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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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785. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Mittwoch, 2. Juni 2010

 

 


Stenographisches Protokoll

785. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 2. Juni 2010

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 2. Juni 2010: 9.05 – 14.27 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuerge­setz 1994, das Grundsteuergesetz 1955, das Bundesgesetz über eine Abgabe vom Bodenwert, das Gebührengesetz 1957, die Bundesabgabenordnung, das Abgaben­verwaltungsorganisationsgesetz 2010, das Normverbrauchsabgabegesetz 1991, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das EUROFIMA-Gesetz, das Gesundheits- und Sozial­bereich-Beihilfengesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2010 – AbgÄG 2010)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Durchführung inter­nationaler Sanktionsmaßnahmen (Sanktionengesetz 2010 – SanktG) erlassen und das Bundesgesetz über den Kapital- und Zahlungsverkehr mit Auslandsbezug (De­visen­gesetz 2004) geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Finanzmarktauf­sichtsbe­hördengesetz, das Börsegesetz 1989, das Zahlungsdienstegesetz, das Wertpapier­aufsichtsgesetz 2007, das Glücksspielgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bundeskriminalamt-Gesetz geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Wirtschafts­treu­handberufsgesetz und das Bilanzbuchhaltungsgesetz geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird

8. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2009

9. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea über soziale Sicherheit

10. Punkt: 2. Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Australien im Bereich der sozialen Sicherheit


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über soziale Sicherheit

12. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über soziale Sicherheit

13. Punkt: Bericht zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission und des Rates für das Jahr 2010

14. Punkt: Petition betreffend „Klare Lebensmittelkennzeichnung in Österreich“

15. Punkt: Wahl der Vizepräsidentin und des Vizepräsidenten, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das 2. Halbjahr 2010

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht des Bundesrates Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg ........................................................ 8

Angelobung der Bundesrätin Mag. Dr. Angelika Winzig ............................................. 9

Schlussansprache des Präsidenten Peter Mitterer .................................................... 9

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit den Cayman Islands zum Abschluss eines Abkommens über den Auskunftsverkehr in Steuersachen ................................................................................ 32

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der Republik Liberia zum Abschluss eines Abkommens über den Auskunftsverkehr in Steuersachen ................................................................................ 32

Schreiben des Bundeskanzleramtes und Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen zur Änderung des Protokolls (Nr. 36) über die Übergangs­bestimmungen durch den Herrn Bundespräsidenten ........................................................................................ 33

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) GO-BR ................................................................................................. 36

15. Punkt: Wahl der Vizepräsidentin und des Vizepräsidenten, der Schrift­führerInnen und der OrdnerInnen für das 2. Halbjahr 2010 ....................................................................................................... 96

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 8

Aktuelle Stunde (3.)

Thema: „Lehren aus der Euro-Krise: Klare Konsequenzen für Europa und raus aus der Schuldenfalle“ .............................................................................................................. 11


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 3

Redner/Rednerinnen:

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 11

Johann Kraml .......................................................................................................... ..... 14

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 16

Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll .......................................................................... ..... 19

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 23

Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 25

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 26

Cornelia Michalke ......................................................................................................... 28

Peter Zwanziger ...................................................................................................... ..... 30

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 31

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 36

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 31

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuer­gesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Grundsteuergesetz 1955, das Bundesgesetz über eine Abgabe vom Bodenwert, das Gebührengesetz 1957, die Bundesabgabenordnung, das Abga­ben­verwaltungsorganisationsgesetz 2010, das Normverbrauchsabgabegesetz 1991, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das EUROFIMA-Gesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden (Abgabenänderungs­ge­setz 2010 – AbgÄG 2010) (662 d.B. und 741 d.B. sowie 8311/BR d.B. und 8313/BR d.B.) ................................................... 37

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................... 37

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 geändert wird (742 d.B. sowie 8314/BR d.B.) ................... 37

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................... 37

Redner/Rednerinnen:

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 38

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 39

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................... 40

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 42

Johann Kraml .......................................................................................................... ..... 42

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ................................................................ ..... 43

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 44


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 4

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 45

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Durchführung internationaler Sanktionsmaßnahmen (Sanktionengesetz 2010 – SanktG) erlassen und das Bun­desgesetz über den Kapital- und Zahlungsverkehr mit Auslandsbezug (De­visengesetz 2004) geändert wird (656 d.B. und 739 d.B. sowie 8315/BR d.B.) ............ 45

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................... 45

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichts­behör­dengesetz, das Börsegesetz 1989, das Zahlungsdienstegesetz, das Wertpapier­aufsichtsgesetz 2007, das Glücksspielgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bundeskriminalamt-Gesetz geändert werden (661 d.B. und 740 d.B. sowie 8312/BR d.B. und 8316/BR d.B.) ......................................................................... 45

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................... 45

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden (673 d.B. und 692 d.B. sowie 8317/BR d.B.) ..................................... 45

Berichterstatterin: Maria Mosbacher ............................................................................. 46

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Wirtschaftstreuhandberufs­gesetz und das Bilanzbuchhaltungsgesetz geändert werden (671 d.B. und 718 d.B. sowie 8318/BR d.B.) .................................................... 45

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M. .............................................................. 46

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 47

Kurt Strohmayer-Dangl .......................................................................................... ..... 49

Wolfgang Sodl ......................................................................................................... ..... 50

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 52

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner ............................................... ..... 54

Karl Petritz ............................................................................................................... ..... 54

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ................................................................ ..... 55

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 57

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 57

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 57

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 57


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7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (627 d.B. und 717 d.B. sowie 8319/BR d.B.)                     57

Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 58

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 58

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 59

Adelheid Ebner ....................................................................................................... ..... 61

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 64

Josef Steinkogler .................................................................................................... ..... 66

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................... ..... 66

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 68

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 69

8. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2009 (III-395-BR/2010 d.B. sowie 8320/BR d.B.) ................................................................................ 69

Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 69

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Greiderer ................................................................................................ ..... 70

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................... 71

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 73

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 74

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 77

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner .......................................................... ..... 79

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ..... 82

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-395-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 82

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea über soziale Sicherheit (607 d.B. und 719 d.B. sowie 8321/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 82

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 83

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend 2. Zu­satz­abkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Australien im Bereich der sozialen Sicherheit (609 d.B. und 720 d.B. sowie 8322/BR d.B.) ....................................................................................................... 82

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 83

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über soziale Sicherheit (682 d.B. und 721 d.B. sowie 8323/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 82

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 83

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 6

für Industrielle Entwicklung über soziale Sicherheit (686 d.B. und 722 d.B. sowie 8324/BR d.B.) ................................................................. 83

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 84

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 84

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 84

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 84

13. Punkt: Bericht des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission und des Rates für das Jahr 2010 (III-393-BR/2010 d.B. sowie 8325/BR d.B.) ................................................................................................................. 84

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 84

Redner/Rednerinnen:

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 85

Edgar Mayer .................................................................................................................. 86

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 88

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ..... 89

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-393-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 91

14. Punkt: Petition betreffend „Klare Lebensmittelkennzeichnung in Österreich“, überreicht von Bundesrat Ferdinand Tiefnig (27/PET-BR/2009 sowie 8326/BR d.B.) ........................................... 91

Berichterstatterin: MMag. Barbara Eibinger ................................................................ 91

Redner/Rednerinnen:

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ..... 92

Maria Mosbacher ..................................................................................................... ..... 93

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 94

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den schriftlichen Ausschuss­bericht 8326/BR d.B. zur Kenntnis zu nehmen ...................................................................................................................... 96

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Johann Ertl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Priority-Terminal (2758/J-BR/2010)

Mag. Bettina Rausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Einführung des Pflichtfachs Politische Bildung aber der 5. Schulstufe (2759/J-BR/2010)


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Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend kriminelle Verwendung von österreichischen Mobiltelefonen (2539/AB-BR/2010 zu 2742/J-BR/2010)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Georg Keuschnigg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeichnung heimischer Lebensmittel (2540/AB-BR/2010 zu 2747/J-BR/2010)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kersch­baum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prozess gegen Tierschützer/innen (2541/AB-BR/2010 zu 2748/J-BR/2010)


 


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 8

09.05.18Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

 


Präsident Peter Mitterer: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 785. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 784. Sitzung des Bundesrates vom 6. Mai 2010 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Mag. Michael Hammer, Günther Kaltenbacher, Albrecht Konecny, Juliane Lugsteiner und Elmar Podgorschek.

