Stenographisches Protokoll

87. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 2. Oktober 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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87. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 2. Oktober 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 2. Oktober 1997: 12.01 – 18.03 Uhr

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Personalien

Verhinderungen 7

Ordnungsruf 43

Geschäftsbehandlung

Ersuchen des Abgeordneten Dr. Andreas Khol, wegen Nichtanwesenheit des Antragstellers der Dringlichen Anfrage eine Präsidialkonferenz einzuberufen 8

Wortmeldungen in diesem Zusammenhang:

Mag. Johann Ewald Stadler 9

Dr. Peter Kostelka 9


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Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer zum Ersuchen des Abgeordneten Dr. Andreas Khol 8

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den


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Entschließungsantrag 355/A betreffend Bundesverfassungsgesetz über den Schutz und die Förderung der Familie und die Achtung des Elternrechts gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 12. Dezember 1997 zu setzen 9

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 9

Redner:

Edith Haller 51

Dr. Elisabeth Hlavac 52

Dr. Sonja Moser 53

Elfriede Madl 54

Maria Schaffenrath 55

Karl Öllinger 56

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 57

Unterbrechung der Sitzung 10

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Handhabung der Geschäftsordnung bei tatsächlichen Berichtigungen 29

Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt, Andreas Wabl und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortlichkeit der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz) sowie vermuteter rechtswidriger Einflußnahme durch politische Funktionsträger in Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Ghaderi, Abdul-Rahman Ghassemlou und Fadel Rasoul am 13. 7. 1989 und der Verfolgung von drei dieser Tat dringend Verdächtigten, die trotz Vorliegen eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 58

Bekanntgabe 38

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 38

Redner:

Mag. Dr. Heide Schmidt 58

Mag. Johann Ewald Stadler 60

Andreas Wabl 61

Ablehnung des Antrages 61

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 7

Ausschüsse

Zuweisungen 7

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Gefährdung der Arbeitsplätze und der Pensionen durch die Politik der Bundesregierung (3006/J) 10

Begründung: Dr. Jörg Haider 16

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 22

Debatte:

Helmut Haigermoser 30

Dr. Ewald Nowotny 34

Mag. Helmut Kukacka 36

Mag. Helmut Peter 39

Rudolf Anschober 41

Reinhart Gaugg 43

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 45

Mag. Herbert Haupt 46

Elfriede Madl (tatsächliche Berichtigung) 48

Hermann Böhacker (tatsächliche Berichtigung) 49

Mag. Johann Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) 49

Helmut Haigermoser (tatsächliche Berichtigung) 49

Entschließungsantrag der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen betreffend "Arbeit braucht das Land" – Ablehnung 31, 50

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend steuerliche Befreiung nicht entnommener Gewinne – Ablehnung 46, 50

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Senkung der österreichischen Beitragszahlungen zur Europäischen Union – Ablehnung 46, 50

Entschließungsantrag der Abgeordneten Elfriede Madl und Genossen betreffend Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich, insbesondere zur Hintanhaltung von Billigimporten aus den Oststaaten – Ablehnung 47, 50

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend Befreiung von der Kommunalsteuer für Lehrlingsentschädigungen – Ablehnung 47, 50

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend Vermeidung der kalten Progression – Ablehnung 47, 50

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage 7

860: Rahmenabkommen über den Handel und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits samt Erklärungen und Anhang sowie Unterzeichnungsprotokoll

Bericht 8

III-99: 13. Sportbericht 1996; Bundeskanzler

Anträge der Abgeordneten

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz (BGBl. Nr. 472/1986) in der geltenden Fassung geändert wird (592/A)

Herbert Scheibner und Genossen betreffend die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft des österreichischen Bundesheeres in seiner milizartigen Struktur (593/A) (E)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Berücksichtigung der Resolution der Bundesarbeitskammer vom 22. September 1997 bei der Pensionsreform (594/A) (E)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Berücksichtigung des Weißbuches der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz vom September 1997 bei der Pensionsreform (595/A) (E)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird (596/A)

Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Vollbeitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union (WEU) (597/A) (E)


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Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen betreffend echte Privatisierung der Bundessportheime (598/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Änderung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes (599/A)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend den sukzessiven Ersatz des Ziffernnotensystems durch pädagogisch sinnvolle Systeme der Leistungsrückmeldung (600/A) (E)

Klara Motter und Genossen betreffend Änderung des Konsumentenschutzgesetzes (BGBl. 1979/140) (601/A)

Franz Lafer und Genossen betreffend Bundeszuschuß zur Finanzierung des Österreichringes (602/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Projekt Wärmeversorgung des Truppenübungsplatzes Allentsteig (2988/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Projekt Wärmeversorgung des Truppenübungsplatzes Allentsteig (2989/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend "Rettungsflieger" (2990/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend den Einsatz von Polizei und Gendarmerie am Wörthersee (2991/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Bindung eines Arbeitsplatzes an eine Planstelle (2992/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Teilnahme von Soldaten fremder Streitkräfte an Übungen und Ausbildungsvorhaben in Österreich (2993/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend "überlastete Schubgefängnisse" (2994/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Streichung des Faches Gesundheitspädagogik (2995/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Integrationsfest "Kebab und Wiener Schnitzel" (2996/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend illegaler Grenzübertritt von 50 irakischen Personen (2997/J)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Verschleuderung von Bundesvermögen durch Verkauf von Eisenbahnsiedlungsgesellschaften des Bundes (2998/J)


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MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Finanzierung des Projektes "state of the art" (2999/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Finanzierung des Projektes "state of the art" (3000/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Schließung der Bezirksgerichte Raab und Engelhartszell (3001/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Kompetenzbereinigung der Ministerien (3002/J)

Dr. Harald Ofner und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend eigenartige Überwachungsmethoden der Abteilung 1 der BPD Leoben (3003/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auswirkungen des Franc-CFA auf eine eventuell hinkünftige EWU (3004/J)

Dr. Harald Ofner und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Gefährdung der Weiterexistenz der Justizanstalt Krems (3005/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Gefährdung der Arbeitsplätze und der Pensionen durch die Politik der Bundesregierung (3006/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Computerkriminalität durch die FPÖ" (3007/J)

Wolfgang Großruck und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Europäischer Feuerwaffenpaß (3008/J)

Klara Motter und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend mögliche Verfassungswidrigkeit der Vergabepraxis von Kassenstellen an Ärzte (3009/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend effizientere Nutzung universitärer Ressourcen durch Umstellung auf eine Trimesterregelung (3010/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Nationalinitiative "Wald Dritte Welt/Bedrohung des Lebensraumes der indigenen Völker Amazoniens" (3011/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend das jüngst erstellte Gutachten zu den Erhebungen im Zusammenhang mit der Errichtung der Karawanken Autobahn (3012/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend das jüngst erstellte Gutachten zu den Erhebungen im Zusammenhang mit der Errichtung der Karawanken Autobahn (3013/J)

Annemarie Reitsamer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend das Sonderprogramm "Der Jugend eine Chance – Die Ausbildungsinitiative der österreichischen Bundesregierung" (3014/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundeskanzler betreffend offiziellen Besuch in Slowenien (3015/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend LehrerInnenarbeitslosigkeit (3016/J)


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Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die muttersprachliche mediale Versorgung der Volksgruppen in Österreich (3017/J)

*****

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Untersuchung im Zusammenhang mit dem Verdacht auf politisch motivierte Sabotage seitens der Parlaments-EDV (16/JPR)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Existenzbedrohung durch "Knoten Obersteiermark" (2981/J)

 

 


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Beginn der Sitzung: 12.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Ich eröffne die 87. Sitzung des Nationalrates, die aufgrund eines ausreichend unterstützten Verlangens gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung einberufen wurde.

Die Amtlichen Protokolle der 84. Sitzung vom 18. September sowie der 85. und 86. Sitzung vom 19. September sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben. Sie gelten daher als genehmigt.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Stippel, Dolinschek, Dr. Löschnak, Dr. Krammer, Dr. Mertel und Dr. Rasinger.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt Mitteilung gemacht:

Herr Landwirtschaftsminister Mag. Wilhelm Molterer wird durch Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer vertreten.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 2988/J bis 3005/J, Zurückziehung: 2981/J.

Schriftliche Anfragen an den Präsidenten des Nationalrates: 16/JPR.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuß:

Rahmenabkommen über den Handel und die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits samt Erklärungen und Anhang sowie Unterzeichnungsprotokoll (860 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):


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Verfassungsausschuß:

13. Sportbericht 1996 des Bundeskanzlers (III-99 der Beilagen).

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Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die erforderliche Anzahl von freiheitlichen Abgeordneten hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die soeben eingebrachte schriftliche Anfrage 3006/J der Abgeordneten Dr. Haider und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Gefährdung der Arbeitsplätze und der Pensionen durch die Politik der Bundesregierung dringlich zu behandeln. (Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsbehandlung, Herr Präsident!) – Sogleich!

Die Durchführung der Dringlichen Anfrage erfolgt nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung spätestens um 15 Uhr, frühestens aber drei Stunden nach deren Einbringung.

*****

Kollege Khol, zur Geschäftsbehandlung, bitte.

12.03

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage eine schnelle Kurzpräsidiale zur Klärung der Frage, ob geschäftsordnungsgemäß diese Anfrage des Abgeordneten Haider überhaupt zur Verhandlung gelangen kann, denn Herr Haider ist nicht anwesend. (Einige Abgeordnete der ÖVP halten Plakate in die Höhe, auf denen Dr. Haider und Hans Achatz zu sehen sind und geschrieben steht: "Sie sind da! Hans Achatz, Dr. Jörg Haider – 2. Oktober, Eferding".)

Aufgrund der zwingenden Bestimmungen des § 93 der Geschäftsordnung muß derjenige, der die Anfrage begründet, auch Antragsteller sein. Der einzige Antragsteller ist Abgeordneter Haider, und wir haben begründete Zweifel, daß Herr Haider anwesend sein wird, denn Herr Haider ist vor kurzem dem silbergrauen BMW in Grieskirchen entstiegen und hält dort eine Wahlkampfkundgebung ab. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen, darunter: Das sind Stasi-Methoden!)

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Am Wort ist Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (fortsetzend): Diese Wahlkampfkundgebung ist aber nicht die einzige. Der Antragsteller und Begründer hat uns zwar über die Austria Presse Agentur bereits am Vormittag den Text seiner Anfrage zugestellt, aber wie wir den Plakaten entnehmen können, hat er zu dem Zeitpunkt, zu dem er sie begründen soll, nämlich um 15 Uhr, voraussichtlich in Schärding eine Wahlkampfveranstaltung und wird nicht, so, wie es vorgesehen ist, hier sein. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Präsident! Diese Sondersitzung wurde vom Abgeordneten Haider als Erstantragsteller einberufen. Die Würde des Hohen Hauses verlangt es, daß diese Sondersitzungen nicht für Wahlkampfkundgebungen mißbraucht werden (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums und der Grünen – Bravorufe bei der ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Danke für die Werbung!)

12.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich möchte dazu folgendermaßen Stellung nehmen:

Ich glaube, es ist von der Geschäftsordnung her unbestritten, daß ein Abgeordneter, der einen Antrag oder eine Anfrage einbringt, um welche Fraktion es sich immer handelt, zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anfrage eingebracht wird, nicht im Sitzungssaal sein muß, und das ist auch


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ständige parlamentarische Praxis. Es ist aber ebenso unbestritten, daß nach § 93 der Geschäftsordnung im Falle einer Dringlichen Anfrage diese vom Fragesteller begründet werden muß.

Um über die damit verbundenen Probleme diskutieren zu können, schlage ich vor, daß Sie mir jetzt Gelegenheit geben, diese Sitzung noch etwa zwei Minuten weiter zu führen, dann zu unterbrechen, wie wir uns das in der Präsidiale vorgenommen haben, und nachdem die Sitzung unterbrochen ist, damit keine Verzögerung für das Hohe Haus eintritt, lade ich die beiden Kollegen, die Präsidenten Neisser und Brauneder, und die fünf Vertreter der Klubs zu mir in mein Büro ein, um diese Fragen zu besprechen. Ich glaube, das ist eine faire und vernünftige Vorgangsweise.

Bleiben die Wortmeldungen Stadler und Kostelka aufrecht? – Kollege Stadler, bitte.

12.07

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich kann die Aufregung der Österreichischen Volkspartei angesichts der Entwicklung in Oberösterreich schon verstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich kann auch, Herr Präsident, nachvollziehen, daß Kollege Khol ein dringendes Bedürfnis hat, mit dem Anfragesteller Dr. Haider über die Dringliche und über dieses Anliegen zu diskutieren. (Abg. Mag. Mühlbachler: Zur Geschäftsordnung! Zur Geschäftsordnung) Ich kann aber jetzt schon ankündigen, daß die Geschäftsordnung natürlich auch von meiner Fraktion beachtet wird und dem dringenden Wunsch des Kollegen Khol, daß der Begründer um 15 Uhr anwesend ist, entsprochen wird. Diese Zusicherung darf ich ihm und dem Hohen Hause zu dieser Stunde schon geben. Und ich möchte den Kollegen Khol einladen, dann seine sachlichen Argumente in die Debatte einzubringen, die er bisher hat vermissen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Kostelka.

12.08

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! In diesem Zusammenhang gibt es für mich zwei Aspekte. Der eine ist der geschäftsordnungsmäßige: daß klar ist, daß ein zur Begründung einer Dringlichen Anfrage berufener Abgeordneter im Saal zu sein hat, wenn um 15 Uhr die entsprechende Dringliche aufgerufen wird. Ist er es nicht, gibt es die Dringliche nicht. Das zweite ist die politische Perspektive: daß eine Wahlkampfveranstaltung in diesem Haus – und darum geht es ja offensichtlich – nicht schlechter behandelt werden darf als Wahlveranstaltungen in Eferding und in Schärding. Und ich bin daher davon überzeugt, daß die Geschäftsordnung zu wahren sein wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Böhacker: Das hat aber mit der Geschäftsordnung nichts zu tun! – Abg. Mag. Stadler: Zur Geschäftsordnung!)

12.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nein, ich erkläre damit diese Debatte für beendet.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe weiters bekannt, daß der Abgeordnete Mag. Stadler beantragt hat, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 355/A betreffend Bundesverfassungsgesetz über den Schutz und die Förderung der Familie und die Achtung des Elternrechts eine Frist bis zum 12. Dezember 1997 zu setzen.

Es liegt mir auch das Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Da für die heutige Sitzung um 15 Uhr die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluß an diese stattfinden, und auch die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird naturgemäß nach Schluß dieser Debatte erfolgen.


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Es wurde mir mitgeteilt, daß auch Frau Dr. Petrovic das Wort zur Geschäftsordnung wünscht. Bleibt das aufrecht? – Nein, das ist erledigt.

Dann bitte ich die Mitglieder der Präsidialkonferenz in mein Büro, unterbreche nunmehr die Sitzung und werde die Sitzung um 15 Uhr zur Verhandlung der Dringlichen Anfrage wiederaufnehmen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 12.09 Uhr unterbrochen und um 15.01 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen. Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Gefährdung der Arbeitsplätze und der Pensionen durch die Politik der Bundesregierung (3006/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 3006/J. Da diese Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Nationalrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Der Beitrag der rotschwarzen Koalitionsregierung zur Lösung der Arbeitsmarktprobleme hat sich seit ihrem Bestehen überwiegend auf Wortspenden beschränkt:

Regierungserklärung 1987:

,Der Erhaltung eines möglichst hohen Beschäftigungsniveaus kommt deshalb nach wie vor höchste Priorität zu. Wir werden deshalb alle Anstrengungen unternehmen, daß in den kommenden Jahren noch mehr Arbeit in modernen Industrien, in Groß-, Mittel- und Kleinbetrieben zur Verfügung steht.‘

Regierungserklärung 1990:

,Einer aktiven und effizienten Arbeitsmarktpolitik muß weiterhin Vorrang eingeräumt (...) werden.‘

Regierungserklärung 1994:

,Die Regierungspartner werden die Politik der Beschäftigungsförderung bewußt fortsetzen. Eine ausgewogene Finanz-, Budget- und Geldpolitik wird auch in Zukunft den Kern der österreichischen Beschäftigungspolitik bilden. Diese muß durch arbeitsmarktpolitische Initiativen ergänzt werden. Dabei werden die Senkung der Arbeitslosigkeit, die Steigerung der Erwerbstätigkeit vor allem von Frauen und Arbeitnehmern vor dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter sowie die Erhöhung der Qualität der Arbeitsplätze gleichermaßen als Zielsetzung durch das neue Arbeitsmarktservice angestrebt.‘

Regierungserklärung 1996:

,Arbeitsplätze zu garantieren und sie über das Budget zu finanzieren, ist kein gangbarer Weg. Erforderlich ist eine Wirtschaftspolitik, die es möglich macht, bestehende Betriebe auszubauen und neue zu errichten – sei es durch Inländer, sei es durch Ausländer – und auf diese Weise sinnvolle Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu erhalten.‘

Die Regierungserklärung von Bundeskanzler Mag. Klima vom 29. Jänner 1997 verspricht mehr:


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,Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist unzweifelhaft die zentrale Frage der Zukunft.

Wir wissen, daß es dafür keine Patentrezepte mehr gibt. Insbesondere in einer Welt mit offenen Märkten. Wir können trotz bester Bemühungen nicht in jedem Fall verhindern, daß ein Betrieb oder ein Arbeitsplatz verloren geht.

Was wir aber können, ist mit einer Vielzahl abgestimmter Maßnahmen dazu beitragen, daß entfallenden Arbeitsplätzen neugeschaffene gegenüber stehen und die Arbeitslosigkeit reduziert werden kann.‘

Die Realität sieht anders aus:

Die Vergleichszahlen der Vorjahre zeigen eindeutig, daß die Arbeitslosigkeit in einem besorgniserregenden, sich insbesondere in den letzten Jahren noch beschleunigendem Ausmaß gestiegen ist. Dies belegen folgende Arbeitsmarktdaten, die den Jahresdurchschnittsstand an Arbeitslosen aufzeigen:

1987

164.467

1992

193.099

1988

158.634

1993

222.267

1989

149.178

1994

214.941

1990

165.795

1995

215.716

1991

185.028

1996

230.507

 

Es ist durch die Daten dieses Jahres leider zu belegen, daß die Zahlen 1997 noch weiter steigen werden und insbesondere auch die Winterarbeitslosigkeit, die im Jänner 1997 mit mehr als 300 000 Personen einen Höhepunkt erreicht hat, im kommenden Winter 1997/98 sogar diesen traurigen Rekord brechen wird.

Seit dem Wechsel an der Regierungsspitze haben sich die Anzeichen massiv verstärkt, daß die Bundesregierung angesichts der bestehenden Arbeitsmarktprobleme jede Hoffnung auf erfolgreiche Gegenmaßnahmen aufgegeben hat und in tiefe Resignation verfallen ist. Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung werden nur noch alibihaft angekündigt, ohne daß wirklich konkrete Maßnahmen folgen. Im Bereich der Bauwirtschaft stellt sich heraus, daß Bauvolumina in Milliardenhöhe immer wieder unter verschiedenen Namen angekündigt werden, ohne daß wirklich Nennenswertes bewegt wird. Auch die immer wieder angekündigten Anläufe, die Bundesregierung werde sich dafür einsetzen, der Beschäftigungspolitik auch im Rahmen der EU einen größeren Stellenwert zu verschaffen, sind letztlich versandet.

Die Bundesregierung trägt im Gegenteil mutwillig zu einer weiteren Verschärfung der Arbeitsmarktprobleme bei. So wird von allen namhaften Experten erklärt, daß im Falle einer Währungsumstellung vom Schilling zum Euro mit einem weiteren Ansteigen der Arbeitslosigkeit und insbesondere ein massiver Stellenabbau im Bereich der Kreditwirtschaft eintreten werde. Bis jetzt liegen keinerlei Überlegungen vor, wie dieses Problem bewältigt werden könnte.

Besonders prekär ist die Situation auf dem Sektor der Jugendarbeitslosigkeit. So haben sich die Zahlen der offenen Lehrstellen und der Lehrstellensuchenden in den letzten Jahren wie folgt entwickelt:

 

 


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MONAT / JAHR

OFFENE LEHRSTELLEN

LEHRSTELLENSUCHENDE

August 1995

6.404

6.421

August 1996

3.867

8753

August 1997

3.594 !

10.186 !

 

Wie erfolglos die Bemühungen der Bundesregierung sind, zeigt sich daran, daß die Zahl der Lehrstellensuchenden mittlerweile bereits 12.000 überschritten hat.

Völlig unbeachtet blieb dabei die sich seit langem abzeichnende Entwicklung Gesamtzahl der Lehrlinge, die ebenfalls einen markanten Rückgang erkennen läßt.

Es ist völlig unverständlich, daß diese Entwicklung, die ein gewaltiges Strukturproblem aufzeigt, nicht längst zu Maßnahmen im Interesse der Ausbildung der Jugend geführt hat, sondern nur für einen medienwirksamen Auftritt von Bundeskanzler Mag. Klima mißbraucht wird, der jedem Lehrstellensuchenden einen passenden Platz verspricht. Wirklich umsetzbare Konzepte, die geeignet sind, das Berufsbild des Lehrlings an die Anforderungen der modernen Arbeitswelt anzupassen und die Rahmenbedingungen für die Lehrlingsausbildung nachhaltig zu verbessern, wurden von seiten der Bundesregierung bisher nicht vorgelegt.

Aufschlußreich ist auch, daß die Bundesregierung von der Wirtschaft bei jeder Gelegenheit die Bereitstellung von Lehrstellen fordert, der Bund und die staatsnahen Betriebe jedoch die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen für die Jugend drastisch eingeschränkt haben.

Signifikant für Österreich ist auch die Verschleierung der wahren Situation am Arbeitsmarkt. In Wahrheit werden die realen Arbeitsmarktdaten durch die Frühpensionierungen und die niedrigen altersspezifischen- und Frauenerwerbsquoten noch zusätzlich erheblich geschönt.

Die Zahl der Frühpensionisten ist mittlerweile bereits auf 400 000 gestiegen. Die Zahl der vorzeitigen Alterspensionen hat sich nämlich von Dezember 1996 bis August 1997 von 195 741 auf 207.593 erhöht.

Die Bundesregierung bedient sich dabei noch eines weiteren Spezifikums, nämlich der sogenannten Administrativpensionen, die besonders von staatsnahen Unternehmen benutzt werden, um ältere Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben hinauszudrängen. Ein Beispiel dafür ist die Karenzierungsaktion ua. für ca. 10 000 Dienstnehmer der Post und Telekom AG, PSK. Teilweise tritt sogar kollusives Verhalten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf, indem das soziale Netz der vorzeitigen Alterspension zum einvernehmlichen Stellenabbau genutzt wird. Durch dieses typische Moral-hazard-Verhalten wird, wie das Wifo feststellt, der Versicherungsfall zulasten des Versichertenkollektivs, in diesem Fall vorsätzlich, herbeigeführt.

Diese aufschlußreichen Zahlen belegen besser als tausend Worte das völlige Versagen der Bundesregierung. Dies ist nicht weiter verwunderlich, folgten doch den vollmundigen Ankündigungen z.B. in den zitierten Regierungserklärungen so gut wie keine Taten. In der letzten Zeit haben noch die konfusen Ankündigungen des Bundeskanzlers Mag. Klima (Stichwort: Regierungsklausur in Rust) ein übriges dazu beigetragen, die Österreicherinnen und Österreicher in einen vorzeitigen Ruhestand zu treiben.

Es ist Tatsache, daß Personen, die das 50. Lebensjahr überschritten haben, auf dem österreichischen Arbeitsmarkt nahezu keine Chance haben, jemals wieder einen auch nur halbwegs entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Für manche Regionen und Branchen trifft dies bereits ab einem Lebensalter von etwa 40 Jahren zu.


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Durch die Entwicklung werden daher auch die Pensionssysteme Österreichs enorm belastet:

Die Zahl der Pensionsempfänger steigt dadurch enorm, während die Zahl der Beitragszahler sinkt. Alle Lippenbekenntnisse der Koalitionsregierung, das Pensionsantrittsalter anheben zu wollen, sind daher unglaubwürdig, zumal dieses seit 1970 wie folgt gesunken ist:

Jahr

Männer

Frauen

Jahr

Männer

Frauen

1970

61,9

60,4

1991

58,3

57,6

1975

61,8

60,1

1992

58,3

57,3

1980

59,2

58,3

1993

58,8

57,8

1985

58,3

57,9

1994

58,5

57,1

1990

58,3

57,5

1995

58,1

56,7

 

Dies führt, wie nachfolgende Tabelle zeigt, dazu, daß in Österreich die Erwerbsquote, insbesondere bei älteren Arbeitnehmern im internationalen Vergleich stark nachhinkt:

 

Männer

55 bis 64 Jahre

Frauen

55 bis 64 Jahre

Schweiz

82,3

59,0

Schweden

70,4

63,4

Österreich

42,6

18,8

Deutschland

53,3

28,4

 

Durch die beschäftigungspolitischen Defizite (siehe Frühpensionierungswellen, Administrativpensionen) und den zunehmenden Alterungsprozeß der Bevölkerung in Österreich ist unser Pensionssystem, das auf einem Umlageverfahren beruht, nicht mehr im Stande, die Sicherung der Pensionen für die Zukunft und damit die Einhaltung des Generationenvertrages zu gewährleisten.

Diese Mängel haben auch die OECD in ihrem jüngsten Wirtschaftsbericht zu folgender Mahnung veranlaßt:

,Um die geringe arbeitsplatzschaffende Kapazität der Wirtschaft zu stärken, müssen Entscheidungen über strukturelle Reformen und wesentlich größere institutionelle Flexibilität getroffen werden.‘

Trotz dieser Mahnung beschränken sich die Maßnahmen der Bundesregierung, wie auch die jüngste Debatte um die sogenannte Pensionsreform zeigt, fast ausschließlich auf kurzfristige einnahmenseitige budgetwirksame Maßnahmen. Die Bundesregierung war aber bisher trotz ihrer ständigen Ankündigungen nicht in der Lage, umfassende Strukturreformen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als auch entscheidende Beiträge zur langfristigen Sicherung der Pensionen zu setzen.


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Wohin diese Politik geführt hat, zeigt eine Studie der EU-Kommission auf, wonach Österreich – selbst unter der unrealistischen Annahme der Vollbeschäftigung – entweder den Beitragssatz für Pensionen um 53 % auf fast 35 % erhöhen oder die Ersatzrate um 45 % auf knapp unter 50 % senken oder das Pensionsantrittsalter um fast 11 Jahre auf 68 Jahre anheben müßte, um die Auswirkungen des Alterungsprozesses auf das Pensionssystem auszugleichen.

Dieses Ergebnis und somit auch das Versagen der Bundesregierung bei der Umsetzung zukunftsweisender Reformen werden auch durch die jüngste Studie von Rürup, die von der Bundesregierung eingeholt wurde, bestätigt.

Der Studie ist auch eindeutig zu entnehmen, daß daneben beschäftigungspolitische Maßnahmen nicht nur zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unabdingbar sind, sondern auch als entscheidender Beitrag zur Sicherung der Pensionen notwendig sind.

Angesichts der bisherigen Untätigkeit der Bundesregierung bei der Lösung der dargestellten Probleme des Arbeitsmarktes und der Pensionssicherung richten die unterfertigten Abgeordneten gemäß § 93 Abs. 2 GOG an den Bundeskanzler folgende

Dringliche Anfrage:

1. Worauf führen Sie es zurück, daß die Zahl der Lehrstellensuchenden in den letzten Jahren stetig und erheblich gestiegen ist und weiter eine steigende Tendenz aufweist, während die Zahl der ausbildenden Betriebe stark zurückgegangen ist?

