Stenographisches Protokoll

631. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 23. Oktober 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

Stenographisches Protokoll

631. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 23. Oktober 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 23. Oktober 1997: 9.04 – 17.09 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1996 (Grüner Bericht 1996)

2. Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998 gemäß § 9 Abs. 2 LWG

3. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden

4. Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen über soziale Sicherheit

5. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit

6. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Chile über soziale Sicherheit

7. Bundesgesetz über die Revision von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie über Änderungen des Gesetzes über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, des Firmenbuchgesetzes und des Gerichtsgebührengesetzes (Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz 1997 – GenRevRÄG 1997)

8. Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird

9. Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird

10. Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzierungsgesetz geändert wird

11. Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz CSSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden

12. Anlage E des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung samt Vorbehalten der Republik Österreich

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Bundesrat
Stenographisches Protokoll
631. Sitzung / Seite 2

Inhalt

Bundesrat

Fristsetzungsantrag 34

Zurückziehung 114

Personalien

Krankmeldung 7

Entschuldigungen 7

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 34

Ausschüsse

Zuweisungen 35

Fragestunde

Bundesministerium für Inneres 7

Ludwig Bieringer (791/M-BR/97); Stefan Prähauser, Dr. Paul Tremmel

Ernst Winter (800/M-BR/97); Monika Mühlwerth, Anton Hüttmayr

Dr. Reinhard Eugen Bösch (797/M-BR/97); Mag. Harald Himmer, Johann Payer

Anton Hüttmayr (792/M-BR/97), Erhard Meier, Helga Moser

Erhard Meier (801/M-BR/97); Mag. John Gudenus, Gottfried Jaud

Dr. Milan Linzer (793/M-BR/97); Irene Crepaz, Dr. Paul Tremmel

Johanna Schicker (802/M-BR/97); Dr. Peter Böhm, Mag. Karl Wilfing

Monika Mühlwerth (798/M-BR/97); Franz Richau, Dr. Michael Ludwig

Leopold Steinbichler (794/M-BR/97); Ernst Winter, Engelbert Weilharter

Karl Drochter (803/M-BR/97); Mag. John Gudenus, Alfred Schöls

Jürgen Weiss (795/M-BR/97); Engelbert Weilharter

Dr. Michael Ludwig (804/M-BR/97); Monika Mühlwerth, Gottfried Jaud

Dr. Paul Tremmel (799/M-BR/97); Ing. Peter Polleruhs, Wolfgang Hager

Mag. Karl Wilfing (796/M-BR/97); Erich Farthofer, Dr. Reinhard Eugen Bösch

Josef Pfeifer (805/M-BR/97); Dr. Paul Tremmel, Franz Richau

Gemeinsame Beratung über

(1) Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1996 (Grüner Bericht 1996) (III-165 und 5545/BR d. B.)


Bundesrat
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631. Sitzung / Seite 3

(2) Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998 gemäß § 9 Abs. 2 LWG (III-166 und 5546/BR d. B.)

Berichterstatter: Ing. Walter Grasberger 35

[Antrag, zu (1) und (2) die Berichte zur Kenntnis zu nehmen]


Bundesrat
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631. Sitzung / Seite 4

Redner:

Gottfried Waldhäusl 36

und (tatsächliche Berichtigung) 51

Johann Payer 43

Ing. Johann Penz 46

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 52

Mag. John Gudenus 55

Ernst Winter 60

Aloisia Fischer 61

Stefan Prähauser 64

Leopold Steinbichler 66

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (1) und (2) die Berichte zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 69

(3) Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (882/NR sowie 5544 und 5547/BR d. B.)

Berichterstatter: Horst Freiberger 69

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ilse Giesinger 70

Karl Drochter 71

Helga Moser 73

Dr. Kurt Kaufmann 75

Johann Grillenberger 79

Mag. Gerhard Tusek 80

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 82

Gemeinsame Beratung über

(4) Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen über soziale Sicherheit (650 und 874/NR sowie 5548/BR d. B.)

(5) Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit (768 und 875/NR sowie 5549/BR d. B.)

(6) Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Chile über soziale Sicherheit (843 und 876/NR sowie 5550/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Drochter 83

[Antrag, zu (4), (5) und (6) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Vincenz Liechtenstein 83

Wolfgang Hager 84

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (4), (5) und (6) keinen Einspruch zu erheben 85

(7) Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Revision von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie über Änderungen des Gesetzes über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, des Firmenbuchgesetzes und des Gerichtsgebührengesetzes (Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz 1997 – GenRevRÄG 1997) (840 und 872/NR sowie 5551/BR d. B.)

Berichterstatter: Erhard Meier 86

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Harring 86

Dr. Milan Linzer 90

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 94

Gemeinsame Beratung über

(8) Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (845 und 866/NR sowie 5552/BR d. B.)

(9) Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (849 und 865/NR sowie 5553/BR d. B.)

Berichterstatter: Stefan Prähauser 95

[Antrag, zu (8) und (9) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Michael Rockenschaub 95

Alfred Gerstl 97

Karl Hager 98

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (8) und (9) keinen Einspruch zu erheben 99

(10) Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzierungsgesetz geändert wird (516/A und 864/NR sowie 5554/BR d. B.)

Berichterstatter: Stefan Prähauser 99

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Harring 100

Horst Freiberger 102


Bundesrat
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631. Sitzung / Seite 5

Bundesminister Rudolf Edlinger 102 und 105

DDr. Franz Werner Königshofer 104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 106

Gemeinsame Beratung über

(11) Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz CSSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden (846 und 862/NR sowie 5555/BR d. B.)

(12) Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend die Anlage E des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung samt Vorbehalten der Republik Österreich (847 und 867/NR sowie 5556/BR d. B.)

Berichterstatter: Stefan Prähauser 106

[Antrag, zu (11) und (12) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Paul Tremmel 107 und 112

Ing. Peter Polleruhs 109

Albrecht Konečny 110

Helga Markowitsch 111

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (11) und (12) keinen Einspruch zu erheben 113

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen betreffend Aufhebung der menschenrechtswidrigen Beneš-Dekrete 108

Ablehnung 113

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Peter Rieser und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend ausständige Bundesförderungen für Projekte in der Obersteiermark (1335/J-BR/97)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundeskanzler betreffend Forderungsprogramm des Landes Vorarlberg an die Bundesregierung vom April 1997 (1336/J-BR/97)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Einführung eines Chipkartensystems in der Sozialversicherung (1337/J-BR/97)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundesminister für Finanzen betreffend Einzelbesteuerung in grenzüberschreitenden Personenbeförderungsleistungen (1338/J-BR/97)


Bundesrat
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631. Sitzung / Seite 6

der Bundesräte Ilse Giesinger, Jürgen Weiss, Gottfried Jaud und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Nachtarbeitsverbot für Frauen (1339/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Peter Harring und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend anonyme Sparbücher und Verschärfung des Bankgeheimnisses (1340/J-BR/97)


Bundesrat
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631. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr


Bundesrat
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631. Sitzung / Seite 8

Präsident Dr. Günther Hummer:
Ich eröffne die 631. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 630. Sitzung des Bundesrates vom 2. Oktober 1997 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Bevor ich Ihnen die Entschuldigungen und Krankmeldungen bekanntgebe, möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß im Interesse der Klarheit nunmehr Entschuldigungen, die auch nur einen Teil der Sitzung betreffen, anerkannt und bekanntgegeben werden. Aber auch hiefür gilt als Voraussetzung, daß eine Verhinderung im Sinne des § 4 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates grundsätzlich vor Beginn der Sitzung dem Präsidenten zur Kenntnis gebracht wird.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Frau Dr. Susanne Riess-Passer.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Peter Rieser, Ferdinand Gstöttner, Johann Kraml, Hedda Kainz, Peter Rodek, Andreas Eisl, Herbert Platzer und Karl Wöllert.

Fragestunde


Bundesrat
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631. Sitzung / Seite 9

Präsident Dr. Günther Hummer:
Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, mache ich darauf aufmerksam, daß nach Beantwortung der Anfrage der Fragesteller berechtigt ist, eine Zusatzfrage zu stellen. Danach können auch andere Bundesräte Zusatzfragen stellen, wobei in der Regel jede Bundesratsfraktion, mit Ausnahme der Fraktion des Fragestellers, berücksichtigt wird.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde – sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird – im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.06 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Inneres

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir kommen zur Anfrage 791/M an den Herrn Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ludwig Bieringer, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

791/M-BR/97

Wie werden im Hinblick auf die Inkraftsetzung von Schengen die Grenzkontrollen im Bundesland Salzburg zeitlich abgebaut werden?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wir hatten vor kurzem in Wien eine Sitzung des Exekutivausschusses. Bei dieser Sitzung wurde das Inkraftsetzen des Schengener Durchführungsübereinkommens mit Österreich, Italien und Griechenland endgültig vereinbart. Es wird so sein, daß dieses Durchführungsübereinkommen ab 1. Dezember dieses Jahres Gültigkeit hat und danach der Abbau der Grenzkontrollen an den Flughäfen beginnt, damit also auch für den Flughafen Salzburg, und an den Landesgrenzen in Etappen zwischen dem 1. Dezember 1997 und dem 31. März 1998.

Präsident Dr. Günther Hummer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Bundesminister! Ich bin Bürgermeister einer Grenzlandgemeinde. Es besteht allenthalben die Gefahr, daß die Kriminalität im Grenzbereich – man spricht von etwa 20 bis 30 Kilometern entlang der Grenze – steigen wird. Ich frage Sie daher: Welche Maßnahmen werden Sie parallel dazu setzen, um im Grenzbereich Kontrollen zur Verhinderung der Kriminalität sicherzustellen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Das Schengener Durchführungsübereinkommen hat im wesentlichen zwei große Ziele. Das erste Ziel ist, daß es eine freie, offene Grenze zwischen den Mitgliedstaaten gibt. Das bedeutet, daß man dann zwischen Wien und Lissabon frei und ungehindert ohne Grenzkontrollen reisen kann.

Das zweite Ziel ist, daß die EU-Außengrenzen der Mitgliedstaaten sehr wirkungsvoll geschützt werden und ein Staat für alle anderen Staaten die Verantwortung übernimmt.

Um diese beiden Ziele miteinander vereinbaren zu können, bedarf es zweier Grundprinzipien. Grundprinzip eins: Es darf zu möglichst keiner illegalen Einreise in und Durchreise durch unser Land kommen. Grundprinzip zwei: Es darf durch Schengen die Situation in jedem einzelnen Mitgliedstaat aus sicherheitspolitischer Sicht nicht schlechter werden, sondern muß zumindest so bleiben wie bisher. Deshalb bedarf es selbstverständlich Ausgleichsmaßnahmen, weil eine offene Grenze viel weniger leicht zu kontrollieren ist als eine Grenze, an der man Personenkontrollen und ähnliches durchführen kann.

Wir haben daher eine trilaterale Expertengruppe eingesetzt, nämlich Italien, Deutschland und Österreich, die seit Anfang September arbeitet. Wir haben heute wieder eine Sitzung, die in München stattfindet, und in dieser werden die entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen besprochen und vielleicht auch schon fix vereinbart.

Entscheidend und wichtig wird es sein, daß es regelmäßige Kontrollen entlang der Grenze gibt. Der räumliche Bereich, den Sie genannt haben, nämlich bis zu 30 Kilometer, erscheint mir als sehr sinnvoll. Dort soll es schwerpunktmäßig, abgesprochen zwischen den einzelnen Staaten, Kontrollen geben. Gleichzeitig wird es aber auch notwendig und wichtig sein, auch an den derzeitigen Grenzkontrollstationen, wenn dies sinnvoll und geeignet erscheint, schwerpunktartige Maßnahmen zu setzen.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke. – Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Stefan Prähauser, bitte.

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Bundesminister! Wann kann mit konkreten Aussagen über den Abbau der Grenzkontrollen im Bundesland Salzburg gerechnet werden?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Es finden heute Besprechungen in Deutschland statt. Bei diesen geht es nicht nur um die Frage, wie die Ausgleichsmaßnahmen ausschauen, welche Maßnahmen man setzen kann, um auf sicherheitspolitischem Gebiet besser und koordinierter zusammenzuarbeiten, sondern es wird auch um den schrittweisen Abbau der Binnengrenzen zwischen Österreich und Deutschland und zwischen Österreich und Italien gehen.

Ich gehe davon aus, daß die großen Grenzkontrollstellen, Grenzübertrittsstellen, an denen im Verbund zwischen den entsprechenden Staaten noch kontrolliert wird, noch bis 31. März 1998 besetzt sein werden, und daß die kleineren und mittleren Stellen ab 1. Dezember 1997 schrittweise abgebaut werden beziehungsweise dort vielleicht bereits mit 1. Dezember nicht mehr kontrolliert wird.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke. – Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel, ich bitte Sie um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sie haben ausgeführt, daß heute eine Konferenz in München stattfindet und daß die sogenannte Schleierfahndung, also 30 Kilometer hinter der Grenze, von den einzelnen Staaten aktualisiert werden kann. Anlaß für diese Schleierfahndung war die Aussage des bayrischen Innenministers Beckstein dahin gehend, daß er das machen müsse, weil die Grenzkontrollen an der EU-Außengrenze in Österreich nicht entsprechen würden.

Ist das der Grund dafür, daß jetzt die Schleierfahndung unter anderem auch in Bayern stattfindet, und werden Sie dieses Thema heute in München ansprechen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Wir sind seit Mitte 1995 Mitglied von Schengen, und seit diesem Zeitpunkt wird versucht, die österreichische EU-Außengrenze sehr wirkungsvoll zu kontrollieren. Es ist dies eine sehr lange Grenze, sie ist 1 650 Kilometer lang. Jedem von uns ist bewußt, daß man diese Grenze nie lückenlos kontrollieren wird können, genauso wenig, wie es die Deutschen an ihrer Ostgrenze schaffen oder die Italiener oder andere.

Trotzdem gibt es meiner Ansicht nach keine Alternative dazu. Die Wanderungsbewegung, der Druck aus dem Osten Europas, aber auch aus einer Reihe von Staaten aus dem nahen und fernen Osten ist sehr groß. Wenn wir unsere Grenzen nicht wirkungsvoll kontrollierten, würde die Zahl der illegal in unser Land Einreisenden so hoch sein, daß wir nicht nur in unserem Land, sondern auch in allen anderen Nachbarstaaten große soziale und gesellschaftspolitische Probleme bekämen.

Ich billige zu, daß wir voriges Jahr und auch am Beginn des heurigen Jahres in unseren Vorbereitungen noch nicht so weit waren, um sagen zu können, daß die Grenze wirklich wirkungsvoll geschützt werden konnte. In den letzten Monaten hat es in diesem Bereich umfangreiche Anstrengungen gegeben. Wir haben nun mehr Personal zur Verfügung, und wir haben vor allem mehr technische Ausstattung zur Verfügung, sodaß ich sagen kann, daß wir uns auf einem sehr guten Weg befinden. Unsere deutschen Freunde, vor allem die bayrischen Freunde, haben diese Anstrengungen honoriert und sehen diese auch, und deshalb haben wir auch den Inkraftsetzungsbeschluß bekommen.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke schön.

Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ernst Winter, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

800/M-BR/97

Welche Maßnahmen planen Sie, um in Zukunft die Finanzierbarkeit eines bundesweiten Hubschrauberrettungsdienstes sicherzustellen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Für mich persönlich, aber auch politisch ist die Sicherstellung der Hubschrauberrettung, der Flugrettung in Österreich sehr wichtig, und ich gehe davon aus, daß das bisherige Prinzip und System auch in Zukunft beibehalten werden soll, das bedeutet eine sinnvolle Koppelung der Ressourcen des Bundes, sprich: des Innen- und des Verteidigungsministeriums, der neun Bundesländer und privater Anbieter, wobei ich unter privaten Anbietern in diesem Fall den ÖAMTC meine.


Bundesrat
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631. Sitzung / Seite 10

Die Flugrettung ist ins Gerede gekommen, weil der Kostenabgang, das Defizit, in den letzten Jahren sehr hoch geworden ist. Über ihre Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit brauche ich, glaube ich, in diesem Rahmen nicht zu referieren, weil jedem der anwesenden Bundesräte bewußt ist, daß sie als Unterstützung zum bodengebundenen, bodenstationierten Notrettungsystem in Österreich sehr wichtig ist.

Mein Ziel ist es, mit verschiedenen Maßnahmen zu erreichen, daß das Defizit deutlich verringert wird. Im wesentlichen sind es drei Maßnahmen:

Erstens: Gewisse Zahler, beispielsweise der Hauptverband oder die AUVA, sollen mehr in den Topf einzahlen, als das bisher der Fall gewesen ist.

Zweitens: Vorsichtige Verbesserungs- und Rationalisierungsmaßnahmen sollen durchgeführt werden.

Drittens: Die Länder sollen stärker als bisher zu diesem System beitragen. Die Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern verlaufen ausgezeichnet.

Wir haben auch ein eigenes Rettungswesengesetz in Begutachtung gegeben, das gewährleisten soll, daß der Bund unter Umständen – so wie der ÖAMTC – auch Privaten etwas verrechnen kann.

Ich gehe davon aus, daß dann, wenn all diese Dinge eintreffen, die Flugrettung auch in den nächsten Jahren in der jetzigen Form gesichert ist.

Präsident Dr. Günther Hummer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Gibt es Vorgaben für ein Versicherungsmodell bei zum Beispiel privater Inanspruchnahme des Flugrettungsdienstes?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Wir haben versucht, ein System zu finden, das gewährleistet, daß überall dort, wo es private Versicherungen gibt, wenn also jemand, der gerettet worden ist, so eine private Versicherung hat, der Bund die Möglichkeit hat, eine Kostenvorschreibung zu machen. Derzeit ist das aufgrund der Rechtslage für den Bund nicht möglich, für private Anbieter wie beispielsweise den ÖAMTC jedoch schon.

Ich glaube, daß eine Änderung in dieser Richtung, wenn es eine private Versicherung gibt, sinnvoll und notwendig ist. Private Versicherungen gibt es in vielen Formen – Sie wissen, daß das eine Reihe von Vereinen bereits als Leistung anbietet, ohne daß sie dann gezwungen werden, die entsprechende Leistung umzusetzen. Daher ist dieses Gesetz sehr wichtig, und ich hoffe, daß es in den nächsten Wochen im Parlament beschlossen werden wird.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke. – Herr Bundesrat Anton Hüttmayr, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Sie haben von Gesprächen mit den Ländern und der AUVA gesprochen. Können Sie schon signalisieren, ob diese zufriedenstellend sein werden, und ob das, was Sie sich als Zielsetzung vorgegeben und vorhin gesagt haben, erreicht werden kann?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Die Gespräche mit den Ländern verlaufen sehr zufriedenstellend. Es hat ja vor einem Jahr noch die Überlegung gegeben, daß der Bund aus seinen Verpflichtungen aussteigt und die Artikel-15a-Verträge kündigt; diese Absicht habe


Bundesrat
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631. Sitzung / Seite 11

ich nicht. Ich meine, daß das jetzige System beibehalten werden soll. Die Länder sind bereit, zumindest teilweise eine zusätzliche finanzielle Unterstützung zu geben. Unser Ziel ist es natürlich, zu erreichen, daß Bund und Länder finanziell möglichst nicht belastet werden, sondern daß man vom Hauptverband zusätzliche Geldmittel bekommt, über die privaten Versicherungen beziehungsweise die AUVA.

Es finden derzeit laufend Gespräche statt, und ich gehe davon aus, daß sie bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein werden.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke schön.

Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet:

797/M-BR/97

Wie genau soll die von Ihnen angekündigte generelle Reform der Schubhaft aussehen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Reform der Schubhaft wird in den nächsten Wochen für mich ein sehr wichtiges Anliegen sein, und zwar aus verschiedenen Gründen:

Erstens, weil wir nach wie vor zuwenig Schubhaftplätze in Österreich haben und weil es auch aufgrund der stärkeren Kontrolle der Außengrenzen notwendig und wichtig ist, zusätzliche Schubhaftplätze anzubieten. Zweitens, weil es sinnvoll und gut ist, daß man danach trachtet, einen regionalen Ausgleich zu finden und den "Tourismus" von Schubhäftlingen kreuz und quer durch Österreich möglichst zu vermeiden. Drittens ist es notwendig und wichtig, daß es uns schrittweise zumindest gelingt, Schubhäftlinge von Verwaltungshäftlingen zu trennen und nicht in denselben Gebäuden unterzubringen. Und viertens glaube ich, daß es auch notwendig und wichtig ist, Schubhäftlinge in sozialer, in rechtlicher und auch in humanitärer Hinsicht besser zu betreuen, als das bisher der Fall ist, und deshalb möchte ich einen Modellversuch, der in Oberösterreich sehr gut angelaufen ist, ab nächstem Jahr auf ganz Österreich ausdehnen.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke schön. Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Wie wollen Sie die von Ihnen angekündigte notwendige Anzahl der Schubhaftplätze vor allem auch in den Bundesländern sicherstellen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Erstens möchte ich diese durch zusätzliche Adaptierungs- und Baumaßnahmen sicherstellen. In Vorarlberg, in Bludenz, finden derzeit bereits diese Arbeiten statt. Es werden 25 zusätzliche Schubhaftplätze geschaffen. Ich gehe davon aus, daß das mit Anfang 1998 fertiggestellt ist. In Salzburg wollen wir aufstocken. Da hoffen wir, daß wir zusätzlich an die 50 Schubhaftplätze bekommen, wobei die Arbeiten noch nicht begonnen worden sind, aber die Planungsphase bereits abgeschlossen ist. Und drittens wird überlegt, eine eigene Schubhaftanstalt in Niederösterreich zu installieren und zu errichten, wobei ich gleich dazusagen möchte, das wird auf keinen Fall ein "Containerdorf" sein, wie es irrtümlicherweise in manchen Zeitungsberichten dargelegt worden ist, sondern wenn, dann soll das ein ordentliches Bauwerk sein, mit dem Ziel, entsprechende Haftbedingungen für Schubhäftlinge zu schaffen. Ich gehe davon aus, daß so eine zusätzliche Schubhaftanstalt im Osten Österreichs dringend notwendig ist.

Präsident Dr. Günther Hummer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr


Bundesrat
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631. Sitzung / Seite 12

Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Herr Bundesminister! Sie haben in Ihren Ausführungen bereits zum Teil dargestellt, daß die Schubhäftlinge insofern ihrem Namen alle Ehre machen, als sie innerhalb von Österreich noch sehr intensiv "verschoben" werden, vom Burgenland nach Tirol und von Schwechat nach Graz, und Sie haben selbst auch erklärt, daß Sie diesen Zustand für nicht sinnvoll halten. Welche Maßnahmen wollen Sie setzen, um diesen Umstand zu ändern?

Präsident Dr. Günther Hummer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Im wesentlichen sind es zwei Maßnahmen: erstens die Maßnahme, die ich bereits ausgeführt habe, daß zusätzliche Haftplätze errichtet werden, und zweitens werden wir in diesen Tagen ein zentrales Schubhaftmanagement im Innenministerium einrichten, ein "rotes Telefon" – unter Anführungszeichen –, wo jeden Tag die freie Anzahl der Schubhaftplätze dem Innenministerium gemeldet werden muß, und eigens dafür zuständige Personen, die nur für das verantwortlich sind, nehmen dann die Koordinierung der Zuweisung der Schubhäftlinge in den einzelnen Teilen Österreichs vor. Davon erwarte ich mir, daß es zu einer wirkungsvollen Entlastung der örtlichen Gendarmerie und Polizei kommt und daß dieser "Tourismus" kreuz und quer durch Österreich so weit als möglich verhindert wird.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke.

Herr Bundesrat Johann Payer, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Vielleicht etwas Grundsätzliches zur Schubhaft: Aus welchen Gründen und wie lange werden Personen in Schubhaft genommen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Die Gründe sind unterschiedlich. In der Regel werden Personen dann in Schubhaft genommen, wenn sie sich in Österreich illegal aufhalten, keine Aufenthaltsbewilligung haben und deshalb abgeschoben werden müssen. Wie lange, das hängt natürlich vom Fall ab und ist verschieden. Die durchschnittliche Besetzung von Schubhäftlingen beträgt derzeit rund 580 bis 600 Personen pro Tag. Wir haben rund an die 1 000 Schubhaftplätze insgesamt zur Verfügung, und die durchschnittliche Verweildauer eines Schubhäftlings beträgt rund 20 Tage.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke schön.

Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Anton Hüttmayr, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

792/M-BR/97

Welche Auswirkungen werden die im Rahmen der Budgetbegleitgesetze vorgesehenen Änderungen des Zivildienstgesetzes haben?

Präsident Dr. Günther Hummer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Es geht im wesentlichen darum, daß wir sehr viele Zivildienstträgerorganisationen haben und diese Zivildienstträgerorganisationen einen immer größeren Bedarf an Zivildienern anmelden. Gleichzeitig ist es so, daß die Entwicklung im Bereich der Zivildiener in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist. Hatten wir noch vor einigen Jahren an die 14 000 Zivildiener, die anerkannt worden sind, so ist deren Zahl im heurigen Jahr wahrscheinlich auf 6 500 zurückgegangen. Gleichzeitig ist aber die Be


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darfsanmeldung gewaltig gestiegen. Ich glaube, alleine im heurigen Jahr haben die Organisationen einen Bedarf von an die 9 000 angemeldet.

Deshalb muß man versuchen, möglichst allen Organisationen Zivildiener zuzuteilen, und da gibt es meiner Meinung nach eine Ungerechtigkeit, nämlich daß die einzelnen Organisationen ungleich behandelt werden. Es gibt Organisationen, die für einen Zivildiener bis zu 7 000 S pro Monat an Kostenersatz an das Innenministerium zahlen, und andere Zivildienstträgerorganisationen bezahlen überhaupt nichts. Das sind vor allem die "Blaulichtorganisationen", also Rotes Kreuz, Feuerwehr und ähnliche Organisationen. Ziel ist es, daß auch diese Organisationen einen Mindestbeitrag zu bezahlen haben. In der ursprünglichen Begutachtung war von 2 700 S als Mindestbeitrag die Rede und von Inkraftsetzung mit 1. 1. 1998. In der Zwischenzeit hat es eine Reihe von Gesprächen gegeben, weil das natürlich eine zusätzliche Belastung für diese Organisationen bedeuten würde, und wir haben jetzt den Inkraftsetzungszeitpunkt auf 1. 1. 1999 verschoben, damit hier noch die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden, und der Geldbetrag in der Höhe von 2 700 S ist auch deutlich reduziert worden.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Sie haben gerade von den Rettungsorganisationen gesprochen, und wir wissen – Sie sicher auch –, wie wichtig diese Zivildiener für diese Organisationen, für das Aufrechterhalten dieser Organisationen sind. Wenn jetzt wirklich die Beiträge zu zahlen sind, dann wird man erstens klären müssen, wo diese Organisationen diese Beiträge aufbringen können, und zweitens, wie man angesichts dieser Maßnahme sicherstellen kann, daß diese Organisationen ihre Aufgabe erfüllen können.

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! So wie viele hier im Raum bin auch ich Mitarbeiter und Funktionär von zwei Rettungsorganisationen. Ich bin mir deshalb auch der finanziellen Probleme bewußt, weiß aber auch – ich bin im Hauptausschuß von einer politischen Partei nicht zu Unrecht auch darauf hingewiesen worden bin –, daß die Rettungsorganisationen auch schon viele Aufgaben übernommen haben, die früher Private übernommen haben, Taxi und so weiter, daß in diesen Bereichen auch eine relativ gute Verdienstmöglichkeit vorhanden ist und daß sie erst die Zivildiener in die Lage versetzt haben, diese Arbeiten auch zu übernehmen. Daher muß man schauen, daß man hier einen vernünftigen Ausgleich findet.

Ich möchte es mir jetzt nicht so leicht machen und sagen, gerade im Bundesrat nicht, da sollen halt die Länder und Gemeinden einspringen, wobei zu sagen ist, daß das natürlich unter Umständen auch eine Möglichkeit wäre, falls es wirklich zu allzu großen Härten kommt. Mein Ziel ist es, hier einen Betrag zu finden, der deutlich dokumentiert, daß auch diese Organisationen für einen Zivildiener eine kleine Entschädigung zu zahlen haben, aber daß das solch ein Betrag ist, der finanziell bewältigbar und verkraftbar ist.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Erhard Meier. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Herr Minister! Welche Änderungen sind in der Novelle zum Zivildienstgesetz noch vorgesehen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Außer dieser Kostenfrage ist eine zweite Änderung vorgesehen. Da geht es um den Einsatz von Zivildienern im Auslandsdienst, und hier hat es in der letzten Zeit eine Reihe von Problemen gegeben. Das eine Problem war – was ein Teil von Ihnen wahrscheinlich wissen wird – die Frage des Vereines Gedenkdienst; innerhalb dieses Vereines ist es zu größeren personellen Debatten und Problemen gekommen. Und hier soll gewährleistet sein, daß es in Zukunft zu einer besseren Kontrolle dieser Vereine kommt.


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Darüber hinaus soll auch kontrolliert werden, wenn Zivildiener im Auslandseinsatz tätig sind, daß sie auch im Sinne des Gesetzes und nicht für Projekte eingesetzt werden, die vielleicht demokratiepolitisch ganz interessant sind, aber mit der Ableistung des Zivildienstes kaum in einem Zusammenhang stehen.


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Präsident Dr. Günther Hummer:
Danke. – Frau Bundesrätin Helga Moser, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Helga Moser (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Die Anzahl der Zivildiensterklärungen und eine verlängerte Dienstzeit belasten das Budget und erschweren die Einberufung. Schon in der Vergangenheit hat es Wartezeiten auf Zuweisung zwischen eineinhalb und zwei Jahren gegeben. Meine Frage lautet daher: Welche Gefahren und Risiken sehen Sie angesichts dieser Situation für die künftige Einberufbarkeit von Zivildienern?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich glaube, daß die Entwicklung gerade gegenteilig sein wird, nämlich daß wir bereits im heurigen Jahr garantieren können, daß keiner, der um einen Zivildienst ansucht, länger als ein Jahr vom Termin des Ansuchens bis zum Antritt des Zivildienstes warten muß. Und das wird in den nächsten Jahren noch besser werden, weil die Anzahl der Zivildiener immer geringer und die Zahl der Zivildienstplätze immer höher wird, sodaß auch ein größerer Bedarf gegeben sein wird. Deshalb gehe ich davon aus, daß es dieses Problem in der Zukunft nicht geben wird, sondern der Zivildiener wird innerhalb relativ kurzer Zeit, wenn er es will, die Möglichkeit haben, seinen Zivildienst auch tatsächlich anzutreten.

Natürlich gibt es eine Reihe von Zivildienern, die wegen ihres Studiums oder anderer Gründe den Wunsch haben, den Zivildienst aufzuschieben, und das ist natürlich auch möglich.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke schön.

Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Erhard Meier, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

801/M-BR/97

Wie wirkt sich die Bestimmung des Waffengesetzes 1996 aus, wonach in der Kategorie C die sogenannten meldepflichtigen Waffen normiert sind?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Das Waffengesetz ist mit 1. Juli 1997 in Kraft getreten, und es gibt erstmals die sogenannte Kategorie C, das sind die meldepflichtigen Schußwaffen. Darunter fallen vor allem Langwaffen – also Waffen mit einem sogenannten gezogenen Lauf –, und gemäß des Waffengesetzes ist der Erwerb einer solchen Schußwaffe beim Waffenhändler zu melden, und der Waffenhändler hat darüber auch – unter Anführungszeichen – "Protokoll" zu führen.

Ich kann Ihnen jetzt noch keine genauen Zahlen sagen, wie viele meldepflichtige Waffen nun gemeldet sind – vor allem deswegen, weil dieses Gesetz erst knappe vier Monate in Kraft ist und deshalb die Meldungen noch sehr spärlich sind. Ich glaube, daß erst in einem Jahr darüber tatsächlich befriedigend Antwort gegeben werden kann.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Hat sich der seit 1. Juli 1997 bei Ansuchen um einen Waffenpaß oder eine Waffenbesitzkarte beizubringende Psychotest bewährt? Oder ist auch hier die Zeit zu kurz, um da schon etwas sagen zu können?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Also von meinem Verständnis her hat er sich bewährt, was die bisherigen Zahlen andeuten. Wir haben jetzt von den ersten drei Monaten folgende Zahlen bekommen: Pro Monat machen zirka 100 bis 120 Menschen diesen Psychotest, davon fallen rund 25 Prozent beim ersten Antreten durch. Das heißt, sie werden als nicht geeignet eingestuft, einen Waffenpaß oder eine Waffenbesitzkarte ausgestellt zu bekommen.

Es gibt dann die Möglichkeit, ein zweites Mal anzutreten. Beim zweiten Mal besteht ungefähr die Hälfte diesen Waffen-Psychotest, sodaß ich davon ausgehen kann, daß rund 10 Prozent der Menschen, die um eine Waffenbesitzkarte beziehungsweise um einen Waffenpaß ansuchen, als nicht geeignet eingestuft werden. Ich glaube, daß das unter Umständen schon dazu beitragen kann, daß wir uns ein wenig sicherer fühlen können.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke schön. – Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Das Waffenverkehrsgesetz, im Volksmund auch "Kriminalitätsförderungsgesetz" genannt, hat einige Tücken. Ist nicht davon auszugehen, daß, wenn der Bevölkerung der legale Erwerb von Waffen erschwert wird, damit Verbrechern Vorschub geleistet wird, weil sie damit rechnen können, daß sich das Verbrechensopfer überhaupt nicht wehren kann?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Darüber können wir sehr lange diskutieren. Ich möchte gleich vorweg sagen: Ich möchte Ihr Argument nicht vom Tisch wischen, ich glaube, es ist natürlich richtig: Je schwerer der Zugang zum Erwerb einer Waffe ist, desto größer ist die Gefahr, daß vor allem von Kriminellen versucht wird, Waffen illegal zu erwerben. Ich möchte aber gleich dazusagen, daß wir andererseits wieder nicht der Illusion verfallen dürfen, zu glauben, daß eine Waffe im Haus unbedingt mehr Sicherheit bedeutet. All die empirischen Untersuchungen, die wir gemacht haben, zeigen sehr deutlich, daß eine Waffe in Privathaushalten allzuoft mehr Unsicherheit bedeuten kann. – Und da meine ich nicht nur diese tragischen Fälle aus der letzten Zeit, die wir alle kennen, sondern da gibt es auch eine Reihe von anderen Dingen.

Unsere Untersuchungen zeigen, daß ein Hund, daß eine gute Alarmanlage und der Versuch, in Zusammenarbeit mit dem kriminalpolizeilichen Beratungsdienst Maßnahmen zu setzen, um sein Haus, seine Wohnung einbruchssicher zu machen, bedeutend mehr Schutz bieten als eine Waffe. Und ein Pfefferspray in der Handtasche oder im Sakko eingesteckt kostet bedeutend weniger als eine Waffe und ist viel sicherer als eine Waffe selbst.

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gottfried Jaud. – Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Herr Bundesminister! Dem Vernehmen nach soll das Waffengesetz verschärft werden. Fürchten Sie nicht, daß durch diese Verschärfung die Bereitschaft, Waffen der Kategorie C zu melden, unter Umständen beeinträchtigt wird?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Nein, Herr Bundesrat, ich fürchte das nicht. Ich gehe davon aus, daß es zu einer Diskussion über eine mögliche Verschärfung des Waffengesetzes in den nächsten Wochen im Innenausschuß des Parlaments und irgendwann auch, so hoffe ich, im Bundesrat kommen wird. Wenn es zu dieser Verschärfung kommt, dann ist vor allem mein Ziel, daß erstens die Aufbewahrung von Waffen stärker als bisher und auch regelmäßig kontrolliert wird, daß zweitens unter dem Schlagwort "Waffenführerschein" auch eine Art Test für die Handhabung von Waffen verlangt wird. Es ist einfach ein Unterschied, ob ich ein


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Luftdruckgewehr handhabe, ob ich ein Schrotgewehr handhabe oder eine Pistole oder einen Revolver handhabe. Und drittens ist es natürlich auch mein Ziel, daß der Zugang zum Erwerb einer Waffe verschärft wird. Und da wird es sicher umfangreiche Diskussionen geben, ich glaube aber nicht, daß darunter die Meldepflicht leiden wird.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir gelangen nunmehr zur 6. Frage an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Milan Linzer, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

793/M-BR/97

Was erwarten Sie sich aus polizeilicher Sicht von der durch den Vertrag von Amsterdam vorgesehenen Einbeziehung von Schengen in den Bereich der Dritten Säule des Europäischen Vertrages?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich könnte die Frage sehr kurz beantworten, indem ich zum Beispiel sagen würde, daß ich mir vor allem eine Verbesserung der polizeilichen Zusammenarbeit vorstelle. Ich glaube, daß das Vertragswerk von Schengen ein sehr gutes ist. Es gewährleistet, daß es zu einer sehr guten – wenn auch erst beginnenden – Kooperation oder Zusammenarbeit zwischen den Exekutivkräften, den Polizeikräften in Europa gekommen ist. Mein Ziel ist es, diese Zusammenarbeit noch weiter zu vertiefen und zu verbessern. Ich glaube, daß dafür Institutionen wie Europol sehr wichtig und notwendig sind. Derzeit ist noch nicht einmal eine sehr gute Informationszusammenarbeit gegeben. Unser erstes Ziel muß sein, diese Informationszusammenarbeit auf ein sehr hohes Niveau zu bringen. Wenn das auf guten Beinen steht, dann sollte es meiner Meinung nach auch eine viel bessere operative Zusammenarbeit geben.

Die Einbeziehung von Schengen in den Vertrag von Amsterdam, in den Bereich der Dritten Säule, ist sehr notwendig und wichtig. Ich bedauere, daß Großbritannien und Irland nicht dabei sind, gehe aber davon aus, daß das zu gegebener Zeit vielleicht doch noch der Fall sein wird.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Herr Bundesminister. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Bundesminister! Die Bundesrepublik Deutschland hat in der Vergangenheit immer wieder versucht, Österreich mit Anschuldigungen, wonach illegale Ein- und Durchwanderer, von Italien kommend, bei uns zu wenig ins Auge gefaßt, zu wenig sozusagen beamtshandelt würden, zu belasten. Sind diese Anschuldigungen mittlerweile entkräftet? Wie ist derzeit die Situation an der italienisch-österreichischen Grenze einschließlich der benachbarten slowenischen Grenze, weil sich auch dort ein gewisser Korridor entwickelt hat?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Es ist eine Tatsache, daß wir von 1995 auf 1996 eine deutliche Zunahme der Zahl der Aufgriffe von illegalen Grenzgängern hatten und auch im heurigen Jahr gegenüber dem Vorjahr eine deutliche Zunahme von fast 45 Prozent festzustellen ist. Das zeigt deutlich, daß unsere Grenzsicherung besser geworden ist. Sie ist aber noch nicht so, daß ich behaupten kann, sie sei lückenlos. Aber eine lückenlose Grenzsicherung haben auch Staaten wie zum Beispiel die Bundesrepublik Deutschland nicht, obwohl dort seit vielen Jahren eine sehr wirkungsvolle Grenzkontrolle aufgebaut wurde.

Eines möchte ich auch klarstellen: Es ist nicht so, daß es die illegale Einwanderung etwa nur aus dem Osten Europas gibt, sondern es gibt sie auch aus dem Westen Europas. So kommen


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beispielsweise 9 Prozent aller illegalen Grenzgänger über Deutschland nach Österreich, und aus Italien kommen ungefähr 5 oder 6 Prozent der illegalen Einwanderer.

Jeder, der als illegaler Einwanderer an der Grenze festgenommen wird, wird auch befragt, welches sein Zielland ist, wohin er ursprünglich reisen wollte. Dabei stellen wir fest, daß nicht nur Deutschland das Zielland für illegal Einreisende ist, sondern daß das primäre Zielland bereits Österreich geworden ist.

Im ersten Halbjahr 1997 haben 27 Prozent aller Aufgegriffenen angegeben, daß sie in Österreich bleiben wollten, 25 Prozent haben gesagt, sie wollten nach Deutschland, und an dritter Stelle wurde dann von 14 oder 15 Prozent Italien genannt. Das zeigt, daß Österreich bereits das Zielland Nummer eins geworden ist. Darum ist es so wichtig und notwendig, darauf zu achten, daß die illegale Einwanderung so weit wie möglich reduziert wird.

Präsident Dr. Günther Hummer: Weitere Zusatzfragen? – Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Irene Crepaz. – Bitte.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Bundesminister! Zurück zu Schengen: Mich würde interessieren, was Sie als Schengen-Vorsitzender im Hinblick auf die Integration bisher veranlaßt haben. Da ich aus Tirol komme, interessiert mich das besonders auch im Hinblick auf unsere Nachbarländer.

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl:
Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Was hat Österreich als Vorsitzland bisher getan? – Wir haben zunächst versucht, eine klare Aufgabenteilung vorzunehmen. Wir haben das gesamte Regelwerk, das es im Schengener Vertrag gibt, aufgelistet und an die Europäische Union geschickt – mit dem Ziel, daß dieses Regelwerk von Schengen mit dem Regelwerk der Europäischen Union verglichen und in dieses eingearbeitet wird.

Wir haben uns darüber hinaus bemüht, in einer Reihe von Ratsarbeitsgruppen eine engere Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Schengen zu erreichen.

Drittens haben wir bei der letzten Exekutivausschußsitzung vereinbart, daß das Generalsekretariat von Schengen und das Ratssekretariat der Europäischen Union wechselweise an den Sitzungen des jeweils anderen Sekretariats teilnimmt, um einen Austausch zu erreichen.

Viertens ist es natürlich auch unser Ziel, zu erreichen, daß die 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch die 15 Mitgliedstaaten von Schengen sind. Derzeit ist es so, daß Großbritannien und Irland nicht Mitglied von Schengen sind und daß die nordeuropäischen Staaten Dänemark, Schweden und Finnland zwar beigezogene Mitgliedstaaten sind, aber den Vertrag noch nicht in Kraft gesetzt haben. Unser Ziel ist es, möglichst bald zu erreichen, daß alle Staaten, die Mitglied der Europäischen Union sind, auch Mitglied von Schengen werden.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Herr Bundesminister. – Zusatzfrage: Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Das polizeiliche Instrument der Nacheile wurde im Schengener Vertrag fundiert. Es wurde mit den einzelnen Staaten – unter anderem auch mit Italien – abverhandelt, wobei Italien diese Nacheile von österreichischer Seite aus nur beschränkt zur Kenntnis genommen hat. Herr Bundesminister! Sie haben in Ihrer ersten Antwort zu dieser Frage gesagt, Sie erwarten sich eine Verbesserung der polizeilichen Zusammenarbeit. – Findet diese Definition auch Anwendung auf die Zusammenarbeit mit Italien, vor allem auch im Bereich des Instrumentes der Nacheile? Hat das diese Wirkung? Haben die Italiener ihren Standpunkt geändert? Verhalten sie sich so wie die anderen Nachbarländer beziehungsweise die Schengener Mitgliedsländer?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Darüber sind wir in Diskussion. Wir haben vor einigen Tagen ein neues Schubabkommen mit Italien unterzeichnet. Dieses neue Schubabkommen soll garantieren, daß all jene, die von Italien kommend illegal in unser Bundesgebiet einreisen, von den italienischen Behörden auch wieder zurückgenommen werden. Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall, was zu großen Problemen geführt hat.

Im Rahmen der Unterzeichnung dieses Schubabkommens wurde auch vereinbart, daß es sobald wie möglich, auf jeden Fall noch in diesem Jahr, zu einem neuen Vertragswerk zur polizeilichen Kooperation kommen soll. Dabei soll gewährleistet sein, daß dieselben Bedingungen, die zwischen Österreich und Deutschland gelten, auch zwischen Österreich und Italien angewendet werden. Ich gehe davon aus, daß die Italiener unseren Vorstellungen folgen werden.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke schön, Herr Bundesminister.

Wir gelangen nunmehr zur 7. Frage an den Herrn Bundesminister für Inneres.

Ich bitte die Fragestellerin, Frau Bundesrätin Johanna Schicker, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

802/M-BR/97

Welche Maßnahmen wurden zur Integration und Reintegration von bosnischen Kriegsvertriebenen gesetzt?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Es wurden sehr viele Maßnahmen gesetzt. Ich möchte eingangs nur einmal darauf hinweisen, daß Österreich, gemessen an seiner Bevölkerungszahl und Bevölkerungsdichte, von allen Staaten Europas wahrscheinlich am meisten für die Integration beziehungsweise die Reintegration von bosnischen Kriegsflüchtlingen in Bosnien getan hat.

Wir hatten fast 95 000 bosnische Kriegsflüchtlinge im Land, davon sind mehr als 60 000 in Österreich integriert worden. Von diesen mehr als 60 000 haben über 32 000 eine Arbeitsbewilligung bekommen und sind damit in die Lage versetzt worden, ihren Familienangehörigen auch die entsprechende wirtschaftliche Absicherung zu geben. Wir haben ferner durch entsprechende Unterstützungsmaßnahmen rund 15 000 bosnischen Kriegsflüchtlingen die Möglichkeit gegeben, wieder in ihre Heimat zurückzukehren und dort eine neue Existenz aufzubauen.

In der Betreuung der Bund-Länder-Aktion sind derzeit noch zirka 6 200, 6 400 bosnische Kriegsflüchtlinge, die als schutzbedürftig eingestuft worden sind und die Möglichkeit haben, bis 31. Juli 1998 in Österreich zu bleiben. Bis dahin wollen wir für diese 6 200, 6 400 bosnischen Kriegsflüchtlinge – soferne sie nicht in ihre Heimat zurückkehren – eine endgültige Integrationslösung finden.

Präsident Dr. Günther Hummer: Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrätin Johanna Schicker (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Sie haben schon die Schutzbedürftigkeit angesprochen. Welche Kriterien wurden bei der Festlegung dieser Schutzbedürftigkeit angewendet? Und was stellt man sich für die Zeit nach dem Juli 1998 vor? Was wird mit diesen Menschen, die ja in erster Linie ältere und pflegebedürftige Menschen sind, geschehen? Wie wird deren Zukunft ausschauen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die Kriterien für die Schutzbedürftigkeit haben wir sehr breit definiert. Wir haben sehr bewußt versucht, allen Menschen, die in irgendeiner Form Schutz und Hilfe brauchten, diese auch zu geben.


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Was verstehen wir unter schutzbedürftig? – Schutzbedürftig ist für uns ein Mensch dann, wenn er aus einem Ort in Bosnien kommt, wo er in der ethnischen Minderheit wäre. Schutzbedürftig sind alte Menschen ohne eigenen Lebensunterhalt. Schutzbedürftig sind schwerkranke und traumatisierte Personen in medizinischer Behandlung. Schutzbedürftig sind gemischt ethnische Familien. Schutzbedürftig sind Lehrlinge, Schüler berufsbildender Schulen und Studenten für die Dauer ihrer Ausbildung; und wenn sie in dieser Ausbildung und minderjährig sind, gilt die Schutzbedürftigkeit automatisch auch für deren Familienmitglieder.

Das heißt, unser Katalog der Schutzbedürftigkeit ist nahezu identisch mit jenem Katalog, der vom UNHCR aufgestellt worden ist. Nach anfänglicher Polemik ist diese Haltung der österreichischen Bundesregierung auch von allen Organisationen unterstützt und geschätzt worden, und es hat sich gezeigt, daß all das, was für Ende August von manchen politischen Parteien drohend an die Wand gemalt worden ist, wie etwa, daß es Tausende bosnische Kriegsflüchtlinge geben würde, die zwangsabgeschoben würden, daß es Panikaktionen und Panikreaktionen der Abgeschobenen geben würde, nicht eingetreten ist. Es ist niemand zwangsabgeschoben worden. Wir haben im Gegenteil sehr viel dafür getan, daß die Menschen, die wieder in ihre Heimat zurückkehren, auch die notwendigen Startvoraussetzungen haben.

Was geschieht bis 31. Juli 1998? – Ich möchte, daß möglichst viele dieser 6 400 Kriegsflüchtlinge, die die Chance haben, wieder zurückzukehren, auch tatsächlich zurückkehren können. Sie werden deshalb von uns auch weitere Unterstützung erhalten.

Wir werden auch in Bosnien sinnvolle Projekte – die Betonung liegt auf dem Wort "sinnvoll" – unterstützen, zum Beispiel das sogenannte Una-Sana-Projekt. Dieses Projekt hat zum Ziel, in Bosnien ein Altersheim aufzubauen beziehungsweise die entsprechenden Einrichtungen zu schaffen, damit auch ältere Menschen die Möglichkeit haben, wieder in ihre Heimat zurückzukehren.

Nach diesen Maßnahmen werden uns einige wenige tausend Flüchtlinge übrigbleiben, aber ich meine, daß ein Land wie Österreich, das in den letzten Jahren mehr als 60 000 bosnische Kriegsflüchtlinge integriert hat, die Möglichkeit haben wird, diese wenigen tausend Menschen – es sind höchstens 3 000 bis 4 000 – auch noch zu integrieren. Die notwendigen Voraussetzungen dafür sind gegeben.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Herr Bundesminister.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben vorhin die Zahl jener Personen genannt, die sich als Kriegsflüchtlinge oder Kriegsvertriebene derzeit noch in der sogenannten Bundesbetreuung befinden. Meine Frage wäre, ob und inwieweit diese in der Bundesbetreuung befindlichen Personen auch auf die Ausländerquoten für die Aufenthaltsbewilligung beziehungsweise, soferne sie Arbeitsgenehmigungen erhalten haben, auf diese Quoten angerechnet werden.

Hinsichtlich der Reintegration in deren Heimat möchte ich fragen, was die Gründe dafür sind, daß die Kooperation mit den bosnischen Stellen an Ort und Stelle nicht besser funktioniert, wieso nicht mehr Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren können, beziehungsweise was Österreich unternimmt, damit die internationalen Hilfsgelder nicht versickern, sondern dorthin kommen, wo sie für die sinnvollen Projekte gebraucht werden.

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Das war nicht nur eine Zusatzfrage, sondern das waren gleich mehrere Zusatzfragen, aber ich möchte mich trotzdem nicht davor drücken, sondern versuchen, darauf einzugehen.

Zur ersten Frage. Wenn jemand eine Arbeitsgenehmigung hat, dann ist es sinnvoll, daß er auch einen Quotenplatz bekommt. Das findet in der neuen Ausländerquote für das Jahr 1998 auch


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entsprechende Berücksichtigung. Darüber hinaus gibt es eine Reihe – ich schätze, es sind zirka 2 000 bis 2 500 – bosnischer Kriegsflüchtlinge, die zwar eine Arbeitsbewilligung haben, aber in den Verlust ihrer Aufenthaltsbewilligung geraten, weil sie nicht mehr der Definition des § 12 entsprechen. Diesbezüglich beabsichtige ich eine gesetzliche Veränderung. Ein entsprechender Entwurf ist gestern bereits in Begutachtung gegangen.

Die zweite Frage, die mir sehr wichtig erscheint, lautet: Wie kann man kontrollieren, daß dieses Geld, das von uns für bestimmte Projekte vorgesehen ist, auch tatsächlich sinnvoll verwendet wird? – Dazu kann ich sagen: Wir haben in Bosnien, in Sarajewo, einen eigenen Beauftragten des Innenministeriums, der die Aufgabe hat, dies zu kontrollieren. Darüber hinaus kooperieren wir mit verschiedenen Organisationen, wie der Caritas, der Volkshilfe, der katholischen Kirche und zahlreichen anderen. Diese Organisationen bekommen für bestimmte Projekte Mittel, deren Verwendung ebenfalls sehr genau kontrolliert wird. Das wird auch vor Ort von den Organisationen selbst kontrolliert.

Das Una-Sana-Projekt ist ein Projekt, das wir gemeinsam mit der Europäischen Union betreiben und bei dem ich auch davon ausgehe, daß ein Mißbrauch soweit wie möglich ausgeschlossen ist.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Herr Bundesminister.

Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Mag. Wilfing. – Bitte.

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Sie haben angesprochen, daß es trotz der vielen Integrationsmaßnahmen und der Heimkehrhilfen für bosnische Kriegsvertriebene eine bestimmte Anzahl an Kriegsvertriebenen geben kann, die auch dann, wenn die Bundesbetreuung ausgelaufen sein wird, noch immer im Land und nicht integriert sein werden und daß es Maßnahmen geben muß, um diese Menschen zu integrieren. Welche konkreten Maßnahmen sind von Ihrer Seite geplant, um diese Integration dann vonstatten gehen zu lassen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe soeben die genaue Zahl der derzeit in Bundesbetreuung befindlichen bosnischen Kriegsvertriebenen erhalten. Per 1. Oktober 1997 waren es 6 388 Menschen, die noch in der gemeinsamen Aktion sind.