In unserer Mitte darf ich Herrn Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll herzlich begrüßen. (Allge­meiner Beifall.)

09.05.49Einlauf

 


Präsident Peter Mitterer: Eingelangt ist ein Schreiben des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht beziehungsweise Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandats­verzicht:

                                 „Friedrich Bernhofer

  Erster Präsident des OÖ. Landtags

                                   L-16/13-XXVII-Rm

                                               31. Mai 2010

An den Präsidenten des Bundesrates

Herrn Peter Mitterer

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

Änderung in der Zusammensetzung des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich teile mit, dass Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg mit Ablauf des heu­tigen Tages auf sein Mandat als Mitglied des Bundesrates verzichtet. Eine Kopie der Verzichtserklärung ist in der Anlage angeschlossen.

Laut Mitteilung des Klubs der ÖVP-Landtagsabgeordneten soll das Ersatzmitglied des Bundesrates Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg, Frau Mag. Dr. Angelika Winzig ex lege in den Bundesrat nachrücken. Als neues Ersatzmitglied wurde LAbg. Gabriele Lackner-Strauss, Hauptplatz 17, 4240 Freistadt, vorgeschlagen.

Die Nachwahl des neuen Ersatzmitgliedes erfolgt im Rahmen der Landtagssitzung am 10. Juni 2010.

Mit freundlichen Grüßen

1 Anlage“

„Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg

Sigmund-Spiegelfeld-Straße 1


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 9

4707 Schlüßlberg

An den

Ersten Präsidenten des Oö. Landtages

Friedrich Bernhofer

Landhausplatz 1

4021 Linz

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident!

Ich verzichte mit Ablauf des 31. Mai 2010 auf meine Mitgliedschaft im Bundesrat.“

*****

09.06.19Angelobung

 


Präsident Peter Mitterer: Das neu gewählte Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Frau Schriftführerin um die Verlesung der Gelöbnisformel.

9.06.37

 


Schriftführerin Ana Blatnik: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

 


Bundesrätin Mag. Dr. Angelika Winzig: (ÖVP, Oberösterreich): Ich gelobe.

 


Präsident Peter Mitterer: Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesrates herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall. Bundesrätinnen und Bundesräte sowie Vize­kanzler Dipl.-Ing. Pröll gratulieren Bundesrätin Dr. Winzig.)

09.08.08Schlussansprache des Präsidenten

 


9.08.20

Präsident Peter Mitterer: Werte Kolleginnen und Kollegen! In meiner Mappe steht nun als nächster Tagesordnungspunkt „Abschiedsrede“. – Es wird natürlich keine Ab­schieds­rede sein, denn als Präsident des Bundesrates werde ich mich zwar bald ver­abschieden, nicht aber als Mitglied des Bundesrates. Sollte ich das Glück haben und noch am Leben bleiben, werde ich bis März 2014 diesem Hohen Hause angehören.

Ich nehme diese Rede nicht zum Anlass, Reformvorschläge zu deponieren. Das sollte mein Nachfolger machen, wie auch ich das vor einem knappen halben Jahr getan habe. Folgender Aspekt gehört aber, so glaube ich, doch beleuchtet, und zwar – und das ist nicht mit Wehmut gesagt – die Dauer der Präsidentschaft. Ich habe schon vor viereinhalb Jahren gesagt, dass es runder, besser und effizienter wäre, eine jährliche Rochade durchzuführen. An meinem Beispiel beweist sich, dass ich nicht unrecht habe.

Als ich meine Antrittsrede hier gehalten habe, war ich schon mehr als sechs Wochen Präsident, und heute halte ich meine Abschiedsrede und werde noch vier Wochen lang Präsident sein. (Heiterkeit.) – Das heißt also, der Berichtszeitraum umfasst knappe dreieinhalb Monate. Ich glaube, das wäre wirklich zu überdenken. (Bundesrat Kneifel: Wenn das so weitergeht, können wir es zusammenlegen!)


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 10

Ich weiß natürlich: Hätte ich mich vor viereinhalb Jahren mit der Idee der jährlichen Rochade durchgesetzt, dann stünde ich heute nicht hier, denn dann wäre ja Kärnten erst in viereinhalb Jahren zum nächsten Mal dran gewesen. Das weiß ich schon. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Wäre das ein Gewinn?)

Bei meiner Antrittsrede habe ich einige Vorhaben bekannt gegeben, und die sind auch umgesetzt worden beziehungsweise sind gerade in Umsetzung. Beim Treffen der europäischen Senatspräsidenten in Rom durfte ich gemeinsam mit Frau Dr. Bachmann Österreich vertreten und auch vor dem Senat in Rom reden. Es war nicht nur eine wunderschöne Fahrt, sondern wir haben Österreich auch gut repräsentiert, auch wenn die Heimreise dann aufgrund der Aschewolke nicht mit dem Flugzeug vonstattengehen konnte, sondern mit dem Auto erfolgt ist.

Vor Kurzem hat in Wien ein Treffen der Landtagspräsidenten – der Landtags­prä­sidenten Österreichs und auch Südtirols – stattgefunden, und da wurde zum Beispiel – und das ist auch für den Bundesrat wesentlich – die Zusammenarbeit über die Verbindungsstelle bezüglich Lissaboner Verträge, Subsidiaritätskontrolle, -rüge und -klage ausführlich diskutiert und im Sinne des Bundesrates auch vorangetrieben. Ich behaupte – und ich glaube, da sind Sie mit mir einer Meinung –, dass mit diesen neuen Beschlüssen, die wir in dieser Angelegenheit vor Kurzem auch im Bundesrat gefasst haben, auch eine erste Aufwertung des Bundesrates erfolgt ist.

Von 10. bis 12. Juni wird nun in Zypern die Konferenz der Parlamentspräsidenten des Europarates stattfinden, bei der ich gemeinsam mit Frau Vizedirektorin Dr. Alsch-Harant ebenfalls anwesend sein werde.

Und was mich ganz besonders freut: Es gibt eine Gegeneinladung des Präsidenten des Staatsrates der Republik Slowenien Blaž Kavcic, der am 14. März von mir nach Kärnten eingeladen gewesen war. Wir konnten dabei wirklich konstruktive Gespräche führen, auch im Bereich der Wirtschaftsdelegation, und diese werden wir beim Gegen­besuch am 16. Juni in Laibach, Lipica und Koper fortsetzen.