2. Wie erklären Sie sich die Tatsache, daß entgegen Ihrer Ankündigung, ,wonach im Herbst kein Schulabgänger ohne Lehrstellenangebot auf der Straße stehe’, derzeit mehr als 12.000 Jugendliche eine Lehrstelle suchen?

3. Welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen, daß Ihre mehrfach wiederholte Ankündigung bis dato nicht umgesetzt wurde?

4. Sind Sie der Auffassung, daß die Maßnahmen, die die Bundesregierung gesetzt hat, ausreichen, um die Ausbildung der Lehrlinge wieder attraktiver zu gestalten und die Rahmenbedingungen für die Ausbildung der Lehrlinge nachhaltig zu verbessern?

Wenn ja, worauf gründen Sie Ihren Optimismus?

Wenn nein, welche konkreten Maßnahmen werden Sie noch zusätzlich ergreifen?

5. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung gesetzt, um die Ausbildung der Lehrlinge wieder attraktiver zu gestalten und die Rahmenbedingungen für die Ausbildung der Lehrlinge nachhaltig zu verbessern, zumal sogar die OECD auf diesem Gebiet ein massives Defizit feststellte?

6. Treten Sie dafür ein, jene Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, etwa durch einen Ausbildungsfreibetrag und den Entfall der Kommunalsteuer steuerlich zu entlasten?

Wenn ja, wann sind welche Maßnahmen geplant?

Wenn nein, warum nicht?

7. Durch welche Maßnahmen werden Sie jenen Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz als Lehrling erhalten haben, eine adäquate Ausbildung ermöglichen?

8. In welcher Weise wird die öffentliche Hand, nachdem sie in den letzten Jahren die Beschäftigung von Jugendlichen massiv reduziert hat, in diesem Zusammenhang ihrer Verpflichtung gegenüber der Jugend nachkommen?


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9. Wie erklären Sie sich die Aussage im Eurostat-Bericht, wonach die Länder mit der niedrigsten Abgabenquote bei weitem die niedrigste Arbeitslosigkeit aufweisen?

10. Ist Ihnen bekannt, daß die EU-Kommission die Absenkung der Abgabenquote als adäquates Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosenrate ansieht und teilen Sie diese Auffassung?

Wenn ja, welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?

Wenn nein, warum nicht?

11. Welche konkreten beschäftigungspolitischen Maßnahmen bzw. Aktivitäten wurden von den Vertretern der österreichischen Bundesregierung bisher im Rahmen der EU vorgeschlagen und weshalb wurden tatsächlich keine wirksamen Maßnahmen getroffen?

12. Welche beschäftigungspolitischen Auswirkungen erwarten Sie im Falle einer Einführung des Euro in Österreich und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung angesichts der übereinstimmenden Expertenmeinung, wonach die Einführung des Euro jedenfalls zu einem kurzfristigen, massiven Ansteigen der Arbeitslosigkeit führen wird, treffen?

13. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit angesichts des durch die beabsichtigte Einführung des Euro zu erwartenden massiven Abbaues von Arbeitskräften insbesondere im Bereich des Banken- und Versicherungswesen nicht der vom Wifo-Arbeitsmarktexperten Geldner dargestellte Effekt, wonach die arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen des EU-Beitrittes dazu geführt hätten, daß bisher auf 1 000 verlorene Arbeitsplätze lediglich 100 neugeschaffene kommen, nicht auch diesmal wieder eintritt?

14. Welche Konsequenzen werden Sie aus der Feststellung der EU-Kommission ziehen, daß 4 %-Punkte der EU-Arbeitslosenrate auf die stetig steigende Besteuerung des Faktors Arbeit zurückzuführen sind?

15. Werden Sie im Hinblick auf die permanent zu beobachtende kalte Progression (siehe Aussagen des Wifo-Experten Lehner bereits im Jahre 1995 und des Prof. Seicht) Schritte setzen, um diese zu beseitigen?

Wenn ja, wann sind welche Maßnahmen geplant?

Wenn nein, warum nicht?

16. Tritt die Bundesregierung dafür ein, daß nichtentnommene Gewinne steuerfrei gestellt werden, zumal auch die EU davon ausgeht, daß die steuerliche Begünstigung nichtentnommener Gewinne ein wichtiges Instrument zur Beschäftigungssteigerung darstellt?

17. Wie bewerten Sie die Aussage des von der Bundesregierung mit der Erstellung des Konzeptes für eine Forschungsoffensive beauftragten Prof. Schmidt, wonach angesichts der für die Forschungsoffensive dafür vorgesehenen Budgetmittel der Vorwurf der Roßtäuscherei nicht von der Hand zu weisen sei?

18. Wie erklären Sie sich, daß der von der Bundesregierung zur Reform des Pensionssystems bestellte Gutachter Prof. Rürup zum Ergebnis gelangt, daß zur Sicherung des Pensionssystems einschneidende Reformen, wie z.B. die massive Erhöhung des Pensionsantrittsalters, erforderlich sind, wo doch anläßlich der letzten Pensionsreform 1993 von allen Regierungsvertretern und Koalitionspolitikern versichert wurde, daß mit den damaligen Kürzungen und übrigen Verschlechterungen des Pensionsrechtes die Pensionen ,bis weit über das Jahr 2000 hinaus‘ gesichert sei?

19. Wie rechtfertigt die Bundesregierung ihr Versagen in der Beschäftigungspolitik (die Frühpensionierungswellen und die nunmehr verstärkt angewendeten sogenannten Administrativpensionen) und die dadurch eingetretene enorme Belastung des Pensionssystems gegenüber den Beitragszahlern, die nunmehr die Zeche zu zahlen haben?


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20. Wie bewerten Sie die Aussage von Professor Rürup, der im Zusammenhang mit den von der Bundesregierung beabsichtigten Maßnahmen davon spricht, daß diese bei weitem nicht ausreichend seien und können Sie weitere konkrete Maßnahmen ausschließen?

21. Beabsichtigt die Bundesregierung den Vorschlag von Prof. Rürup, den Verbraucherpreisindex als Untergrenze der Pensionsanpassung wegfallen zu lassen, noch in dieser Legislaturperiode aufzugreifen und ist Ihnen bewußt, daß dies zu einer schleichenden Pensionskürzung aller Pensionisten und damit zu einem Bruch eines, den Pensionisten auch schriftlich (siehe Vranitzky-Brief) gegebenen Versprechens, führen muß?

Wenn ja, wann?

22. Wird die Bundesregierung an der Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes für ASVG-Pensionisten auf 20 Jahre festhalten?

Wenn ja, werden Sie daran auch gegen den Willen der Sozialpartner festhalten?

Wenn nein, welche Maßnahmen werden Sie anstelle eines verlängerten Durchrechnungszeitraumes setzen?

23. Wird die Bundesregierung an den Einführung eines Durchrechnungszeitraumes für Beamte festhalten?

Wenn ja, werden Sie daran auch gegen den Willen der Gewerkschaft festhalten?

Wenn nein, welche Maßnahmen werden Sie anstelle eines verlängerten Durchrechnungszeitraumes setzen?

24. Sind Sie angesichts der demografischen Entwicklung in Österreich, die dazu führt, daß in Zukunft einem Erwerbstätigen zwei Pensionisten gegenüberstehen, der Auffassung, daß das Umlageverfahren zur Sicherung der zukünftigen Pensionen noch ausreichen wird?

Wenn ja, worauf gründen Sie Ihren Optimismus?

25. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um Anreize zum Aufbau eines weiteren Standbeines für die Altersvorsorge zu geben?

26. Wie rechtfertigen Sie den Umstand, daß die Bundesregierung durch die mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 erfolgte Erhöhung der Versicherungssteuer für Lebensversicherungsprämien von 3 auf 4 % und die massive Verschlechterung der steuerlichen Absetzbarkeit von Lebensversicherungen die Anreize für die Eigenvorsorge massiv verschlechtert hat?

In formeller Hinsicht wird ersucht, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG-NR zum ehestmöglichen Zeitpunkt dringlich zu behandeln."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Haider als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. Die Redezeit ist mit 20 Minuten begrenzt. – Bitte. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schauen Sie einmal! Schauen Sie, wer da ist! Wo sind jetzt die Plakate?)

15.02

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich darf dem Kollegen Khol herzliche Grüße aus Eferding übermitteln. Wir hatten einen vollen Platz. Es war eine großartige Kundgebung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben schon Angst gehabt, du schaffst es nicht!)

Sehr verehrter Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Die Freiheitlichen haben deshalb eine Sondersitzung einberufen und Sie gebeten, uns Rede und Antwort zu stehen, weil bei Ihrem


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Amtsantritt im Jänner 1997 sehr, sehr viele Hoffnungen mit den Versprechungen, die Sie gemacht haben, verbunden gewesen sind.

Ich darf Ihnen in Erinnerung rufen, was Sie damals vor dem Parlament gesagt haben. Sie haben gesagt: Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist unzweifelhaft die zentrale Frage der Zukunft. Wir wissen, daß es dafür keine Patentrezepte mehr gibt. Aber was wir tun können, ist, mit einer Vielzahl abgestimmter Maßnahmen dazu beizutragen, daß entfallenden Arbeitsplätzen neugeschaffene gegenüberstehen und die Arbeitslosigkeit reduziert werden kann.

Das kann man durchaus unterschreiben, Herr Bundeskanzler. Wenn man aber der heutigen Meldung der APA entnimmt, daß die jüngste Arbeitslosenstatistik uns belegt, daß es zu einem neuerlichen dramatischen Ansteigen der Arbeitslosigkeit in Österreich gekommen ist, dann werden Sie verstehen, daß wir Sie dringlich befragen, wie denn und wo denn bisher Ihre politischen Aktivitäten gewesen sind, denn es geht ständig nach unten, die Arbeitslosigkeit steigt, wir haben einen Ausverkauf von Betrieben und eine Serie von Betriebsschließungen – und es ist trotz Ihrer Ankündigungen keine Besserung in Sicht.

Der Wirtschaftsprofessor und Wifo-Mitarbeiter Professor Breuss hat vor einigen Wochen gesagt: Auf 1 000 Arbeitsplätze, die wir derzeit verlieren, kommen 100 neue Arbeitsplätze, die wir bestenfalls gewinnen können. – Das heißt, die Rahmenbedingungen Ihrer Politik, Herr Bundeskanzler, sind offenbar die falschen, denn sonst würde sich ja ein Erfolg einstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ein Erfolg, der sich zwangsläufig einstellen müßte, wenn Sie tatsächlich das täten, was Sie angekündigt haben. Sie haben gesagt, es werde eine Exportoffensive geben. – Bis heute ist die Offensive nicht begonnen worden. Der Export wird bestenfalls durch den neuen Wechselkurs zum Dollar begünstigt. Das ist die einzige Exportförderung, die stattfindet – doch dafür sind die Amerikaner und nicht Sie verantwortlich.

Zur Technologieförderung: Sie haben eine Technologiemilliarde versprochen. Sogar Ihr eigener Energieberater sagt, daß das eigentlich eine Roßtäuscherei ist, daß bis zur Stunde nichts passiert ist. Sie haben eine Jungunternehmerförderung und Jungunternehmeroffensive versprochen; richtigerweise, weil ja jedes junge, neue Unternehmen mindestens drei Arbeitsplätze schafft. Einziges Ergebnis bis heute ist, daß Ihnen sogar der Leiter des Mittelstandsinstitutes an der Wirtschaftsuniversität sagen muß: Das ist ein totaler Flop. – Ein Schritt vor und zwei zurück in der Klima-Regierung.

Oder die Situation auf dem Lehrplatzsektor: Sie haben nach wie vor über 10 000 junge Menschen, die Ende September/Anfang Oktober ohne Lehrplatz dastehen, obwohl Sie Ihr Wort verpfändet haben: Ich – Klima – garantiere jedem jungen Menschen, daß er im Herbst einen Lehrplatz hat! – Was wird aus Ihren Garantien? Was wird aus Ihren Offensiven? Was wird aus Ihren Ankündigungen, Herr Bundeskanzler? Die Österreicher können nicht von den Ankündigungen leben, sondern sie warten darauf, daß Sie etwas tun, daß Sie konkrete Maßnahmen setzen, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher meine ich, Ihnen zu Recht sagen zu müssen, daß überall dort, wo der Staat mitspielt, Hemmnisse aufgebaut werden, die letztlich einen negativen Einfluß auf die Beschäftigung haben, die zur Vernichtung von Arbeitsplätzen und Einkommensmöglichkeiten führen.

Das betrifft etwa auch Ihr eigenes Budget. Noch nie war der Anteil öffentlicher Investitionen am Budget so gering wie bei diesem Budget. So können Sie keine Beschäftigungseffekte erzielen. Wenn Sie dann zusätzlich noch die Stirn haben, an diesem verrückten Projekt eines Semmering-Basistunnels festzuhalten, von dem jeder weiß, daß man für Maschinen teures Geld ausgibt, aber nicht für Arbeitsplätze, dann wird niemand mehr verstehen, daß das eine öffentliche Investitionspolitik ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Seidinger: Wer baut denn die Maschinen?)

Oder: Wenn Sie sagen, daß die Lohnnebenkosten gesenkt werden müssen, dann frage ich Sie: Warum tun Sie es nicht? Schweden hat hier eingegriffen. In Schweden hat man innerhalb weniger Monate die Lohnnebenkosten auf 82 Prozent reduziert. Österreich hat im Schnitt 103 Prozent. Das heißt, wenn der Herr Generaldirektor Raidl von den Stahlwerken in Kapfenberg sagt ...


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(Abg. Koppler: Böhler-Uddeholm!) Nein, denn Gott sei Dank ist es noch ein österreichisches Unternehmen, Kollege Koppler. Ihr seid ohnehin für den Ausverkauf verantwortlich, aber wir stehen zu den österreichischen Unternehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn also Raidl sagt, daß ihm heute in Kapfenberg ein Arbeiter wegen der Lohnnebenkosten um 25 Prozent teurer kommt als in Schweden, dann ist es nur mehr eine Frage der Zeit, bis auch dieser Konzern weitere Arbeitsplätze absiedeln wird, weil ihr nicht in der Lage seid, entsprechende Maßnahmen zu setzen. (Abg. Koppler: Ihr wollt den Dreizehnten und Vierzehnten abschaffen! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Koppler versteht das nicht!) Kollege Koppler! Ich rede jetzt einmal von den Lohnnebenkosten, die euch betreffen, davon zum Beispiel, daß mit jeder Beitragsgrundlagenerhöhung auch die Arbeiterkammerumlagen steigen. Das sind die Fragen, bei denen das System partizipiert, und von denen ich rede. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das sind die Dinge, von denen kein Arbeiter etwas hat, von denen nur der Apparat, die Institutionen, die Funktionäre und die Bürokratie leben. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder: Sie haben gute Rahmenbedingungen, Wettbewerbsbedingungen nach dem EU-Beitritt versprochen. (Abg. Wurmitzer spricht mit Bundesminister Dr. Farnleitner. ) Wenn ich mir die heutigen und gestrigen Zeitungen anschaue, lese ich, daß in Oberösterreich wiederum ein traditionsreiches Unternehmen, die Textilfabrik Edoo, schließen muß. Vor einigen Jahren hat sie noch über 600 Arbeitsplätze verfügt. Jetzt wird sie zugesperrt, der Ausverkauf ins Ausland folgt – weg ist die Firma! Man geht einfach zur Tagesordnung über. – Vielleicht könnte man das Gespräch beenden, Herr Kollege. Immer der Wurmitzer! Wenn Sie schon kein Benehmen haben, dann warten Sie wenigstens, bis ich fertig bin. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Nicht genügend, setzen, Wurmitzer!)

Aber es ist ja nicht nur die Firma Edoo. In den letzten Tagen haben wir die Botschaft aus Hallein bekommen, daß ein echter Kahlschlag in diesem Salzburger Kernindustriebereich stattfindet. Die Firma Salomon sperrt zu, weil man sagt: Die brauchen wir nicht mehr. Im EU-Standort Salzburg ist es nicht mehr notwendig, eine eigene Produktion aufrechtzuerhalten. – So läuft das, Serie für Serie.

Oder: Sparpaket reduziert die Kaufkraft, Herr Bundeskanzler! Wenn Sie heute die Wifo-Berichte lesen, dann werden Sie feststellen, daß man Ihnen sagt: Der Export zieht an, weil sich die Dollar/Schilling-Relation verbessert hat. – Das ist nicht Ihr Verdienst. – Aber die Kaufkraft im Inland sinkt dramatisch, weil die Menschen von Ihrem Sparpaket so stark betroffen sind, vor allem die sozial Schwächeren, daß die Massenkaufkraft dramatisch zurückgegangen ist. Ist das die Politik, die Sie haben wollen, daß Sie die Behinderten ausplündern, daß Sie den Familien Geld wegnehmen, daß Sie einem fleißigen Arbeiter soviel durch Steuern wegnehmen, daß es für ihn nicht mehr attraktiv ist, sich anzustrengen?

Wenn heute ein Betrieb einem Mitarbeiter 1 000 S mehr zahlen will, weil er fleißig und gut ist, kostet das den Betrieb 2 000 S mehr Lohnaufwand. Das erfordert 6 000 S mehr Umsatz, und dem Mitarbeiter bleiben unter dem Strich nicht einmal 600 S. Wenn das noch Leistungsorientierung ist, daß der Staat zwei Drittel wegfrißt, dann stimmt etwas in diesem System nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder: hausgemachte Staatsversagen. Herr Bundeskanzler, Sie propagieren: Jedem Jugendlichen einen Lehrplatz! – Ergebnis: Die Schule ist nicht mehr aufnahmefähig. Mehr als 5 000 Jugendliche, die eine berufsbildende Schule besuchen wollen, finden dort keine Aufnahme und drängen auf den Lehrstellensektor. Das sind hausgemachte, staatsversagende Ursachen, die hier zur Diskussion stehen. Das ist nicht eine Frage der Wirtschaft.

Weiters geht es um die Frage: Wie kann man die Berufsschule attraktiver machen? – Ich frage Sie: Warum gehen Sie nicht her und widmen den Polytechnischen Lehrgang um, damit es ein Grundbildungsjahr gibt und die Jungen mehr Betriebspraxis in den folgenden Jahren sammeln können? (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Was ist mit der ganzen EU-Politik? Sie haben uns immer gesagt, da werde es unwahrscheinlich gute Förderungen geben. – Heute muß ich eine Unterlage studieren, aus der hervorgeht, daß sogar das Leonardo-Programm – das ist jenes Programm, das die Lehrstellenschaffung in Europa propagieren soll – zusammengestrichen wird. Sie nahmen aber in Amsterdam am Beschäftigungsgipfel teil und verbreiteten heiße Luft, was alles geschehen werde. In Wirklichkeit streicht man jedoch die Programme für die jungen Leute zusammen. Das ist die Realität Ihrer Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher müssen Sie sich wirklich die Frage gefallen lassen: Haben Sie überhaupt ein Konzept im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zur Schaffung von mehr Beschäftigung, die Sie ja richtigerweise als Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen, weil so viele beseitigt worden sind, bezeichnet haben? – Belastungen sind sicherlich kein Konzept, und die Arbeitslosen zu "verstecken" ist auch kein Konzept. Heute "verstecken" Sie aber die Arbeitslosen in Administrativpensionen und Stiftungen, damit sie ja nicht in der Statistik aufscheinen, oder Sie "verstecken" sie in der Schule, indem Sie die jungen Leute ins WIFI oder ins BFI stopfen, ohne daß diese in Wirklichkeit einen entsprechenden Lehrplatz finden werden, oder Sie "verstecken" sie in Frühpensionen.

Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel, damit man sieht, wie "seriös" Ihre Prognosen sind, Herr Bundeskanzler. Sie haben mit mir im Jahre 1995 im Fernsehen diskutiert und zum Thema Post folgendes gesagt: Bei der Post werden in den nächsten drei Jahren 7 000 Mitarbeiter durch den natürlichen Abgang abgebaut. Das geht sich selbstverständlich aus, denn Postler sind klasse Leute. Die lasse ich nicht im Stich, die halte ich nicht am Schmäh. (Abg. Haigermoser: Wer hat das gesagt? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Herr Klima!) Viktor Klima, November 1995. Das geht mit dem natürlichen Abgang, hat er gesagt.

Heute wissen wir: Es geht nicht mit dem natürlichen Abgang (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Herr Klima lacht dazu!) , sondern Sie müssen ein Frühpensionsmodell umsetzen, das noch nicht einmal finanziert ist. Sie zwingen die Leute, mit 55 Jahren in Pension zu gehen, wodurch sie Einkommenseinbußen im Ausmaß von rund 40 Prozent erleiden. Was wird aus einem kleinen Postler, der 11 000 oder 12 000 S netto verdient? Dieser hat bei dem Pensionssystem, das Sie ihm jetzt anbieten, noch einmal 1 500 S Einbußen. Das ist es, was die Leute heute irritiert, denn Sie haben ihnen zugesagt, Sie lassen die Postler nicht im Stich. Aber in Wirklichkeit haben Sie wider besseres Wissen und Gewissen etwas verbreitet, von dem Sie wußten, daß es nicht machbar ist. Das sind die Realitäten, mit denen Sie sich konfrontieren lassen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher ist es insgesamt eine Provokation, wenn uns Herr Ditz heute mitteilt, bei der Post müßten die Kleinen jetzt ein Opfer im Sinne der Solidarität bringen, weil man das Unternehmen wieder flottmachen muß. – Wer hat denn das Postunternehmen ausgeplündert? Jahrelang haben Sie in dieser Regierung die Gewinne der Post abgeschöpft, die Milliarden für das Budget verwendet und so die Post pleite gemacht. Und heute sollen das die kleinen Leute ausbaden, denen Sie Frühpensionssysteme verpassen, die ihnen 40 bis 50 Prozent ihrer Bezüge wegnehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es trifft natürlich wieder nur die Kleinen, denn die Verträge der Großen werden verlängert. Der steirische Postdirektor etwa, der Landespostchef der Steiermark, ist 62 Jahre alt, aber sein Vertrag wird jetzt noch einmal um drei Jahre verlängert, damit er noch ein bißchen etwas dazuverdienen kann. Der wird nicht heimgeschickt. Da gibt es keine Frühpensionsregelung.

Oder: Der Vertrag von Zentralbetriebsratsobmann von Lenzing, Baumgattinger, wird um drei Jahre verlängert – Koppler, das weißt du ganz genau! –, damit er nämlich noch Sozialversicherungsobmann werden kann! Denn man muß ja darauf schauen, daß die Genossen versorgt sind. Aber die Kleinen, die dann um 30 und 40 Prozent weniger Einkommen und Pension haben werden, schicken Sie mit 52 Jahren in Frühpension. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das sind Ihre Widersprüche, die wir aufzeigen wollen. Einerseits sagen Sie, es dürfe keine Frühpensionen mehr geben – Sie können sich aber nur im geschützten Bereich mit den Frühpensionen behelfen – und legen ein Pensionsmodell vor, das abenteuerlich ist. Rechnen Sie sich


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das einmal durch, Herr Bundeskanzler: Je höher das Einkommen, umso weniger Verluste hat jemand nach Ihrer Pensionsreform zu gewärtigen. Je niedriger das Einkommen im ASVG-Bereich, umso mehr nehmen Sie ihm weg. Sie sind ein feiner Sozialdemokrat, der Sie die Solidarität immer so ernst nehmen möchten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen daher aus unserer Sicht: Kein Flickwerk am bestehenden System, sondern versuchen Sie, Herr Bundeskanzler, wirklich einmal auch im Pensionssystem Nägel mit Köpfen zu machen! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er setzt das Verlegenheitslächeln auf, der Herr Bundeskanzler!) Gehen Sie ein Dreisäulenmodell an! Trauen Sie sich wenigstens, das zu diskutieren, und dann vergleichen wir, wer mehr hat. Das ist nämlich auch im Interesse der kleineren Einkommensbezieher, die dann wissen, wofür sie ihre Sozialversicherungsbeiträge zahlen.

Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele dafür nennen, wie wir die Dinge in Ordnung bringen möchten. Wir würden von Ihnen erwarten, daß Sie jetzt einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik anvisieren, weil das, was Sie bisher verfolgt haben, offenbar nicht zum Erfolg führt. Wenn Sie sagen, die Österreicher müssen in Zukunft länger arbeiten, dann müssen Sie aber auch den Österreichern die Chance auf mehr Arbeitsplätze bieten. Das ist eine ganz normale Sache: Wenn die Österreicher mehr arbeiten sollen, brauchen wir mehr Arbeitsplätze. Mehr Arbeitsplätze wird es nur dann geben – das zeigt uns die internationale Entwicklung –, wenn wir ein attraktives Steuersystem haben, wenn es niedrigere Steuern gibt, wenn es weniger Verschwendung gibt, wenn es weniger Subventionen gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher unser Vorschlag Nummer eins: Wir besteuern den nichtentnommenen Gewinn nicht mehr. Das heißt, das, was der Betrieb verdient, was er sich für Investitionen zurücklegt, um Arbeitsplätze zu schaffen, soll steuerfrei investiert werden können. Somit werden Sie in vier bis fünf Jahren 50 000 Arbeitsplätze mehr haben, und Sie brauchen keine Subventionen und keine AMS-Hilfe zu geben und keine Versprechungen zu machen.

Herr Bundeskanzler! Lassen Sie die Wirtschaft unter besseren Rahmenbedingungen arbeiten, und Sie werden ein Problem weniger haben! Sie werden nämlich mehr Arbeitsplätze haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das zeigt sich ja auch – ich muß sogar Ihre eigenen EU-Berichte zitieren – im Vierteljahresbericht für die Klein- und Mittelbetriebe in der EU. Dort steht nachzulesen: Nur eine Absenkung und steuerliche Entlastung der nichtausgeschütteten Gewinne in den Betrieben ist die Lösung für die Arbeitsplätze. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Das gebe ich Ihnen, damit Sie es nachlesen können. (Abg. Mag. Stadler: Das haben die Sozialisten im EU-Parlament mit beschlossen!) Das sind die Berichte, die seine eigenen Freunde im EU-Parlament mit beschließen. Also tun Sie es endlich, Herr Bundeskanzler! Und das gilt auch für Sie von der ÖVP!

Sie schalten in Oberösterreich ganzseitige Inserate in den Zeitungen: Der nichtentnommene Gewinn ist steuerfrei zu stellen! (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Und wenn wir diesen Antrag hier stellen, lehnen Sie ihn ab. Wir werden schauen, wie ihr oberösterreichischen Freunde euch heute mit euren großen Vorhersagen verhalten werdet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt: Wir wollen auch, daß die Massenkaufkraft in Österreich wieder gestärkt wird. Auch das bedeutet eine Dynamisierung der Wirtschaft. Daher soll es eine Lohnsteuerreform geben, und zwar jetzt – so, wie sie Professor Lehner vom Wifo seit dem Jahre 1995 einfordert. Lohnsteuerreform heißt: Absenken der Belastungen für die durchschnittlichen und unteren Einkommensbezieher um 5 Prozent beziehungsweise um 2 Prozent. Warum? – Weil Sie ihnen zuviel wegnehmen, Herr Bundeskanzler!