Herr Bundesrat! Ich sehe das Problem auf drei Ebenen. Erstens muß man sich natürlich darum bemühen, daß möglichst viele von diesen Menschen die Chance bekommen, in ihre Heimat zurückzukehren. Da gehe ich davon aus, daß wir diese Betreuungsaktion, die Unterstützungsgelder und ähnliches auch im nächsten Jahr fortsetzen und anbieten werden.

Die zweite Maßnahme ist die, daß diejenigen Menschen, deren Eingliederung in den Arbeitsprozeß möglich ist, diese Eingliederungsmöglichkeit auch bekommen müssen. Diesbezüglich sind wir in gutem Kontakt mit dem Sozialministerium und versuchen, möglichst vielen arbeitsfähigen Bosniern die Möglichkeit zu geben, Arbeit zu finden und auch die Arbeitsbewilligung zu bekommen.

Drittens wird es einige wenige geben, die krank oder alt sind, und für diese Menschen muß man eine dauernde Aufenthaltsbewilligung in Österreich schaffen, und sie werden in der einen oder anderen Form ohne Zweifel von uns weiter unterstützt werden müssen. Da muß es eine gemeinsame Maßnahme der neun Bundesländer und des Bundes geben.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke, Herr Bundesminister.

Wir gelangen nunmehr zur 8. Frage an den Herrn Bundesminister für Inneres.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau


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Bundesrätin Monika Mühlwerth, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Lauschangriff und Rasterfahndung sind mittlerweile beschlossen worden. Ich hätte daher gerne folgendes gewußt:

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Wie wird die Sondereinheit zur Durchführung von Lauschangriffen eingerichtet?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl:
Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die Rasterfahndung ist gesetzlich mit 1. Oktober 1997 möglich geworden, der Lauschangriff wird mit 1. Juli 1998 möglich werden. Deshalb habe ich den Auftrag gegeben, daß vom Innenministerium mit den Vorbereitungsarbeiten für die Durchführung von Lauschangriffen und Rasterfahndung begonnen wird.

Wir haben vor, eine Art Sondereinheit zu bilden, eine kleine, überschaubare Sondereinheit, die zwischen 25 und 30 Personen umfassen wird; wahrscheinlich werden es 27 sein. Geplant ist, diese Sondereinheit in einem eigenen Gebäude im Bereich einer bewachten Kaserne des Innenministeriums unterzubringen. Die Sondereinheit soll auf dem neuesten Stand der Sicherheitstechnik ausgestattet werden, damit sie entsprechende Überwachungen wirkungsvoll durchführen kann.

Präsident Dr. Günther Hummer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Es ist schon oft kolportiert worden, daß diese Sondereinheit mit EBT-Leuten besetzt werden soll. Ich richte daher an Sie die Frage: Stimmt das? Wenn ja, aus welchen Gründen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Wenn man eine solche Sondereinheit aufstellt, ist es sinnvoll und notwendig, daß sie klein ist, damit der Geheimnisschutz soweit wie möglich garantiert werden kann und – falls es zu einem Bruch des Geheimnisschutzes kommt – leichter festzustellen ist, wer dafür verantwortlich ist.

Zweitens ist es sinnvoll und notwendig, daß man Bedienstete des Innenministeriums damit beauftragt, die das erforderliche Wissen und einschlägige Erfahrung mitbringen. Die Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus ist eine Einsatzgruppe, die sich sehr stark dafür anbietet, vor allem auch deshalb, weil im Rahmen der SOKO – der Sonderkommission zur Aufdeckung der Briefbombenkriminalität – umfangreiches Wissen erworben worden ist, das man vor allem in einem Bereich wie der Rasterfahndung einsetzen kann. Deshalb wird auf jeden Fall auch auf Mitglieder der EBT zurückgegriffen werden.

Präsident Dr. Günther Hummer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Franz Richau. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Sehr verehrter Herr Bundesminister! Ich anerkenne die vielen Leistungen im Rahmen von Sondereinheiten. Ich nehme aber auch zur Kenntnis, daß gestern mit Bezug auf Staatsanwalt Mekis leider die Sondereinheit EDOK in den Medien als Trottel- oder Trachtenverein hingestellt wurde. Das tut sehr weh, wenn man die Arbeit dieser Sondereinheiten und die Belastung der Beamten kennt.

Ich stelle daher die Frage: Durch welche Maßnahmen wollen Sie sicherstellen, daß der neuen Einheit in weit höherem Maß öffentliches Vertrauen entgegengebracht wird, als es gegenüber diesen Einheiten in letzter Zeit der Fall war?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Diese neue Einheit soll in der Bevölkerung vor allem dadurch Vertrauen genießen, daß man sich auf diese Einheit 100prozentig verlassen kann und dort der Geheimnisschutz tatsächlich gewährleistet ist. Denn es war eine der großen Ängste und Befürchtungen der Gegner dieser neuen Fahndungsmethoden, daß aus dem damit unter Umständen erworbenen Wissen politisches Kleingeld persönlicher oder anderer Art gemacht wird. Deshalb ist meiner Ansicht nach der Geheimnis- und Vertrauensschutz für diese Einheit sehr wichtig.

Zweitens ist es wichtig, daß diese Einheit über die bestmögliche technische Ausstattung verfügt, und drittens ist wichtig, daß diese Einheit bestmöglich ausgebildet wird. Beides, bestmögliche Ausbildung und bestmögliche technische Ausstattung, soll bis 1. Juli 1998 geschaffen werden. Wenn uns diese drei Vorhaben gelingen – Vertrauens- und Geheimnisschutz, gute Ausbildung sowie gute Technik –, dann wird meiner Überzeugung nach Kritik, wie Sie sie geäußert haben, kaum der Fall sein.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke. – Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! In welchen Fällen wird der sogenannte große Lauschangriff zur Anwendung kommen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Es ist vereinbart worden, daß sowohl Rasterfahndung als auch Lauschangriff in einem bestimmten Zeitraum – unter Anführungszeichen – "erprobt" werden und danach Nationalrat und Bundesrat endgültig entscheiden werden, ob diese neuen Fahndungsmethoden auch in Zukunft möglich sein werden oder nicht.

Der Lauschangriff darf nur in einigen wenigen Ermittlungsfällen eingesetzt werden: nur zur Bekämpfung schwerster Kriminalität, wenn konventionelle Methoden nicht zum Erfolg führen. Das heißt, es geht darum, das Aufkommen neuer Formen geplanter und organisierter Kriminalität soweit wie möglich zu verhindern und dem entgegenzutreten. Der Rechtslage nach darf der Lauschangriff nur dann eingesetzt werden, wenn es um die Aufklärung eines Verbrechens, das mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, oder um die Aufklärung eines Verbrechens im Rahmen der organisierten Kriminalität geht.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage, 794/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Leopold Steinbichler, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

794/M-BR/97

Welche Erfahrungen gibt es insbesondere mit der neueingeführten Verläßlichkeitsprüfung?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Ich habe diese Frage eigentlich schon im Zuge der vorangegangenen Diskussion beantwortet. Inzwischen habe ich meinen Unterlagen aber die genauen Zahlen entnehmen können und habe nun die Gelegenheit, Ihnen diese mitzuteilen.

Bisher wurden 267 Gutachten erstellt, von denen rund ein Viertel negativ ausgefallen ist. Neben dem Kuratorium für Verkehrssicherheit sind derzeit 57 unabhängige Psychologen in der vom Innenministerium erstellten Liste der Gutachter eingetragen. Bei nochmaligem Antreten hat die


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Hälfte derjenigen, die zunächst durchgefallen waren, die Prüfung bestanden. Daher kann ich meine Aussage von vorhin wiederholen: Von 267 Angetretenen haben rund 10 Prozent die Kriterien nicht erfüllt.


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Präsident Dr. Günther Hummer:
Danke.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Herr Minister! Wie werden Sie gewährleisten, daß die Verläßlichkeitsprüfung möglichst flächendeckend in ganz Österreich dezentral durchgeführt werden kann?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Durch zwei Maßnahmen: Erstens dadurch, daß es eine Liste von unabhängigen Psychologen gibt, die kreuz und quer über Österreich verteilt sind und zu denen jeder einzelne hingehen kann, um dort den Test zu machen. Zweitens hat das Kuratorium für Verkehrssicherheit eine Reihe von Außenstellen – die genaue Anzahl weiß ich jetzt nicht, ich glaube aber, es gibt sie nahezu in jeder Landeshauptstadt –, in denen es ebenfalls möglich ist, die Verläßlichkeitsprüfung dezentral abzulegen.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ernst Winter. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Gibt es im Rahmen der Verläßlichkeitsprüfung auch Überlegungen, die sichere Verwahrung genehmigungspflichtiger Schußwaffen zu überprüfen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Die sichere Verwahrung genehmigungspflichtiger Schußwaffen scheint mir sehr notwendig und wichtig zu sein.

Teilweise geschieht das bereits, aber mein Ziel ist es, zu erreichen, daß diese Überprüfungen in nächster Zeit intensiver als bisher durchgeführt werden. Wenn es uns gelingt, eine einigermaßen sichere Verwahrung zu erreichen, werden meiner Ansicht nach tragische Ereignisse wie beispielsweise vor einigen Monaten in Zöbern so weit wie möglich auszuschließen sein.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke.

Zu Wort gemeldet hat sich ferner Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Zum Führen von Faustfeuerwaffen ist der Bedarf nachzuweisen und eine Verläßlichkeitsprüfung erforderlich. Warum sind Jäger, die Faustfeuerwaffen führen wollen, von dieser Verläßlichkeitsprüfung ausgenommen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! (Bundesrat Ing. Penz: Sie sind nicht unverläßlich!) – Wir haben bei Beschlußfassung des neuen Waffengesetzes zu dieser Frage eine sehr ausführliche Diskussion geführt. Das war noch vor meiner Zeit als Innenminister.

Ich halte es für sinnvoll, daß Jäger davon ausgenommen sind, weil sie ohnehin erschwerten Zugang zum Erwerb und zum Führen von Waffen haben. Eine zusätzliche Belastung erschien dem Gesetzgeber damals offensichtlich nicht sinnvoll, und ich schließe mich dieser Ansicht an.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 10. Anfrage, 803/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Karl Drochter, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

803/M-BR/97

Welcher Zeitplan liegt dem von Ihnen geplanten Bau einer Sicherheitsakademie zugrunde?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Ich gehe davon aus, daß es uns noch dieses Jahr gelingen wird, die endgültige Zusage des Finanzministeriums für den Bau der Sicherheitsakademie zu bekommen. Wenn das der Fall sein wird, dann wird nach einem straffen Ablaufplan in den nächsten 9 bis 10 Monaten die entsprechende Planung durchgeführt werden. Daher hoffe ich, daß noch im Jahre 1998 mit dem Bau der Sicherheitsakademie begonnen werden kann und daß sie bei einer zu erwartenden Bauzeit von knapp zwei Jahren im Jahre 2000 fertiggestellt sein wird. (Bundesrätin Crepaz: Ob das was nützt?)

Präsident Dr. Günther Hummer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Kann man aus Ihren Ausführungen schließen, daß der Herr Finanzminister die notwendigen Mittel zum Bau und zur Führung der Sicherheitsakademie zur Verfügung stellen wird?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Diese Zusage liegt seit 1994 vor und wurde in der Zwischenzeit vom Finanzminister schriftlich erneuert. Was jetzt noch zu klären ist, ist die Frage der Rückzahlung. Ich nehme an, daß dieses Bauwerk in Form von Leasing finanziert wird und die Rückzahlung ab dem Jahre 2000 zu erfolgen haben wird. Es ist eine Bedingung des Finanzministers, daß diese Rückzahlung aus dem laufenden Budget finanziert werden kann. Ich gehe davon aus, daß dies möglich sein wird, und erwarte daher, daß es zur Zusage des Finanzministers kommen wird.

Präsident Dr. Günther Hummer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Es wird behauptet, daß die Zollwacheschule in Erdberg nur zu geringem Maße ausgenützt wird. Wäre es nicht möglich, diese als Sicherheitsakademie zu adaptieren und damit Fehlinvestitionen zu vermeiden?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Erstens tue ich mir schwer, die Frage zu beantworten, ob es stimmt, daß die Zollwacheschule zu gering ausgelastet ist. Faktum ist, daß die österreichische Exekutive eine entsprechende Ausbildungsstätte dringend braucht – nicht nur, weil es darum geht, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der österreichischen Exekutive die entsprechende Aus- und Fortbildung zu verschaffen sowie zu erreichen, daß mittelfristig daraus eine Art Fachhochschule wird. Vor allem geht es darum, daß in dieser Ausbildungsstätte die Möglichkeit zur Forschung im Interesse der Sicherheit, zur Pflege internationaler Kontakte, zur Durchführung von Seminaren und ähnlichem besteht.

Die Schule der Zollwache wäre dafür nicht geeignet und sicherlich zu klein. Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, daß die Zollwache ein eigener Wachekörper im Bereich des Finanzministeriums ist und für Gendarmerie und Polizei ohne Zweifel zu geringe räumliche Mög


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lichkeiten zur Verfügung stehen würden. Daher denke ich, daß die Errichtung einer Sicherheitsakademie notwendig und wichtig ist.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke. – Zu Wort gemeldet hat sich ferner Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Da bereits einer Ihrer Amtsvorgänger vor den Nationalratswahlen 1994 unter großer medialer Beteiligung in Traiskirchen den Spatenstich für diese Sicherheitsakademie durchgeführt hat, gehe ich davon aus, daß ein zweiter Spatenstich entbehrlich ist.

Meine Frage an Sie lautet: Ist es geplant, die Sicherheitsakademie wie die Militärakademie als Fachhochschule zu führen, und ist für die Absolventen der Sicherheitsakademie die Durchlässigkeit zwischen den Dienstgraden gewährleistet?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Es ist geplant, daß diese Sicherheitsakademie zumindest mittelfristig eine Fachhochschule wird. Zweitens ist meiner Ansicht nach die Durchlässigkeit für die Motivation der Beamtinnen und Beamten notwendig und sehr wichtig, damit sie – unter Anführungszeichen – "vom Gendarmen und Polizisten" direkt die Möglichkeit haben, bis zum Generaldirektor für öffentliche Sicherheit aufzusteigen. Drittens ist ein symbolischer Spatenstich entbehrlich, weil dieser bereits stattgefunden hat. Ich schließe aber nicht aus, daß es einen Spatenstich geben wird, wenn unmittelbar darauf mit der Arbeit begonnen wird.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 11. Anfrage, 795/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Jürgen Weiss, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

795/M-BR/97

Aus welchen Gründen sind die Gemeindesicherheitswachen nach wie vor von der Einsicht in die zentrale Kraftfahrzeug-Zulassungsevidenz ausgeschlossen, obwohl damit auch im Interesse angehaltener Kfz-Lenker Amtshandlungen wesentlich beschleunigt werden könnten?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Bevor ich näher auf die Frage eingehe, möchte ich Ihnen klar sagen, daß ich mich zu den Gemeindesicherheitswachen bekenne und sie für eine wichtige Ergänzung zur Erledigung der Arbeit der österreichischen Exekutive im Polizei- beziehungsweise Gendarmeriebereich halte.

Ich bedauere es eigentlich, daß außer im Bundesland Vorarlberg – dem Bundesland, aus dem Sie kommen – die Gemeindesicherheitswachen in den Bundesländern relativ schwach ausgeprägt sind. Es gibt zum Beispiel zwei im Bundesland Niederösterreich – in Neunkirchen und in Baden – und auch einige wenige in der Steiermark, aber damit hört es sich fast schon auf. Meiner Ansicht nach sind Gemeindesicherheitswachen sehr notwendig und wichtig. Sie sind eine gute Unterstützung, und deswegen ist es eines meiner dringlichen Anliegen, dabei zu besserer und intensiverer Kooperation zu gelangen, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Gemeindesicherheitswachen sind keine Exekutivorgane zweiter Klasse, sondern sollten meiner Meinung nach eine gleichberechtigte, wichtige Ergänzung zur Ausübung der Tätigkeiten von Gendarmerie und Polizei sein.

Auf Ihre konkrete Frage darf ich Ihnen antworten, daß für die Herstellung des Zuganges zur zentralen Zulassungsevidenz derzeit eine Lösung gesucht wird. Es bedarf dafür allerdings einer Änderung des § 47 Abs. 4 KFG, und diese Änderung muß im Wirkungsbereich des Bundes


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ministers für Verkehr und Wissenschaft durchgeführt werden. Ich gehe davon aus, daß es zu einer solchen Erweiterung kommen wird, und werde mich dafür einsetzen.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Können Sie einen konkreten Zeitpunkt oder zumindest Zeitraum nennen, zu dem ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vorliegen wird?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Einen solchen Zeitpunkt kann ich Ihnen nicht nennen, weil ich damit in Kompetenzen eines anderen Regierungsmitglieds eingreifen würde. Ich kann mir aber vorstellen, daß es auch ein Ziel im Rahmen der Bundesstaatsreform sein könnte, die entsprechenden begleitenden Maßnahmen zu ergreifen. Ich bin heute nicht in der Lage, Ihnen einen genauen Zeitplan zu geben, halte es aber für sinnvoll und gut, daß das so bald wie möglich geschieht.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Ist das in verschiedenen Anfragebeantwortungen des Innenministers und des Verkehrsministers zum Ausdruck gekommene Hin- und Herschieben der Zuständigkeit nun in der Weise bereinigt, daß in Hinkunft ausschließlich der Verkehrsminister oder der Innenminister zuständig sein wird?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meinen Sie das jetzt im Zusammenhang mit dieser Anfrage? – Es gibt ja eine Reihe von Problemen. (Bundesrat Weilharter: Es hat bisher eine Reihe von Anfragebeantwortungen gegeben ...!)

Herr Bundesrat! Es gibt eine Reihe von Themen beziehungsweise Kompetenzen, die nicht klar abgegrenzt sind. Dabei geht es nicht nur um die Abgrenzung zwischen Innenminister und Verkehrsminister, sondern es gibt auch sehr viele Überschneidungen. Als Staatssekretär habe ich einmal aufgelistet, wie viele Doppelgleisigkeiten oder Mehrfachgleisigkeiten es in den Kompetenzbereichen gibt, und ich bin auf eine Zahl von über 1 000 gekommen. Das heißt, es besteht nicht nur ein Problem zwischen Innenminister und Verkehrsminister, sondern auch zwischen verschiedenen Regierungsmitgliedern. Manchmal hat solch eine Doppelgleisigkeit auch ihren Sinn, vor allem dann, wenn der Finanzminister budgetär kontrollierend eingesetzt wird. In anderen Bereichen habe ich natürlich Interesse daran, gewisse Kompetenzen zu bekommen.

Eine Kompetenz – das sage ich Ihnen ganz offen –, die für mich nicht unwichtig wäre, wenn sie aus dem Verkehrsministerium in das Innenministerium käme, wäre die Kompetenz für die Schiffahrtspolizei. Ich meine nämlich, daß es sinnvoll und gut wäre, wenn diese in das Innenministerium eingegliedert werden würde. Daher werde ich bei nächstbester Gelegenheit – falls es irgendwann zu einer Änderung des Bundesministeriengesetzes kommt – unter anderem diesen Wunsch artikulieren, wobei mein Kollege Verkehrsminister Einem großes Verständnis für dieses mein Anliegen hat.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 12. Anfrage, 804/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Michael Ludwig, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


Bundesrat
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631. Sitzung / Seite 27

804/M-BR/97

Tragen die Überlegungen der Bundesregierung für das Budget 1998/99 dem bestehenden hohen Sicherheitsstandard Rechnung?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Natürlich kann ich diese Frage nur mit einem klaren Ja beantworten. Andererseits muß ich als Innenminister natürlich sagen: Je mehr Personal das Innenministerium zur Verfügung hat, desto besser und sinnvoller ist es. Darum wird der Innenminister nie mit dem Personalstand zufrieden sein und immer mehr fordern müssen. Ich sage das nicht nur unter diesem Gesichtspunkt, sondern auch aus folgendem Grund: Wenn Sie in Europa herumreisen und sich die Zahl der Beschäftigten im Sicherheitsbereich anschauen, so können Sie deutlich erkennen, daß überall dort, wo es eine große Anzahl von Exekutivorganen gibt, die Kriminalitätsrate deutlich niedriger ist als in Staaten, in denen es eine niedrige Zahl von Exekutivorganen gibt.

Man sollte nicht den Fehler machen und Vergleiche anstellen, dennoch möchte ich Ihnen wenigstens ein Beispiel nennen. Ich war vor kurzem in Schweden. Schweden hat ungefähr dieselbe Einwohnerzahl wie Österreich, nämlich 8,7 Millionen Einwohner, wir haben 8,1 Millionen. Schweden ist fünfmal so groß wie Österreich und weist fast 1 Million Verbrechen und Vergehen im Jahre 1996 auf, Österreich nur 485 000. Es mag schon sein, daß hunderttausend andere Dinge dazugerechnet werden, die in Österreich anders gewertet werden, aber trotzdem (Bundesrat Dr. Tremmel: Es sind Verwaltungsdelikte dabei!) – richtig – ist es eine deutlich höhere Anzahl. Wenn man gleichzeitig die Personalzahl vergleicht, dann sieht man, daß das österreichische Innenministerium inklusive der Verwaltungsbeamten 33 500 Mitarbeiter hat, in Schweden sind es inklusive Verwaltung 16 500.

Von der Dichte her sind wir nach Deutschland das Land mit der zweithöchsten Anzahl von Exekutivorganen pro Einwohner. Darum halte ich es für notwendig und wichtig, diesen hohen personellen Stand auch in Zukunft zu erhalten. Ein wesentliches Kriterium dafür ist, daß die Einsparung an Planposten, die es in den Jahren 1996 und 1997 gegeben hat – die immerhin 1 000 ausgemacht hat –, also diese Einsparungswelle für 1998 und 1999, zum Glück vorbei ist. Ich bin sehr froh darüber, daß ich mich bei den Budgetverhandlungen in diesem Punkt durchsetzen konnte.

Wir werden 1998 nochmals 500 Grenzgendarmen und 65 zusätzliche Frauen und Männer für spezielle Sonderaufgaben aufnehmen können. Es gibt derzeit die Überlegung, daß 200 Exekutivorgane beziehungsweise Verwaltungsbeamte eingespart werden sollen, wobei ich hoffe, daß diese Zahl von 200 bei der parlamentarischen Ausschußdebatte noch reduziert wird.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Sie haben den Personalbereich angesprochen. Können Sie vielleicht einen kurzen Überblick über die Entwicklung der Planstellen in den letzten zehn Jahren geben?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ja, diesen Überblick kann ich Ihnen geben. Im Jahre 1988 gab es bei der Gendarmerie 12 504 Planstellen, 1997 14 791, das heißt, die Zahl hat sich um 2 287 erhöht. Davon sind allerdings fast 1 800 Stellen für die Grenzgendarmerie gedacht und auch bereits eingesetzt worden.

Bei der Polizei schaut es folgendermaßen aus: Es gab im Jahre 1988 15 773 Planstellen und 1997 16 216, das heißt, es gibt nun um 443 Planstellen mehr. Zusammengefaßt ist also die Anzahl der Planstellen um mehr als 2 700 gestiegen.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke. – Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.


Bundesrat
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631. Sitzung / Seite 28

Bundesrätin Monika Mühlwerth
(Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben richtigerweise gesagt, daß ein hoher Personalstand bei der Exekutive sehr wichtig ist und auch in ursächlichem Zusammenhang mit der Kriminalitätsrate zu sehen ist.

Ich möchte Sie aber schon fragen: Wie läßt sich das mit den bereits beschlossenen Wachzimmerschließungen beispielsweise in Wien, aber auch mit den Schließungen von Gendarmerieposten in den Bundesländern vereinbaren?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Bundesrätin! Gendarmeriepostenschließungen in den Bundesländern wird es in den nächsten Jahren – zumindest solange ich Innenminister bin – nicht mehr geben. Ich schließe zwar nicht aus, daß der eine oder andere kleine Gendarmerieposten aus irgendwelchen Gründen – etwa infolge Neubau – geschlossen wird, doch die große Zahl von Gendarmerieposten – es gibt derzeit rund 780 Gendarmerieposten in ganz Österreich – soll in Zukunft erhalten werden, weil ich das für notwendig und wichtig erachte. In den Jahren 1993, 1994, 1995 wurde ohnehin bereits eine große Anzahl geschlossen, nämlich ungefähr 170 Gendarmerieposten.

Im Bereich der Polizei hat es in Wien ursprünglich ein viel größeres Einsparungspotential gegeben. Das wurde sehr stark reduziert. Wir haben in Wien fünf Polizeiwachzimmer mit dem Ziel geschlossen, daß Polizeibeamte von Verwaltungsarbeiten entlastet werden und mehr Möglichkeit haben, Streifendienst und Dienst auf der Straße zu tun. Nur unter diesem Gesichtspunkt kann es zur Zusammenlegung von Wachzimmern in Wien oder in anderen Städten Österreichs kommen. Das soll nicht zu einer Einsparung führen, sondern zu einer besseren Einsetzbarkeit von Polizeikräften.

Ich lehne eine größere Schließung von Polizeiwachzimmern in Zukunft in Wien oder in anderen Landeshauptstädten ab, weil ich meine, daß aus psychologischen Gründen dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung entsprechend eine möglichst große Zahl von Wachzimmern und Gendarmerieposten notwendig und wichtig ist.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke. – Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Herr Bundesminister! Sie sagten uns, daß Sie derzeit Verhandlungen über die zurückgenommene Grenzsicherung nach Öffnung der Grenzen führen.

Ich möchte Sie folgendes fragen: Haben Sie in den beiden Budgets für 1998/99 die nötige Vorsorge dafür getroffen, daß die Grenzsicherung, diese sogenannte Schleierfahndung, entsprechend durchgeführt werden kann, vor allem auch entlang sensibler Grenzen?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Wir haben diese Vorkehrung in personeller Hinsicht getroffen, weil 500 Grenzgendarmen zusätzlich angestellt werden und damit die Vollausstattung, die ich gerne schon im heurigen Jahr gehabt hätte, endlich erreicht wird.

Wir haben auch in budgetärer Hinsicht vorgesorgt. Das Budget 1997 – um das nur als Vergleich zu bringen – sah Gesamtausgaben in der Höhe von 20,9 Milliarden Schilling für das Innenministerium vor. Im Budget 1998 werden wir 22,6 Milliarden zur Verfügung haben, also rund 1,6 Milliarden mehr, und im Budgetjahr 1999 werden wir 23,1 Milliarden zur Verfügung haben, also um mehr als 2 Milliarden mehr als im Jahre 1997. Somit meine ich, daß die entsprechenden finanziellen Vorkehrungen auch für die Grenzgendarmerie mehr als berücksichtigt sind.

Präsident Dr. Günther Hummer: Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 13. Anfrage, 799/M, an den Herrn Bundesminister für Inneres. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
631. Sitzung / Seite 29

Bundesrat Dr. Paul Tremmel, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Inneres! Meine Frage lautet:

799/M-BR/97

Warum wurde das Täterprofil des "Briefbombers" so lange der Öffentlichkeit vorenthalten?

Präsident Dr. Günther Hummer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Im Zuge der Fahndung nach dem Bombenattentäter oder den Bombenattentätern der BBA wurde ständig versucht, die Fahndungsarbeit nach neuesten Methoden voranzutreiben. Eine dieser Methoden war der Versuch, ein Täterprofil zu erstellen. Neben zahlreichen Privatpersonen, die Beschreibungen und Profile, die mehr oder weniger fundiert zu sein schienen, übermittelten, wurde zum Zweck der Fahndung auch ein eigenes Täterprofil durch das Bundesministerium für Inneres erstellt. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

In dieses Täterprofil fanden viele Beiträge des Kriminalpsychologischen Dienstes, aber auch zahlreiche Beiträge der Experten des Bundeskriminalamtes und der kriminaltechnischen Zentralstelle Eingang. Dieses sehr detaillierte Täterprofil war nach Einschätzung der Verantwortlichen der Sonderkommission in seiner Gänze für Fahndungszwecke nicht geeignet, doch wurden Teile davon medial veröffentlicht. Die fahndungsmäßig sensiblen Teile, die für eine Veröffentlichung nicht geeignet erschienen, wurden in einem sogenannten "Ermittlungsleitfaden" verarbeitet, der allen für Ermittlungen und Befragungen zuständigen Beamten zur Verfügung stand. Dieser Ermittlungsleitfaden hat sich als große Hilfe erwiesen, wie wir jetzt im nachhinein sehen, denn dieses Täterprofil hat sehr große Ähnlichkeit mit dem mutmaßlichen Täter, der festgenommen worden ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): In einem Interview in der "Kleinen Zeitung" sagen Sie, Herr Innenminister, daß der Hinweis – durch verschiedene Beweissicherungen – ziemlich stark sei, daß Franz Fuchs – Sie halten auch fest, daß er Mitglied der Bajuwarischen Befreiungsarmee sei – der "Briefbombenbauer" sei.

Zwei Tage später relativierte der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Sika Ihre Aussage und meinte: Es kann nicht gesagt werden, daß Franz Fuchs den Bau der Bomben von Klagenfurt, Oberwart und Stinatz durchgeführt habe und dies nachgewiesen werden könne. Man könne nur sagen, daß es Indizien dafür gibt.

Gibt es jetzt an der Spitze des Innenministeriums – einerseits Sie, andererseits den Generaldirektor für öffentliche Sicherheit – verschiedene Beweiswürdigungsverfahren im Bereich der Briefbomben-Causa?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Nein, Herr Bundesrat! Ich habe mich auch im Interview mit der "Kleinen Zeitung" und in allen anderen Interviews immer sehr vorsichtig geäußert und immer klar gesagt, daß eine Vielzahl von Indizien vorliegt und ich davon ausgehe, daß diese Indizien sehr schwerwiegend sind. Ich habe auch gesagt, daß wir sehr viele Beweisstücke bei der Durchsuchung der Wohnung gefunden haben. Diese werden derzeit überprüft, um möglichst schnell zu erreichen, daß die Indizienkette geschlossen werden kann.

Dieselbe Aussage ist auch immer vom Generaldirektor für öffentliche Sicherheit gemacht worden. Das heißt: Zwischen uns beiden gibt es keine Dissonanz, sondern – gerade im Gegenteil – eine sehr enge Akkordanz. (Bundesrat Dr. Tremmel: Dann haben Sie die Zeitungen auseinanderdividiert!)


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Sie müssen auch sehen – ich sage das hier sehr bewußt –, daß es eine sehr große Zahl von Journalisten und Redakteuren gibt, die in diesem Bereich tätig ist, die nahezu in derselben Zahl tätig sind wie die ermittelnden Polizei- und Exekutivorgane.

In der Öffentlichkeit wurden sehr viele richtige Behauptungen aufgestellt, aber es wurde auch sehr vieles in einer Weise dargestellt, worüber wir als österreichisches Innenministerium und unsere Fahnder sehr überrascht gewesen sind. Das heißt also – wie wir alle wissen –, daß vieles, was in den Medien steht, richtig ist, aber man darf nicht alles für bare Münze nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Polleruhs gewünscht. Ich darf ihn bitten, die Frage zu stellen.

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Die Medien haben betreffend Aufklärung eher von einem Zufall gesprochen.

Hat aber die in Kraft getretene Möglichkeit zur Rasterfahndung allenfalls dazu beigetragen, den mutmaßlichen Bombenbauer zu fassen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Natürlich – da sind wir uns alle einig – waren Glück und Zufall entscheidend dafür, daß wir auf die Spur des Herrn Franz Fuchs gekommen sind. Andererseits muß man festhalten, daß in allen großen Kriminalfällen Glück und Zufall auch für die Exekutive dringend notwendig sind.

Wenn ich nur an die Habhaftwerdung des "Una-Bombers" in den Vereinigten Staaten denke, so war auch dort der entscheidende Hinweis aus der Bevölkerung ausschlaggebend dafür, daß das FBI nach mehr als 15jähriger Fahndungsdauer den "Una-Bomber" festnehmen konnte.

Die Rasterfahndung hat tatsächlich nicht dazu beigetragen, daß wir Herrn Fuchs festnehmen konnten. Psychologisch hat aber die Tatsache, daß die Rasterfahndung für die österreichische Exekutive ein einsetzbares Mittel war, bei Herrn Fuchs eine große Rolle gespielt. Er hat sich – wie er auch in den Verhören zugegeben hat – vor der Rasterfahndung sehr gefürchtet.

Wir hätten ohnehin vorgehabt, Anfang Oktober in diesem Fall bei der Staatsanwaltschaft um die Durchführung einer Rasterfahndung anzusuchen. Die vorhandenen Daten, die wir miteinander verbinden wollten, hätten ohne Zweifel dazu geführt, daß in diesem Netz mit höchster Wahrscheinlichkeit auch der Name Franz Fuchs dabei gewesen wäre. Was wir dann mit diesem Namen angefangen hätten, ist wieder eine andere Diskussion. Jedem ist bewußt, daß es ein Unterschied ist, ob man 100 oder 200 Namen zur Überprüfung hat oder ob man solch einen "Zufalls-Glückstreffer" landet, wie wir ihn in der Nacht des 1. Oktober gehabt haben. Ich glaube aber dennoch, daß uns die Rasterfahndung aufgrund der Datenmaterialien, die wir gesammelt haben, ohne Zweifel auch unter Umständen auf seine Spur bringen hätte können.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Nächster Zusatzfragesteller ist Herr Bundesrat Wolfgang Hager. – Bitte.

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Können Sie beim derzeitigen Stand der Ermittlungen bereits davon ausgehen, daß die Bombenattentate der vergangenen Jahre von einem einzigen Täter durchgeführt wurden, oder waren mehrere Täter beteiligt?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Nein, Herr Bundesrat! Ich kann nicht davon ausgehen, daß es ein Einzeltäter war, sondern ich muß nach wie vor davon ausgehen, daß sowohl ein Einzeltäter als auch eine kleine verschworene Gruppe an diesen Bombenattentaten


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beteiligt hätte sein können. Vieles spricht in unserem "Gesamtkunstwerk", in unserem Gesamtbild, für die Einzeltätertheorie. Um diesen Fall aufzuklären, fehlen uns aber noch einige Mosaiksteine; und solange diese nicht zusammengefügt sind, solange wir nicht eine 100prozentig befriedigende Antwort auf alle unseren offenen Fragen haben, gehe ich davon aus, daß sowohl die Theorie einer Einzeltäterschaft als auch jene einer kleinen verschworenen Gruppe möglich ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 14. Anfrage, gestellt von Herrn Bundesrat Mag. Karl Wilfing. Ich darf ihn um die Verlesung seiner Frage bitten.

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

796/M-BR/97

Bis wann wird die personelle und die materielle Mindestausstattung zur Einhaltung des Schengener Abkommens endlich erreicht sein?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! In der bisherigen Fragestunde wurde diese Frage eigentlich schon sehr ausführlich behandelt. Daher mache ich es ganz kurz und sage Ihnen, daß wir mit Ende 1998 die endgültige personelle Ausstattung haben werden, bei der in zwei Tranchen – mit 1. 1. 1998 und 1. 9. 1998 oder 1. 1. 1999 – je 250 Grenzorgane aufgenommen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt werden wir auch die technischen Ergänzungsmaßnahmen, wie Wärmebildkamera und ähnliches, angeschafft haben.

Derzeit ist es so, daß wir über 2 778 Bedienstete im Grenzdienst, 823 Bedienstete im Bereich der Zollwache und 1 950 Soldaten im Bereich der Assistenzleistung des österreichischen Bundesheeres verfügen. Insgesamt ist an 5 551 Bedienstete gedacht. Diese Zahl werden wir mit Ende 1998 erreicht haben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Vielleicht eine Präzisierung: Es sind etwa für Niederösterreich im Bereich der Grenzgendarmerie 865 Planstellen vorgesehen. – Derzeit gibt es 470 fixe und zirka 120 dienstzugeteilte Stellen! Heißt das, Sie gehen davon aus, daß mit Ende 1998 diese Zahl von 865 erreicht sein wird?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Theoretisch ja, praktisch nein, und zwar deswegen, weil jene 250 Personen, die mit 1. 9. 1998 als letzte aufgenommen werden, zunächst eine sechs Monate dauernde Grundausbildung machen müssen und erst danach an der Grenze zur Verfügung stehen. Stellenplanmäßig wird das Ziel also mit 1. 9. 1998, in der Praxis, das heißt, daß diese Personen auch an der Grenze Dienst tun können, wahrscheinlich erst etwas später erreicht sein.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Farthofer gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Bundesminister! Ich habe gestern eine für mich in zweifacher Hinsicht sehr beeindruckende Dokumentation eines deutschen Privatsenders über die Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze gesehen –


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in positiver Hinsicht durch den technischen Standard, in negativer Hinsicht aufgrund der Behandlung der Asylanten beziehungsweise Flüchtlinge durch die deutschen Zollbeamten.

Können Sie mir sagen: Wie weit ist der österreichische Stand der Technik, wie effizient ist die technische Ausrüstung bei unseren Grenzkontrollen im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern?


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Danke. – Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Die für die Grenzkontrolle und die Grenzüberwachung eingesetzte Technik weist im Vergleich zu anderen westeuropäischen Staaten einen sehr hohen und sehr modernen Standard auf. Die bereits bestehende hohe Effektivität der Grenzkontrolle und der Grenzüberwachung wird durch eine Vielzahl von zusätzlichen technischen Maßnahmen in den nächsten Wochen verbessert werden.

Wir werden an unseren EU-Außengrenzen sowohl zur Tages- als auch zur Nachtzeit Hubschrauber einsetzen, die eine wirkungsvolle Ergänzung der bodengebundenen Kräfte bilden. Weiters haben wir vor, an der Ostgrenze 40 mobile Wärmebildeinheiten einzusetzen, mit denen man die Möglichkeit hat, personelle Bewegungen im Bereich der Grenze in einer Entfernung von bis zu sechs Kilometern festzustellen.

Ich glaube deshalb, daß wir von der technischen Ausstattung her schon sehr weit sind. Sie wird mit Ende 1998 abgeschlossen sein und danach mindestens dem Standard in Deutschland entsprechen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage kommt von Herrn Dr. Bösch. – Bitte.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Minister! Wie wird sich nach Inkrafttreten des Schengener Abkommens unser Verhältnis zu Liechtenstein und zur Schweiz in der Grenzüberwachung gestalten?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Grenzen zu Liechtenstein und zur Schweiz sind EU-Außengrenzen. Sie sind Vorarlberger, Sie wissen, wie die Grenzkontrollen zwischen der Schweiz und Österreich zurzeit durchgeführt werden. An diesem Prinzip wird sich durch das Inkrafttreten des Schengener Abkommens mit 1. Dezember nichts ändern.

Mein Ziel ist natürlich, um das klar zu sagen, zu erreichen, daß die Schweiz möglichst in den Schengen-Prozeß integriert wird. Ich werde deshalb Anfang Dezember einen Besuch in der Schweiz beim Bundespräsidenten und jetzigen Innenminister Koller abstatten, um entsprechende Gespräche zu führen. Es ist sinnvoll, daß sowohl die Schweiz als auch Liechtenstein in den Schengen-Prozeß eingegliedert werden, wobei ich aber davon ausgehe, daß sie nicht nur die Rechte, sondern auch die Pflichten übernehmen müssen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 15. Anfrage, gestellt von Herrn Bundesrat Pfeifer. Ich darf ihn um die Verlesung bitten.

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Nochmals Schengen:

805/M-BR/97

Was bedeutet der Beschluß vom 7. Oktober 1997 im Schengener Exekutivausschuß über das Inkraftsetzen von Schengen für Österreich in der Praxis?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Vereinfacht gesagt bedeutet das, daß es zwischen Österreich und den Schengen-Staaten eine gemeinsame Visa-Politik und damit eine offene Grenze zwischen Österreich und Italien und zwischen Österreich und Deutschland geben wird.

Frühestens ab 1. Dezember wird es diese gemeinsame offene Grenze an den Flughäfen, vom 1. Dezember bis 31. März in Etappen, die erst festgelegt werden, auch an der Landgrenze geben. Es ist davon auszugehen, daß die großen Grenzübertrittsstellen erst mit 1. April, die kleineren und mittleren jedoch schrittweise schon ab 1. Dezember geöffnet werden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Welche Aufgaben hat die trilaterale Expertengruppe, bestehend aus Personen aus Deutschland, Italien und Österreich, die beim Gipfeltreffen in Innsbruck vereinbart wurde, und wurde diese bereits installiert?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Diese trilaterale Expertengruppe wurde bereits installiert und hat am 1. September zum ersten Mal getagt.

Sie hat erstens die Aufgabe, den Abbau der Grenzkontrollstellen vom 1. Dezember bis 31. März festzulegen und zu koordinieren, zweitens – wie ich heute bereits gesagt habe –, danach zu trachten, daß es durch diese Grenzöffnung zu keinen Sicherheitsdefiziten in unserem Land kommt, sondern der hohe Sicherheitsstandard zumindest erhalten bleibt, und drittens, über den 1. April 1998 hinaus in Österreich, in Deutschland und in Italien begleitend tätig zu sein und zu überprüfen, ob die Kontrolle der Außengrenzen auch in Zukunft effektiv ist und welche Verbesserungsmaßnahmen es geben könnte.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Als nächster hat sich Herr Dr. Tremmel für eine Zusatzfrage gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Sie haben den hohen Standard der polizeilichen Ausstattung – ich nehme an, es war dabei auch die materielle gemeint – bereits bei vorherigen Fragen geschildert.

Das Schengener Übereinkommen erfordert nun unter anderem auch eine EDV-unterstützte Arbeit. Abgesehen davon weiß ich nicht, ob die Software des Schengener Zentralcomputers bereits so weit ist, daß sich die einzelnen Mitglieder ihrer zeitgerecht bedienen können.

Ist die EDV-Ausstattung der einzelnen Bundespolizeidirektionen, die darin eingebunden sind, bereits in Angriff genommen? Wenn das noch nicht der Fall ist, stelle ich folgende Frage: Bis wann, denken Sie, wird es die entsprechende EDV-Ausstattung geben?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Es wird kein Problem damit geben, daß diese Ausstattung bis spätestens 1. Dezember, besser gesagt bis 30. November 1997, komplett zur Verfügung steht.

Ich gehe davon aus, daß sie schon zum heutigen Zeitpunkt nahezu fertig ist, schließe jedoch nicht aus, daß es in der einen oder anderen Polizeidirektion noch einen Nachholbedarf gibt. Es wird auch kein Problem für Österreich sein, an den Schengener Computer anzuschließen. Die


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Probeläufe haben sich sehr gut angelassen. Österreich war das einzige Land, bei dem es keine Pannen und Fehler gegeben hat!

Das Schengener Informationssystem ist also in der Lage, Österreich jederzeit aufzunehmen. Bei einer Erweiterung des Informationssystems auf die nordischen Staaten gibt es allerdings Kapazitätsprobleme. Es wurde bereits der Auftrag für die entsprechenden Adaptierungen erteilt, damit bis ins Jahr 2000 auch die nordischen Staaten aufgenommen werden können.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Richau gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Sehr verehrter Herr Bundesminister! In den vielen öffentlichen Diskussionen wird immer von einem Nachteil Österreichs im Zusammenhang mit den bilateralen Bestimmungen der Nacheile und so weiter gesprochen.

Wie sehen Sie die Regelung über die polizeiliche Nacheile zu unseren Nachbarstaaten Italien und Deutschland? Gibt es ein gleichwertiges Verhältnis 1 : 1, oder haben wir Vor- oder Nachteile?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Mit der Regelung mit Deutschland bin ich einverstanden und zufrieden, weil wir darin gleichberechtigt sind.

Mit Italien gehört sie noch verbessert, das habe ich bereits zu der Anfrage des Herrn Bundesrates Tremmel gesagt. Wir stehen darüber in Verhandlung, und ich hoffe, daß es in dieser Frage in den nächsten Tagen und Wochen zu einem Durchbruch kommen wird.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Die Fragestunde ist beendet.

Fristsetzungsantrag

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe bekannt, daß ein Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch vorliegt, gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 93/A des Bundesrates aus dem Jahre 1996 der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch betreffend Änderung des Bundesverfassungsgesetzes sowie des Finanz-Verfassungsgesetzes eine Frist bis zum 18. November 1997 zu setzen.

Die Abstimmung über diesen Antrag ist gemäß der zitierten Stelle der Geschäftsordnung des Bundesrates nach Erledigung der Tagesordnung vorzunehmen.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt sind zwei Beschlüsse des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz von 1956 geändert wird, und ein Bundesgesetz betreffend die Veräußerung der Anteile des Bundes an der "Dachstein" Fremdenverkehrs-Aktiengesellschaft.

Die genannten Beschlüsse unterliegen im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 des Bundes-Verfassungsgesetzes nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates.


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Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung der vorliegenden Beschlüsse durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Der Herr Präsident hat diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über den bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingelangten und zugewiesenen Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1996 sowie über den ebenfalls bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingelangten und zugewiesenen Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998 gemäß § 9 Abs. 2 Landwirtschaftsgesetz abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Der Herr Präsident hat alle diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 4 bis 6, 8 und 9 sowie 11 und 12 der Tagesordnung unter einem durchzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, möchte ich Sie noch davon informieren, daß ab heute die Berichterstatter ihre Ausschußberichte vom Rednerpult aus erstatten und hierauf ihren Sitzplatz in den Abgeordnetenbänken einnehmen werden, um, wie bisher, die Debatte zur Gänze zu verfolgen. Bei einer allenfalls erforderlichen kurzfristigen Abwesenheit wird der Ausschußvorsitzende die Debatte mitverfolgen. Ein allfälliges Schlußwort des Berichterstatters wird dann ebenfalls wieder vom Rednerpult aus erfolgen.

1. Punkt

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1996 (Grüner Bericht 1996) (III-165 und 5545/BR der Beilagen)

2. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998 gemäß § 9 Abs. 2 LWG (III-166 und 5546/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 und 2, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird. Es sind dies der Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1996 und der Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998 gemäß § 9 Abs. 2 LWG.

Die Berichterstattung über die Punkte 1 und 2 hat Herr Bundesrat Grasberger übernommen. – Ich darf ihn um die Berichterstattung bitten.

Berichterstatter Ing. Walter Grasberger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sowohl der Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1996, der Grüne Bericht, als auch der Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und


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Forstwirtschaft für das Jahr 1998 gemäß § 9 Abs. 2 des Landwirtschaftsgesetzes liegen Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich darf daher von einer Verlesung beider Berichte Abstand nehmen und Ihnen das Ergebnis der am 21. Oktober 1997 stattgefundenen Ausschußsitzung bekanntgeben.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Oktober 1997 für beide Berichte mit Stimmenmehrheit den Antrag , diese zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Waldhäusl. – Bitte.

10.55

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kollegen des Bundesrates! Es stehen heute der Grünen Bericht 1996 sowie die Einkommenslage der österreichischen Bauern und zugleich auch die Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998 auf der Tagesordnung.

Meine Damen und Herren! Ich möchte, beginnend mit dem Grünen Bericht, auf einige Kernpunkte dieses Themas, das uns alle – nicht nur uns Bauern! – bewegt, eingehen. Im Grünen Bericht 1996 wird ein beträchtlicher Absturz der Einkommenslage, nämlich in Höhe von minus 4 Prozent, verzeichnet. Wifo-Experten beziffern dieses Minus sogar mit 7 bis 8 Prozent. Der Grüne Bericht wird, wie wir wissen, von buchführungspflichtigen Landwirten erstellt, das könnte der Grund für diese Abweichung sein.

Ich möchte aber auch auf den Bericht der Wirtschaftsforscher, die nicht nur jene 2 400 Testbetriebe, sondern bekanntlich den Agrarsektor in seiner Gesamtheit beobachten, in bezug auf diesen Einkommenseinbruch eingehen. Denn diese beziffern das Absinken des Bauerneinkommens sogar mit 10 Prozent bis auf 35,3 Milliarden Schilling.

Auch für 1997 sieht es laut eindeutiger Analyse des Wifo düster aus. Die Wirtschaftsforscher sagen aufgrund der degressiven Zahlungen eine weitere Verringerung des Bauerneinkommens um 2,4 Milliarden voraus. Aufgrund des Auslaufens der degressiven Zahlungen im Jahr 1998 wird es sich nächstes Jahr weiter verringern, die Agrarpreise werden weiter im Keller bleiben.

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Das ist die Ausgangslage. Deshalb haben wir meiner Ansicht nach heute sicherlich keinen Anlaß zu jubeln und uns zu freuen, sondern wir müssen über die düstere Lage der Bauern diskutieren. Denn die Bauern, die ihre Höfe verlassen müssen, drängen auf den Arbeitsmarkt – und wir wissen, daß es dort nicht gerade rosig aussieht. In meiner Heimatregion kommen bereits bis zu 26, 27 Personen auf eine freie Arbeitsstelle! Wir können, meine sehr verehrten Kollegen, den Bauern nicht auch noch zumuten, daß sie in den Konkurrenzkampf mit anderen Berufsgruppen auf den Arbeitsmarkt treten.

Darum müssen wir, wie es das Ziel des Grünen Berichtes, in dem es auch angesprochen wird, sein muß, auf jene Punkte eingehen, die die Abwanderung aus den dörflichen Regionen und Landschaften verhindern.

Wie können wir es verhindern? – Entsprechende Maßnahmen sollten im Grünen Bericht genau ausgewiesen sein. Es sind jedoch nur einige Punkte im Programm für 1998 genannt, wir werden sie später kurz analysieren.

Leider Gottes muß ich diese Kritik anbringen – das ist bereits ein Grund, warum wir den Grünen Bericht erneut ablehnen. Denn schon im Grünen Bericht 1995 wurden gewisse Punkte der § 7-Kommission, die der Bundesregierung zur Absicherung der österreichischen Bauern sowie der Land- und Forstwirtschaft nahegelegt worden sind, erwähnt. Diese Punkte wurden jedoch in


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keiner Weise erfüllt – im Gegenteil, das Bauerneinkommen hat sich, wie vorhin bereits gesagt, um 4 Prozent beziehungsweise laut Wifo um bis zu 10 Prozent verschlechtert!

Meine Damen und Herren! Das ist keine für die Regierung rühmliche Entwicklung! Man kann tatsächlich nicht behaupten, daß die Regierung in dieser Frage gut gearbeitet hat. Im Gegenteil: Ich beschuldige hiermit eindeutig die Regierung, daß sie an diesen 10prozentigen Einkommensverlusten und damit am Bauernsterben die alleinige Schuld trägt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf die degressiven Ausgleichszahlungen, die, wie Sie wissen, bereits ein Bestandteil des Bauerneinkommens sind, eingehen. Kurz zitiert: Sie verlaufen von 1995 bis 1998 degressiv von 7,25 Milliarden Schilling auf 1,1 Milliarden Schilling und laufen danach aus. Mit anderen Worten: Wenn man die Einkommensentwicklung der 2 400 Testbetriebe untersucht – ich gehe dabei nicht auf das Wifo, sondern auf den Grünen Bericht ein –, ist ein durchschnittliches Monatseinkommen von nicht einmal 14 000 S festzustellen, dabei sind jedoch bereits die degressiven Ausgleichszahlungen beinhaltet.

Meine Damen und Herren! Das Bild zeigt, daß die Agrareinkünfte je Familienarbeitskraft gegenüber dem Vorjahr um durchschnittlich 12 000 S gesunken sind. Sie liegen jetzt bei 147 000 S.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Aspekt, den ich hier heute unbedingt erwähnen möchte, ist der Anteil der öffentlichen Gelder am Agrareinkommen. Dieser zeigt auf, wie abhängig unsere Bauern sind, wie abhängig die österreichische Bundesregierung die österreichischen Bauern gemacht hat. Das wird im Grünen Bericht deutlich aufgezeigt. Ich möchte hier nun die Zahlen vom Jahre 1990 ausgehend anführen. Im Jahre 1990, also zu Beginn der neunziger Jahre, betrug der Anteil der öffentlichen Gelder am Erwerbseinkommen der Bauern rund 10 Prozent. Den Großteil ihres Einkommens erwirtschafteten die Bauern über den Markt. Heute, nach dem sehr gelobten, vollzogenen EU-Beitritt Österreichs – auf Kosten unserer Bauern!, so sage ich es –, beträgt der Anteil der öffentlichen Gelder am Erwerbseinkommen der Bauern bereits zirka 70 Prozent. Meine Damen und Herren! Sie haben sich nicht verhört: Er beträgt 70 Prozent! Man kann das auch mit anderen, folgenden Worten sagen: Die Bauern wären ohne öffentliche Gelder längst im Konkurs. Sie liegen – ich möchte das ein bißchen polemisch sagen – in der staatlichen Intensivstation, und wenn der Doktor, der Primar die Herz-Lungen-Maschine abdreht, dann ist dieser Patient tot, eine Leiche.