Ich sage das deshalb voller Stolz, weil in den Medien sehr oft über den Konflikt Kärn­tens – nicht nur Österreichs, sondern vor allem Kärntens – mit Slowenien berichtet wird. – Und dann kommt der Präsident des Staatsrates der Republik Slowenien nach Kärnten, fühlt sich dort wohl und lädt mich zu einem Gegenbesuch nach Slowenien ein! In den Medien werden Sie davon wahrscheinlich nichts lesen, auch wenn wir stündlich Presseaussendungen in dieser Angelegenheit machen, weil es offensichtlich nicht sein darf, dass ein Kärntner Präsident des Bundesrates einen slowenischen Kollegen einlädt. Das ist nämlich positiv, und das darf in den Medien natürlich nicht vorkommen.

Was Feierlichkeiten anlangt, erinnere ich mich ganz gerne an den 13. Jänner zurück – viele von euch waren dabei –, als sich Kärnten mit einer Feier hier in Wien präsentiert hat, mit Militärmusik und mit typischen Kärntner Liedern. Als Gegenstück fand gestern eine Vernissage einer jungen Kärntner Künstlerin statt, die sich hier präsentiert hat – und noch immer präsentiert; die Bilder hängen draußen im Foyer. Ich darf die Künst­lerin, Yvonne Dörfler, auch ganz herzlich heute hier bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir haben damit gezeigt, dass das Parlament, dass der Bundesrat auch der Jugend eine Chance gibt, und ich glaube, das hat man gestern wirklich hervorragend gesehen.

Abschließend gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Hohen Hauses, an der Spitze natürlich Frau Direktorin Dr. Bachmann und Frau Vizedirektorin Dr. Alsch-Harant, die ihre Arbeit wirklich loyal – das ist ja ein Problem, alle halben Jahre einen anderen Chef zu haben – und hervorragend im Sinne der österreichischen


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 11

Bevölkerung und auch im Sinne des Bundesrates leisten. Herzlichen Dank! (Allge­meiner Beifall.)

Ich bitte, diesen Dank auch an alle Mitarbeiter weiterzugeben, und grüße von hier aus einen Mann, der mein Chauffeur war – und auch der Chauffeur meiner Vorgänger – und der leider an einem Herzinfarkt laboriert und im Krankenstand ist. Ich bitte Sie, Frau Dr. Bachmann, ihm die Grüße des Bundesrates und die guten Genesungs­wün­sche zu überbringen.

Ich möchte mich vor allem auch bei Ihnen bedanken, werte Damen und Herren. Es waren spannende fünf Monate – es ist ja noch kein halbes Jahr –, und ich muss sagen, der Bundesrat ist anders als andere politische Institutionen. Er ist kameradschaftlicher, er ist über die Parteigrenzen hinweg bestrebt, für die Bevölkerung einzutreten, und ich glaube, das zeichnet uns aus. Ich möchte daher meinem Nachfolger in der Stafette, Herrn Kollegen Preineder aus Niederösterreich, viel Erfolg wünschen, denn es stehen uns noch schwere Zeiten bevor, es ist noch nicht überstanden.

Ich schließe daher mit einem Zitat eines berühmten Philosophen, der meinte: Eine Möglichkeit, die Vergangenheit zu korrigieren, ist, die Zukunft zu gestalten. Gestalten wir die Zukunft gemeinsam! Glück auf! (Allgemeiner anhaltender Beifall.)

Bei meiner Antrittsrede war ich sehr stolz, dass alle im Hause anwesenden Fraktionen applaudiert haben, und mein Ziel war es eigentlich, bei der Abschiedsrede das Gleiche zu erreichen, um dadurch zu sehen, dass ich richtig gearbeitet habe – und das ist mir gelungen. Herzlichen Dank für den Applaus aller Fraktionen! (Heiterkeit.)

9.16

09.15.47Aktuelle Stunde

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Lehren aus der Euro-Krise: Klare Konsequenzen für Europa und
raus aus der Schuldenfalle“

 


Präsident Peter Mitterer: Ich heiße Herrn Vizekanzler und Finanzminister Dipl.-Ing. Josef Pröll noch einmal herzlich willkommen.

Der Ablauf gestaltet sich im Sinne der in der Präsidialkonferenz getroffenen Verein­barung. Zuerst kommt je ein Redner pro Fraktion zu Wort, dessen Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Dann folgt die Stellungnahme des Herrn Vizekanzlers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Sodann folgt ein Redner der Bundesräte ohne Fraktion und dann je ein Redner der Fraktionen mit jeweils 5 Minuten Redezeit. Anschließend kommt wieder ein Redner der Bundesräte ohne Fraktion mit 5 Minuten zu Wort. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit ebenfalls 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Kneifel. Bitte.

 


9.16.50

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister und Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses! Ich glaube, der Applaus aller Fraktionen, Herr Präsident, hat dir gezeigt, dass wir mit deiner Vorsitzführung und deiner Präsidentschaft sehr einverstanden waren. Wir danken dir und hoffen, dass auch die nächste Funktionsperiode, die an Nie­derösterreich geht, in diesem Sinne gemanagt und bewältigt wird. Die Zeiten sind ja


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schwierig, wie auch im Thema der heutigen Aktuellen Stunde angesprochen wird. – Ein herzliches Dankeschön noch einmal, Herr Präsident!

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, wir befinden uns im dritten Jahr einer schwierigen Phase – nicht nur Europas, sondern auch global gesehen –, die ihre Auswirkungen auch auf unsere Republik und deren Länder hat. Wir neigen dazu, wenn etwas länger anhält, abzustumpfen, die Situation vielleicht nach dem Prinzip „Die gute alte Zeit!“ minder zu bewerten und wieder zur Tagesordnung überzugehen.

Ich weiß nicht, ob nachfolgende Generationen einmal sagen, das sei eine „gute alte Zeit“ gewesen. Es wird maßgeblich von uns abhängen, wie wir uns in dieser schwie­rigen Phase bewähren und diese Probleme auch entsprechend bewältigen.

Ich glaube, wir sind in diesen Tagen und Wochen mehr denn je gefordert. Es hat meiner Meinung nach schon Zeiten gegeben, in denen es für Abgeordnete, für Mandatare leichter war, Entscheidungen zu treffen, die für die Zukunft, für die nächsten Wochen, auch für die Gegenwart wesentlich sind und eine enorme Bedeutung haben.

Ich will nicht mehr auf das Zustandekommen dieser Krise eingehen. Das ist auch nicht das Thema der heutigen Aktuellen Stunde, sondern es geht um die Lehren, die wir aus der Euro-Krise ziehen. Es geht um die Konsequenzen für Europa und um das Resümee: Raus aus der Schuldenfalle!

Es ist einfach zu kurz gegriffen, wenn wir sagen, das Ganze ist auf Spekulanten zurückzuführen. Die Spekulanten haben einen aufbereiteten Boden, einen Humus dafür vorgefunden, und zwar, dass manche Staaten in Europa weitgehend über ihre Verhältnisse gelebt haben, dass zu viel ausgegeben wurde, dass mehr ausgegeben wurde, als eingenommen wurde. Der Humus war die Schuldenpolitik, das „Treib­hausklima“ dazu war das Leben über die Verhältnisse.

