oder zurückzugeleiten. Wir haben diese Wale anderweitig zu schützen. Wissen Sie übrigens, daß jeder einzelne Wal – so wie ein Mensch mit seinem Fingerabdruck – anhand der Unterseite seiner Rückenflosse für jedermann und jederfrau immer erkennbar sein wird?

Ich bitte Sie wirklich, gemeinsam darüber nachzudenken, wie man dieses Problem besser in den Griff bekommen kann. Ich selbst hoffe dabei sehr auf die Flipper-Jugend – nicht die an den Automaten, sondern jene Jugendlichen, die mit dem Film "Flipper" den Delphin als Menschenfreund kennengelernt haben. Ich setze auf die Jugend, die ein größeres Umweltbewußtsein als mancher Wissenschafter, geschäftsorientierter Unternehmer oder Fischer an den Tag legt.

Selbstverständlich wird meine Fraktion dieses Gesetz unterstützen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates, den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 19. September 1997 betreffend einen Vertrag der Internationalen Fernmeldeunion (Genf 1992) samt Anlagen und Fakultativprotokoll sowie Änderungsurkunden von Kyoto 1994 samt Anlage und Vorbehalte der Republik Österreich (844/NR sowie 5543/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zum 12. Punkt der Tagesordnung: Vertrag der Internationalen Fernmeldeunion (Genf 1992) samt Anlagen und Fakultativprotokoll sowie Änderungsurkunden von Kyoto 1994 samt Anlage und Vorbehalte der Republik Österreich.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Irene Crepaz übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Irene Crepaz: Der Nationalrat hat gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG beschlossen, daß dieser Staatsvertrag durch Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr kundgemacht wird.

Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 30. September 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen – 1333/J bis 1334/J – eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 23. Oktober 1997, 9 Uhr in Aussicht genommen.


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Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 21. Oktober 1997, vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 17.28 Uhr