Meine Damen und Herren! Wir Bauern können ohne die Gunst der Regierung, in letzter Folge des Finanzministers – wir haben festgestellt, daß sich die Bundesregierung leider Gottes nicht immer durchsetzen kann –, nicht existieren, wir sind auf die Zusagen der Bundesregierung beziehungsweise auf die öffentlichen Gelder angewiesen.

Meine Damen und Herren! Diese Entwicklung ist sicherlich nicht im Interesse der österreichischen Bauern. Es ist notwendig, daß momentan öffentliche Gelder fließen – ich trete voll dafür ein, wir brauchen sie, damit die Bauern weiterhin über die Runden kommen können –, die Entwicklung allerdings, daß nämlich die öffentlichen Gelder bereits einen so hohen Anteil am Erwerbseinkommen der Bauern haben, ist nicht im Interesse der Bauern, zumal die Bauern keine Bittsteller sein wollen. Allerdings ist es derzeit nicht anders möglich, denn sonst wäre die Abwanderung von den Bauernhöfen und damit der Zuzug auf den Arbeitsmarkt zu stark, was wir gesamtösterreichisch nicht verantworten könnten, weil die Arbeitslosenrate viel zu hoch ist.

Ich möchte auf die öffentlichen Gelder nicht mehr näher eingehen. Es wird im Grünen Bericht noch eine Unterteilung in Bodennutzung, Tierhaltung und Ausgleichszahlungen vorgenommen. Ich möchte aber eindeutig erklären, daß es sich bei all diesen öffentlichen Geldern um keine Subventionen handelt, sondern um degressive Ausgleichszahlungen beziehungsweise um Marktordnungsprämien aus ÖPUL beziehungsweise um Tierprämien aus der Tierhaltung.

Meine Damen und Herren! Ich bitte, hier nicht den Begriff "Subvention" zu verwenden, denn Subventionen beziehen zu müssen wäre noch schlimmer, als auf Ausgleichszahlungen angewiesen zu sein. Wir Bauern sind schon jetzt nicht glücklich darüber, daß wir nicht mehr so wie früher vom Verkauf unserer Produkte leben können. Wir sind jetzt bereits Bittsteller geworden, und diese Entwicklung werden wir – da spreche ich sicherlich im Namen vieler österreichischer


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Bauern – dieser österreichischen Bundesregierung und der österreichischen Bauernvertretung nicht vergessen, denn diese Entwicklung geht auf Kosten der Bauern.

Im Grünen Bericht ist ein Punkt angeführt, der eindeutig die Entwicklung der Bauern aufzeigt. Dieser Punkt betrifft die Einkommensdisparität, die ein Soll- und ein Ist-Einkommen aufweist. Der Grüne Bericht zeigt eindeutig auf, wieviel die Bauern verdienen sollten, und dieser Betrag wird dem Ist-Einkommen gegenübergestellt. Im Grünen Bericht – meine Damen und Herren, das ist kein Papier der Freiheitlichen, das ist ein Papier, das vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft erstellt worden ist –, zeigen die Zahlen einen Mißstand auf, nämlich daß der Unterschied zwischen Soll- und Ist-Einkommen 53 Prozent beträgt. Man kann es auch mit anderen, folgenden Worten sagen: Das heißt, daß die Bauern 1996 etwa halb so viel verdienten, wie sie laut Grünem Bericht verdienen sollten. Das, meine Damen und Herren, ist in keinem anderen Berufsstand möglich. Dort würde wahrscheinlich die Interessenvertretung sofort auf diesen Mißstand hinweisen.

Aber in diesem Fall, meine Damen und Herren, wird viel herumgesprochen und hin und her debattiert, da heißt es, das sollte sein, und das müßte man machen, aber außer schönen Worten und ein bißchen Fordern geschieht nichts. Ich habe Sie, Herr Minister – das war nicht böse gemeint –, einmal als Forderungsminister bezeichnet, Präsidenten Schwarzböck übrigens auch, weil ihr immer nur fordert, aber diese eure Forderungen nicht in die Tat umsetzt.

Ich bin der Meinung, daß dann, wenn der Präsident der Präsidentenkonferenz etwas fordert und seine Mannen in der Regierung sitzen, diese seine Forderungen auch umgesetzt werden könnten, wenn er es ernst damit meint. Aber wenn ein Politiker nur fordert und diese seine Forderungen nicht ernst nimmt, dann meine ich, daß es am Platze ist, und zwar im Interesse der Bauern, daß er zurücktritt. Ich sage es heute wieder: Wenn Präsident Schwarzböck weiterhin vom alleinigen Fordern nicht abgeht und nicht endlich – im Interesse der Bauern! – versucht, seine eigenen Forderungen im Nationalrat umzusetzen, und immer wieder Forderungen, die er im Interesse der Bauern selbst stellt, ablehnt, dann muß er zurücktreten. Es darf nicht mehr möglich sein, daß solche Bauernverräter weiterhin im Parlament sitzen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der letzte Punkt aus dem Grünen Bericht, den ich hier beleuchten will – ich habe noch andere Sachen vorbereitet –, betrifft den Agrarsektor aus der Sicht des Volkseinkommens. Das ist für alle Berufsgruppen sehr interessant. Aus Sicht der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung – diese wurde auch vom Institut für Wirtschaftsforschung durchleuchtet – sah die Lage 1996 noch trister aus. Der Beitrag zum Volkseinkommen fiel um 10 Prozent auf 35,3 Milliarden Schilling. Das, meine Damen und Herren, ist sicherlich keine Entwicklung, die wir österreichische Staatsbürger so einfach hinnehmen sollten. Es wird auch aufgezeigt, warum das passiert ist, warum diese Entwicklung stattgefunden hat, die hier auch beziffert wird. Wörtlich heißt es hier: Die Beiträge sanken aufgrund höherer Belastungen mit indirekten Steuern.

Das, meine Damen und Herren, zeigt eindeutig auf, was wir – nicht nur im bäuerlichen Bereich! – zu verspüren haben. Es wird zwar auf Regierungsebene immer wieder betont, daß es keine Steuererhöhungen gibt, aber die indirekten Steuern steigen; wir alle wissen, was darunter gemeint ist: Abgabenerhöhung et cetera. Diese trafen auch die bäuerlichen Berufsgruppen sehr stark.

Die düsteren Aussichten für das Bauernjahr 1997 möchte ich hier nicht mehr näher beleuchten. Auch das Wifo hat in diesem Zusammenhang das Wort "düster" verwendet und dabei auf die Notwendigkeit hingewiesen – darauf möchte ich später auch noch zu sprechen kommen –, diese Auswirkungen auf 1998 zu mildern. Sie haben, Herr Minister, die seit langem erhobene Forderung der "Paragraph 7-Kommission", das Vorsteuerpauschale von 10 auf 12 Prozent anzuheben, leider Gottes bis jetzt nicht erfüllt.

Nun möchte ich einen kurzen Auszug aus dem Papier "Die Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für 1998" bringen, damit wir auch die Auswirkungen kennen. Wir Politiker sollten nicht nur von den Entwicklungen der letzten Jahre sprechen, sondern auch von der Zukunft. Zu den


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Politikern, die nur von der Vergangenheit reden, gehören wir Freiheitlichen sicherlich nicht. Für uns ist die Zukunft wichtig, in diesem Fall die Zukunft der österreichischen Bauern. Es ist wichtig, auch die schlechten Aussichten aufzuzeigen, und zu schauen, was die Bundesregierung unternehmen wird, damit sich diese nicht bewahrheiten.

Die Regierung hat sich zur Setzung verschiedener Maßnahmen entschlossen. Hier steht folgender schöner Satz: Die Verbesserung der Einkommensmöglichkeiten für die bäuerlichen Familienbetriebe müsse erreicht werden. Da sind die Direktzahlungen und Leistungsabgeltungen dabei. Wir alle wissen, daß die Direktzahlungen und Leistungsabgeltungen degressiv sind, sie weniger werden, teilweise auslaufen. Es stellt sich also die Frage, wie dann die Absicherung der bäuerlichen Familienbetriebe erfolgen wird.

Hinsichtlich der Einkommenssituation wird darauf hingewiesen, daß BSE, aber auch die Verteuerung der Zukaufsfuttermittel dazu geführt haben. Meine Damen und Herren! Als es um den EU-Beitritt ging, war ein Köder für unsere Bauern immer wieder das Argument des Bauernbundes, die Futtermittel, die Zukaufsfuttermittel und auch die Betriebsmittel würden billiger werden. Aber genau das ist nicht eingetreten. Hier in diesem Papier der Bundesregierung (der Redner hält es in die Höhe) steht eindeutig, daß die Verteuerung der Zukaufsfuttermittel auch zur Einkommenssituation negativ beigetragen hat. Also zwei Jahre später decken sich die Lügen unserer Bauernvertreter von selbst auf, und sie schreiben es dann auch noch schwarz auf weiß nieder.

Ich komme zur Empfehlung der "Paragraph 7-Kommission", die Sie, Herr Minister, heute noch hoffentlich erläutern werden, und gehe auf folgenden Punkt ein: Die "Paragraph 7-Kommission" empfiehlt nicht nur, daß der pauschalierte Vorsteuersatz von 10 auf 12 Prozent erhöht werden soll, sondern spricht auch davon, daß den bäuerlichen Familien keine weiteren sozialen Belastungen mehr zuzumuten sind.

Das, meine Damen und Herren, sagt die "Paragraph 7-Kommission", in der alle Parteien vertreten sind – dieser Beschluß wird auch von allen Parteien mitgetragen –, zu einem Zeitpunkt, zu dem wir wissen, daß jetzt im Parlament anläßlich der Pensionsdebatte sehr wohl Einschränkungen bei den Sozialleistungen für die bäuerlichen Betriebe in Aussicht genommen werden. So soll, meine Damen und Herren, beispielsweise der Pensionsbeitrag von 13,5 Prozent auf 14 Prozent erhöht werden und sollen höhere Mindestbeitragsgrundlagen zur Errechnung kommen. Außerdem soll, meine Damen und Herren – das wissen wir auch –, in den bäuerlichen Betrieben die Mitversicherung des Ehepartners fallen. Es gibt aber auch Zeitungsmeldungen, laut denen es zu einem Streit zwischen der Sozialversicherungsanstalt der Bauern und der Ärztekammern kam. All das ist nicht wegzuleugnen.

Die Aufhebung der Subsidiarität in der Bauernkrankenkassenversicherung führt auch zu einer weiteren sozialen Belastung der bäuerlichen Betriebe, obwohl in der "Paragraph 7-Kommission" die Vertreter aller Parteien sagen, es dürfe zu keiner weiteren Belastung für die bäuerlichen Betriebe kommen. Aber gleichzeitig schnüren Vertreter von Parteien Maßnahmenpakete, in welchen soziale Belastungen festgeschrieben werden, die dann auch per Gesetz die Bauern treffen.

Meine Damen und Herren! Wenn da nicht wieder von Verrat, von Hochverrat zu sprechen ist, dann frage ich mich, wie sich die Parteien aus dieser Lüge (Zwischenruf des Bundesrates Payer ), aus diesem Wahnsinn, den sie an den österreichischen Bauern begehen, herausschwindeln werden, wenn Vertreter aller Parteien in der "Paragraph 7-Kommission" – ich sage es noch einmal – sagen, daß es zu keinen weiteren sozialen Belastungen für die Bauern kommen darf, gleichzeitig aber die Vertreter in der Regierung weitere soziale Belastungen planen, die die Bauern treffen. Daher bezeichne ich das als Lüge (Bundesrat Payer: Wir reden nichts mehr mit Ihnen!) , und ich stelle es immer wieder als Lüge hin, wenn Sie nicht einmal konkret sagen: Wir haben das nicht so gemeint!, oder: Wir ziehen unsere Unterschrift zurück! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Herr Bundesrat! Darf ich Sie darauf hinweisen, daß das Wort "Lüge" ein doch sehr schwerwiegender Vorwurf ist. Ich würde mich an Ihrer Stelle nicht hinter der Immunität verschanzen. Ich würde Ihnen raten, dieses Wort nicht zu gebrauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (fortsetzend): Wenn, Frau Präsidentin, ich das jetzt so interpretieren darf, dann wird es wahrscheinlich so sein, daß die Herren, die in der "Paragraph 7-Kommission" von einer sozialen Belastung gesprochen haben, das wahrscheinlich nicht so gemeint und die Unwahrheit gesagt haben. Das passende Wort dafür zu finden, obliegt Ihnen, meine Damen und Herren hier in diesem Hohen Haus. Ich habe lediglich die Worte interpretiert, die ich draußen von meinen Berufskollegen immer wieder höre, und das zeigt nur, wie enttäuscht unsere Bauern von dieser Bundesregierung sind.

Die Maßnahmen, die gesetzt werden sollen, damit diese negative Entwicklung eine positive Wendung nimmt, sind in diesem Papier der Bundesregierung in Schlagwörtern angeführt. Da heißt es zum Beispiel: Weiterentwicklung der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik in Richtung ökologisch und sozial verträglicher Landbewirtschaftung. Das setzt sich fort bis zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Lauter schöne Worte! Ich möchte Sie jetzt mit diesen Phrasen nicht weiter belästigen. Es handelt sich hiebei wirklich nur um Phrasen, und kein einziger Landwirt versteht, was das soll. Die Bauern möchten höhere Einkommen haben, aber jährlich muß festgestellt werden, daß die Einkommen der Bauern zurückgehen. Doch hier in diesem Papier kann man nur lauter Phrasen lesen. Das, meine Damen und Herren, liegt sicherlich nicht im Interesse der Bauern!

Ich möchte Sie auch auf folgendes hinweisen: Wenn es zu Belastungen der Bauern kommen sollte, diese also hier im Parlament, im Hohen Haus, im Nationalrat beschlossen werden sollten, so hoffe ich, daß der Obmann der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Mitglied des Nationalrates, ebenfalls diese sozialen Belastungen im bäuerlichen Bereich verurteilt und ihnen seine Zustimmung verweigert. Er geht nämlich konform mit den Vertretern, die in der "Paragraph 7-Kommission" sitzen und die der Meinung sind, daß den Bauern keine weiteren Belastungen mehr zuzumuten seien. Er sagt es wortwörtlich; nachzulesen in der "AIZ" vom 13. August. Da sagt Donabauer ganz konkret das gleiche. Ich hoffe, daß er dazu auch stehen wird.

Das sind keine Forderungen, die allein von den Freiheitlichen erhoben werden. Es gibt auch in den anderen im Parlament vertretenen Parteien Politiker, die um die Interessen der Bauern wirklich Sorge haben.

Leider Gottes können Sie sich in Ihrer Fraktion (der Redner blickt in Richtung SPÖ) nicht durchsetzen, und die Bundesregierung macht die Abstimmungsmaschinerie im Parlament dann so für sich geltend, daß es heißt: Leider Gottes, die Bauern sind wieder unter die Räder gekommen, die Bauernvertreter werden zu Bauernverrätern und fallen wieder um.

Ich hoffe, daß dieses Mal kein einziger Bauernvertreter zum Bauernverräter wird. Aus freiheitlicher Sicht kann ich Ihnen heute schon eines garantieren: Es wird kein freiheitlicher Abgeordneter im Nationalrat – auch hier im Bundesrat und in den Landtagen nicht – weiteren Belastungen der Bauern zustimmen. Das, meine Damen und Herren, sind wir nur von seiten des Bauernbundes gewohnt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe vorgehabt, auch über das Budget 1998 kurz zu sprechen. Aufgrund des Umstandes, daß ich auch den anderen Bundesräten gerne zuhören, möchte ich meine übrige Redezeit für Ausführungen betreffend "Agenda 2000" verwenden. Herr Minister! Sie werden sicherlich zum Budget 1998 Ausführungen machen und vielleicht auch das sagen, was ich jetzt sage: Das Agrarbudget wurde von 33 Milliarden Schilling im Jahre 1995 auf 24 Milliarden Schilling im Jahre 1998 gekürzt, abgespeckt. Eine Reduktion von 27,27 Prozent hat kein einziges Ressort hinnehmen müssen. Ich möchte auf die Hilfsmaßnahmen im internationalen Bereich nicht näher eingehen, für die im Rahmen des Agrarbudgets um bis zu 13 Prozent aufgestockt wurde und wo die Mittel für das Personal im Bereich des Beratungswesens um fast 17 Prozent aufgestockt wurden.


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Dazu muß ich sagen: Auch den Bauern muß man in dieser schwierigen Lage die nötige Beratung angedeihen lassen. Sie brauchen Sie, wir sehen es. Ich bin in der Landeslandwirtschaftskammer und weiß, daß die Bauern sehr froh darüber sind, daß sie bei den Bezirksbauernkammern Aufklärung bekommen. In den meisten Bezirksbauernkammern – das möchte ich ehrlicherweise zugeben – wird so aufgeklärt, daß die Bauern die Möglichkeit haben, die Gänze der Förderung in Anspruch zu nehmen. Es gibt noch einige Schwachstellen, wie es überall möglich ist.

Noch einmal: Es ist wichtig, daß die Bauern die nötige Beratung bekommen. Allerdings sollte es nicht so sein, daß dann ständig – das wollen weder die Freiheitlichen noch die Bundesregierung –, wenn davon die Rede ist, daß man entbürokratisieren muß, Personalkosten im Beratungswesen entstehen. Leider kommt dann immer wieder die Ausrede: Das hat die "liebe" EU mit sich gebracht.

Daß dann, meine Damen und Herren, die "liebe" EU als Prügelknabe hingestellt wird, nehme ich nicht zur Kenntnis, denn wir wissen – das brauche ich auch heute nicht zu erwähnen –, wer die EU den österreichischen Bürgern, den österreichischen Bauern empfohlen hat. Es war nicht die Freiheitliche Partei, sondern es war unter anderem bei den Bauern der Österreichische Bauernbund. Ich werde das Wort, das ich heute schon verwendet habe, nicht mehr verwenden, sondern ich zitiere nur die Bauern aus meinem Bezirk, die sagen: Da haben sie uns aber ordentlich belogen!

Ein weiterer Punkt des Budgets 1998: Herr Minister! Vielleicht können Sie uns heute sagen, ob es rein zufällig ist, daß im Budget 1998 die Verwaltungskosten für die AMA, und zwar 346,48 Millionen Schilling, nicht enthalten sind. Ist es deswegen der Fall, weil der Stichtag für die Konvergenzkriterien zufällig der 1. 1. 1998 ist? Ist das wirklich nur ein Zufall? Es steht bei mir zufällig untereinander geschrieben. Herr Minister! Ich bitte Sie, uns den Grund dafür zu sagen. Ich werde Ihre Antwort dann selbstverständlich zur Kenntnis nehmen.

Abschließend noch zur "Agenda 2000". Wenn wir von der Zukunft sprechen, müssen wir sagen: Die Lage der Bauern ist düster. Die Lage der Bauern ist katastrophal. Und jetzt haben wir die "Agenda 2000". Die "Agenda 2000" zeigt folgendes auf: Interventionspreissenkungen bei Getreide von mindestens 20 Prozent, Änderungen bei Ölsaaten und Eiweißpflanzen, nämlich eine Reduzierung der Ausgleichszahlungen von 30 Prozent beziehungsweise von 7,6 Prozent, Änderungen des Flächenstillegungssatzes, Prämiensenkungen bei Flächenstillegung und die Streichung der Prämien bei Silomais. – Dies ist natürlich ein Diskussionspapier, über das man noch lange diskutieren wird.

Nun zu den Auswirkungen des Kulturpflanzenausgleichs auf das Prämienvolumen: Herr Minister! Es gibt einige Punkte, die uns Bauern treffen werden, etwa die Bindung des Kulturpflanzenausgleichs an ökologische Kriterien. Wie sieht es mit der Doppelförderung, die nicht zugelassen wird, in der EU aus? Inwieweit werden die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf das Prämienvolumen die Bauern treffen? Weiters: die Ökobindung der KPA-Prämien, ÖPUL, Elementarförderung, extensiver Getreidebau, Betriebsmittelverzichtsmaßnahmen und weitere Auswirkungen auch im Grünlandbereich, wo extensive Maßnahmen bezahlt werden. Wie weit wird sich das in Milliarden Schilling für unsere Bauern auswirken? Ich meine, für jene Bauern, die nach Ihrer Politik noch übrigbleiben!

Das wird dann noch begleitet von der zeitlichen Degression der Prämien. Es wird natürlich auch davon gesprochen, wie sich das abzeichnen wird. Man kann sich, sollte man sehr negativ eingestellt sein, ein Szenario ausmalen, das katastrophal ist. Das reicht bis zu Aussagen von nichtfreiheitlichen Agrarexperten, wie etwa: Von zehn Bauern werden laut Statistik eineinhalb bis zwei Bauern übrigbleiben.

Ich habe beim Ökosozialen Forum auch mit Generalsekretär Dipl.–Ing. Astl darüber gesprochen. Er hat bestätigt: laut "Agenda 2000" bei Getreide minus 20 Prozent, im Rinderbereich minus 25 Prozent, im Milchbereich etwa minus 10 Prozent. Man kann das noch genauer abschätzen beziehungsweise konkret errechnen.


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Dann gibt es jene Punkte, die, wie er sagte, noch nicht bewertbar sind. Das sind die Punkte, die ich vorhin aufgezählt habe, nämlich bezogen auf den Kulturpflanzenausgleich, auf diese ökologische Bindung. Für den Getreidebereich rechnet Generalsekretär Astl mit zirka 1,5 Milliarden Schilling. Ganz genau kann man das nicht sagen. – Ich bitte, all diese Zahlen nicht ohne Vorbehalt zu verwenden, denn – das wird der Herr Minister heute auch sagen – das ist ein Diskussionspapier, das von der EU ständig überarbeitet wird. Ich kann hier nur jene Zahlen wiedergeben, die vom Generalsekretär der Präsidentenkonferenz Astl mitgeteilt worden sind. Er sprach von 1,5 beziehungsweise 1,3 Milliarden Schilling.

Auf meine Frage, wie hoch man die noch nicht bewertbaren Punkte einschätzen könne, hat er gesagt: mindestens noch einmal so hoch. Damit sind wir dann bereits bei 3 Milliarden Schilling. Vielleicht ist es sogar ein bißchen mehr, denn dabei ist noch nicht berücksichtigt, wieviel der Entfall der Förderung beim Mais ausmachen wird.

Meine letzte Frage an ihn war: Wie sehen Sie die EU-Osterweiterung? Darauf hat er geantwortet, die EU-Osterweiterung werde, soweit er das objektiv sehe, kommen, und sie könnte – ausgedrückt in Milliarden Schilling – Auswirkungen auf die Landwirtschaft in etwa der Höhe haben, die vorhin bereits genannt wurde. Das waren 3 Milliarden Schilling. Man kann also dann auf bis zu 6 Milliarden Schilling kommen.

Ich habe ihn dann auch auf die Einstimmigkeit hin angesprochen und gefragt, ob wir die "Agenda 2000" mit dem Einstimmigkeitsprinzip in der EU verhindern können. Er hat darauf geantwortet, die Einstimmigkeit habe Vor- und Nachteile, man müsse auch versuchen, mit Mehrheiten bestimmte Dinge durchzusetzen. Er hat sich nicht konkret festgelegt.

Herr Minister! Vielleicht können Sie mir heute über den neuesten Weg der Regierung Auskunft geben: Wird es bei der Einstimmigkeit bleiben oder nicht? Ich weiß, daß bei Neuaufnahmen generell andere Regeln gelten. Wie wird es mit den Zielgebieten im ländlichen Raum ausschauen? – Auch diese werden bei der "Agenda 2000" unter die Räder kommen.

Ich möchte abschließend Gerd Sonnleitner, den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, kurz zitieren. Er hat die "Agenda 2000" sehr objektiv betrachtet. Sie wissen das sicher ebenso gut wie ich beziehungsweise noch besser, weil Sie schon des öfteren mit ihm beziehungsweise mit dem deutschen Minister über diese Dinge diskutiert haben. Auch er hat die "Agenda 2000" kritisiert – so wie Sie, Herr Minister, und das hat mich sehr gefreut. Ich hoffe, Sie bleiben im Interesse unserer Bauern stark und setzen sich im Ministerrat und im Parlament durch. Letztendlich hoffen wir, daß wir uns auch in der EU durchsetzen können.

Präsident Gerd Sonnleitner spricht davon, daß gewisse Dinge in der "Agenda 2000" – das betrifft speziell das Gebiet, aus dem ich komme, weil wir extrem viel Milchwirtschaft haben –, beispielsweise die Einführung der Kuhprämien, wieder zu einem Papierkrieg führen werden, und nicht, wie Fischler sagt, zu einer Entbürokratisierung.

Meine Damen und Herren! Er spricht auch davon, daß die deutschen Bauern nicht so sind, wie sie Fischler bezeichnet hat, nämlich daß sie eine Unkultur hätten und "Unternehmensgeist" und "Wettbewerbsfähigkeit" Fremdwörter für sie wären. Ich verwahre mich dagegen. Ich brauche hier nicht die deutschen Bauern zu vertreten, aber ich meine allgemein: Die Bauern sind intelligent genug, um die Zeichen der Zeit zu erkennen, sie wissen, was Wettbewerbsfähigkeit ist. Deshalb fordern sie auch billigere Betriebsmittel. – Meine Damen und Herren! Sie sind aufgefordert, hier mitzuhelfen.

Ich möchte abschließend eine Schlagzeile aus den "Salzburger Nachrichten" zitieren: "Nach 1999 kommt 2000 – auch für die Bauern". Herr Minister! Sie werden wahrscheinlich wissen, was jetzt kommt. Ronald Barazon hat in einem Artikel über die Auswirkungen auf die Bauern und auch über die Vertretung der Bauern gesprochen. Da heute einige meiner Worte so scharf verurteilt worden sind, zitiere ich abschließend die Worte Barazons auf die Bauernvertretung bezogen: "Die Verräter der Bauern".


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Herr Minister! Meine Damen und Herren! Wir werden heute beide Vorlagen ablehnen, weil sie nicht im Interesse der österreichischen Bauern sind, weil sie hinsichtlich der Erhaltung der bäuerlichen Struktur, unserer Jungbauern und vor allem auch bezüglich der Absicherung im sozialen Bereich, nämlich der Bauernpensionisten, in keiner Weise Lösungen aufzeigen. Im Gegenteil, es treten von Jahr zu Jahr immer mehr Verschlechterungen ein. Wir können bei dieser Politik leider oder Gott sei Dank nicht mitmachen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Payer. – Bitte.

11.28

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich ersuche um Verständnis dafür, daß ich mir eine direkte Replik auf meinen Vorredner erspare, weil ich es ganz einfach für übertrieben finde, bei einer Diskussion andauernd Rücktrittsforderungen zu erheben. Auch ich werde Kritik anbringen, auch ich werde meine Bedenken zu einigen Punkten äußern, nur hoffe ich, daß ich das fundierter zusammenbringe und auch in einer solchen Form, daß die Würde des Hohen Hauses nicht gefährdet ist. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Harring. )

Der 38. Grüne Bericht, der zweite nach dem Beitritt Österreichs zur EU, ist meiner Meinung nach ein agrarpolitisches Dokument betreffend die Situation und Perspektiven der österreichischen Land- und Forstwirtschaft. Wichtig erscheint mir, daß er nicht nur die nationale, sondern auch die europäische Agrarpolitik darstellt und daß diese europäische Agrarpolitik mit der österreichischen verflochten gesehen wird. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist ja das Gefährliche!) Meines Wissens nach gibt es keinen anderen Berufsstand in Österreich, der dies jährlich in einer ähnlichen Form tut.

Wir müssen natürlich feststellen, daß mit dem Klischee des Bauern als sein eigener Herr, der mit Umsicht sein Gut bewirtschaftet, aufgeräumt wird. Wer sich heute als Landwirt betätigt, muß nicht nur über Pflanzen und Tiere bestens Bescheid wissen, sondern auch in vielen anderen Dingen, etwa in rechtlichen Dingen, versiert sein.

Klar ist: Ohne Förderungen und Subventionen ist heute kein Landwirt überlebensfähig. Für die österreichische Agrarwirtschaft brachte der EU-Beitritt entscheidende Veränderungen. Der Wegfall des hohen Grenzschutzes, die Konfrontation mit dem internationalen Wettbewerb, die Abschaffung der Marktpreisstützungen – all das sind Probleme, die ich nicht verschweigen will.

Eine wesentliche Ausweitung der Bereitstellung öffentlicher Gelder für die Landwirtschaft war notwendig. Erwähnenswert dabei erscheint mir aber, daß in der Agrarstrukturpolitik der EU lediglich ein gemeinschaftlicher Rahmen vorgegeben wird und daß bei der nationalen Umsetzung die einzelnen Länder mitverantwortlich sind. Das ist die Chance, österreichische Lösungen, österreichische Ansatzpunkte voranzutreiben.

Man sollte dabei aber nicht verschweigen, daß es seit dem Wahlkampf 1995 in der österreichischen Innenpolitik zwischen den beiden Koalitionspartnern eine harte und langandauernde Auseinandersetzung um eine gerechtere Verteilung der Agrarförderungen gegeben hat. Die Betonung liegt auf "gegeben hat", denn in der Zwischenzeit gibt es, nach langen und zähen Verhandlungen, ein Parteienübereinkommen über eine meiner Meinung nach gerechtere Verteilung der Agrarförderung. Dieses Übereinkommen ist somit auch ein Beweis für die Handlungsfähigkeit, ein Beweis für die Kompromißbereitschaft, ein Beweis für die Kompromißfähigkeit der Regierungspartner. Trotz massiver Unkenrufe seitens der Opposition beweist unsere Koalitionsregierung in noch so schwierigen Fragen – und landwirtschaftliche Fragen sind schwierig! – Handlungsqualität, und das wird auch zukünftig so sein.

Wir Sozialdemokraten vertraten 1995 sehr vehement die Forderung nach einer sozialen Staffelung der Fördergelder. Wir wollten einen Mindestsockelbetrag für Kleinbetriebe und eine Obergrenze für Großgrundbesitzer. Das ausgezeichnete Tabellenmaterial im Grünen Bericht 1996 ist ein Beweis für die Richtigkeit unserer damaligen Forderungen. Der kurze blau-schwarze Probe


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galopp bei der damaligen Abstimmung im Plenum des Nationalrates zur Aufstockung der Agrarförderungen ohne Anwendung der von uns geforderten sozialen Staffelung und die anschließende Bauerndemonstration am Ballhausplatz gehören Gott sei Dank der Vergangenheit an.

Besonders die kleinen Betriebe brauchen mehr Unterstützung, um existieren zu können. Es wäre unvernünftig, weiterhin 20 Prozent der Bauern rund 80 Prozent der Ausgleichszahlungen zu geben. Oder ganz konkret, wie es die Tabelle auf Seite 291 zeigt: Es ist nicht einsehbar, daß rund 72 000 Förderungsfälle, nämlich die Kleinbauern, nur einen durchschnittlichen Betrag von rund 22 000 S erhalten, während 400 Großgrundbesitzer, Großbauern rund 2 Millionen Schilling pro Förderungsfall erhalten. Ich hoffe sehr, daß diese Ungerechtigkeit in Zukunft eingedämmt werden wird.

Die von mir angesprochenen Einigungen über eine gerechtere Verteilung der Agrarförderungen in unserem Land sind von großer Bedeutung und werden auch ihre Wirkung über die Grenzen unseres Landes hinaus in der EU haben. Dieses neue Modell sieht vor, daß Betriebe für die ersten 100 Hektar die vollen Fördermittel erhalten, von 101 bis 300 Hektar 85 Prozent, von 302 bis 1 000 Hektar 75 Prozent und ab dem 1 001. Hektar 65 Prozent der gesamten Prämie.

Nun zur Analyse der Einkommensentwicklung im Jahre 1996: Kollege Waldhäusl hat zutreffend festgestellt, daß die Einkommensentwicklung im Durchschnitt durch einen Rückgang gekennzeichnet war: minus 4 Prozent je Familienarbeitskraft. Die reduzierten degressiven Ausgleichszahlungen waren der Grund dafür. Die positiven Entwicklungen im Getreide- und Schweinebereich sowie bei den ÖPUL-Zahlungen konnten die obgenannten, auf die Einkommensentwicklung negativ wirkenden Faktoren nicht zur Gänze kompensieren.

Festzuhalten aber ist: Die Einkommensentwicklung in der Land- und Forstwirtschaft kann aufgrund von Ertrags-, Preis- und Aufwandsschwankungen nur über mehrere Jahre hinweg sinnvoll beurteilt werden. Angesichts der überaus guten Einkommensentwicklung in den beiden vorangegangenen Jahren ist der Rückgang des Jahres 1996 meiner Meinung nach nicht dramatisch. Ich habe mir Zahlen erheben lassen, um einen Vergleich der Jahre 1993 bis 1996 anzustellen: Die Bundesmittel, die eingesetzt wurden, sind in diesen Jahren um 30 Prozent gestiegen, die Förderung der Bergbauernbetriebe um 26 Prozent und jene der Marktfruchtbetriebe um plus 47 Prozent.

Nun einige Anmerkungen zur Entwicklung der Bergbauerneinkommen. Die Bergbauernbetriebe hatten 1996 einen stärkeren Einkommensrückgang zu verzeichnen als die übrigen Betriebe. Auffällig ist, daß die landwirtschaftlichen Gunstlagen, insbesondere das nordöstliche Flach- und Hügelland, in den letzten Jahren beachtliche Einkommenszuwächse aufgewiesen haben und 1996 dieses Einkommensniveau ohne Absenkung gehalten werden konnte. Der Einkommensabstand der Bergbauernbetriebe zum Bundesdurchschnitt und zu anderen Betriebstypen hat sich auch 1996 vergrößert.

Einige Zahlen dazu: Der Abstand der Bergbauernbetriebe zum Bundesdurchschnitt betrug 1994 25 400 S, 1996 leider 30 800 S. Die Differenz zwischen den Bergbauern und den Nichtbergbauern machte 1994 zirka 50 000 S aus, 1996 bereits fast 60 000 S. Der Abstand der Bergbauern zu den Marktfruchtbetrieben betrug 1994 111 500 S, 1996 bereits 145 893 S.

Einige grundsätzliche Bemerkungen dazu: Die Einkünfte in der Land- und Forstwirtschaft kommen zu mehr als zwei Drittel – da hat Kollege Waldhäusl recht – aus öffentlichen Geldern. Die Gunstlagen haben nicht nur die weitaus höheren Einkommen, sondern bei ihnen kommt auch der weitaus größte Anteil aus öffentlichen Geldern.

Einige Anmerkungen zu Spezialbetrieben. Die biologischen Betriebe weisen meiner Meinung nach eine gute Einkommenslage auf, weil sie einen deutlich geringeren Unternehmensaufwand haben. Der Anteil der öffentlichen Gelder bei den Biobetrieben beträgt 73,3 Prozent. (Ruf bei der ÖVP: Das ist nicht richtig!)

Die Argumentation im Grünen Bericht, daß die Biobetriebe mit den konventionell wirtschaftenden Betrieben nur durch die bessere Förderung mithalten können, glaube ich, ist falsch, da der


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Anteil der öffentlichen Gelder bei den Biobetrieben kaum über dem Durchschnitt liegt. Die Marktfruchtspezialbetriebe gehören zu der Betriebsgruppe mit den höchsten Einkommen. Sie weisen aber auch den höchsten Anteil an öffentlichen Geldern auf. Der Anteil der öffentlichen Gelder ist bereits um 10 Prozent höher als bei den Biobetrieben, nämlich 83,4 Prozent.

In den Rinderhaltungsspezialbetrieben blieb der erwartete Absturz bei der Einkommensentwicklung aufgrund der BSE-Krise aus, so fielen die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft lediglich um 1 Prozent. Die Rinderhaltungsspezialbetriebe erwirtschaften allerdings im Vergleich zu anderen Spezialbetrieben ein sehr bescheidenes Einkommen. Der Anteil der öffentlichen Gelder beträgt hier bereits 88,6 Prozent.

Unter dem österreichischen Durchschnitt lag die Einkommensentwicklung bei den Milchwirtschaftsspezialbetrieben.

Von allen Betriebsgruppen die beste Einkommensentwicklung mit plus 20 Prozent hatten 1996 die Schweinehaltungsspezialbetriebe. Sie erzielten 1996 von allen Betriebsgruppen das höchste Einkommen je Arbeitskraft – bei einem weit unterdurchschnittlichen Anteil der öffentlichen Gelder. Die öffentlichen Gelder betragen hier nur 24 Prozent. – Und ich könnte diese Liste noch fortsetzen.

Ich glaube, angesichts dieser Analyse kann zusammenfassend festgestellt werden, daß es notwendig ist, die Einkommensentwicklung über einen längeren Zeitraum zu bewerten und nicht von einem Grünen Bericht zum anderen. Ich komme aus einem Weinbaugebiet, und wenn man sich die Weinbauspezialbetriebe anschaut, dann, muß man sagen, hatten sie im Durchschnitt eine positive Einkommensentwicklung, nämlich plus 5 Prozent. Aber in einzelnen Weinbauregionen war die Einkommensentwicklung auch im Vergleich zu den Vorjahren wiederum recht unterschiedlich. – Wachau minus 14 Prozent, Weinviertel plus 48 Prozent, Burgenland minus 29 Prozent. Ich glaube, wir sollten angesichts dieses Zahlenmaterials mit einer vorschnellen Bewertung, mit einer vorschnellen Analyse sehr vorsichtig sein und über Jahre hinaus die Entwicklung betrachten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Analysen zeigen auch, daß trotz Ausgleichszahlung und gezielten Förderungen das Problem der Landwirte nicht gelöst ist. Engagement, Flexibilität und die Bereitschaft, neue Wege einzuschlagen, sind die besten Voraussetzungen für einen funktionierenden und einträglichen Landwirtschaftsbetrieb. Wurde früher die Quantität gefördert, so geht heute die Tendenz eindeutig zum qualitativ hochwertigen Produkt. Bei hochwertigen Produkten spielt natürlich auch die Tierhaltung, der Tiertransport, eine wichtige Rolle.

Meine Damen und Herren! Gewinnmaximierung darf keinen höheren Stellenwert als die Bedürfnisse der wehrlosen Tiere haben. Einzige Abhilfe könnte meiner Meinung nach ein einheitliches und bundesweites Tierschutzgesetz bringen. Derzeit ist Tierschutz Ländersache.

Sehr geehrter Herr Minister! Da Ihre Partei in den meisten Bundesländern die Agrarlandesräte stellt, ersuche ich Sie, in diesem Bereich für ein bundesweites Tierschutzgesetz aktiv zu werden. Kernpunkt für ein bundesweites Tierschutzgesetz müßte der sogenannte Tiergerechtigkeitsindex sein. Die Einführung eines solchen Indexes würde in allen Fällen zu einer erheblichen Steigerung der Fleischqualität führen. Gerade der BSE-Skandal in Großbritannien hat bewiesen, daß artfremde Fütterung und artfremde Tierhaltung nicht nur Qualitätsverluste, sondern sogar ernsthafte Gesundheitsschäden für den Menschen zur Folge haben. Um so etwas zu verhindern, müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert werden.

Hohes Haus! Im vorliegenden Grünen Bericht sind auch Schutzmaßnahmen angesprochen, wie Schutz des Waldes, Bodenschutz und Gewässerschutz. Positiv und für viele, die sich mit dem nicht näher beschäftigt haben, vielleicht auch überraschend ist zum Beispiel die Entwicklung des Kronenzustandes der Waldbäume. So gibt es über die letzten acht Jahre eine stetige Verbesserung. Man soll nämlich auch das Positive hervorheben.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Noch ein Aspekt: Da ich den Bodenschutz erwähnt habe, möchte ich Sie auf einen organisatorischen Mangel in Ihrem Bereich aufmerksam machen. Im


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Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung aus dem Jahre 1994 wurde vereinbart, daß Sie ein Bodenschutzkonzept vorlegen. Sie haben das in Auftrag gegeben und uns Bundesräten schriftlich angeboten, daß wir die vorliegende Arbeit "Bodenschutz in Österreich" beim Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft in Hirschstetten beziehen können. Ein Kollege aus diesem Haus hat diese Anregung angenommen und binnen einer Woche diese Studie bestellt. Das war am 28. Juli. Am 4. August hat er diese Studie bekommen. Es war da weder die Rede von einer Rechnung noch von Spesen. Vielmehr ist dann am 10. September die erste Mahnung mit Mahnspesen in Höhe von 36 S hereingeflattert. Daraufhin hat Ihnen der Kollege einen Brief geschrieben, hat Sie gelobt, daß es richtig sei, solch eine Studie nicht flächendeckend aufzulegen, sondern nur für diejenigen, die sich dafür interessieren. Er hat aber auch geschrieben, daß er dieses Werk zwar prompt bekommen hat, aber ohne Begleitschreiben, ohne sonstige Mitteilungen und ohne Rechnung. Auf den Brief vom 11. September hat er keine Antwort bekommen, sondern vielmehr vom Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft eine zweite Mahnung. In der Zwischenzeit betragen die Mahnspesen bereits 72 S. Ich möchte hier nicht Groschen zählen, Herr Minister, nur glaube ich, daß man mit solchen Dingen Mandatare verärgert und vielleicht auch viele andere, die sich diesen Bodenschutzbericht bestellt haben.

Nach dieser Kritik, Herr Minister, komme ich zu einer abschließenden Feststellung. Der Grüne Bericht 1996 ist informativ und für alle, die in der Landwirtschaft innovativ tätig sein wollen, eine wichtige Grundlage. Ich sage allen, die daran mitgearbeitet haben, ein herzliches Dankeschön. – Meine Fraktion nimmt diesen Bericht zustimmend zur Kenntnis. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Penz. – Bitte.

11.49

Bundesrat Ing. Johann Penz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über den Grünen Bericht des Jahres 1996 diskutieren, so möchte ich vorweg eines festhalten: 1996 war für die österreichische Land- und Forstwirtschaft hinsichtlich der Erträge und der Einkommen – gemessen an 1995 – ein eher schwaches Jahr. Die im Grünen Bericht erfolgte Auswertung von rund 2 400 landwirtschaftlichen Betrieben ergab im Jahre 1995 einen Einkommenszuwachs von 21,6 Prozent und im Jahr 1996 einen Einkommensrückgang von 3,9 Prozent. Das durchschnittliche Familieneinkommen betrug demnach im Vorjahr rund 14 000 S, wenn ich die degressiven Zahlungen abrechne rund 12 300 S.

Das heißt, nicht einmal 15 Prozent jener Betriebe, die im Grünen Bericht repräsentiert werden, erreichen das durchschnittliche Arbeitnehmereinkommen, das derzeit bei 28 234 S brutto im Monat – inklusive 13. und 14. Monatsgehalt, Jubiläumsgeld und Abfertigungen – liegt.

Mein Vorredner Kollege Payer hat im Detail schon die einzelnen Betriebssparten und Produktionsgebiete dargelegt, ich kann mir daher eine Wiederholung ersparen. Aber ich glaube, wir sollten doch versuchen, die Hauptgründe zu eruieren. Kollege Payer hat völlig recht, wenn er sagt, daß das landwirtschaftliche Einkommen nicht punktuell in einem Jahr, sondern durch mehrere Jahre hindurch diskutiert und betrachtet werden soll.

Es gibt für 1996 eine Reihe von Ursachen, warum dieses Einkommen gesunken ist. Unter anderem waren das der Rückgang der degressiven Zahlungen, die Rinder- und Holzpreise – wir wissen, bei den Rindern ist durch den BSE-Skandal ein deutlicher Einbruch eingetreten –, der gestiegene Aufwand für die Mehrwertsteuer und für die Futtermittel, wobei ich hier gleich korrigieren darf: Wir haben immer gesagt, die Futtermittel werden billiger, und sie sind im Jahre 1995 auch billiger geworden. Die Futtermittel sind im Jahre 1996 gegenüber 1995 teurer geworden, und das hat sich auch positiv bei den Bauern ausgewirkt, weil wir dadurch auch höhere Getreidepreise erreichen konnten. Außerdem sind die Energiekosten und die Kosten für Reparaturen gestiegen.

Aber wir haben auf der anderen Seite auch positive Aspekte zu verzeichnen: Wir haben, wie schon gesagt, gestiegene Getreidepreise gehabt, wir haben im Schweinebereich bessere Erlöse


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erzielen können, und wir haben auch Dank der Initiative von Landwirtschaftsminister Molterer eine Aufstockung der ÖPUL-Förderungen erreicht und eine Nachzahlung von der Europäischen Union bekommen, was in den anderen 14 Länder bisher nicht möglich war. Auch das sollten wir bei einer kritischen Diskussion dieses Berichtes durchaus erwähnen.

Herr Bundesminister! Ich stehe nicht an, für diesen Einsatz und für diesen Erfolg, den wir in Brüssel erreicht haben, ein aufrichtiges Danke zu sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir insgesamt versuchen, eine Bilanz darüber zu ziehen, wie unsere Landwirtschaft den EU-Beitritt verkraftet hat, dann ist einiges dazu zu sagen und anzumerken:

Sie werden sich vielleicht daran erinnern, daß die bäuerliche Standesvertretung im Zuge der Diskussion, ob Österreich der Europäischen Union beitreten soll oder nicht, stets die Meinung vertreten hat, daß die Europäischen Union für die Landwirte in unserer Heimat einen sehr schwierigen Weg bedeuten werde, daß aber gleichzeitig dieser Beitritt zur Europäischen Union mehr Vorteile als Nachteile bringen würde. Der Beitritt zur Europäischen Union hat uns auch eine Reihe von neuen Perspektiven ermöglicht.

Wenn wir diese schwierige Situation, in der sich die Landwirtschaft zweifelsohne befindet, mit jener in der Schweiz vergleichen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann müssen wir sagen, daß gerade die Schweiz, die der Europäischen Union nicht beigetreten ist, heute zur Gänze die GATT-Verpflichtungen umzusetzen und eine Reihe von Schwierigkeiten hat, die weitaus größer sind als jene der österreichischen Bauern. Denn auch in Österreich wären die GATT-Vereinbarungen voll umzusetzen gewesen. Daher glaube ich auch, daß trotz Kritik, die heute von einem meiner Vorredner geäußert wurde, der Beitritt zur Europäischen Union – auch aus bäuerlicher Sicht – richtig war.

Es wurde auch von diesem besagten Vorredner kritisiert, daß bei der Osterweiterung eine Reihe von Problemen auf uns zukommen werden. Wären wir nicht bei der Europäischen Union, so wären diese Probleme heute in einem noch größeren Ausmaß vorhanden. Österreich kann heute mitreden, zu welchen Bedingungen und wann die osteuropäischen Länder in die Europäische Union aufgenommen werden. (Bundesrat Dr. Harring: Das glauben Sie selbst nicht, Herr Kollege!) Zu Ihrer Information, damit Sie es auch wissen: Wir diskutieren heute noch darüber, ob es ein Gruppenmodell oder ein Startlinienmodell geben soll. (Bundesrat Dr. Harring: Märchenstunde ist um 19 Uhr!) Das heißt, sollen wir mit allen Ländern, die jetzt beitrittswillig sind, auf einmal verhandeln, oder nur mit einer Gruppe? Ich glaube, der Beitritt der osteuropäischen Länder ist noch lange nicht vollzogen. Wir sollten den Bauern in keiner Weise Angst machen, genauso wenig sollten wir den Bauern bezüglich Fragen der Sozialversicherung Angst machen.

Es ist immer gesagt worden, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß wir keine zusätzlichen Belastungen im Sozialbereich verkraften können. Und es ist auch den Vertretern bei den Verhandlungen über die Pensionsgesetze gelungen, daß der Beitragssatz von 13,5 Prozent angehoben wird und daß gleichzeitig auch die Beiträge für die Betriebshilfe abgeschafft werden. Das heißt, es gibt in Summe keine Erhöhung im Sozialversicherungsbereich.

Ich bitte auch zu sehen, daß im Bereich der Subsidiarität die mitversicherten Angehörigen nicht von heute auf morgen ausscheiden können, sondern daß immer nur dann eine Neuversicherung eintreten kann, wenn ein neues Arbeitsverhältnis aufgenommen wird. Es wäre bei den verschiedenen Diskussionen ganz gut, würde man sich im Detail mehr informieren, denn dann wäre die Diskussion auch ernsthafter und im Interesse der Bauern auch sinnvoller und kreativer.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir konnten in den ersten Jahren seit dem EU-Beitritt die Einkommen in der Landwirtschaft einigermaßen stabil halten und können gegenüber den Beginn der neunziger Jahre sogar eine verringerte Abwanderung aus der Landwirtschaft feststellen. Dank der zur Abfederung der Beitrittsfolgen vereinbarten beziehungsweise für die österreichische Landwirtschaft getroffenen nationalen Maßnahmen und Anpassungshilfen ist es ge


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lungen, die klein- und mittelbäuerlich strukturierte Landwirtschaft einigermaßen zu erhalten, Hilfestellung zu geben, aber auch die hohen Sozial- und Umweltstandards zu erhalten.

Der gerade von den EU-Gegnern befürchtete Intensivierungsschub in der Landwirtschaft hat zuletzt Dank des von der EU kofinanzierten Umweltprogrammes nicht eingesetzt. Vielmehr ist die heimische Landwirtschaft durch die im EU-Vergleich intensive Teilnahme am Umweltprogramm sowie durch die mit Abstand höchste Zahl an Biobetrieben zum Trendsetter einer nachhaltigen Landwirtschaft in Europa geworden.

Last but not least: Die österreichischen Bauern und die österreichische Agrarpolitik arbeiten so effizient, daß jeder Schilling, der in Brüssel zu holen ist, auch tatsächlich abgeholt wird. Ich freue mich, daß heute schon in einem anderen Zusammenhang ein positiver Satz über die Bezirksbauernkammer gesagt wurde. Es ist dies auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Verdienst der Bezirksbauernkammern. (Bundesrat Waldhäusl: Die Beamten, nicht die Funktionäre, die dort Politik machen!)

Ich weiß, Frau Präsidentin, daß man Scheinheiligkeit nicht sagen darf, ich sage es auch gar nicht, sondern ich glaube, es ist unseriös, wenn man auf der einen Seite die Abschaffung der Bezirksbauernkammern fordert und auf der anderen Seite sagt, die Bezirksbauernkammern erbringen großartige Leistungen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir haben recht behalten, daß wir die Kammern erhalten haben und der Diskussion nicht das Ohr geliehen und die Wichtigkeit dieser Institutionen für die österreichische Republik und für alle Berufsgruppen herausgestrichen haben. Daher sind wir froh, daß wir diese Kammern erhalten konnten, die eine großartige Arbeit leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf aber noch etwas sagen, weil hier und auch von der freiheitlichen Bauernschaft kritisiert wurde, daß die Subventionen für die österreichischen Bauern zu wenig sind. Der Minister wurde aufgefordert, er solle noch etwas tun. Ich darf Ihnen, vor allem aber den freiheitlichen Kollegen etwas zur Kenntnis bringen, was Sie vielleicht noch nicht in Ihrer Pflichtlektüre vorgefunden haben. (Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl. ) In der Ausgabe 10 vom "Trend" kann man auf Seite 72 lesen, was der Parteiobmann der Freiheitlichen Partei auf die Frage bezüglich Subventionen gesagt hat. Die Fragestellung lautet folgendermaßen: Rund 60 Prozent der EU-Subventionen werden für den Agrarbereich aufgewendet. Halten Sie diese Aufteilung gegenüber Klein- und Mittelbetrieben für zeitgemäß und fair? – Die Frage bezog sich auf die Wirtschaft. Dr. Haider gibt zur Antwort: Die FPÖ ist grundsätzlich gegen Subventionen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist wirklich eine Scheinheiligkeit, hier herauszugehen und zu sagen, die Subventionen seien zu wenig, seien zu gering, und auf der anderen Seite sagt Ihr Parteiobmann Dr. Haider, Sie seien grundsätzlich gegen Subventionen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist eine Politik, die wir in vielen Fällen immer wieder vorfinden. Wir lehnen sie aber jedenfalls ab! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können uns keineswegs beruhigt zurücklehnen, wir haben eine Reihe von nationalen und auch internationalen Diskussionen und Entwicklungen, die im diametralen Gegensatz zu unserem Wollen stehen und die auch die heimische Landwirtschaft zu "zerreiben" drohen. Was meine ich damit? – Wir sind einerseits durch die "Agenda 2000", die heute auch schon angesprochen wurde, mit dem Ansinnen der EU-Kommission konfrontiert, die europäische und damit auch die österreichische Landwirtschaft zunehmend dem Wettbewerb auf dem Weltmarkt auszusetzen. Wir sind andererseits mit dem Wunsch der heimischen Konsumenten nach noch schärferen Auflagen, etwa im Bereich der Tierhaltung, konfrontiert, ohne daß dieser Wunsch aber auch den entsprechenden Niederschlag in den Produktpreisen beziehungsweise im Kaufverhalten finden würde.