Und seien wir doch ehrlich: Viele Staaten hatten schon vor der Krise Probleme, haben schon vor der Krise über ihre Verhältnisse gelebt. Es ist eben der bitterste Weg, aus der Erfahrung zu lernen – der einfachste Weg, durch Nachahmen, der zweite, durch Nachdenken, und der dritte, der bitterste Weg besteht darin, aus eigener Erfahrung zu lernen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, der Nationalrat hat in diesem Haus vor wenigen Tagen einen Haftungsrahmen für Griechenland beschlossen. Alle euro­päischen Länder haben sich daran enorm beteiligt und engagiert – um den Euro wieder in der Balance zu halten, um entsprechende Sicherungsmaßnahmen zu setzen.

Es ist schon eine gewisse Parodie, dass das Wort Ökonomie beziehungsweise oikonomia aus dem Griechischen kommt. Oikos bedeutet Haus und nomos bedeutet Gesetz. Ökonomie bedeutet also „die Gesetzmäßigkeiten vom Haushalten“ oder, sich an die Gesetzmäßigkeiten der Natur zu halten, nachhaltig zu wirtschaften. Das ist ein griechisches Wort – und jetzt gerät Europa ausgerechnet durch griechische Politik ins Wanken und muss stabilisiert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel für die Zukunft muss es sein – und das ist eine wichtige Lehre –, mit den Ressourcen nachhaltig und nicht verschwenderisch umzugehen, das gemeinsame Haus Europa zu erhalten und alles zu tun, damit dieser Zusammenhalt in Europa auch in Zukunft gegeben und gewährleistet ist.

Es hat schon verschiedene Volkswirtschaftslehren gegeben. Da gibt es jene vom soge­nannten Deficit Spending. Das wurde lange genug gemacht, damit wurden Staats­schulden angehäuft. Das ist nicht der richtige Weg, damit werden die Budgets, die Wirtschaft, die Konjunktur und letztlich die soziale Sicherheit gefährdet. Es erwischt letztlich immer die Kleinsten, sie werden dann als Zahler herangezogen. Das ist


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weitgehend zu verhindern! Das muss unser Bestemm sein, wenn wir von den Lehren reden, die aus dieser Krise gezogen werden sollen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, ganz konkret: Was ist wichtig für die Zukunft? Welche Lehren ziehen wir aus der Krise? Die Konjunktur- und Rettungs­pakete der Banken wurden verabschiedetnicht für die Banken, sondern mit dem Ziel, dass die Sparguthaben und die Kreisläufe der Wirtschaft erhalten bleiben, damit ein kleiner Unternehmer Kredite bekommt, wenn er einen Auftrag hat und Material kaufen muss. Sinn und Zweck war es, dass der Geldfluss wieder in Gang kommt – und nicht die Banken! Die Bankmanager wollen wir nicht retten, aber die Geldflüsse und die Kreisläufe der Wirtschaft – das wollen wir retten!

Seit Oktober 2008, als die Krise ihren Anfang genommen hat, wurden in ganz Europa Rettungspakete für Banken in der Höhe von 4,9 Billionen € geschnürt! Österreich: 6,2 Milliarden € als Eigenkapitalzuschüsse. Anfang Mai 2010: 110 Milliarden € Finanz­hilfe für Griechenland. Mitte Mai: 750 Milliarden € für das europäische Paket, 750 Mil­liarden € in Summe!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das geht sicher kein zweites Mal! Das ist eine Chance, die jetzt ergriffen wurde. Deshalb müssen mit umso größerem Ernst Konsolidierungsmaßnahmen ergriffen werden. Zum Ersten: Konsolidierung der öffentlichen Budgets. Österreich ist unter dem Durchschnitt der Euroländer.

Das Finanzrahmengesetz ist eine vorbildhafte Maßnahme. Es ist mustergültig für Europa und verdient Nachahmung für das gemeinsame europäische Haus. Die Haus­halts­systematik der Gemeinden und Länder, Vermögens-, Finanz- und Erfolgsrech­nungen, die transparent und durchschaubar sind – das sind Lehren aus dieser Krise, meine sehr geschätzten Damen und Herren.

Das WIFO hat enorme Einsparungspotentiale aufgezeigt. Diese sind zuerst zu nutzen, bevor es um neue Steuern geht. Zuerst muss man die Einsparungsmöglichkeiten ausschöpfen (Bundesrat Mag. Klug: Aber es wird nicht reichen!) und erst dann weitere, darüber hinaus gehende Maßnahmen treffen. Aber es ist wert, das vorher zu überprüfen.

Eine Reform der Finanzmarktarchitektur Europas ist für die Zukunft ein absolutes Muss. Vieles wurde schon diskutiert, wenig wurde umgesetzt.

Kleine Banken haben die Krise nicht ausgelöst, meine sehr geschätzten Damen und Herren. Die Sparkasse im Ort, die Volksbank, die VKB, die Raiffeisenbanken et cetera – nicht sie haben die Krise ausgelöst.

Wir brauchen eine europäische Ratingagentur. Wir brauchen eine Finanz­transak­tions­steuer, die zwar unbestritten ist, aber endlich eingeführt werden soll, auch als Eigenfinanzierungsquelle für die Europäische Union. Sonst kommen wieder die Nettozahler dran, dann müssen wir noch mehr zahlen, und unsere Spielräume werden wieder mehr eingeschränkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluss kommend: Es geht einfach um die Rückkehr zu alten, bewährten Werten. Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Wir brauchen harte Auflagen für sogenannte Nehmerländer, wirksame Bud­get­kontrollen, Kontrollen der Finanzmärkte, eine starke europäische Finanzaufsicht – auch das wurde schon genannt – und klare Regeln für Hedgefonds.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Wichtigste ist aber, dass die ent­sprechenden Institutionen, und da nehme ich die politischen gar nicht aus, wieder mehr Vertrauen gewinnen, auch bei der Bevölkerung. Das Vertrauen ist oft wichtiger als das Kapital, das Vertrauen, dass die richtigen Maßnahmen gesetzt werden.


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Wir sollten selber – das ist eine Forderung an uns selbst – darum ringen und ent­sprechend an uns arbeiten. Diese Krise ist auch eine Chance des Parlamentarismus. Wenn wir die richtigen Antworten geben, mit Verantwortung handeln, dann ist das auch eine Chance, uns in den Augen der Bevölkerung neuerlich zu legitimieren.

Das wünsche ich mir von ganzem Herzen, wenn wir über die Lehren aus dieser Krise sprechen. So werden die richtigen Weichen für unsere Republik und für unsere Länder gestellt. – Ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

9.28


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


9.28.18

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Allein mit Zeitungsüberschriften, die es über die Wirtschaftskrise und über die Euro-Krise gegeben hat, könnte ich meine zehnminütige Redezeit jetzt schon ausfüllen. (Ruf bei der ÖVP: Das wäre eine Gaudi!) – Stimmt, das wäre eine Gaudi, wenn man das alles aufzählen würde, was da in den Zeitungen gestanden ist.

Das alles zeigt aber auch, wie polarisierend und vielschichtig dieses Thema ist. Die Rettungsaktion war wirklich ein Herkulesakt. Es geht bei diesem Euro-Rettungsschirm letztendlich um 750 Milliarden €, die da bereitgestellt werden, um den maroden Län­dern in der EU zu helfen beziehungsweise den Euro zu stabilisieren. Es war mit Sicherheit Rettung in letzter Minute.

Wenn Kollege Kneifel sagt, dass da sehr viele Länder über ihre Verhältnisse gelebt haben, dann denke ich mir, es gibt 40 Millionen Bürgerinnen und Bürger in der EU, die an oder unter der Armutsgrenze leben. Dass diese so über ihre Verhältnisse gelebt haben, kann ich mir bei Gott nicht vorstellen. Ich glaube, man macht sich’s immer leicht und sagt, da waren die Regierungen oder der eine oder andere schuld.