Wenn Sie die Freibetragsbescheide aussetzen, dann zahlen die Arbeitnehmer, also jene, die die Massenkaufkraft repräsentieren, alleine aus diesem Titel 3,4 Milliarden Schilling mehr an Lohnsteuer. Wenn Sie nur 1 Prozent Inflation haben, frißt die kalte Progression laut Finanzminister mindestens 1 Milliarde Schilling vom Einkommen weg. Das wird heuer wieder passieren. Wenn Sie die Arbeitnehmerveranlagung noch weiter hinausschieben, nehmen Sie den Arbeitnehmern noch einmal 1,4 Milliarden weg. Insgesamt beläuft sich das auf fast 6 Milliarden Schilling, die Sie


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den österreichischen Arbeitnehmern, also jenen, die Hoffnung in Sie gesetzt haben, wegnehmen.

Sie werden nicht umhinkönnen, eine Lohnsteuerreform vorzuziehen und sie in Gang zu setzen, damit die Massenkaufkraft wieder besser funktioniert. Denn die Leute haben es satt, daß Sie mit ihren Steuern das Tachinierertum in diesem Land subventionieren, während andererseits den fleißigen Leuten die Tränen in die Augen steigen, wenn sie sich ihre Abzüge nach langer Arbeit, die sie zu tätigen haben, anschauen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich denke, daß Sie diese Debatte ein bißchen motivieren könnte, wirklich nachzudenken, ob Ihre Wirtschaftspolitik richtig ist. Denn wie es ausschaut, werden Sie wieder fragen: Ja, aber wo nehmt ihr denn das Geld für diese Steuerreform her? Wenn Sie einmal die Geneigtheit hätten, den jüngsten Bericht der Nationalbank herzunehmen, würden Sie feststellen, daß es freie, nicht gebundene Rücklagen in der Höhe von 114 Milliarden Schilling gibt. Ich frage Sie, ob es nicht gescheiter wäre, anstatt in diesem Geldtempel die roten und schwarzen Bonzen zu vergolden, 30 Milliarden Schilling herauszunehmen und damit eine ordentliche Steuerreform durchzuführen, die Arbeitsplätze und die Wirtschaft wieder in Schwung bringt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder ein weiterer Vorschlag: Absenken der Lohnnebenkosten. Ein anderer EU-Bericht, der Monti-Bericht, sagt eindeutig: 4 Prozent der europäischen Arbeitslosigkeit gehen auf das Konto überhöhter Lohnnebenkosten, gehen auf das Konto der zu stark besteuerten Arbeitskraft in unserem Lande. – Das müssen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis nehmen!

Oder: die Frage der Jungunternehmer-Förderung. Das betrifft vor allem Sie von der Österreichischen Volkspartei: Sie müssen Ihren Kammerstaat einmal etwas zurückschrauben. Wenn ein junger Mensch heute ein Unternehmen gründen will, muß er, wenn er zwei, drei Konzessionen hat, zuerst einmal Einverleibungsgebühren in der Höhe von ungefähr 25 000 bis 30 000 S zahlen. Dann muß er für die Vertragsvergebührung 10 000 S hinlegen, weiters muß er für die Errichtung eines Gesellschaftsvertrages mit der Mindest-KöSt 25 000 S zahlen. Dann muß er vielleicht auch noch einige Parkplätze vor dem Betriebsgebäude finanzieren, das sind wieder 50 000, 60 000, 70 000, 80 000 S.

Ein Jungunternehmer hat also in Österreich, noch bevor er sein Geschäft aufsperren darf, bereits Kosten zwischen 100 000 und 150 000 S. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Deshalb gibt es ja so viele Pleiten!) Diese Summe müssen sie erst einmal verdienen – zu diesem Zeitpunkt haben sie jedoch noch keine Minute arbeiten dürfen. Das ist die Schuld der Bürokratie und auch Ihres Kammerstaates, Herr Dr. Stummvoll. Das läßt sich nicht wegdiskutieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie werden letztlich – das sage ich auch ganz offen – nicht umhinkönnen, sich die Frage zu stellen, ob Sie weiterhin eine so hohe Ausländerquote auf dem Arbeitsmarkt akzeptieren. Es gibt bereits 300 000 ausländische Beschäftigte! Trotzdem geht Ihre Politik nicht in die Richtung, den bosnischen Flüchtlingen die Heimkehr zu ermöglichen, sondern Sie haben bereits für 35 000 eine Beschäftigungsbewilligung erteilt. Sie sind durch Ihre Sozialministerin dafür verantwortlich. Es gibt insgesamt 60 000, das heißt, daß Sie noch einmal 30 000 mit einer Beschäftigungsbewilligung ausstatten werden, und das in einer Situation, in der die Arbeitslosigkeit bei uns steigt. Sie werden auf sehr, sehr wenig Verständnis bei der österreichischen Bevölkerung dafür stoßen, daß Ausländer Arbeitsbeschäftigungen bekommen, während Österreicher arbeitslos sind und stempeln gehen müssen. Das wird nicht funktionieren.

Daher mein Appell an Sie: Überlegen Sie, ob Sie in unseren Gedankengängen nicht wenigstens Ansätze für einen Kurswechsel erkennen könnten!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Auch die ÖVP propagiert derartige Ideen immer wieder. Warum ist es nicht möglich, im österreichischen Parlament gemeinsam einen Kurswechsel herbeizuführen, um die Arbeitslosigkeit, das Betriebssterben einzudämmen und aus der Negativspirale eines mangelnden Optimismus im Wirtschaftsleben herauszukommen?


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Das wäre Zukunftspolitik, das heißt Anpacken, Herr Bundeskanzler, das heißt für uns Probleme lösen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der gestellten Fragen hat sich der Herr Bundeskanzler gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte, Herr Bundeskanzler. (Abg. Koppler: Der Hubschrauber wartet schon! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das sind eure einzigen Sorgen! – Abg. Mag. Stadler: Du bist schon so abgehoben als Bonze, du brauchst keinen Hubschrauber mehr! – Abg. Haigermoser: Du bist auf der Wolke 7! Du brauchst keinen Hubschrauber! Du brauchst nur einen Fallschirm, einen Paragleiter, das ist das einzige, was du brauchst!)

15.22

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns in diesem Haus vor wenigen Monaten mit dem größten Problem der Industriestaaten, nämlich jenem der Arbeitslosigkeit, auseinandergesetzt. Die Bundesregierung hat damals ein klares und deutliches Programm mit neun Punkten vorgeschlagen. Dabei handelte es sich nicht um einen Zickzackkurs, sondern um neun konsequente Maßnahmenbündel, die zu einem Teil schon gänzlich umgesetzt oder noch in Umsetzung sind. Und sie zeigen auch schon Wirkung. (Abg. Haigermoser: Wo? – Abg. Mag. Stadler: Das sieht man! Heutige Eilt-Meldung der APA!)

Analysieren wir gemeinsam die APA-Meldung! Ich hoffe auf: Gentlemen agree on facts. Das heißt, ich hoffe, Sie streiten nicht über Tatsachen.

Erste Tatsache: Im September dieses Jahres gab es mit 3 101 000 um 10 000 Beschäftigte mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Ich füge noch hinzu: um 260 000 Arbeitsplätze mehr als vor zehn Jahren. (Abg. Dr. Haider: 200 000 Arbeitslose! – Abg. Mag. Stadler: Wir haben 3 Millionen mehr Einwohner als vor 100 Jahren!)

Zweite Tatsache: Entgegen Ihrer Ankündigung ist die Jugendarbeitslosigkeit zurückgegangen. (Abg. Dr. Haider: 200 000 Arbeitslose!) Die Jugendarbeitslosigkeit, also jene der 15- bis 25jährigen, ist um 2,7 Prozent zurückgegangen. Lesen Sie die APA-Aussendung, die Sie zitieren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Das wird die arbeitslosen Lehrlinge sehr freuen!)

Dritte Tatsache: Die Arbeitslosigkeit bei den 25- bis 29jährigen ist um 4,2 Prozent zurückgegangen. (Abg. Dr. Haider: Glauben Sie schon Ihre eigenen Statistiken?) Lesen Sie die von Ihnen zitierte APA-Aussendung! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Das steht nicht drinnen!) Das sind Tatsachen!

Das erste Mal seit 20 Jahren ist es aufgrund der gemeinsamen Anstrengungen der Sozialpartner, der Wirtschaft, der Arbeitnehmervertreter und der Regierung gelungen, einen Trend zu brechen. (Abg. Ing. Reichhold: Was haben denn Sie für eine APA-Meldung?) Bereits jetzt gibt es das erste Mal seit 19 Jahren um 2 000 Lehrstellenverträge mehr in der Wirtschaft. Das ist der Erfolg unserer Maßnahmen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Sie haben gesagt, es wird keine arbeitslosen Lehrlinge geben!)

Zu einer vernünftigen Analyse gehört aber auch – wenn man erwähnt, daß es 10 000 Arbeitsplätze mehr im Vergleich zum Vorjahr gibt –, daß man gleich klar und deutlich dazusagt, daß auch die Arbeitslosigkeit um 5 000 gestiegen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Besonders interessant ist – und das sollten wir in die Analyse mit einbeziehen –, daß diese Zahl nahezu jener Zahl entspricht, um die die Arbeitslosigkeit in der Altersgruppe der 50- bis 60jährigen gestiegen ist. Es gibt nämlich um 5 900 Arbeitslose mehr in dieser Altersgruppe – trotz 10 500 neugeschaffener Arbeitsplätze, trotz sinkender Jugendarbeitslosigkeit! Daher müssen wir uns besonders dem Problem der älteren Arbeitnehmer widmen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erliege nicht der Versuchung, mich darauf auszureden, daß bei dieser Zahl ein gerüttelt Maß jener mitgezählt ist, die von Sozialplänen profitieren. Es gibt Unternehmen, die, statt jüngere Arbeitnehmer zu kündigen, ältere aus den eigenen Gewinnen heraus bis 60 von der Dienstleistung freistellen. Es gibt aber leider auch Unternehmen – und das muß man sehr, sehr kritisch sehen –, die das nicht mit ihren eigenen Gewinnen finanzieren, sondern es auf Kosten der Allgemeinheit, der Arbeitslosenversicherung tun! Dagegen müssen wir gemeinsam vorgehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Vielleicht können wir von dieser Stelle aus gemeinsam unser Bedauern zum Ausdruck bringen, daß für viele österreichische Unternehmen die Erfahrung, das Wissen und die Firmentreue der älteren Arbeitnehmer anscheinend weniger zählen als ein bißchen mehr Kosten und daher vordringlich die älteren Arbeitnehmer gekündigt werden. (Abg. Dr. Haider: Reden Sie sich nicht auf die älteren Arbeitnehmer aus! Was macht denn die Post? Was machen denn Sie im öffentlichen Dienst? Was tun Sie mit den Lehrern! Alte Lehrer weg!)

Daher hat die Bundesregierung vorgesehen, ein Programm insbesondere für ältere Arbeitnehmer zu erarbeiten, wonach zum Beispiel die Gleitpension mit dem Recht auf Teilzeit verwirklicht werden kann, ein Solidaritätsmodell, nach dem mit Zuschuß des Arbeitsmarktservice ältere Arbeitnehmer kürzer arbeiten und dafür ein junger zusätzlich aufgenommen wird. Das wird es möglich machen, etwa die Modelle der deutschen Metallindustrie in Österreich anzuwenden.

Das alles sind Maßnahmen, die nicht nur auf den Arbeitnehmer abzielen; da gibt es schon Abschlagsmodelle und so weiter. Wir müssen uns auch dafür einsetzen, daß die Arbeitgeber den älteren Arbeitnehmern überhaupt die Chance bieten, mit diesen Modellen tatsächlich in Beschäftigung zu bleiben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich hoffe, Sie stimmen mit der Tatsache überein (Abg. Dr. Haider: Nein, ganz und gar nicht!) , daß die Jugendarbeitslosigkeit gesunken ist. (Abg. Dr. Haider: Sie sind der Unternehmer des öffentlichen Dienstes und machen das bei den Lehrern genauso, was Sie jetzt hier den Unternehmern vorwerfen!) Es gehört schon menschliche Größe dazu, Tatsachen zuzugeben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Warum geben Sie nicht zu, daß Sie ein asozialer Unternehmer sind?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun zu den besonderen Bemühungen der Bundesregierung für die Gruppe der Fünfzehnjährigen. Wir sind uns alle bewußt, daß es für eine Gesellschaft eine Katastrophe wäre, wenn sie bereits Fünfzehnjährigen das Signal gibt, daß sie nicht gebraucht werden. Daher hat sich die Bundesregierung vorgenommen, im Rahmen mehrerer Programme dafür zu sorgen, daß für jeden ausbildungswilligen Fünfzehnjährigen und jede ausbildungswillige Fünfzehnjährige ein Ausbildungsplatz zur Verfügung steht. Das ist der gemeinsame Beschluß der Bundesregierung von Rust! (Abg. Dr. Haider: Die Ruster Beschlüsse haben ein bißchen ein schlechtes Image!)

Ich glaube, daß wir das unserer Jugend und unserer Gesellschaft schuldig sind. Wir haben bereits im ersten Halbjahr dieses Jahres entsprechende Maßnahmen getroffen, zum Beispiel die Berufsreifeprüfung für die Durchlässigkeit in der Berufsausbildung, eine vereinfachte Ausbildnerprüfung oder etwa einen Interessenausgleich innerhalb der Wirtschaft, infolgedessen die Krankenversicherungsbeiträge für Lehrlinge durch Beiträge der anderen Unternehmen völlig ersetzt werden.

Darüber hinaus hat sich die Bundesregierung in Rust ein konkretes 10-Punkte-Programm vorgenommen, um gemeinsam mit den Sozialpartnern zu verhindern, daß die Fünfzehnjährigen ohne Ausbildungsstelle dastehen. Das ist ein nationales Anliegen! – Dieses Programm wirkt bereits. Zum ersten Mal seit 19 Jahren, ich wiederhole es, gibt es mehr Lehrverträge in der Wirtschaft! Und da gilt es auch einmal, den Sozialpartnern Dank für diese gemeinsamen Anstrengungen auszusprechen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte aus dem Ruster Programm der Bundesregierung nur ein paar Punkte zitieren: 5 600 zusätzliche Ausbildungsplätze im weiterführenden Schulsystem, eine Initiative zur Schaffung von


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Ausbildungsplätzen für Jugendliche bei Bund, Ländern und Gemeinden. – Ich darf hinzufügen, daß der Bund die Anzahl seiner Lehrlinge im heurigen Jahr verdoppeln wird; dies ist in den genannten Zahlen noch nicht berücksichtigt. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Abg. Schwarzenberger.  – Abg. Haigermoser: Wann fangen Sie an?) Ich darf zu Ihrer Information sagen, daß Frau Kollegin Gehrer sichergestellt hat, daß ein Berufsschuleintritt bis Ende November möglich ist. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leikam: Da schaust, Haigermoser! – Abg. Dr. Haider: Ihr seid aber ziemlich langsam! Ihr wißt es seit zwei Jahren!)

Ein weiterer Punkt in diesem Programm ist eine neue Regelung, nach der bei öffentlichen Ausschreibungen Unternehmen bevorzugt werden, die mehr für die Lehrlingsausbildung tun. Denn wir bekennen uns zur dualen Ausbildung, alle tun wir das, und deshalb müssen wir auch Lehrstellen anbieten können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich bin manchmal ein bißchen entsetzt (Abg. Dr. Partik-Pablé: Über Ihre Politik! – Abg. Haigermoser: Wir auch!) , wenn ich den Eindruck habe, jemand lehnt sich zurück und sagt etwas zynisch: Jetzt schauen wir zu, ob sie das schaffen! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das stimmt ja gar nicht! Abgeordneter Haider hat Ihnen ja einen Vorschlag gemacht!) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sollte für uns, auch für die Oppositionsparteien, ein gemeinsames nationales Anliegen sein, dafür zu sorgen, daß jeder Fünfzehnjährige einen Ausbildungsplatz hat. Ich lade Sie ein, dabei mitzuwirken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Gehen Sie doch auf unsere Vorschläge ein! Warum ignorieren Sie denn unsere Vorschläge? – Abg. Koppler: Warum seid ihr so nervös? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir sind überhaupt nicht nervös!)

Im übrigen darf ich auch diesbezüglich Tatsachen klarstellen, nämlich daß zum Beispiel Ende September dieses ... (Abg. Ing. Reichhold: Warum ignorieren Sie unsere Vorschläge? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Ich weiß nicht, warum Sie sich so aufregen. Sie wollen anscheinend wieder einmal irgendwo vorkommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir machen uns Sorgen über die Arbeitslosigkeit!)

Im übrigen möchte ich im Zusammenhang mit den Lehrstellen folgende Tatsachen festhalten: Tatsache ist, daß es Ende September einen Saldo von etwa 5 000 gegeben hat: 9 032 Lehrstellensuchende und 3 900 ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: 5 000 sind eh genug! – Abg. Dr. Haider: Laut Sozialministerium 12 000!) Bitte nur ein bißchen zuhören: 9 032 Lehrstellensuchende stehen 3 900 offenen Lehrstellen gegenüber; das ergibt einen Saldo von etwa 5 000. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist auch genug!) Und dieses Problem werden wir gemeinsam lösen, wenn Sie mithelfen und wir uns gemeinsam anstrengen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Lehrlingsfrage war Punkt 5 unseres bereits im Februar vorgestellten Programmes: Ausbildung, Ausbildung, Ausbildung! Ich darf noch kurz auf die anderen acht Punkte eingehen.

1. Punkt: Europäische Beschäftigung verwirklichen. – Was hat die Bundesregierung damals gesagt? Wir wollen ein Beschäftigungskapitel im Amsterdamer Vertrag. – Was ist passiert? Wir haben ein Beschäftigungskapitel im Amsterdamer Vertrag! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ihre Verhöhnungen habe ich damals gehört! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Dafür habt ihr das Leonardo-Programm gekürzt!)

Meine Damen und Herren! Wir werden nicht nur ein Beschäftigungskapitel im Amsterdamer Vertrag haben, sondern werden auch einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs in Luxemburg im November dieses Jahres abhalten – nur zum Thema Beschäftigung! Dabei werden Punkte besprochen, die die österreichische Bundesregierung vorgeschlagen hat, quantifizierte Ziele zur Senkung der Arbeitslosigkeit, zum Beispiel das neue Kommissionspapier und vieles mehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Die Suppe ist zu dünn!)

Erlauben Sie mir nur eine Bemerkung. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was sollen wir Ihnen noch erlauben?) Ihre Wirtschaftspolitik ist nicht wirklich neu und schon oft von Fachleuten kommentiert worden (Abg. Dr. Haider: Beschimpfen Sie Ihre ÖVP-Freunde jetzt auch?) , aber eine Erklärung


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hätte ich, nachdem sich nun, Gott sei Dank, auch die Freiheitlichen zum Euro bekennen, wirklich gerne: Warum sollen wir zuwarten, bis Großbritannien beitritt? Es soll mir einer erklären, warum der Beitritt Großbritanniens eine Bedingung für unseren Beitritt zur Währungsunion sein soll. (Abg. Dr. Haider: Wie kommen Sie jetzt von den Arbeitslosen zum Euro?) Eine Erklärung dafür wird wohl dem lustigsten Kerl nicht gelingen, denn die Wirtschaft braucht keinen Zickzackkurs, sondern Klarheit und Berechenbarkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben seit Jahrzehnten eine enge Bindung an die D-Mark signalisiert und haben unseren Freunden, unseren Investoren gesagt, daß wir die enge Bindung an die D-Mark aufrechterhalten werden. Und wenn die D-Mark in die Währungsunion geht, dann muß auch Österreich dabeisein – aber nicht wegen des Pfundes! Was soll das, bitte? (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Wo sitzen denn Ihre Freunde? Bei der OMV und bei Siemens?)

2. Punkt: Infrastruktur ausbauen. – Die Bundesregierung bekennt sich voll dazu. Ich erwähne noch, daß vor kurzem zum Beispiel eine Aufstockung in der Höhe von 26 Milliarden Schilling für das Schieneninfrastrukturgesetz beschlossen wurde.

3. Punkt: Innovation vorantreiben. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Umsetzung der Technologieoffensive, die eine wirkliche Reform darstellt und "Ministerienzäune" durchbricht, wird bis Ende dieses Jahres – ich bitte Sie darum – im Nationalrat beschlossen werden. Die Arbeitsgruppe der Kollegen Farnleitner und Einem hat in der Zwischenzeit alle Vorkehrungen dafür getroffen.

4. Punkt: einfacher wirtschaften. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben die Novelle der Gewerbeordnung umgesetzt. Sie haben ein neues Anlagenrecht geschaffen. (Abg. Dr. Khol: Sehr gut!) Sie haben dazu neue Finanzierungsinstrumente für Klein- und Mittelbetriebe geschaffen. (Abg. Haigermoser: Jetzt kommt er mit der Gewerbeordnung, mit diesem Flop! Das ist ja peinlich!) Das alles haben Sie getan, und dafür gebührt Ihnen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

6. Punkt: Aktive Arbeitsmarktpolitik forcieren! – Dem Sozialministerium steht im Jahr 1997 die Rekordsumme von 7,5 Milliarden Schilling für eine aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung! (Abg. Dr. Khol: Da haben die Freiheitlichen dagegen gestimmt! – Abg. Haigermoser: Andreas, das ist nicht dein Tag!)

7. Punkt: Exporte stärken. Sie sagen, die Exportoffensive funktioniert nicht! – Im ersten Halbjahr 1997 gab es eine um 7 Prozent höhere Exportquote, auch wenn Sie das ignorieren! (Abg. Dr. Haider: Der Pfund und der Dollar spielen da mit!) Gentlemen agree on facts, haben wir gesagt, ja? Berücksichtigen wir die Tatsachen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

8. Punkt: Entscheidungszentren in Österreich behalten. – Wir haben uns sehr darum bemüht, und es ist uns gelungen, die Entscheidungskompetenz zum Beispiel über die Salinen, über Flender/Spielberg oder die Firma Ergee in Österreich zu behalten! All das haben wir getan, weil wir wissen, daß das wichtig ist. Zwar sind wir sehr froh darüber, daß viele ausländische Unternehmen bei uns investieren und auch gut qualifizierte Arbeitsplätze neu schaffen, wir wissen aber auch, daß es wichtig ist, daß wir in Kernbereichen auch österreichische Entscheidungszentren erhalten, und dafür setzt sich die Bundesregierung – wie man sieht, erfolgreich – ein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nun in der entsprechenden Genauigkeit auf Ihre Fragen – es sind 26 an der Zahl – eingehen.

Zur Frage 1:

Ich habe bereits angedeutet, daß die Zahl der Lehrstellensuchenden gegenüber dem Vorjahr aufgrund demographischer Entwicklungen gestiegen ist. Im nächsten Jahr werden es wieder um


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etwa 2 000 Jugendliche weniger sein. Auch ist die Attraktivität der Lehrausbildung durch die Berufsreifeprüfung und ähnliches mehr entsprechend gesteigert worden.

Zu den Fragen 2 und 3:

Wie bereits erwähnt, gibt es dazu ein Maßnahmenpaket der Bundesregierung: Der Jugend eine Chance!, eine Ausbildungsinitiative der Bundesregierung, die dazu geführt hat, daß es derzeit nur mehr einen Saldo von etwa 5 000 Lehrstellensuchenden gibt, wobei ... (Abg. Böhacker: "Nur mehr"!) Ja, aber keine 10 000 oder 12 000, wie Sie behaupten! Mir sind 5 000 auch noch viel zuviel! Wir werden gemeinsam dafür kämpfen, daß der Saldo null ist. Und wir werden das auch erreichen, aber durch Maßnahmen, nicht durch Reden und durch Fliegen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Diesbezüglich ist sowohl dem AMS, das wirklich deutlich mehr Lehrstellensuchende vermittelt hat, als auch der Wirtschaft, die mehr Lehrstellen anbietet, zu danken.

Zur Frage 4:

Die Ausbildungsinitiative der Bundesregierung ist ein Förderschwerpunkt des AMS, und dafür werden 1,4 Milliarden Schilling zur Verfügung gestellt. Die Bestimmungen des Kinder- und Jugendschutzprogrammes wurden nicht aufgeweicht, sondern angepaßt. Für uns ist es wichtig, daß wir die Schutzmechanismen für die Jugendlichen bewahren und nicht gänzlich einem Neoliberalismus opfern. Eine entsprechende Anpassung an die Erfordernisse erfolgt in guter sozialpartnerschaftlicher Diskussion, etwa eine Erleichterung der Ausbildungsprüfung, Verfahrensvereinfachung zur Lehrlingshöchstzahl, Implementierung zukunftsorientierter Lehrberufe und ähnliches mehr.

Zur Frage 5:

Es stimmt einfach nicht, daß die OECD das duale Ausbildungssystem als schlecht darstellt. (Abg. Haigermoser: Wo steht das?) Die OECD stellt das duale Ausbildungssystem als vorbildlich hin. (Abg. Haigermoser: Wo steht das Wort "dual" in unserer Frage?) Von seiten der Bundesregierung wurden auch Maßnahmen gesetzt, die den Empfehlungen der OECD entsprechen, wie zum Beispiel die Erhöhung der Durchlässigkeit, die Einrichtung breiter angelegter Ausbildungen, die nicht in Richtung enger Spartenberufe, sondern mehr in Richtung Flächenberufe gehen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Böhacker und Haigermoser. ) Weiters haben wir die Rahmenbedingungen für den Zugang zur Lehrausbildung für Betriebe, auch in den neuen Ausbildungsberufen, verbessert und eine finanzielle Entlastung der Lehrbetriebe herbeigeführt. Außerdem wird das Sonderprogramm des AMS weitergeführt.

Zur Frage 6:

Sie wissen, daß durch den Entfall der Krankenversicherungsbeiträge in den ersten drei Lehrjahren die ausbildenden Betriebe bereits entlastet wurden. Der Entfall der Kommunalsteuer obliegt, wie Ihnen ja bekannt ist, den Gemeinden. Mir wurde mitgeteilt – ich bitte um Korrektur –, daß Herr Abgeordneter Haupt gestern im Sozialausschuß berichtet hat, daß seine diesbezüglichen Erfahrungen nicht im Sinne des Anliegens sind, da die Betriebe auf die Entlastung von der Kommunalsteuer kaum ansprechen. – Aber ich lerne gerne dazu! (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Zur Frage 7:

Die Schulverwaltung bietet heuer um 5 600 Plätze mehr im weiterführenden Schulsystem an. Das Maßnahmenpaket des AMS beinhaltet überbetriebliche Ausbildung, zum Beispiel Triathlon, Jobstart, Lehrlingsstiftungen und ähnliches mehr. Die Schulplätze werden bei den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen mit Schwerpunkt angeboten.

Zur Frage 8:

Der öffentlichen Hand kommt – wie ich bereits in der Einleitung gesagt habe – bei der Ausbildungsoffensive natürlich auch Verantwortung zu – nicht in dem Sinne, daß man diejenigen, die


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ihre Lehre abgeschlossen haben, verpflichtend behält, sondern daß der Jugend die Chance auf eine Ausbildung gegeben wird. Daher wird der Bund die Lehrstellenanzahl verdoppeln, auch zahlreiche Gemeinden und Bundesländer haben das schon getan. Wir werden den derzeitigen Stand veröffentlichen, um jenen Gemeinden und Ländern, die es noch nicht getan haben, einen Ansporn zu geben, diesbezüglich auch etwas zu tun.

Das AMS plant ein Ausbildungsmodell, in dem Lehrlinge im Rahmen einer trialen Ausbildung – also Berufsschule, Lehrwerkstätte und Betrieb – den Praxisteil bei der öffentlichen Hand absolvieren können.