Ein besonders gutes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Diskussion um die Art der Hühnerhaltung. Ich weiß, die öffentliche Meinung ist gegen die Käfighaltung von Hühnern, und


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der Druck wächst, die Käfighaltung überhaupt zu verbieten. Selbsternannte Tierschützer und Tierbefreier gehen aber sogar so weit, bei Bauern einzubrechen, wie dies im vergangenen Juni in einem Betrieb im Burgenland geschehen ist. Die Stalltüre wurde mit einem Dietrich aufgemacht, das Licht ausgeschaltet und die Legehennen aus dem Stall getrieben. Zimperlich sind die Tierschützer dabei nicht umgegangen! Tausende Eier wurden zertreten oder ins Freie geworfen, mehr als 200 Hennen sind anläßlich dieser sogenannten "Befreiungsaktion" an den Folgen der Verletzungen verendet.

Leider ist dieser Fall, wie wir alle wissen, kein Einzelfall. Die Schäden solcher Befreiungsaktionen belaufen sich – abgesehen vom dadurch entstandenen Tierleid – auf mehrere hunderttausend Schilling. In der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, daß es sich nicht um Kavaliersdelikte zum Wohle der Tiere handelt, sondern daß es sogar eine Notwendigkeit ist, das zu vollziehen.

Meine Damen und Herren! Einbruch bleibt Einbruch. Sachbeschädigung bleibt Sachbeschädigung. Daher würde ich auch die Journalisten bitten – auch den ORF –, solche Vorkommnisse nicht als Heldentaten zu feiern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wundere mich auch, daß mein Vorredner, Herr Kollege Payer, gesagt hat, daß es notwendig wäre, ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz zu schaffen. Gerade wir als Bundesräte haben die Aufgabe, die Kompetenzen der Länder zu vertreten und zu verteidigen und auch danach zu trachten, daß möglichst viele Kompetenzen bei den Ländern bleiben. Das geht, Herr Kollege Payer, völlig unter, und Sie haben davon nichts gesagt – das enttäuscht mich einigermaßen –, daß wir in Österreich heute schon einen der höchsten Tierschutzstandards in Europa haben. (Bundesrat Payer: Wir können noch besser werden!)

Herr Kollege Payer! Es stimmt, daß wir da und dort besser werden können. Überall können wir besser werden. Aber ich bitte, wenn Sie über den Tierschutz reden, nicht nur über den landwirtschaftlichen Tierschutz zu reden, sondern auch darüber zu reden, was heute in verschiedenen Haushalten, in Tierhandlungen und ähnlichem passiert. Ich glaube, da haben wir einen größeren Handlungsbedarf als in der Landwirtschaft. (Bundesrat Payer: Einen gleich hohen!) Denn wir haben in der österreichischen Landwirtschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren (Bundesrat Rauchenberger: Vieh ist Vieh! Was soll das, diese Differenzierung?), durchschnittliche Werte in der Tierhaltung, beispielsweise bei den Hühnern, die nur einem Zehntel des EU-Durchschnitts entsprechen. Wir haben bezüglich Schweine 33 Schweine pro Betrieb in Österreich. Wenn Sie dem gegenüberstellen, wie viele Schweine heute in den Niederlanden gehalten werden, so stellen Sie fest, das sind 655, also das Zwanzigfache dessen, was wir heute bei uns haben. (Bundesrat Rauchenberger: Wo sehen Sie den Unterschied von einem Tier im Stall und einem in der Wohnung?)

Wenn man allerdings, Herr Kollege, das Kaufverhalten auch der österreichischen Konsumenten anschaut, so stellt man fest, der Konsument schaut nach wie vor auf den Preis. Es werden auch naturverbundene, tierliebende Konsumenten ihren Prinzipien, wenn es um den Preis geht, untreu. Denn wie könnte es sonst sein, daß 40 Prozent der angebotenen Freilandeier keine Abnehmer finden, weil eben die Verbraucher andere billige Eier bevorzugen. Das ist die Diskrepanz, die wir heute vorfinden, über die wir natürlich auch sehr offen diskutieren sollten. (Bundesrat Payer: Auch da ist ein Umdenken im Gang! – Bundesrätin Crepaz: Aber beim Tierschutz ist der Föderalismus nicht argumentierbar!)

Meine Damen und Herren! Ähnlich ist es bei der Bio-Milch. Nur etwa zwei Drittel der in Österreich produzierten Bio-Milch kann auch als solche verkauft werden, da das Angebot die Nachfrage bei weitem übersteigt. Frau Kollegin Crepaz! Ich verstehe mich hier im Bundesrat als Vertreter der Länder (Bundesrätin Crepaz: Auch aller Länder, nicht nur einzelner!), und die Länder haben in der Zwischenzeit großartige Tierschutzgesetze beschlossen. Es besteht daher überhaupt keine Notwendigkeit, ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz zu schaffen. Wir sind also mit den Ländergesetzen weit darüber hinausgegangen. (Bundesrätin Crepaz: Österreich ist so winzig, da wird doch wohl ein Gesetz genügen!)


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Meine Damen und Herren! Wollen wir also eine bäuerliche Landwirtschaft in Zukunft in Österreich haben, die auch flächendeckend ist, dann brauchen wir vorrangig zweierlei: zum einen die verstärkte Kooperation mit den Konsumenten – diese entscheiden schließlich mit ihrem Kaufverhalten auch über die Produktionsbedingungen – und zum anderen EU-weite Rahmenbedingungen, die die Fortsetzung des öko-sozialen Kurses nicht nur in Österreich, sondern darüber hinaus auch in der Europäischen Union garantieren.

Mit den in der "Agenda 2000" enthaltenen Vorschlägen der EU-Kommission wird dieser Weg jedenfalls nicht gangbar sein. Eine Bewertung der Kommissionsvorschläge durch die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern hat ergeben, daß die heimische Landwirtschaft bei voller Umsetzung der "Agenda 2000" für die Märkte Getreide, Ölsaaten, Milch und Milchprodukte sowie Rinder gegenüber dem derzeitigen Stand in Summe etwa 1,6 Milliarden Schilling jährlich verlieren würde. Die in der Agenda vorgeschlagene Senkung der institutionellen Agrarpreise für Getreide um 20 Prozent, für Rindfleisch um 30 Prozent und für Milch um 10 Prozent würde natürlich voll auf die Erzeugerpreise durchschlagen. Die Erlöse würden unter Agenda-Bedingungen die variablen Kosten für die heimische Agrarproduktion nicht mehr decken.

Durch den unvollständigen Einkommensausgleich würde die Kommission ihre wesentliche Zielsetzung für die Reform, nämlich die Stabilisierung der landwirtschaftlichen Einkommen zu sichern, nicht erreichen. Besonders zu kritisieren ist, daß die Kommission den vorhandenen Handlungsspielraum zur Verringerung beziehungsweise zur Beseitigung möglicher Marktprobleme in einzelnen Sektoren nicht nutzt, sondern nur einseitig auf Preissenkungen setzt. So werden etwa die Möglichkeiten zur Verringerung der Unterversorgung mit Ölsaaten oder Proteinpflanzen in der Europäischen Union nicht einmal ansatzweise in Erwägung gezogen. Vorschläge zur verstärkten Nutzung von agrarischen Rohstoffen im Nicht-Nahrungsmittelbereich werden überhaupt nicht unterbreitet. Außerdem sollte auch beachtet werden, daß die im Gegenzug zu den Preissenkungen vorgesehenen Direktzahlungen erfahrungsgemäß in Zeiten knapper Budgetmittel von starken politischen Unwägbarkeiten abhängig sind, momentan eine Möglichkeit bieten, aber nach kurzer Zeit wieder in Frage gestellt werden. Schließlich sind die in der Agenda vorgesehenen nationalen Gestaltungsmöglichkeiten wie die Einführung von Obergrenzen, zusätzliche Produktionsauflagen und vieles mehr abzulehnen, da diese eine Wettbewerbsverzerrung innerhalb der Europäischen Union bedeuten würden. Mögliche nationale Gestaltungsspielräume und Auflagen dürfen über Vorschriften im EU-Recht, also beispielsweise die Nitratrichtlinie, nicht hinausgehen, denn das, was wir im Interesse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Land- und Forstwirtschaft am allerwenigsten zumuten können und benötigen, ist nun, nachdem die Diskussion um die alte Renationalisierung Gott sei Dank wohl endgültig vom Tisch ist, sozusagen eine Renationalisierung durch die Hintertüre. Die Beispiele, die ich Ihnen vorhin im Zusammenhang mit der Tierhaltung genannt habe, mögen als Warnung dafür gelten.

Wie soll denn unsere Landwirtschaft gegenüber Ländern in Übersee, die ganz andere Produktionsbedingungen und ganz andere Produktionsmethoden haben, wettbewerbsfähig sein, wenn die Auflagen, die sie zu erfüllen hat, immer härter werden? – Ich empfinde überhaupt den Ansatz der Kommission in der Agenda als Widerspruch, nämlich der europäischen Landwirtschaft immer mehr Auflagen zu erteilen und sie gleichzeitig zunehmend einem Wettbewerb auf dem Weltmarkt auszusetzen, auf dem die hohen Qualitätsstandards Europas nicht durchsetzbar sind.

Wenn man sich die Agenda anschaut, wird man insgesamt den Verdacht nicht los, daß die Kommission bereits jetzt einseitige Vorleistungen der Europäischen Union für die 1999 beginnenden WTO-Verhandlungen erbringen möchte. Dies bestätigt sich, wenn man sich die Meinungen der EU-Landwirtschaftsminister in der Agenda ansieht, und ich darf hier stellvertretend für viele auch Bundesminister Mag. Molterer nennen – mit wenigen Ausnahmen, wenn man Großbritannien und Schweden hernimmt, die eine völlig andere Meinung zur "Agenda 2000" vertreten.

In den kommenden Verhandlungen über die Agenda geht es also um eine Richtungsentscheidung, die in etwa lautet: Soll die Entwicklung der Agrarpolitik nur noch durch den Preis und


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durch den Markt gesteuert werden, oder sollen auch bewährte Instrumente der Agrarpolitik weitergeführt werden? – Angesichts der Meinung, die in der überwiegenden Mehrzahl der EU-Länder zur "Agenda 2000" vorherrscht, bin ich aber optimistisch, daß unsere Vorstellungen zur Weiterentwicklung der österreichischen und der europäischen Agrarpolitik mehrheitsfähig sind.

Wir brauchen daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, erstens eine konsequente Ausrichtung der EU-Landwirtschaft in Richtung klar definierter Qualitätskriterien sowie Produktionsmethoden, die den Erfordernissen des Umweltschutzes, des Bodenschutzes, des Wasserschutzes und des Tierschutzes entsprechen. Um einen fairen Wettbewerb innerhalb dieses Binnenmarktes zu gewährleisten, müssen Qualitätsstandards und Regelungen der Produktions- und Bearbeitungsmethoden für alle EU-Länder möglichst gleichermaßen und gleich verbindlich gelten. Wir brauchen überdies strikte Kennzeichnungsverpflichtungen für alle Anbieter aus der EU wie auch aus allen übrigen Teilen der Welt.

Zweitens brauchen wir ein vernünftiges Verhältnis zwischen den Anforderungen bezüglich Produktion und Qualität zu den erzielbaren Erzeugerpreisen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn durch den Beitritt zur Europäischen Union die Agrarpreise im Durchschnitt um 22 Prozent gefallen sind, so kann man sagen, die Preise für die Konsumenten sind im Durchschnitt nur um 1,7 Prozent gefallen. Wir haben heute noch in Österreich durchschnittliche Getränke- und Nahrungsmittelpreise, die um 12 Prozent teurer sind als in der Europäischen Union.

Drittens brauchen wir den Produkterlös und eine garantierte direkte Bezahlung für definierte Dienstleistungen als Säulen des landwirtschaftlichen Einkommens.

Viertens brauchen wir die Forcierung und Unterstützung der Vielfalt unternehmerischer Tätigkeiten, wie wir sie auch im Rahmen der Gewerbeordnung ansatzweise ermöglicht haben, und außerlandwirtschaftliche Erwerbsmöglichkeiten der bäuerlichen Familien. Ziel muß die bäuerliche Familie beziehungsweise der landwirtschaftliche Betrieb als vielfältig agierendes bäuerliches Unternehmen im ländlichen Raum sein.

Schließlich und endlich brauchen wir die Erzeugung nachwachsender Rohstoffe und erneuerbare Energien – nicht als geduldete Maßnahme auf irgendwelchen Stillegungsflächen, sondern als zentrales Anliegen der EU-Agrarpolitik, der Energie- und auch der Umweltpolitik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über all dies hinausgehend brauchen wir aber noch eines: Wir brauchen Verbündete über den agrarischen Bereich hinaus, mit denen wir gemeinsam überlegen, wie wir die Qualität und die Sicherheit bei den Lebensmitteln und die Pflege des Landes erreichen wollen. Dazu brauchen wir den kritischen Dialog mit Umweltschützern, mit Natur- und Tierschützern genauso wie mit den Konsumentenschützern. Wenn es uns gelingt, diese Partnerschaften auf- und auszubauen, dann hat auch die bäuerliche, ökologisch orientierte Landwirtschaft eine Zukunftschance, und vielleicht ist gerade die Diskussion um den Grünen Bericht 1996 dafür ein geeigneter und guter Ansatz. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.16

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Waldhäusl gemeldet. Ich erteile ihm das Wort und weise auf die fünfminütige Redezeitbeschränkung hin.

12.16

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die erste Berichtigung möchte ich hinsichtlich der sozialen Belastung der Bauern machen, und zwar hat Kollege Penz gesagt, daß es zu keiner sozialen Belastung komme. Ich zitiere den Obmann der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Donabauer, und stelle damit eindeutig klar und richtig: Keinesfalls hänge dieser Schritt, wie von der Ärzteschaft in ihrer Kritik betont ist – da geht es um diesen Streit von Kammer mit der Ärztekammer –, mit der Sanierung der bäuerlichen Pensionsversicherung zusammen, unterstrich Donabauer. Diesen Betrag von rund 250 Millionen Schilling hätten die Landwirte nämlich durch


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eine Anhebung ihrer Pensionsversicherungsbeiträge von 13,5 auf 14 Prozent und eine höhere Mindestbeitragsgrundlage selbst aufzubringen. – Zitatende. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Penz. ) Sie müssen lernen, richtig zu lesen, Herr Kollege Penz! Nehmen Sie das zur Kenntnis, daß das eindeutig die Bauern tragen.

Zweite Richtigstellung: Kollege Penz hat weiters gesagt, daß laut Aussage von "Trend" Jörg Haider die Subventionen nicht haben und damit den Bauern Geld wegnehmen möchte. Ich habe in meiner Rede eindeutig darauf hingewiesen, damit jeder hier in diesem Haus auch versteht, was öffentliche Gelder sind. Ich wiederhole noch einmal: degressive Ausgleichszahlungen, Bodennutzung, Marktordnungsprämien, ÖPUL, Ausgleich der Tierhaltung, Tierprämien, Ausgleichszahlungen. Der Rest sind Ausgleichszahlungen. Und dann sagt Kollege Penz, Haider möchte ihnen das grundsätzlich, weil er gegen Subventionen ist – er hat gar nicht gesagt, daß er niedrige Steuern will –, streichen. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, Kollege Penz: Sie haben das nicht verstanden, dann nehme ich es zur Kenntnis. (Bundesrat Rauchenberger: Oder Sie haben es nicht verstanden!) Und wenn Sie es verstanden haben, dann haben Sie bewußt die Unwahrheit gesagt. Zwischen Subventionen und öffentlichen Geldern hat jeder hier in diesem Haus, dem ich diese Intelligenz anerkenne, zu unterscheiden, und Sie haben auch diese Intelligenz. Damit haben Sie bewußt die Unwahrheit gesagt, und ich stelle richtig, daß Jörg Haider keinem Bauern die Ausgleichszahlungen nehmen möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.19

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile als nächstem Herrn Bundesminister Mag. Willi Molterer das Wort. – Bitte.

12.19

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte bei Kollegen Bundesrat Penz fortsetzen, der gebeten hat, daß der Grüne Bericht des Jahres 1996, der heuer diskutiert wird, zu einer sachlichen Diskussion verwendet werden sollte. Das ist gut so, weil die Landwirtschaft und die Bauern an einer sachlichen Auseinandersetzung über die Zukunft interessiert sind.

Ich lege Wert auf die Feststellung, daß der Grüne Bericht ein ungeschminktes Bild über die reale Situation gibt und daher im Jahr 1996 ein Minus von 3,9 Prozent der Einkommen je bäuerlicher Familienarbeitskraft aufweist. Ich möchte aber wie Kollege Payer den Grünen Bericht in einen größeren zeitlichen Zusammenhang stellen.

Ich erinnere nur an die Diskussion im vergangenen Jahr über den Grünen Bericht 1995 hier in diesem Hohen Haus. Ich habe manchmal den Eindruck – ich sage das etwas emotionell, weil es mir auch emotionell entgegengeschallt ist –, daß ein Grüner Bericht, der ein Plus bei den bäuerlichen Einkommen aufweist, für manche in diesem Hohen Haus kein guter Bericht sein kann, und ein Grüner Bericht, der ein Minus aufweist, kann auch kein guter Bericht sein. Ich stelle daher für mich fest: Der Grüne Bericht hat objektiv zu sein – und das ist er auch! Er beschönigt nicht, er zeigt reale Fakten auf. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte nicht auf die Details eingehen, die Ihnen allen im Bericht zur Verfügung stehen und die schon ausführlich dargestellt wurden, sondern aus meiner Sicht einige Feststellungen machen.

Der Grüne Bericht und die schon zwei Jahre dauernde Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Union zeigen deutlich, daß es zu dieser Mitgliedschaft auch aus Sicht der Landwirtschaft keine Alternative gibt.

Meine Damen und Herren! Jeder, der hier salopp erklärt, daß alles und jedes auf die Europäische Union zurückzuführen ist, möge sich nur vor Augen halten, was passiert wäre, wenn Österreich angesichts der Währungssituation im Jahre 1995 – nämlich der Lira-Abwertung – nicht Mitglied der Europäischen Union gewesen wäre. Wir hätten die Exportchancen nicht wahrnehmen können!


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Jeder möge sich vor Augen halten, was passiert wäre, wenn Österreich nicht EU-Mitglied gewesen und die GATT-Abschlüsse wirksam geworden wären: Wir hätten die exportierten Mengen und die Stützungen reduzieren müssen!

Es möge sich jeder vor Augen halten, meine Damen und Herren, was auf dem Getreidesektor geschehen wäre: Ohne EU-Mitgliedschaft war uns der Getreideexport in die Europäische Union verwehrt – das wissen alle, die sich damit beschäftigen –, und angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung etwa in Rußland, Weißrußland oder der Ukraine möge mir jemand erklären, wohin wir unser Getreide hätten exportieren können, wären wir nicht Mitglied bei der Europäischen Union gewesen! Dasselbe gilt für die Milchbauern, dasselbe gilt für die Forst- und Holzwirtschaft.

Das Entscheidende ist daher für mich – auch in der Perspektive –: Was die Bauern brauchen, ist Absatz, und was die Bauern brauchen, ist die Verkaufsmöglichkeit, die ihnen die Europäische Union bietet.

Zweite Feststellung: Es hat niemand verschwiegen, daß der Weg in die Europäische Union für die Landwirtschaft ein schwieriger Weg ist. Wir haben die Vorteile und die Nachteile aufgelistet und gesagt: Unter dem Strich ist der Beitritt notwendig, und er braucht eine Abfederung, die wir mit dem Europa-Übereinkommen, das wir Jahr für Jahr auf Punkt und Beistrich umsetzen, auch verwirklicht haben. Die österreichischen Bauern haben das, was ihnen im Jahr 1994 vor der Abstimmung zugesagt wurde, auf Punkt und Beistrich erhalten (Bundesrat Waldhäusl: Na, na! Bleiben Sie bei der Wahrheit, Herr Minister!), und ich bin stolz darauf, daß die Bundesregierung das, was sie im Jahr 1994 zugesagt hat, auch tatsächlich eingehalten und umgesetzt hat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich an dieser Stelle auch ausdrücklich und dezidiert bei den Bundesländern dafür, daß es neuerlich gelungen ist – auf Initiative dieser Bundesregierung, vereinbart zwischen Kollegen Edlinger und mir –, für die österreichische Landwirtschaft eine neuerliche Verlängerung des Solidarpaktes für die Jahre 1999 bis 2002 zu erreichen, und zwar über die gemeinsame Finanzierung der Landwirtschaft. Das ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern. Das 40-Milliarden-Paket ist zwischen Bund und Ländern als Fixbestandteil vereinbart und gibt damit den österreichischen Bauern Sicherheit.

Dritte Feststellung: Selbstverständlich bedeutet der Beitritt zur Europäischen Union Umstellung, ja eine massive Umstellung! Das haben wir gewußt, daraus haben wir kein Geheimnis gemacht, und es gibt wenige Sektoren, die eine Umstellung in dieser Dimension in so kurzer Zeit so bewältigt haben wie die österreichische Landwirtschaft. Dafür gebührt in erster Linie den mutigen Bäuerinnen und Bauern Dank.

Wir haben die Unterstützung etwa der zitierten Bezirksbauernkammern gebraucht, und ich hebe hervor, daß erstmals von einer den Kammern gegenüber kritischen Gruppierung anerkannt wird, daß ohne die Arbeit der Kammern – sprich: ohne die Leistung der Sozialpartner – dieser Umstieg nicht möglich gewesen wäre. Ich werde das auch gerne weiterleiten. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Payer: Das ist nur sehr kurzfristig gewesen!)

Vierte Feststellung: Es ist richtig, daß der Anteil der öffentlichen Gelder am landwirtschaftlichen Einkommen gestiegen ist, substantiell gestiegen ist. Aber, meine Damen und Herren, jene, die das heute kritisieren, vergessen offensichtlich – oder sie haben ein kurzes Gedächtnis –, daß vor dem EU-Beitritt kritisiert wurde, daß es zu viel Geld für Preisstützungen gebe, daß es zu viel Geld für Interventionen gebe und daß zuwenig Geld direkt an die Bauern gehe. Und jetzt haben wir all das: Jetzt haben wir weniger Preisstützungen, wir haben keine Exporterstattungen mehr, es gibt keine österreichischen Interventionen, die Fonds in Österreich gibt es nicht mehr, und wir geben direkt den Bauern mehr Geld. – Und jetzt ist es wieder nicht recht!

Ich kenne mich nicht mehr aus. (Bundesrat Dr. Tremmel: Weil es weniger Bauern geworden sind!) Ich erinnere mich noch an Zeiten, als es den Huber-Plan gegeben hat, in dem vorgeschlagen wurde, sofort den Weltmarktpreis einzuführen und jedem Bauern – mit Ausnahme der Nebenerwerbsbauern – 100 000 S auf die Hand zu geben. Und das, was wir gemacht haben, ist jetzt plötzlich falsch? – Also ich bin eher der Überzeugung, daß es sinnvoll ist, die langfristige


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Linie einzuhalten, wie wir vorgegeben haben: nämlich für diese bäuerliche Landwirtschaft konsequent zu arbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

Fünfte Feststellung: Meine Damen und Herren! Es gibt viele positive Initiativen, über die berichtet werden sollte, auch bei einer Debatte angesichts eines durchaus kritisch zu wertenden Grünen Berichtes – ich beschönige das nicht. Es gibt viele positive Initiativen im ländlichen Bereich: Ich denke etwa an die Regionalpolitik, die neue Impulse bekommt, ich denke an die 5b-Projekte, ich denke an die Umweltinitiativen, die durch das Umweltprogramm gestartet werden, ich denke an den Sektorplan, der viele positive Effekte auch in der verarbeitenden Wirtschaft hat. Es muß aber auch klar gesagt werden – Stichwort Verarbeitungswirtschaft –, daß der Struktureffekt, die Strukturreform noch nicht abgeschlossen sind. Es muß sich eine noch wettbewerbsfähigere Verarbeitungswirtschaft einstellen – wir sind auf gutem Wege dazu –, das brauchen wir, das brauchen die Bauern.

Sechste Feststellung: Wir haben uns hinsichtlich der Positionierung auf dem Markt um vieles positiver entwickelt, als uns manche prophezeit haben. Die österreichische Landwirtschaft hat den österreichischen Markt im wesentlichen verteidigen können – natürlich zu tieferen Preisen, das ist kein Geheimnis. Ich danke daher – und ich bitte, das auch politisch als extrem wichtig zu transportieren – den österreichischen Konsumenten, weil wir diese Partnerschaft brauchen.

Positiv entwickelt sich, meine Damen und Herren, der Export österreichischer Agrarprodukte. Wer heuer und in den letzten beiden Jahren das Vergnügen hatte, so wie ich bei der größten Nahrungsmittelmesse der Welt zu sein, konnte erkennen, wie positiv die Entwicklung ist. Etwa 150 österreichische Unternehmen haben dort österreichische Agrarprodukte präsentiert; die Exportrate nach Italien und in die Bundesrepublik Deutschland ist positiv.

Siebente Feststellung: Natürlich gibt es Notwendigkeiten auch in Zukunft, ich denke etwa an die Frage: weitere Kostensenkung. Das ist ein Projekt, dem wir uns – Stichwort: neues Pflanzenschutzmittelrecht – ständig widmen müssen. Je besser ich hiebei unterstützt werde, desto besser ist das auch für die österreichischen Bauern.

Meine Damen und Herren! Einige wenige Sätze zu den Debattenbeiträgen.

Zur § 7-Kommission und deren Empfehlungen: Ich bin dankbar, daß ich sie habe, sie helfen bei der politischen Umsetzung. Es ist richtig, daß wir in der Frage Mehrwertsteuerpauschalierung noch nicht so weit sind, wie wir sein sollten und wie wir sein möchten. Es ist dies Gegenstand der Debatte über die Steuerreform, die wir für die nächsten Jahre vorbereiten, das ist auf der Tagesordnung.

Herr Kollege Waldhäusl! Zur sozialen Frage: Wissen Sie, eine Grundrechnungsart sagt: Wenn man sich 300 Millionen erspart hat und 250 Millionen bezahlt, bleibt ein Saldo, der nicht negativ ist.

Ihre Aufforderung, einem Sozialpaket nicht zuzustimmen, ist gleichzeitig damit verbunden, daß auch die positiven Effekte eines derartigen Paketes nicht zum Tragen kommen. Daher gehe ich davon aus, daß wir eine Gesamtlösung machen, die für alle Beteiligten vernünftig ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Waldhäusl: Das ist arg!)

Zum Budget: Ich werde im Rahmen der Budgetdiskussion selbstverständlich alle Fragen beantworten, aber die beiden von Ihnen gestellten Fragen verstehe ich nicht. Sie loben die Beratung, die intensiver ist, und fragen gleichzeitig, warum im Budget mehr dafür veranschlagt ist. – Ja, es gibt mehr im Budget, weil wir mehr Beratung brauchen, weil die Bauern ein Anrecht auf Beratung und Information haben.

Zur Agrarmarkt Austria. Wenn Sie das genau lesen, dann erkennen Sie – ich kann es Ihnen auch sagen, damit Sie es nicht so genau lesen müssen –: Die Agrarmarkt Austria löst Rücklagen auf, die in der Vergangenheit entstanden sind, weil ich es nicht einsehe, daß Verwaltungskosten bezahlt werden, wenn gleichzeitig Rücklagen bestehen. Daher können wir uns, solange diese Rücklagen nicht verbraucht sind, die Verwaltungskosten durch den Bund und die Bezu


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schussung ersparen. Das ist die ganz einfache Erklärung. (Bundesrat Waldhäusl: Woher sind die? Sind das Bauerngelder?)

Nein, das sind keine Bauerngelder, Herr Kollege Waldhäusl, sondern das sind Gelder, die in den früheren Fonds – Milchwirtschaftsfonds und Getreidewirtschaftsfonds – für Pensionsrücklagen entstanden sind. Der Bund übernimmt die Haftung für die Pensionen, und im Gegenzug dazu werden die Pensionsrücklagen aufgelöst. Das ist ein ganz einfacher rechnerischer Vorgang.

Zur Agenda: Die Agenda in dieser Form findet nicht unsere Zustimmung. Sie ist so sicher nicht verwirklichbar. Es findet derzeit eine ganz interessante Diskussion in der Europäischen Union statt, die in die richtige Richtung geht, nämlich: Was ist eigentlich die europäische Landwirtschaft, was ist das Besondere daran, und was muß man tun, um sie zu erhalten? – Multifunktionalität, Nachhaltigkeit, Umwelt, Sicherheit für die Verbraucher, um nur einige Beispiele zu erwähnen.

Herr Kollege Waldhäusl! Sie haben Barazon zitiert, und ich würde Sie schon bitten, daß Sie das Ganze zitieren. Wissen Sie, was Barazon uns vorwirft? Diesen Vorwurf lasse ich mir gerne gefallen! Barazon wirft uns vor, daß wir nicht für die Industrialisierung der Landwirtschaft eintreten. – Ich trete nicht für die Industrialisierung der Landwirtschaft ein! Ich trete für die bäuerliche Landwirtschaft ein. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu Herrn Bundesrat Payer: Es ist richtig, daß wir eine vernünftige Lösung gefunden haben hinsichtlich der Modulation der Prämien im Umweltprogramm, und die Europäische Union diskutiert im Zusammenhang mit der Agenda in der Zwischenzeit bereits unsere Ideen und Vorstöße in Richtung Modulation des Prämiensystems.

Ich mische mich nicht in die Diskussion über die Bund-Länder-Kompetenzen ein, aber ein Satz sei mir dazu gestattet. Ich verstehe es nicht, daß für den Jugendschutz die Länderkompetenz gut ist, und für den Tierschutz sollte sie plötzlich nicht gut genug sein!

Ich frage mich, meine Damen und Herren: Wenn es Verbesserungen gibt, warum können diese Verbesserungen nicht auch auf Länderebene greifen? – Ich gehe davon aus, daß die Länder genauso tierschutzbewußt sind wie der Bund. Es geht um den Inhalt, den wir gemeinsam verbessern wollen. Und ich meine, einem Tier ist es nicht wichtig, in welchem der Hohen Häuser ein Gesetz beschlossen wird, sondern daß es gut funktioniert. Das ist die wichtigere Fragestellung! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Payer! Ich darf Ihnen mitteilen, daß der von Ihnen angesprochene Bundesratskollege in der Zwischenzeit ein Antwortschreiben hat, abgefertigt am 17. Oktober dieses Jahres, und ich gehe davon aus, daß das Kostenbewußtsein in der öffentlichen Verwaltung eine allgemeine Zielsetzung ist, die von den Abgeordneten selbstverständlich unterstützt wird. Für organisatorische Mängel entschuldige ich mich namens meiner Mitarbeiter. (Beifall bei der ÖVP.)

12.35

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Mag. John Gudenus das Wort. – Bitte sehr.

12.35

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der vor uns liegende Grüne Bericht zeichnet sich durch sehr gutes Zahlenmaterial aus, und auch seine Textierung findet in weiten Bereichen meine Zustimmung.

Ich möchte aus dem Zahlenmaterial zum eher heiteren Einstieg zwei Zahlen erwähnen: die land- und forstwirtschaftlichen Arbeitskräfte 1995: 630 964, davon 100 Ziegen in Wien. Das sind aussagekräftige Bereiche. Nun wird die Aussagekraft ja auch in der Einleitung des Berichtes zitiert. Der neue Bericht will nicht nur die Auswirkungen der österreichischen, sondern auch jene der europäischen Agrarpolitik auf die bäuerliche Familie und den ländlichen Raum analysieren und fachgerecht kommentieren. – Ich glaube, dieser Anforderung kommt der Bericht in weiten Teilen nach.


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Herr Bundesminister! Ihre Bemerkungen jedoch stimmen schon nicht mehr ganz mit dem, was ich aus dem Bericht herauslese, überein. Die agrarpolitische Situation könnte schlagworthaft dargestellt werden, wenn ich sage: ein Minister hilflos, die Koalitionspartner ratlos, die Bauern mittellos bis mutlos – und die FP-Opposition zum Glück nicht sprachlos. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Nur orientierungslos! – Bundesrat Ing. Penz: Und Ihre Rede sinnlos!)

Herr Kollege! Das sei Ihnen unbenommen. Ich werde mir nicht die Freiheit nehmen, Ihre Rede so zu bezeichnen. Ich sage nur, Ihre Rede ist regierungskonform und trifft nicht die Anliegen der Bauern. Und wenn Sie meinen, daß das Sinn gibt, den Bauern nicht gerecht zu werden, dann werden Sie Ihrer Aufgabe nicht gerecht! Also lassen Sie es bitte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundesminister ist glücklich, daß die Umstellung in so kurzer Zeit gelungen ist. Herr Bundesminister! Sie erinnern mich dabei an den Leiter einer Sterbeklinik, der froh ist, daß schmerzlos zu Tode gepflegt worden ist. Diesen Vorwurf muß man machen. Seit wir der EU beigetreten sind, sind 40 000 bis 50 000 Bauern von ihrem Hof abgewandert. (Bundesminister Mag.  Molterer: Das ist falsch!) Kurz könnte man sagen: Ave Molterer, in morituri te salutant!

Ihr Einwurf, Barazon fordere eine industrialisierte Landwirtschaft, trifft auch nicht zu. Er hat nur erwähnt, daß wir uns auf eine industrialisierte Landwirtschaft zubewegen. Und das ist etwas anderes, als wenn er sie fordert. (Bundesrat Dr. Linzer: Wir sind ja nicht auf der Löwingerbühne!)

Wie steht es mit der Landwirtschaft? – Die Bäuerinnen haben ein gutes Gespür dafür. Im Grünen Bericht gibt es eine Statistik, wonach die Wertschätzung der Bäuerinnen dem gilt, daß sie eine ganztägige Kinderbetreuung haben, nämlich mit 50 Prozent, aber das Mißfallen mit 63 Prozent drückt sich durch die Abhängigkeit von Förderungen aus. Die Naturverbundenheit befindet sich mit 46 Prozent im positiven Bereich, aber das geringe Familieneinkommen mit 44 Prozent im negativen, die Selbständigkeit mit 41 Prozent im positiven, aber kein eigenes Einkommen der Bäuerinnen mit 36 Prozent im negativen Bereich. – Sie sehen, das sind mit Gründe, warum der Landwirt, der Bauer, seinen Hof verläßt.

Es werden immer wieder die Veränderungen der bisherigen Rahmenbedingungen durch den EU-Beitritt erwähnt. Damit wird auch der Abbau des notwendigen Grenzschutzes angesprochen. – Ich weiß auch nicht, warum immer alles so notwendig ist. Erst treten wir als Vorzugsschüler auf, und dann wundern wir uns, daß für bestimmte Berufsgruppen in Österreich die Situation nicht besser wird oder zumindest nicht so gehalten werden kann, wie sie ist.

Auch wird erwähnt, daß auch ohne EU-Mitgliedschaft unvermeidliche Konsolidierungen der öffentlichen Haushalte notwendig wären. – Wie wahr! Total richtig. Nur: Ohne EU-Mitgliedschaft hätten wir es als Parlament selbst in der Hand gehabt, den Zeitplan der Konsolidierung festzulegen und müßten nicht dem Phantom der 3 Prozent und 60 Prozent und was es da an x-Prozentrechnungen gibt, nachjagen, was im Endeffekt zum Nachteil einer Berufsgruppe, über die wir heute sprechen, und insgesamt wahrscheinlich zum Nachteil Österreichs als Industriestandort ist, denn es werden ständig Arbeitskräfte abgebaut und Industrien verlagert – und all das, weil wir einer Globalisierung frönen, die unserem Staat, die unserer Volkswirtschaft einfach nicht entspricht. (Bundesrat Hüttmayr: Das glauben Sie alles selbst nicht, was Sie da sagen!) Das macht mir nichts, wenn Sie es nicht glauben. (Bundesrat Hüttmayr: Gott sei Dank!) Lassen Sie mir meine Gläubigkeit, ich lasse Ihnen die Ihre. Deswegen stehen wir auf zwei verschiedenen Seiten, Herr Kollege!

Die Sparprogramme werden natürlich in Verbindung mit den strengen Maastricht-Kriterien gebracht. Wie ich schon sagte, wir haben es nicht in der Hand, die Sparprogramme festzulegen, Sie werden uns gewissermaßen, durch unseren Zwang, Vorzugschüler sein zu wollen, vorgeschrieben.

Es fehlen natürlich auch alle Vergleichsszenarien, um sagen zu können, wie es wäre, wenn wir nicht bei der EU wären. Immer wieder hört man, wie schrecklich es wäre, wenn wir nicht in der EU wären. Wir sind in keiner physikalischen Anstalt, in der wir untersuchen könnten, ob der


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Pendelschlag so oder so wäre. Wir wiederholen es so lange, bis es paßt. Wir betreiben beinharte Politik und stellen fest, daß unsere Landwirtschaft unter dieser Politik leidet. Ob sie im umgekehrten Fall noch mehr gelitten hätte, das können wir gar nicht beurteilen. (Bundesrat Prähauser: Schauen Sie in anderen Ländern nach, die nicht in der EU sind! – Bundesrat Dr. Tremmel: Norwegen zum Beispiel!) Wir haben keine Vergleichsdaten für die Beurteilung, genauso wie bei der Arbeitnehmerschaft, wir haben keine Vergleichsmöglichkeiten. (Bundesrat Hüttmayr: Tun Sie nicht nur schwarzmalen!) Das ist sozusagen eine zeitkonforme Beurteilung, daß die österreichische Landwirtschaft – bei allen Bemühungen Ihrerseits, das sei nicht negiert, Herr Bundesminister – einem langsamen Siechtum entgegengeht.

Vertröstet wird auf mittelfristig und langfristig positive Wirkungen. Das haben wir immer gerne gehört, daß wir mittelfristig und langfristig positive Wirkungen erwarten können, obwohl wir wissen, daß uns das jetzt gar nichts nützt. Kurzfristig merkt man lediglich, daß die Chancen auf dem Binnenmarkt für jene Leute sinken, die aus dem bäuerlichen Bereich abgewandert sind – wir hörten, es sind rund 40 000 bis 50 000; es werden noch mehr werden –, daß sie nicht mehr zurückkommen können. Sie haben auch auf dem freien Arbeitsmarkt, meine Damen und Herren, derzeit keine Chance. Die Arbeitslosigkeit steigt noch immer, da gibt es die Konkurrenz zur Gewerkschaft. Es gibt immer wieder neue Arbeitslose. Es stellt sich die Frage: Was machen wir mit ihnen? – Wir sollten froh sein, wenn unsere Bauern, sowohl Nebenerwerbsbauern als auch Haupterwerbsbauern, auf dem Land blieben. Anstatt die Bauernschaft als die Arbeitslosenverhinderung zu handeln, wird eine Politik gemacht, die uns irgendwelchen Weltmarktkriterien unterwerfen will, mit denen wir sowieso nicht konkurrieren können. Wir sind aufgrund der Topographie ein mitteleuropäischer Kleinstaat, der zum Glück trotzdem bäuerliche Produktionsstätten aufweist. (Bundesrat Ing. Penz: Wir haben aber tüchtige Leute, die Weltklasseprodukte erzeugen!) – Na, zum Glück, sonst wären sie schon längst "abgehauen", wenn sie nicht tüchtig und solch einer Politik gegenüber resistent wären. Aber es gibt auch Leute, die nicht tüchtig sein können! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man rühmt sich mit der Uruguay-Runde, mit GATT und WTO; diese drei sind Dauerthemen dafür, wie wir uns dem Weltmarkt anpassen. In diesem Bericht steht auch – für mich ist es erstaunlich, daß der Bericht so offen geschrieben ist –, daß die USA Flächenstillegungsverpflichtungen abgeschafft hat. Was bedeutet das? – Sie werfen sich mit ihren anderen Produktionsmethoden voll auf den Weltmarkt, und wir kleinflächigen Landwirtschaften in Österreich sollen mitkonkurrieren. Ich glaube, das ist wirklich eine Unmöglichkeit.

Dieselben Politiker, die diese Art Öffnung mittels Verträgen hier im Haus, mittels Abstimmungen erzwungen haben, treten auch für eine Ostöffnung der EU ein, damit von links und von rechts, von oben und von unten die Bauern zerquetscht werden. Was bleibt übrig? – Nicht einmal der Apfelsaft "Yo" wird aus Österreich sein.

Die Auswirkungen auf die europäische Landwirtschaft bestehen in der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der US-Landwirtschaft. Es steht hier drinnen, daß wir beachten müssen, daß die europäische Landwirtschaft gegenüber der US-Landwirtschaft wettbewerbsfähig bleibt. Es steht nicht drinnen, daß die österreichische Landwirtschaft gegenüber der US wettbewerbsfähig bleibt. Das gibt man gleich auf. Das ist ein Negieren der souveränen staatlichen österreichischen bäuerlichen Interessen, indem auf die EU-Interessen hingewiesen wird. (Bundesrat Hüttmayr: Sie machen nur Angst!) Herr Bundesminister! Hier sind unsere Interessen, wir sind die Gesetzgeber, dort sitzt das junge Volk. Wir wollen eine Landwirtschaft, die reüssiert! (Bundesrat Dr. Tremmel: Sie reden vom Angstmachen, wenn wir unsere Argumente bringen! – Weitere Zwischenrufe.)

Die Offenheit in diesem Bericht ist fast dreist, meine Damen und Herren! Es steht da: Einengung der EU-Getreideexporte, steigende US-Exporte. – Auf Seite 9 ist das nachzulesen. (Bundesrat Prähauser: Herr Kollege! Ehrlichkeit kann niemals dreiste sein! Überlegen Sie das in Zukunft! –Bun


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desminister Mag. Molterer: Sollten wir die Wahrheit schreiben, oder nicht!)

Nein, nein! Machen Sie solch eine Politik, damit Ihnen die Bauern nicht davonlaufen! Das ist ein Horrorszenario, das Sie in diesem Bericht darlegen, anstatt den Bauern Hilfe zu geben. (Bundesminister Mag. Molterer: Das nächste Mal schreibe ich die Unwahrheit!) – Nein, die Unwahrheit nicht, aber wenn Sie die Wahrheit hineinschreiben, dann müssen Sie auch danach handeln, indem Sie sagen, das muß sich ändern. Sie bieten keine Alternative an, Herr Bundesminister! (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Molterer. ) Ich glaube, das sind die unterschiedlichen Betrachtungsweisen.

Im Zusammenhang mit den Zukunftschancen der Landwirtschaft im Zuge der Diskussion über die Öffnung der Agrarmärkte steht auf Seite 11 etwas über die Verunsicherung der bäuerlichen Bevölkerung. Verunsicherung der bäuerlichen Bevölkerung! Wenn schon in dem Bericht von einer Verunsicherung der bäuerlichen Bevölkerung geschrieben wird und diese unter anderem auf die Uruguay-Runden, auf GATT, WTO, Ostöffnung und EU-Integration zurückgeführt wird, dann frage ich mich, was der Herr Bundesminister gegen diese Verunsicherung macht. – Ich erwarte, daß Sie positive Maßnahmen setzen und nicht zugeben, daß es überhaupt Verunsicherungen gibt. Sie sind nun schon seit ein paar Jahren Minister, Herr Bundesminister, also Sie können doch nicht sagen, daß Ihr Haus zur Verunsicherung beiträgt. Da geht die Offenheit entschieden zu weit, Herr Bundesminister! Sie dürfen gar nicht zulassen, daß eine Verunsicherung eintritt.

Die Einkommen – das steht auf Seite 9 – fielen um rund 10 Prozent, nicht um rund 3 Prozent, ich glaube, ich habe Sie richtig verstanden, Herr Bundesminister! Die Kürzungen und Subventionen, die zur Abfederung der vereinbarten, degressiven Ausgleichszahlung dienen, und die höhere Belastung durch die indirekten Steuern sind daran mitschuld. Was hat das Ministerium gegen eine höhere Belastung durch indirekte Steuern der Land- und Forstwirte getan? – Mir ist keine Initiative im Haus bekannt, mit der die bäuerliche Bevölkerung entlastet worden wäre.

Der erweiterte Welthandel führt zum Abbau des arbeits- und sozialrechtlichen Niveaus – das steht auch drinnen, Herr Kollege! Wozu gab es 40 bis 50 Jahre Aufbauleistung, Herr Bundesminister, wenn wir jetzt aufgrund des Beitritts in die verschiedenen überregionalen Organisationen einen Sozialabbau und einen Arbeitsabbau haben? Herr Kollege Drochter! Ihnen müßten doch die Haare zu Berge stehen, wenn man das sagt. Sie müßten mir zustimmen. (Bundesrat Drochter: Das tun sie, wenn ich Ihnen zuhöre! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Stichwort: Auseinanderklaffen der Einkommensschere der Bevölkerungsgruppen. Was heißt Auseinanderklaffen? – Das ist so, wie es in anderen, den freien, fast den Manchester-Liberalismus huldigenden Staaten der Fall ist. Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer, und die Mittelschicht verarmt auch. Ich muß Ihnen sagen, Österreich betreibt eine Politik, die gegen die Interessen der österreichischen Bevölkerung gerichtet ist.

Ich erinnere mich, als Ihr Vorgänger, Kommissar Fischler – Kommissar ist ein gefährliches Wort in dieser Funktion –, vom "Bauchladen Europas" gesprochen hat. (Rufe: Feinkostladen!) "Feinkostladen", "Feinkostbauchladen Europas". (Neuerliche Rufe: Feinkostladen!) Nur "Feinkostladen"? – Er hat einen Bauch, deswegen kam ich auf den "Feinkostbauchladen". (Rufe der Empörung bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Hüttmayr: Sie machen sich einen Spaß daraus!) Sie haben recht, lassen wir das.

Natürlich gibt es den "Feinkostladen Europas", aber der "Feinkostladen" kann doch nur funktionieren (Zwischenrufe des Bundesrates Hüttmayr ), wenn die Kaufkraft vorhanden ist. Und das ist nicht der Fall, die Kaufkraft sinkt. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihrem deutschen Kollegen Borchert. Der stemmt sich gegen die EU-Agrarpläne, denn er prophezeit uns ein Sinken der Agrareinkommen (Bundesrat Hüttmayr – in Anspielung auf die den Saal verlassenden Besucher –: Schauen Sie, die Leute gehen jetzt nach Hause!) Haben Sie ein Glück, daß Sie nicht hier beim Rednerpult stehen, wenn die Besucher nach Hause gehen müssen. Da haben Sie ein Glück gehabt!

Borchert befürchtet Einkommensverluste der deutschen Landwirte von bis zu 20 Prozent. Das hat auch Auswirkungen bei uns, die Größenordnungen sind bei uns dieselben. – Bis zu 20 Prozent!


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Was tut unser Minister Molterer, um das zu verhindern? Ich zitiere ihn aus dem "Kurier" vom 22. 10.: "Es ist besonders wichtig, die Besonderheit der europäischen Landwirtschaft zu erhalten." Mir ist es völlig gleich, was in Portugal passiert ist, muß ich Ihnen sagen. Hier sind die Landwirte, für die wir da sind. Hier ist die bäuerliche Bevölkerung, hier ist das mitteleuropäische Zentrum. Und wenn Sie sich dann Sorgen machen über die Landwirtschaft anderswo, dann muß ich sagen, ist das lobenswert. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Molterer. ) Das haben Sie gesagt (Bundesminister Mag. Molterer: Sie sehen das so!) : Es ist besonders wichtig, die Besonderheit der europäischen Landwirtschaft zu erhalten. Ich möchte die Besonderheit der österreichischen Landwirtschaft erhalten, aber wenn man im Haus nicht mehr zurechtkommt, dann geht man zum Nachbarn und möchte dort aufräumen. So geht das nicht. Die ,Agenda 2000‘ ist ein Kreidewort für ein rastloses und ratloses Bauernleben", das sage ich Ihnen.

Kollege Payer will mit den freien Bauern nicht klischeehaft aufräumen. Das ist schön, das wollen wir auch nicht, aber dann soll er seinem Minister sagen, daß er nicht klischeehaft aufräumen will. Er möchte vielleicht gar nicht aufräumen, das glaube ich ihm sogar. Es wäre gut, wenn er das auch sagen würde, was er meint. Aber dann machen wir eine Politik, die auch den Ansichten der Abgeordneten und Bundesräte der ÖVP entspricht.

Die Garantiepreise für Milch, Getreide und Rindfleisch sollen in Zukunft um 10 bis 30 Prozent sinken. – Wie soll das der freie Bauer aushalten? Soll er wirklich nur zum Almosenempfänger werden? Das Selbstbewußtsein der Bauern leidet doch jetzt schon aufgrund der Ausgleichszahlungen, die oft als Almosen verstanden werden. Unterstellen Sie mir nicht, daß ich gegen Subventionen und Ausgleichszahlungen bin, aber sie müssen mit einem gewissen Gefühl gegeben werden, damit die Bauern nicht den Eindruck haben, sie bekommen sie nur, weil man nicht weiß, wie man sie sonst am Arbeitsmarkt unterbringt.

Die Maßnahmen Ihres Hauses für das Jahr 1998 sind Ankündigungen, denen jeder Gehalt fehlt: Weiterentwicklung der Reformen, ausreichende Dotierungen, partnerschaftliche Zusammenarbeit, konsequente Fortsetzung, Qualitätsanstrengungen in der Produktion, Verbesserung der Marktposition, schlagkräftiges Agrarmarketing, ein wirksames Bildungs- und Beratungssystem. – Das sind zehn Punkte.

Ich finde es toll, daß diese drinnenstehen, aber was steckt dahinter? Was kann der Landwirt damit anfangen? – Mit Schlagworten läßt sich heftig streiten, mit Schlagworten sogar ein System bereiten, Herr Bundesminister!

Wir sind für die aktive Mit- und Umgestaltung auch im ländlichen Raum. Wir sagen auch nein zum rein konservierenden Bewahren, denn stirbt der Bauer, stirbt das Land. Wir müssen eine Politik betreiben, meine Damen und Herren, alle gemeinsam, auch wenn wir uns hier im Rahmen einer Debatte kontroversiell mehr oder minder eloquent ansprechen und auch manche Freundlichkeiten hart ins Gesicht sagen, wir müssen gemeinsam dazu beitragen, daß weder das Land noch der Bauer stirbt.

Der Bauer darf nicht auf dem Altar des Neoliberalismus geopfert werden, er darf aber auch nicht zu einem Plansollerfüller und Staatsrentner entarten. Das ist für mich kein Bauer.

Herr Kollege Payer! Sie erwähnten den Tierschutz und den Transport. Da gibt es einen "abgestorbenen" Herrn Schwaiger. Vielleicht haben Sie das gelesen. Der jetzige Bundeskanzler, damalige Verkehrsminister Klima, hat damals Herrn Schwaiger, der einen fahrbaren Schlachthof auch aus Tierschutzgründen entwickelt hat, zugesagt, sich weiter für ihn zu verwenden. Als ich ihn vor einem halben Jahr hier getroffen habe, hat er das weiterhin gesagt, ja, ich werde das im Auge behalten. Das Im-Auge-Behalten hat dazu geführt, daß Herr Schwaiger inzwischen in Konkurs gegangen ist, was mir sehr leid tut.

Eine Bäuerin erwähnte gegenüber Herrn Kommissar Fischler: Kühe und Schafe haben genauso eine Seele wie die Menschen. Man kann sie nicht wie ein Stück Ware behandeln. Ich glaube, damit hat sie recht. Da haben wir sehr viel zu tun, und auch ich meine, daß der Tierschutz nicht allein Ländersache sein kann.


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Herr Bundesminister! Sie sind ein lachender Minister, wie Sie hier im Grünen Bericht dargestellt werden. Sie betrachten das sicherlich ernst, und Sie behaupten auch, wir hätten den EU-Beitritt gut bewältigt. Wir haben den Beitritt in der Form bewältigt, daß 50 000 bis 60 000 Bauern ihren Beruf aufgegeben haben. Da kann man nur sagen, diese Regierung stützt die Bauern wie ein Strick den Gehenkten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernst Winter. Ich erteile es ihm.

12.55

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Grünen Bericht 1996 diskutieren wir heute zugleich den Bericht der österreichischen Bundesregierung über die Fördermaßnahmen der Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998. Es wurde dazu schon sehr viel gesagt, ich darf aber trotzdem einige kurze Anmerkungen aus meiner Sicht machen.