Jetzt haben wir gerade gehört, dass es nicht die Spekulanten waren, sondern dass die Spekulanten eigentlich nur „Humus“ gefunden haben und sich flott ernähren haben können – aber das glaube ich so nicht. Ich habe auch gelesen, dass Karlheinz Kopf gesagt hat, es waren nicht die Spekulanten. Die deutsche Bundeskanzlerin meint, dass es die Spekulanten waren. Der schwedische Finanzminister hat auch gesagt, dass es auf die Spekulanten zurückzuführen ist, und auch so manch anderer Finanzexperte hat das Grundübel darin gesehen, dass so viel spekuliert wird.

Das Grundübel ist, dass täglich Milliarden Euro rund um den Globus gejagt werden, von denen die einzelnen Budgets nichts sehen, da gibt es null Abgaben. Ich glaube, auch da muss man einmal etwas tun. Ich meine auch, dass die Finanzmärkte gezügelt werden müssen, über das Wie ist man sich noch nicht ganz einig, dazu gibt es eine sehr vielschichtige und interessante Diskussion.

Früher hatten die Banken die Funktion, der Wirtschaft und dem Staat Geld zu geben, um Fortschritte zu finanzieren. Jetzt ist es umgekehrt, jetzt haben die Banken und das Kapital zumeist die Wirtschaft und den Staat in der Hand. Das kann auch nicht richtig sein. Ich denke, dass immer die nationalen Parlamente die entsprechenden Ent­schei­dungen treffen müssen.

Bei dieser europa- und weltweiten Finanzkrise neigt man dazu, zu sagen, jetzt muss Geld hereinkommen. Von wo soll das Geld kommen? Da fällt manchen – zumindest von der ÖVP – immer sofort eine Massensteuer ein: Mineralölsteuer. Diese habe eine ökologisierende Wirkung; das ist natürlich ein schönes Mäntelchen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Hier, von diesem Rednerpult aus, haben Kollegen der ÖVP die etwa


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200 Millionen €, die man über diese ökologisierende Steuer mehr einnimmt, schon wieder verteilt, obwohl die Steuer noch gar nicht eingeführt wurde und bisher kein einziger Euro hereingekommen ist! Das wurde von da aus gesprochen! (Rufe bei der ÖVP: Wer? Wer?) – Ich habe ja gewusst, dass es jetzt lustig wird.

Ich habe auch schon vernommen, dass man daran denkt, die Mehrwertsteuer ... (Zwi­schenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Je nachdem, wie du das empfindest, Herr Kollege Himmer. Ich überlasse es dir, das als komisch oder lustig zu empfinden. Diese Bandbreite steht dir offen. (Bundesrat Gruber: Hoffentlich verliert er sich nicht darin!)

Ich meine nur, dass zuerst jene zahlen müssen, die an dieser Sache verdient haben. Wir haben uns bei dieser Konsolidierungsdebatte gerechtes Sparen und gerechtes Ein­nehmen zum Ziel gesetzt, und ich glaube, da sind wir auf dem richtigen Weg. Es kann nicht sein, dass zuerst die kleinen Arbeiter zum Handkuss kommen – und mit diesen Massensteuern kommen sie dazu, auch wenn sie keine Steuer zahlen. Es werden die täglichen Dinge des Lebens teurer, daher kommen sie da auch zum Handkuss und müssen mehr zahlen. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.) – Wenn sie keine Steuern zahlen, Herr Bundesminister, dann zahlen sie, wenn die Mehr­wertsteuer erhöht wird, für die Produkte mehr ... (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Sie ha­ben gerade gesagt, es gibt sehr viele, die keine Steuern zahlen!) – Ja, das stimmt, aber sie kommen bei der Mehrwertsteuer zum Handkuss. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es gibt meiner Meinung nach sowieso nur ganz wenige Steuern, die nicht letztendlich die Bürgerin und der Bürger bezahlen. Ich meine, dass die Finanztransaktionssteuer die einzige ist, die nicht ganz bis zum Bürger hinuntergeht.

Ganz so falsch kann die SPÖ ja nicht liegen, wenn sich zum Beispiel auch Wirtschafts­kammerpräsident Leitl mit so einer Finanztransaktionssteuer anfreunden kann, weil das, wie er sagt, ein richtiger Weg ist. Er ist dabei natürlich sofort mit dem Börsenchef in den Clinch gegangen, aber letztendlich hat er gesagt, okay, das kann man sich vorstellen, und ich meine, man sollte darüber nachdenken.

Zu einer Vermögenszuwachssteuer: Diese würde bedeuten, dass auf alle Gewinne sofort eine 25-prozentige Kapitalertragssteuer fällig wird. Auch die Spekulationsfristen gehören weg. Und bei den Managergehältern haben wir gesagt, 500 000 € sind genug, alles andere hat die Firma zu bezahlen – macht auch einige Millionen aus.

Was mich immer wundert: Wenn es um Gelder von den „Reichen und G’stopften“ geht, wie Karlheinz Kopf gesagt hat – es geht ihn schon so an, dass immer nur über die gesprochen wird –, sind das alles nur Peanuts. 200 Millionen €: Peanuts, 300 Mil­lionen: Peanuts, das brauchen wir alles nicht. Ja, es ist so! Er hat sich ja deswegen so aufgeregt, weil eben immer nur über die „Reichen und G’stopften“, wie er sagt, diskutiert wird. Das steht im „Standard“, das ist so. (Bundesrat Perhab: Das ist mehr die Diktion von ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dann kommt noch die Gruppenbesteuerung dazu. Meine Damen und Herren, auch das ist eine ungerechte Steuer. Wenn ich in Österreich riesige und große Unternehmen habe, die letztendlich auch ganz gut verdienen ... (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Na Gott sei Dank! Gott sei Dank! 100 000 ArbeitnehmerInnen aus ...!) – Herr Bundesminister, beruhigen Sie sich wieder, es ist schon recht! (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Nein, ich muss mich da aufregen! – Aber, Entschuldigung, ich wollte nicht unterbrechen! – Ruf bei der ÖVP: Viel Zeit hast du nimmer!) – Es leuchtet noch nichts, ich habe noch jede Menge Zeit.

Ich denke, es ist wirklich so. Wenn die Unternehmen keine Steuern zahlen, weil sie im Ausland Betriebe haben, die Defizit machen und das in Österreich gegengerechnet


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wird, dann fließt in die Staatskasse kein Geld. Jetzt kann ich schon sagen, okay, die Arbeitsplätze werden erhalten. Das stimmt schon. (Ironische Heiterkeit des Vize­kanzlers Dipl.-Ing. Pröll.) Nur ist diese Gruppenbesteuerung ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, die Gruppenbesteuerung ist eine ungerechte Steuer! Es kann ja nicht so sein, dass der Portier eines Unternehmens mehr Steuern zahlt als das ganze Unter­nehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, es gibt auch noch das Stopfen der Steuerschlupflöcher. Das ist okay. Professor Schneider von der Uni Linz geht, glaube ich, seit zehn oder 15 Jahren mit einem Konzept durch die Welt, wo er uns erklärt, wie viel Steuergeld dem Staat allein durch Pfuschertum und Ähnliches entgeht.