Zur Frage 9:

Ihre Interpretation der Statistik stimmt einfach nicht! Die vorliegenden EUROSTAT-Statistiken beweisen genau das Gegenteil, nämlich daß die Länder mit den niedrigsten Staatsquoten auch die höchsten Arbeitslosenraten haben. Zum Beispiel: Irland hat 34,7 Prozent Staatsquote und eine Arbeitslosenquote von 11,7 Prozent, Griechenland mit der nächstniedrigeren Staatsquote hat eine Arbeitslosenquote von 8,9 Prozent, Spanien hat eine Staatsquote von 40,9 Prozent und eine Arbeitslosenquote von 21,3 Prozent. Also die Schlußfolgerung, daß eine niedrige Staatsquote automatisch eine geringe Arbeitslosenrate bedeutet, ist einfach falsch!

Zu den Fragen 10 bis 14:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich teile die Auffassung von Kommissar Monti, daß wir in Europa zwei Maßnahmen im Bereich des Steuerrechtes brauchen. Erstens müssen wir eine schrittweise Harmonisierung der Steuersysteme angehen, was nicht Gleichmacherei bedeuten, sondern dafür sorgen soll, daß in Europa nicht ein Steuerwettbewerb mit einer Spirale nach unten eintritt, sodaß mobile Faktoren immer weniger besteuert werden und die Finanzierung des Staates immer mehr zu Lasten jener geht, die sich nicht wehren können, nämlich der Arbeitnehmer und der Konsumenten. Das heißt, wir brauchen eine Harmonisierung des Steuersystems mit Mindestsätzen in Europa, die es zum Beispiel im Bereich der Mehrwertsteuer, im Bereich der Mineralölsteuer bereits gibt. (Abg. Haigermoser: Wo ist die Mehrwertsteuer angeglichen? Wo? – Abg. Dr. Haider: 5 Prozent Unterschied zu Deutschland!)

Herr Kollege! Ich habe gerade gesagt, Harmonisierung heißt nicht Gleichmacherei, sondern Mindestsätze, und es gibt in der Europäischen Union Mindestsätze für die Mehrwertsteuer. Lesen Sie das nach! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Herr Bundeskanzler: Um wieviel sind unsere höher gegenüber Deutschland?) Bei der Mineralölsteuer gibt es beispielsweise Mindestsätze. (Abg. Dr. Haider: Um wieviel höher gegenüber Deutschland? – Abg. Mag. Stadler: Das weiß er nicht! – Abg. Dr. Haider: 5 Prozent Unterschied heißt Arbeitsplätze nach Bayern zu verlagern!)  

Zweitens: Wir sollten gemeinsam in Europa – und ich lege wirklich Wert auf das Wort "gemeinsam"– rasch Schritte unternehmen, die zu einem Steuersystem führen, das die Arbeitskosten entlastet und auf der anderen Seite den Ressourcenverbrauch stärker belastet. Auf diese Art und Weise müssen wir die Arbeitskosten in Österreich und in Europa entlasten! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich habe übrigens auch den Bundesminister für Finanzen beauftragt, im Rahmen der Steuerreformkommission, die eine Steuerreform in Österreich vorbereitet, die bis zum Jahr 2000 durchgeführt werden soll, in diese Richtung zu arbeiten.

Zur Frage 11:

Ich meine – auch wenn es Ihnen nicht gefällt –, es ist ein Erfolg für die gesamte österreichische Politik, für die österreichischen Sozialpartner, daß das Kapitel zur Beschäftigungspolitik im EU-Vertrag verankert wurde und daß es einen außerordentlichen Beschäftigungsgipfel im November geben wird, bei dem Österreich sehr konkrete beschäftigungspolitische Vorschläge einbringen wird. Als Beispiel sei das duale Ausbildungsmodell genannt, das als wirklich hervorragend in Europa anerkannt ist.


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Zur Frage 15:

Das Ausmaß der kalten Progression ist derzeit aufgrund der äußerst geringen Teuerungsrate und der sehr niedrigen Inflation gering. (Abg. Böhacker: Derzeit!) Die Bundesregierung hat aber den Bundesminister für Finanzen beauftragt, im Zuge der für das Jahr 2000 geplanten Steuerreform auch eine Absenkung des Steuertarifes für Arbeitnehmer vorzubereiten. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Zu den Fragen 12 und 13:

Ich brauche, so glaube ich, diese Frage zur Währungsunion nicht mehr zu beantworten. (Abg. Haigermoser: Warum? Alles ist zu beantworten, penibel!) Wenn Sie nur ein Fünkchen Wirtschaftswissen haben (Abg. Haigermoser: Haben wir nicht! Wir haben keine Ahnung!) , dann wissen Sie, welche Nachteile beispielsweise die Währungsturbulenzen in den neunziger Jahren den Hartwährungsländern gebracht haben. (Abg. Haigermoser: Der Herr Tietmeyer hat keine Ahnung! Der Herr Schröder hat keine Ahnung! Der Herr Biedenkopf hat keine Ahnung! Nur Sie haben eine Ahnung!) Wir wissen, daß alleine Österreich 1,1 Prozent Wirtschaftswachstum dadurch verloren hat, was nichts anderes heißt, als daß etwa 20 000 Arbeitsplätze aufgrund der Währungsturbulenzen verlorengegangen sind. – Eine gemeinsame europäische Währung wird das ermöglichen, was Europa braucht: viel Kraft in einer großen Währung im Wettbewerb mit Dollar und Yen zur Unterstützung der Wirtschaft und der Arbeitsplätze in Europa! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zur Frage 16, zur Frage der nichtentnommenen Gewinne:

Sie wissen aber schon, daß diese Regelung im Jahre 1989 abgeschafft wurde, und zwar aus gutem Grund? (Abg. Dr. Haider: Haben wir noch nie gehabt! Sie verstehen das nicht!)  – Ist doch nicht wahr! Das ist 1989 in Österreich abgeschafft worden! Wer sagt, das haben wir nie gehabt? Also bitte! (Abg. Dr. Haider: Herr Bundeskanzler! Sie verstehen es nur nicht! Das wird Ihnen jeder Steuerberater erklären! Sie verstehen es überhaupt nicht! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Eine Steuerfreistellung nichtentnommener Gewinne hat sich einfach nicht bewährt. Ich kann Ihnen auch sagen, warum: Erstens hat es stichtagsorientierte Darstellungen gegeben, und zweitens ist es kontraproduktiv gegenüber dem, was wir wollen. (Abg. Dr. Haider: Sie verstehen es nicht!) Wir wollen die Stärkung der Unternehmen durch Aktienkapital, wir wollen den Kapitalmarkt beleben, und daher haben wir eine Klein- und Mittelbetriebsbörse eingeführt. Das ist eine Reform, die für die Klein- und Mittelbetriebe Sinn macht, aber sicherlich nicht eine einseitige spekulative Bevorzugung! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Böhacker: Herr Bundeskanzler! Sie haben keine Ahnung! – Abg. Dr. Haider: Auf die Schulbank, Herr Bundeskanzler! – Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Khol: Bei Unkenntnis erwischt!) Ich weiß nicht, warum Sie so aufgeregt sind. Es muß am Hubschrauber liegen.

Zur Frage 17:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben Herrn Professor Schmidt, den Technologiebeauftragten der Bundesregierung, zitiert. Genau jener Technologiebeauftragte sagte – das ist in einer rosa Tageszeitung vom 23. September nachzulesen –, daß nur dann, wenn die zusätzlichen Mittel zur Technologiemilliarde ausschließlich als Ausgleich für Kürzungen verwendet würden – was nicht der Fall ist! –, der Vorwurf der Roßtäuscherei, wie Sie gesagt haben, angebracht wäre. (Abg. Dr. Haider: Habe ich nicht gesagt! Der Herr Schmidt hat das gesagt!)  – Ich habe Ihnen gerade das Originalzitat vorgelesen!

Wir haben in der Bundesregierung nicht nur ein aus meiner Sicht für Österreich ziemlich revolutionäres Technologiekonzept, das die Grenzen der einzelnen Ministerien überwindet und niederbricht, erstellt: Zusätzlich werden drei Jahre hindurch 3 Milliarden Schilling – also jährlich 1 Milliarde Schilling – an Technologieunterstützung zur Verfügung stehen, weil Technologie auch für Klein- und Mittelbetriebe wichtig ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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Zu den Fragen 18 bis 24:

Ich darf klar und deutlich darauf hinweisen, daß in der Studie von Professor Rürup festgehalten ist, daß Österreich eines der besten Pensionssysteme der Welt hat und daß das Umlageverfahren eines der besten Verfahren dafür ist. Daher gibt es nicht die Absicht der Bundesregierung, an diesem Umlageverfahren zu rütteln, weil es dem Generationenvertrag entspricht und die beste Sicherheit für die Pensionen darstellt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind ein Ahnungsloser!)

Es sind natürlich Maßnahmen notwendig, um eine schrittweise Harmonisierung und nachhaltige Sicherung dieses Pensionssystems durchzuführen. Die Bundesregierung hat dazu einen Entwurf vorgelegt, und wir werden mit den Sozialpartnern eine gemeinsame Lösung finden. Davon bin ich überzeugt! Es sind alle zur Teilnahme eingeladen, und wir werden eine gemeinsame Lösung mit den Sozialpartnern finden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Für das Protokoll: Mäßiger Applaus!)

Hinsichtlich der Frage der Berücksichtigung der längeren Lebenserwartung wird die Bundesregierung diesbezügliche Vorschläge im Beirat für Renten- und Pensionsanpassung prüfen lassen. Es ist vereinbart und entschieden, daß es eine Aufgabe des Beirates sein wird, die Pensionsvalorisierungsformel unter Berücksichtigung der Demographie neu zu erarbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Frage der Frühpensionierungswelle betrifft, so ist es schon bemerkenswert, daß in den ersten acht Monaten des Jahres 1997 die Pensionsneuzuerkennungen bei der vorzeitigen Alterspension gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent zurückgegangen sind. Die Zahl der Anträge auf vorzeitige Alterspension ist in den ersten acht Monaten des Jahres 1997 sogar um 28 Prozent zurückgegangen. Das ist im übrigen auch darauf zurückzuführen, daß wir gemeinsam eine Reihe von Maßnahmen gesetzt haben, die wir noch ausbauen wollen, nämlich Gleitpension mit Teilzeitrecht plus Solidaritätsmodell und vieles mehr. (Zwischenruf der Abg. Haller. )

Zur Frage 25:

Die österreichische Bundesregierung ist in sehr weiser Voraussicht, wie ich glaube, zur Auffassung gekommen, eine Steuerreform, die für das Jahr 2000 vorliegen soll, sorgfältig vorzubereiten. Und im übrigen darf ich Sie daran erinnern, daß bereits die erste Etappe der Steuerreform ein Pensionskassensystem entsprechend unterstützt und attraktive steuerliche Rahmenbedingungen geschaffen hat.

Zur Frage 26:

Sie wissen, daß im Bereich der Lebensversicherungen natürlich auch Elemente der Kapitalveranlagung enthalten sind. Das heißt, es muß ein Äquivalent für die sonst übliche Kapitalertragssteuer gefunden werden, die jetzt 25 Prozent beträgt. Daher ist die Anhebung der Versicherungssteuer auf 4 Prozent nicht nur gerechtfertigt, sondern die Kapitalrendite ist im Vergleich zu anderen Kapitalanlagen, die der 25prozentigen Kapitalertragssteuer unterliegen, sogar noch sehr attraktiv.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, alle 26 Fragen beantwortet zu haben, und möchte Sie nochmals daran erinnern, was ich bereits bei meiner letzten Rede im Parlament gesagt habe: Wir werden die Frage der Beschäftigungspolitik, die Frage der Jugendausbildung nur dann gemeinsam für unser Land lösen, wenn wir alle an einem Strang ziehen! – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Mag. Stadler: Verzetnitsch, warum sagen Sie nichts? – Abg. Dr. Haider: Nürnberger soll reden!) Es liegen mir sechs Verlangen nach tatsächlichen Berichtigungen vor, und zwar von drei verschiedenen Fraktionen, sowohl von Regierungs- als auch von Oppositionsseite.


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Einerseits sind nach § 58 Abs. 1 der Geschäftsordnung tatsächliche Berichtigungen nur im Laufe einer Debatte zulässig, und wir sind jetzt noch nicht in die Debatte eingegangen, andererseits aber liegt mir ein Präsidialprotokoll aus einer früheren Gesetzgebungsperiode vor, wo es in einer ähnlichen Situation heißt:

"Nach einem Meinungsaustausch besteht Einvernehmen, daß bei einer Dringlichen Anfrage sowohl die Begründung derselben als auch die Stellungnahme beziehungsweise mündliche Antwort des befragten Regierungsmitgliedes nicht zur Debatte über den Gegenstand gehören. Da sich ein Abgeordneter erst im Laufe der Debatte zur tatsächlichen Berichtigung zu Wort melden kann, ist in diesem Fall der früheste Zeitpunkt für eine solche Wortmeldung die Feststellung des Präsidenten: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein."

Ich wähle also folgende Vorgangsweise: Ich werde diese sechs Wortmeldungen zur tatsächlichen Berichtigung ohne Präjudiz als am Beginn der Debatte eingebracht betrachten und diese und alle anderen allenfalls noch kommenden tatsächlichen Berichtigungen am Ende der Debatte aufrufen. Ich möchte noch in der Präsidialkonferenz darüber sprechen, wie wir das dann endgültig und einheitlich handhaben werden.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß die Redezeiten 10 Minuten betragen.

Erster Redner ist Abgeordneter Haigermoser. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten.

15.57

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Einige Repliken auf das vorhin Gesagte. – Herr Mag. Viktor Klima, zum EU-Beitritt: Sie haben uns, den Bürgern dieses Landes, vor dem Beitritt eine Steuerharmonisierung als zwingend notwendig versprochen. Bis dato haben Sie die Mehrwertsteueranpassungen nicht durchgeführt! Das ist Faktum eins, Herr Bundeskanzler! Sie sind also keinen einzigen Schritt weitergekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jedes Land in der Europäischen Union kocht nach wie vor seine eigene Suppe. Nichts ist von Koordination, von Gleichklang oder von Steuerharmonisierung zu bemerken – und Sie beschwören pausenlos totes Recht!

Herr Mag. Viktor Klima! Sie sind uns heute einiges schuldig geblieben – ich verweise auf die Senkung der Körperschaftssteuer auf die nicht ausgeschütteten Gewinne. Im 4. Jahresbericht des Europäischen Beobachtungsnetzes für klein- und mittelständische Unternehmen wird darauf verwiesen, daß eine derartige Senkung höchst notwendig wäre, um Arbeitsplätze zu sichern – und Sie leugnen heute hier von der Regierungsbank aus deren Notwendigkeit! Sie müssen sich schon überlegen, was Sie sagen, und können nicht pausenlos die Unwahrheit behaupten, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nicht nur meine schlimmsten Ahnungen wurden bestätigt. Sie sind ja ganz sympathisch, Herr Bundeskanzler, aber was Sie heute "zum schlechten" gegeben haben, das schlägt dem Faß den Boden aus. Die Öffentlichkeit erwartet Antworten und keine Ausreden, wie sie heute von Ihnen getätigt wurden!

Meine Damen und Herren! Eine kurze Replik zu Koppler: Lohnnebenkosten sind nicht der 13. und 14. Gehalt, sondern sind unter anderem – wie schon erwähnt – die Kammerumlage 1, die Kammerumlage 2, der Arbeiterkammerbeitrag et cetera. Das sind die Lohnnebenkosten, die uns von anderen europäischen Ländern unterscheiden, und daher gehören sie abgeschafft oder gesenkt, meine Damen und Herren!

Herr Maderthaner! Sie könnten zum Beispiel die Einverleibungsgebühr ersatzlos streichen. Das wäre ein Beitrag (Beifall bei den Freiheitlichen), um jungen Leuten den Schritt zum Selbständigwerden zu ermöglichen!


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Ihr habt ja nichts dazugelernt, ihr seid ja mit Postenschacher beschäftigt. Von der Steiermark über Salzburg bis Oberösterreich, wo Herr Kukacka seine Fragebögen durch die Welt schickt und wahrscheinlich schon ausheckt, wie er die hochnotpeinliche Befragung wieder einführen kann. Aber da werden wir nicht mitmachen, und zwar deswegen nicht, weil die Fakten auf dem Tisch liegen, meine Damen und Herren!

Herr Mag. Viktor Klima! Sie haben heute eine APA-Meldung zitiert, und Sie können sich nicht darüber hinwegschwindeln, daß die Arbeitslosigkeit in Österreich im September sowohl gegenüber dem Vorjahr als auch gegenüber August dieses Jahres eklatant gestiegen ist. (Bundeskanzler Mag. Klima: Um 5 000, habe ich gesagt!)

Herr Bundeskanzler! Daher ist es notwendig – und Sie haben gesagt: zuhören, aufeinander zugehen –, einen freiheitlichen Entschließungsantrag einzubringen, der verschiedene Maßnahmen beinhaltet, die allenthalben, insbesondere von den schwarzen Kämmerern, stets gefordert werden.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Helmut Haigermoser, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Reinhart Gaugg, Mag. Herbert Haupt und Kollegen betreffend "Arbeit braucht das Land"

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend alle notwendigen Schritte zu setzen, um die folgenden oben näher beschriebenen kurz- beziehungsweise mittelfristig zu verwirklichenden Maßnahmen umzusetzen:

1. Senkung der Abgabenlast und steuerlicher Privilegienabbau,

2. Senkung der Lohnnebenkosten,

3. Beseitigung der kalten Progression,

4. steuerliche Entlastung nichtentnommener Gewinne,

5. Zurückdrängung der Schattenwirtschaft,

6. Anhebung der F&E-Quote,

7. Erleichterung von Unternehmensgründungen,

8. Attraktivierung der Lehre,

9. Arbeitnehmerschutz mit Augenmaß,

10. Neuorientierung der öffentlichen Investitionstätigkeit,

11. Sicherung der Pensionen,

12. Dienstleistungsscheck,

13. Vermeidung des Sozialmißbrauches,

14. Senkung der Ausländerbeschäftigung.

*****


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Herr Bundeskanzler! Das sind unter anderem unsere Vorschläge, da Sie diese eingemahnt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Verschließen Sie bitte im Interesse des Wirtschaftsstandortes Österreich nicht die Augen vor den Problemen, die im Lande draußen vorherrschen! Vielleicht sind Sie deswegen nicht in Oberösterreich oder sonstwo im Wahlkampf unterwegs, weil Sie die Augen zumachen, Herr Bundeskanzler (Abg. Mag. Stadler: Nein, er ißt ja gerade, er jausnet ja gerade!) , weil Sie nicht sehen wollen, was wirklich passiert, sonst müßte es Ihnen ja klar sein, daß zum Beispiel im Bezirk Pinzgau innerhalb eines Jahres die Arbeitslosigkeit um 30 Prozent gestiegen ist. (Abg. Schwemlein: Und was hast du gemacht? Welchen Beitrag hast du geleistet?) Es müßte Ihnen klar sein, daß Solvay zugesperrt hat, daß Benckiser schließt, 3 Pagen kündigt. (Abg. Schwemlein: Welchen Beitrag hast du geleistet? – Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Der Mittelstand bricht weg, Herr Bundeskanzler. Ich brauche keinen anderen Zeugen als zum Beispiel den Kommentar in den "Salzburger Nachrichten": "Betriebe gehen, Ohnmacht bleibt". Darin wird festgehalten: "Bleibt also wirklich gar nichts zu tun?", wie Sie heute behauptet haben. "Die Politik kann natürlich keine Wunder wirken, dennoch kann sie sich bei der Betriebsansiedlung nicht aus ihrer wirtschaftspolitischen Verantwortung wegstehlen."

Herr Bundeskanzler! Stehlen Sie sich nicht aus der wirtschaftspolitischen Verantwortung weg! Das ist festzuhalten. Sie haben Monti heute geleugnet, Herr Bundeskanzler, Sie haben das so nonchalant weggeschoben vom Tisch und gesagt: Na ja gut, da hat halt irgend jemand etwas festgeschrieben. (Abg. Schwemlein: "Nonchalance" heißt das! Das ist Französisch und heißt "Nonchalance"!) Meine Damen und Herren, das sind auch die EU-Konzepte.

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie davon sprechen, daß der Faktor Arbeit nicht so hoch besteuert werden sollte, wie es in Österreich der Fall ist, warum sind Sie dann jeden Tag unterwegs, um diesen Faktor Arbeit noch höher zu besteuern? Warum tun Sie das dann? Sie sind ja Finanzminister gewesen. Wir haben Sie nicht daran gehindert, tätig zu werden. Ofner hat das ja in einem Zwischenruf festgestellt: Es ist furchtbar, in der Opposition zu sein, aber wenn wir einmal regieren, wie auch immer, dann wird alles ganz anders. Aber Sie sind ja in der Regierung! Wir halten Sie nicht auf, Herr Bundeskanzler, endlich tätig zu werden.

Apropos Lehrlinge. Sie haben gesagt, die Opposition lehnt sich zurück und schaut sich das an. Nein, ich mache Ihnen ein Angebot. Wir sind nämlich fündig geworden. (Abg. Schwemlein: Wo? In welches Datennetz hast du dich da eingeklinkt?)

Ich habe die Berechtigung, Herr Bundeskanzler, heute folgendes Angebot zur Lehrlingsausbildung zu machen: Die Firma Intersport Austria AG ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.  – Abg. Schwemlein: Das weiß ich viel besser als Sie!) Du Privilegienritter! Setz dich nieder und gib einmal Ruhe! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Firma Intersport Austria AG mit Sitz in Oberösterreich würde zusätzlich zu den 350 derzeit in Ausbildung befindlichen Lehrlingen weitere 30 Lehrlinge aufnehmen (Bundeskanzler Mag. Klima: Bravo!) , wenn sie eine gleich hohe Lehrlingsförderung, gleiche Möglichkeiten haben würde wie die öffentliche Hand bezüglich Arbeitnehmerschutzgesetz et cetera, also Chancengleichheit.

Herr Bundeskanzler! Top, die Wette gilt! Sie werden diese Chancengleichheit nicht herstellen. Das sage ich deswegen, weil Sie bis dato jeden Beweis dafür schuldig geblieben sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich nenne nur das Arbeitnehmerschutzgesetz. Wir fordern gleiches Recht für den öffentlichen Dienst und für Private!

Diese Firma hat mich berechtigt, das heute zu sagen: Sie würde 30 zusätzliche Lehrlinge aufnehmen. (Abg. Dr. Nowotny: Nur zu! Wer hindert sie daran?) Na, wir schauen uns das an. Uns soll es recht sein, Herr Bundeskanzler, wenn in den zahlreichen Ausschüssen in diesem Parlament Ihre Koalition nach diesen Forderungen handelt. Sie, nämlich die sozialistische Reichshälfte, haben es ja zusammengebracht, eine für Mittwoch bereits angesagte Ausschußsitzung zur Lehrlingsproblematik ersatzlos abzusagen. Sie haben keine Zeit, hat es geheißen. Sie haben


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keine Zeit für die Lehrlinge, Herr Bundeskanzler! (Abg. Hagenhofer: Der Ausschuß hat getagt!) Für Mittwoch ist bereits eine entsprechende Ausschußsitzung terminiert gewesen, aber die Sozialdemokraten haben für die Lehrlinge keine Zeit, sie müssen irgendwo herumreisen! Das sind die Fakten, Herr Bundeskanzler, die wir Ihnen jeden Tag vorhalten werden. (Abg. Hagenhofer: Der Ausschuß hat ja getagt! Das trauen Sie sich noch zu sagen! Fragen Sie Ihre Fraktion! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben beschworen, die Freiheitlichen hätten keine Wirtschaftskompetenz. (Abg. Dr. Keppelmüller: Der Hubschrauber ist schon weg!) Ich darf Ihnen eine Umfrage zitieren, Herr Bundeskanzler. (Abg. Dr. Keppelmüller: Der Haider ist schon weg!) Erstens einmal machen wir uns darüber Sorgen, daß heuer 85 Prozent der Österreicher meinen, daß die Arbeitsplätze im allgemeinen in Österreich unsicher sind (Abg. Dr. Keppelmüller: Den Jörg Haider interessiert das überhaupt nicht! Der beschäftigt Hubschrauberpiloten!) , während nur mehr 15 Prozent an die Sicherheit der Arbeitsplätze in Österreich glauben. 1996 war es noch 80 zu 20. Das sollte man nicht negieren, das hat ja irgendeinen Grund. (Abg. Dr. Keppelmüller: Der Haider schafft Arbeitsplätze im Hubschrauberbereich!)

Und jetzt geht es um die Kompetenz. (Zwischenbemerkung des Bundeskanzlers Mag. Klima. ) Herr Bundeskanzler! 8 Prozent glauben, daß die ÖVP wirtschaftliche Problemlösungskompetenz besitzt. Sie sind schon ganz gut, Sie haben 13 Prozent; besser als die ÖVP. Wissen Sie, wieviel die Freiheitliche Partei hat? – 18 Prozent! Wir alleine haben nahezu genausoviel wie Sie zusammen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Den Haider interessiert das alles nicht!)

Wissen Sie, wer das abgefragt hat? – Die Wirtschaftskammer Österreich hat das abgefragt. Sie sind einmal mehr ausgerutscht heute, Herr Bundeskanzler, bei Ihren nicht stattgefundenen Antworten. (Abg. Dr. Keppelmüller: Kollege Haigermoser! Wie viele Lehrlinge hast du heuer mehr?)

Das bedeutet also, Sie haben auch Ihr Wort gebrochen, Ihr Wort gegenüber den Bäckern, Konditoren, Fleischern und Molkereiarbeitern, als es geheißen hat – ich zitiere –: "Klima sagt Lebensmittelgewerbe vernünftige Lehrlingslösung zu." (Abg. Dr. Keppelmüller: Wie viele Lehrlinge hast du heuer mehr? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Passen Sie einmal auf! – Abg. Dr. Keppelmüller: Das interessiert mich! Jetzt sehen Sie, Frau Kollegin, wie das ist! Beim Kanzler haben Sie immer hineingeredet!) Kaum sind die Tage und Stunden ins Land gezogen (Abg. Dr. Keppelmüller: Wie viele Lehrlinge hat der Haigermoser?) , hat der Herr Klima nichts mehr davon gewußt. Nichts gesehen, nichts gehört, nichts geredet. – Geredet nur vorher. (Abg. Hagenhofer: Sie wissen nicht, was Sie reden!)

Und dieses Bürokratiemonster, das gestern natürlich nach dem Motto: Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach! beschlossen wurde, wird kein Lehrlingsproblem lösen und auch nicht das Wort einlösen, das Sie gegeben haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Keppelmüller: Er weiß nicht, was er redet, aber ich möchte gerne wissen, wie viele Lehrlinge der Haigermoser hat!)

Sie sind – zum Schluß kommend – schuld daran (Abg. Dr. Keppelmüller: Helmut, wie viele Lehrlinge hast du mehr?) , daß der Wirtschaftsstandort Österreich in Gefahr geraten ist. (Abg. Parnigoni: Falsch!) Sie haben keine Offensive, die Sozialpartner streiten (Abg. Parnigoni: Das ist auch falsch!) , Sie haben keine Lösungskompetenz.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, die Redezeit ist abgelaufen!

Abgeordneter Helmut Haigermoser (fortsetzend): Außer Versprechungen ist nichts gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen – Abg. Parnigoni: Auch das ist falsch!)