Der Bericht ist an und für sich eine durchaus brauchbare kurze Zusammenfassung der Fördermaßnahmen, der die nationalen Förderungsmaßnahmen, die EU-kofinanzierten Förderungsmaßnahmen und die EU-Marktordnungsmaßnahmen unterscheidet. Auf die degressiven Ausgleichszahlungen wird gesondert eingegangen.

Was mir in diesem Bericht aber ganz besonders gefällt, ist der mehrfache Hinweis – sowohl in der Präambel als auch in der Zusammenfassung – auf die künftige Verstärkung der sozialen Kriterien und ökologischen Grundsätze bei der Konzeption und Vergabe von Agrarförderungen. Dies scheint mir ein ganz besonders wichtiges Instrumentarium zu sein, welches eine Effizienzverbesserung der Wirksamkeit der Fördermittel bei den Bauern sicherstellt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf bei dieser Gelegenheit aber auch erwähnen, daß im Regierungsübereinkommen vom 11. März 1996 ebenfalls der gerechteren Verteilung der Förderungsmittel und der Ökologisierung der Landwirtschaft und des Einsatzes der Fördermittel breiter Raum gewidmet wird. Insofern findet dies im vorliegenden Bericht durchaus seine Entsprechung.

Im Kapitel 2 wird nur kurz auf die Einkommenssituation 1996 eingegangen, da die Frage der Einkommenssituation schwerpunktmäßig im Grünen Bericht behandelt wird. Wenn im Bericht über Förderungsmaßnahmen von erheblichen Einkommensverlusten für das Jahr 1996 gesprochen wird, so halte ich das doch für ein bißchen übertrieben. Warum? – Lassen wir doch die Zahlen sprechen:

In den Jahren 1993 bis 1996 hatten wir in Österreich im Bundesdurchschnitt eine Einkommenssteigerung um 30 Prozent. Allein im Jahr 1995 – es war natürlich ein sehr gutes Jahr – hatten wir eine Steigerung von plus 22 Prozent. Im Jahr 1996 – dieses Jahr wird im Förderungsbericht angesprochen – verzeichnen wir einen Verlust von minus 4 Prozent. Und jetzt von erheblichen Einkommensverlusten zu sprechen, entspricht meiner Meinung nach nicht der Realität. Ich bin ziemlich sicher, daß auch die Bauern damit nicht ganz einverstanden sind. (Bundesrat Waldhäusl: Nein, nein!)

Kollege Waldhäusl! Wer bei minus 4 Prozent von erheblichen Einkommensverlusten spricht, nachdem er im Vorjahr eine Steigerung von 22 Prozent hatte, der muß sich den Vorwurf der leichten Übertreibung schon gefallen lassen.

Zu meiner grundsätzlich positiven Bewertung dieses Berichtes kommt aber noch eine zweite Anmerkung hinzu: Es ist wirklich schade, daß das österreichische Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft – allen bekannt unter dem Schlagwort "ÖPUL" – keinerlei Erwähnung findet. Es ist deshalb schade, weil gerade diese Förderungsmaßnahme eine der positivsten Förderungen darstellt, die wir in der Landwirtschaft haben. Die interessantesten und zum Teil heftigsten Diskussionen wurden rund um die Frage der Einführung des Sockelbeitrages beziehungsweise der Förderungsobergrenzen geführt.


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Herr Bundesminister! Insgesamt handelt es sich um einen positiven Bericht, dem meine Fraktion die Zustimmung erteilen wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Aloisia Fischer das Wort. – Bitte.

13.01

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal steht der Grüne Bericht, der vom Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft der Bundesregierung vorgestellt und dann zur weiteren Beratung weitergeleitet wurde, zur Diskussion. Der Grüne Bericht ist, wie viele meiner Vorredner schon ausgeführt haben, ein Nachschlagewerk; ein Nachschlagewerk, anhand dessen wir innerhalb unserer landwirtschaftlichen Betriebszweige, aber auch mit anderen Berufsgruppen sowie innerhalb der Europäischen Union Vergleiche anstellen können. 2 422 Betriebe wurden dafür im Bundesgebiet ausgewertet; aus meinem Bundesland, Salzburg, waren es 87 Betriebe.

Die Einkommensanalyse stellt den Hauptteil des Berichtes dar. Ich möchte nicht noch einmal auf die Zahlen eingehen – das haben schon meine Vorredner getan –, sondern nur sagen: Die Ergebnisse des Berichtes stellen eine gewisse Trendaussage dar, sind aber im einzelnen differenziert zu betrachten, nach Produktionsart und auch nach Produktionsgebiet.

Das Einkommen unserer Land- und Forstwirtschaft setzt sich aus dem Einkommen aus der agrarischen Produktion, aus öffentlichen Zahlungen und aus dem Einkommen des Neben- und Zuerwerbs zusammen. Die Einkommensstruktur in der Landwirtschaft hat sich verändert. Der Anteil aus der Produktion – auch das wurde heute schon einige Male aufgezeigt – ist in verschiedenen Betriebsarten, in verschiedenen Betriebs- und Produktionsbereichen zurückgegangen. Die Anteile an öffentlichen Zahlungen aus Leistungen des österreichischen Umweltprogramms, aus Leistungen betreffend Ausgleichszulagen für benachteiligte Gebiete und aus Marktordnungsprämien sind gestiegen.

Es gilt, klar hervorzuheben, daß Leistungen, die für unsere Umwelt und Allgemeinheit erbracht werden, von unseren Bauern aus einem Selbstverständnis heraus erbracht werden, diesen aber auch abgegolten werden müssen. Es handelt sich dabei um eine Leistung für unsere Allgemeinheit, für unsere Kulturlandschaft, die abgegolten werden muß und dank guter Verhandlungen unserer Vertreter auch abgegolten werden kann.

In Salzburg stammt mehr als die Hälfte des land- und forstwirtschaftlichen Rohertrags aus der Rinder- und Milchwirtschaft, 30 Prozent des Ertrags aus der Forstwirtschaft; Pflanzenbau spielt in meinem Heimatbundesland eine eher untergeordnete Rolle. Die Erlöse aus dem Viehverkauf nahmen in Salzburg von 1994 auf 1996 um zirka 38 Prozent ab, jene aus dem Milchverkauf um zirka 30 Prozent. Demgegenüber steht ein Plus von 600 Millionen Schilling an Förderungen.

In meinem Bundesland konnten in vielen Bereichen die Einkommenseinbußen Gott sei Dank ausgeglichen werden, aber in den produktionsintensiven Bereichen im Flachgau, zu denen Vieh- und Milchwirtschaft intensiv betrieben wird, war dies leider Gottes nicht überall der Fall. In den letzten fünf Jahren wurden 2,5 Prozent der Betriebe in Salzburg aufgegeben. In den zirka 11 000 Salzburger Betrieben arbeiten 28 000 familieneigene Arbeitskräfte, davon nur noch 12 300 hauptberuflich, 9 500 sind teilbeschäftigt, 6 200 Personen sind Pensionisten. Die Zahl der Pensionisten in unseren Betrieben ist steigend.

Auch dies wurde heute schon angeschnitten: Menschen, die auf dem Arbeitsplatz Bauernhof nicht mehr das notwendige Einkommen erwerben können, kommen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und versuchen, auf diesem Beruf und Einkommen zu finden.

Schon viele Male wurden die Aufgabe der Betriebe und der Strukturwandel angeschnitten. Ich möchte hier festhalten, daß es diesen Strukturwandel nicht erst seit dem EU-Beitritt gibt, sondern daß es ihn schon – so leid es mir auch um jeden einzelnen verlorengegangenen Betrieb in meiner Berufsgruppe tut – bereits vor dem Beitritt zur Europäischen Union gegeben hat.


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Ich darf hier einige Zahlen nennen: Von 1960 bis 1995 hat die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe von 397 000 auf 264 000 abgenommen; das sind 44 Prozent weniger. Die Zahl der Abnahme von 1990 bis 1995 – darin ist das Beitrittsjahr zur Europäischen Union enthalten –, liegt bei 20 000.

Ich darf noch einmal feststellen: Es tut mir um jeden einzelnen Betrieb leid, bei dem Menschen glauben, daß es nicht mehr weitergeht, aber es ist eine Tatsache, daß es den Strukturwandel bereits vor dem EU-Beitritt gegeben hat. Die Zahl der in der Land- und Forstwirtschaft Berufstätigen hat im selben Zeitraum von 709 000 auf 162 000 abgenommen.

Wir sind für den Beitritt zur Europäischen Union eingetreten und haben in der Information darauf hingewiesen, daß die EU nicht die heile Welt sein wird, sondern daß es Probleme geben wird und daß Anpassungen notwendig sein werden. Die bäuerliche Bevölkerung ist es gewohnt, gesamthaft zu denken, und deshalb haben unsere Vertreter und die bäuerliche Bevölkerung in diese Richtung argumentiert beziehungsweise sich für diese Richtung entschieden, da es um Gesamtösterreich ging. Deshalb ist es zu einem Ja zum Beitritt zur Europäischen Union von seiten der bäuerlichen Bevölkerung gekommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Es gilt, Maßnahmen zu setzen und Rahmenbedingungen zu schaffen, damit bäuerliche Betriebe, damit der Arbeitsplatz Bauernhof auch in Zukunft gesichert ist. Es geht um die Sicherung der Produktpreise, die Verbesserung – dort, wo dies notwendig ist – der Qualität und die Verbesserung der Kennzeichnungspflicht sowie – und in diesem Bereich ist im vergangenen Jahr sehr viel geschehen – die Schaffung von Einkommenskombinationen. Wir brauchen dazu Regelungen und Gesetze – es ist auch da Positives geschehen –, die praktikabel und nachvollziehbar sind.

Es geht weiters um Kostenminimierung jedes einzelnen Betriebes durch überbetriebliche Zusammenarbeit, durch ein Miteinander, sodaß nicht jeder Betrieb selbst jede Maschine kaufen und finanzieren muß, da es innerhalb der Berufsgruppe sehr wohl möglich ist, überbetrieblich zusammenzuarbeiten und Kosten einzusparen.

Selbstverständlich ist es wichtig, daß als zweites Standbein neben den Produktpreisen die öffentlichen Gelder gesichert werden, es ist aber auch wichtig – ich darf das auch heuer wieder sagen –, Bürokratie abzubauen. Ich bringe dazu als Beispiel den Mehrfachantrag. Ist es tatsächlich notwendig, daß jeder Bauer jedes Jahr den Mehrfachantrag neu ausfüllt, nämlich auch dann, wenn sich in seinem Betrieb nichts geändert hat? – Vielleicht könnten hier Überlegungen der Art angestellt werden, daß nur noch dann Anträge notwendig sind, wenn es im Betrieb Veränderungen gegeben hat.

Unsere bäuerliche Berufsgruppe, unsere Familien, unsere Menschen sind es gewohnt, gesamthaft zu denken, für die Jugend zu denken, nachhaltig zu wirtschaften, und deshalb sind wir auch bereit, mitzudiskutieren und mitzuentscheiden, wenn es um die soziale Sicherheit für unsere Jugend in der Zukunft geht. Ich gehe nicht im einzelnen darauf ein, denn jeder muß sich mit dem Gesamtpaket beschäftigen. Herr Kollege Waldhäusl! Ich bitte Sie, beschäftigen Sie sich mit dem Gesamtpaket. Es ist nicht richtig, nur die negativen Posten, nur die Zahlen aufzuzeigen, wenn es zu Erhöhungen kommt. Was meinen Sie, warum die Ärzte sich so wehren? Glauben Sie, sie wehren sich, weil sie mehr bekommen? – Nein, sondern deshalb, weil sie weniger bekommen sollen. Und wer hat Ihrer Ansicht nach diese Differenz bis jetzt bezahlt? – Unsere Bauern.

Ich glaube nicht, daß es in Ihrem Sinne ist, daß die Berufsgruppe, deren Einkommen am niedrigsten ist, die höchsten Ärztehonorare zu bezahlen hat. Ich bitte Sie daher noch einmal, das Sozialpaket im gesamten anzusehen und erst danach zu kritisieren. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Waldhäusl: Mitversicherung, Frau Kollegin!)

Unsere Bäuerinnen und Bauern sind kreativ und innovativ. Gerade Bäuerinnen sind bereit, neue Wege aufzuzeigen. Ein Teil dieses Berichtes befaßt sich mit der Situation der Bäuerin. – Ich freue mich, daß gerade Herr Kollege Gudenus auf die Bäuerinnen eingegangen ist.


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Bei aller Notwendigkeit, zusätzliches Einkommen zu erwerben, darf es zu keiner übermäßigen Mehrbelastung für unsere Bäuerinnen kommen. Ein Schwerpunkt unserer Bäuerinnenarbeit ist es daher, Arbeitsentlastungen für die Bäuerinnen herbeizuführen.

Die erwähnte Befragung ist von unserer Bäuerinnenorganisation zum dritten Mal im Abstand von jeweils zehn Jahren durchgeführt worden. Sie zeigt auf, daß mehr Bäuerinnen Betriebsführerinnen sind. Sie zeigt weiters auf, daß mehr Bäuerinnen Betriebsaufzeichnungen für den eigenen Betrieb führen und dort Entscheidungen treffen. Sie zeigt aber auch auf, daß nur 50 Prozent unserer Bäuerinnen regelmäßig jedes Jahr auf Urlaub fahren können, wogegen das für andere Berufsgruppen selbstverständlich ist. Da gilt es, Verbesserungen herbeizuführen.

Bäuerinnen schätzen es, daß Familie und Arbeitsbereich eine Einheit bilden. Sie schätzen es, in der Natur zu arbeiten, die Arbeitszeit selbst einteilen zu können und die Garantie zu haben, daß sie gesunde Produkte erzeugen. 60 Prozent der Bäuerinnen in ganz Österreich würden wieder diesen Beruf ergreifen, in meinem Bundesland sind es sogar 80 Prozent.

Gerade Bäuerinnen sind bereit, Verbündete zu suchen. Sie suchen Verbündete in anderen Berufsgruppen, in anderen Wirtschaftsbereichen und bei den Konsumenten. Ich möchte mich bei unseren Konsumentinnen und Konsumenten dafür bedanken, daß sie in den letzten Jahren bereit gewesen sind, auf österreichische Produkte zurückzugreifen und österreichische Produkte zu kaufen. Denn damit haben sie einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung unserer bäuerlichen Familien beigetragen. Ich bitte Sie, die Sie jetzt kritisieren, daß manches nicht gut ist und daß es Mängel gibt, ich bitte jeden einzelnen hier im Saal, österreichische Produkte zu kaufen. Es gilt, nicht nur Appelle an andere zu richten, sondern es gilt für jeden einzelnen in erster Linie, bei sich selbst anzufangen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Die Konsumenten schätzen die Direktvermarktung. Sie schätzen den direkten Kontakt zu den Bäuerinnen und Bauern und das Gespräch mit den Produzenten. Sie haben dadurch das Vertrauen, qualitativ hochwertige Produkte erwerben zu können, und verlassen sich darauf, daß sie den Produzenten auf die Finger schauen können, um zu sehen, wie produziert wird. Wichtig ist für die Konsumenten die Kennzeichnung, damit sie sichergehen können, daß ein Produkt tatsächlich aus Österreich oder aus ihrer Region stammt.

Urlaub am Bauernhof bildet einen weiteren Bestandteil der Einkommenskombination unserer bäuerlichen Familien. Er stellt eine sehr wertvolle Alternative zum Urlaub in anderen Gegenden dar. Viele Menschen bekommen dadurch Einblick in die Eigenheit der bäuerlichen Familie und in die Eigenheit der bäuerlichen Betriebe, und sie verstehen infolgedessen so manche Argumentation und Forderung unserer Bäuerinnen und Bauern genauer und besser.

Es ist aber notwendig, ein Bewußtsein für die öffentlichen Gelder in der Gesellschaft nicht nur bei anderen Berufsgruppen, sondern auch innerhalb unserer bäuerlichen Berufsgruppe zu schaffen. Denn nicht selten wird öffentliches Geld auch von den bäuerlichen Menschen nicht entsprechend geschätzt und nicht für das gehalten, wofür es ausbezahlt wird.

Es wird uns vorgehalten – der Brief von Barazon ist bereits erwähnt worden –, daß sich unsere bäuerlichen Vertreter bemühen, die kleinstrukturierte Landwirtschaft auch in Zukunft zu erhalten. Was wäre denn, wenn wir nur mehr 60 000 bäuerliche Betriebe in Österreich hätten? – Viele davon sind Bergbauernbetriebe. Ich darf Ihnen ein Beispiel aus meinem Heimatland nennen, nämlich Großarl. Dort gibt es nur mehr Dreier- und Viererbetriebe, und dort ist oft – das ist nicht überspitzt formuliert – der Küchenboden das einzige ebene Fleckerl des ganzen Betriebes. Glauben Sie, wenn in diesem Tal nur noch ein oder zwei Bauern wären, dann würde es noch bewirtschaftet werden, dann gäbe es dort noch Urlaub und Fremdenverkehr, dann wäre dieses Tal noch lebenswert? (Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist richtig! – Bundesrat Meier: Die werden ja gefördert!)

Es ist wohl ein riesiges Verdienst unserer Funktionäre, von Ortsebene an, daß es gelungen ist, in allen Gebieten diese kleinstrukturierte Landwirtschaft und damit die Lebensgrundlage für viele bäuerlichen Familien zu erhalten. Dafür werden wir uns auch in Zukunft einsetzen! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Dr. Tremmel: Frau Kollegin Fischer! Leider muß man dazusagen, nur


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teilweise ist es gelungen! In den Grundausführungen haben Sie recht, daß es gelungen ist ...! – Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl. )

Es ist Gott sei Dank zum überwiegenden Teil gelungen, und es ist weiterhin möglich, daß jeder, der Bauer sein will, auch Bauer sein kann. (Zwischenruf des Bundesrates Farthofer. ) Es wird trotz aller Hilfestellungen immer wieder bäuerliche Familien, aber auch Familien in anderen Berufsgruppen geben, die sagen: Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr. – Ob sie tatsächlich alles ausgenützt und in Anspruch genommen haben, was ihnen angeboten wird, ob sie auch jede Beratung in Anspruch genommen haben, wage ich zu bezweifeln. Ich darf aber noch einmal feststellen, daß es mir um jeden Betrieb leid tut, der in Österreich aufgegeben wird.

Die "Agenda 2000" ist bereits erwähnt worden. Es muß weiterhin möglich sein, daß unsere Betriebe über die Produktpreise ein Einkommen erzielen können. Ich sehe keinen Sinn darin, daß Produktpreise weiter gesenkt werden, und sehe dafür auch keine Notwendigkeit. Das ist ein Diskussionspapier, das zu diskutieren sein wird. Es werden Argumentationen, aber auch Vorschläge gemeinsam auszuarbeiten sein, damit wir unsere bäuerliche Landwirtschaft auch in Zukunft erhalten können.

Denn wenn wir uns in Zukunft von der industrialisierten Landwirtschaft unterscheiden wollen, wenn wir weiterhin die Garantie haben wollen, gesunde Lebensmittel zu bekommen, wenn wir weiterhin die Garantie haben wollen, gesundes Wasser und gesunden Grund und Boden zur Verfügung zu haben, dann brauchen wir die Rahmenbedingungen dafür, daß bäuerliche Familien auch in Zukunft bäuerliche Familienbetriebe bewirtschaften können. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Stefan Prähauser das Wort. – Bitte.

13.18

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich gehe zunächst davon aus, daß der Herr Bundesminister der unverhohlenen Aufforderung, uns in Zukunft mit Grünen Berichten zu beflunkern oder von der Realität fernzuhalten, sicherlich nicht nachkommen wird.

Ich möchte mich aber auch nicht dort einreihen, wo es gilt, Zwietracht zu säen, Zwietracht unter den verschiedenen Auffassungen darüber, wie man dem Bauernstand in Zukunft helfen kann. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei Kollegin Fischer für die sachliche Referierung der Probleme aus der Sicht der Bauern, die sie zu vertreten hat, bedanken. Es wäre manchmal gut, Kollege Waldhäusl, wenn wir uns an den Frauen und deren Umgangsformen orientieren würden. Wir würden uns vielerlei Zwistigkeiten ersparen (Beifall bei SPÖ und ÖVP) und möglicherweise in der Fähigkeit dazugewinnen, uns verstehen zu lernen. Ich glaube, daß Streiten niemals ein probates Mittel zur Bewältigung augenscheinlicher Probleme sein kann. (Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl. )

Herr Kollege Steinhäusl! Waldhäusl! (Bundesrat Waldhäusl: Auch schön! – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. ) Auch ein schöner Name. (Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl. ) Das ist noch etwas ganz anderes, aber das wollte ich eigentlich nur andeuten.

Herr Kollege Waldhäusl! Da Sie so gerne berühmte Journalisten zitieren, dabei allerdings nie über die Überschrift hinauskommen oder das nicht wollen, möchte ich Ihnen heute auch einen Artikel ans Herz legen, damit Sie ihn lesen. In den "Salzburger Nachrichten" hat der Redakteur Schwischei einiges aus der Sicht der Bauern mitzuteilen:

Ich denke, es muß unsere Aufgabe sein, in die Zukunft zu denken, und dazu verweise ich auf die Überschrift dieses Artikels. Ich darf Ihnen aber versichern, daß ich auch den Rest gelesen habe. In der Überschrift steht "Neue Einkommensquellen für die Bauern" und wie man "nachwachsende Rohstoffe als ,sanften‘ Ersatz in der Chemie und Industrie stärker nutzen" kann.


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Ich glaube, in diesen Zeiten müssen wir erkennen, daß diejenigen, die gemeint haben, das Fernbleiben der EU würde das Problem der Bauern von selbst erledigen, inzwischen auch wissen, daß Österreich nicht zum Feinkostladen Europas werden kann. Uns war das immer bewußt, daher haben wir die Meinung vertreten, in einem großen Markt besser, als auf uns allein gestellt, bestehen zu können. Das ist inzwischen nachhaltig bewiesen worden, und daher bitte ich, in Zukunft bei Versammlungen nicht zu vergessen, diese Tatsache auch zu erwähnen.

In dem Artikel In den "Salzburger Nachrichten" heißt es: ",Wir suchen Bauern, die Lust haben, etwas Neues auszuprobieren‘, betont der Chemiker Hanswerner Mackwitz." Falls Sie nicht wissen sollten, wer das ist: "Er hat im Auftrag des Wissenschaftsministeriums eine Studie – ,Alchemia Navaro‘ – über die vielfältigen Möglichkeiten der Nutzung nachwachsender und zum Teil auch schon wieder vergessener Rohstoffe erarbeitet. ,Auch wenn Erdöl noch über 100 Jahre zur Verfügung stehen sollte, kann man nicht von einer dauerhaften Rohstoffquelle sprechen.‘ Selbst Konzerne wie BMW, Audi oder Mercedes würden diesem Thema bereits aufgeschlossen gegenüberstehen. ,Sie verarbeiten im Autobau Flachs- und Hanffasern nicht nur, um Imagegesten zu setzen, sondern weil diese Materialien bei Crashtests einfach besser abschneiden‘, sagt Mackwitz. Auch Computergehäuse ließen sich aus Flachs erzeugen."

Weiter heißt es in den "Salzburger Nachrichten": "Um die Theorie auch in der Praxis umsetzen zu können, werden derzeit Intensivworkshops mit Landwirten – vor allem Biobauern über den Ernteverband – und Vertretern der Industrie vorbereitet. Das vielsagende Motto der Arbeitskreise, die neue Wege erschließen sollen: ,Nicht nur zum Fressen gern.‘" Das heißt, nicht nur der menschlichen Verwertung – um sich zu ernähren – dienend. "Wie derartige Modelle funktionieren könnten, zeigt zum Beispiel die Flachsgenossenschaft Rastenfeld im niederösterreichischen Waldviertel. Rund 200 Bauern pflanzen Flachs an, das über die Genossenschaft zu sogenanntem Flachsflies ... verarbeitet wird. ,Daraus wird ein hochwertiger Dämmstoff erzeugt, der besser als Glaswolle ist und heute schon vermarktet wird‘."

Jeder von uns kennt die Problematik mit der Handhabung von Glaswolle: Nicht nur, daß sie an den Fingern und sonstwo kratzt, könnten dadurch bei Einatmung auch die Atemwege schwere Schäden erleiden.

In dem Artikel heißt es weiter: "Oder: In Zusammenarbeit mit dem Fensterrahmenerzeuger Internorm ist der rührige Chemiker auf der Suche nach einem Ersatz für den umstrittenen Werkstoff PVC. Eine Alternative, die großteils mit dem bestehenden Maschinenpark erzeugt werden könnte, wären Holzfenster. Aber nicht so, wie man sie kennt, sondern auf der Basis von feingemahlenen Sägespänen, um sie ähnlich flexibel wie Kunststoffenster bearbeiten zu können. Als Bindemittel könnte man Harze und Tallöl verwenden, ein Nebenprodukt" – wie wir wissen – "in der Papierherstellung."

Weiter im Zitat: "Die Firma Greiner in Kremsmünster wiederum, Österreichs größter Hersteller von Schaumstoffen, macht sich laut" diesem Wissenschaftler "Gedanken, wie er Schäume aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen könnte. Bisher ist man dabei unter anderem auf bestimmte Meeresalgen gestoßen, die eine ähnliche große Flexibilität wie Polyurethan aufweisen. Die Technische Universität Graz sei hier sehr aktiv. Aber vor allem das große Potential pflanzlicher Öle sei weitgehend ungenützt, speziell in der Kunststoff- oder Waschmittelindustrie" sind noch viele Möglichkeiten offen. "Beispiel Leinöl: ein fettes Pflanzenöl, das aus den Samen des Leins gewonnen wird. Lein kann sowohl als Faser- als auch als Ölpflanze angebaut werden. Leinöl selbst ist als Speiseöl, aber auch für industrielle Zwecke zu nutzen." Ich meine damit nicht, daß die Landwirtschaft zur Industrie werden soll.

Weiter heißt es in dem Artikel: "Und zwar als Rohstoff für Farben, Lacke, Lasuren, Firnisse und Druckfarben, aber auch bei der Erzeugung von Linoleum und Seifen sowie im Bereich der Pharmazie – Salben, Wundpuder, Abführmittel – findet es seine Verwendung. Lukrative Erwerbsquellen für Landwirte könnten ... auch ätherische Öle sein, die derzeit noch zu 95 Prozent importiert werden müssen. Abnehmer wären die Parfüm- und Kosmetik-, aber auch die Lebensmittelindustrie. ,Nur wenige Tropfen Kümmelöl verhindern schon, daß Kartoffeln zum Keimen beginnen‘, sagt die Wissenschaft."


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Daher ist es wichtig, nicht nur Überschriften zu lesen, sondern in der Lektüre fortzufahren, um den Inhalt auch verstehen zu können. Für mich war das neu, als ich es las, das gebe ich gerne zu.

Die "Salzburger Nachrichten" schreiben schließlich: "Ätherische Öle wären zudem eine ideale Kapitalanlage, weil sie unbegrenzt lagerfähig seien und nur dann verkauft werden müßten, wenn der Preis gut sei." Viele haben ja das Problem, daß sie mit ihren vollen Lagerhäusern daran mitwirken, die Preise in den Keller zu drücken. Was in diesem Artikel vorgeschlagen wird, böte aus meiner Sicht sicherlich eine gute Gelegenheit, aus dieser Zange herauszukommen.

Damit kann man "das Monopol großer Chemiekonzerne brechen. ,Die sanfte Chemie ist einfach, überschaubar und auch von Klein- und Mittelbetrieben zu bewältigen.’ Natürlich müßten sich dazu die politischen Rahmenbedingungen ändern", das muß klar sein: ",Jetzt werden Prämien bezahlt, damit man Flächen stillegt. Vernünftiger wäre es, mit diesem Geld Investitionen in diesen neuen Bereichen staatlich abzusichern.’"

Kollegen von der FPÖ! Bauern Angst machen: Das kann niemals eine Lösung sein. Ich sage das ganz bewußt auch in dem Wissen, daß eine Statistik ergeben hat, daß 80 Prozent der wählenden Österreicherinnen und Österreicher der folgenden Meinung sind: Um die Zukunft bewältigen zu können, ist es notwendig, sich fortzubilden.

Was bei dieser statistischen Befragung besonders ins Auge fällt, ist, daß die Wähler und Wählerinnen der FPÖ dies – im Gegensatz zu den anderen – nur zu 20 Prozent meinen. Auch diesbezüglich sollte man nicht immer nur darauf hinweisen, daß irgend jemand schuld sei, sondern vielleicht einmal damit beginnen, den Menschen auch zu sagen, daß sie selbst dazu in der Lage sein müßten, ihren Teil beizutragen.

Wir lassen die Bauern nicht allein. Allerdings erfordert die Zukunft neue Wege. So, wie es bei den Pensionen neue Wege zu gehen gilt, gilt dies auch bei den Bauern. Wir gehen die neuen Wege auch unter dem Aspekt der Notwendigkeit einer gerechten Staffelung von Förderungen gemeinsam mit den Menschen des Bauernstandes.

Mein Kollege Payer hat bereits angekündigt, daß wir diesen Bericht zustimmend zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.27

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Leopold Steinbichler das Wort. – Bitte.

13.27

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum vorliegenden 38. Grünen Bericht wurden von meinen Vorrednern schon sehr wichtige Themen angesprochen. Ich bin unter anderem auch Kollegen Payer dafür dankbar, daß er nicht ein Klischee, sondern das Berufsbild des Bauern modern und den Tatsachen entsprechend dargestellt hat.

Es hat einmal eine Zeit gegeben, zu der naive Gruppen in unserer Bevölkerung versucht haben, das Wort "Bauer" als Schimpfwort zu etablieren. Ich denke, wer nur ein wenig Einblick in die Landwirtschaft hat und die multifunktionalen Leistungen kennt, die von diesem Berufsstand, von unseren Bäuerinnen und Bauern erbracht werden, der wird sehr weit weg von diesem sogenannten "bezeichnenden" Wort "Bauer" sein und statt dessen mit Wertschätzung über diesen Berufsstand sprechen.

Die Landwirtschaft kämpft sehr oft mit Vorurteilen, sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf medialer Seite. Beispiele dafür sind "Trinkwasserverschmutzer" oder "Subventionsempfänger", aber es gibt dafür auch ein viel jüngeres Beispiel, wenn man an das Schlagwort "Cholesterin" denkt. – Jetzt wird bestätigt, wie sehr man einer Sparte der Landwirtschaft, der Fleischproduktion, über Jahre hinweg großen Schaden zugefügt hat, und zwar durch die Unterstellung, Cholesterin sei gesundheitsschädlich und gefährlich. Interessanterweise ist vorgestern in den


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heute schon öfters zitierten "Salzburger Nachrichten" ein Bericht über Wissenschafter erschienen, die jetzt festgestellt haben, daß Cholesterin das Leben von Hochbetagten sogar verlängert. Das sind interessante Ergebnisse.

Ich denke auch an eine weitere Tatsache. Wir bemühen uns, mit dem Projekt "Gesunde Schuljause" wieder qualitätsvolle, gesunde Lebens- und Nahrungsmittel in die Schulen zu bringen. Es ist für mich erschütternd, wenn man sich zur Mittagszeit in ein Geschäft nahe einer Schule stellt und dort an der Kasse beobachtet, was die Jugendlichen und Schüler heute zu sich nehmen. Das ist vorwiegend "Chemie", das sind vorwiegend Nahrungsersätze. Meiner Ansicht nach muß da eingegriffen werden – im Sinne der Zukunft und im Sinne der Gesundheit unserer Jugend.

In diesem Umfeld ist es natürlich für viele Jungbauern und Jungbäuerinnen sehr demotivierend, wenn zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Tierschutz immer wieder Tierhaltung und Tiertransport verwechselt und in einen Topf geworfen werden.

Zum Thema Tierschutz habe ich beim Hearing in diesem Haus teilgenommen und dabei feststellen müssen, wie viele Leute sich leichtfertig als Experten bezeichnen. Ich würde sie als "sogenannte Experten" bezeichnen. Wenn man aus der Praxis kommt, weiß man, wie hart es ist, täglich, 365 Tage im Jahr, morgens und abends beziehungsweise den ganzen Tag über Tiere zu füttern, zu betreuen und zu pflegen. Natürlich will man das zur vollsten Zufriedenheit der Tiere tun. Niemand wird daran interessiert sein, seine Tiere zu quälen. Er hält sie schließlich, um daraus einen wirtschaftlichen Nutzen zu erzielen. Ich denke, man muß diese Diskussion im richtigen Licht sehen.

Eines noch: Österreich beziehungsweise die österreichische Landwirtschaft als Massentierhalter zu bezeichnen – bei einem Anteil von 3,1 Prozent bei den Schweinen beziehungsweise 2,7 Prozent beim Rinderbestand – ist schlichtweg eine Unterstellung. (Bundesrätin Schicker: Aber auf manche Legebatterien bezogen kann man das schon anmelden! Oder nicht? – Weil Sie nur vom Tiertransport reden! Eine kleine Einschränkung ...!)

Liebe Kollegin! Wir haben ja gestern in Oberösterreich solche Hühner auf den Straßen gehabt, weil sie ein Transporter verloren hat. Ich werde aber später noch bei den Konsumgewohnheiten beziehungsweise bei den Kaufgewohnheiten der Konsumenten darauf eingehen. Aber weil hier die Käfighaltung angesprochen wurde, bitte ich, das Beispiel Schweiz zu betrachten: Gleichzeitig mit der Einführung der Hühnerfreilandhaltung ist massivst der Import der Massenbatterieeier gestiegen. Nehmen wir uns doch selbst bei der Nase: Der Hauptanteil der verbrauchten Eier liegt doch nicht beim täglichen Frühstücksei! Schauen wir uns einmal die industrielle Lebensmittelproduktion an: täglich Lastwagen und Container voll mit Flüssigeiern und Flüssigdottern! Das ist die Realität! Und dort wird der Preis gemacht.

Herr Barazon wurde heute bereits zitiert. Ich habe sehr heftig auf diesen Artikel reagiert, aber nicht deshalb, weil ich mich persönlich beleidigt gefühlt habe, sondern weil ich nicht 500 meiner Funktionäre im Bezirk, die ehrenamtlich, idealistisch und ohne einen Groschen Bezahlung für ihren Berufsstand arbeiten, diffamieren lasse. Es war nämlich auch gerade Herr Barazon, der sich zur Zeit des EU-Beitritts besonders um die bäuerliche, kleinstrukturierte Landwirtschaft gekümmert hat und diesbezüglich große Sorge geäußert hat. Es ist daher eine Doppelbödigkeit und Doppelzüngigkeit, wenn er jetzt schreibt, die Bauernvertreter haben ihren Bauern nie gesagt, daß 60 000 Betriebe genügen würden, um Österreich zu bewirtschaften, sondern daß wir sie belogen hätten. Solche Schwenks können sich Journalisten leisten, die Agrarpolitik hingegen muß beständiger sein. Der Herr Minister hat es hier bereits angesprochen.

Weil es vorhin geheißen hat, daß Landwirtschaft und Markt sehr eng mit den Konsumenten verbunden seien, muß ich sagen: Ich stehe nicht an, von dieser Stelle aus den Konsumenten einmal Dank und Anerkennung auszusprechen für die Treue, die viele von ihnen – trotz leicht erhöhter Preise – unserer Landwirtschaft gehalten haben, dafür, daß sie nicht der Versuchung erlegen sind – das habe ich schon angesprochen –, billig importierte Massenware zu kaufen. Mit dem Kauf dieser Lebensmittel haben sie gleichzeitig auch die eigene Lebensqualität abgesichert. Noch eines: Beim Kauf ausländischer, industriell erzeugter Billignahrungsmittel kann


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man nicht gleichzeitig eine gepflegte österreichische Kulturlandschaft erwarten. Das wird nicht möglich sein.

Ich bin überzeugt, daß das nicht nur ein wichtiger Aspekt für unsere Konsumenten, sondern auch für den Tourismus ist. Wir haben die Diskussionen über den gegenseitigen Nutzen Tourismus – Landwirtschaft hinter uns. Die Rolle des Konsumenten ist eine ganz bedeutende, und wir sollten mit der Informations- und Bewußtseinsbildung schon im Schulalter beginnen. Ich denke hier etwa an die Möglichkeiten moderner Unterrichtsmittel. Mit CD-ROM-Cassetten kann man den Lehrkräften wertvolle Hilfsmittel zur Verfügung stellen.

Wer weiß etwa, welch komplizierter chemischer Vorgang in einer Milchkuh notwendig ist, bis es zur Produktion der Kuhmilch kommt, und wieviel Fläche dafür – sprich: Verfütterung des Grundfutters – gepflegt wurde? – Ich denke, das sind doch wesentliche Ansätze.

Im Bericht wird darauf hingewiesen, wie naturnah und ökologisch bei uns in Österreich das Grünland bewirtschaftet und gepflegt wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf schon eines erwähnen: Wenn gefragt wurde, was der Minister gemacht hat für die krisengeschüttelten Rinderbauern und Grünlandbauern in Österreich – durch die BSE-Krise und nicht durch den EU-Beitritt! –, so muß gesagt werden, daß natürlich der Hartwährungsausgleich einer der Ansätze war. Es ist eine Doppelbödigkeit, das bei der Euro-Diskussion – ich habe es bei der letzten bereits Sitzung erwähnt – abzustreiten. Gerade die Landwirtschaft war eine der hauptbetroffenen Sparten, was die Lira-Abwertung angeht. 75 Prozent unseres Handels betreiben wir mit den 15 EU-Staaten. Das muß man bedenken, und das sind wesentliche Themen, die man nicht leichtfertig diskutieren oder belächeln sollte, sondern mit denen man sich wirklich auseinandersetzen muß. (Präsident Dr. Hummer übernimmt den Vorsitz.)

Im Zusammenhang mit den Ausgleichszahlungen – ich betone: Ausgleichszahlungen – wird fälschlicherweise immer von Subventionen gesprochen. Was geschieht mit diesem Geld? – Es wird vorrangig in die regionale Industrie, in das regionale Gewerbe investiert, in den Regionalraum.

Ich darf, auf die volkswirtschaftliche Bedeutung verweisend, nur ein kleines Beispiel bringen: 2,89 Milliarden Schilling macht allein in Österreich im Jahre 1996 die Landmaschinenproduktion aus!

Ich komme in diesem Zusammenhang zur regionalen Beschäftigungspolitik. Wir haben 182 000 Beschäftigte direkt in der Landwirtschaft, und hinzu kommt noch der vor- und nachgelagerte Bereich. Ein Beispiel: Es gibt 5 400 Beschäftigte nur im Molkereibereich. Die Landwirtschaft trägt somit wesentlich zur Sicherung des regionalen Klein- und Mittelgewerbes, zur Sicherung und Stabilisierung des Arbeitsmarktes und – das ist ganz wesentlich für unsere Konsumenten – auch zur Versorgung mit wertvollen Nahrungsmitteln bei, aber, was noch wichtiger ist, auch zu einer gepflegten Kulturlandschaft.

Ein wesentlicher Bereich wird in Zukunft die nachwachsende Energie sein. Auch diesbezüglich ist im Bericht erwähnt, daß es zu wesentlich verbesserten Förderansätzen kommen wird. Ich verweise auf eine Studie von Dr. Kopetz: Wenn es uns gelingt, den Bereich der Hackschnitzelheizungen um zirka 20 000 auszubauen, haben wir ein Beschäftigungspotential von 10 000 Personen. Die momentane Entwicklung ist leider eine gegenläufige. Es gibt jährlich 75 000 neue Öl- und Gaskessel, die holzbeheizten Wohnungen werden leider jährlich um 5 000 weniger. Hier gilt es anzusetzen.

Genauso sind auch weitere Sparten zu forcieren, wie etwa die Ölsaaten, der bereits angesprochene Hanf, aus dem man dann technische Farbstoffe erzeugen kann, oder etwa die Erzeugung von Verpackung und Folien aus Mais- oder Getreidestärke.

Es wird gesellschaftspolitisch von größter Bedeutung sein, wieweit die Leistungen unserer Bauern erkannt und honoriert werden. Unsere Jugend müssen wir motivieren! Ich habe genug von Betriebswirtschaftern und Professoren in der Betriebswirtschaft. Erst kürzlich war im "Bayrischen Wochenblatt" wieder ein Bericht, in dem nur von "Stückzahlen", "Produktionsein


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heiten" und so weiter die Rede ist. Dabei werden die Lebensgrundlagen, wie wertvollste Lebensmittel, Trinkwasser, Kulturlandschaft, und wird vor allem der Mensch vergessen.

Wenn ein Professor meint, in Zukunft liege die Rentabilitätsgrenze bei 80 Milchkühen pro Arbeitskraft, so mag er vielleicht rechnerisch eine Größe erstellt haben, die stimmt, aber wir werden dabei nicht nur von der umweltpolitischen Seite her scheitern, wir werden daran auch von der menschlichen Seite her scheitern, und ich glaube, das sind die wesentlichen Ansätze. Wir wollen weiterhin eine bäuerlich betriebene Landwirtschaft, die am besten die Ernährung unserer Bevölkerung sichert, die sie mit hochwertigen Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen versorgt.

Herr Minister! Ich darf an dieser Stelle für deine Arbeit danken, die wesentlich zur Sicherung der angesprochenen Ziele beiträgt. Wir werden dem vorliegenden Bericht zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.40

Präsident Dr. Günther Hummer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht. – Dies ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Berichte erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1996, Grüner Bericht 1996.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998 gemäß § 9 Abs. 2 LWG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (882/NR sowie 5544 und 5547/BR der Beilagen)

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Horst Freiberger übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Horst Freiberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von


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Kindern und Jugendlichen 1987 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich erspare mir deshalb die Verlesung.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Oktober 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


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Präsident Dr. Günther Hummer:
Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile es ihr.

13.43

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Die Abänderung des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 machen mich sehr nachdenklich, und zwar aus folgenden Gründen: Wir leben in einer Zeit, in der wir nicht mehr genügend Arbeitsplätze haben, in einer Zeit, in der viele Menschen arbeitslos sind. Wir leben auch in einer Zeit, in der Jugendliche keine Lehrstelle und Schulabgänger keine Arbeitsstelle mehr finden. Und in dieser Zeit produzieren wir Gesetze, mit denen wir zum Beispiel Jugendlichen verbieten, unter gewissen Umständen zu arbeiten, sei es, weil wir Ruhensbestimmungen vorschreiben, oder Lehrlingen vorschreiben, zum Beispiel im Gastgewerbe, daß sie nur bis 22 Uhr arbeiten dürfen, und so weiter. Jugendliche dürfen also auch dann nicht arbeiten, wenn sie es wollten.

Ich frage daher: Ist das sinnvoll? Ist das wirklich sinnvoll in einer Zeit wie dieser, in der jeder froh ist, einen Arbeitsplatz zu haben?

Es ist daher erfreulich, daß mit diesem Gesetz heute die Ruhensbestimmungen etwas gelockert werden. Es ist aber auch nicht verwunderlich, wenn Betriebe keine Lehrlinge mehr einstellen. Paradoxerweise werden dann von der Bundesregierung Jugendbeschäftigungsoffensiven geschnürt, was an sich sehr positiv ist.

Aus diesen Gründen stelle ich einmal mehr die Forderung auf, daß der Gesetzgeber nicht engmaschige Gesetze schnürt, sondern die Rahmenbedingungen so gestaltet, daß die Freiheit des einzelnen größtmöglich gewahrt wird. Außerdem besteht mehr denn je die Notwendigkeit, bei Gesetzen darauf zu achten, ob sie der praktischen Durchführbarkeit standhalten, und die Gesetze so zu schreiben, daß sie auch von Laien gelesen werden können.

Die heutige Änderung des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes ist jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es sind noch viele Wünsche der Wirtschaft offen:

Zum Beispiel:

eine generelle Verlängerung der Probezeit,

unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit der Auflösung eines Lehrvertrages,

verstärkte Flexibilisierung der wöchentlichen Arbeitszeit der Lehrlinge, vor allem wichtig bei Montage,

weniger, dafür aber praxisgerechte Rechtsvorschriften für die Berufsausbildung,

Möglichkeiten einer praxisorientierten Anlehre für weniger begabte Jugendliche,

finanzielle Entlastung für Lehrbetriebe, um nur einige davon zu nennen. (Bundesrat Payer: Das sind Wünsche an die Unternehmer!) Diese Wünsche dienen letztendlich nicht nur den Unternehmen, sondern auch den Lehrlingen, denn wir sitzen ja alle im selben Boot, und ein Miteinander ist immer noch besser als ein Gegeneinander. (Beifall bei der ÖVP.)

13.46

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile es ihm.

13.46

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Frau Kollegin Giesinger hat in ihren Ausführungen schon darauf hingewiesen, daß wir heute das Bundesgesetz novellieren, das sich mit der Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzt, und daß auch das Arbeitslosenversicherungsgesetz geändert wird, um vor allem Arbeitsstiftungen weiterhin zu ermöglichen, und zwar besonders im Bereich der Lebensmittelverarbeitung.

Die heute vorliegende Novellierung wurde notwendig, um die sich im täglichen Betrieb ergebenden Probleme bei der Umsetzung der EU-Richtlinien betreffend Neuregelung der Wochenfreizeit zu entschärfen. Besonders betroffen davon waren alle jene Branchen, die sich mit der Produktion und Verarbeitung von frischen Lebensmitteln zu beschäftigen haben, wie Fleischer, Konditoren, Molkereien und Bäcker.

Des weiteren – das möchte ich auch hier aufzeigen – wurde eine Sonderregelung für den 8. Dezember geschaffen, wenn dieser auf einen Werktag fällt. Der Jugendliche kann künftig am 8. Dezember beschäftigt werden, wenn es eine diesbezügliche Regelung im Kollektivvertrag gibt. Ich möchte aber unterstreichen, daß auch der Jugendliche das Recht hat, seine Beschäftigung abzulehnen, ohne daß ihm dadurch ein Nachteil entsteht.

Die vorliegende Novelle gibt nun auch jenen Unternehmen und Betrieben die Möglichkeit, Lehrlinge einzustellen, die bisher immer die Meinung vertreten haben, dies aufgrund ausbildungshemmender Bestimmungen und Vorschriften nicht tun zu können, so wie das auch Kollegin Giesinger erwähnt hat. Ich bin froh darüber, daß die Ausbildungsbetriebe, daß sehr viele Unternehmer – da insbesondere die Vorarlberger Unternehmer – nicht so handeln, wie Kollegin Giesinger das hier dargestellt hat. Sie hat in diesem Zusammenhang nämlich ein durchaus negatives Bild gezeichnet.

Es ist sonst nicht meine Art, einen Betrieb besonders hervorzustreichen, aber ich darf hier doch die Firma Blum erwähnen. Der Verantwortliche, Herr Dipl.-Ing. Blum, ist ein Vorzeigeunternehmer. Er liefert ein Beispiel dafür, wie man Lehrlinge qualitativ, kreativ und in die Zukunft orientiert ausbildet. Das war auch der Grund dafür, warum ihm die Gewerkschafter und die Arbeiterkammern vor zirka 14 Tagen den sogenannten Benya-Facharbeiterpreis verliehen haben.

Immer wieder ist auch davon die Rede, daß die Bürokratie, die mit der Lehrlingsausbildung verbunden ist, und die Kosten der Lehrlingsausbildung die Ursachen des Lehrstellenmangels sind. Die Arbeiterkammer Wien hat vor kurzem das IHS, das Institut für Höhere Studien, beauftragt, die betrieblichen Kosten der Lehrlingsausbildung zu erheben.

Über 1 000 Ausbildungsbetriebe wurden gefragt. Das Ergebnis lautet: 35 bis 40 Prozent der Lehrbetriebe haben Nettoerträge aus der Lehrausbildung, die in manchen Branchen sogar bis 200 000 S gehen.

Die Studie zeigt also, daß die Kosten der Lehrausbildung sicherlich kein glaubwürdiges Hindernis sein können, Lehrlinge einzustellen und auszubilden, müssen doch – das haben wir erst vor wenigen Wochen beschlossen – Lehrbetriebe nun keinen Unternehmerbeitrag zur Krankenversicherung für Lehrlinge mehr zahlen, und das Alter, bis zu dem besondere Schutzbestimmungen für Jugendliche gelten, wurde von 19 auf 18 Jahre gesenkt.

Der Hinweis der Kollegin Giesinger, daß Lehrlinge doch bis 23 oder bis 24 Uhr im Fremdenverkehr arbeiten können sollten, hat folgenden Hintergrund: Sollten nämlich Lehrlinge bis 23 oder 24 Uhr im Gastgewerbe, im Fremdenverkehr beschäftigt werden dürfen, würde das mindestens 4 000 älteren erwachsenen Kolleginnen und Kollegen den Arbeitsplatz kosten. Daher findet es auch nicht unsere Zustimmung, daß die Fremdenverkehrswirtschaft und das Gastgewerbe Jugendliche bis Mitternacht beschäftigen können. Außerdem ist auch die Lernmöglichkeit zu dieser Zeit sicherlich schon auf dem Nullpunkt angelangt.


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Ebenso sind angebliche bürokratische Hemmnisse kein plausibler Grund, daß nun weniger Lehrlinge ausgebildet werden als noch vor wenigen Jahren, denn Ende 1990 gab es österreichweit fast sechsmal mehr offene Stellen als Lehrstellensuchende, obwohl wir alle wissen, daß manche Bestimmungen und Ausbildungsvorschriften damals strenger waren als heute.

Des weiteren sind Aussagen nicht richtig, daß Lehrlinge pragmatisiert seien, daß Lehrverträge nicht vorzeitig gelöst werden können. 1996 wurden laut Wirtschaftskammerstatistik allein in Wien von insgesamt 16 783 aufrechten Lehrverträgen 2 889 – also 20 Prozent – vorzeitig gelöst.

Sachlich nicht nachvollziehbar ist die Behauptung, wonach der Zugang zur Ausbildungsberechtigung viel zu schwierig sei. Wenn heute jemand einen Lehrling ausbilden möchte, hat er 18 Monate Zeit, den Befähigungsnachweis nachzubringen. Alternativ zur Ausbilderprüfung kann die erforderliche Qualifikation dafür auch in einem 40stündigen Kurs erlangt werden.

Entschieden zurückweisen möchte ich die Einführung der Anlehre, wie das Kollegin Giesinger verlangt hat. Die Begrenzung auf nur wenige Tätigkeitsfelder in der Ausbildung ist für die künftigen Chancen der Jungen auf dem Arbeitsmarkt äußerst problematisch. Ich glaube, wir sollten eher einen anderen Weg gehen, und dieser lautet: Für uns ist das Fördern von jungen Menschen oberstes Prinzip. Wir lehnen eine negative Selektion der Jugend auf das entschiedenste ab!

In den letzten Jahren gingen vor allem auch dort Lehrstellen verloren, wo die Ausbildung besonders gut war, nämlich in der Industrie. Daher plädieren wir für mehr Lehrstellen durch neue Berufe. So müßte eigentlich auch die Herausforderung für alle Verantwortungsträger in Wirtschaft und Politik lauten. Die Unternehmer sollen die neuen Ausbildungsmöglichkeiten stärker nützen, um der Jugend neue Ausbildungsplätze in diesen neuen Berufen zur Verfügung zu stellen.

Die beruflichen Anforderungen haben sich in den letzten Jahren doch sehr stark geändert. Das wissen wir alle, das sollten wir aber nicht beklagen, sondern wir sollten die Chancen nützen. Gefragt sind nicht mehr enge Spezialqualifikationen, die jungen Menschen brauchen heute eine Ausbildung, die in mehreren Berufsfeldern anwendbar ist und somit ihre Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt in der Zukunft erhöht.

Als positives Beispiel darf ich die neuen Berufs- und Ausbildungsmöglichkeiten im EDV-Bereich und im Bereich der Telekommunikation anführen. Über neue Berufe, die derzeit noch zur Diskussion stehen – etwa Fertigungstechniker, Sonnenschutztechniker, Verwaltungsassistent, Bankkaufmann und Bankkauffrau, Tiefbauer, Recycling- und Entsorgungstechniker oder der von der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, persönlicher Dienst präsentierte Vorschlag für den Lehrberuf in der Systemgastronomie –, sollte bald positiv entschieden werden. Es dauert oft Jahre, um einen neuen Beruf zu kreieren und auch durchsetzen zu können.