Ich lese jetzt in den Zeitungen die Inserate, die der Herr Bundesminister schaltet: „Wer Steuern zahlt, darf nicht der Dumme sein.“ (Bundesrat Dr. Kühnel: In welcher „Qualitäts­zeitung“ war das?) Das war am Wochenende in jeder Zeitung zu lesen: „Wer Steuern zahlt, darf nicht der Dumme sein.“ Genau das ist es! Da frage ich mich aber: Warum tun wir das nicht schon lange, wenn wir wissen, dass wir Millionen an Steuerguthaben ausständig haben, weil irgendwo ein Einspruch gemacht wurde und es jahrelang dauert, bis das abgehandelt wird?

Wenn ich als kleiner Betrieb etwas nicht zahle, habe ich sofort die Finanz am Hals, da kann ich mir nicht helfen. Bei den Großbetrieben geht das! (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Das stimmt ja nicht!) – Das stimmt! Wo kommen denn dann diese vielen Millionen Steuerrückstände her?– Dann bin aber ich der Dumme gewesen, weil ich meine Steuern bezahlt habe. So einfach kann es ja nicht sein, Herr Bundesminister! Sie sollten nicht nur in den Zeitungen inserieren, damit es schön ausschaut, sondern auch etwas tun! (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Das machen wir, keine Sorge!) 

Wie gesagt, es geht mir einfach darum, dass die künftige Besteuerung der Öster­reiche­rinnen und Österreicher beziehungsweise die Budgetsanierung möglichst gerecht von­stattengeht. Ich weiß, dass jeder seinen Beitrag dazu leisten muss, auch der Kleinere wird einen Beitrag dazu leisten müssen. Aber er wird ihn wesentlich leichter leisten können, wenn er sieht, dass auch auf der anderen Seite Geld hereinkommt. (Beifall bei der SPÖ.)

9.39

 


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


9.39.13

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren Gäste! Allein die Diskussion jetzt hier zwischen ÖVP und SPÖ hat gezeigt, wie uneinig man sich in dieser schweren Krise ist.

Der eine sagt hü, der andere sagt hott, einig wird man sich offensichtlich nicht. Ich kann Ihnen sagen, in dieser Krise bieten Sie beide ein ziemlich jämmerliches Bild. Wie soll da der Bürger darauf vertrauen, dass Sie wissen, wie diese Krise zu bewältigen ist?! (Bundesrat Gruber: Es gibt ja noch die FPÖ! Wir warten auf die Geistesblitze von Strache! – Bundesrat Mag. Klug: Auf den Messias!) – Das Lachen wird euch noch vergehen, das kann ich euch sagen!

Selbstverständlich, Herr Kollege Kneifel, muss man sich auch die Rolle der Banken anschauen, denn in allen großen Wirtschaftskrisen war die Rolle der Banken eine ganz wesentliche. Das war im frühen 18. Jahrhundert schon so mit den Kreditkäufen, die Frankreich damals an den Rand des Ruins gebracht haben, das war 1929 mit den Optionsgeschäften so, die eine Weltwirtschaftskrise ausgelöst haben. (Bundesrat Mag. Himmer: Und 2009 in Kärnten war es auch so!) Und heute haben wir halt


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Finanzzentren wie Cayman Islands und andere, die keiner Kontrolle mehr unterliegen und die sich die Finanzmärkte zu eigen gemacht haben, die auch sehr begehrt sind.

Man hat sich also von den Zentralbanken abgekoppelt, man hat nicht mehr gesagt, wir nehmen zu fixen Regeln Kredite auf, um Geld in die Wirtschaft zu pumpen, sondern man hat sich am freien Markt versorgt, und das natürlich mit ordentlichen Spekulations­gewinnen. Die Finanzindustrie war total kreativ, wenn es darum gegangen ist, neue Finanztitel zu erfinden und Zweiggesellschaften zu gründen, wo sich am Ende über­haupt niemand mehr ausgekannt hat, bis vielleicht auf ein paar wenige, die dann auch sehr gut von diesen Geschäften profitiert haben. Das eigentliche Bankgeschäft ist dabei auf der Strecke geblieben.

Natürlich haben Sie recht, die Staaten sind auch nicht gerade verantwortungsvoll mit den Geldern der Steuerzahler umgegangen und haben Schulden um Schulden ange­häuft. Am schlimmsten hat es Griechenland getrieben. Wir müssen das jetzt nicht ewig wiederkäuen, aber man muss trotzdem sagen, wie es ist. Italien, Portugal und Spanien sind in einer durchaus ähnlichen Lage.

Wir Freiheitlichen haben immer gesagt, die Euro-Einführung am Beginn einer Wirt­schaftsunion ist der denkbar falsche Weg. Wenn, dann sollte eine gemeinsame Wäh­rung am Ende stehen. Da haben uns auch einige Finanzexperten durchaus recht gegeben, und wir sehen jetzt, was herausgekommen ist: Jetzt haben alle Euro-Staaten und vor allem die Bürger dieser Staaten große Angst, dass sie einen total weichen Euro bekommen, wo das Geld des Einzelnen nichts mehr wert ist. (Ruf bei der ÖVP: Aber ohne Euro schaut es noch schlechter aus!)

Schon damals, bei der Einführung des Euro, haben viele Finanzexperten gemutmaßt, dass die Bilanzen der Griechen nicht ganz astrein sind. Man hat das damals schon gewusst – aber zugeschaut. Alle Regierungschefs haben das billigend in Kauf genom­men und Griechenland an der Einführung des Euro teilhaben lassen, was damals eigentlich schon unredlich war.

So, und jetzt haben wir einen 750-Milliarden-€-Regenschirm aufgespannt, der all diese Staaten möglichst vom Regen abhalten soll. 750 Milliarden €, das sind Zahlen, wo ich bezweifle, dass Sie sich auch wirklich alle darunter etwas vorstellen können. Der Bür­ger, kann ich Ihnen sagen, kann es nicht. Der Bürger denkt hier anders, der Bürger denkt völlig zu Recht: Was ist mit meinen Ersparnissen, wenn eine Inflation kommt?, die ja durchaus im Raum steht. (Bundesrat Kneifel: Deshalb brauchen wir den Schirm, für den Bürger! Das ist der Grund für den Schirm!)

Ja, aber dazu gibt es ganz gegensätzliche Meinungen. Da kann ich Ihnen Zitate von einigen Finanzexperten vorlesen, die das nicht so sehen, dass das jetzt die Rettung ist, denn eines muss uns klar sein: Von diesen 750 Milliarden wird der Steuerzahler Europas keinen Cent mehr sehen, das Geld wird futsch sein! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kneifel: Das müssen Sie aber erst jemandem erklären! Es gibt keine Alter­native dazu!) – Das kann man dahingestellt sein lassen, das bezweifeln auch Finanz­experten. Und wenn Sie es mir nicht glauben wollen, vielleicht glauben Sie es anderen.

Es sagt zum Beispiel Lüder Gerken, Vorstand des Centrums für Europäische Politik: Der Euro wird zu einer Weichwährung, die Stabilitätsgemeinschaft, die die Eurozone einmal ausmachte, wird zu einer Schuldengemeinschaft.

Hans-Werner Sinn, der Chef des ifo Instituts München, hat genauso seine Bedenken angemeldet. Das ist durch sämtliche Zeitungen gegangen.

Clemens Fuest, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates beim BMF, geht mit seiner Meinung in eine ähnliche Richtung. – Und, und, und; das kann ich Ihnen alles


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gerne vorlesen. Also wir sind mit unseren Bedenken wirklich nicht allein. (Ruf bei der ÖVP: Die Alternative, bitte!)