16.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. Er hat das Wort. Gleiche Redezeit.


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Außerdem gebe ich bekannt, daß der Entschließungsantrag der Abgeordneten Haigermoser, Dipl.-Ing. Prinzhorn, Gaugg, Mag. Haupt ordnungsgemäß eingebracht ist, unterfertigt ist und mit in Verhandlung steht.

Bitte, Herr Abgeordneter Nowotny.

16.08

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja nicht so, daß ich den Herrn Abgeordneten Haider vermisse (lebhafte Heiterkeit bei der SPÖ) , aber es ist schon interessant (Abg. Dr. Khol: Er ist schon wieder weg!) , daß er nicht einmal die Rede seines Erstredners abwartet und schon wieder verschwunden ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Haigermoser: Er wird doch noch aufs Klo gehen dürfen! – Abg. Dr. Keppelmüller: Weil er diesen Schwachsinn nicht aushält!) Beim Abgeordneten Haider handelt es sich offensichtlich um einen Phantomabgeordneten. (Zahlreiche lebhafte und lautstarke Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Aber wir, meine Herren, haben keine Sondersitzung beantragt, wir sind der Meinung, wir können das nächste Woche auch behandeln. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Ich habe gedacht, Sie hätten ein Interesse. Aber Sie selber müssen sich ja betrogen vorkommen, wenn Ihr Boß auf einmal nicht mehr da ist und Sie da hocken müssen. (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Anhaltende Zwischenrufe.) Der Herr Abgeordnete Haider ist ja nur mehr ein Phantomabgeordneter, aber offensichtlich ein Phantom des Parlaments, das wir, glaube ich, hier nicht sehr vermissen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf jeden Fall hat sich gezeigt, Abgeordneter Haider hat seinen Wahlkampf auf extrem kurze Zeit unterbrochen oder vielmehr gar nicht unterbrochen, sondern einfach hierher verlegt, und jetzt geht er wieder entsprechend weiter. (Abg. Dr. Keppelmüller: Haider desavouiert Haigermoser! – Abg. Ing. Reichhold: Der "Genosse" Khol applaudiert, weil von den Roten ja niemand mehr da ist!) Ich nehme an – und auch das wird wahrscheinlich zu Ihrem Unbehagen beitragen –, daß das Mieten eines Hubschraubers wahrscheinlich nicht sehr billig ist, und nach dieser Rede des Abgeordneten Haider kann ich nur sagen: Außer Spesen nichts gewesen! Ich glaube, die Miete hätten Sie sich ersparen können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Der Haider ist lieber im Bierzelt als hier! – Abg. Haigermoser: Was ist mehr als 13? – 18 ist mehr als 13!) Er läßt sich das etwas kosten, aber offensichtlich, haben Sie es ja! (Abg. Haigermoser: Was ist mehr – 18 oder 13? 18 ist mehr nach Adam Riese! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich weiß, ich weiß, das trifft bei Ihnen einen ganz sensiblen Punkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt doch probieren, in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht – wir haben uns das aufgeteilt unter den Rednern –, auf zwei Punkte einzugehen, bei denen ich hoffe, daß Sie zu einer sachlichen Diskussion bereit sind.

Erster Punkt: das Thema EU und Euro, das jetzt eine große Rolle gespielt hat, das auch im oberösterreichischen Wahlkampf eine große Rolle spielt (Abg. Haigermoser: Nowotny, was ist mehr als 13? 18 ist mehr!) und wo man natürlich eine ganze Menge von Dingen sachlich und auch differenziert und kritisch diskutieren kann. Absolut. Aber darum geht es Ihnen ja nicht. Was Sie hier machen, ist ein Zurück zur ganz alten, prinzipiellen Anti-EU-Linie.

Im oberösterreichischen Wahlkampf verfolgen Sie diese Linie in bemerkenswerter Weise. Da machen Sie einen massiven Anti-EU-Wahlkampf mit Zeitungsanzeigen, die eine ganze Seite umfassen. Ich lese Ihnen das vor. (Abg. Dr. Graf: Sie sollen keine Inserate vorlesen!) Gerade Sie selber werden an dem leiden, was ich Ihnen jetzt aus Ihrem eigenen Inserat vorlese. (Abg. Haigermoser: Wir wollen die Arbeitsplatzsituation mit Ihnen diskutieren, Herr Professor!) Ich weiß, Sie sind in Wirklichkeit anderer Meinung.

Die FPÖ erklärt hier in diesem Inserat: "Wir sagen daher" – Ihre Worte, bitte! –, "die EU kann dann kommen, wenn wir dafür reif sind." Und dann kommt dieser etwas eigenartige Satz: "Man versetzt Eisberge nicht einfach von heute auf morgen." (Abg. Haigermoser: Ist Ihnen nicht leid um Ihre Redezeit? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Beschäftigen Sie sich doch mit den Arbeits


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plätzen! – Abg. Haigermoser: Sie sollen sich mit dem Klima auseinandersetzen und nicht mit uns! Bereiten Sie sich einmal vor auf eine Rede, Herr Professor!) Also ich möchte jetzt nicht auf die Frage eingehen, wie man Eisberge versetzt, ich möchte nur sagen: Was Sie hier betreiben, ist schlicht und einfach Realitätsverweigerung – man kann es auch Wählertäuschung nennen –, denn es geht doch nicht darum, ob die EU kommen wird. Die EU ist ein Faktum in Europa. Zwei Drittel unserer Exporte gehen in die EU. Hunderttausende Menschen leben von diesen Exporten. Gerade im Land Oberösterreich ist es für uns lebenswichtig, daß wir einen ungehinderten Zugang zu diesem großen Binnenmarkt haben. Es ist unser Interesse, davon nicht ausgeschlossen zu werden. Darum geht es doch in Wirklichkeit und nicht um diese Angstparolen, die Sie hier wiederum verbreiten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Haigermoser: Sie meinen, die Bürger haben auch keine Ahnung!)

Schauen Sie, ich weiß, daß Sie sich in Wirklichkeit dafür genieren müssen, wenn Sie hier in diesem Inserat zum Schluß schreiben: "Spitzen Sie die Ohren, wenn Sie die EU-Marschroute der Freiheitlichen hören." Bitte, ich kann nur sagen, das ist ein Marsch ins Verderben nach dieser EU-Linie, die Sie hier vorschlagen würden. Der einzige Trost ist der, daß es offensichtlich in der FPÖ selber bei diesem Marsch sehr unterschiedliche Richtungen gibt. Ich nehme an – ich hoffe es für ihn, und ich weiß es aus seinen Aussagen –, daß zum Beispiel der Abgeordnete Prinzhorn hier durchaus nicht die Ohren spitzt, sondern er geht in eine andere Richtung bei diesem Marsch. (Abg. Mag. Stadler: Schauen wir, was der Hochmair für einen Marsch macht! Das werden wir am Sonntag sehen!)

Die Österreicher haben sich mit großer Mehrheit dafür entschieden, nicht diesen Marsch ins Verderben zu gehen, für den die FPÖ hier plädiert. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Haigermoser: Was ist mit den Lehrlingen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zweiter Punkt, den ich in aller Kürze hier angehen möchte. (Abg. Haigermoser: Was ist mit der Abgabenquote?) Ja, ich komme zur Abgabenquote. (Abg. Haigermoser: Was ist mit dem Postenschacher? – Abg. Dr. Keppelmüller: Zuhören!)

Zweiter Punkt: Frage der Steuern. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Gerade will ich auf die Steuern eingehen. Ich habe gedacht, Sie wollen da zuhören. (Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Keppelmüller: Wo bleibt die Rücksicht auf die Kollegin Partik-Pablé, Kollege Stadler? Die Kollegin Partik-Pablé mag das nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben hier auch ein Programm vorgelegt, das Sie diese Woche in einer Pressekonferenz vorgestellt haben. Ich hoffe, Sie stehen noch dazu. In diesem Programm ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Jetzt lassen Sie mich einmal ausreden und hören Sie zu! In diesem Programm haben Sie zum Beispiel eine Senkung der Abgabenquote vorgeschlagen. Ihr Vorschlag ist, die Abgabenquote zuerst auf 40 Prozent zu reduzieren und dann auf 35 Prozent. Sie haben heute wieder alle möglichen Steuern angeführt; alle sollen gesenkt werden.

Was dabei auffällt und was eigentlich auch erschreckt – ich muß das schon sagen –, ist, daß Sie offensichtlich kein Gefühl oder, wenn man will, keine Ahnung haben von den tatsächlichen Größenordnungen, um die es bei Ihren Vorschlägen überhaupt geht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Jörg Haider hat schon eine Ahnung! Das kann ich Ihnen sagen! – Abg. Dr. Graf: Sie sind Professor für Theaterwissenschaft!) Wenn man das ernst nimmt, was Sie hier schreiben, wenn man die Abgabenquote in dem Ausmaß senken würde, wie Sie es hier wollen, so würde das bei einer Senkung auf 40 Prozent einen Steuerausfall von rund 75 Milliarden Schilling bewirken, und wenn Sie sie auf 35 Prozent senken wollen, dann sind es 200 Milliarden Schilling. Das würde ein Explodieren des Budgetdefizits zur Folge haben, wenn man das ceteris paribus sieht.

Jetzt ist das etwas – fairerweise muß ich sagen, das fällt sogar Ihnen auf (Abg. Haigermoser: "Sogar" ist gut!)  –, für das es irgendeine Bedeckung geben muß. Nur: Wenn man sich das anschaut, merkt man, daß das Ergebnis äußerst dürftig ist. (Abg. Mag. Stadler: 13 Prozent oder


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18 Prozent – was ist mehr?) Sie schlagen als Bedeckung vor – ich zitiere wieder –: "gleichzeitiger Abbau von Staatsaufgaben". Das ist alles! Kein Wort, wo Sie konkret 200 Milliarden Schilling einsparen wollen. (Abg. Haigermoser: Die ÖVP liegt noch hinter Ihnen, was die Wirtschaftskompetenz betrifft! – Abg. Dr. Keppelmüller: Haigermoser wird Volksanwalt!) Das heißt, Sie haben einfach das Motto: Wasch mir den Pelz und mach mich nicht naß! Das kann vielleicht fürs Bierzelt genügen, für das Parlament ist das einfach zuwenig. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Jetzt muß ich fairerweise dazusagen  –  und das hat Abgeordneter Haider heute wieder erwähnt –, Sie haben noch einen zweiten Vorschlag, in dem Sie schreiben: "Die zu erwartenden Steuerausfälle" – Sie erwarten eben selber Steuerausfälle – "sollen durch eine Sonderdividende der Oesterreichischen Nationalbank ausgeglichen werden." Abgesehen davon, daß das im besten Fall nur ein Einmaleffekt ist, sieht man wieder: Sie haben keine Vorstellung von den Größenordnungen! (Abg. Mag. Stadler: Was ist mit der Nationalbank? Sie wollen in die Nationalbank!)

Man kann sicherlich darüber reden, daß man die Dividendenzahlungen der OeNB etwas erhöht (Abg. Haigermoser: Aha!) , aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei Ihnen geht es um 75 Milliarden Schilling oder um 200 Milliarden Schilling. (Abg. Mag. Stadler: Sie wollen nur in die Nationalbank! Das ist alles!) Wenn Sie sich das sachlich überlegten, so würden Sie draufkommen, das sind völlig absurde Vorstellungen. Das wäre eine massive Notenbankfinanzierung der öffentlichen Hand, was nicht nur gesetzlich verboten ist, sondern auch inflationäre Wirkungen hätte.

Ich möchte daher ganz klar feststellen: Die Vorschläge der FPÖ würden nicht nur die errungene Budgetkonsolidierung gefährden, sie würden auch die Preisstabilität, die wir in Österreich erreicht haben, gefährden. Das würde letztlich wieder höhere Zinssätze provozieren, das würde die Investitionen zerstören, und das würde wieder Zehntausende Arbeitsplätze in Österreich gefährden. Und davor werden wir die Österreicher bewahren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Also es ist sowieso alles in Ordnung! Das ist Schönfärberei, was Sie da betreiben! – Abg. Mag. Stadler: Sie wollen in die Nationalbank, sonst gar nichts!)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.17

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! (Abg. Mag. Stadler: Jetzt kommt die Rasterfahndung in Oberösterreich! – Abg. Haigermoser: Rasterfahndung und Lauschangriff in einem!) Heute hat uns Kollege Haider wieder sein politisches Selbstverständnis demonstriert (Abg. Haigermoser: Also der Postenschacher ist es nicht!), und zwar politisches Management by Helikopter: Krawall machen, Staub aufwirbeln – und ab durch die Luft, ab durch die Mitte! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Aber diese Mühe hätte er sich sparen können. Seine Wahlkampfauftritte waren noch nie so schlecht besucht (Rufe bei den Freiheitlichen: Na geh!) wie dieses Jahr in Oberösterreich, meine Damen und Herren (neuerlicher Beifall bei ÖVP und SPÖ), und deshalb haben wir überhaupt kein Problem, wenn er dort wieder auftaucht. (Abg. Haigermoser: Probleme haben Sie mit dem Fragebogen! Bei welcher Partei sind Sie? Sind Sie in die Kirche gegangen?)

Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch zu den Sachpunkten etwas beitragen, nachdem der FPÖ das nicht ganz gelungen ist. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Natürlich, meine Damen und Herren, befindet sich Österreich – wie alle anderen europäischen Länder – in einem Anpassungsprozeß samt bestimmten neuen strukturellen Herausforderungen: Das ist die Ostöffnung – selbstverständlich eine Herausforderung –, das ist die Integration in die Europäische Union – selbstverständlich eine Herausforderung –, und das ist die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft – auch das selbstverständlich eine große Herausfor


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derung, die an uns gestellt ist und worauf die Menschen von uns zu Recht auch entsprechende Antworten verlangen.

Für uns als Volkspartei ist klar: Diese neuen Aufgaben werden wir am besten lösen, wenn wir offen und ehrlich an sie herangehen, wenn wir diese neuen Herausforderungen im Geist der Leistungsbereitschaft, aber auch im Geist der sozialen Gerechtigkeit bewältigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Und mit Fragebogen!)

Meine Damen und Herren! Da helfen Sondersitzungen nichts, da hilft auch keine Skandalisierung (Abg. Haigermoser: Sondern ein Fragebogen!) , da helfen keine Verdrehungen und Unterstellungen. (Abg. Haigermoser: Sondern Fragebogen!) Damit werden keine Arbeitsplätze gesichert, meine Herren von der Freiheitlichen Partei. Ihr Wahlkampfstil sichert höchstens Arbeitsplätze bei den Kreisgerichten durch den Rattenschwanz von Prozessen und Ehrenbeleidigungsklagen, die so eine Politik, wie Sie sie betreiben, ständig nach sich zieht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Was haben Sie denn für ein Rezept? – Abg. Mag. Stadler: Ihr Rezept ist der Fragebogen! – Abg. Haigermoser: Blutdruck herunter! Das schadet der Gesundheit!)

Meine Damen und Herren! Österreich hat sich die Politik der Freiheitlichen Partei wahrlich nicht verdient, denn zum Krankreden und Schlechtmachen besteht kein Anlaß. Der Herr Bundeskanzler hat bereits darauf hingewiesen: Zum Krankreden und Schlechtmachen besteht kein Anlaß. Weniger Firmenpleiten und eine verbesserte Handelsbilanz zeigen, daß sich Österreichs Wirtschaft nach dem Konjunkturtief wieder langsam erholt. Das Defizit der Handelsbilanz für das erste Halbjahr 1997 ist um ein Fünftel gesunken, und in den ersten drei Quartalen 1997 sank auch die Schadenssumme der Firmenpleiten. (Abg. Haigermoser: Welche politische Gesinnung hat Ihre Putzfrau? Waren Sie vielleicht einmal bei einem freiheitlichen Friseur?)

Meine Damen und Herren! Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist zwar nicht befriedigend, aber Österreich steht im Vergleich mit internationalen Daten noch immer sehr gut da. Die Arbeitslosenrate liegt in Österreich weit unter dem EU-Durchschnitt. Selbst in den neuen Wirtschaftswunderländern USA, Neuseeland, Niederlande und Irland liegen die Arbeitslosenraten noch immer deutlich über denen Österreichs. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Begeisterung im Plenum an dieser Stelle! Solche Weihrauchreden haben wir nicht einmal in der kleinen Koalition gehalten!)

Meine Damen und Herren! Auch was einen weiteren wichtigen Faktor angeht, nämlich die Preisstabilität, steht Österreich weiterhin im Spitzenfeld. Wir müssen aber zugeben – und so selbstkritisch sind wir durchaus –, daß zu Beginn der neunziger Jahre die öffentliche Verschuldung zweifellos zu stark zugenommen hat. Wir haben aber diese Gefahr erkannt, vehement eine Konsolidierungspolitik gefordert und auch durchgesetzt! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Wer ist "wir"?) Mit "wir" meine ich die Österreichische Volkspartei. Wir waren die ersten, die darauf hingewiesen haben, und wir haben auch konsequent die Österreicher darauf einzuschwören versucht. (Abg. Haigermoser: Den Schüssel/Ditz-Kurs meint er da! – Wie hoch ist denn heuer die Neuverschuldung, Herr Kollege?)

Meine Damen und Herren! Diese Konsolidierungspolitik war auch erfolgreich und hat internationale Anerkennung gefunden. Das zeigen sowohl die Berichte der OECD als auch die Mitteilungen des Währungsfonds. Es wird deshalb auch kein drittes Sparpaket geben, wie es manche behaupten. Was wir aber tun müssen, ist, die Weichen zu stellen, damit sich in den nächsten Jahren der Schuldenberg nachhaltig verringert, denn fast jeder siebente Schilling wird heute für Zinsen der Staatsschulden ausgegeben, und das ist zweifellos zuviel. Da gebe ich den Kritikern recht. Hier müssen wir eine klare Trendumkehr schaffen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Jetzt klatschen die Roten nicht mehr mit! Was ist denn los?)

Meine Damen und Herren! Aufgrund der von der Bundesregierung eingeleiteten Trendwende und Konsolidierung bei den Staatsfinanzen wird Österreich auch die Konvergenzkriterien erfüllen und von Anfang an an der Wirtschafts- und Währungsunion teilnehmen können. (Abg. Haigermoser: Was ist mit den Lohnnebenkosten?) Wir werden jedenfalls heuer ein Nettodefizit von


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3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen und damit auch die entsprechenden Konvergenzkritierien erfüllen. Auch die Staatsschulden, meine Damen und Herren, werden von 70,2 Prozent auf 67,5 Prozent absinken. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Setzen Sie sich doch auseinander mit den Vorschlägen der Freiheitlichen!)

Meine Damen und Herren! Diese wirtschaftspolitischen Bemühungen waren – das muß man und kann man wohl auch ohne Selbstgerechtigkeit feststellen – also von Erfolg gekrönt und haben auch für Österreichs Unternehmungen Rahmenbedingungen geschaffen, die uns optimistisch in die Zukunft blicken lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen stabile Rahmenbedingungen. Dazu gehört auch der Euro, denn die Realisierung des Euro bedeutet den Wegfall der Umtauschkosten und des Wechselkursrisikos. Vor allem werden dadurch bewußt herbeigeführte Abwertungen völlig unmöglich. Das ist für eine kleine, offene Volkswirtschaft wie die österreichische von großer Bedeutung, weil ja bei uns die Außenhandelsabhängigkeit besonders groß ist. Das sollten sich alle Kritiker des Euro hinter die Ohren schreiben. (Abg. Haigermoser: Sagen Sie das Ihrer Schwesterpartei, dem Herrn Stoiber!)

Es heißt in Ihrer heutigen Dringlichen Anfrage, Herr Kollege Haigermoser – das haben Sie vielleicht überlesen, aber ich lese mir die Anfragen der Freiheitlichen durch; Sie halten hier ja nur Biertischreden –, der Euro führe zu einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit innerhalb von fünf Jahren. So steht es in Ihrer Anfrage. (Abg. Haigermoser: Die Unternehmer bei uns haben ja keine Ahnung! Wir haben keine Ahnung!) Meine Damen und Herren! Aber in der Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes heißt es zu den Auswirkungen der Währungsunion ausdrücklich: Als Folge der positiven Einkommenseffekte in der Gesamtwirtschaft führt die Einführung des Euro in Österreich auch zu einer Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der Beschäftigten würde mittelfristig um rund zwei Drittel ansteigen, die Arbeitslosenquote um rund ein halbes Prozent sinken. (Zwischenrufe des Abg. Ing. Reichhold. )

Meine Damen und Herren! Das sind die Fakten. Das sind die Daten, die tatsächlich stimmen. Deshalb sollte meiner Meinung nach auch eine Oppositionspartei dieses Land und dessen Wirtschaft und dessen Wirtschaftspolitik nicht immer schlechtmachen. Machen wir doch Schluß mit dieser Krankjammerei und mit diesem Schlechtmachen, nicht nur in Wahlkampfzeiten, sondern überhaupt! Hören wir auf, die Politik zu vernadern, denn dieser Stil wird auf Dauer nichts bringen. Diesen Stil, meine Damen und Herren, haben vor allem die Österreicher, haben die Menschen dieses Landes wahrlich nicht verdient! (Beifall bei der ÖVP.)

16.27

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer : Meine Damen und Herren! Ich darf bekanntgeben, daß die Abgeordneten Dr. Schmidt und Wabl gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuß betreffend Untersuchung der politischen Verantwortlichkeit der Bundesregierung sowie rechtswidrige Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Kurdenmorden im Juli 1989 einzusetzen.

Darüber hinaus liegt das von fünf Abgeordneten nach § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, über diesen Antrag eine Debatte durchzuführen.

Diesem Verlangen ist stattzugeben. Die Debatte wird, ebenso wie die Abstimmung, nach Erledigung der Tagesordnung der heutigen Sitzung stattfinden.

*****

Wir setzen in der Debatte fort. Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.


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16.28

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Was wir heute erleben, ist ein Aufguß des 18. Februar 1997. Am 18. Februar 1997 gab es eine Sondersitzung des Nationalrates zum Thema "Beschäftigung und Arbeitslosigkeit". Seither ist die Arbeitslosigkeit in Österreich bedauerlicherweise gestiegen. Während die einen alles in Grund und Boden verdammen, jubeln es die anderen in den Himmel. Ich frage mich nur, was das den arbeitslosen Menschen in diesem Land hilft. Ich frage mich wirklich, ob wir, die Politiker, die Entscheidungsträger dieses Landes, nicht darüber nachdenken sollten, ob wir vielleicht bei den Rahmenbedingungen des Wirtschaftens, die wir in Österreich gesetzt haben, etwas falsch gemacht haben.

Es hilft nichts, wenn die Grünen am Freitag, den 26. September 1997, in ihren Linzer Ermutigungen wieder einen tiefen Rückgriff in die Vergangenheit machten, wozu sogar der "Standard" schrieb, daß in dem Gemurmel der Menge die Bemerkung "Lauter Kommunisten!" stets präsent war. Das kann doch nicht die Antwort darauf sein, worum es gerade heute hier wieder geht, nämlich auf Fragen der Beschäftigung. (Zwischenruf des Abg. Anschober. ) Das ist ein Zitat vom "Standard", das ich Ihnen hier wiedergebe. Ich war leider bei der Veranstaltung nicht dabei, aber die Frau Petrovic und der Herr Anschober müssen ja wissen, was dort gesagt wurde.

Fest steht, daß die Beschäftigungswunderjahre vorbei sind. Und eines, Herr Bundeskanzler, ist ganz spannend: daß die Budgetdefizite und die Arbeitslosigkeit im Gleichklang gestiegen sind. Das heißt, je höher die Budgetdefizite waren, die angeblich die Arbeitslosigkeit verringern sollten, umso höher ist die Arbeitslosigkeit selbst geworden. Sie haben es zu verantworten, unter – wenn ich richtig zähle – sieben sozialdemokratischen Finanzministern, daß allein die Finanzschuld des Bundes von 47 Milliarden Schilling im Jahr 1970 auf nicht ganz 1 500 Milliarden Schilling im Jahr 1997 gestiegen ist. Das heißt, die Finanzschuld des Bundes hat sich verdreißigfacht in der Zeit, in der sich die Wirtschaftsleistung Österreichs nominell nur versechsfacht hat. Das heißt also, die Schulden sind fünfmal so schnell gestiegen wie die Wirtschaftsleistung, und die Arbeitlosigkeit ist obendrein gestiegen.

Meine Damen und Herren! Das ist nichts anderes als das Scheitern keynesianischer, nachfrageseitiger Wirtschaftspolitik, die meint, über laufend neue Schulden heute die Beschäftigung sichern zu können.

Im März 1997 läßt uns Herr Bundeskanzler Klima in einem sehr interessanten Interview im "trend" wissen: "Aber bedenken Sie" – wörtliches Zitat –, "daß 100 Milliarden Zinsaufwand für die Staatsschulden unseren Spielraum für notwendige Beschäftigungspolitik beschränken." – Das ist der Punkt! Sie haben eine Politik betrieben – seit 1970 sind die Sozialdemokraten an der Regierung, seit 1986 mit der ÖVP in einer großen Koalition –, bei der Sie die Probleme der Gegenwart in die Zukunft geschoben haben, indem Sie immer größere Neuverschuldungen in Kauf genommen haben. Und heute stehen Sie vor einem Berg von Schulden, der Sie 100 Milliarden Schilling an Zinsen kostet, bezogen allein auf die Finanzschuld des Bundes.

Sie haben eine Nettozinssteuerquote von den Nettoeinnahmen des Bundes von 22 Prozent. Das heißt, von 10 S, die Ihnen an Nettosteuereinnahmen im Bund bleiben, zahlen Sie 2,20 S Zinsen, und ich werde nicht müde werden, von diesem Rednerpult aus hier immer wieder zu wiederholen: Das ist eine Umverteilung von unten nach oben, zu denen, die dem österreichischen Staat Geld borgen, von allen, die Steuern zahlen in Österreich.

Dabei hat Herr Bundeskanzler Klima offensichtlich seine Lektion verstanden. Im selben Interview im "trend" läßt er uns wissen, daß die Unternehmen verpflichtet sind, die technologische Innovation zu nutzen. Er sagt, daß das im Produktionsbereich bereits passiert ist und daher auch weiter im Dienstleistungsbereich, im quartären Sektor, passieren wird, und er zitiert dann noch Lester Thurow mit seiner Theorie der tektonischen Platten. Das stimmt schon, es ist schon gut, Herr Bundeskanzler, wenn Sie diese Fachliteratur lesen und sich mit dieser Sache auseinandersetzen, nur stimmt Ihre Politik damit nicht überein. Wenn Sie akzeptieren, was Ihnen diese Wirtschaftsforscher sagen, dann heißt das: eine klare, umfassende Reform der sozialen


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und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Österreichs, also die Anpassung Österreichs an das gewandelte Umfeld in der Welt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundeskanzler! Der Beschäftigungsrekord, den Sie zitieren, ist beeindruckend. Das Beschäftigungspotential in Österreich ist so groß wie noch nie. Das heißt aber, daß wir zwar so viele Beschäftigte haben wie noch nie, aber auch so viele Arbeitslose wie noch nie. Offensichtlich ist es uns also nicht gelungen, die wirtschaftliche Entwicklung mit dem Beschäftigungspotential zu harmonisieren.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist, wie Sie sagen, gesunken. Das sind die Fakten. – Gestiegen und nicht gelöst ist die Arbeitslosigkeit der jungen Menschen, die eine Lehre machen wollen, machen sollen und in Zukunft als Facharbeiter der Wirtschaft zur Verfügung stehen sollen. Sie haben das System der dualen Ausbildung so lange belastet, es so lange verteuert, es so lange verteufelt, bis die Ausbildungsbetriebe, bis die Lehrherren gesagt haben: Nein, unter diesen Bedingungen können wir diese Verantwortung nicht mehr übernehmen!