Ich darf, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch auf die intensiven Bemühungen der Arbeiterkammern, der Gewerkschaften und des ÖGB, aber auch die der Wirtschaft und jene der Regierung – vor allem von Bundeskanzler Klima und von unserer Frau Bundesministerin Hostasch – verweisen. Sie zeigen die ersten Erfolge, lieber Herr Kollege Kaufmann! Sie könnten sich auch in Ihrem Bereich mehr engagieren! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. )

Es gibt auch Unternehmer – ich werde Ihnen dann einige nennen –, die die Ausbildung tatsächlich ernst nehmen, ich kann Ihnen aber schon sagen, daß ich eigentlich vom Herrn Präsidenten der Wirtschaftskammer enttäuscht bin, der trotz seiner Lippenbekenntnisse bisher keinen Lehrling zusätzlich zu seinen bisher zwei Lehrlingen eingestellt hat. Ich glaube, daß politisch verantwortliche Interessenvertreter auch in einer Vorbildfunktion an die Öffentlichkeit treten sollten.

Diese Bemühungen schlagen sich auch in den Arbeitsmarktdaten nieder: So ist insgesamt die Zahl der Beschäftigten im Vergleich zum September des Vorjahres um fast 11 000 gestiegen, und erfreulicherweise – darauf können wir alle stolz sein – sinkt die Jugendarbeitslosigkeit der 15- bis 25jährigen in Österreich weiter. Wenn auch die Dynamik auf dem Lehrstellenmarkt im September gestiegen ist, reicht sie doch noch nicht aus, um alle Lehrstellensuchenden unterzubringen, obwohl es im Vergleich zum Vorjahr um zirka 2 000 Lehrlinge mehr gibt. Österreichweit suchen jedoch immerhin noch 4 000 bis 5 000 Burschen und Mädchen nach einer Lehrstelle.


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Auch in Wien ist die Anzahl der Lehrverträge gestiegen. Bundesweit liegt die Anzahl der Lehrverträge bei 34 170; das sind im Vergleich zum Vorjahr um knapp 2 000 mehr. Wenn man das jetzt regional betrachtet, stellt man fest, es hat einen positiven überproportionalen Anstieg in Oberösterreich mit 9,6 Prozent und in Tirol mit 7,7 Prozent gegeben – auch Kollege Jaud hat sich bereit erklärt, zu seinen zwei bereits eingestellten Lehrlingen noch weitere einzustellen, wenn er passende findet (Beifall bei der SPÖ und bei der ÖVP) ; ich sage das, auch wenn er nicht mehr da ist –, aber auch in der Steiermark ist der Anstieg von 5,1 Prozent ein sehr beachtlicher. Ganz besonders hoch war der Zuwachs in Wien. Er betrug 21 Prozent. Wien mit den vielen Initiativen ist sicherlich Spitzenreiter.

Ich darf beispielhaft einige regionale Ausbildungsprojekte erwähnen: das Lehrausbildungsprojekt Siemens in Fohnsdorf, aber auch das triale Lehrlingsausbildungssystem, ein Projekt des BfI, des Berufsförderungsinstituts Wien, im Auftrag des Arbeitsmarktservice und des Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds. Vom Projekt "Jugend am Werk", einer Lehrwerkstätte, die von den Arbeiterkammern, vom ÖGB und seinen Gewerkschaften betrieben wird, ist diese Woche eine besondere Initiative gestartet worden.

All diese Bemühungen – ich habe das schon erwähnt – reichen nicht aus, 4 000 bis 5 000 jungen Burschen und Mädchen eine Lehrstelle anbieten zu können. Ich habe auch schon erwähnt, daß auch der Präsident der Wirtschaftskammer, Kollege Maderthaner, Nachholbedarf hat. Sein Visavis, der Präsident der Industriellenvereinigung, Mitterbauer, hat seine Lehrlingszahl beachtlich erhöht.

An die Adresse der Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei darf ich das Ersuchen richten, daß auch Ihr Wirtschaftssprecher Prinzhorn Lehrlinge in seinem Konzern einstellen möge. Er ist vor wenigen Tagen gefragt worden und hat gesagt, er stelle keine Lehrlinge ein. Aber auch Ihr Parteivorsitzender Haider könnte sich dazu bewegen lassen, wieder Lehrlinge einzustellen. Es genügt nämlich nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei, immer wieder, wenn ein Anlaß dazu ist, über die Lehrlingsproblematik zu reden, auf diese hinzuweisen, denn ich glaube, man sollte ausreichend vielen Worten auch Taten folgen lassen.

Ich glaube auch, daß Inserate in der Wirtschaftszeitung der Freiheitlichen Partei, in denen österreichischen Unternehmen Auslagerungsmöglichkeiten in ehemalige Staaten der UdSSR angeboten werden, nicht zu einer Verbesserung beitragen, denn wenn man Beschäftigung und Produktion auslagert, trägt das nicht dazu bei, daß mehr Menschen, daß vor allem mehr Jugendliche beschäftigt werden können.

Ich würde Sie, lieber Herr Dr. Königshofer, auch ersuchen, Ihrem Quasi-FPÖ-Gewerkschaftspräsidenten Gaugg etwas auszurichten, der in den vergangenen Wochen als FPÖ-Gewerkschaftspräsident an sehr viele Unternehmen ein Flugblatt mit seinem Konterfei verschickt hat. (Bundesrat Meier: Mit einem Zahlschein!) Dem war ein Zahlschein beigelegt, und er hat die Unternehmer ersucht, Beiträge einzuzahlen. Ich habe nichts dagegen, wenn er das macht, und ich habe das auch nicht anders erwartet, weil ich ja von Haus aus die Meinung vertreten und kundgetan habe, daß das nur eine "gelbe", eine parteiabhängige Gewerkschaft sein kann, aber er könnte vielleicht auch, wenn er sich schon der Mühe unterzieht oder sein Büro beauftragt, solche Aussendungen zu machen, österreichweit auf die schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt hinweisen.

Recht herzlichen Dank, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden diesen Novellierungen gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.03

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Frau Bundesrätin Helga Moser. Ich erteile es ihr.

14.03

Bundesrätin Helga Moser (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Damen und Herren! Gleich zu Beginn: Herr Kollege Drochter, als ich Ihnen jetzt so zugehört habe, habe ich mich gefragt: Haben wir jetzt Regierungsverantwor


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tung oder haben Sie sie und die ÖVP? Wenn Sie uns hier in einem Zusammenhang angreifen, wo Sie die Legislative haben, dann ist mir das nicht ganz klar. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Drochter. )

Inhaltlich kann ich mich in meinen Ausführungen jenen der Kollegin Giesinger voll anschließen. Sie hat die Dinge für die Wirtschaft auf den Punkt gebracht, und ich werde mir in meinen Ausführungen ersparen, dies noch einmal im einzelnen zu erwähnen. Sie hat sicher recht, wenn sie derzeit bestehende Rahmenbedingungen, in Frage stellt beziehungsweise kritisiert.

Ich möchte von meiner Position aus schwerpunktmäßig zu den Schutzbestimmungen Stellung nehmen. Wir werden – das möchte ich vorausschicken – dieser Vorlage heute zustimmen, es kann aber nicht ohne einige kritische Anmerkungen gehen.

Der Bereich Kinder- und Jugendschutzbestimmungen ist – so erlebe ich es zumindest immer wieder – fast ein Tabuthema, an dem man nicht kratzen darf, das man nicht hinterfragen darf. Selbstverständlich ist alles zu unterbinden, was die psychische und physische Entwicklung der Jugendlichen behindert oder schädigt. Andererseits ist es aber auch, glaube ich, legitim, zu hinterfragen, ob bestehende Gesetze noch zeitgemäß sind. Die Regelung der Wochenendruhezeit ist für mich so ein Beispiel. Ich werde Ihnen auch gerne sagen, warum.

Betrachte ich aus meiner beruflichen Tätigkeit an einer weiterführenden höheren Schule das Stundenausmaß, das Schüler haben, die berufsbildende höhere Schulen besuchen oder auch eine AHS, und vergleiche ich sie mit der Arbeitszeit der Lehrberufe, dann kann ich sicher eines feststellen: Schüler in weiterführenden Schulen sind einer wesentlich stärkeren Belastung ausgesetzt. Sie haben keine 43 Stunden, um Wochenende und Freizeit zu genießen und sich auszuruhen, und trotzdem gehen diese Jugendlichen gerne in die Schulen, sind voll motiviert und dadurch auch belastbar.

Junge Menschen in der Lehre, die die Lehre ergriffen haben, die ihnen Spaß macht, zu der sie stehen, zeigen, glaube ich, genau das gleiche Verhalten. Sie haben einen Motivationszugang, und sie wollen etwas lernen, sie wollen ihren Beruf erlernen. Und dieses Wollen treibt sie an, das bringt sie zur Leistung. Das hat aber nichts mit Ausbeutung zu tun.

Irgendwie kommt mir auch vor, daß so unterschwellig immer wieder ein gewisser Klassenkampf zu erkennen ist: Hier der ausbeutende Unternehmer, dort der ausgebeutete junge Mensch, der den Schutz der Gesellschaft braucht. Ich kann es nur wiederholen: Schutzbestimmungen dort, wo Schutz gewährt werden muß!

Generell zu hinterfragen ist aber, ob sich nicht auch die Lebenssituation unserer jungen Leute geändert hat. Als Beispiel möchte ich die Arbeitszeit im Gastgewerbe anführen, für die eine Ausweitung bis 23 Uhr diskutiert wird. Unsere Jugendlichen, unsere 16-, 17jährigen sind um diese Zeit noch unterwegs, sie genießen auch die Abendstunden. Sie haben einen anderen Lebensrhythmus und wissen auch, wenn sie ihren Beruf auswählen, welche Vor- und Nachteile diese Berufe haben. Ein junger Mensch, der einen Pflegeberuf wählt, weiß, daß er früher oder später auch Nachtdienst machen muß, ein junger Mensch, der das Gastgewerbe auswählt, weiß, daß auch am Abend Gäste da sind. Dieser Problematik ist er sich bewußt.

Wenn Sie, meine Damen und Herren, meinen, daß Jugendliche vielleicht mit falschen Vorstellungen an Berufe herangehen, die Schwierigkeiten, die Probleme nicht erkennen, dann würde ich Sie bitten, unseren Forderungen nach einem berufspraktischen Jahr zuzustimmen, durch welches die jungen Menschen die Möglichkeit hätten, Berufe kennenzulernen, wirklich vor Ort hineinzuschnuppern und so umfassende Erfahrungen zu machen. (Bundesrätin Schicker: Das passiert ja auch!) Aber nicht im ausreichenden Ausmaß. Mir wird von den jungen Menschen zumindest immer berichtet, daß sie Defizite haben, um die Tiefe und das umfassende Arbeitsfeld wirklich wahrnehmen zu können.

Ich glaube – und das ist auch der Grund, warum wir dieser Vorlage die Zustimmung geben werden –, daß es hier zu einer Verbesserung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommt, aber meine


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Befürchtung ist – beziehungsweise weiß ich es ganz sicher –, daß wir hier im Hohen Haus nicht das letzte Mal über die Lehrlingsproblematik sprechen werden.

Die groß angekündigte Strukturreform ist noch nicht erfolgt, nur Ansätze sind erkennbar. Und daß ich mit meiner Meinung nicht so ganz falsch liege, möchte ich mit einem Zitat belegen, und zwar hat Herr Abgeordneter Helmut Dietachmayr von den Sozialdemokraten wörtlich in der Debatte im Nationalratsplenum gemeint: "Ziel dieses Maßnahmenpakets der Bundesregierung war es, für das heurige Jahr eine ausreichende Anzahl von Lehrplätzen zur Verfügung zu stellen." – Das bedeutet für mich, meine Damen und Herren, keine Reform. – Ende des Zitates.

Sein Kollege von der ÖVP, Herr Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl, hat in seiner Wortmeldung sehr wohl auch den Ansatz aufgezeigt, daß wir hier wieder nur einen Teilbereich beschließen, daß aber die große Reform nicht kommt. Er meinte – ich zitiere –: "Mit dem heutigem Tag sind wir einem modernen, flexibleren Ausbildungsrecht wieder einen Schritt näher gekommen. Manche unserer Forderungen sind nach wie vor offen. Da wir heute bereits gefragt wurden, wann die nächsten Forderungen kommen: Sie kommen. Wenn Sie so möchten, jetzt!" – Das habe ich auch der Wortmeldung von Frau Kollegin Giesinger entnommen.

Das sind die Dinge, meine Damen und Herren, die wir Freiheitlichen kritisieren.

Es geht nicht darum, daß einer das Wissen allgemein gepachtet hat, sondern ich glaube, daß jeder seinen Zugang zu diesem Thema hat: Sie von den Sozialdemokraten, Sie von der ÖVP und wir von den Freiheitlichen. Lassen wir doch einmal demagogische Aussagen, wie Sie sie auch am Schluß getätigt haben, Herr Kollege Drochter, weg, und reden wir einmal über Sachinhalte! Reden wir darüber, was wir gemeinsam verbessern können, was wir längerfristig verbessern können und nicht nur für ein Jahr!

Wir haben heuer viele junge Menschen in den Schulen, und wir haben das Kontingent der Schulplätze aufgestockt. Ja wer sagt uns denn, daß die im nächsten Jahr nicht wieder auf den Arbeitsmarkt zurückdrängen, weil sie erkannt haben, daß sie eine Schulausbildung nicht machen wollen, daß sie den Anforderungen nicht gewachsen sind oder die gewählte Ausbildung ihrer Interessenlage doch nicht entspricht?

Ich glaube, die jungen Menschen, ob sie eine Lehre machen, ob sie eine schulische Ausbildung machen, verdienen es, daß wir immer hinterfragen: Beschließen wir gute Gesetze, werden wir ihnen gerecht, oder gibt es noch Dinge, die man in Angriff nehmen sollte? Gerade die Problematik der Lehrstellen ist für mich ein zu ernstes Thema, als daß ich mich immer nur mit einem Stückwerk in der Gesetzgebung begnügen möchte. Wir Freiheitlichen verlangen deshalb von der Regierung, daß die angefangene – und das wollen wir gerne zugeben – Strukturreform endlich in ihrer Gesamtheit dargelegt wird. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.12

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile es ihm.

14.12

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Wir stimmen heute gemeinsam einer weiteren Novelle zum Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz zu, und ich gebe meiner Vorrednerin recht: Es handelt sich um die zweite Etappe, die heute hier beschlossen wird, und ich schließe sicherlich nicht aus, daß es noch eine dritte Etappe zu dieser Frage geben wird.

Ich glaube, es ist wichtig, daß es uns gelungen ist, in den letzten Monaten, im letzten halben Jahr Bewegung in die Frage des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes hineinzubringen, nachdem es öffentliche Diskussionen gegeben hat, wieso immer weniger Lehrlinge aufgenommen werden, warum es für den Lehrherrn immer weniger attraktiv ist, junge Lehrlinge auszubilden.


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Meine Damen und Herren! Ich möchte natürlich auf einige Ausführungen des Kollegen Drochter zurückkommen, der hier Präsidenten Maderthaner zitiert hat. (Bundesrat Drochter: Steht in der Zeitung!) Lieber Kollege Drochter! Ich möchte nur darauf hinweisen: Kollege Maderthaner hat Lehrlinge ausgebildet zu einem Zeitpunkt, zu dem die OMV keine Lehrlinge mehr ausgebildet hat, obwohl es ein Betrieb ist, der hohe Gewinne ausschüttet, obwohl der Bundeskanzler und ein Staatssekretär aus diesem Betrieb kommen, der die Kaderschmiede der SPÖ ist. Daher möchte ich nicht unbedingt die Klein- und Mittelbetriebe hier erwähnen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kollege Maderthaner hat auch Lehrlinge auf einem Behindertenarbeitsplatz ausgebildet, das muß man auch dazusagen. Bitte, stell das nicht so in den Raum, daß er quasi als Kapitalist dasteht, denn es waren hauptsächlich die Klein- und Mittelbetriebe, die die Lehrlinge ausgebildet haben, und nicht die Großbetriebe, die sich eher von der Lehrlingsausbildung in den letzten Jahren verabschiedet haben. Daher, bitte, rück diese Frage in das richtige Licht! Weil du mehrfach den Präsidenten Maderthaner erwähnt hast, habe ich das sagen müssen. (Bundesrat Drochter: Zweimal!)

Ich glaube, man sollte klarstellen: Es ist uns der erste Schritt mit 1. Juli gelungen, es ist uns gelungen, vieles durchzubringen, die Lehrlingsausbildung für den Lehrherrn wieder attraktiver zu gestalten. Es war auch notwendig, eine EU-Richtlinie über den Jugendarbeiterschutz durchzusetzen, nur, die Österreicher sind manchmal päpstlicher als der Papst. Wir haben in dieser Novelle bei dieser Frage mehr als über das Ziel geschossen. Ich möchte hier Franz Joseph Strauß zitieren, der einmal erwähnt hat, daß die Deutschen Musterknaben in der Umsetzung von EU-Richtlinien sind, und er meinte zu den Umsetzungen in Europa: In Brüssel werden Gesetze gemacht, in Frankreich werden sie aufmerksam gelesen, in Italien in den Papierkorb geworfen und in Deutschland zu 200 Prozent vollzogen. – So ungefähr gilt das auch für Österreich, wenn ich an die Evaluierungsbestimmungen denke und wenn ich an dieses Gesetz denke, das wir gerade wieder novellieren.

Meine Damen und Herren! Kollege Drochter hat in diesem Fall objektiv erwähnt, daß es gerade für Klein- und Mittelbetriebe, für Bäcker, für Konditoren, für Fleischhauer, die den Lehrling natürlich am Samstag vormittag brauchen, weil sie Frischwaren erzeugen und weil sie dem Kunden Frischwaren anbieten wollen, so gewesen wäre, daß sie nach dieser Regelung die Lehrlinge erst wieder am Dienstag gesehen hätten. Und wenn der Montag ein Berufsschultag gewesen wäre, wäre er überhaupt erst am Mittwoch wieder gekommen. Das heißt, der Lehrling wäre überhaupt nicht mehr im Betrieb gewesen, daher gab es ein Aufheulen in dieser Branche.

Ich gebe aber auch zu, daß auch die Branchen nicht unmaßgeblich daran schuld waren, daß das nicht sofort geregelt wurde, weil sie in manchen Bereichen auch geschlafen haben. Das gebe ich offen zu. Das heißt, man hätte vielleicht, wenn man sich intensiver mit dieser Frage beschäftigt hätte, schon früher eine Lösung zustande bringen können.

Aber dieses Thema ist natürlich auch Anlaß, grundsätzlich über das duale Ausbildungssystem in Österreich zu diskutieren, und ich möchte schon sagen, wir können stolz darauf sein, daß wir dieses duale Ausbildungssystem haben. Mit 4,7 Prozent haben wir eine der niedrigsten Jugendarbeitslosenquoten überhaupt. In Schweden sind es 18,4 Prozent, in Frankreich 24,6 Prozent. Wir haben in Österreich 40 000 Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, es werden derzeit rund 120 000 Lehrlinge ausgebildet. Und wichtig ist – und das hat auch Kollege Drochter gesagt –, daß die Tendenz wieder steigend ist. Aber diese Tendenz ist nicht allein steigend, weil der Bundeskanzler eine Hotline eingerichtet hat, bei der sich 24, glaube ich, gemeldet haben, sondern weil wir alle miteinander das ganze Umfeld, die Rahmenbedingungen verbessert haben. Nachdem das ganze Lehrlingspaket auf dem Tisch gelegen ist, als es noch nicht beschlossen war, haben wir beziehungsweise der Wirtschaftsbund eine Umfrage gemacht, bei der sich gleich 3 000 Betriebe bereit erklärt haben, zusätzliche Lehrlinge aufzunehmen – in Niederösterreich waren es um die 800. Ich bin eigentlich stolz darauf, daß wir derzeit um mehr als 200 Lehrverträge mehr in Niederösterreich haben als im heurigen Jahr. (Beifall bei der ÖVP.) Es sind im vergangenen Jahr 6 864 Lehrverträge abgeschlossen worden, um 3,5 Prozent insgesamt mehr.


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Es sind auch erstmals wieder Firmen darunter, die jahrelang keine Lehrlinge ausgebildet haben, dazu gehören auch die OMV und die EVN. Es gibt aber auch neue Firmen wie die AUA, die Magna-Holding, Spitäler und Gemeinden, die Lehrlinge ausbilden.

Man muß aber auch sagen, daß – ich beziehe mich hier auf Niederösterreich – den ungefähr 1 400 Lehrstellensuchenden fast 750 offene Lehrstellen gegenüberstehen. Das heißt, es ist immer das Problem, daß sich die Lehrlinge gewisse Berufe vorstellen, sie aber dann in diesen keinen Lehrplatz bekommen. Daher sind die Zahlen der Statistiken, daß es so viele Lehrstellensuchende gibt, oft trügerisch, denn sehr oft bilden sich Lehrstellensuchende die berühmten Berufe wie Friseur oder Kfz-Mechaniker ein und können dann nicht vermittelt werden.

Es kommt auch dazu, daß heuer mehr Lehrlinge beim Arbeitsmarktservice vorgemerkt sind als in den letzten Jahren, weil sie früher auch direkt vermittelt wurden und weil die Lehrlinge sich mehrfach vormerken ließen. Eines muß man aber auch dazusagen: Eine Lehrlingsförderung seitens des Arbeitsmarktservice gibt es nur dann, wenn sie dort vorgemerkt sind, und daher ist natürlich das Interesse jetzt größer, sich anzumelden.

Ich möchte aber grundsätzlich in den Raum stellen, ob es ordnungspolitisch wirklich richtig ist, die Förderung derartig in den Vordergrund zu stellen. Ich bin dankbar und stolz darauf – das möchte ich vorausschicken –, daß in Niederösterreich das Arbeitsmarktservice derzeit 1 146 Lehrlinge fördert. Wenn man mit rund 4 000 S im Monat rechnet, so ergibt das einen Jahresbetrag von 55 Millionen Schilling. Wenn ich dem die Wirtschaftsförderung für Klein- und Mittelbetriebe in Niederösterreich gegenüberstelle, die bei ungefähr 250 Millionen liegt, dann heißt das, daß rund 22 Prozent des Wirtschaftsförderungsbudgets des Landes für Lehrlingsförderung ausgegeben werden. Österreichweit sind es rund 350 Millionen Schilling, die für die Lehrlingsförderung ausgegeben werden.

Ich glaube, daß der richtigere Weg wäre – was auch Kollegin Giesinger vorgeschlagen hat –, die Rahmenbedingungen noch weiter zu verbessern; denn dann werden wir diese Förderungen nicht brauchen. Diese Förderungen sind natürlich ein Anreiz. Wenn man mit den Unternehmern diskutiert, sagen sie, wir haben eine Förderung vom Arbeitsmarktservice bekommen. Man wird natürlich süchtig auf gewisse Förderungen, aber ich glaube, es wäre sinnvoller und ordnungspolitisch ... (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Abhängig! Um das geht es ja: abhängig machen!)  – Abhängig wird man auch, da haben Sie völlig recht, denn die Förderungen für Lehrlinge werden immer nur für ein Jahr beschlossen, und man muß jährlich um Bewilligung ansuchen. Dafür ist eine Bürokratie erforderlich. Auch müssen im Vergleich zum Vorjahr mehr Lehrlinge eingestellt werden, um in den Genuß der Förderung zu kommen. Das heißt also, die Kosten für diese Bürokratie, die dafür notwendig ist, müßte auch einmal bewertet werden.

Die OMV kann ich dir, Kollege Drochter, nicht ersparen. Die OMV hat jahrelang keine Lehrlinge ausgebildet. Dann ist man draufgekommen, daß man im Gänserndorfer Bereich freie Kapazitäten hat und wollte dort eine Lehrwerkstätte einrichten. (Bundesrat Drochter: Die gibt es schon seit Jahrzehnten!) Ja, aber die ist nicht genützt worden, weil in letzter Zeit dort nur drei Lehrlinge ausgebildet wurden. Von seiten der OMV hätte man aber nunmehr eine öffentliche Förderung in Anspruch nehmen wollen, was so ausgesehen hätte, daß ein Lehrling um umgerechnet 30 000 S im Monat gefördert worden wäre. Das ist natürlich ein Geschäft für solche Firmen, und da frage ich mich schon, ob das Sinn und Zweck einer Lehrlingsförderung ist, daß man Großfirmen wie der OMV, die stolz ihre Aktienkurse und Renditen veröffentlicht, noch Förderungen mehr oder weniger nachschmeißt. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Die Firma hat sehr gute Kontakte zur Regierungsspitze!) – Das meine ich ja, deshalb habe ich dieses Thema unbedingt ansprechen wollen.

Weil vorhin die Kollegin Moser gefragt hat, wann der nächste Schritt kommen wird: Ich hoffe, daß er bald kommen wird. Es hat auch eine Kollegin der SPÖ im Nationalrat gefragt: Wann werden denn die nächsten Forderungen seitens der Wirtschaft kommen? Ich kann Ihnen eine Reihe von Forderungen hier sofort zitieren, die sicherlich diskussionswürdig wären.


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Das ist einmal die Frage einer garantierten Mindestausbildungszeit. Dadurch, daß die Lehrlinge in der Berufsschule sind, alle möglichen Kurse absolvieren und Urlaubszeiten haben, sind sie heute fast nicht mehr im Betrieb. Daher müßte man, so glaube ich, einmal eine garantierte Mindestausbildungszeit im Gesetz verankern.

Weil vorhin gesagt wurde, daß der Zugang zur Lehrlingsausbildung heute sehr leicht ist, ... (Bundesrat Drochter: Erleichtert wurde!) Erleichtert wurde! Ja, aber wenn ein Betrieb keinen Jungvertrauensrat hat, dann dauert es länger, bis er einen Feststellungsbescheid bekommt, als bei jenen Betrieben, wo einer vorhanden ist. Hier sollte man gemeinsam versuchen, die Bürokratie abzubauen.

Weil du vorhin erwähnt hast, daß im Gastgewerbe ungefähr 4 000 ältere Arbeitnehmer betroffen wären, wenn die Arbeitszeit auf 23 Uhr ausgedehnt wird, könnte ich natürlich sofort fragen: Und die Jugend ist kein Anliegen für die Gewerkschaft? Wir haben allein in Niederösterreich mehr als 200 offene Stellen für Lehrlinge im Gastgewerbe, und ich glaube, hier gibt es sicherlich eine Chance für die Unterbringung von Jugendlichen. Es ist natürlich wirklich nicht einzusehen – bitte, erklär das einem Gastwirt –, daß ein Lehrling hinter der Theke nicht stehen darf, er aber vor der Theke bis drei Uhr in der Früh feiern kann. Es ist nicht erklärlich, warum er nicht zumindest bis 23 Uhr arbeiten darf, noch dazu, wo wir die Sommerzeit haben, wo die Gäste meistens erst um 21 Uhr essen kommen – und um 22 Uhr muß sich der Lehrling verabschieden! Kollege Drochter! Das ist wirklich nicht einzusehen. (Bundesrat Drochter: Ich würde gerne einmal mit dir gemeinsam in ein Gasthaus essen gehen und schauen, ob wir um 23 Uhr noch ein warmes Essen kriegen! Das gibt es nicht einmal in Wien!) – Ich habe dich leider nicht verstanden.

Ich glaube, 23 Uhr ist eine Minimalforderung.

Du hast auch noch die ausbildungshemmenden Rechtsvorschriften erwähnt. Da kann ich dir ein nettes Beispiel bringen: Es wollten die Tankstellenbesitzer Lehrlinge ausbilden. Dabei ist man daraufgekommen, daß der Lehrling unter 18 Jahren nicht mit Benzin hantieren darf. In sein Moped darf er aber Benzin einfüllen, bei der Tankstelle darf er aber nicht arbeiten. Daher ist das Ganze wieder abgeblasen worden. Das ist nur ein kleines Beispiel dafür, welch ausbildungshemmende Vorschriften es gibt. Oder: Die Dachdeckerlehrlinge dürfen nur auf ein gesichertes Dach steigen. Das heißt im Endeffekt, er darf nur auf ein Flachdach steigen, weil nur dieses gesichert ist. Ich weiß, Frau Ministerin Hostasch hat diesbezüglich eine andere Vorstellung. (Bundesrat Drochter: Wie lange soll für den Burschen an der Tankstelle die Lehrzeit sein? 3 Jahre?)

Kollege Drochter! Ich will es nicht ins Lächerliche ziehen. Wir haben in Niederösterreich jede Menge Tankstellen, und es gab von den Tankstellenbesitzern wirklich den Versuch, einen Lehrberuf aufzubauen, der daran gescheitert ist, daß ein Lehrling unter 18 Jahren keinen Zapfhahn in die Hand nehmen darf. Aber als Mopedfahrer darf er schon mit 16 Jahren selbst Benzin einfüllen. (Bundesrat Meier: Das ist schon ein Unterschied! Dort gehen 5 Liter hinein und dort Tausende!)

Zur Anlehre: Ich verstehe nicht, warum die Gewerkschaft so dagegen ist. Es geht nicht darum, daß sich die Unternehmer die Lehrlingsausbildung ersparen wollen. Kollege Drochter! Du mußt mir recht geben: Es gibt soundso viele Jugendliche, die heute nicht das Lehrziel erfüllen – aus bestimmten Gründen. Es wäre doch sinnvoll, wenn auch diese Lehrlinge die Möglichkeit hätten, ein Abschlußzeugnis zu bekommen. Der Betreffende wäre dann stolz darauf, daß er eine Ausbildung abschließen konnte, auch wenn es nur in einem Teilbereich ist. Worin soll die Schwierigkeit bestehen, daß ein Lehrling nur im Teilbereich ausgebildet ist? (Bundesrat Drochter: Zum Beispiel!) – Im Schweißer-Bereich etwa. Es gibt einige solche Bereiche, wo Teilausbildungen möglich wären.

Man muß doch stolz darauf sein, wenn man einem Jugendlichen die Möglichkeit bietet, eine abgeschlossene Ausbildung zu haben. Ist es vielleicht gescheiter, wenn dieser als Hilfsarbeiter eingestellt wird? Daher verstehe ich nicht, warum die Anlehre so von der Gewerkschaft verteufelt wird.


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Ein Punkt, den Kollegin Giesinger noch nicht erwähnt hat, wäre die Übernahme der Kosten der Berufsschulzeit durch die öffentliche Hand. Ich glaube, wenn sich die öffentliche Hand, in diesem Fall das Arbeitsmarktservice, dazu bekannt hat, Lehrlinge zu fördern, so könnte man das objektiver gestalten, indem man vor allem die Klein- und Mittelbetriebe dahin gehend unterstützt, daß während der Berufsschulzeit die Kosten der Lehrlingsausbildung vom AMS übernommen werden. Dies würde keine zusätzlichen Kosten verursachen. Dies wäre durchaus gerecht, denn im gesamten österreichischen Bildungssystem wird alles von der öffentlichen Hand bezahlt, nur nicht bei der Ausbildung von Lehrlingen.

Kollegin Moser! Ich glaube daher, daß es im nächsten Jahr sicherlich weitere Gespräche geben wird. Ich bin stolz darauf, daß es uns in zwei Etappen gelungen ist, die Rahmenbedingungen zu verbessern, sodaß mehr Lehrlinge unterkommen können, denn das ist doch unser gemeinsames Ziel. Es kann ja nicht unser Ziel sein, daß wir uns gegenseitig diverse politische Vorschläge an den Kopf werfen, sondern unser Ziel muß es sein, den Jugendlichen eine Chance zu geben und ihnen einen Arbeitsplatz anzubieten. Das möchten wir gemeinsam erreichen. Meine Fraktion wird daher dieser Novelle gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.31

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Grillenberger. – Bitte.

14.31

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mit der Änderung des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes haben wir uns vor drei Monaten in diesem Haus intensivst beschäftigt. Das alleine zeigt schon, daß das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Das neue Berufsbild – speziell bei der Jugend – ändert sich doch ständig. Ich meine, daß das immer wieder zu einer Debatte führen wird. Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen werden wir der Jugend am wenigsten helfen. Wir müssen alle gemeinsam – und das war das Abschlußwort – danach trachten, Jugendarbeitsplätze und auch die nötigen Rahmenbedingungen gesetzesmäßig in diesem Hause zu schaffen. (Bundesrätin Mühlwerth: Machen Sie es doch einmal!)

Meine Damen und Herren! Diese Änderung zeigt ja schon, daß sehr rasch auf das Beschäftigungsproblem der jungen Menschen reagiert wurde. Die Lehrlingsausbildung ist jetzt sicherlich einfacher und günstiger denn je. Erste Effekte sind schon spürbar und wurden heute schon mehrmals hier erwähnt, daß nämlich wieder mehr Jugendliche Beschäftigung finden werden. Mit der ersten Etappe, die im Juli in Kraft getreten ist, die zahlreiche Verbesserungen für Betriebe – das muß man doch zugeben –, die Lehrlinge ausbilden wollen, gebracht hat, ist auch die Flexibilisierung der Berufsschulzeiten den Betrieben zugute gekommen. Dadurch wurden zahlreiche Ausbildungsstätten wieder in Betrieb genommen – wie vorhin schon erwähnt –, die jahrelang niemanden ausgebildet haben. Diese sind nun wieder bereit, Jugendliche und Lehrlinge auszubilden.

Die Liste der Lehrberufe wurde aktualisiert und erweitert. Überarbeitet wurde auch die Liste der Beschäftigungsverbote. Eine wichtige Maßnahme war hiebei die Senkung vom 19. auf das 18. Lebensjahr. Jetzt können Jugendliche mit 18 Jahren die gleiche Tätigkeit verrichten wie ihre Kollegen in der Arbeitswelt. Die Rahmenbedingungen für die Ladenschlußzeit für Lehrlinge, die ab jetzt auch am Samstag bis 17 Uhr arbeiten können, wurden geändert.

Durch diese Novellierung wurden sicherlich wieder Rahmenbedingungen gesetzt, etwa dadurch, daß Jugendliche zum Beispiel am 8. Dezember arbeiten dürfen. Es besteht kein Zwang zu arbeiten – ich sage es jetzt einmal ganz triste –, es sind keine Repressalien zu befürchten. Unter diesem Gesichtspunkt ist dies ein ganz großer Vorteil für die Arbeitswelt.

Aber eines, meine Damen und Herren, sollten wir trotz der Entbürokratisierung, die die Anpassung an die wirtschaftlichen Gesichtspunkte der Jugendschutzbestimmungen, die als lästige oder überholte Bestimmungen aus der Vergangenheit dargestellt werden, bringt, nicht vergessen: Der Jugendliche braucht den Jugendschutz, er braucht die gesetzlichen Rahmenbedingun


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gen, denn junge Menschen und Jugendliche können die Gefahren noch nicht richtig einschätzen und die richtigen Maßnahmen treffen. Tun wir doch nicht so, als bräuchten wir heute eventuell keine Jugendschutzbestimmungen mehr! Auch wir – und ich zähle mich dazu – haben einen Lehrberuf ergriffen und haben unter den damals vorherrschenden Bedingungen eine gute Ausbildung genossen. Das sollten wir auch nicht vergessen.

Ich möchte seitens meiner Fraktion sagen, daß wir diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung erteilen, und ich hoffe, daß wir – aufgerufen von der Wirtschaft – auch Maßnahmen ergreifen werden, um für unsere Jugendlichen Arbeitsplätze zu schaffen. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.35

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Gerhard Tusek. – Bitte.

14.35

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heute zur Debatte stehende Gesetzesbeschluß des Nationalrates ist keine sehr großartige, aber eine notwendige Neuregelung betreffend die Wochenendfreizeit von Lehrlingen. Ich halte diesen Schritt für einen in die richtige Richtung gehenden, weil einerseits der Handlungsspielraum der Wirtschaft etwas erweitert und andererseits – darin stimme ich mit meinem Vorredner, Kollegen Grillenberger, überein – der Schutz der Jugendlichen nicht wesentlich aufgeweicht wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, im Zusammenhang mit diesem Gesetzesbeschluß – so wie es auch alle meine Vorredner getan haben – einige grundlegende Überlegungen zur derzeitigen Lehrlingssituation anzustellen. Ich möchte mein klares und eindeutiges Bekenntnis zum dualen Ausbildungssystem vorausschicken, das sich in Österreich hervorragend bewährt hat und international mit steigendem Interesse beobachtet wird. Dieses duale Ausbildungssystem ist Garantie dafür, daß wir auch künftig – gerade in einer Zeit der fortschreitenden Globalisierung – unser größtes Potential, nämlich unsere hervorragend ausgebildeten Facharbeiter, in die Waagschale werfen können. Gerade dieses Kapital sichert uns am besten die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes Österreich.

Ich möchte aber absolut nicht verschweigen, daß es derzeit – meine Vorredner haben das bereits angeschnitten – gewisse Probleme in der Lehrlingsausbildung gibt. Die demographischen Fakten zeigen uns, daß es in diesem und im kommenden Jahr relativ geburtenstarke Jahrgänge geben wird, die in die Lehrlingsausbildung drängen. Aus diesem Grund und aufgrund einer gewissen Vorsicht der Wirtschaft beim Abschluß von Lehrverträgen gibt es nach wie vor Jugendliche – und auch das dürfen wir nicht verschweigen –, die noch keine Lehrstelle haben.

Dieses Problem wurde aber rechtzeitig erkannt, und sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene wurde versucht, dem entgegenzusteuern. Sicherlich nicht ohne Erfolg. Alleine die Initiativen, die in Oberösterreich gesetzt wurden, bewirkten, daß 1997 um über 800 Lehrverträge mehr abgeschlossen wurden als 1996. Kollege Drochter hat das mit dem Plus von fast 10 Prozent an Lehrverträgen in seiner Rede bereits angeschnitten. Das ist ein gewaltiger Erfolg. Wir müssen aber auch hier sehen – das hat Kollege Kaufmann aus Niederösterreich bereits gesagt –, daß es nach wie vor eine zu große Zahl von vorgemerkten Jugendlichen gibt, die bis jetzt noch keine Lehrstelle haben. Daher muß es unser unbeirrbares Ziel sein, alles daranzusetzen, daß auch diese Jugendlichen Arbeit finden.

Ein Schritt dazu ist, für die Wirtschaft solche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Kosten für Ausbildungsplätze nicht noch mehr steigen. Andererseits muß – bei voller Wahrung des Arbeitnehmerschutzes; gerade für Jugendliche – auch weiter daran gearbeitet werden, daß kontraproduktive Bestimmungen abgeschafft werden. Einiges – und auch das haben Vorredner bereits angeschnitten – ist schon geschehen. Dieser heutige Gesetzesbeschluß ergänzt diese notwendigen Korrekturmaßnahmen.


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Ein weiteres Thema – das haben die Wortmeldungen der Vorredner, der Kollegen Kaufmann und Drochter, schon gezeigt –, das sicherlich nicht unumstritten ist, das ich aber gerade als Lehrer ebenfalls ansprechen möchte, ist die Frage, was mit solchen Jugendlichen, die zwar hervorragende Arbeiter sind, aber – sage ich jetzt banal – nicht das Zeug dazu haben, die Anforderungen der Berufsschule zu erfüllen und Leistungen zu erbringen, geschehen soll.

Wenn ich es etwas gewählter ausdrücken wollte, könnte ich sagen: Was tun wir mit lernschwachen Jugendlichen? Soll man diese Jugendlichen einfach übersehen, soll man sagen, da kann man nichts machen, das ist eben so?

Ich glaube, das wäre der falsche Weg. Ein Weg – und ich betone: ein Weg – speziell für dieses Segment der in den Lernleistungen schwächeren jungen Menschen wäre, eine Form der Ausbildung zu schaffen, die sie nicht überfordert. Wie man diese jetzt nennen will – ob Anlehre oder Teillehre –, ist mir gleichgültig, aber ich meine, wir haben die Verpflichtung, auch für diese Jugendlichen etwas zu tun und hier Akzente zu setzen. (Beifall bei der ÖVP.) Ich betone nochmals – speziell in Richtung des Kollegen Drochter –: Diese Form der Ausbildung soll nicht der Regelfall sein, sondern soll im speziellen lernschwachen Jugendlichen eine Chance bieten, daß auch sie eine Ausbildung bekommen.

Die Frage der Jugendbeschäftigung ist für mich und – wie ich von meinen Vorrednern gehört habe – für alle Fraktionen in diesem Haus eine wesentliche, entscheidende und zentrale Frage, mit der wir uns auch in den kommenden Wochen und Monaten auseinandersetzen müssen. Ich bin fest davon überzeugt, daß es zu befriedigenden Lösungen kommen wird.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch, einige persönliche Sätze anzuschließen. Höchstwahrscheinlich war das meine letzte Rede im Bundesrat, da ich mit 31. Oktober in den oberösterreichischen Landtag wechseln werde. Ich habe diese Funktion nie angestrebt – zu gerne war ich und bin ich Bundesrat –, aber es ist der ausdrückliche Wunsch meines Landeshauptmannes.

Ich möchte die Gelegenheit nützen, mich bei allen Fraktionen und bei jeder einzelnen Bundesrätin und bei jedem einzelnen Bundesrat sehr herzlich für die gute und konstruktive Arbeit in diesem Haus zu bedanken. Sechseinhalb Jahre lang hatte ich die Ehre, dem Bundesrat anzugehören. Ich durfte in den Bereichen Unterricht, Wissenschaft, Umwelt, Sicherheit und Außenpolitik mitarbeiten und konnte sehr viele Erfahrungen machen, die für mein weiteres Leben prägend sein werden.

Besonderer Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen der eigenen Fraktion, an der Spitze Präsident Hofrat Dr. Hummer, Fraktionsobmann Ludwig Bieringer, Vizepräsident Jürgen Weiss, sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ÖVP-Klubs. Das persönliche Eintreten füreinander und das gegenseitige Verständnis in diesem Klub machen mir das Ausscheiden sehr schwer. Ich möchte aber, weil es mir ein echtes Bedürfnis ist, von dieser Stelle auch jemanden erwähnen, der erst kürzlich aus dem Bundesrat ausgeschieden ist und dem wir diesen Geist verdanken: dem langjährigen Fraktionsobmann und Präsidenten dieses Hauses, Univ.-Prof. Dr. Herbert Schambeck.

Aber auch den anderen Fraktionen gilt heute mein Dank dafür, daß Sie mich sechseinhalb Jahre ertragen haben. Besonders bedanken möchte ich mich bei meinen oberösterreichischen Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen. Ich darf sagen: Es hat uns nicht nur die regionale Herkunft verbunden, sondern großteils auch echte Kameradschaft und Freundschaft.

Persönlich bedanken möchte ich mich bei Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach, die mich als Präsidentin im April 1991 angelobt hat und mit der ich gemeinsam Österreich bei der Zentraleuropäischen Initiative vertreten durfte.

Sollte ich jemanden durch eine Geste, durch eine unüberlegte Äußerung oder durch einen Zwischenruf verletzt haben, so bitte ich hier und heute in aller Form um Entschuldigung.


Bundesrat
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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen, da ich Sie nun verlassen muß, für Ihre verantwortungsvolle Tätigkeit hier in diesem Haus und in Ihrem Wahlkreis alles Gute und viel Erfolg wünschen und hoffen, daß das Klima im Bundesrat so bleiben möge, wie es größtenteils in den letzten Jahren war. – Danke schön. (Allgemeiner langanhaltender Beifall. )

14.46

Präsident Dr. Günther Hummer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Auch ich möchte unserem verehrten, leider scheidenden, Bundesratskollegen Mag. Gerhard Tusek für sein hervorragendes Mitwirken im Bundesrat sehr herzlich danken und ihm für sein weiteres politisches Leben "Glück auf" wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich wiederhole meine Frage: Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen über soziale Sicherheit (650 und 874/NR sowie 5548/BR der Beilagen)

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit (768 und 875/NR sowie 5549/BR der Beilagen)

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Chile über soziale Sicherheit (843 und 876/NR sowie 5550/BR der Beilagen)

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen über soziale Sicherheit,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit und

ein Abkommen zwischen Republik Österreich und der Republik Chile über soziale Sicherheit.


Bundesrat
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Die Berichterstattung über die Punkte 4 bis 6 hat Herr Bundesrat Karl Drochter übernommen.

Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Karl Drochter: Herr Bundesminister! Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen über soziale Sicherheit.

Dieser Bericht liegt Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates, in schriftlicher Form vor, so daß ich folgenden Antrag stellen darf:

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Oktober 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit.

Auch dieser Bericht des Sozialausschusses liegt in schriftlicher Form vor; so darf ich nur den Beschluß zur Verlesung bringen.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Oktober 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Chile über die soziale Sicherheit.

Auch dieser Bericht des Sozialausschusses liegt schriftlich vor. Der Beschluß lautet:

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Oktober 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich danke für die Berichterstattung.

Die Debatte über die zusammengezogenen Punkte wird unter einem abgeführt.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. Ich erteile es ihm.

14.50

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die uns vorliegenden Abkommen über soziale Sicherheit haben gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter. Bei diesen Abkommen handelt es sich um internationales Sozialrecht, mit dem die Pensions-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung von Personen und ihrer Familienangehörigen, die ihr Erwerbsleben in Österreich und in einem anderen Land verbracht haben, geregelt wird.

Mit dem Zusammenbruch der totalitären Systeme Osteuropas ist der Ost-West-Konflikt als bestimmendes Element bei uns in Europa und in der Weltpolitik weggefallen. Zahlreiche internationale Fragen und Spannungsfelder brechen nunmehr auf und müssen beantwortet werden – auch im Sozialbereich, einem zutiefst menschlichen Bereich.

Der europäische Integrationsprozeß schafft eine neue Qualität zwischenstaatlicher Zusammenarbeit. In der historischen Auseinandersetzung zwischen Freiheit und Kommunismus ist eine wichtige Entscheidung für die Freiheit gefallen. Das auf Dauer zu sichern, ist die überragende politische Aufgabe. Auf dem Weg zu einer umfassenden Friedensordnung liegen jedoch neue Gefahren, die in den manchmal dramatischen Umwälzungen im östlichen Europa und in Teilen der dritten Welt gründen. Deshalb gilt es, das Sozialrecht auch international zu koordinieren.


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Der grundlegende, weltweite Umbruch der Machtverhältnisse, der Zusammenbruch des Kommunismus und der Sieg von Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft gegen Diktaturen und Einparteienherrschaft ist das Ergebnis einer grundsatztreuen Politik im Rahmen der westlichen Bündnisse. Sie waren gleichermaßen von Festigkeit und Verständigungsbereitschaft gekennzeichnet.

Die soziale Sicherheit befindet sich im Wandel. Es geht darum, in einer arbeitsteiligen Gesellschaft menschenwürdig zu leben. Ein menschenwürdiges Leben ist nach christlichen und sozialen Maßstäben in einer arbeitsteiligen, leistungsorientierten Industriegesellschaft ohne ein ausreichendes soziales Sicherungssystem nicht denkbar. Soziale Sicherheit ist das Fundament für Menschlichkeit und für ein hohes Maß an Freiheit und Stabilität der Gesellschaft. Sozialpolitik muß den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel nach den Prinzipien der Gerechtigkeit und Humanität gestalten. Die sozialen Verhältnisse in einem Staat sind Spiegelbild und Gradmesser für die Mitmenschlichkeit einer Gesellschaft.

Die Sozialpolitik gibt auch Sicherheit im gesellschaftlichen Wandel. Fundament unserer fortschrittlichen sozialen Ordnung ist die soziale Marktwirtschaft. Sie verknüpft wirtschaftliche Stabilität mit sozialer Sicherheit. Eine leistungsfähige Wirtschaft ist die Grundlage aller Sozialleistungen. Aber nur eine gute Sozialpolitik kann sozialen Frieden, der das Fundament wirtschaftlicher Stabilität ist, schaffen. Beides muß auch für den künftigen Wirtschafts- und Sozialraum Europa gelten. Deswegen auch mein Ja zur Europäischen Union und zum Euro sowie auch zu einer koordinierten, grenzüberschreitenden Sozialpolitik.

Zur Sozialpolitik im Spannungsfeld von Freiheit und Verantwortung, Leistungsbereitschaft und Solidarität! Die Grundprinzipien unserer Gesellschaft und Sozialpolitik sind christliche Grundwerte: Personalität, Solidarität und Subsidiarität. Sie haben sich bewährt, denn sie waren Leitlinien für den Weg von der Armutsgesellschaft des letzten Jahrhunderts zum modernen Sozialstaat in der freien Welt.

In der Europäischen Union haben die Menschen volle Freizügigkeit. Eine sozialpolitische Aufgabe der Zukunft ist es deshalb, Europa als Sozialraum zu gestalten, dafür müssen nach meiner Auffassung die gleichen allgemeingültigen Grundsätze gelten. Freiheit, Gerechtigkeit, Eigenverantwortung, Solidarität und Subsidiarität sind Werte ohne Grenzen. Das gilt für Kroatien und Norwegen, aber auch für Chile, das Jahrhunderte gemeinsamer Geschichte mit Europa, im speziellen mit Spanien, verbindet.

Damit ist auch die EU in diesen Ländern nahe. Denken wir an Kroatien, das jahrhundertelang eine gemeinsame Geschichte mit uns Österreichern hatte – die Hauptstadt Kroatiens, Agram – Zagreb, ist von meiner Hauptstadt Graz gleich weit entfernt wie Wien, rein von der Distanz her, aber es ist auch ein sehr langes Zusammengehörigkeitsgefühl vorhanden – und in die Europäische Union will. Auch in Norwegen gab es nicht nur die Wikinger, sondern auch eine große skandinavische, europäische Tradition, und Chile ist, wie schon gesagt, durch Jahrhunderte mit Europa verbunden, dort leben auch permanent mehr als 1 000 Österreicher.

Die Abkommen über soziale Sicherheit mit Norwegen, Kroatien und Chile sind nötig und positiv. Meine Partei, die ÖVP, wird deshalb den Abkommen zustimmen. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.56

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Wolfgang Hager. Ich erteile es ihm.

14.56

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Drei internationale Abkommen über soziale Sicherheit, durch die die Kranken-, die Pensions- und die Arbeitslosenversicherung von Personen und ihren Familienangehörigen, die ihr Erwerbsleben in Österreich und in einem anderen Land verbracht haben, geregelt werden sollen, liegen nun zur Beratung vor.


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Ich komme zuerst zum Abkommen zwischen Österreich und Chile, da es dazu meiner Meinung nach etwas mehr zu sagen gibt als ein paar Routinefloskeln.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir einen ganz kurzen historischen Exkurs zu diesem Thema. 1970 setzte sich in Chile bei freien Wahlen der Kandidat der Volksfront, Allende, durch. Er war der erste demokratisch gewählte, sozialistische Präsident Lateinamerikas. Im September 1973 wurde Präsident Allende von der faschistischen Armeeführung mit massiver Unterstützung des CIA gestürzt und kam bei diesem Putsch ums Leben. Der neue Regierungschef, General Pinochet, löste in der Folge das Parlament auf, verbot jede politische Tätigkeit und verfolgte die Anhänger aller politischen Parteien.

Alle Kritiker des Regimes waren schweren Verfolgungen ausgesetzt, viele von ihnen konnten aber fliehen, unter anderem nach Österreich, wo sie gerne aufgenommen wurden. Dies geschah in den siebziger Jahren, also in Zeiten eines politischen Klimas in Österreich, als noch auf den international guten Ruf Österreichs als Asylland geachtet wurde. Damals war das kein Problem, sondern ein selbstverständlicher humanitärer Akt. Im Grunde ist das ein schmerzlicher Rückblick auf Zeiten, in denen noch nicht der Haß auf Flüchtlinge geschürt wurde.

Aber lassen Sie mich konkret auf das angesprochene Abkommen mit Chile zurückkommen. Damit wird die soziale Sicherheit von Menschen gewährleistet, die in Österreich und Chile Versicherungszeiten erworben haben. Das Ziel ist es, durch die Gleichbehandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen die Zusammenrechnung der Versicherungszeiten für den Erwerb von Pensionsansprüchen im Rahmen eines umfassenden Schutzes im Bereich der Pensionsversicherung zu ermöglichen.

Zum Abkommen zwischen Österreich und Norwegen sei nur so viel gesagt, daß es Regelungen und Ergänzungen der EU-Verordnungen im Bereich der sozialen Sicherheit vorsieht.

Schließlich noch zum Abkommen zwischen Österreich und Kroatien: Ein neues Abkommen mit Kroatien wurde deshalb notwendig, weil eine Teilkündigung des seinerzeitigen Abkommens nur für den Bereich der Familienbeihilfen nicht möglich war. Wie erinnerlich, wurde die Anweisung der Familienbeihilfe für in Kroatien lebende Kinder eingestellt. Deshalb wurde das gesamte Abkommen gekündigt. Die Regelungen in der Kranken,- Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung wurden jedoch unverändert in das neue Abkommen übernommen.