Die Alternative wäre, dass man sich hier einmal Systemänderungen überlegen muss, vielleicht den Mut zu haben zu sagen, es könnte zwei Eurozonen geben. (Bundesrat Kneifel: Aber das kann man ja nicht rückwirkend machen! Das geht ja nicht rückwir­kend!) Denn es ist nicht einzusehen, dass die Länder, die den Euro immer stabil gehalten haben, dass Deutschland zum Beispiel von den Griechen bezichtigt wird, dass es eigentlich mit schuld an ihrer Krise ist, weil die Deutschen die Export­welt­meister sind. Deutschland hat sich in den Lohnverhandlungen immer sehr moderat verhalten, hat geschaut, dass es wettbewerbsfähig bleibt, und ist natürlich sehr stark exportorientiert. (Bundesrat Kneifel: So wie wir auch! Österreich auch!) Und die anderen, Spanien, Portugal, Griechenland, haben natürlich alle diese Waren gekauft. Aber ich kann jetzt nicht sagen, der, der schaut, dass er seinen Wettbewerb gut macht und im Griff hat, ist der Schuldige an einer Krise, nur weil die anderen jahrelang oder jahrzehntelang nicht in der Lage waren, irgendetwas in dieser Richtung weiterzu­brin­gen.

Es wäre schon richtig gewesen, hier auch die Banken in die Pflicht zu nehmen. Die Banken haben sich nämlich das Geld bei der EZB ausgeborgt, und zwar billiges Geld, haben dann die griechischen Anteilsscheine gekauft und haben prächtig daran ver­dient. Jetzt in der Krise sagen Sie, das geht aber nicht, dass wir den Banken einen Teil überantworten, ähnlich wie bei einem Zwangsausgleich, denn das würde auf uns alle zurückfallen.

Es ist wie im ersten Teil der Wirtschaftskrise beim Bankenpaket: Die Gewinne gehören den Banken, die Schulden gehören dem Steuerzahler. Und das kann es nicht sein! Hier zahlt ja nicht nur Österreich, hier zahlt ja ganz Europa.

Die Bürger müssen wieder Vertrauen haben, aber die Bürger wollen auch, dass entschlossen gegen Spekulanten vorgegangen wird. Und das sind Fragen, die Sie nicht ausreichend beantworten – weder ÖVP noch SPÖ und schon gar nicht ge­meinsam! Allein das Hin- und Hergezerre bei der Finanztransaktionssteuer hat gezeigt ... (Ruf bei der ÖVP: Wir haben eine einheitliche Meinung!) Wie einheitlich die Meinung dazu ist, das habe ich gemerkt. Jeder versteht nämlich offensichtlich etwas anderes darunter.

Kollege Schieder von der SPÖ hat in einem Interview in den Zeitungen anklingen lassen, dass davon jede Finanztransaktion betroffen sein könnte, sprich: auch die Über­weisung des Gehaltes auf das Konto. (Ruf bei der ÖVP: Sicher nicht!) Das kann es nicht sein, aber es steht im Raum, und das verunsichert die Bürger mehr und mehr.

Sparkurs ja, aber ein allzu strikter Sparkurs hat den gegenteiligen Effekt: Bei einem allzu rigiden Sparkurs besteht die Gefahr, dass es eine Zweiteilung der Gesellschaft gibt, und damit die große Gefahr, dass soziale Unruhen entstehen. Außerdem muss man sich ganz genau anschauen, wo und wie gespart wird – und das haben Sie beide nicht gesagt. Und warum sagen Sie es nicht? – Weil Wahlen vor der Tür stehen.

Sie sagen, wir müssen sparen, aber Sie sagen dem Bürger nicht, was, wann, wie, wo gespart werden muss. Das machen Sie ganz bewusst erst nach den Wahlen. (Bundesrat Kneifel: Ja, wissen Sie es?) Sie sind die Regierung, und Sie haben gefälligst zu sagen, wo Sie vorhaben zu sparen! Sie sitzen in der Regierung, nicht wir! (Bundesrat Kneifel: Das ist geheim!) Ich kann es Ihnen schon sagen, aber es ist Ihre Aufgabe, und ich sage Ihnen: Erledigen Sie Ihre Hausaufgaben, dafür sind Sie nämlich gewählt worden! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kneifel: Gewählt worden sind wir alle! – Bundesrat Gruber: Wir erinnern uns mit Grausen an 2000 bis 2006!)


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 19

Sie wissen ganz genau, dass Sie aufpassen müssen, dass Sie bei der Bildung nicht den Sparstift zu sehr ansetzen, weil die Bildung die Zukunft unseres Landes ist. Das ist die Zukunft unserer Kinder, unserer zukünftigen Arbeitskräfte, die ja auch die Wirt­schaft mit beleben sollen. (Bundesrat Boden: Für die Regierungsbeteiligung der FPÖ zahlen wir heute noch!)

Und vielleicht überlegen Sie sich einmal und sagen das auch in Brüssel, dass es für Staaten, die so schludrig waren wie Griechenland, ein strukturiertes Insolvenzverfahren geben soll. Wo steht denn geschrieben, dass ein Staat nicht pleitegehen darf, ohne dass alle anderen Länder darunter massiv leiden? In einem strukturierten Verfahren kann man das durchaus andenken.

Eines ist, weil Sie von Vertrauen gesprochen haben, wirklich ganz wesentlich, wenn Sie das Vertrauen der Bürger wieder zurückgewinnen wollen, nämlich dass man auch mehr direkte Demokratie zulässt, um auch die Wünsche der Bürger zu wissen. Sie behaupten zwar immer, Sie wüssten, was die Bürger wünschen, aber Ihre Politik ist eine andere. Dann, und nur dann, wird der Bürger wieder Vertrauen in die Politik haben, wenn Sie nicht ständig am Bürger vorbei Politik machen. (Beifall bei der FPÖ.)

9.49

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Finanzen zu Wort gemeldet.

Herr Vizekanzler, ich ersuche auch Sie, die Redezeit sollte 10 Minuten nicht über­schreiten. Ich darf Ihnen das Wort erteilen.

9.49.02

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon etliches angesprochen worden, und ich bin auch sehr froh, dass wir heute die Möglichkeit haben, in dieser Aktuellen Stunde darüber zu reflektieren: Was ist passiert, was ist an Hilfsmaßnahmen in Europa und in Österreich umgesetzt und was ist die Perspektive für die Zukunft?

Ich glaube nicht, dass jetzt die Zeit ist, im parteipolitischen Hickhack auseinanderzu­gehen. Wir haben ein paar Auseinandersetzungen gehabt um die Frage dessen, was für die Zukunft zu erledigen ist. Haben Sie keine Sorge, wir werden in der Bundes­regierung geschlossen und geeint im Herbst dieses Jahres das tun, was auch für Österreich notwendig ist, nämlich eine klare Perspektive für die Sanierung des Landes, für die Balance des Budgets gemeinsam in der Bundesregierung vorzubereiten.

Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen an verschiedene Themen, auf die ich dann noch zu sprechen kommen werde, das ist klar, weil es sich eben um zwei unter­schiedliche Parteien in einer gemeinsamen Koalitionsregierung handelt, aber gehen Sie davon aus, dass wir gestärkt, geeint und klar mit der Perspektive für die Zukunft aus dieser Krise herauskommen!