Die kurzfristigen Maßnahmen, die diese Bundesregierung heute setzt, sind auf der einen Seite zu begrüßen, weil sie kurzfristig jungen Menschen eine Stelle verschaffen, verschieben aber auf der anderen Seite das Problem wieder in die Zukunft. Jeder Lehrling, der heuer einen zusätzlichen Lehrplatz bekommt, über die bereits geplanten hinaus, verstopft 1998 und 1999 die Kapazität der Betriebe, wiederum Lehrlinge zu beschäftigen. Das heißt, hier wird nichts gelöst, sondern es wird wieder ein Problem von heuer auf das nächste Jahr verschoben.

Das Liberale Forum bemüht sich jetzt seit einer Woche, die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses davon zu überzeugen, daß die 17 Anträge zur Lehrlingsausbildung, die hier im Hohen Haus liegen, nicht schubladisiert werden dürfen, sondern ehebaldigst behandelt werden sollten. Ich bin gespannt, wann das passiert, wann wir endlich dazu kommen, wirklich konstruktive Zukunftslösungen zu finden, wie wir die Lehre wieder so attraktiv machen können, wie sie sein muß, um ihre Funktion als dritte Säule des dualen Ausbildungssystems zu erfüllen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der Herr Bundeskanzler hat auch als Faktum festgestellt, daß die Altersarbeitslosigkeit in Österreich steigt und daß selbstverständlich als Folge der Frühpensionierungswelle die Zahl der Frühpensionen weiter ansteigt. Es ist halt möglicherweise so, Herr Bundeskanzler, daß die Zuwachsraten geringer geworden sind, aber Faktum ist, daß wir mit August 207 000 Menschen in der Frühpension haben, und wenn Sie die Invaliditätspensionen dazuzählen, kommen Sie auf 400 000 Menschen, die vorzeitig aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden sind. Berücksichtigen Sie außerdem noch die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in Österreich, die 1997 leider bei 235 000 Menschen liegt, kommen Sie auf eine Arbeitslosenquote, die höher ist als in der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben sie, Herr Bundeskanzler, nur anders geparkt. Sie haben sie auch besser geparkt, das will ich durchaus zugeben, aber das Problem ist dasselbe.

Wir müssen dieses Problem mit genau derselben Härte und Schärfe wie etwa in der Bundesrepublik diskutieren, denn es ist ein Problem der Klein- und Mittelbetriebe, vor allem im Dienstleistungsbereich, daß sie von Ihnen, von dieser Bundesregierung keinerlei Anreize bekommen, Mitarbeiter neu zu beschäftigen. Ganz im Gegenteil, die Rahmenbedingungen, die diese Bundesregierung vorgibt, heißen für den kleinen und mittleren Unternehmer: Beschäftige so wenige Mitarbeiter wie möglich!, und das ist desaströs. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Finanzminister Edlinger hat uns Gott sei Dank schon im März 1997 wissen lassen, daß Arbeit billiger werden muß. Wir danken ihm für diese Erkenntnis. Auch der Herr Bundeskanzler hat heute davon gesprochen. Fest steht aber, daß in den letzten zehn Jahren dieser Koalitionsregierung die Belastung der Arbeit durch Steuern und Abgaben laufend gestiegen ist, und zwar um vier Prozentpunkte, von unter 40 auf über 44 Prozentpunkte.

Meine Damen und Herren! Was macht es für einen Sinn, wenn Sie immer richtige Dinge behaupten, aber schlußendlich das Gegenteil davon tun? Es hat keinen Sinn, wenn Sie predigen: Arbeit ist zu teuer! Es hat keinen Sinn, wenn Sie Zeitungsinterviews geben und uns wissen


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lassen, daß Arbeit in dieser Form nicht mehr leistbar ist, aber Arbeit laufend weiter verteuern und damit den Betrieben signalisieren: Beschäftige so wenige Mitarbeiter wie möglich, denn sie sind der teuerste Produktionsfaktor, den du hast!

Es macht auch keinen Sinn, wenn die Freiheitlichen alles, was in dieser Republik passiert, inklusive der sehr positiven Entwicklung hin zum Euro, verteufeln. Es macht auch keinen Sinn, wenn die Roten und Schwarzen alles hochjubeln, und es macht, Rudi Anschober, auch keinen Sinn, wenn ihr alte kommunistische Thesen ausgrabt, wie unlängst in Linz. Aber du hast die Chance, jetzt darauf zu antworten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächster Herr Abgeordneter Anschober. Bestimmte Wahlkreise sind heute anscheinend privilegiert. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.38

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Meine werten Vertreter der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema, das Jörg Haider dazu veranlaßt hat, über eine Dringliche Anfrage eine Sondersitzung zu verlangen, ist tatsächlich ein dringliches Thema. Es gibt Tausende Jugendliche, die keinen Lehrplatz in Österreich mehr finden, Tausende Jungakademiker, die keinen Arbeitsplatz in diesem Land mehr finden, Pensionistinnen, Pensionisten, die sich Sorgen machen um ihre Pensionen. Das ist ein dringliches Problem, und da braucht es tatsächlich dringend eine Diskussion in diesem Hohen Haus über Problemlösungsansätze, über den notwenigen Dialog, darüber, welche konkreten Lösungsvorschläge welche Partei hat.

Aus diesem Grunde war ich dafür und bin ich dafür, daß heute diese Sondersitzung stattfindet, aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich halte es gelinde gesagt für eine absolute politische Frechheit, hier eine Rede zu halten, politische Gegner anzuschütten, dann aber den Dialog in diesem Haus zu verweigern (Beifall bei den Grünen, bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Jawohl! Richtig!) und mir nichts, dir nichts von dem Haus, das politische Probleme lösen soll, in die Bierhalle (Abg. Dr. Khol: Dem Haider ist das Bierzelt wichtiger als das Parlament!) und damit in den Wahlkampf zu wechseln. Das ist eine politische Frechheit!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Dieses Wort kann nicht verwendet werden in einer Debatte. Ich bitte um eine andere Ausdrucksweise.

Abgeordneter Rudolf Anschober (fortsetzend): Das ist eine politische Ungeheuerlichkeit, nicht nur diesem Haus gegenüber, sondern den vielen, vielen tausend Betroffenen gegenüber, die sich zu Recht Problemlösungen erwarten. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte auf einen Dialog zu konkreten Konzeptlösungen hier gehofft. Dieser Dialog kann nicht stattfinden, weil er einseitig von der Freiheitlichen Partei abgebrochen wurde. Die Grünen werden deshalb auch keinen weiteren Redner, keine weitere Rednerin nominieren. Ich höre, daß auch die anderen Fraktionen es so halten, und ich verstehe das absolut.

Nun zu einem anderen Thema. Herr Bundeskanzler Klima, ich bin ein religiös erzogener Mensch (Abg. Haigermoser: Na servus!) , ich glaube an vieles, ich glaube an sehr vieles, ich glaube aber nicht daran, daß Gesundbeten funktioniert, daß Gesundbeten gerade in wirtschaftspolitischen Fragen funktioniert. Die rosarote Brille ist noch kein politisches Lösungskonzept.

Ein Beispiel, Herr Bundeskanzler: Ihre Darstellung der Lehrlingsarbeitslosigkeit. Hier heute darzustellen, daß die Nettobilanz im Lehrlingsbereich bei rund 5 000 Problemfällen liege, halte ich für unseriös. Man kann nicht 9 000 Lehrstellensuchende mit 3 000 offenen Lehrstellen gegenrechnen, ohne auf die regionalen Rahmenbedingungen, auf die Fähigkeiten oder auf die Interessen der Jugendlichen Rücksicht zu nehmen. (Zwischenbemerkung des Bundeskanzlers Mag. Klima. )


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Schauen Sie sich bitte die jüngste AMS-Statistik aus dem Monat September im Detail an. Die dort belegten Steigerungsraten der Lehrstellensuchenden vom Monat September im Jahr 1996 bis zum Monat September des heurigen Jahres sehen dramatisch aus. 14 Prozent im Durchschnitt! In einzelnen Bundesländern: in Niederösterreich 22 Prozent, im Burgenland 24 Prozent, in Oberösterreich 39 Prozent, in Salzburg 38 Prozent. Bei weiblichen Lehrstellensuchenden in Oberösterreich beträgt die Steigerung zirka 44 Prozent, und das innerhalb eines Jahres. Da hilft Gesundbeten nichts! Man muß dieser Bundesregierung den Vorwurf machen, daß sie erstens auf diese Problemlage viel zu spät reagiert hat und daß sie zweitens nicht an den Wurzeln des Problems ansetzt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Bei dieser Sachlage gibt es nur einen in Ihrer Fraktion, der darüber diskutiert? Das wundert mich!)

Eines der Hauptprobleme ist unbestritten die Tatsache – das bestätigen alle Fachleute aus der Wirtschaft, aus der Arbeiterkammer –, daß viele Betriebe jegliche Ausbildung von Jugendlichen verweigern und fertig ausgebildete Jugendliche den Betrieben, die bisher die Ausbildung von Jugendlichen durchgeführt haben, abwerben. Etliche Unternehmer werden damit zu Schwarzfahrern des eigenen Systems, des realisierten und vorhandenen Systems, und genau diese Situation kann man nur durch einen betrieblichen Ausgleichsfonds stoppen, indem jene Betriebe belohnt werden, die Jugendliche ausbilden, und jene Betriebe, die die Ausbildung von Jugendlichen verweigern – das sind über 80 Prozent der Betriebe –, einen finanziellen Beitrag leisten müssen.

Das wäre eine ganz konkrete Maßnahme! Mir ist klar, warum diese Maßnahme nicht realisierbar ist: weil dort, wo konkrete Konzepte auf dem Tisch liegen, diese Bundesregierung so in unterschiedliche Interessenkonflikte verstrickt ist, daß sie reformunfähig geworden ist. Das ist einer der Hauptgründe!

Genau die gleiche Situation finden wir bei den Berufsbildern vor. Wirtschaftsminister Farnleitner verspricht seit Monaten, daß es bei den Berufsbildern zu konkreten Reformen kommen wird, etwa zu Modernisierungen, zu Erweiterungen in den Bereichen Umweltberufe und EDV-Berufe oder in dem großen Bereich der neuen Dienstleistungsberufe, die die eigentliche Zukunftschance darstellen. Was ist bisher passiert? – Herzlich wenig!

Oder: Das zunehmende Lehrlingsproblem hat ja auch mit der Wirtschaftsstruktur zu tun. Viele kleine Greißlerbetriebe waren früher diejenigen, die Lehrplätze geschaffen beziehungsweise angeboten haben. Mit dem dramatischen Greißlersterben, mit dem Sterben im Bereich der Nahversorgung fällt diese Möglichkeit weg, und von den Großbetrieben wissen wir, daß sie kaum Lehrlinge beschäftigen beziehungsweise Lehrplätze anbieten.

Es muß in Österreich ... (Zwischenruf des Abg. Koppler. ) Kollege Koppler! Ich meine jetzt nicht deine VOEST (Abg. Koppler: Das ist nicht meine VOEST! Wenn ich das sagen würde, wäre ich überheblich!) , wo es ja Initiativen gibt, und ich meine auch nicht den industriellen Bereich, sondern ich meine den Handelsbereich. Wenn man die Supermarktketten mit den vielen kleinen Greißlern vergleicht, so wird man draufkommen, daß die Aktivität, was die Lehrlingsbeschäftigung betrifft, bei den kleinen Strukturen deutlich höher war. Das ist auch verständlich und erklärbar.

Nächster Punkt, und der ist auch ganz wichtig: Es muß seitens der Politik das Bekenntnis geben, daß jeder Jugendliche ein Recht auf Ausbildung hat. Das muß in unserem Land ein Grundrecht sein, und das gehört meiner Ansicht nach auch in der Verfassung verankert.

Wenn ich mir anschaue, wie die Bundesregierung und auch die Freiheitlichen den Themenbereich Jugendarbeitslosigkeit auf die Lehrstellenfrage reduzieren, dann stelle ich einen sehr verengten Jugendbegriff fest. Keine Rede war heute hier bisher von den vielen Schulabgängern, die keinen Job finden, von den Junglehrern, die sich in einer extremen Beschäftigungslage befinden, von den Jungakademikern, die in vielen Bereichen keine Aussicht auf einen Arbeitsplatz haben. Das hat natürlich sehr viel mit dem De-facto-Aufnahmestopp im öffentlichen Bereich zu tun, der da natürlich voll durchschlägt.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Konzepte liegen auf dem Tisch. Es ist klar, daß wir eine ökosoziale Steuerreform brauchen, daß wir eine Entlastung des Faktors Arbeit brauchen. Aber wo ist das ökosoziale Standortsicherungsmodell dieser Bundesregierung? Wo sind die Initiativen für mehr Ausbildung, für mehr Forschung und Entwicklung? Wo ist das Nützen der großen Chancen auf dem neuen großen, boomenden Umweltmarkt? Das Gegenteil geschieht! Der Wirtschaftsminister reduziert dramatisch die Einspeisetarife und bringt dadurch neue Umweltbetriebe in extreme Schwierigkeiten und um ihre Existenzgrundlage. Genau das Gegenteil der notwendigen richtigen Konzepte geschieht derzeit in diesem Bereich.

Wo ist die aktive, offensive Arbeitsmarktpolitik? Wo bleibt die Beschäftigungsinitiative der Bundesregierung auf EU-Ebene? Oder: Wo bleibt die Initiative zur internationalen Einführung der Tobin-Tax, einer Besteuerung der enormen Spekulationsgewinne, die die Globalisierungsdynamik ganz enorm weiter forcieren und antreiben?

Es gibt Konzepte, sie liegen auf dem Tisch. Mein Eindruck ist, daß diese Bundesregierung in so viele Interessenkonflikte und in so viele Vertretungen von Lobbyinteressen verwickelt ist, daß sie mittlerweile reformunfähig geworden ist. (Beifall bei den Grünen.)

16.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reinhart Gaugg. Freiwillige Redezeit: 5 Minuten.

16.47

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Es mutet schon eigenartig an, wenn anläßlich einer Debatte über die Beschäftigungspolitik in Österreich Wortmeldungen aus emotionalen Gründen zurückgezogen werden. Es ist zwar das gute Recht jedes einzelnen Abgeordneten, das zu tun, aber wenn es von vornherein geschehen würde, wäre es besser, denn dann könnte vielleicht diese Redezeit den Freiheitlichen zur Verfügung gestellt werden, die sehr wohl Vorschläge haben und an einer Verbesserung der Beschäftigungssituation in unserem Land interessiert sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bundeskanzler Klima ist als Hoffnungsträger in die SPÖ zur Aufstellung als Kanzlerkandidat geholt worden, aber er ist eine große Enttäuschung geworden, was wir befürchtet haben. Aber daß er heute mit Unwahrheiten agiert, ist der Gipfel seiner bisherigen Tätigkeiten. Er hat behauptet, der Bund würde im nächsten Jahr doppelt so viele Lehrlinge einstellen wie im Jahr 1997. Das ist eine glatte Lüge.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Für diesen Ausdruck erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf und bitte, eine andere Diktion zu wählen.

Abgeordneter Reinhart Gaugg (fortsetzend): Er sagt die Unwahrheit, denn im Stellenplan 1997 sind 449 Lehrlinge vorgesehen und im Stellenplan 1998 439, und das sind bekanntermaßen um zehn Stellen weniger und nicht doppelt so viele wie im Jahr davor. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Herrn Wirtschaftsminister Farnleitner dazu nichts einfällt, dann soll auch er seine Funktion zur Verfügung stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie haben ein riesengroßes Problem: Sie fokussieren sich auf Bundesobmann Dr. Jörg Haider, der in dieser Republik vieles zum Positiven gewendet hat, obwohl er nicht in der Regierung sitzt. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die, die in der Regierung sitzen, sind nicht in der Lage, für diese Republik Lösungen anzubieten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie verlassen die Regierungsbank!) Sie sind nicht einmal bereit, mit den 41 freiheitlichen Abgeordneten und mit allen anderen hier Anwesenden den Dialog zu suchen, und da muß ich mich schon langsam fragen: Sprechen die obersten Repräsentanten dieser


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Republik, spricht diese Regierung ausschließlich mit Dr. Jörg Haider? Wenn dem so ist, dann würde ich Ihnen vorschlagen, ihn mit in die Regierung zu nehmen, dann tun Sie sich ein bisserl leichter. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Rede des Bundeskanzlers von heute war direkt eine Offenbarung. Die mehrfachen Streicheleinheiten für die Sozialpartner waren geradezu abenteuerlich. Ich glaube, daß der Grund dafür darin zu suchen ist, daß die Pensionsreform scheitern wird. Heute ging der Bundeskanzler her und lobte die Sozialpartnerschaft über den grünen Klee, aber in Wirklichkeit weiß er, daß, wenn er sie bei der Pensionsreform nicht an Bord bekommt, die Regierung am Ende ist. Es hat ja Bundesminister Farnleitner vor kurzem gesagt: Bringen wir die Pensionsreform nicht zustande, stürzt diese Regierung! – Ich wünsche beim Sturz einen sanften Aufprall. Zu vermeiden wird er nicht sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Frage der nicht entnommenen Gewinne meinte der Bundeskanzler, daß sie letztlich zur Stärkung des Aktienkapitals notwendig wären. Dazu muß ich sagen: Ich würde mich wundern, wenn es darob nicht jeden Gewerkschafter von SPÖ und ÖVP geradezu vom Sitz reißt. Das ist die Politik, die von der Regierung in letzter Zeit verfolgt wird, nämlich ausschließlich eine Politik für Konzerne. Ihre Politik ist weder für den Mittelstand noch für die Kleinbetriebe noch für die Arbeiter und Angestellten noch für die Pensionisten noch für Schüler und Lehrlinge, sondern ausschließlich für Konzerne. Von daher kommen ja der Herr Bundeskanzler Klima und der Herr Ruttenstorfer. Und der Postenschacher ist natürlich der Mittelpunkt ihres Bestrebens, denn das haben sie gelernt. Man wollte im Vorstand der OMV jemand unterbringen, doch das ist nicht gegangen, und jetzt hat man zwei hineingesetzt.

Nächster Punkt: Unter den Augen dieses Bundeskanzlers werden Gehaltserhöhungen für Vorstandsmitglieder der Felbertauern Straßen AG in der Höhe von 20 400 S monatlich beschlossen. So etwas findet unter den Augen der Regierung statt.

Aber ich sage Ihnen jetzt schon eines: Wenn diese Form der Regierungspolitik in den nächsten Monaten beibehalten wird, dann ist das der Bankrott der gesamten Sozialpolitik in Österreich in der Zweiten Republik (Beifall bei den Freiheitlichen), denn die teilweise überzogene Profitgier der Multis und Konzerne mit Unterstützung der Bundesregierung – mit besonderer Unterstützung der Bundesregierung! – geht zu Lasten der Humanität, geht zu Lasten der Sicherung der Arbeitsplätze und geht zu Lasten der Chancen für unsere Jugend. Man hat uns versprochen, daß der EU-Beitritt Österreichs 70 000 Arbeitsplätze mehr zur Folge haben wird. Tatsache ist jedoch, daß es 24 000 weniger geworden sind.

Massive Kritik an dieser Regierungspolitik kommt auch aus den eigenen Reihen. So spricht die Arbeiterkammer Oberösterreich in einer Resolution massive Bedenken gegen die Form der Regierungspolitik in Österreich aus und stellt in einer beschlossenen Resolution fest, daß 1996 2 000 Jugendliche ohne Arbeit waren und es 1997 wesentlich mehr sein werden. Das kommt aus dem Mund der Sozialpartner, die immer so gepriesen werden. Das ist nur eine der Kritiken.

Das zweite, das zu kritisieren wäre, ist geradezu an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Es ließ nämlich ÖAAB-Obmann Fasslabend im April 1997 folgendes vermelden: Jeder Schulabgänger wird einen Arbeitsplatz bekommen! Die Familien werden steuerlich entlastet, und die Pensionen sind auf 25 bis 30 Jahre gesichert! – Das stand in einer Presseaussendung eines Regierungsmitgliedes. Wahrheitsgehalt null! (Abg. Dr. Partik-Pablé: So ist es! Deshalb gehen alle raus! – Mehrere Abgeordnete von SPÖ und ÖVP verlassen den Saal.)

Die Arbeitslosenstatistik spricht ebenfalls eine deutliche Sprache. Es wird immer wieder betont, wieviel Beschäftigte es gibt. Tatsache ist, daß in Österreich 200 000 Menschen ohne Beschäftigung sind. Das "kitzelt" die Regierung nicht einmal, nein, sie flüchtet sogar vor der Arbeit. Letztlich hat die Regierung aber die Verpflichtung, Maßnahmen zu setzen, damit in Österreich wieder die Möglichkeit besteht, gesicherte Arbeitsplätze zu bekommen.

Der Österreichische Gewerkschaftsbund ist in großer Sorge. Er hat in ganz Österreich ein Flugblatt verteilt (der Redner zeigt das Flugblatt vor) mit der Aufschrift: Europa braucht Arbeit! Stimmen für mehr Beschäftigung! – Dieses Flugblatt stammt vom Mai dieses Jahres. Darin


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spricht man von einer Chance für mehr Beschäftigung durch Wärmedämmung. Das würde 40 000 Arbeitsplätze bringen. Bis zum heutigen Tag gibt es dadurch keinen einzigen Arbeitsplatz mehr. Im Gegenteil: Bei den Bauarbeitern wird es im Winter 1997/98 eine Rekordarbeitslosigkeit von 100 000 Arbeitslosen geben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das interessiert die Frau Bundesminister Hostasch nicht!)

Aber das geht noch weiter. Das gepriesene Neunpunkteprogramm – es ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht –, das heute hier erwähnt wurde, hat ein fachkundiger Experte im "Handelsblatt" aus Düsseldorf unter die Lupe genommen. Er schrieb: "Mit großem medialen Echo hatten Österreichs Sozialpartner ein Paket zur Beschäftigungspolitik vorgestellt. Das war Mitte Mai. Bis jetzt ist auch von geringsten Umsetzungsversuchen des Paketes durch die Politik nichts zu sehen."

Das ist derzeit die Politik in Österreich, die unter der Verantwortung von Bundeskanzler Klima stattfindet, dem weder die Menschen am Herzen liegen noch die Arbeitsplätze und die Pensionisten ein Anliegen sind, sondern der ausschließlich darnach trachtet, sein eigenes Machterfüllungsbedürfnis zu befriedigen. Darüber werden alle Probleme vergessen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinzhorn. Freiwillige Redezeit: 5 Minuten.

16.56

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Daß der Herr Bundeskanzler die Sitzung verlassen hat, verstehe ich, denn wenn er sich jetzt die Berichtigungen anhören würde, müßte er sich schämen. Daß die Regierungsparteien ihre Redner zurückgezogen haben, nur weil ein Redner aus der Fraktion der Freiheitlichen hier nicht anwesend ist, zeugt von ihrem Demokratieverständnis und davon, wie sie mit der Oppositionspolitik umgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist diese Regierung mit einem Finanzminister Edlinger angetreten, der gesagt hat, wir wären bei der Arbeitslosigkeit Nummer zwei in Europa. – Der Herr Bundesfinanzminister irrt! Er hat weiters gesagt, wir wären beim Wirtschaftswachstum zum europäischen Schnitt aufgerückt. – Der Herr Bundesfinanzminister irrt wieder! Wir sind zweitletzte beim Wirtschaftswachstum. Wir haben keine Tatsachenregierung, sondern eine Ankündigungsregierung, die häufig irrt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da steht zum Beispiel (der Redner hält eine Zeitung in die Höhe), warum die Arbeitslosenstatistik lügt. Unter dem Titel "Verstecken und Verschleiern" kann man in der Septemberausgabe des "Wirtschaftsmagazins" – das ist von internationalen Experten belegt – nachlesen, warum die österreichische Arbeitslosigkeit nicht 6 Prozent beträgt, sondern bei weit über 12 Prozent liegt. Darin sind 400 000 Verschleierungen – Frühpensionisten, Invaliditätspensionisten – enthalten. Das alles können Sie hier genau lesen. Am Ende heißt es: Nimmt man alles zusammen, dann kommt ein Heer von über 400 000 Arbeitslosen heraus, und zwar zusätzlich zu den 200 000, die in der Statistik ausgewiesen sind. Das macht insgesamt 12 Prozent aus. – Die Bundesregierung, der Tatsachenbundeskanzler irrt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In Wirklichkeit gäbe es für neue Jobs – auch das kann man da nachlesen – genug Möglichkeiten, beispielsweise auf dem Dienstleistungssektor, von dem der Herr Bundeskanzler immer sagt, da seien wir Schlußlicht, und wo die sozialistische Regierung beziehungsweise der Herr Minister Farnleitner sogar das zugegeben hat, da müsse man etwas unternehmen. In Zeitungen – auch in solchen, die Ihnen nahestehen – können Sie über die Versäumnisse, die in Österreich gemacht wurden, nachlesen, über die Gründe, warum wir in Österreich auf dem Dienstleistungssektor versagt haben.

Wir haben auch bei den Unternehmensgründungen versagt. Das wissen Sie! Mit 6 Prozent Unternehmer sind wir Schlußlicht. Warum das so ist, ist auch ganz klar: weil der Bundeskanzler, der heute erklärt hat, nicht entnommene Gewinne würden sich für die Großkonzerne nicht


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87. Sitzung / Seite 46

rentieren, für die Klein- und Mittelbetriebe kein Ohr hat. Dort würden sich nicht entnommene Gewinne sehr wohl positiv auswirken! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher stellen wird Freiheitlichen folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn, Mag. Trattner, Böhacker, Mag. Schreiner und Kollegen betreffend steuerliche Befreiung nicht entnommener Gewinne

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat binnen 6 Monaten einen Gesetzentwurf vorzulegen, der zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung und somit auch der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Unternehmen und zur Sicherung der Ar beitsplätze eine steuerliche Befreiung nicht entnommener Gewinne vorsieht.

*****

Aber es gibt in Österreich natürlich in Wirklichkeit schon eine Beschäftigungspolitik. So kann man zum Beispiel im "Kurier" vom 30. September unter dem Titel "Qualität statt Günstlingswirtschaft" über den Postenschacher in der Steiermark lesen. Man konnte aber auch gestern in der "ZiB 2" darüber etwas erfahren, wenn man dem Herrn Dr. Schnell gefolgt ist. Es ist offensichtlich, daß da sehr viel Beschäftigungspolitik in Österreich betrieben wird.

Der Umstand, daß es für diese Art der Beschäftigungspolitik darüber hinaus auch Ehrungen gibt, wie zum Beispiel von Ihrem Regulator Otruba, der den Generaldirektor-Stellvertreter für die Besetzung des Vorstandes der OMV durch Marc Hall lobt, und die Dankesworte von Herrn Randa, die da gesprochen werden, lassen tief blicken, wie Ihre Beschäftigungspolitik aussieht.