Abschließend möchte ich bemerken, daß meine Fraktion allen drei Vorlagen zustimmen wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.00

Präsident Dr. Günther Hummer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Norwegen über soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Chile über soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Revision von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie über Änderungen des Gesetzes über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, des Firmenbuchgesetzes und des Gerichtsgebührengesetzes (Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz 1997 – GenRevRÄG 1997) (840 und 872/NR sowie 5551/BR der Beilagen)

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz 1997.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Erhard Meier übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Erhard Meier: Der Inhalt des Berichtes des Rechtsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Oktober 1997 betreffend das Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz 1997 liegt allen Bundesräten vor, sodaß ich auf die Verlesung verzichten kann. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Der Rechtsausschluß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Oktober 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Harring. – Bitte.

15.03

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr verehrten Herren! Wir haben heute über ein Bundesgesetz über die Revision von Genossenschaften und über das Firmenbuchgesetz zu beraten. Es ist dies ein Gesetzesvorhaben, das schon im Jahre 1991 im Koalitionsübereinkommen erwähnt wurde. Im Arbeitsübereinkommen der Regierung war damals zu lesen, daß die zeitgemäße Neuordnung und Modernisierung des Genossenschaftsgesetzes dringend sei und deshalb angestrebt werde.

Es wurden damals auch zwei Arbeitsgruppen, eine im Bundesministerium für Justiz, eine im Boltzmann-Institut, eingesetzt. Bedauerlich ist jedoch, daß in alle diesen Arbeitsgruppen ausschließlich Zentralisten am Werk gewesen sind. In keiner einzigen Arbeitsgruppe war ein


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sozusagen Betroffener vertreten, sondern es waren ausschließlich Vertreter von Zentralinstituten eingesetzt.

Die Ziele, nämlich ein neues Genossenschaftsgesetz und ein neues Revisionsrecht zustande zu bringen, sind in Ordnung. Warum man aber gerade mit dem Revisionsrecht begonnen hat, zuerst also das Spezialgesetz und dann erst das Grundsatzgesetz behandelt hat, ist uns bis heute nicht ganz klar.

In diesem Revisionsrecht sind sehr wichtige und anstrebenswerte Ziele formuliert, nämlich die Stärkung der Stellung des einzelnen Revisors im Verhältnis zu den Verbänden, eine Verbesserung der Information für die Genossenschaftsmitglieder, eine Neuregelung der Prüfungsverfolgung, die Beseitigung von Rechtsüberleitungen sowie auch Klarstellungen zum Ziel und Gegenstand der Revision.

Vielleicht war es eine allen bekannte Großinsolvenz im Jahre 1995, die dieses Revisionsrecht wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt hat. Wir sind überzeugt davon, daß auch dieses neue Gesetz die erwähnte Großinsolvenz nicht verhindern hätte können, da Genossenschaften für große, unüberschaubare, zentralistisch organisierte Firmen nicht die richtige Rechtsform sind. Wahrscheinlich hätte man mit einer wirklich unabhängigen Revision etwas verbessern können, verhindert hätte man es aber nicht.

Wir stellen auch fest, daß die Arbeitsgruppe im Justizministerium von einem absoluten Fachmann, der allseits anerkannt ist, geführt wurde, nämlich von Generalanwalt Dr. Zetter. Er ist ein ausgesprochener Spezialist auf diesem Gebiet, und niemand zieht seine fachliche Qualifikation in Zweifel. Wir hätten allerdings von ihm erwartet, daß er dem Herrn Bundesminister vorschlägt, die schon eingangs erwähnte Vertretung der Repräsentanten in den Arbeitsgruppen in einer sinnvolleren Weise zu gestalten.

Meine Damen und Herren! Sie alle, die sich wirklich für diese Gesetzesvorlage interessiert haben, finden unter den Erläuterungen in Punkt 15 die Zusammensetzung dieses Gremiums, in dem es von Spitzenrepräsentanten Österreichs nur so wimmelt, darunter aber, wie gesagt, kein einziger im Sinne der Anwendung des Gesetzes Betroffener.

Die Eigentümer sind also darin nicht vertreten. Es ist beispielsweise festzustellen, daß es einer Raiffeisen- oder Genossenschaftsbank, selbst der größten Raiffeisen-Primärbank, in Österreich unmöglich ist, Mitglied des Österreichischen Raiffeisenverbandes zu werden. Das gibt es nicht. Außer für die Finanzierung sind die Eigentümer im Genossenschaftswesen nicht besonders gefragt.

Ein weiterer Punkt ist die Frage der Rechtsstellung dieser Primärgenossenschaften, die durch dieses neuen Revisionsrecht – durchaus im Einklang mit den Zielen des Entwurfs – gestärkt hätte werden sollen. Auch das ist unserer Meinung nach nicht ausreichend der Fall. Es sind in einigen Punkten sogar Verschlechterungen eingetreten, darauf komme ich später noch zu sprechen.

Professor Keinert, den natürlich alle, die sich mit Genossenschaftsrecht beschäftigen, kennen und der sich seit vielen Jahren intensiv mit diesen Fragen beschäftigt, hat seine rechtspolitische Wertung zu diesem Punkt offengelegt. In seiner letzten Publikation schreibt er: So, wie in der menschlichen Gesellschaft die primäre Realität allein dem einzelnen zukomme und nicht dem Kollektiv, so sollte das auch im Genossenschaftswesen sein: Priorität für die Primärgenossenschaft und nicht für den Verbund!

Meine Damen und Herren! In ursächlichem Zusammenhang damit steht die Frage der Unabhängigkeit des Revisors. Dies war ein ausgesprochenes Reformziel dieses Papiers. Ich darf dazu positiv anmerken, daß im Gesetz selbst, und zwar in § 1 Artikel 1, der Revisor und nicht der Revisionsverband als unabhängig und weisungsfrei erwähnt sind. Das ist eine wichtige Bestimmung, und es ist durchaus zu begrüßen, daß das schon § 1 feststellt.


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Eine weitere Verbesserung, welche im Laufe der vorgelegten Entwürfe erfolgte, ist ein gewisser Kündigungsschutz für die Revisoren. Ich erlaube mir, auf § 19 zu verweisen, der allerdings immer noch lückenhaft ist, denn besagter Kündigungsschutz für den Revisor ist kein spezifisch revisionsrechtlicher Kündigungsschutz. Es gibt keinen Schutz vor einer Versetzung und auch keine unabhängige Schiedsstelle. Dazu komme ich später nochmals bei der Frage der gemischten Verbände, damit Sie sehen, wie wichtig das eigentlich gewesen wäre.

Meine Damen und Herren! Systemwidrig ist meiner beziehungsweise unserer Meinung nach die zusätzliche Kompetenz der Revisionsverbände bei der Mängelbehebung. § 10 des Genossenschaftsrevisionsgesetzes hebt unserer Ansicht nach die Unantastbarkeit des Revisors, zumindest teilweise, wieder auf.

Für einen wichtigen und gravierenden Punkt halten wir auch die Frage der sogenannten gemischte Verbände. Allen, die sich in Österreich mit dieser Frage beschäftigen, ist völlig klar, worum es hier geht. Es gibt eine Revision in den Bundesländern, eine Landeszentralbank und eine Landeszentrale, es gibt also einen Landeskaiser in diesen Genossenschaftsverbänden, der gleichzeitig Chef der Zentralkasse und der Genossenschaftsrevision ist. Damit ist er auch Chef des unabhängigen weisungsfreien Revisors, der diesen einstellt, befördert, versetzt oder sonst etwas mit ihm tut.

Das heißt, da ist überhaupt keine Gewaltentrennung gegeben, und es ist für uns völlig unverständlich, daß im Gegensatz zu den ersten Entwürfen, die es gegeben hat, letzten Endes die Frage dieser gemischten Verbände einfach nicht aus dem Gesetz eliminiert werden konnte.

Ich freue mich, und ich stehe nicht an, das auch anzumerken, daß im Ausschuß auf unsere Befragung hin Herr Generalanwalt Dr. Zetter selbst erklärt hat, daß er im Prinzip, von der Rechtstheorie her, eigentlich der Meinung gewesen ist – er hat das auch in mehreren Vorträgen vor einigen Monaten so gesehen –, daß die Frage der gemischten Verbände einfach anders gelöst hätte werden müssen.

Damit Sie das verstehen, und zwar auch dann, wenn Sie sich mit diesem Themenkreis normalerweise nicht beschäftigen, einige Sätze zur Erläuterung.

In einer Landeszentrale, in der es einen gemischten Verband gibt, gibt es für die angeschlossenen Genossenschaften, für die Primärgenossenschaften, eine Reihe von Knebelungsbestimmungen. Ich erwähne hier nur etwa die Bestimmung der Geldausschließlichkeit: Eine Raiffeisenbank darf das Geld ausschließlich bei der Zentralkasse veranlagen. Das steht so in der Satzung. Die Primärbanken müssen die Liquiditätsreserve ausschließlich bei der Zentralbank halten.

Die Verzinsung für das Konto ordinario und für die Liquiditätsreserve wird aber nicht marktkonform festgelegt, sondern diesen Prozentsatz legt der Vorstand der Zentralkasse, der gleichzeitig in den gemischten Verbänden Chef der Revision ist, nachträglich, am Ende des Jahres, in der Dezember-Sitzung, in der Weihnachts-Sitzung fest, ungefähr nach dem Muster, wie es früher bei den Bundesbahnen gewesen ist, so in der Art: Wieviel Verluste haben wir gebaut? Welche Beteiligungen der Landeszentralen sind positiv oder negativ ausgefallen?, und so weiter.

Danach wird die Verzinsung festgelegt, und die Primärbanken müssen das zur Kenntnis nehmen. Es gibt sogar Bundesländer wie etwa Salzburg, in denen zusätzlich zu dieser Liquiditätsreserve noch eine Verbundreserve, ein Verbundkonto, eingeführt werden muß, auf dem Millionenbeträge zu völlig marktunkonformen, also nicht marktkonformen Konditionen veranlagt werden müssen. Damit greift man natürlich auch vom Gesetzgeber her in den Wettbewerb ein, denn letztlich ist eine Primärbank dann nicht mehr in der Lage, im Wettbewerb genauso aktiv und erfolgreich zu sein wie eine Konkurrenzbank.

Herr Bundesminister! Daß es im Genossenschaftswesen sogar Revisionsverbände oder gemischte Verbände gibt, die gleichzeitig das Primärgeschäft betreiben – wie Sie wissen, ist das in einigen Bundesländern der Fall, in denen diese Verbände unter völliger Verletzung des Subsi


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diaritätsprinzips den Primärgenossenschaften, die die Revision vertritt, quasi direkt Konkurrenz machen –, ist auch ein Spezifikum, das es wahrscheinlich nur in Österreich gibt.

Wenn nun eine Primärbank nicht spurt, sich nicht ordnungsgemäß verhält, dann ist das in einem gemischten Verband sehr einfach: Der Herr Landeszentralkassendirektor nimmt einfach den Hut des Landeszentralkassendirektors ab, setzt einen anderen Hut auf und sagt: Jetzt bin ich Revisionschef! – Und als Revisionschef schickt er den – laut Gesetz unabhängigen, weisungsfreien – Revisor los, und dieser "unabhängige", "weisungsfreie" Revisor geht zu der nicht botmäßigen Raiffeisenbank oder Genossenschaftsbank, macht dort eine sehr strenge Revision und versucht damit, sie wieder auf Vordermann zu bringen.

Oder: Stellen Sie sich vor, ein "Landeszentralkassenkaiser" – viele von Ihnen kennen einen von ihnen aus den Zeitungen, aus den Medien, aufgrund seiner zahllosen Beteiligungen an den verschiedensten Dingen – kommt zu einer Vorstandssitzung einer kleinen Primärbank. – Das ist noch immer so quasi eine Spielwiese des Bauernbundes; ich bedauere sehr, daß ich das sagen muß. – Er kommt also dort hin. Wie sollen sich bitte die Bauernbundvertreter im Vorstand der Genossenschaftsbank gegen den Landeszentralkassendirektor und Obmann wehren? – Eine solche Situation hätte das Gesetz meiner Meinung nach einfach nicht zulassen dürfen.

Weil Herr Kollege Penz freundlicherweise heute hergekommen ist, sage ich es ihm persönlich: Wir werden den Verdacht nicht los, daß diese Bestimmungen bezüglich der gemischten Verbände nur aufgrund von Interventionen des Bauernbundes wieder in das Gesetz hineingekommen sind.

Ich habe schon ein gewisses Verständnis dafür: Jetzt hat man bei der Bank Austria et cetera nichts mehr zu reden – dort soll angeblich die Mitgliedschaft bei der SPÖ, diese Chipkarte, schon mit einer Bankomat-Funktion verbunden sein. (Bundesrat Meier: Sehr humorvolle Aussage!) Ich weiß nicht, ob das stimmt. Aber der Bauernbund hat wahrscheinlich wirklich keine anderen Spielwiesen mehr, daher hat er sich das mit den Genossenschaftsbanken und den Landeszentralen gesichert. Irgendwo muß man noch Politiker, die man vielleicht nicht mehr so intensiv braucht, unterbringen können! Mir würden eine ganze Reihe von Spitzen- ... (Bundesrat Ing. Penz: Sie zählen aber nicht dazu!) – Nein, ich gehe ganz normal in Pension und werde das nicht ausnützen.

Aber ich darf Sie an einige Spitzenpolitiker erinnern: Es gab einen Landeshauptmann Niederl, einen Landeshauptmann-Stellvertreter Bacher, einen Generalsekretär Ferry Maier, einen Ex-Generalsekretär Sixtus Lanner, sie alle sind bei Raiffeisen untergekommen. Das heißt, der Bauernbund hat schon ein großes Interesse daran, jene Gesetze durchzubringen, die diese Strukturen erhalten. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Linzer. ) Selbstverständlich, Herr Notar! Immer dann, wenn es darum geht, Macht oder Strukturen zu erhalten, vergißt man halt in der Volkspartei sehr leicht und schnell seine Prinzipien. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür – auch ich bedauere das sehr! –, daß die Akzeptanz für Ihre politische Gruppierung im Abnehmen begriffen ist.

Die Konstruktion der gemischten Verbände ist also perpetuiert worden, das heißt, es gibt keine Übergangsfrist mehr, keinen Termin, bis zu dem sie auslaufen – obwohl das immer geplant war! –, sondern es steht jetzt im Gesetz – ich zitiere –: Es werden keine neuen gemischten Verbände zugelassen. – Und weiter heißt es, daß all jene, die es bereits gibt, auf ewige Zeiten bestehen. – Damit ist Ihnen etwas – Sie betrachten es vielleicht als Riesenerfolg – gelungen, was ich wirklich nicht nachvollziehen kann.

Zur Frage des Prüfungsmonopols der Verbände. Da hat man offenbar geglaubt, man ist einen Schritt weitergekommen und schreibt jetzt im § 3 unter "Auswahl des Revisors" – ich zitiere –: Als Revisor darf nur ein eingetragener Revisor, ein beeideter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, ein beeideter Buchprüfer, Steuerberater ... bestellt werden. – Zitatende.

Das ist im Prinzip sehr liberal und das, was die Primärbanken sich immer gewünscht haben, nämlich einen anerkannten Prüfer, der in Ordnung ist, selbst aussuchen zu können. Das steht


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zwar jetzt in § 3, aber in § 2 steht halt leider: Der Revisor einer Genossenschaft, die einem anerkannten Revisionsverband angehört, wird durch den Revisionsverband bestellt. – Das heißt, es wurde im Gesetz schon die Möglichkeit geschaffen, daß alle Steuerberater, Wirtschaftstreuhänder und so weiter zum Revisor bestellt werden können, aber in § 2 wird das wieder darauf eingeschränkt, daß nicht der Geprüfte den Revisor bestellt, sondern ausschließlich der Revisionsverband ihn einsetzt.

Mir ist wirklich unerklärlich, wieso beispielsweise der Wirtschaftsbund hier nicht gesagt hat, daß man das liberal handhaben will, daß jeder den Zugang haben soll. Ich habe es allerdings schon ab und zu gehört. Zum Beispiel habe ich einen persönlichen Brief bekommen, der in diesem Zusammenhang hochinteressant ist. Er stammt von – ich denke, ich kann ruhig seinen Namen nennen – Herrn Dkfm. Roland Herneth, ÖVP-Mitglied, wie ich annehme, Vizepräsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder. Er schreibt hier – ich zitiere –: "Wie mir mein Kollege Wundsam" – das ist der Präsident des Institutes der Wirtschaftsprüfer, auch Mitglied des Wirtschaftsbundes – "mitteilt, war die Nominierung im § 3 des Gesetzes" – das ich gerade vorgelesen habe – "die bestmögliche Lösung, um überhaupt Wirtschaftsprüfer und Buchprüfer als Revisoren zu etablieren." – Wie er sich das vorstellt, weiß ich nicht. – Und weiter heißt es hier: "Sehen wir es positiv, daß wir nunmehr die Möglichkeit haben, vom Gesetz her zum Revisor einer Genossenschaft bestellt zu werden!"

Aber daß diesen Revisor immer der Revisionsverband bestellt, hat er offensichtlich verschlafen. Mir tut es leid, daß der Wirtschaftsbund diese Haltung einnimmt. Natürlich waren wir auf der Suche nach Verbündeten, ich stehe nicht an, das zuzugeben. Wir haben mit dem Wirtschaftsbund Kontakt aufgenommen und gesagt: Das könnt ihr euch doch nicht gefallen lassen! – Aber dann bekommt man einen solchen Brief, in dem steht, man solle zufrieden sein, daß es so ist.

Mir tut es auch deshalb leid für den Wirtschaftsbund, weil es jetzt bestimmt jemanden geben wird, der die EU-Konformität dieser Bestimmung überprüfen lassen wird. Ich glaube nicht, daß es den Regeln eines freien Marktes entspricht, die Bestellung einer Berufsgruppe so einzuschränken, daß sie nur durch einen bestimmten Verband erfolgen kann. Es wird sicherlich nicht sehr angenehm für manche, die heute mitstimmen werden, sein, wenn man diese Bestimmung dann wieder aufhebt.

Am Rande darf ich – nur weil der Herr Bundesminister freundlicherweise noch immer da ist – noch darauf hinweisen, daß auch die Frage des Kartellrechtes bei diesen gemischten Verbänden noch keineswegs geprüft ist. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, daß es nach dem Kartellrecht auf Dauer halten kann, daß da irgend jemand bestimmt, daß man sämtliche Marktbestimmungen grundlegend verletzt. Auch das wird – davon bin ich felsenfest überzeugt – einer Überprüfung nicht standhalten.

Meine Damen und Herren! Es gäbe noch einiges anzumerken, wie beispielsweise die übertrieben scharfen Veröffentlichungspflichten, die es bei Genossenschaftsbanken gibt. Es hat sich aber einiges verbessert. Ich gebe zu, es war in den Erstentwürfen viel schlimmer. Es ist aber immer noch für Genossenschaftsbanken eine Diskriminierung, eine enorme Wettbewerbsverzerrung im Vergleich zu den Aktienbanken gegeben. So gesehen darf ich Ihnen sagen, daß die Reform des Genossenschaftsrechtes – mit diesem Revisionsgesetz erfolgt quasi der erste Schritt; wir warten schon mit großem Interesse auf das Genossenschaftsgesetz selbst – eigentlich auf halbem Weg steckengeblieben ist. Daher und aufgrund der aufgezeigten Mängel können wir unsere Zustimmung zu dieser Gesetzesvorlage nicht geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Linzer. – Bitte.

15.20

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Die Genossenschaften in Österreich sind mannigfaltig  strukturiert und reichen von kleinen Selbstversorgungsunternehmen wie den


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Wege-, Weide-, Wassergenossenschaften, Viehzucht- und Nahwärmegenossenschaften einerseits bis zu den Waren- und Kreditbankgenossenschaften sowie Wohnbaugenossenschaften andererseits. Gerade im letzteren Bereich haben sich in den letzten Jahren Großunternehmen mit Milliardenumsätzen entwickelt, wobei es leider auch zu einzelnen, heute schon angedeuteten Pleiten gekommen ist.

Aufgrund der Tatsache, daß das Genossenschaftsrecht für Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften durch Rechtszersplitterung und diverse Rechtsüberleitungen äußerst unübersichtlich und daher dringend reformbedürftig geworden ist, gibt es seit Jahren auf den verschiedensten Ebenen – etwa auch in Arbeitsgruppen im Ministerium – eine Diskussion über eine globale, umfassende Genossenschaftsrechtsreform.

Der vorliegende Gesetzesbeschluß beinhaltet – wie mein Vorredner hier schon festgestellt hat – vorerst nur die Neuregelung eines Teilbereiches, und zwar des Revisionsrechtes. Weil gerade in diesem Bereich der Reformbedarf besonders groß ist, wurde diese Regelung vorgezogen. Dabei sollten wir uns vom Grundsatz leiten lassen, eine Effizienzsteigerung, eine Verbesserung durch Qualität, aber auch durch Quantität der Revision zu erreichen, ohne dabei die bewährten Strukturen des geltenden Revisionsrechtes zu zerschlagen und dabei beispielsweise den Zugang von Klein- und Mittelbetrieben zu dieser Rechtsform der Genossenschaft zu erschweren. In diesem Zusammenhang befürworte ich auch, die relative Verbandspflicht beizubehalten beziehungsweise den Rechtsanspruch unter gewissen Bedingungen – wie eben der Rechtsform der Genossenschaft – zuzugestehen oder beizubehalten

Meine Damen und Herren! Es ist durch das vorliegende Gesetz zweifellos gelungen, ein Revisionsrecht zu beschließen, das auch für größere Genossenschaften Rahmenbedingungen geschaffen hat, die in der heutigen Zeit, im wirtschaftlichen Umfeld der Globalisierung den internationalen weltwirtschaftlichen Beziehungen und dem damit verbundenen Wettbewerb gerecht werden. Andererseits soll aber auch den oben erwähnten sogenannten kleinen Genossenschaften mit ihrem Charakter der Selbstversorgung, der Selbsthilfe der Mitglieder, der Selbstbestimmung, der Selbstverwaltung und der Selbstverantwortung weitergeholfen werden.

Im einzelnen haben sich folgende Reformmaßnahmen ergeben:

Die Revision, die im Dienste der Eigentümer, der Genossenschafter, aber auch der Kunden, der Lieferanten und der Gläubiger steht, wurde inhaltlich durch Prüfung der Rechtmäßigkeit, der Zweckmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit wesentlich erweitert. Die Revision muß darüber hinaus auch die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Genossenschaft gegenüber dem jeweils letzten Prüfungszeitraum erfassen. Der Revisionsbericht selbst ist vor allem auch den Genossenschaftsmitgliedern transparent zu machen. Diesbezüglich gibt es nun eine beschränkte Veröffentlichungspflicht.

Die Auswahl der Revisoren, deren Qualifikationserfordernisse und Aufgaben wurden neu geregelt.

Ferner wurde in Anlehnung an das Handelsrecht bei Kapitalgesellschaften die Rechnungslegungspflicht übernommen.

Zur Diskussion hinsichtlich der gemischten Verbände – Kollege Harring hat seine Gedanken, seine Meinung dazu bereits ausgeführt – möchte ich folgendes feststellen: Natürlich bin ich als Angehöriger eines freien Berufsstandes ebenfalls der Meinung, daß man da zweifellos Wirtschaftstreuhänder zu Rate und zu Hilfe ziehen soll. Es wurde auch normiert, daß diese Möglichkeit nunmehr alternativ besteht. Auf der anderen Seite aber muß man feststellen, daß natürlich auch ein noch so großartiger Bestätigungsvermerk einer Wirtschaftsprüfungskanzlei keine Garantie dafür darstellt, daß es dann nach dem Revisionsbericht nicht doch noch zu einem negativen Ausgang, zu negativen Folgen beziehungsweise zu einer Insolvenz kommt.

Die gemischten Verbände – ich weiß, wovon ich rede, weil ich seit Jahren Aufsichtsratsmitglied einer Bankgenossenschaft bin – sind freilich auch nicht unbedingt das Gelbe vom Ei, aber meine jahrelange Erfahrung im Burgenland damit – wir haben im Burgenland, so glaube ich,


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neben Vorarlberg und Salzburg diese gemischten Verbände als Restbestände ... (Bundesrat Dr. Harring: Vergessen Sie Kärnten bitte nicht!)

Kollege Harring! Wir haben diese gemischten Verbände, aber ich muß sagen, daß ich als Aufsichtsratsmitglied Jahr für Jahr die Arbeit und auch die Effizienz dieser Revisoren durchaus begrüßt habe. Ich hatte bis dato nicht die geringsten Probleme hinsichtlich der Authentizität und der Kompetenz dieser Revisionen. Ich habe auch überhaupt kein Problem in der Richtung, daß da über den Revisor irgendein Druck auf unsere Primärbank, unsere Primärgenossenschaft ausgeübt worden wäre, erlebt. Ich habe vielmehr immer wieder den positiven Aspekt vermerkt – dies gilt allerdings nicht für meine Primärbank, aber für die eine oder andere; es gibt leider Gottes immer und überall schwarze Schäfchen (Bundesrat Dr. Tremmel: Kollege! Seien Sie froh, daß es noch ein paar gibt!)  –, der durch den sogenannten Solidaritätsfonds – auch eine Verbandseinrichtung – entstanden ist. – Lassen Sie mich bitte ausreden.

Das wäre natürlich eine Begleiterscheinung: Würden wir den gemischten Verband auflösen, gäbe es auch keinen Solidaritätsfonds mehr. Das alles sozusagen vom Tisch zu wischen und nur die negativen Aspekte zu sehen, ist, wie ich meine, nicht ganz gerecht. Alles in allem kann ich aufgrund meiner Erfahrung nur in aller Bescheidenheit sagen, ich habe mit dem gemischten Verband kein Problem. (Bundesrat Dr. Harring: Sie sagen aber selbst, das burgenländische Beispiel ist nicht besonders gut!)  – Gut.

Ich möchte übrigens, weil Sie den Bauernbund immer wieder zitiert haben, feststellen: Ich bin zwar Mitglied des Bauernbundes, weil ich vielfach Mitglied bin (Bundesrat Dr. Harring: Sonst könnten Sie nicht Aufsichtsrat sein!)  – als Notar muß man es sich mit allen gut stellen –, aber vor allem bin ich Wirtschaftsbundmitglied, spreche hier also als Wirtschaftsvertreter. Meine Primärbank ist bei Gott nicht vom Bauernbund dominiert, das darf ich Ihnen versichern! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Heiterkeit.) Nein, Spaß beiseite: Es ist tatsächlich so, daß wir uns da nicht von irgendwelchen Einflüssen, von Parteilichkeiten, von Parteien oder Vereinen leiten lassen.

Wir sind der Meinung, Herr Kollege Harring, daß diese gemischten Verbände ohnehin nicht als Dauerrecht verankert sind. Wir würden meinen, daß das für unsere Verhältnisse – damit meine ich: in Vorarlberg, im Burgenland und teilweise auch in Salzburg – zwar durchaus adäquat ist, aber ich gebe Ihnen recht: Das, was Sie angedeutet haben, findet auch bereits statt. In einigen größeren Bundesländern sind auch Genossenschaftsbanken dazu übergegangen, internationale Wirtschaftsprüfer in die Revision miteinzubeziehen, um natürlich durch den Bestätigungsvermerk auch international entsprechend anerkannt zu werden. (Bundesrat Dr. Harring: Geht nicht! Das geht nicht mehr!) Natürlich geht das!

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend läßt sich sagen, daß durch die Stärkung der unabhängigen Revision, die Neuregelung der Prüfungsverfolgung, vor allem auch durch die Klarstellung der Kosten der Revision für unsere kleinen Genossenschaften, durch die Qualifikation und Zulassung als Revisor sowie die Anerkennung als Revisionsverband die Reform des Revisionsrechtes als durchaus gelungen bezeichnet werden kann. Ich bin der Meinung, daß dieser Gesetzesbeschluß nunmehr ein Schritt zu einer Gesamtreform des Genossenschaftsrechtes ist und ein wirkungsvolles, modernes, den neuen Herausforderungen gerechtes, wesentliches Instrument darstellt, um den Ansprüchen gerecht zu werden und die Herausforderungen zu meistern.

In diesem Sinne darf ich sagen, daß meine Fraktion diesem Gesetzesbeschluß die Zustimmung erteilen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

15.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Justiz. – Bitte, Herr Bundesminister.

15.30

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem uns hier heute vorliegenden Gesetzesbeschluß bezwecken wir zum einen auf


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dem Gebiet der Rechnungslegung eine weitgehende Gleichstellung der Genossenschaften mit den Kapitalgesellschaften – ein wichtiger Schritt, der heute noch nicht erwähnt wurde – und zum anderen, vielfach beklagten Unzulänglichkeiten der derzeitigen Rechtslage gegensteuernd, eine umfassende Bereinigung und Zusammenfassung des genossenschaftlichen Revisionsrechtes und dessen inhaltliche und terminologische Anpassung an die heutigen Anforderungen und moderne Standards.

Dabei sind wir grundsätzlich – das ist richtig – von den vorgefundenen Strukturen des geltenden Revisionsrechts ausgegangen und mußten auch versuchen, zwischen den oftmals diametral gegenläufigen Interessen der betroffenen Kreise einen sachgerechten Ausgleich zu finden. Das trifft durchaus auch auf die Anliegen der Primärgenossenschaften und die Hinweise des von Ihnen zitierten Professor Keinert zu, mit denen außerhalb des von Ihnen erwähnten Arbeitskreises durchaus auch quasi bilaterale Gespräche zwischen dem Haus und den Proponenten der Primärgenossenschaften beziehungsweise Professor Keinert stattgefunden haben.

Daß wir schlußendlich nicht mit allen unseren Überlegungen und Vorstellungen durchdringen konnten, liegt nun einmal in diesem Bereich in der Natur der Sache. Es besteht aber meiner Überzeugung nach kein Grund, irgendwelche Verschlechterungen der derzeitigen Situation durch diese Neuregelung zu beklagen. Im Gegenteil: Die Neuregelung bringt ganz wesentliche ... (Bundesrat Dr. Harring: Doch! Beim Prüfungsmonopol ist die Möglichkeit, die Landesregierung anzurufen, weggefallen! Das war die letzte Chance, den Revisionsverbänden zu entgehen!)

Noch einmal: Im Gegenteil: Die Neuregelung bringt wesentliche Vorteile und Verbesserungen der geltenden Rechtslage. (Bundesrat Dr. Harring schüttelt den Kopf.) Durch eine weitgehende Neuregelung der im geltenden Revisionssystem vorgefundenen relativen Verbandspflicht, aus der sich natürlich auch – was hätte sie denn sonst für einen Sinn? – die Bestellung des Revisors durch den Verband ergibt – viele andere Aufgaben hat er nicht bei der Revision –, wird die Gründung der Genossenschaft wesentlich erleichtert und gelegentlich festgestellte Nachteile des geltenden Systems für die Zukunft doch ausgeräumt.

Mit der Einbeziehung der Genossenschaften in die erweiterten Rechnungslegungsvorschriften des Handelsgesetzbuches für Kapitalgesellschaften, der Festlegung gesetzlicher Qualifikations-, Befangenheits- und Auswahlkriterien für die Revisoren, mit der Stärkung ihrer Unabhängigkeit, aber vor allem auch mit der Effizienz ihrer Revision, insbesondere was die Prüfungsverfolgung, den eigentlichen Grund früherer Schwierigkeiten, anlangt, vor allem durch zu Unrecht kritisierte, verstärkte Information der Genossenschaftsmitglieder und der Gläubiger, stellen wir nach meiner Überzeugung den Genossenschaften ein modernes, wirklich herzeigbares Instrument für die Kontrolle zur Verfügung.

Schließlich wird auch die Konzentration der Zuständigkeiten im genossenschaftlichen Revisionswesen bei den Firmenbuchgerichten einerseits beziehungsweise beim Bundesministerium für Jusitz andererseits, dessen Aufsicht die Revisionsverbände unterstellt werden, was eine gewisse Möglichkeit der Einwirkung bei der Auswahl der Revisoren, aber auch bei verschiedenen anderen Kompetenzen anlangt, ihre Wirkung beim Vollzug der künftigen Vorschriften nicht verfehlen.

Was die gemischten Verbände, die hier schon angesprochen wurden, anlangt, so sind sie, worauf auch bereits hingewiesen wurde, im künftigen Dauerrecht nicht mehr vorgesehen, sodaß neue nicht mehr gebildet werden können. Es ist richtig, daß wir die im Begutachtungsentwurf nach einer mehrjährigen Übergangszeit vorgesehene Entflechtung bestehender gemischter Verbände, soweit dadurch nicht die Wahrnehmung der Aufgaben der Revision beeinträchtigt ist, im Hinblick auf das Ergebnis des Begutachtungsverfahrens und im wesentlichen aus politisch-pragmatischen Überlegungen bis zur Regelung der Gesamtreform des Genossenschaftsrechts zurückgestellt haben.

Die Neuordnung der Genossenschaftsrevision ist nur ein erster Schritt einer umfassenden Gesamtrevision des Genossenschaftsrechts. Der Bedarf nach dieser Gesellschaftsform ist nach meiner Überzeugung mehr denn je gegeben. Gerade in einem weltwirtschaftlichen Umfeld, das


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von einer zunehmenden Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen, Internationalisierung der Märkte, überhaupt von einem generell schärfer gewordenen Wettbewerb und Rationalisierungsdruck gekennzeichnet ist, könnte, quasi gegensteuernd, die Ursprungsidee der genossenschaftlichen Unternehmensform, die Idee einer gemeinschaftlichen Selbsthilfe von Wirtschaftsbetrieben gegen übermächtiger Konkurrenz und Marktungleichgewichten erst recht Bedeutung gewinnen.

Die zuständige Fachabteilung des Bundesministeriums für Justiz hat nach Fertigstellung des aus der Gesamtreform des Genossenschaftsrechtes wegen Dringlichkeit, durchaus aber auch aus Einsicht in die realistischen Möglichkeiten vorgezogenen Revisionsrechts die Arbeiten an einem Entwurf eines Genossenschaftsgesetzes wieder fortgesetzt. Nach einer Grundsatzdiskussion über Wesen und Stellenwert der Genossenschaft an der Jahrtausendwende werden nun unter Berücksichtigung vor allem auch des erwähnten Entwurfes des Ludwig Boltzmann- Instituts für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen zunächst Schwerpunktfragen diskutiert, etwa nach dem Ausmaß der Satzungsautonomie, nach der Machtverteilung unter den Genossenschaftsorganen oder auch nach der Rolle des Genossenschaftsverbundes.

Als Ergebnis der sicher nach einer kritischen Reflexion und unter Rückbesinnung auf die Wurzeln und inneren Antriebskräfte der Genossenschaft notwendigen Gesetzesreform muß die Genossenschaft als Rechtsform unter Beibehaltung ihrer sie von anderen Unternehmungen unterscheidenden und ihnen gegenüber auszeichnenden Besonderheiten an die Anforderungen von heute angepaßt und damit für die Zukunft noch attraktiver gemacht werden.

Es zeichnet sich zwar ab, daß die von uns angestrebte konsensuale politische Willensbildung für die Gesamtreform des Genossenschaftsrechts noch eine gewisse Zeit und auch eine gewisse Kompromißfähigkeit der betroffenen Kreise erfordern wird, nicht zuletzt aufgrund des in der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Jusitz nachzulesenden Verlaufs der heuer im Frühjahr in Salzburg von uns veranstalteten Enquete mit dem Thema "Reform des Genossenschaftsrechts" bin ich aber der Überzeugung, daß es bei einigem guten Willen möglich sein müßte, noch in dieser Legislaturperiode zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen.

Soweit die Vorausschau auf das, was wir nach diesem Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz weiter vorhaben. – Danke vielmals. (Beifall bei SPÖ und ÖVP und Beifall der Bundesräte Dr. Harring und Eisl. )

15.39


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort. – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht. – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (845 und 866/NR sowie 5552/BR der Beilagen)

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (849 und 865/NR sowie 5553/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 8 und 9 hat Herr Bundesrat Stefan Prähauser übernommen. Ich darf ihn um die Berichterstattung bitten.

Berichterstatter Stefan Prähauser: Hoher Bundesrat! Ich bringe die Berichte des Finanzausschusses zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9.

Zu Punkt 8:

Durch die derzeitige Möglichkeit der einfuhrumsatzsteuerfreien Einbringung von Zigaretten aus den benachbarten Drittländern nach Österreich im Reiseverkehr bis zu 200 Stück pro Person kommt es zu einer Schädigung der österreichischen Wirtschaft und zu Steuerausfällen.

Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates schafft die Möglichkeit, die Höchstmengen der einfuhrumsatzsteuerfreien Einbringung von Zigaretten (und anderen Tabakwaren) abzusenken. Die Regelung findet ihre Deckung in Artikel 5 Abs. 8 der Richtlinie 69/169/EWG und ist somit EU-konform.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Oktober 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Punkt 9:

Durch den vorliegenden Beschluß des Nationalrates soll im Bereich der Einkommen- und Körperschaftsteuer die erfolgreiche Budgetkonsolidierung der Jahre 1996 und 1997 abgestützt werden. Im Sinne dieser Zielsetzung sollen Freibetragsbescheide für weite Bereiche der Sonderausgaben nicht mehr ausgestellt werden. Die Absetzung dieser Sonderausgaben wird somit erst im Wege der Arbeitnehmerveranlagung erfolgen.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Oktober 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte über die zusammengezogenen Punkte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Rockenschaub. – Bitte.

15.42

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich beginne mit der Vorlage zum Einkommensteuergesetz. Durch die Verweigerung von entsprechenden Freibetragsbescheiden, die in dieser Vorlage vorgesehen ist, nimmt im Grunde genommen der Bund beim Steuerzahler Kredit auf, und zwar zinsenlosen Kredit, und das für einen Zeitraum von rund einem Jahr für eine Gesamtsumme von rund 3 Milliarden Schilling – ein gutes Geschäft für den Bund, ein schlechtes Geschäft für die Steuerzahler.

Diese Maßnahme gehört zu den zahlreichen Elementen der sogenannten kreativen Buchhaltung, wie man das jetzt in Europa nennt, wonach die öffentlichen Budgets durch frisierte Zahlen so weit aufzupolieren sind, damit die sogenannten Maastricht-Kriterien nächstes Jahr im Frühjahr erfüllt und hergezeigt werden können. Sie werden verstehen, daß sich die Opposition


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nicht in der Lage fühlt, dieser Vorgangsweise zuzustimmen, und die freiheitliche Fraktion wird daher diese Gesetzesvorlage ablehnen.

Anders verhält es sich beim Umsatzsteuergesetz: Da kommt es zu der seltenen Situation, daß die Opposition eine Ausweitung von Steuerausnahmen positiv zur Kenntnis nimmt. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Das ist also durchaus ein historischer Tag, denn das kommt nicht alle Monate vor. Es wird nämlich in dieser Gesetzesvorlage die Steuerbasis für die Einfuhr von Tabakwaren verbreitert.

Meine Damen und Herren! Wir haben über unser Abstimmungsverhalten im Klub durchaus sehr kontroversiell diskutiert, und ich persönlich habe mich für die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf eingesetzt, auch wenn eben einmal die Opposition für höhere Steuern stimmt. Warum? – Wir Freiheitlichen wollen eine faire Marktwirtschaft. Sie soll frei, sozial, aber vor allem fair sein. Daher sind wir kritisch gegenüber Importen aus Ländern, in denen völlig andere Rahmenbedingungen herrschen, als sie in Österreich Voraussetzung sind. Das ist dann nämlich ein unfairer Wettbewerb, und diesem unfairen Wettbewerb wollen wir die österreichischen Betriebe und die Mitarbeiter in den österreichischen Betrieben nicht aussetzen. Wenn in Punkten wie Steuerrecht, Sozialrecht, Umweltrecht, Arbeitsrecht und so weiter und so fort auch nicht im entferntesten ein Niveau herrscht, das in Österreich verlangt wird, so ist das eine Marktwirtschaft, die wir nicht haben wollen. Deswegen stehen wir Importen aus solchen Ländern kritisch gegenüber, sie gehören restriktiv behandelt.

Diese Maßnahme der Verbreiterung der Umsatzsteuerbasis für die Tabakwaren ist keine riesengroße Maßnahme, aber sinngemäß gehört sie dazu. Es ist eine Maßnahme, der wir im Sinne unseres Verständnisses von fairer Marktwirtschaft gerne zustimmen.

Damit komme ich schon zum Schluß, meine Damen und Herren! Die Oberösterreichertour wird sich hier fortsetzen, Kollege Tusek hat heute als erster eingeleitet, und ich darf ein Schlußwort persönlicher Art an Sie richten.

Nach sechsjähriger Zugehörigkeit zu diesem Haus verabschiede ich mich von Ihnen. Der Grund dafür ist eine berufliche Erweiterung, wodurch ich mich nicht mehr in der Lage sah, die Verlängerung des Bundesratsmandates anzutreten, zu der mich der Landesvorstand meiner Partei bereits nominiert hatte. Manchmal gehen Dinge eben schnell, aber ich mußte mich für Beruf oder Politik entscheiden, und ich habe mich für den Beruf entschieden.

Ich möchte mich bei allen Kollegen für die Zusammenarbeit bedanken. Die politische Debatte in diesem Haus war aus meiner Sicht über weite Strecken interessant. Sie war auch hart und auch mit Aggressionen behaftet, aber nach meiner Erinnerung war sie stets in der zumutbaren Bandbreite dessen, was man politische Debatte und Streitkultur in Österreich nennen kann. Zumindest war das mein persönlicher Eindruck in diesen sechs Jahren.

Ich wünsche diesem Hohen Haus für die Zukunft alles Gute. In diesem Zusammenhang fällt mir die Bundesstaatsreform ein; keine Sorge, ich werde keinen weiteren Satz dazu sagen, aber ich glaube, dieses Haus hätte sich ein wenig mehr an Klarheit und ein wenig mehr an Eindeutigkeit verdient, was sein Selbstverständnis, seinen Zweck und seine Rolle im politischen System in Österreich betrifft. Das wünsche ich diesem Haus als Institution! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ihnen allen, über die Parteigrenzen hinweg, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wünsche ich persönlich viel Erfolg und eine glückliche Hand bei Ihrer Arbeit für unsere Republik! – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)


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631. Sitzung / Seite 97

15.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesrat Dr. Rockenschaub! Ich darf Ihnen ganz herzlich für Ihre guten Wünsche danken und möchte natürlich diese Wünsche an Sie zurückgeben und Ihnen alles Gute für Ihr berufliches Fortkommen und für Ihr weiteres Leben wünschen. Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerstl. – Bitte.

15.48

Bundesrat Alfred Gerstl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende Änderung im Umsatzsteuergesetz 1994 wird im Zusammenhang mit der seit Juli 1997 verfügten Beschränkung der Einfuhr von steuerbefreiten Tabakwaren aus Nicht-EU-Ländern einen wettbewerbsverzerrenden Zustand beseitigen, der dem österreichischen Staat bisher über 20 Milliarden Schilling Verlust an Einnahmen allein aus der Tabak- und Mehrwertsteuer zufügte, aber darüber hinaus auch einen Verlust an Einnahmen aus Einkommen- und Lohnsteuer aus dem Einzel- und Großhandel, aber auch Steuerverluste aus der Industrie.

Nun werden hunderte Trafikanten knapp vor dem endgültigen Ruin bewahrt, unter ihnen zahlreiche Trafikanten, die, als Behinderte bevorzugt, ihre Existenz als Trafikanten aufbauen konnten. Damit wird dieser Akt auch als eine sozialpolitische Leistung beurteilt werden müssen.

Natürlich soll den Trafikanten, die im Zuge der Mehrwertsteuererhöhungen von 16 Prozent auf 18 Prozent und dann auf 20 Prozent und durch die letzte Spannenregelung auch eine ungerechte Handelsspannenkürzung von 16,42 bis auf 14 Prozent, ohne Mehrwertsteuer, erlitten haben – die Anhebung der Handelsspanne um 2 Prozent ist noch offen –, eine dem Berufsstand, ihrer Leistung und ihrer Funktion einigermaßen entsprechende Verdienstmöglichkeit zugestanden werden.

Ich möchte aber nicht versäumen, Herrn Bundesminister Edlinger den Dank dafür auszusprechen, daß mit dieser Regierungsvorlage nicht nur dem Staatssäckel gedient wird und die existentielle Absicherung von 50 000 Österreichern wieder möglich wurde (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel ) , sondern auch eine große gesundheitspolitische Tat gesetzt wird, haben doch die Billigzigaretten aus den Duty-free-Shops die Jugendlichen zum stärkeren, übermäßigen Rauchen animiert.

Wäre die Verabschiedung dieses Gesetzes nicht möglich, so wäre sicherlich das bestkontrollierbare österreichische Tabakwareneinzelhandelssystem zugrunde gerichtet worden, und damit könnten mit diesem auch künftig kaum gesundheitspolitische Zielsetzungen zum Tragen gebracht werden, wie zum Beispiel in Frankreich, wo der Verkauf aus Automaten verboten wurde, damit Jugendliche keinen Zugriff haben, oder wie in der EU, wo man davon spricht, daß eine Verkaufsstelle für 1 000 Personen genügt und eine Beschränkung der Öffnungszeiten auf 50 Stunden wöchentlich vorzusehen ist. Aber das ist Angelegenheit der Gesundheitspolitiker, der Verantwortlichen für die Gesundheitspolitik.

Vor sechs Jahren habe ich schon über Weichenstellung des damaligen Präsidenten Sloweniens Peterle in Ljubljana bei den zuständigen Behörden vorgesprochen und mir dabei kein Blatt vor den Mund genommen, daß die Duty-free-Shops an den Grenzübergängen gegen die Richtlinien des Brüsseler Zollfreiabkommens verstoßen.

Ich sagte auch, daß dies meine Annahme bestärkt, daß der Bruderkrieg in Jugoslawien nicht durch eine lautere Besinnung zur Förderung regionaler und nationaler Identität ausgebrochen sei, sondern von einigen wenigen Gestrigen geschürt wurde, die eine überwunden geglaubte Ideologie vor ihren Karren gespannt haben, um mit falsch verstandenem Nationalismus ihre Vorteile buchen zu können. Mein Beweis dafür: Präsident Tudjman sagt: Gott sei Dank, daß meine Gattin keine Jüdin oder Serbin ist.

In einem vereinten Europa der Vaterländer, zu dem wir uns bekennen, müssen alle Staaten nicht nur Vorleistungen erbringen, sondern auch untereinander Solidarität beweisen. Ein solches Zeichen wäre daher der sofortige Abbau aller Duty-free-Shops an den Grenzen Österreichs und die Angleichung der Verbrauchersteuersätze an das EU-Niveau. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)


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631. Sitzung / Seite 98

15.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hager. – Bitte.

15.53

Bundesrat Karl Hager (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vom Berichterstatter genannte Beschluß des Nationalrates bezüglich Änderung des Umsatzsteuergesetzes ist meiner Meinung nach eine sehr wirksame Maßnahme, um den sogenannten Einkaufstourismus in verschiedene Drittländer einzudämmen.

Wenn seit 1. Juli 1997 für die über die gestatteten Einfuhrkontingente von Tabakwaren, nämlich 25 Zigaretten, 5 Zigarren, 10 Zigarillos oder 25 Gramm Rauchtabak, hinausgehenden Mengen Tabaksteuer entrichtet werden muß, so ist es wohl logisch und auch verständlich, daß für die Einfuhr solcher Waren über die genannten Kontingente hinaus auch die Einfuhrumsatzsteuer abzuführen ist. (Beifall des Bundesrates Prähauser. )

Es erfolgt also eine Gleichstellung der Umsatzsteuer mit der Tabaksteuer. Diese Maßnahme bietet eine gewisse Gewähr dafür, daß besonders die Einkaufsfahrten – wir haben das bereits gehört – zu den Duty-free-Shops eingeschränkt werden. Wenn man bedenkt, daß ohne diese Regelung ein Steuereinnahmenentfall von zirka 4 bis 4,5 Milliarden Schilling jährlich entstehen würde, so muß man sagen, daß dieses Gesetz wohl mehr als gerechtfertigt ist.

Allerdings – auch das sei fairerweise festgestellt – sind in diesem Betrag nicht nur Tabak- und Umsatzsteuer, sondern auch ein Teil der Mineralölsteuer enthalten. Durch große Preisunterschiede in den einzelnen Ländern entsteht bei den Treibstoffen eine enorme Wettbewerbsverzerrung. Und die sogenannten Tankfahrten wirken sich genauso wie die Einfuhr von Tabakwaren insbesondere in den Grenzregionen negativ aus. Bei den Tabakwaren wurde nun durch diese Gesetzesänderung Abhilfe geschaffen. Sicherlich wären auch bei den Treibstoffpreisen Maßnahmen zu setzen – hier ist vor allem Herr Minister Farnleitner angesprochen, auch wenn er jetzt nicht hier ist –, um die Preisdifferenzen gegenüber den Nachbarstaaten nicht in einem solch hohen Ausmaß wirksam werden zu lassen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Da lukriert die OMV halt auch mit!)  – Aber es ist der Wirtschaftsminister angesprochen, denn das hat mit der Mineralölsteuer gar nichts zu tun, sondern beim "Einkauf ohne Steuer" liegen wir weit über dem europäischen Niveau – natürlich unter Anführungszeichen gesagt. Das steht fest. Ich bin bereit, das anhand von Zahlen nachzuweisen.

Sicherlich werden diese Tank- und Einkaufsfahrten eingeschränkt und bedeutungsloser werden. Entscheidend ist, daß einmal ein erster Schritt getan wurde. Ich glaube, daß mit dieser vorgesehenen Regelung die Fahrten, die hauptsächlich dem Zigaretteneinkauf im Ausland dienten, an Bedeutung verlieren werden und so der österreichischen Wirtschaft, besonders jener in den Grenzregionen, ein Teil der verlorenen Umsätze wieder zugeführt werden kann.

Meine Damen und Herren! Ich darf auch einige Worte zur Änderung des Einkommensteuergesetzes sagen. Grundsätzlich sei festgehalten, daß sich gegenüber dem derzeitigen Zustand nichts ändert. Das heißt, die Situation des Jahres 1997 bleibt unverändert bestehen. Das bedeutet aber auch, daß die Absetzung beziehungsweise Steuerbegünstigung der Sonderausgaben erhalten bleibt, allerdings mit dem Unterschied zu früher – aber nicht zu 1997! –, daß diese steuerliche Begünstigung ein Jahr später zum Tragen kommt, da eben keine Freibetragsbescheide, die Sonderausgaben berücksichtigen, mehr ausgestellt werden und eben nur Freibetragsbescheide ab dem 3. November Gültigkeit haben. Im Durchschnitt sind das bei einer Zugrundelegung eines Höchstbetrags von 40 000 S etwa 3 000 S bis maximal 4 000 S Steuerbegünstigung im Jahr, die eben erst nach einem Jahr wirksam werden.

Es ist dies sicherlich auch eine Maßnahme zur Konsolidierung des Budgets, die eben rund 3 Milliarden Schilling bringt. Zugegeben, das ist ein ansehnlicher Betrag, aber ich meine, daß eine "Belastung" – das möchte ich unter Anführungszeichen sagen – für die Arbeitnehmer zwar wohl gegeben ist, aber mit Augenmaß und in einer zumutbaren Art und Weise erfolgte. Ebenfalls sollte erwähnt werden, daß diese Maßnahme nicht zuletzt dazu beiträgt, die Neuverschuldung unter der 3-Prozent-Grenze zu halten, wie sie im Maastricht-Vertrag vorgesehen ist.


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Ich wiederhole daher nochmals: Diese Maßnahme scheint mir zumutbar und vertretbar zu sein. Meine Fraktion wird den Anträgen des Ausschusses, gegen diese beiden Gesetzesvorlagen keinen Einspruch zu erheben, die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.59

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Von der Berichterstattung wird kein Schlußwort gewünscht.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzierungsgesetz geändert wird (516/A und 864/NR sowie 5554/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung. Es ist dies ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzierungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Prähauser übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Stefan Prähauser: Hoher Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses zum Tagesordnungspunkt 10.

Durch den gegenständlichen Beschluß des Nationalrates wird die wirtschaftlich nicht sinnvolle Einschränkung der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur als zentrale Clearingstelle des Bundes ausgeweitet, was zur Verbesserung der Liquiditätshaltung und des Veranlagungsertrages der Affiliate des Bundes beiträgt.

Da die in den §§ 2 Abs. 1 Z 10 und 11 Abs. 4 enthaltenen Verfassungsbestimmungen die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung nicht einschränken, bedürfen sie nicht der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Oktober 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.


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Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Harring. – Bitte.

16.02

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht war zwar kurz, aber offensichtlich nicht so leicht zu verstehen. Daher sage ich Ihnen: Die Frage, um die es hier geht, ist einzig, ob die Damen und Herren des Bundesrates bereit sind, der Bundesfinanzierungsagentur mehr Kompetenzen zu geben oder nicht.

Die Bundesfinanzierungsagentur ist eine 100prozentige Tochter des Bundes. Es würde uns bei dieser Gelegenheit auch einmal interessieren, ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Agentur Bundesbeamte sind, oder ob man durch die Ausweitung der Kompetenzen dieser Agentur Spitzenbeamte im Ministerium nicht mehr benötigt oder versetzt. Wie funktioniert das? Wir Freiheitlichen sind dem immer einigermaßen kritisch gegenübergestanden. Und ich glaube, dies aus gutem Grund.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere von Ihnen daran, daß wir vor etwa einem Jahr aufgrund einer Feststellung im Ausschuß des Bundesrates erfahren haben – das ist dann auch öffentlich diskutiert worden –, daß die Durchschnittsverzinsung aller Ausleihungen des Bundes damals bei etwa 6,4 Prozent gelegen ist. Es ist uns erklärt worden, der Grund dafür sei, daß es sehr langfristige Verträge gibt und so weiter. Ich bin überzeugt, daß der Herr Bundesminister inzwischen Druck gemacht und dafür gesorgt hat, daß diese Durchschnittsverzinsung wesentlich gesunken ist. Alles, was in der Durchschnittsverzinsung über 6 Prozent liegen würde, ist vom Markt her sicherlich viel zu hoch, auch wenn es sein mag, daß es da und dort längerfristige Verträge mit Fixverzinsvereinbarungen gibt, aus denen man nicht herauskommt. Wir halten eigentlich eine Kompetenzerweiterung – ich sage das gleich vorweg – nicht für sinnvoll.

Wenn wir kurz auf die Entwicklung der Verbindlichkeiten, die diese Agentur verwaltet, zurückblicken, so stellen wir fest, daß im Jahr 1996 Bundesschulden in Höhe von 1 391 Milliarden Schilling vorhanden waren. Wenn man die Länder und Gemeinden dazunimmt, stellt man es fest, sind die Verbindlichkeiten 1996 mit 1 634 Milliarden Schilling zu Buche geschlagen. Wir werden jetzt Tilgungszahlungen – das heißt, nicht wir, sondern der Steuerzahler – in einer Größenordnung von zirka 100 Milliarden Schilling zu tätigen haben, und in kurzer Zeit, etwa im Jahr 2000, wird die Größenordnung dieser Tilgungszahlungen schon 150 Milliarden Schilling ausmachen.

Zu diesen gigantischen Summen kommen natürlich die sogenannten grauen Finanzschulden dazu. Ich erwähne hier nur die Hochleistungsstrecken-AG mit solchen in einer Größenordnung von 23 Milliarden Schilling, die Bundesbahnen mit solchen von 50 Milliarden Schilling – abgesehen vom jährlichen Finanzierungsbedarf, der auch in dieser Größenordnung oder knapp darunter liegt. Jetzt kommt diese neue Schieneninfrastruktur-Finanzierungsgesellschaft, die die Ermächtigung erhalten hat, 200 Milliarden Schilling aufzunehmen. Das kommt mir in etwa so vor, als ob man im Finanzministerium glaubt, wenn man die Schulden sehr oft umschichtet: einmal heraus aus dem Budget, dann hinein in das Budget, dann in eine eigene Gesellschaft, dann werden sie geringer. Aber ich glaube, an den Gesetzen der Mathematik führt leider kein Weg vorbei, und die Schulden inklusive Zinsen sind von uns allen, von allen Österreicherinnen und Österreichern, zurückzuzahlen.

Wenn man Bahn und Post zu diesen grauen Schulden hinzunimmt, liegt die öffentliche Verschuldung praktisch bei 2,017 Billionen Schilling. Wenn Sie das Ganze noch weiter verfolgen, müßten Sie sagen: Eigentlich gehören die gesamten Bundeshaftungen auch dazu. Wir stellen fest: Es ist nicht nur im Bund, sondern auch bei uns in Kärnten so, daß man ganz einfach Bundes- und Landeshaftungen beschließt und das eigentlich nicht automatisch sofort dazurechnet. Beispielsweise in Kärnten werden jährlich Ermächtigungen erteilt, daß die privatisierte Wirtschaftsförderung 300 Millionen Schilling aufnehmen darf, die sie dann privat vergibt, und jährlich wachsen die Verbindlichkeiten allein aus diesem Titel um 300 bis 350 Millionen Schilling an. Im


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Budget scheinen sie nicht auf, aber zurückgezahlt werden sie wohl müssen. In zehn Jahren sind das 3 Milliarden Schilling. So kommt mir das mit diesem Verschieben auch vor. Daher meine ich, daß die Bundeshaftungen sehr wohl mitberücksichtigt werden müssen, was bestimmt auch intern passiert. Die Zeitbombe tickt vor allem in der Kontrollbank im Zusammenhang mit den Bundeshaftungen für die Exportfinanzierungen.

Es sind natürlich auch im Budget keine Haftungen enthalten, die mit den österreichischen Banken zusammenhängen. Man müßte auch dort, wo es Bundeshaftungen für Banken gibt, diese einmal in irgendeiner Weise quantifizieren. Die Postsparkasse – das muß man sagen – ist enthalten. Das sind 185 Milliarden Schilling, das ist auch eine Riesensumme. Wenn man jetzt zu den tatsächlichen Schulden die offiziell angegebene Bundeshaftung in Höhe von rund 800 Milliarden Schilling hinzuzählt, kommt man auf einen Betrag von 2,810 Billionen Schilling an Verbindlichkeiten, die die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler irgendwann in den nächsten Jahren werden zurückzahlen müssen. Der Herr Finanzminister wird bald die Grenze von 3 Billionen Schilling überschreiten. Vielleicht kann man dann irgendeine kleine Festivität veranstalten, bei der man sagt: Jetzt haben wir die 3-Billionen-Schilling-Grenze überschritten!

Meine Damen und Herren! Dafür haben wir also die Bundesfinanzierungsagentur. Diese Bundesfinanzierungsagentur macht natürlich nicht die Schulden; das ist schon klar. Aber sie soll sie so gut wie möglich verwalten. Wir wissen natürlich auch, daß es sehr schwierig ist, das richtig zu machen. Es ist sicherlich schwierig, zu entscheiden, wann man mit welchem Betrag in welche Fremdwährung umsteigt. So meinen einige Experten, man habe sich in der Vergangenheit doch zuviel auf die Höhe der Verzinsung bei Fremdwährungskrediten und zuwenig auf die Prognosen, wie sich die Währungsrelationen verschieben, konzentriert. Es stellt sich die Frage: Wie hoch soll der Anteil an Fremdwährungsfinanzierungen sein? – Wir Freiheitlichen waren immer eher für eine vornehme Zurückhaltung, weil es erstens leichter zu prognostizieren ist, weil die Verbindlichkeiten, wenn sie ohnehin schon da sind, in Österreich bleiben, weil man damit die österreichische Bankenwirtschaft unterstützt und weil damit eigentlich auch Arbeitsplätze in Österreich garantiert werden. Das sollte vielleicht auch mitberücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren! Uns würde interessieren – wir wissen es leider nicht –, nach welchen Kriterien die Bundesfinanzierungsagentur lang- oder kurzfristige Verbindlichkeiten aufnimmt. Gerade jetzt wären kurzfristige sehr günstig. Man könnte vielleicht jetzt, da der Zinssatz so niedrig ist, bevor er zu steigen beginnt, noch längerfristige Fixvereinbarungen schließen. All das hat man hoffentlich getan.

Es würde uns weiters noch interessieren: Wann wird die öffentliche Verschuldung auf Euro umgestellt? – Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, gehen fest davon aus, daß es eine Res judicata ist, daß wir den Euro bekommen. Sogar kleine und mittelständische Unternehmer überlegen schon, was alles auf sie zukommt, wenn der Euro eingeführt wird. In den Banken überlegt man das sowieso. Dort gibt es überall einen Eurobeauftragten, der in erster Linie überlegt, wie er die Kosten, die dadurch entstehen, auf die Kreditnehmer überwälzen kann.

Aber auch in der Bundesfinanzierungsagentur wird man bestimmt überlegen, wann und wie und mit wieviel man auf den Euro umstellt. Ich würde empfehlen, auf das Ergebnis der Volksbefragung zu warten. Aber wir müssen das sowieso, denn vor dem 1. Jänner 1999 kann man nicht umstellen, weil es bis dahin keinen Kapitalmarkt für den Euro gibt. Aber ob man dann bis 2002 warten soll, ist sicherlich eine sehr interessante Frage.

In welchem Ausmaß wird die Bundesfinanzierungsagentur Altschulden auf den Euro umstellen? Mit welchen Kosten für den Bund ist dabei zu rechnen? Mit welchen Kosten für den Steuerzahler ist zu rechnen?

Meine Damen und Herren! Es gibt für die Bundesfinanzierungsagentur genug zu tun. Der Finanzminister kann sich mehr oder weniger darüber freuen, wie "gut" es gelungen ist, diese Verbindlichkeiten zu verwalten. Er kann nichts anderes tun, als zur Kenntnis zu nehmen, wie "gut" alles in dieser Frage geklappt hat. Und weil die Agentur eben so viel zu tun hat, glauben


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wir, daß eine Ausweitung der Kompetenzen zurzeit nicht sinnvoll ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Freiberger. – Bitte.

16.12

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Harring! Die Schulden des Bundes sind mit oder ohne Kompetenzausweitung zurückzuzahlen. Und ich meine, wir beschließen heute die Novelle deshalb, um flexibler auf die Situation reagieren zu können, was die Bundesfinanzierungsagentur betrifft.

Bei der heute zur Beschlußfassung vorliegenden Novelle zum Bundesfinanzierungsgesetz geht es im wesentlichen darum, die Rolle der Bundesfinanzierungsagentur als Clearingstelle des Bundes stärker auszubauen, um ihr ein größeres Finanzierungsvolumen zu ermöglichen. Dies führt nämlich dazu, daß sich die Bundesfinanzierungsagentur auf den Finanzmärkten wesentlich wirkungsvoller und effizienter bewegen kann.

Grundsätzlich möchte ich feststellen, daß sich die Bundesfinanzierungsagentur als professionelles Schuldenmanagement sehr bewährt hat. Diese Agentur ist eine eigenständige Gesellschaft, die sich zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes befindet. In dieser Gesellschaft sind Experten tätig, die mit der notwendigen Eigenständigkeit ausgestattet sind, durch die Eigentümerstruktur aber doch in engster Kooperation und Einbindung zum Bund stehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Schuldenmanagement hat also die Aufgabe, die gegebenen öffentlichen Schulden gesamtwirtschaftlich am günstigsten zu finanzieren – das heißt, es geht um die Finanzierung der bereits vorhandenen öffentlichen Schulden. Der Bund tut hier nichts anderes als das, was in der freien Wirtschaft gang und gäbe ist und sich als notwendig und sehr bewährt herausgestellt hat. Viele Betriebe oder Konzerne haben eigene Abteilungen oder gründen für die optimale Finanzierung ihrer Schulden eigene GesmbHs. Damit kann man sehr flexibel und rasch auf Änderungen in der Zinsstruktur oder auf Währungsschwankungen reagieren und somit optimale Konditionen für den Eigentümer erzielen.

Hohes Haus! Wir schaffen mit der vorliegenden Novelle eine Klarstellung der Aufgaben für die Bundesfinanzierungsagentur, aber auch die Möglichkeit, noch effizienter tätig zu sein. – Meine Fraktion wird deshalb dieser Vorlage selbstverständlich die Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

16.15

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte vier Bemerkungen zu Herrn Bundesrat Harring machen, der die grundsätzliche Frage in den Raum gestellt hat, warum diese Novelle notwendig ist.

Ich möchte zunächst einmal feststellen, daß die Bundesfinanzierungsagentur künftig als Clearingstelle des Bundes operieren soll und daher nicht nur Finanzierungen vorzunehmen hat, die direkte Auswirkungen auf den Bundeshaushalt haben, sondern auch solche, bei denen es sich um entsprechende Affiliate oder Fonds handelt, die Aufgaben etwa im Bereich der Infrastrukturentwicklung und ähnlichem, in Fremdfinanzierungsbereichen zu erledigen haben. Es ist natürlich klug, daß, wenn von einer Stelle aus Kreditaufnahmen, Finanzierungen erfolgen, auch die Strategie der Fremdmittelfinanzierung des Bundes unabhängig davon, ob die Aufnahmen direkte Auswirkungen auf das Budget haben oder nicht, über die Bühne geht.

Wie Sie wissen, sind in letzter Zeit einige Ausgliederungen vorgenommen worden. Ich nehme an, Sie haben, als Sie gesagt haben, die Schulden werden nur hin- und hergeschoben, gemeint,


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daß da offenbar die Hoffnung entsteht, daß sie dadurch weniger werden. Ich habe diese Hoffnung nicht, und die Ausgliederungen sind sicherlich nicht aus diesem Grund vorgenommen worden. Wie Sie wissen, werden Ausgliederungen nicht willkürlich gemacht, sondern sie haben gewissen Grundsätzen zu entsprechen.

Ich bin der Meinung, daß es eine Summe von Einrichtungen des Bundes gibt, bei denen der Bund aufgrund der Struktur, wie wir derartige Dinge aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen "handlen" können, bestimmte Maßnahmen nicht ergreifen kann, die aber bei einem marktwirtschaftlichen Denken und Handeln auch für Einrichtungen, die im Eigentum des Bundes stehen, durchaus wünschenswert wären – ich denke hiebei etwa an die Bundesforste, ich denke auch an die ASFINAG. Ich meine daher, daß eine Ausgliederung nicht dann erfolgen kann, wenn man sich das einbildet, sondern wenn die innere Finanzstruktur solcher Einrichtungen dergestalt ist, daß 50 Prozent der notwendigen Mittel, die im Rahmen eines Jahres benötigt werden, aus privaten Einnahmen, wo auch immer sie herkommen, lukriert werden. Ist dem nicht so, ist eine Ausgliederung zwar möglich, wird aber nicht vorgenommen, weil wir die Ausgliederungen selbstverständlich auch im Hinblick auf die Politik der Erzielung eines Maastricht-konformen Budgets durchführen. Das ist aber nur ein Aspekt. Der wichtigere scheint mir in der Ausnutzung marktwirtschaftlicher Möglichkeiten in diesem Bereich zu liegen.

Zum zweiten: Ich meine, daß Fremdmittelaufnahmen nicht grundsätzlich negativ sind. Sie sind dann notwendig, wenn man die Mittel, die man aufnimmt, dafür verwendet, um Investitionen in die Zukunft zu tätigen. Es leuchtet mir überhaupt nicht ein, warum beispielsweise – wenn man nicht fremdfinanziert, müßte das aus den laufenden Haushalten zu finanzieren sein – eine Eisenbahnlinie, eine Autobahn und auch telekommunikative Einrichtungen, also Einrichtungen der Infrastruktur, die den Bürgern dieses Landes viele Jahrzehnte lang dienen werden, ausgerechnet in einem ganz kurzfristigen Zeitraum finanziert werden sollen. Da ist es aufgrund des Effekts, den wir wirtschaftlich damit erzielen, durchaus legitim, daß derartige Finanzierungen auch zu einem Zeitpunkt vorgenommen werden, zu dem die öffentlichen Haushaltsmittel dafür nicht ausreichen, weil damit unmittelbar nicht nur Beschäftigung, sondern auch steuerliche Umwegrentabilitäten eintreten werden. Und insoferne, so glaube ich, ist eine solche Politik vertretbar.

Zum dritten: Ich möchte darauf hinweisen, daß die Bundesschuld derzeit – exakt per September – bei einer gewichteten Verzinsung von 6,0 Prozent liegt. Man kann selbstverständlich verschiedenes kritisieren. Ich halte es für einen ausgesprochen günstigen Zinssatz, vor allem dann, wenn man weiß, daß es nicht risikolos ist, sich auf kurzfristige und im Augenblick zinsengünstige Kreditaufnahmen einzulassen. Denn wie Sie sicherlich wissen, bewegt sich die Zinsenlandschaft zwar nur marginal, aber doch in eine andere Richtung als in den letzten beiden Jahren, und daher hat gerade die ÖBFA bei dem Volumen und den unmittelbaren Auswirkungen auch auf die laufenden Haushalte durch die Zinsendienste – sie sind von den laufenden Haushalten zu bedienen – ein sehr verantwortungsvolles Umfeld.

Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, daß innerhalb der Europäischen Union nur Luxemburg eine günstiger gewichtete Verzinsung ihrer Schulden als 6 Prozent hat. Aber das ist sehr schwer vergleichbar. Wenn Österreich im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt so wenig Schulden hätte wie Luxemburg, dann wäre es risikolos, sich auf sehr kurzfristige Bindungen einzulassen.

Bei den von Ihnen zitierten Schulden haben Sie natürlich alles mögliche dazugezählt: Haftungen, verschiedenste Schuldenstrukturen und alles mögliche, was nicht unzulässig ist, aber eigentlich zu überhaupt keiner Schlußfolgerung berechtigt. Mir genügen die Schulden, die ich zinsentechnisch aus dem Bundesbudget bedienen muß, und ich brauche keine weiteren Hinzufügungen.

Ob die Entwicklung kurzfristig oder langfristig sein wird, hängt von diesen Faktoren ab. Das ist natürlich auch eine Risikoabschätzung, das ist überhaupt keine Frage. Es kann daher auch passieren, daß das eine oder andere Mal, wenn man in eine Fremdwährungsveranlagung geht, etwas passiert. Interessant ist, daß die Fremdmittelfinanzierungen der ÖBFA der letzten fünf Jahre nur in einem einzigen Fall in die öffentliche Kritik gelangt sind, nämlich durch die bekannten Yen-Anleihen. Nachträglich ist man immer sehr gescheit, wie sich die Zinsen ent


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wickeln. Ich glaube nicht, daß die Südostasiaten, die jetzt an der Börse erhebliche Troubles haben, das vorsätzlich begangen haben. Jetzt könnten sie vielleicht auch nachträglich argumentieren, was sie alles nicht tun hätten sollen, damit all das nicht eingetreten wäre. Nachträgliche Qualifizierungen sind zwar jederzeit möglich, beeinflussen aber eine bereits getroffene Entscheidung bekanntlich nicht mehr.

Ich möchte aber mit aller Deutlichkeit feststellen, daß das die einzige Fremdmittelveranlagung der ÖBFA war, die man nachträglich kritisieren kann. In allen anderen Fällen – nämlich überall dort, wo in günstigen Momenten veranlagt worden ist – findet keine öffentliche Diskussion statt, weil handelnde Personen – damit es kein Mißverständnis gibt: In diesem Bereich ist nicht der Finanzminister handelnd – ganz selten gelobt werden. Es war für mich beispielsweise gestern durchaus erfreulich, daß mich auch die Experten der Oppositionsparteien für die Budgeterstellung gelobt haben. Man darf sich fallweise auch freuen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte noch eine vorletzte Information geben. Ich weiß nicht, ob Sie das direkt gefragt haben. Wenn nicht, sage ich es Ihnen trotzdem, weil es vielleicht interessant ist: Wir haben 82,4 Prozent auf fixverzinster Basis, also langfristig, und 17,6 Prozent auf kurzfristiger. Das ist ein durchaus gesundes Verhältnis. Es ist nicht so, daß wir in sehr riskante, kurzfristige Finanzierungen gehen und sich Zinsenschwankungen unmittelbar auf die Budgets auswirken.

Wir haben 21 Prozent in Auslandswährungen und 79 Prozent in österreichischer Währung. Auch das ist ein gesundes Verhältnis. Wir werden im Gleichklang mit den wichtigen Ländern der Europäischen Union die Umstellung auf den Euro vornehmen, wobei das in erster Linie für die innerösterreichischen Veranlagungen gilt. Es ist kein besonderes Problem, ob das nun jemandem gefällt oder nicht. Man bekommt nur einen anderen Schein, aber es ändert sich nichts an den Proportionen.

Über die ausländischen Währungen muß man nachdenken, vor allem über jene Währungen, die nicht innerhalb des künftigen Währungsverbundes liegen, also Dollar und in erster Linie Yen. Darüber muß man nachdenken, man wird möglicherweise unterschiedliche Vorgangsweisen wählen, je nachdem, wie die Abschätzung des Wechselkurses des Euro ausfällt. Denn ich bin überzeugt davon, daß der Euro mit oder ohne Volksabstimmung kommen wird. Und ich prognostiziere, was ich immer wieder mache, daß das Euro-Volksbegehren nicht jene Dimension erreichen wird, die sich manche wünschen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr DDr. Königshofer.

16.25

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Einige Bemerkungen möchte ich zu dieser Vorlage schon noch machen. Es gibt in Österreich ein eigenartiges System: Einerseits hat man einen riesigen Beamtenapparat, und auf der anderen Seite nimmt man immer wieder Auslagerungen in Sondergesellschaften vor. Wir haben das Verkehrsministerium, und trotzdem gibt es eine ASFINAG, eine Hochleistungs-AG, eine Brennereisenbahngesellschaft und eine Austrocontrol. Wir haben ein Finanzministerium. Daneben gibt es ein Bundesrechnungsamt, die Bundesfinanzierungsagentur. Deshalb meine Frage, Herr Minister: Gibt es, wenn Arbeiten ausgelagert werden, auch entsprechende Reduktionen im Personalbereich der öffentlichen Hand – das würde uns schon interessieren –, oder baut man hier zusätzliche Kosten auf?

Das nächste sind die Fremdwährungsverbindlichkeiten. Ich habe mir den Schuldenbericht des Bundes angesehen. Darin steht, daß Sie sich mit jeweils rund 100 Milliarden Schilling – etwas mehr oder weniger, das wird auf den Tag ankommen – in japanischen Yen und in Schweizer Franken verschuldet haben, die bekanntlich Hartwährungen sind. Deshalb stelle ich mir die Frage, wie die Kurssicherung in diesem Bereich aussieht. Denn wenn die Kurse dieser Währungen um 10 Prozent steigen, dann haben Sie nicht 200, sondern 220 Milliarden Schilling Schulden.


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Ich könnte mir vorstellen, daß man als sorgfältiger Kaufmann – und als solcher muß jeder, der in der freien Wirtschaft tätig ist, agieren – entsprechende Vorkehrungen trifft. Sie werden beim japanischen Yen derzeit rund 1 Prozent Zinsen bezahlen, denn mehr als 50 Basispunkte Aufschlag wird das Ministerium oder die Agentur sicher nicht akzeptieren. Damit haben Sie im Jahr einen Zinsvorteil von rund 3 Prozent, was bei rund 100 Milliarden 3 Milliarden Schilling ausmacht. In Schweizer Franken sind es 2 Prozent, also 2 Milliarden – in Summe 5 Milliarden Schilling Zinsvorteil per anno. Wenn man diesen Vorteil vier Jahre lang als Rückstellung verbucht, so baut man 20 Milliarden Schilling auf. Dann hätte man eine Kurssicherung von rund 10 Prozent. Braucht man sie, dann hat man sie, braucht man sie nicht, dann kann man sie für andere Dinge verwenden. Außerdem könnten diese 20 Milliarden Schilling einiges an Zinsertrag bringen. Meine Frage lautet nun: Vielleicht könnten Sie uns sagen, wie es mit der Kurssicherung aussieht?

Weiters sage ich Ihnen noch, da Sie davon reden, daß die Umstellung auf den Euro leicht zu bewerkstelligen sein wird, daß die Hartwährungsstaaten mit der Einführung des Euro in die Zinsenfalle hineintappen werden. Es schreiben schon alle renommierten Zeitungen, daß das Zinsniveau des Euro ein höheres sein wird – der Preis des Euro sind höhere Zinsen.

Herr Minister! Wenn alle Betriebe in Deutschland, in Österreich, in den bisherigen Hartwährungsstaaten mehr an Zinszahlungen zu leisten haben, dann werden sie geringere Gewinne und geringere Steuerleistungen haben, und Sie werden geringere Steuereinnahmen aufweisen. Auf der anderen Seite werden Sie für die nachmaligen Euro-Verbindlichkeiten mehr Zinsen zahlen, und da wird sich ein Loch auftun. Ich habe das nachgerechnet: Es werden ungefähr 10 bis 15 Milliarden Schilling sein, die Sie mehr an Zinsen zahlen müssen beziehungsweise die Sie weniger an Steuern einnehmen werden. Und das wird das Problem beim Euro sein. Deshalb meine Frage: Wie werden Sie diese Zinslücke schließen, wenn nicht über Steuereinnahmen? – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Am Wort ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

16.29

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Drei ganz kurze Bemerkungen.

Zum ersten: Sie werden mir sicherlich recht geben, wenn ich sage, daß wir uns derzeit in einem absoluten Zinsental befinden. Es gehört daher meiner Meinung nach kein besonderes Hellsehertum dazu, wenn man in den Raum stellt und sagt, in den nächsten fünf Jahren kann es möglich sein, daß die Zinsen steigen. Sie werden nämlich, wie ich annehme, mit und ohne Euro steigen, denn vor fünf Jahren gab es ein völlig anderes Zinsniveau und keinen Euro. – Vielleicht genügt das einmal als Antwort.

Zum zweiten: Die Frage der Kurssicherungen ist auch eine Frage der Gestion. Stelle ich etwas zurück, das ich mir zunächst einmal fiktiv erspare, oder mache ich das nicht? Wenn ich mir etwas erspare und es zurückstelle, dann bedeutet das, ich lege etwas in eine Schatulle, brauche aber zur Finanzierung des Budgets möglicherweise weitere Fremdmittel. Es ist die Frage, ob dies schlau ist. Aber ich gebe zu, daß man eine solche Diskussion führen kann.

Eines weiß ich allerdings, weil es mich schon anläßlich meiner Funktionsübernahme sehr interessiert hat: Als Politiker operiert man bekanntlich ohne Netz und wird oft hingerichtet für Dinge, die man gar nicht veranlaßt hat. Daher hat mich dieses Thema sofort interessiert, und nach Gesprächen, die ich in der Zwischenzeit mit einer Reihe europäischer Finanzminister bilateral geführt habe, bin ich zu dem Schluß gekommen, daß sich in Zeiten wie diesen eigentlich kein öffentlicher Haushalt eine solche Politik der Rückstellung leistet. (Präsident Dr. Hummer übernimmt den Vorsitz.)

Zum dritten: Selbstverständlich geht das Personal bei Auslagerungen mit. Sie werden nicht ernsthaft glauben, daß die Beamten des früheren Bundesrechenamtes, die somit zum Finanzministerium gehörten, jetzt faktisch als Beamte des Finanzministeriums bar jeder Aufgabe


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wären. Das sind sie nicht, denn mit der Ausgliederung kommt es auch zu Personalbereitstellungsverträgen. Das heißt, die ausgegliederten Unternehmungen nehmen selbstverständlich das vorhandene Personal mit, und neu eintretendes Personal wird nicht mehr nach den Bestimmungen des öffentlichen Dienstes eingestellt. Anders wäre es gar nicht möglich gewesen, daß die Zahl der formell öffentlich Bediensteten in den letzten Jahren so abgenommen hat. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.31

Präsident Dr. Günther Hummer: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz CSSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden (846 und 862/NR sowie 5555/BR der Beilagen)

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend die Anlage E des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung samt Vorbehalten der Republik Österreich (847 und 867/NR sowie 5556/BR der Beilagen)

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz CSSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden, und

die Anlage E des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung samt Vorbehalten der Republik Österreich.

Die Berichterstattung über die Punkte 11 und 12 hat Herr Bundesrat Stefan Prähauser übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Stefan Prähauser: Hoher Bundesrat! Ich bringe die Berichte des Finanzausschusses zu den Tagesordnungspunkten 11 und 12.

Zu Punkt 11: Durch das Entschädigungsgesetz CSSR wird eine gesetzliche Grundlage für die Erhöhung der bereits rechtskräftig oder rechtswirksam zuerkannten Entschädigungszahlungen geschaffen, da nach Abschluß nahezu aller Entschädigungsverfahren ein Teil der Globalentschädigung noch nicht zur Verteilung gelangt ist.

Das Verteilungsgesetz DDR ist die Umsetzung des zwischen der Republik Österreich und der ehemaligen DDR am 21. August 1987 abgeschlossenen Globalentschädigungsabkommens. Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates soll sicherstellen, daß so rasch als möglich die anhängigen Verfahren abgeschlossen werden können und die Erstellung des Verteilungsplanes zügig in Angriff genommen werden kann.


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Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 29. Oktober 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Punkt 12: Die Republik Österreich ist seit 29. September 1994 Vertragspartei des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung – Istanbul Übereinkommen – mit den Anlagen A, B.1 bis B.9, C und D, kundgemacht im Bundesgesetzblatt Teil III.

Zur Sicherstellung einer harmonisierten Anwendung des Zollrechts in der Europäischen Gemeinschaft wären von Österreich auch die Anlage E des Übereinkommens – "Anlage über Waren, die unter teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben eingeführt werden" – anzunehmen und Vorbehalte zu den Anlagen B.3, B.5, C und E einzulegen.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Oktober 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen nun in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

16.35

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Vorausschickend darf ich sagen: Wir werden diesen beiden Vorlagen die Zustimmung geben, da sie im Hinblick auf den finanziellen Bereich keine Kritikpunkte aufweisen. Ich möchte mich aber besonders mit der Vorlage beschäftigen, mit der das Entschädigungsgesetz CSSR geändert wird. Auf das Verteilungsgesetz DDR werde ich nicht eingehen.

Mit Bundesgesetz vom 3. Juli 1995 wurden erstmals – vorher war dafür ein Staatsvertrag vonnöten, wie wir gehört haben – die Grundlagen für die innerstaatliche Weitergabe einer Globalentschädigung geschaffen. Die Republik Österreich hat rund 1 Milliarde Schilling von der damaligen CSSR erhalten. In Österreich befindliche Vermögenswerte wurden im Ausmaß von rund einer halben Milliarde zusätzlich lukriert, sodaß ein Betrag von ungefähr 1,5 Milliarden Schilling zur Verfügung steht.

Diese Vorlage bezieht sich darauf, daß einige Verfahren noch nicht abgewickelt worden sind. Die Abwicklung dieser Verfahren bis zum 31. Dezember 2004 soll dadurch sichergestellt werden. Der Wermutstropfen dabei ist, daß die Entschädigungen erst für österreichische Staatsbürger Platz greifen, die nach dem Jahr 1948 aus der damaligen CSSR vertrieben wurden oder nicht mehr dort sein konnten. Meine Damen und Herren! Nicht berücksichtigt ist – das ist das wirklich Erschreckende –, daß sämtliche Vertreibungen, die unmittelbar nach 1945 erfolgten, nicht inkludiert sind.

Sie können sich erinnern, daß ich bei einer der letzten Anfragen an den Bundesminister für Äußeres auf die Beneš-Dekrete hingewiesen habe, welche die Tötung, Vertreibung und Enteignung deutschsprachiger Altösterreicher gesetzlich fundiert haben. Ich habe darum gebeten, die EU-Beitrittsverhandlungen zum Anlaß zu nehmen, das Problem mit diesen teilweise noch in


Bundesrat
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Kraft befindlichen Gesetzen zu beheben. Wir haben diesbezüglich einen Entschließungsantrag eingebracht, der in seiner Art der von allen Parteien im Kärntner Landtag gemeinsam gefaßten Resolution zu den xxx überprüft Eg. Avnoj-Gesetzen ähnlich ist.

Weiters möchte ich feststellen, daß mir seinerzeit entgegengehalten wurde, dies sei eine bilaterale Angelegenheit, die zwischen den beiden Staaten, zwischen Österreich einerseits und – heute – Tschechien andererseits, abgehandelt werden müsse. Meine Damen und Herren! Ich darf darauf hinweisen, daß im kürzlich unterzeichneten Abkommen von Amsterdam in Artikel 6 – im alten Vertrag war es Artikel 11 – folgendes festgehalten ist: Die Union – gemeint ist die EU – beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit. Diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam. – Darin sind also auch die Menschenrechte angesprochen.

Ich sage das deshalb, weil in einer der Debatten bestritten wurde, daß das eine Menschenrechtsangelegenheit sei, und weil behauptet wurde, es sei nur eine bilaterale Angelegenheit. Meine Damen und Herren! Ich weise darauf hin, daß die damalige Abtrennung des Sudetenlandes wider den Willen der Abgeordneten und selbstverständlich auch wider den Willen der Bevölkerung geschah – erinnern Sie sich an die Resolution vom 31. Oktober 1918. Laut Friedensvertrag von Saint Germain wurde die Angliederung an Österreich nicht genehmigt.

Ich weise überdies darauf hin, daß in den Potsdamer Verträgen, die nach wie vor völkerrechtlich gültig sind, die Vertreibung von 18 Millionen deutschsprechenden Menschen aus ihrer Heimat und teilweise deren Tötung vertraglich festgehalten und daß das ebenso menschenrechtswidrig ist.

Meine Damen und Herren! Ich halte des weiteren fest, daß wir diese Dinge nicht verschweigen sollten. Denn wer Verbrechen verschweigt, der ist solidarisch mit diesen Verbrechen. Ich halte ebenso fest – ich habe das bereits letztes Mal gesagt –, daß ich Respekt und Achtung vor Menschen wie Simon Wiesenthal und anderen habe, die für ihre Ethnie und außerdem dafür eingetreten sind, daß das an diesen Menschen begangene Unrecht behoben wird. Ebenso sind wir verpflichtet, und genauso ist die Republik Österreich verpflichtet, angesichts des Unrechts, das an den vertriebenen Menschen begangen wurde, die sich nicht mehr wehren können und deren Gräber nicht einmal bekannt sind, für sie einzutreten. Deswegen haben wir folgenden Entschließungsantrag eingebracht:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Tremmel und Kollegen betreffend Aufhebung der menschenrechtswidrigen Beneš-Dekrete

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen mit den beitrittswilligen Staaten das österreichische Interesse dahin gehend einzubringen, daß den Altösterreichern deutscher Muttersprache die ihnen zustehenden Rechte im Sinne international anerkannter Volksgruppenrechte nicht verwehrt werden, insbesondere aber, daß die menschenrechtsverachtenden Beneš-Dekrete in der Tschechischen Republik aufgehoben werden und daß die offene Frage der Eigentums- und Vermögensrückgabe der Heimatvertriebenen gelöst wird."

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Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, diesem Entschließungsantrag, der mit den Vorlagen eingebracht wird, Ihre Zustimmung zu geben.

Im übrigen werden wir in diesen beiden Tagesordnungspunkten zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.42


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
631. Sitzung / Seite 109

Präsident Dr. Günther Hummer:
Der von den Bundesräten Dr. Tremmel und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Aufhebung der menschenrechtswidrigen Beneš-Dekrete ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Ing. Peter Polleruhs. Ich erteile es ihm.

16.42

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Debatte über die beiden letzten Tagesordnungspunkte unserer heutigen Sitzung wird unter einem abgeführt. Gestatten Sie, daß ich auf beide Tagesordnungspunkte eingehe. Ich beginne mit dem Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz CSSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert wird.

Ich darf gleich an die Worte meines Vorredners, Herrn Bundesrates Dr. Tremmel, anschließen und ihm sagen, daß man sicherlich nichts verschweigen will. Man soll aber auch den konkreten Tatsachen ins Auge sehen. Tatsache ist letztendlich, daß wir heute über ein Bundesgesetz, das geändert werden soll, die Debatte führen und anschließend darüber abstimmen werden. Es freut mich aber, daß die Zustimmung der Oppositionspartei zu beiden Punkten – mit der Begründung von Dr. Tremmel – gegeben ist.

Tatsache ist, daß dieses Bundesgesetz vom 3. Juli 1975 stammt und damit die Grundlage für die innerstaatliche Weitergabe der von der ehemaligen CSSR aufgrund des im Dezember 1974 unterzeichneten Vermögensvertrages geleisteten Globalentschädigung an geschädigte österreichische Staatsbürger und juristische Personen geschaffen wurde. Der Wert des jeweiligen Vermögensverlustes wurde aufgrund von im Gesetz näher definierten Rechnungseinheiten ermittelt, welche degressiv nach der Höhe des Verlustes abgestuft sind.

Meine Damen und Herren! Die Republik Österreich – das hat Kollege Tremmel schon erwähnt – hat aufgrund des Vermögensvertrages von der ehemaligen CSSR 1 Milliarde Schilling bar erhalten. Der Betrag reicht aber nicht aus, denn es wurden daneben an Österreich im Bundesgebiet befindliche Vermögenswerte übertragen, die in einem sehr komplizierten Verfahren nach dem Vermögensabwicklungsgesetz vom Handelsgericht abgewickelt werden mußten. Damit war es anscheinend noch nicht genug, denn es ist ein weiterer Betrag hinzugekommen für die derzeit noch anhängigen Verfahren und für diejenigen, in denen die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland den zuerkannten Betrag noch nicht überweisen konnte. Mit dem entsprechenden Zahlenmaterial möchte ich Sie jetzt nicht langweilen, weil es ohnedies in den Beilagen nachzulesen ist, die Sie alle bekommen haben.

Nach Verwertung der übertragbaren Vermögenswerte und Abschluß nahezu aller Entschädigungsverfahren soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine abschließende Erhöhung der bereits rechtskräftig oder rechtswirksam zuerkannten Entschädigungsbeiträge erfolgen. Die Erhöhungsverfahren werden von Amts wegen durchgeführt, um den Geschädigten oder ihren Rechtsnachfolgern unbürokratisch weitere Entschädigungszahlungen zukommen lassen zu können.

Das Vorhandensein ausreichender Mittel gibt dem Gesetzgeber in dieser abschließenden Regelung sogar die Möglichkeit, jeden bereits zuerkannten Entschädigungsbetrag zu erhöhen. Für die Dauer der Vollziehung dieses Bundesgesetzes entsteht ein zusätzlicher Personalaufwand – das ist vermutlich weniger schön. Aber es wurde mehr oder minder zugesichert, daß dieser erhöhte Personalaufwand durch interne Umschichtungen im Bereich der Finanzlandesdirektion Wien, Niederösterreich und Burgenland bedeckt werden wird. – Soviel zu dem Teil, der die CSSR betrifft.

Dieses Gesetz behandelt auch das Verteilungsgesetz DDR aus dem Jahre 1988, also ein jüngeres Gesetz, das die Umsetzung des zwischen der Republik und der ehemaligen DDR im August 1987 abgeschlossenen Globalentschädigungsabkommens ist. Aufgrund dieses völkerrechtlichen Vertrages ist ein Gesamtbetrag von etwa 136 Millionen Schilling an die Republik


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631. Sitzung / Seite 110

Österreich geflossen, also weit weniger, als von der CSSR gekommen ist. Derzeit sind davon nur noch ungefähr 30 Verfahren unerledigt anhängig.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf soll nun sicherstellen, daß die anhängigen Verfahren so rasch wie möglich abgeschlossen werden können und die Erstellung des Verteilungsplanes zügig in Angriff genommen werden kann. Die Vollziehung der Novelle verursacht hinsichtlich des Entfalls des § 20 Abs. 6 keine Kosten. Es wird lediglich der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verteilungsplanes vorverlegt, sodaß die restlichen Entschädigungsmittel – geschätzte 30 Millionen Schilling – zu einem früheren Zeitpunkt ausgezahlt werden können. Wenn es nun um eine rasche Vollziehung und Durchführung geht, wird sich die Volkspartei dem sicherlich gerne anschließen und der Gesetzesänderung die Zustimmung erteilen.

Nun kurz zum letzten Tagesordnungspunkt, der Anlage E des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung samt Vorbehalten der Republik Österreich: Diesbezüglich hat der Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens der Weltzollorganisation bei seiner Tagung das Übereinkommen über die vorübergehende Verwendung verabschiedet und zur Annahme auf weltweiter Basis aufgelegt. Das Übereinkommen besteht aus dem eigentlichen Vertragstext und mehreren Anlagen, die ich nicht näher anführen möchte. Dazu gehört unter anderem auch die heute zur Debatte stehende Anlage E.

Die Anlage E über Waren, die unter teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben eingeführt werden, weicht inhaltsgemäß und in der Zielsetzung von allen anderen Anlagen ab. Damit sind alle jene Waren gemeint, die zwar vorübergehend eingeführt werden können, aber nach dem innerstaatlichen/-gemeinschaftlichen Recht der Vertragsparteien nicht sämtliche Anforderungen für die völlige Befreiung von den Einfuhrabgaben erfüllen.

Die im Übereinkommen getroffenen Regelungen über die Befreiung von Zöllen und die Ausnahmen von handelspolitischen Maßnahmen fallen nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ohnedies in die Zuständigkeit der Gemeinschaft. Der Rat der Europäischen Union hat daher im Juni 1990 das Übereinkommen mit allen Anlagen über Vorschlag der Kommission unter Vorbehalt der Ratifikation unterzeichnet.

Die Anlage E ist damit nicht anders als gesetzesergänzend anzusehen. Meine Fraktion wird ihr gerne die Zustimmung erteilen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.50

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Albrecht Konečny. Ich erteile es ihm.

16.50

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geschichte ist ein kompliziertes Geflecht von Fehlern, von Erfolgen, von Opfern und von Tätern. Geschichte ist aber sicher kein Selbstbedienungsladen für die eigene Argumentation.

Herr Kollege Tremmel hat uns einen Entschließungsantrag vorgelegt, der natürlich auch eine Begründung hat. Wenn ich dieser Begründung, die mir – im Gegensatz zu den meisten von Ihnen – auch schriftlich vorliegt, folge, dann muß ich sagen, es hat in bezug auf die deutschsprachige Bevölkerung der Tschechoslowakischen Republik einen eigenartigen Geschichtsverlauf gegeben: Die deutsche Bevölkerung der Tschechoslowakischen Republik hat 1919 für ihren Anschluß an Österreich demonstriert. Daraufhin ist der Vorhang der geschichtlichen Entwicklung heruntergegangen. Das nächste Mal hat er sich offensichtlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder gehoben, indem diese Gebiete, wie hier steht – ich zitiere wörtlich –, wieder "der Tschechoslowakischen Republik einverleibt" wurden.

Herr Kollege Tremmel! Ich fürchte, daß das, was Sie da niedergeschrieben haben, tatsächlich Ihrem Geschichtsbild entspricht. Ich bin der letzte, der die Absicht hat, die Beneš-Dekrete ex posteriore zu rechtfertigen, aber eine Betrachtungsweise, die ausblendet, was zwischen 1919 und 1945 geschehen ist, eine Betrachtungsweise, die Nazi-Deutschland nicht in Rechnung stellt,


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das bedauerlicherweise mit der Unterstützung eines beträchtlichen Prozentsatzes – wir wollen nicht rechten, wie viele es von den Sudetendeutschen in Tschechien waren – hier wie überall, wo dieses Regime geherrscht hat, Menschen in Konzentrationslagern verschwinden ließ, Menschen ausrottete, Dörfer – der Name Lidice ist ein weltweiter Begriff geworden – vernichtete, eine Geschichtsbetrachtung, die all das ausblendet, ist schon nicht mehr einäugig, sie ist blind.

Sie haben in Ihrer Rede eine eigenartige Formulierung verwendet, gegen die sich wohl der Apostrophierte am meisten zur Wehr setzen würde. Sie meinten, Simon Wiesenthal verdiene Respekt, weil er sich für seine Ethnie eingesetzt hätte. – Nein. Simon Wiesenthal verdient Respekt dafür, daß er uns, die wir Nichtjuden sind, darüber nachzudenken gezwungen hat, wie unsere Vorfahren Juden in diesem Land behandelt haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es ist unsere Aufgabe – da gehe im Endergebnis, aber wirklich nur im Endergebnis, mit Ihnen konform –, auch im tschechischen Volk, auch bei tschechischen Politikern Verständnis dafür zu gewinnen, daß die Beneš-Dekrete tatsächlich etwas Menschenverachtendes sind, daß sie ein großer Fehler sind, den das tschechische Volk begangen hat. Aber wir sind die letzten, die mit erhobenem Zeigefinger sagen können, hier stellen wir Bedingungen, hier blenden wir ganze Phasen der Geschichte aus, hier kümmern wir uns, wie Sie so schön gesagt haben, um die Interessen unserer Ethnie. Nein, das sind wir nicht bereit zu tun.

Wir treten umfassend für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ein, und wir treten dafür ein, daß diese Grundwerte überall verwirklicht werden. Aber das ist ein Weg, bei dem man Anregungen geben kann und Hilfen geben kann, aber ein Weg, den jedes Volk durch einen Blick in seine eigene Geschichte für sich selbst erschließen muß.

Ein guter Teil des österreichischen Volkes ist in bezug auf seine Geschichte zu Einsichten gekommen. Auch ein beträchtlicher Teil des tschechischen Volkes problematisiert eine aus der Kausalität nur zu verständliche, aber dennoch falsche Reaktion. Eine Betrachtungsweise, die ausblendet, was das tschechische Volk – wie alle anderen Völker, die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus leben mußten – erlitten hat, ist eine Beleidigung für all jene, die diesem Regime in Deutschland, in Österreich und in Tschechien zum Opfer fielen, und auch für die Deutschen der Sudetengebiete. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.56

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Frau Bundesrätin Helga Markowitsch. Ich erteile es ihr.

16.56

Bundesrätin Helga Markowitsch (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute das Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz CSSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden. Damit sollen österreichische Staatsbürger, die in der ehemaligen CSSR und DDR Vermögensverluste hinnehmen mußten, entschädigt werden. Als erstes möchte ich auf das Entschädigungsgesetz CSSR eingehen.

Österreich und die CSSR haben 1974 einen Vermögensvertrag unterzeichnet. Aufgrund dieses Vertrages erhielt Österreich eine Globalentschädigung von der damaligen CSSR in der Höhe von mehr als 1,5 Milliarden Schilling zur Abgeltung von Vermögensverlusten österreichischer Staatsbürger, die etwa durch Vergesellschaftungen von Liegenschaften oder die Einziehung von Bankguthaben und Wertpapieren entstanden waren.

Um zu den entschädigungsberechtigten Personen zu gehören, muß man zwei Kriterien erfüllen. Man muß am 24. April 1945 nach dem Staatsbürgerschaftsüberleitungsgesetz 1945 und am Tag der Unterzeichnung des Vertrages, also am 19. Dezember 1974, die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben. Gleiches gilt für juristische Personen, die an den zwei Stichtagen, die ich genannt habe, ihren Sitz auf dem Gebiet der Republik Österreich hatten. Der Wert des


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jeweiligen Vermögensverlustes wurde aufgrund von im Gesetz näher definierten Rechnungseinheiten ermittelt, welche degressiv nach der Höhe des Verlustes abgestimmt sind.

Von den 1,5 Milliarden Schilling Entschädigung wurden bislang mehr als 1,1 Milliarden Schilling an rund 47 200 Personen ausbezahlt. Man hat aber ursprünglich geschätzt, daß wesentlich mehr Personen ansuchen würden, um aus dem Topf der zur Verfügung stehenden Finanzmittel entsprechende Entschädigungen zu erhalten. Man schätzte, daß es rund 90 000 Antragsteller geben werde. Da die Zahl der gestellten Anträge deutlich unter den Erwartungen blieb, wurde der Schillingbetrag pro Rechnungseinheit mit einer Novelle im Jahre 1982 erhöht. Nun soll nach Abschluß nahezu aller Entschädigungsverfahren gegenüber der Tschechoslowakei die zu erwartende Restsumme von 385 Millionen Schilling für eine Erhöhung der bereits zuerkannten Entschädigungsbeträge um 34 Prozent verwendet werden.

Die Erhöhung der Entschädigung rechtfertigt sich auch aus der Tatsache, daß, wie eingangs erwähnt, weit weniger Antragsteller als die 90 000 auszubezahlen sind.

Nun zum Verteilungsgesetz DDR. Mit der ehemaligen DDR wurde am 21. August 1987 ein ähnliches Abkommen geschlossen, wodurch rund 136 Millionen Schilling an Österreich ergingen. Entschädigungsberechtigt waren nach diesem Verteilungsgesetz Personen, die sowohl am 8. Mai 1945 als auch am 21. August 1987 die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben, sowie juristische Personen, die an diesen Stichtagen ihren Sitz auf dem Gebiet der Republik Österreich gehabt hatten.

Von rund 1 500 Entschädigungsanträgen sind nur mehr 30 Verfahren unerledigt anhängig, 37,4 Millionen Schilling sind noch nicht zur Verteilung gelangt. Jene Antragsteller, denen bereits Entschädigungen zuerkannt wurden, haben davon bisher einen Betrag von 70 Prozent der Höhe des festgestellten Vermögensverlusts bekommen. Die ausständige Restquote gelangt nach Inkrafttreten des Verteilungsplanes zur Auszahlung, was aber den Abschluß aller noch anhängigen Verfahren voraussetzt.

Der vorliegende Gesetzentwurf soll sicherstellen, daß die anhängigen Verfahren so rasch wie möglich abgeschlossen werden können und somit die Erstellung des Verteilungsplanes und die Auszahlung der Restquote zügig in Angriff genommen werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Regierungsvorlage muß nun ohne weitere Verzögerungen beschlossen und umgesetzt werden. Das hohe Alter und die teilweise geringen Pensionen der Entschädigungsberechtigten machen rasches Handeln notwendig. Meine Fraktion wird dieser Regierungsvorlage daher gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.02

Präsident Dr. Günther Hummer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel.

17.02

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Beinahe habe ich erwartet, daß es hier zu subtilen Unterstellungen kommt; natürlich ist das gesamte Geschichtsbild zu sehen, das ist selbstverständlich, es wird auch von allen gesehen.

Worum es mir bei diesem Antrag gegangen ist, ist, daß endlich auch das Gewissen für diejenigen Menschen geweckt wird, die sich nicht mehr wehren können – die Toten und die Erschlagenen. Ich halte ebenso fest – ich habe es vorhin nicht gesagt –, daß die Sudetendeutschen bereits 1950 in einer Charta der Heimatvertriebenen natürlich auf jegliche Rache oder Vergeltung verzichtet haben, jedoch verständlicherweise nicht auf ihr Recht.

Dieses Recht von 250 000 Ermordeten und 250 000 Soldaten, die ebenso ermordet wurden, ist einzufordern, und das machen auch andere Länder und andere Bereiche. Ich erinnere in diesem


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Zusammenhang, meine Damen und Herren, etwa an die italienischen Forderungen gegenüber den Slowenen, ich erinnere – ich habe es schon ausgeführt – an die einstimmige Resolution des Kärntner Landtages bezüglich der Jajce-Gesetze, und es würde Österreich guttun, wenn wir dies ebenso – ich habe das vorhin auch ausgeführt – in nobler und in verständiger Form, aber in unmißverständlicher Form, unserem möglichen zukünftigen EU-Partner darlegen.

Es wird ja nichts Unmögliches verlangt: Es wird die Aufhebung dieser Gesetze verlangt – der Beneš-Dekrete –, es wird die Achtung der Toten verlangt, indem man die Grabstätten, sofern sie noch vorhanden sind, entdeckt, und es wird, was ebenso verständlich ist, ... (Bundesrat Konečny: Das steht aber alles nicht in diesem Text!) Herr Kollege! Ich habe es mündlich ausgeführt, und das war verständlich genug. Sie haben beim letzten Mal auch der Debatte beigewohnt, und da haben Sie es ebenso gehört.

Es ergeht eine Aufforderung an die Bundesregierung, heute diesen Schritt zu setzen. Das ist nichts Unmögliches, das dient einfach der Achtung.

Allen anderen Unterstellungen Ihrerseits, Herr Kollege Konečny, möchte ich entgegenstellen: Sie mögen ein Betrachtungsbild haben, und ich habe ein bestimmtes Betrachtungsbild. (Bundesrat Konečny: Das habe ich ja gesagt!) Mein Betrachtungsbild ist ein weiter gefaßtes (ironische Heiterkeit des Bundesrates Konečny ), nämlich dahin gehend, daß ich alle Opfer bedenke. – Ich hoffe, Sie tun das auch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.05

Präsident Dr. Günther Hummer: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz CSSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Tremmel und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Aufhebung der menschenrechtswidrigen Beneš-Dekrete vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Aufhebung der menschenrechtswidrigen Beneš-Dekrete ist damit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Oktober 1997 betreffend die Anlage E des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung samt Vorbehalten der Republik Österreich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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Die Tagesordnung ist nunmehr erschöpft.

Vor Eingang in die Tagesordnung hat die vorsitzführende Vizepräsidentin die Einbringung eines Fristsetzungsantrages betreffend den Antrag 93/A-BR/96 mitgeteilt und entsprechend § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung angekündigt.

Die Antragsteller haben ihren Antrag mittlerweile zurückgezogen, es entfällt deshalb die Abstimmung.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sechs Anfragen eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 20. November 1997, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 18. November 1997, ab 14 Uhr vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 17.09 Uhr