Meine Damen und Herren! Ich kann Sie nur auffordern: Beenden Sie Ihre Beschäftigungspolitik der außerordentlichen Art! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Hören Sie auf, ehemalige Kanzlersekretäre ins Bundesasylamt zu entsenden! Die ehemaligen Kanzlersekretäre im Bundesasylamt werden die Einwanderungsquote wahrscheinlich erhöhen wollen, und Ihr ehemaliger Kanzlersekretär bei der OMV, der zur Vorstandsvergrößerung der OMV beiträgt, wird dafür wahrscheinlich mithelfen, tausend Mitarbeiter bei der OMV zu kündigen. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den der Herr Abgeordnete Dipl.-Ing. Prinzhorn soeben verlesen hat, ist ordnungsgemäß formuliert, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Restliche Redezeit: 3 Minuten. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

17.00

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Haupt, Mag. Stadler und Kollegen betreffend Senkung der österreichischen Beitragszahlungen zur Europäischen Union

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, in den zuständigen Organen der Europäischen Union die Ungleichgewichtigkeit der Belastungen zu thematisieren mit dem Ziel, die hohen österrei


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chischen Beitragszahlungen an die Europäische Union maßgeblich zu verringern, und die dadurch freigewordenen finanziellen Mittel für eine aktive Arbeitsmarktpolitik in Österreich einzusetzen."

*****

Ferner bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Madl, Gaugg, Mag. Haupt und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich, insbesondere zur Hintanhaltung von Billigimporten aus den Oststaaten

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Interesse der österreichischen Bevölkerung und der heimischen Wirtschaft dringend Maßnahmen zur Sicherung der Arbeitsplätze und des Wirtschaftsstandortes Österreich unter anderem durch eine ehestbaldige Urgenz im Rahmen der Assoziationsräte dahingehend zu setzen, daß im Sinne der zwischen den Gemeinschaften und den mittel- und osteuropäischen Ländern geschlossenen "Europa-Abkommen" geeignete Maßnahmen umgesetzt werden können."

*****

Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Des weiteren darf ich noch den folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Krüger, Böhacker, Haigermoser, Dipl.-Ing. Prinzhorn und Kollegen betreffend Befreiung von der Kommunalsteuer für Lehrlingsentschädigungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem Lehrlingsentschädigungen von der Kommunalsteuer ausgenommen werden."

*****

Des weiteren bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Haupt, Mag. Schreiner, Böhacker und Kollegen betreffend Vermeidung der kalten Progression

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat binnen 6 Monaten einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach der Lohn- und Einkommensteuertarif entsprechend gesenkt wird, um die vermehrte Steuerbelastung aus der ,kalten Progression‘ zu beseitigen."

*****


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Sehr geehrter Herr Kollege Professor Nowotny! Vielleicht ist Ihnen zumindest beim letzten Antrag aufgefallen, daß bei der Lohn- und Einkommensteuer nicht ausschließlich Unternehmen von unseren Anträgen betroffen sind, sondern sehr wohl auch jene, die als Arbeitnehmer in diesem Land Lohnsteuer zahlen.

Ich möchte auch mein Befremden darüber ausdrücken, daß die Bundesregierung es offensichtlich nicht der Mühe wert findet, den zweiten Teil unserer Dringlichen Anfrage, nämlich den der Pensionen, zu thematisieren. Man hat, vom Euro angefangen bis zu allem möglichen, was weiß ich alles thematisiert. Das wird vielleicht für die Pensionisten in Österreich die Chance sein, zu erkennen, von wem die berechtigten Anliegen von Tausenden österreichischen Pensionisten und von Hunderttausenden österreichischen Jugendlichen, die das System der Solidarität einmal tragen werden, tatsächlich vertreten werden.

Meine Redezeit ist leider nahezu erschöpft, daher bleibt mir für längere Ausführungen keine Zeit. Aber eines sollte hier schon gesagt werden zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers im Zusammenhang mit dem gestrigen Sozialausschuß: Das, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat, habe ich gestern gesagt, und zwar an die Adresse des Herrn Kollegen Stummvoll. – Herr Kollege Feurstein! Sie als Sitzungsteilnehmer werden sich sicherlich daran erinnern können, und ich möchte es heute auch hier wiederholen.

Die Wirtschaftstreibenden und ihre Vertreter sollten, wenn sie bei der Einstellung von Lehrlingen Forderungen stellen, daran denken, daß dann, wenn das Parlament, die Landtage und die Gemeinden ihnen entgegenkommen, diese Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden müssen, und zwar im Interesse unserer Jugendlichen und im Interesse unserer Wirtschaft. Darum ist es mir gestern gegangen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.04


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Herr Abgeordneter Mag. Haupt hat vier Entschließungsanträge vorgetragen. Sie wurden ordnungsgemäß überreicht, sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlung mit einbezogen.

Eine weitere Wortmeldung liegt mir nicht vor.

Ich schließe daher die Debatte und rufe jetzt im Sinne des § 58 Abs. 1 der Geschäftsordnung die vorliegenden tatsächlichen Berichtigungen auf.

Ich mache die Redner darauf aufmerksam, daß sie 2 Minuten Redezeit zur Verfügung haben. Ich bitte, mit der Behauptung zu beginnen, der Sie Ihre tatsächliche Korrektur gegenüberstellen wollen.

Als erste hat sich Frau Abgeordnete Madl zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.05

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Herr Bundeskanzler, der sich jetzt absentiert hat (Abg. Dr. Schwimmer: Suchen Sie den Haider, Frau Madl! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP) , hat in seiner Antwort auf unsere Dringliche Anfrage unter anderem behauptet, daß sich die Anzahl der Lehrstellensuchenden heuer verringert hätte. Dies ist unwahr. Diese Behauptung war unrichtig. (Lebhafte Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Schwimmer, Grabner und Dr. Karlsson. )

Ich berichtige tatsächlich: In einer heutigen APA-Aussendung von 11.32 Uhr, die über die Arbeitsmarktsituation in Österreich berichtet, heißt es – ich zitiere –: "Die Zahl der Lehrstellensuchenden erhöhte sich im September gegenüber dem Vorjahr um 14 Prozent." – Ich wiederhole: Sie erhöhte sich um 14 Prozent, das heißt in absoluten Zahlen ausgedrückt um 1 108 auf insgesamt 9 032 Jugendliche. Die Behauptung des Bundeskanzlers war somit unrichtig. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Reitsamer, Gaál und Parnigoni. )

17.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Die Beurteilung, ob es sich wirklich um eine tatsächliche Berichtigung handelt, kann ich nur vornehmen, wenn ich sie auch tatsächlich hören kann. Machen Sie es mir bitte nicht so schwer!

Der nächste, der sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat, ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Wo ist denn der Haider?!)

17.06

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Beantwortung der Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen zur Steuerfreiheit des nichtentnommenen Gewinnes gesagt, daß eine derartige Steuerfreiheit bis 1989 im österreichischen Steuerrecht vorgesehen war. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny .)  – Herr Bundeskanzler – er ist jetzt nicht da, vielleicht kann man es ihm ausrichten –, diese Aussage ist unrichtig.

Wahr ist vielmehr, daß laut § 11 Einkommensteuergesetz die Möglichkeit bestand, mit 50 Prozent des nichtentnommenen Gewinnes, maximal 20 Prozent des Gesamtgewinnes, eine Rücklage zu bilden (Abg. Dr. Nowotny : Na bitte!) , aber nur unter der Voraussetzung, daß keine Begünstigungen nach §§ 8 bis 10 Einkommensteuergesetz vorlagen und eine Investitionsrücklage bestimmungsgemäß aufgelöst wurde. (Abg. Dr. Nowotny : Selbstverständlich, sonst wäre es ja doppelt!)

Herr Bundeskanzler! Ihre Aussage, es hat für den nichtentnommenen Gewinn eine Steuerfreiheit im Sinne des freiheitlichen Antrages gegeben, ist unrichtig! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Graf: Was sagen Sie dazu, Herr Bundeskanzler?)

17.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste tatsächliche Berichtigung kommt vom Herrn Abgeordneten Mag. Stadler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.08

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Hohes Haus! Der Herr Bundeskanzler hat zunächst tatsachenwidrig die Behauptung aufgestellt, daß sich die Anzahl der Lehrlinge im Bundesdienst verdoppelt hätte. Dies ist unrichtig.

Richtig ist vielmehr, wie sich zweifelsfrei aus einem Vergleich des Stellenplans 1997 mit dem Stellenplan 1998 ergibt, daß nicht nur die Zahl der Lehrlinge nach diesem Stellenplan abgesenkt wurde, sondern daß sich die Zahl der Jugendlichen, die in einem Beschäftigungsverhältnis zum Bund stehen, von 862 auf insgesamt 439 halbiert hat. Das Gegenteil von dem, was er behauptet hat, ist also richtig!

Es gibt eine zweite Behauptung, die ich berichtigen möchte. Der Herr Bundeskanzler hat behauptet, die Regierung sei in der Zwischenzeit bei der Vermittlung von Lehrstellen und von Jobs für Jugendliche bereits erfolgreich gewesen. Auch dies ist unrichtig.

Laut einer Meldung im gestrigen "Standard" hat das Arbeitsmarktservice bekanntgegeben, daß die Zahl der Lehrstellensuchenden und der arbeitslos gemeldeten Jugendlichen mit 12 150 nach wie vor unverändert hoch ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé : Aber das interessiert die ÖVP nicht, es interessiert die SPÖ nicht, und der Bundeskanzler ist gar nicht da!)

17.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die letzte tatsächliche Berichtigung zu diesem Tagesordnungspunkt kommt von Herrn Abgeordneten Haigermoser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.09

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Mag. Klima hat in seinen Ausführungen behauptet, die Freiheitlichen stellen das duale Lehrlingsausbildungssystem in Frage. Diese Behauptung ist unrichtig.


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Richtig ist, daß wir Freiheitlichen zur dualen Ausbildung stehen, dieses duale System jedoch im Gegensatz zur Koalition von Bürokratie und von zu hohen Lohnnebenkosten befreien wollen – dies im Sinne des FPÖ-Entschließungsantrages, über welchen Sie am vergangenen Mittwoch die Diskussion verweigert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Damit sind die tatsächlichen Berichtigungen zu diesem Punkt abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Bitte nehmen Sie Platz. Wir haben jetzt einige Abstimmungen durchzuführen.

Wir stimmen als erstes über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haigermoser und Genossen betreffend "Arbeit braucht das Land" ab.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Genossen betreffend steuerliche Befreiung nicht entnommener Gewinne.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt. (Abg. Dr. Schwimmer: Nicht einmal der Haider!)

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Haupt, Mag. Stadler und Genossen betreffend Senkung der österreichischen Beitragszahlungen zur Europäischen Union.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Elfriede Madl, Gaugg, Mag. Haupt und Genossen betreffend Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich, insbesondere zur Hintanhaltung von Billigimporten aus den Oststaaten.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Krüger, Böhacker, Haigermoser, Dipl.-Ing. Prinzhorn und Genossen betreffend Befreiung von Kommunalsteuer für Lehrlingsentschädigungen ab.

Wer dafür ist, den bitte ich um Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Nunmehr stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Haupt, Mag. Schreiner, Böhacker und Genossen betreffend Vermeidung der kalten Progression.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Damit ist die Abstimmung über die Entschließungsanträge beendet.

Kurze Debatte über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nun zur Durchführung der von den Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen beantragten kurzen Debatte. Sie betrifft den Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 355/A betreffend Bundesverfassungsgesetz über den Schutz und die Förde


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rung der Familie und die Achtung des Elternrechtes eine Frist bis 12. Dezember 1997 zu setzen. Die Abstimmung über diesen Antrag wird nach Schluß der Debatte stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß die Geschäftsordnung als Redeordnung vorsieht, daß kein Redner länger als 5 Minuten reden darf. Der Erstredner hat zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung beziehungsweise von Staatssekretären sollen die Dauer von 10 Minuten ebenfalls nicht überschreiten.

Ich erteile der Erstrednerin, Frau Abgeordneter Haller, zur Begründung des Antrages das Wort. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

17.14

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! In diesem Antrag 355/A geht es um die Aufnahme des Schutzes und der Förderung von Familien in die österreichische Bundesverfassung.

Antoine de Saint-Exupéry hat einmal gesagt: "Willst du, daß Menschen Schiffe bauen, dann wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem weiten Meer!" – Welche Sehnsucht – und ich glaube, das müssen wir uns fragen – steckt aber hinter dem "Schiff" Familie?

In allen vorliegenden Wertestudien in Österreich wird der Wert der Familie sehr, sehr hoch eingestuft. Es müssen doch sehr tiefe, grundlegende Bedürfnisse und Sehnsüchte sein, die hinter diesem Begriff stecken. Tatsache ist aber, daß es ein großes Spannungsfeld zwischen Wunsch und Wirklichkeit gibt und daß dieses Spannungsfeld immer größer wird. Tatsache ist, daß immer mehr "Familienschiffe" in der Scheidung versinken und daß sich auch der Wunsch der Österreicher nach kinderreichen Familien de facto immer seltener erfüllt.

Die Kernfrage lautet für mich letztendlich, was wir unseren Kindern zu bieten haben, und diese Frage führt uns eigentlich an den Ursprung zurück: zur Familie. Wenn wir einerseits bereit sind, Umweltpolitik, Behindertenpolitik, Frauenpolitik als Anliegen für eine zukünftige Gesellschaft anzuerkennen und uns darüber Sorgen zu machen, dann muß aber doch gerade die Sorge um die zukünftige Generation unsere größte sein. Die Familie ist zugegebenermaßen ein äußerst komplexes Gebilde und spielt in alle möglichen Politikbereiche hinein. Aber alle gesellschafts- und familienpolitischen Fehlentscheidungen, die getroffen worden sind und noch getroffen werden, verkürzen de facto die Lebenschancen unserer nachfolgenden Generation. In zahlreichen Zeitungskommentaren wird der sehr merkwürdige und schlampige Umgang mit Kindern und Familien in Österreich bemängelt.

Kinderreiche Familien stehen in Österreich eindeutig auf der Verliererseite, und der zunehmende Verzicht auf Kinder ist die Reaktion der Gesellschaft auf mangelhafte Rahmenbedingungen. Deshalb ist für uns, wie ich meine, die Anerkennung der Familie – im Sinne des Rechts des Menschen und des Rechts des Österreichers – unverzichtbar.

In anderen Staaten hat es darüber seit vielen Jahren keine Debatte gegeben. Die Schweiz hat diesen Punkt seit 1945 in der Bundesverfassung. Er existiert auch in der Deutschen Bundesverfassung, besonders auch angesichts der wachsenden Vielfalt familiärer Lebensformen und der daraus resultierenden Probleme, die uns ja zusehends zu überfluten beginnen. Gerade angesichts dieser Vielfalt zeigt sich immer mehr die Notwendigkeit, Familienpolitik auch an ehebezogenen Familien zu orientieren. Genau das würde auch im Interesse der schwächeren Mitglieder der Familie, im Interesse von Frauen und Kindern liegen. (Abg. Mag. Stadler: Edith! Von wem ist der Antrag?)  – Dazu komme ich gleich.

Ein besonderer Artikel über Schutz und Förderung von Familien ist und wäre also ein rechtspolitisches Signal und eine nützliche Orientierungshilfe. Es wird von Ihnen allen, von Rednern aller Parteien, die Familie als Keimzelle des Staates bezeichnet. Tatsache ist aber, das es auch gerade in letzter Zeit massive Anschläge gegen die Familien gegeben hat, etwa bei den Sparpakten 1996 und 1997, und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß unter verschie


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denen Deckmäntelchen in Österreich ganz gezielt Gesellschaftspolitik gegen die Familien betrieben wird. Deshalb ist es wirklich höchste Zeit, diese Schutzbestimmung in die Verfassung aufzunehmen. – Soviel zum Antrag selbst. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zur Fristsetzung. – Es gibt in Österreich eine Regierungspartei, die Familienpolitik auf ihre Fahnen geheftet hat, die es im Programm stehen hat und bei allen Wahlkämpfen die Familie propagiert, die Partei, die seit Jahren die häufig wechselnden Familienminister stellt, nämlich die ÖVP. (Abg. Mag. Stadler : Die ÖVP?!) Richtig! Die ÖVP stellt ja immerhin den Familienminister. Und seit 1979 debattiert man in dieser ÖVP – nach eigenen Angaben! – über die Aufnahme eines solchen Artikels betreffend Schutz und Förderung von Familien in die Bundesverfassung. Ich betone: seit 1979, also seit beinahe 20 Jahren!

Und ich habe hier von diesem Rednerpult aus schon des öfteren den Vorwurf gemacht, warum man das bitte dann bis heute nicht gemacht hat.

Ich habe hier von diesem Rednerpult aus schon des öfteren den Vorwurf erhoben, warum man das dann bis heute nicht gemacht hat – das letzte Mal vor zirka einem Jahr. Das war kurz, bevor wir einen Antragsentwurf der ÖVP auf einem bestimmten Örtchen gefunden haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ach ja, jetzt erinnere ich mich!)

Wir Freiheitliche bekennen uns zu diesem Vorhaben. Das haben wir immer klar und deutlich gesagt. Und wir würden die ÖVP unterstützen, wenn es ihr ein echtes Anliegen wäre und wenn es sich hier nicht wieder nur um Lippenbekenntnisse handeln würde. (Abg. Dr. Khol ist in ein Gespräch mit anderen Abgeordneten vertieft.)  – Es ist ganz offensichtlich, daß sich Herr Kollege Khol, der der große Verfechter der Familienpolitik in Österreich sein will, jetzt bewußt anderen Dingen zuwendet. Wir Freiheitlichen sagen, wir würden die ÖVP sehr gerne bei diesem Vorhaben unterstützen, denn letztlich hat ja auch die ÖVP diesen Antrag dann eingebracht.

Ob es sich dabei nicht nur um ein Alibiverhalten der ÖVP handelt, werden wir in der nächsten Zeit sehen. Wir wollen das herausfinden, indem wir heute eine Fristsetzung für diesen Antrag verlangen. Ich habe Bedenken, daß es für die ÖVP auch wieder ein Schuß ins eigene Knie wird, so wie wir das bereits erlebt haben, als man die heutige Sondersitzung verhindern wollte. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )  – Es ist ihr kein Anliegen. Wir wissen, daß das immer nur Alibibekenntnisse sind.

Das hat auch die österreichische Bevölkerung schon erkannt. Sie hat erkannt, daß die österreichischen Familienminister, die aus dieser ÖVP kommen, nur mehr Belastungsminister sind. Ich bin sehr gespannt auf das Interesse in den Medien, das dann aufgrund dieser Debatte entstehen wird, denn in der Zwischenzeit hat es schon Reaktionen aus der SPÖ dahin gehend gegeben, daß behauptet wird, die Verankerung der Förderung von Familien in der Verfassung würde die Frauenförderungen erschlagen. Wir können darauf gespannt sein, wie sich die beiden Regierungsparteien einigen oder auch nicht einigen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitliche wollen jedenfalls auch diesbezüglich wie in so vielen anderen Bereichen die Debatte einfach vorantreiben, damit wir vielleicht zu einer Entscheidung kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Von nun an beträgt die Redezeit für jeden Redner und jede Rednerin maximal 5 Minuten.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte.

17.23

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden diesen Fristsetzungsantrag ablehnen. (Ironische Rufe des Erstaunens bei den Freiheitlichen.) Ich muß sagen: Ich verstehe eigentlich nicht, warum jetzt plötzlich solch eine Eile besteht, diesen Antrag anzunehmen.


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Selbstverständlich kann man über jeden Antrag reden. Nur: In der Form, in der dieser Antrag besteht, ist er für uns nicht akzeptabel. Das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, ist ja bereits gesetzlich gesichert, nicht zuletzt durch die Europäische Menschenrechtskonvention. Wir bekennen uns selbstverständlich dazu. Alles andere aber scheint mir eine Fleißaufgabe zu sein, noch dazu eine nicht ungefährliche. Denn man muß sich bei jeder verfassungsrechtlichen Bestimmung sehr genau überlegen, welche weitergehenden Folgen das für das einfach-gesetzliche Recht hat.

Wenn ich sehe, daß Ehe und Familie in diesem Antrag unter einem genannt werden und geschützt werden sollen, so muß ich die Frage stellen: Was ist Familie? Was bedeutet Familie? Ist Familie nur ein Mann, eine Frau, die miteinander verheiratet sind und miteinander Kinder haben? Wir wissen, daß das nicht die einzige Form der Familie ist – gleichgültig, ob wir das wünschen oder nicht. Es gibt immer mehr Scheidungen, es gibt immer mehr Lebensgemeinschaften, und es gibt immer mehr Alleinerzieherinnen sowie im geringen Maße auch Alleinerzieher. Und wir müssen sehr darauf achten, daß nicht durch eine verfassungsrechtliche Regelung andere Formen der Familie, die ich eben jetzt genannt habe, benachteiligt werden, daß nicht Förderungsmaßnahmen, die zum Beispiel vor allem Alleinerzieherinnen brauchen, dann verfassungsrechtlich verhindert werden.

Ich glaube, daß es wirklich sehr wichtig ist, sich das vor Augen zu halten. Es hat bereits einmal den Versuch gegeben, Ehe und Familie als Programm in die Verfassung aufzunehmen, und es wurde darüber, wie ich mich erinnern kann, in einer Kommission im Bundeskanzleramt, die sich mit verfassungsrechtlichen Fragen befaßt hat, verhandelt. Und man kam zu einer Formulierung, die verhindert hätte, daß Alleinerzieherinnen, sogenannte unvollständige Familien, benachteiligt werden. Diese Regelung hat aber dann keine Mehrheit hier gefunden.

Wir sollten daher mit solchen Überlegungen vorsichtig sein. Man muß sich immer sehr genau anschauen, was dahintersteckt. Ich habe den Eindruck, daß dieses Thema deshalb gerade jetzt angesprochen wird, weil wir das Frauenvolksbegehren behandeln. Und ich möchte wirklich verhindern, daß da zwei Dinge vermischt werden, daß sozusagen gesagt wird, Frauenpolitik sei Familienpolitik, und wenn wir etwas für die Familie tun, dann hat das zur Folge, daß wir auch etwas für die Frauen getan haben. Ich würde mir sehr wünschen, daß Familienpolitik nicht nur eine Angelegenheit der Frauen ist, sondern auch von den Männern als Aufgabe angesehen wird. Ich glaube, daß das auch für die Männer und für die Rolle, die diese in der Familie und in der Gesellschaft spielen, sehr wichtig wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Für mich ist Familienpolitik wichtig, für mich ist es wichtig, daß Kinder in einer guten, in einer friedlichen, in einer sie fördernden Umwelt aufwachsen, und wir setzen immer wieder diesbezügliche Maßnahmen. Ich glaube, daß sich gerade die SPÖ immer dafür eingesetzt hat, Familien zu fördern, Kinder zu fördern, deren Chancen zu fördern. Wir werden das auch weiterhin tun, aber nicht durch Lippenbekenntnisse, sondern durch konkrete Maßnahmen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.28

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die ÖVP unterstreicht hundertprozentig, was inhaltlich in diesem Antrag 355/A steht. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Nur: Einer Fristsetzung können wir absolut nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Auseinandersetzung um diese verfassungsrechtliche Verankerung von Ehe und Familie bietet eine geradezu paradigmatische Fallstudie für die gesellschaftspolitische Diskrepanz, die auch heute noch für die Grundrechtsdiskussion maßgeblich ist. Die Diskussion um die Verankerung von Ehe und Familie ist bei Gott nicht brandneu. Schon vor Jahren brachten ÖVP-Abgeordnete des Nationalrates diesbezügliche Initiativanträge ein, und im Jahr 1979 fand eine


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Enquete des Nationalrates zum Thema Familienpolitik und familienpolitische Fragen statt, die durchaus kontroversielle Gesichtspunkte ans Tageslicht brachte.

In den vergangenen Jahren hat die Auseinandersetzung um Fragen im Bereich der Familienpolitik zugenommen. All diese Faktoren haben die Sensibilität für alles, was mit Ehe und Familie zusammenhängt, erhöht. In bestimmten Teilen unserer Gesellschaft ist die Befürchtung stärker geworden, daß die Entwicklung vor allem in der Politik wenig beobachtet und zum Teil bewußt in Kauf genommen wird. Daher ist für uns eine verfassungsmäßige Verankerung von Ehe und Familie genauso wichtig wie die Verankerung der Umwelt als Staatsziel in der österreichischen Bundesverfassung. (Beifall bei der ÖVP.)

So wie wir die Biotope als schützenswert angesehen haben, sind nunmehr auch die "Soziotope" entsprechend zu schützen. Ein Kind braucht Schutz und Geborgenheit. Es braucht sie aber nicht nur in den sensiblen Phasen zwischen null und drei Jahren, sondern es braucht sie bis weit über die Pubertät hinaus. Diese Zielbestimmung soll Signalwirkung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Ehe, Familie, Kinder und Jugendliche haben und Grundlage für familienpolitische Maßnahmen sein. Es soll auch – das möchte ich hier ganz deutlich sagen – niemand diskriminiert werden, der sich zu einer anderen Lebensform entschlossen hat. Allerdings sei mit diesem Antrag ein Auftrag zur Förderung verbunden, wobei Grundlage für die Förderungsmaßnahmen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nach dem Einkommen, das je Familienmitglied zur Verfügung steht, sein soll.

Das Arbeitsübereinkommen zwischen den Koalitionsparteien vom 16. Jänner 1987 enthält einen Passus, wonach die Grundrechtskommission aufgefordert wurde, binnen eines Jahres Vorschläge für die Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung zu formulieren. Durch diesen Auftrag wurde ein Teil der Grundrechtsreform, der seinerzeit im Zusammenhang mit einer Gesamtreform behandelt wurde, vorgezogen. Die dadurch in Gang gesetzte Debatte in der Kommission zeigte in aller Deutlichkeit die politische Sensibilität dieses Anliegens sowie die Schwierigkeiten einer Konsensfindung auf. Dieser Gesetzgebungsauftrag setzt die Einrichtung von Ehe und Familie voraus und wirkt als eine die Einrichtungen der Ehe und Familie sichernde verfassungsrechtliche Garantie und – ich zitiere wörtlich Neisser 1981: Grundrechtsreform im politischen Spannungsfeld – "... insofern, damit ein verfassungsrechtlicher Schutz gegen die Abschaffung von Ehe und Familie statuiert wird". Er bedeutet eine inhaltliche Bindung des Gesetzgebers an die institutionellen Grundgedanken von Ehe und Familie, wie sie sich aus dem Vergleich der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention als europäischer Standard gewinnen lassen. Damit verbunden wird ein Förderungsauftrag, der besonders auf schwierige Lebenslagen abgestellt ist, Familie und Ehe als Einrichtung vorausgesetzt. (Beifall bei der ÖVP.)

17.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Madl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.33

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Dieser Fristsetzungsantrag setzt ja nur eine Frist für einen Antrag, der schon am 12. Dezember des vergangenen Jahres in diesem Hohen Haus eingelangt ist. Dies war der Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler, Dr. Graf und Ing. Reichhold.

Es gibt aber noch einen zweiten Antrag, der fast wortgetreu ist. Erste Seite: Schutz und Förderung der Familie; zweite Seite: die Forderung, daß sie in die Bundesverfassung aufgenommen wird; dritte Seite: die Familie als Gestaltungsgruppe der Gesellschaftsordnung. Nur ein einziger Satz unterscheidet den Antrag Stadler von diesem zweiten Antrag, und dieser eine Satz lautet: Weil der ÖVP der politische Mut für eine vernünftige Familienpolitik fehlt, bringt die FPÖ den Antrag ein. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Schauen wir einmal, von wem der zweite Antrag überhaupt stammt! Ja von wem ist denn dieser zweite Antrag? – Die Namen der Abgeordneten Dr. Khol, Ingrid Tichy-Schreder, Dr. Feurstein, Sozialsprecher der ÖVP, stehen auf diesem Antrag drauf. (Ironische Rufe des Erstaunens bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Gute


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Leute!) Der Name Schwarzenberger steht auf dem Antrag drauf. (Demonstrativer Beifall des Abg. Mag. Stadler. )

Seit 12. Dezember vorigen Jahres liegt dieser Antrag in der Schublade des Ausschusses und wird nicht behandelt. Ich bin schon sehr neugierig darauf, wie sich jene Abgeordneten, die diesen Antrag eingebracht haben, Herr Dr. Khol, heute verhalten werden, ob sie sich genauso verhalten werden wie jene oberösterreichischen Abgeordneten, die dem Antrag auf Entfall der Kommunalsteuer nicht zugestimmt haben, obwohl das Dr. Pühringer gefordert hat (Ruf bei der SPÖ: "Dr. Joe"!)  – ich sage "Dr. Pühringer", denn "Dr. Joe" kennt hier kein Mensch, das ist nur in Oberösterreich seit kurzem bekannt (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen – Abg. Dr. Khol: Der beste Mann von Oberösterreich!)  –, ob sie sich genauso verhalten werden wie jene oberösterreichischen Abgeordneten, die heute dagegen gestimmt haben, nichtentnommene Gewinne steuerfrei zu stellen, obwohl dies eine prinzipielle Forderung des Dr. Pühringer, des Landeshauptmannes von Oberösterreich, ist. Er hat geleugnet, von dem Kulturbericht etwas zu wissen, er hat gesagt, er habe das nicht gewußt. Es fehlt bis heute ein Wort des Bedauerns, daß die ÖVP für diesen Kulturbericht gestimmt hat (Abg. Dr. Khol: Der stand gar nicht zur Debatte!) , daß sie nicht gesagt hat, welche Sachen in diesem Biennalekatalog drinnen sind. Auch das hat Dr. Pühringer abgestritten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das heißt, die Doppelbödigkeit der ÖVP wird sich heute dreimal zeigen: einmal in der Ablehnung des Entfalls der Kommunalsteuer durch die ÖVP-Abgeordneten von Oberösterreich, einmal in der Ablehnung der Entsteuerung nichtentnommener Gewinne durch die ÖVP-Abgeordneten von Oberösterreich, und zum dritten bin ich darauf gespannt, Herr Dr. Khol, wie Sie und die Abgeordneten von Oberösterreich über diesen Fristsetzungsantrag abstimmen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )

17.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Schaffenrath zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.36

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines vielleicht im voraus – Herr Kollege Haigermoser, das wird Sie jetzt freuen! –: Wir werden dem Fristsetzungsantrag zustimmen. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir verstehen die Kollegin Hlavac genausowenig wie die Kollegin Moser, da Zustimmung zu einem Fristsetzungsantrag ja nur Behandlung dieses Antrages heißt, und diese Behandlung ist wirklich lange überfällig. Das bedeutet ja noch lange nicht, daß man zustimmen muß. Zustimmen werden wir diesem Antrag jedenfalls nicht, denn wir unterscheiden uns inhaltlich ganz wesentlich.

Aber wir unterstützen diese Fristsetzung auch aus einem anderen Grund, nämlich weil es hier in diesem Haus zum Grundsatz zu werden scheint, daß man mit Anträgen der Opposition je nach Belieben umgeht, daß Anträge der Opposition vertagt werden, schubladisiert werden, zwischengeparkt werden und daß sie nur dann hervorgeholt werden, wenn es den Koalitionsparteien paßt. Ich glaube, das ist ein trauriges Signal dafür, wie ernst die Opposition in diesem Haus genommen wird. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Und es ist auch ein trauriges Signal für den Zustand unseres Parlamentarismus.

Frau Kollegin Madl! Sie haben eigentlich wunderbar offen eines Ihrer wirklichen Motive hier dargestellt, das, worum es Ihnen wirklich geht. Die Geschichte dieser Anträge in diesem Haus ist ja hinlänglich bekannt. Auch wenn Frau Kollegin Haller fast poetisch gesagt hat: Immer mehr Familienschiffe versinken in der Scheidung!, geht es Ihnen heute hier in Wirklichkeit nicht um die inhaltliche Diskussion (Abg. Madl: Um die Fristsetzung geht es!) , geht es Ihnen heute hier nicht um die Auseinandersetzung mit diesem Thema, sondern nur um den kleinen Triumph, die ÖVP gegen ihren eigenen, wortidenten Antrag stimmen zu lassen. Darum geht es Ihnen in Wirklichkeit! (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Es geht Ihnen um dieses alte Spiel, einen Keil zwischen die Koalitionsparteien zu treiben. Sie lassen diesen alten ideologischen Konflikt,


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dieses Ausspielen Familie gegen Frau und Frau gegen Familie hier wiederaufleben. Nur geht das leider zu Lasten der Frauen.

Sie wissen natürlich auch ganz genau, daß die SPÖ eine Vorlage zur verfassungsrechtlichen Gleichstellung der Frau, die bereits in Begutachtung war, zurücknehmen mußte, weil es diesbezüglich aufgrund ideologischer Barrieren anscheinend immer noch entsprechende Sperren gibt. Natürlich glaube ich, daß Frau Kollegin Moser den Antrag 355/A der Freiheitlichen unterstützt.

Dieser Antrag weist aber noch eine besondere Spezialität auf: Antragsteller sind drei Männer. Das ist wahrscheinlich noch aus den siebziger Jahren abgeleitet: der Mann, das Oberhaupt der Familie. Und dann schickt man die Frauen hier zum Rednerpult, um ein Modell, das sich die freiheitlichen Männer wünschen, auch noch zu verteidigen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die ÖVP wird gegen den eigenen Antrag stimmen. Kollegin Moser hat bereits gesagt, daß das schmerzt, wo es sich doch um einen identischen Antrag handelt, der sich eigentlich nur durch das Wort- beziehungsweise Schriftbild unterscheidet; das ist natürlich tragisch.

Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß es nicht im Interesse der ÖVP wäre, das Herzensanliegen des Klubobmannes Khol, die verfassungsrechtliche Absicherung der auf Ehe begründeten Familie, endlich einmal einer Diskussion zuzuführen. Sie haben viel Geduld, wenn es um die Familie geht, Herr Dr. Khol, so dringend kann Ihnen das Anliegen wohl nicht sein, wenn Sie sich bereits seit 12.12. des Vorjahres dafür Zeit nehmen. (Abg. Dr. Khol: Frau Kollegin Schaffenrath! Mit den Freiheitlichen bringe ich keine Verfassungsänderung zusammen!)

Inhaltlich ein klares Nein zu diesem Antrag, wir werden uns noch eindeutig dazu positionieren. Die Liberalen werden nie zustimmen, daß ein konservatives Familienmodell, das ein auf Ehe begründetes Familienmodell in der Verfassung anderen freigewählten Lebensformen übergeordnet wird und damit andere, der gesellschaftlichen Realität entsprechende Lebensformen diskriminiert werden. (Abg. Schwarzenberger: Was haben Sie gegen die Ehe?) Sie sollten sich bei Ihrer Kollegin Moser erkundigen, die damals in ihrer Position als Familienministerin im Rahmen der Vorlage einer umfassenden Studie zur Familie erklärt hat, es wäre einer erfolgreichen Familienpolitik damit nicht gedient, wenn man ein ideologisches Familienkonzept darüberstülpen würde. Und das machen Sie seit Jahren mit aller Vehemenz, auch wenn es nicht die richtige Lösung ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Letzter Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

17.42

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Inhaltlich kann ich mich dem, was die Kollegin Schaffenrath gesagt hat bezüglich Verweigerung der Debatte im Ausschuß und Fristsetzung nur anschließen. Ich finde es unverständlich, daß Sie nicht einmal bereit sind, im Ausschuß darüber zu debattieren. Dort wäre es nämlich wesentlich besser möglich als in dieser Plenardebatte, Herr Kollege Khol, Sie auf einige Widersprüchlichkeiten dieses Antrages aufmerksam zu machen, von denen ich überzeugt bin, daß Sie nicht einmal daran gedacht haben, was sich hinter diesen Forderungen und Ihren Absichten verbirgt. Ich nehme einen Punkt heraus und führe Ihnen das einmal vor.

Sie sprechen im Absatz 3 vom Vorrang des natürlichen Elternrechts. Meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ, die das brav nachplappert! Wissen Sie, was der Vorrang des natürlichen Elternrechts bedeutet angesichts einer Situation, in der es eine In-vitro-Fertilisation gibt, in der es auch künstlich implantierte Eier gibt, mit denen eine Befruchtung hergestellt werden kann? Kennen Sie den Unterschied zwischen natürlicher Elternschaft und sozialer Elternschaft? Wissen Sie, welche Konsequenzen Ihr Antrag hätte, wo Sie sozusagen demjenigen das Elternrecht verweigern, der die Kinder großzieht, und das Elternrecht demjenigen geben wollen,


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der das Kind nicht einmal kennt? (Beifall bei den Grünen.) Sind Sie schon so weit, daß Sie nicht einmal mehr nachdenken, wenn Sie Ihre Anträge schreiben?

Meine Damen und Herren! Ich glaube, in diesem Antrag ist überhaupt nichts überlegt. Da geht es nur darum, daß man ganz plakativ Stimmung machen will: Wir sind für die Familie, egal, was für eine Familie, egal, unter welchen Bedingungen sich Familien bilden, und egal, woraus sich Familie zusammensetzt. – Ich würde mir schon von einem Gesetz, das immerhin Verfassungsrang haben soll, erwarten, daß darin erklärt wird, was Familie ist.

In diesem Text sind neben der Ehe, die kennen wir ja, alle Familienformen denkbar. Und der Absatz 2, das hatten wir auch schon in der vergangenen Debatte im Jänner, würde immerhin ganz buchstabengetreu gelesen ermöglichen, daß nicht nur Männer und Frauen, sondern auch Männer und Männer und Frauen und Frauen eine Familie bilden. Das wäre ja immerhin ein Fortschritt (Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen), der sich da offensichtlich bei der ÖVP und bei der FPÖ durchgesetzt hat.

Bedenklich finde ich in Ihrer Argumentation beim Punkt 2 jedoch, daß Sie offensichtlich schon anstreben und das auch für vernünftig halten, daß der Staat den einzelnen Menschen, Mann und Frau, autorisiert, eine Familie zu gründen.

Herr Kollege Khol und meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ! Wir brauchen keinen Staat, der seine Mitglieder, seine Bürgerinnen und Bürger autorisiert, daß sie eine Familie, daß sie Beziehungen gründen, egal welcher Art. Dazu brauchen wir wirklich keinen Staat. (Abg. Tichy-Schreder: Wozu brauchen wir überhaupt einen Staat?) Daher brauchen wir andere Regelungen. Genau das ist der Punkt, in dem Sie sich der Debatte verweigern.

Es geht nicht darum, daß eine bestimmte Familienform ein Vorrecht erhalten soll. Es geht im wesentlichen darum, daß dauerhafte Beziehungen ermöglicht werden, und darüber verweigern Sie die Debatte. Sie beklagen zwar wortreich und mit gewaltigen Bildern, daß die "Familienschiffe" in irgendwelchen "Ozeanen" versenkt werden oder in irgendwelchen Stürmen kentern, aber Sie sagen nicht, warum das so ist. Es wäre spannend, mit den Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP und der FPÖ in einem Ausschuß zu diskutieren, ob das nicht vielleicht auch damit zusammenhängt, daß die Leute zu wenig Zeit füreinander haben, daß sozusagen die gesellschaftlichen Umbildungen, die Wirrnisse und Stürme, die da über die Menschen hereinbrechen, es ihnen nicht mehr ermöglichen, Beziehungen zu leben. Es wäre spannend, dies in einer Familiendebatte herauszuarbeiten.

Sie müßten vielleicht auch ein Ohr dafür entwickeln, daß man Zeit braucht, um Beziehungen leben zu können, egal, ob das mit Kindern oder mit dem Partner ist. Sie müßten vielleicht auch draufkommen, daß es auch nicht nur kürzere Arbeitszeiten, sondern Zeitblöcke braucht, in denen man Beziehungen, egal, ob mit einem Partner oder einer Partnerin oder mit einem Kind leben kann. Wenn ich die Arbeitszeiten, die Lebenszeiten der Menschen in diesem Land näher betrachte, wenn ich bedenke, daß Sie einer Sonntagsarbeit zustimmen, daß Sie allen Arbeitsformen bereitwillig zustimmen, die genau das verhindern, dann frage ich mich: Wie weit ist es mit Ihrer Familienpolitik? Wie weit ist es mit Ihrer Bereitschaft, sich auf konkrete Familienpolitik einzulassen? – Ich vermute, sie geht gegen null und sie besteht nur aus plakativen Ansagen und Aussagen (Abg. Haigermoser: ... im Ostblock gescheitert!) , wie zum Beispiel vom Kollegen Haigermoser. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

17.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 355/A betreffend Bundesverfassungsgesetz über den Schutz und die Förderung der Familie und die Achtung des Elternrechts eine Frist bis 12. Dezember 1997 zu setzen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt, Wabl auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die politische Verantwortlichkeit der Bundesregierung sowie vermutete rechtswidrige Einflußnahme durch politische Funktionsträger im Zusammenhang mit den Kurdenmorden im Jahr 1989.

Der Antrag ist in der Zwischenzeit an alle Abgeordneten verteilt worden. Seine Verlesung erübrigt sich daher.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Schmidt, Wabl, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 1 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

Die politische Verantwortlichkeit der Bundesregierung (insbesondere des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministers für Inneres und des Bundesministers für Justiz) sowie vermutete rechtswidrige Einflußnahme durch politische Funktionsträger in Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Morden an Abdullah Ghaderi, Abdul-Rahman Ghassemlou und Fadel Rasoul am 13. 7. 1989 und der Verfolgung von drei dieser Tat dringend Verdächtigten, die trotz Vorliegen eindeutiger Indizien Österreich unbehelligt verlassen konnten, ist zu prüfen."

Der Untersuchungsausschuß besteht aus 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ, 5 ÖVP, 4 FPÖ, 1 Liberales Forum, 1 Grüne.

Gemäß § 33 Abs. 2 GOG wird die Durchführung einer kurzen Debatte beantragt.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erinnere an die Redezeitbeschränkung der Geschäftsordnung: Der Erstredner hat für die Begründung eine Redezeit von 10 Minuten, alle anderen eine Redezeit von 5 Minuten. Wortmeldungen von Regierungsmitgliedern und Staatssekretären sollen 10 Minuten nicht überschreiten.

Als Antragstellerin erteile ich zunächst Frau Abgeordneter Dr. Schmidt das Wort. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

17.49

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde die 10 Minuten nicht brauchen, weil Ihnen die eigentliche Begründung für unseren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ja bekannt ist.

Ich weiß, daß viele von Ihnen daher sagen, das ist nur noch lästig, das ist doch schon abgelehnt, wozu jedesmal darüber reden? – Ich glaube, daß es dazu dennoch kurze Anmerkungen dazu zu machen gibt.


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Erstens: Ich kündige Ihnen an: Wir werden Ihnen diese Lästigkeit, so Sie sie als eine solche empfinden, nicht ersparen. Wir werden sie Ihnen so lange nicht ersparen, bis Sie die Bereitschaft haben, Licht in das Dunkel jener Vorgänge zu bringen, die deswegen aufgeklärt werden müssen, weil es um den Weg Österreichs Nationen und Staaten gegenüber geht, die gewöhnt sind, Druck auszuüben, um ihre Interessen durchzusetzen.

Ich glaube, daß es sehr notwendig ist, deutlich zu machen, daß Österreich jedenfalls in Hinkunft derartigen Versuchen widerstehen wird und einem Druck nicht nachgeben wird. Wenn Sie behaupten, daß es einen solchen Druck in der Vergangenheit nicht gegeben habe, dann frage ich mich, was Sie daran hindert, diese Behauptung durch einen Untersuchungsausschuß klarstellen zu lassen. Solange Sie diese Bereitschaft nicht haben, wird der Verdacht auf Österreich liegen, daß Österreich sich auch das nächste Mal so verhalten wird, auch das nächste Mal in die Knie gehen wird, wenn die Interessen des Iran vielleicht gegen das eine oder andere wirtschaftspolitische Interesse Österreichs ausgespielt wird und wir uns dann wieder so verhalten, wie ich den Verdacht habe, daß sich Verwaltungsorgane, daß sich politische Entscheidungsträger verhalten haben.

Es muß Ihr Anliegen sein, sich von diesem Verdacht reinzuwaschen, und es wäre Ihre Verantwortung Österreicherinnen und Österreichern gegenüber, die sicher sein müssen, daß das in Zukunft nicht die Politik unseres Landes sein wird.

Wenn Sie außerdem sagen, wir hätten die Inhalte schon besprochen, stimmt das insofern nicht, als die letzte Anfragebeantwortung des Justizministers nach Tagungsende oder etwa zeitgleich mit dem Tagungsende eingelangt ist und nun in der Gesamtschau der Unterlagen, die wir von der seiten der Verwaltung haben, offensichtlich ist, daß es Widersprüche und Ungereimtheiten gibt, die nur durch einen Untersuchungsausschuß aufgeklärt werden können. Das betrifft eine Weisung des Außenministers Mock, der heute als Abgeordneter unter uns ist. Es wurden immer Weisungen bestritten. Heute ist klar, daß es jedenfalls eine gibt, in der steht, daß eine formelle Zurückweisung des Protestes des Iran zu unterlassen ist. Das alleine müßte klargestellt werden.

Ich würde mir erwarten, daß der ehemalige Außenminister und jetzige Parlamentarier bei uns hier eine Klarstellung trifft, aber nicht nur von diesem Rednerpult aus, sondern im Rahmen eines Ausschusses. Das betrifft die Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Verdachtsmomenten gegen den Hauptverdächtigen. Das betrifft auch die Ungereimtheiten im Justizministerium, die darin begründet sind, daß der Staatsanwalt von vornherein davon ausgegangen ist, daß andere Beweggründe vorliegen, als die Ermittlungen geführt wurden.

Wenn man das alles weiß und sieht, wie die Mehrheit dieses Hauses sich mit Händen und Füßen wehrt, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, dann muß man sich schon fragen, wie glaubwürdig Ihre Vorwürfe zum Mißbrauch parlamentarischer Instrumente sind, wenn Sie selber am Rande eines solchen gehen. Ich sage deswegen "am Rande", weil für mich nämlich das Formale vom Inhalt nicht zu trennen ist. Die Demokratie lebt auch davon, daß das Instrumentarium mit einem demokratischen Inhalt gepaart ist. Es läßt sich viel Undemokratisches unter dem Mantel der Demokratie machen, es läßt sich daher auch viel Unparlamentarisches unter dem Mantel des Parlamentarismus machen. Wir erleben das hier immer wieder, wir haben auch heute wieder ein solches Beispiel erlebt.

Da gibt es vielleicht eine Viererkoalition, die sich darüber einig ist, das mag schon sein. Nur: Die Glaubwürdigkeit Ihrer Vorwürfe würde dadurch gestärkt werden, daß Sie die parlamentarischen Instrumente in einer Weise einsetzen, wodurch Sie sich vom Mißbrauchsverdacht freispielen. (Tumult auf der Besuchergalerie.)

Wenn Sie das nicht tun, dann bin ich der Auffassung, daß Sie, zumindest was die Instrumente betrifft, den Mut haben müßten, Spielregeln einzuführen, die Ihnen vielleicht auch einmal wehtun, nämlich dann, wenn eine Minderheit gegen Sie einen Antrag durchsetzt.

Wenn Sie meinen, daß das zu einer Überflutung von Untersuchungsausschüssen führen könnte, dann läßt sich dagegen ein Riegel vorschieben. Ein Antrag der Liberalen hat einen sol


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chen Riegel vorgesehen, nämlich daß nicht mehr als zwei Untersuchungsausschüsse stattfinden dürfen. Es ist eine Art der Selbstdisziplin auch der Opposition, wann sie Anträge stellt und wann sie solchen zustimmt. Wir werden die konkreten Spielregeln anhand der Geschäftsordnungsdebatte noch näher erörtern.

Ich ersuche Sie nur, bevor diese Debatte beginnt, jetzt vielleicht auch die Chance wahrzunehmen, zu zeigen, daß es Ihnen nicht darum geht, daß eine Mehrheit einer Minderheit etwas oktroyiert, sondern daß es Ihnen wirklich um Parlamentarismus geht. Und zum Parlamentarismus gehört Kontrolle.

Ich fordere Sie daher auf, wenn Sie schon heute nicht zustimmen, vielleicht heute noch einmal darüber nachzudenken, um beim nächsten Antrag dann endgültig Ihre Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

17.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. 5 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.55

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Nicht zuletzt Sie selbst, Herr Präsident, aber auch andere haben heute in einer eher skurril einberufenen Präsidialsitzung wortreich den Parlamentarismus bejammert und einen wahren Schwanengesang veranstaltet. Heute geht die gleiche Koalition, die den Parlamentarismus in Österreich für gefährdet erachtet, her und verweigert eine der wichtigsten Aufgaben, die ein Parlament gegenüber der Regierung wahrzunehmen hat, nämlich die Kontrollaufgabe. Die Kontrolle, die das Parlament im Rahmen dessen, was die Verfassung vorsieht, im Rahmen dessen, was sich über nun mehr schon mehr als 100 Jahre im Parlamentarismus in Österreich eingespielt hat, diese Kontrolle wird in einem essentiellen Fall, nämlich in diesem heute von den Antragstellern relevierten Fall, aber auch in anderen Fällen schlichtweg verweigert. Dazu kann man inhaltlich stehen, wie man will, aber es ist wirklich so, daß Kontrolle einfach verunmöglicht wird.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition beziehungsweise von der Regierungseinheitspartei! Seit gestern ist Ihnen ein Feigenblatt weggefallen. Gestern hat der Geschäftsordnungsausschuß des Nationalrates beschlossen, daß ein Verfahrensrecht für Untersuchungsausschüsse beschlossen werden soll. In der nächsten Sitzung des Parlamentes wird dieses Verfahrensrecht, das zwischen den Parteien ausverhandelt wurde, auch im Hohen Haus beschlossen werden. Die diesbezüglichen Bemühungen des Klubobmannes Kostelka, das Abstimmungsquorum für Freitag, den 10. sicherzustellen, sind ja heftig im Gange.

Meine Herren Präsidenten! Es wäre auch eine Aufgabe – und deswegen gab es einmal einen Appell der Oppositionsfraktionen auch an Sie, nicht nur an den Herrn Bundespräsidenten –, dafür zu sorgen, daß nicht immer nur in der Präsidialkonferenz Krokodilstränen vergossen werden, was die Rolle des Parlamentarismus und des Verständnisses des Parlamentarismus der Fraktionen im Hohen Haus anlangt, sondern auch dafür zu sorgen, daß diese Regierung endlich zur Kenntnis nimmt, daß dieses Parlament auch ein Kontrollrecht hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Da erinnere ich Sie an jene – nicht Sie, Herr Präsident Neisser, ich erinnere die anderen –, die früher zu diesem Problem das Wort ergriffen haben, daß es eine Frage des Parlamentsverständnisses ist, ob man der Minderheit zugesteht, derartige Kontrolle auszuüben. Das kann jetzt in der Form geschehen, wie es die drei Oppositionsfraktionen verlangt haben, nämlich aus dem Untersuchungsrecht ein Minderheitenrecht zu machen, dies so zu gestalten, wie es auch Herr Präsident Neisser vorgeschlagen hat, er hat sich auch entsprechend verhalten gestern im Geschäftsordnungsausschuß, oder man geht her und sagt: Jawohl, wir schaffen kein totes Recht mit diesem Verfahrensrecht, wir setzen diese Untersuchungsausschüsse ein. Aber wir merken hier, und Sie werden das anhand der Abstimmung dann sehen: Mit diesem Verfahrensrecht wird totes Recht geschaffen. Das werden wir heute sehen, das werden wir bei allen künftigen Abstimmungen sehen – entgegen der Zusage, die namentlich Ihr


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eigener Klubobmann Kostelka bei den Verhandlungen immer wieder gegeben hat. Mit treuherzigem Augenaufschlag hat er gesagt: Nein, das ist nicht unsere Absicht, totes Recht zu schaffen.

Herr Klubobmann Kostelka! Dann haben Sie heute die Möglichkeit zu zeigen, daß es Ihnen ernst ist mit der Untersuchung, daß es Ihnen ernst ist mit der Frage der Handhabung Ihrer neuen Verfahrensordnung, daß Sie damit kein totes Recht schaffen und daß Sie dies bisher nicht als Feigenblatt betrachtet haben.

Wenn Sie heute gemeinsam mit Ihrem Zwillingsbruder Khol diesen Antrag ablehnen werden, und darüber scheint schon Einigkeit zu bestehen (Zwischenruf) – nein, der Genosse Andreas, der hat sich heute als Obergenosse geriert, denn als Klubobmann Kostelka nicht da war, war er der Klubobmann dieser Einheitspartei –, dann erklären Sie nichts anderes, als daß Sie damit Ihr eigenes Versprechen, kein totes Recht schaffen zu wollen, brechen, und daß Sie weiterhin an einer Kontrolle und an einem wahren Parlamentarismus, so wie er immer wieder bejammert wird, kein Interesse haben. Sie zeigen damit dem Parlament die kalte Schulter. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie helfen der Regierung, sich vom Kontrollrecht des Parlamentes davonstehlen zu dürfen.

Meine Damen und Herren! Das ist eine entscheidende Frage des Parlamentarismus – nicht ob Dr. Haider da ist, ob der Bundeskanzler durch den Vizekanzler vertreten wird, ob Bundeskanzler und Vizekanzler durch einen unzuständigen Staatssekretär vertreten werden, ob Kollege Maitz qualifizierte oder unqualifizierte Zwischenrufe macht – sie sind eh immer unqualifiziert –; das alles ist nicht entscheidend für die Rolle des Parlamentarismus. Entscheidend ist, wie man das Parlament in seinen Rechten schützt. (Abg. Dr. Maitz: Stadler schimpft nur!)

Eines der wichtigsten Rechte des Parlaments ist das Untersuchungsrecht, und das fordere ich heute gemeinsam mit den anderen Oppositionsfraktionen ein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich noch Herr Abgeordneter Wabl zu Wort gemeldet. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

18.01

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! – Herr Kollege Maitz, ich bin überzeugt davon, daß Sie diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zustimmen werden, denn Sie waren immer für Kontrolle und für die Aufdeckung sämtlicher Ungereimtheiten in der Regierung, ganz gleich, ob auf Seite der Opposition oder auf Regierungsseite: Sie sind immer aufrecht gegangen – ein echter Steirer sozusagen. (Abg. Mag. Stadler: Ohne Rückgrat!) Und Steirerblut ist ja schließlich kein Himbeersaft! (Beifall des Abg. Dkfm. Holger Bauer. )

Meine Damen und Herren! Im übrigen schließe ich mich den Ausführungen der Kollegin Schmidt an. Ich sage Ihnen, Herr Khol: Sie sind ein ganz feiger Politiker! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kukacka: Pfui! Das war unanständig!)

18.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter, ich möchte Ihnen sagen: Dieser Schlußsatz war wirklich völlig überflüssig. Bitte in Zukunft solche Formulierungen zu vermeiden!

Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt, Wabl und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 592/A bis 602/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 3006/J bis 3017/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates ist für Mittwoch, den 8. Oktober 1997, um 11 Uhr in Aussicht genommen. Sie wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 18.03 Uhr