Ich weiß auch sehr genau, dass an den Stammtischen und in der Öffentlichkeit sehr heftig diskutiert wird, und ich breche das herunter auf einen einfachen Nenner: Warum Griechenland helfen? Warum musste mit 750 Milliarden € Haftungen – und das ist schon ein wesentlicher Unterschied: Haftungen; dafür habe ich gekämpft – der Euro stabilisiert werden? Warum diese Summen? Warum diese Notwendigkeit?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe gestern beim Seniorenrat im Parlament gesagt – manche waren dabei; und das ist die brutale Wahrheit, die man ansprechen muss –: Wir haben diesen Schirm spannen müssen und wir haben Griechenland unterstützen müssen, damit das Lebenswerk jener Generationen, die seit


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 20

1945 Europa aufgebaut haben, nicht von einem Tag auf den anderen den Bach hinun­tergeht. Das steht hinter dieser Hilfsaktion.

Lehman Brothers 2008 ist ein mahnendes Beispiel für einen Vorgang, wo die ameri­kanische Regierung Lehman in Konkurs gehen hat lassen. Genau so, wie Sie es angesprochen haben: Lassen wir Griechenland den Bach runtergehen, salopp gesagt. Und dann ist es losgegangen. Dann kam die erste große Welle der Finanzkrise, dann kam die zweite große Welle des letzten Jahres mit der Krise der Realwirtschaft und der Industrie, die wir heute noch bei den Einnahmen spüren. Uns fehlen Milliarden und Abermilliarden an Einnahmen. Man sieht, wie die Wirtschaft leidet. Und jetzt kommt die dritte große Welle der Insolvenzgefahr ganzer Staaten.

Es ist unverantwortlich, in einer Phase wie dieser, wo alles, was wir uns erwirt­schaftet haben, auf dem Spiel steht, keinen Rettungsschirm zu spannen, nicht zu helfen und ein Risiko einzugehen, das, wenn der Dominoeffekt einsetzen würde, nicht mehr zu beherrschen ist. Das ist eine Kettenreaktion, die da in Aussicht gestellt wurde. Wenn Sie Experten zitieren, dann kann ich nur den Experten der Europäischen Zentralbank, jenen Experten in der EU-Kommission und auch den Volkswirten, die die Länder beraten, Folge leisten, dass wir in der Nacht die Hilfe organisieren mussten.

Das ist kein populäres, aber ein notwendiges Thema. Das ist eine politische Ver­antwortung in einer schwierigen Zeit, nicht mitzuheulen, um zu punkten, sondern das zu tun, was leider notwendig ist.

Das waren die Entscheidungskriterien, nach denen die Regierungschefs und die Finanzminister in Europa gemeinsam zu handeln hatten.

Welche Maßnahmen haben wir gesetzt? – 750-Milliarden-€-Rettungsschirm für den Euro, Stabilisierung des Euro, dessen Stabilität im Übrigen nicht nur nach dem täglichen Wechselkurs zu bewerten ist. Wir haben mit diesen 750 Milliarden € das Euro-System als Ganzes in Schutz genommen, damit diese gemeinsame einheitliche Währung abgesichert ist, die unverzichtbar ist in der Krisenbewältigung. Wo stünden wir heute in der Krise, hätten wir den Euro nicht? Deshalb haben wir diese 750 Mil­liarden € als Garantierahmen beschlossen.

Es waren sehr harte Stunden der Verhandlung, auch für mich, weil einzelne Länder wie Deutschland nicht Haftungen, sondern das, was Sie angesprochen haben, nämlich Direktkredite, in diesem Ausmaß wollten. Und ich habe mich massiv geweigert, dass der Anteil, den Österreich zu erbringen hatte, in der Höhe von 15 Milliarden € über bilaterale Kredite, also Cash und damit schuldenerhöhend, bereitgestellt wird, und ich habe klargemacht und darauf gedrängt, dass wir mit Haftungen zu operieren haben. Das war ein großer Erfolg für uns, dass nicht Direktkapital fließt, sondern ein Haftungsschirm vorgesehen wird, der jetzt die Finanzmärkte entsprechend beruhigen und dafür Sorge tragen wird, dass unsere gemeinsame Währung Zukunft hat.

Wir haben noch etliche Herausforderungen zu bewältigen, und das ist die zweite Seite der Medaille, nämlich dem Grund für diese Krise von Volkswirtschaften, also ganzer Länder, nachzugehen. Es ist ja überhaupt keine Frage, dass die Spekulanten und Spekulationen das Problem in den letzten Tagen und Wochen massiv verschärft haben. Ich nenne zwei Beispiele, damit klar wird, wo der Unterschied liegt.

Spekulation greift nur dort, wo ein Nährboden und Missstände vorhanden sind. Man hat 2008/2009 versucht – Sie wissen das ganz genau, wir haben das hier diskutiert –, gegen Österreich massiv zu spekulieren, wegen der Probleme im Zusammenhang mit Mittel- und Osteuropa. Diese Spekulation ist an die Wand gefahren, um diesen Vergleich das zweite Mal in dieser Woche zu strapazieren. (Beifall bei der ÖVP. –


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 21

Bundesrat Mag. Klug: Das erste Mal war er falsch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Über den ersten Vergleich kann man leidenschaftlich streiten, ich bin da bei Ihnen, aber wir warten heute auf das 18. oder 19. Mandat. Wir werden dann sehen, ob die Analysen richtig waren oder nicht. (Bundesrat Mag. Klug: Das erste Mal ist der Versuch selbst an die Wand gefahren! – Bundesrat Gruber: Mit 49 Prozent „an die Wand fahren“ ist kein Problem!)

Die Spekulation gegen Österreich damals war nicht von Erfolg gekrönt, obwohl wir kurzzeitig, über ein paar Tage in der Auslage standen. Krugman und andere Experten waren chancenlos, weil wir ordentliche Defizit- und Schuldendaten im Verhältnis zu anderen Ländern hatten. Die Spekulation kann nur dort greifen, wo Missstände und Nährboden dafür vorhanden sind. Deswegen ist Griechenland unter Druck gekommen, und deswegen werden Portugal und Spanien ganz genau beobachtet.

Ich bitte auch in dieser Runde – und da haben wir auch eine politische Verantwortung, die abseits aller parteipolitischen Grenzen, Ländergrenzen und sonstigen Verantwor­tungen läuft –, vorsichtig zu sein mit Aussagen. Und es schauen viele auf uns; wir alle in der politischen Elite Europas, in den Regierungen, in den Parlamenten, in den regionalen Vertretungen werden beobachtet. Ich bitte wirklich, vorsichtig zu sein mit lockeren Aussagen wie: Jetzt kommt Spanien dran und dann Italien!, und so weiter. Jedes Signal wird von den Märkten beobachtet und aufgenommen.

Wir haben einen Rettungsschirm gespannt – er wirkt, und er wird auch wirken für den Süden Europas. Und wir werden sehen, wie es jetzt weitergeht.

Im Übrigen, das sage ich auch dazu: Die Hilfe für Griechenland, die im Gegensatz zu Haftungen mit Direktkapital gegeben wird, wird mit 5 Prozent verzinst. Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt die erste Tranche von 454 Millionen € an Griechenland als Direkt­kredit, als bilateralen Kredit überwiesen, mit 5 Prozent Verzinsung. Wir selbst haben das Geld mit rund 3 Prozent aufgenommen. Also unterm Strich eine Rechnung, die durchaus auch in der Öffentlichkeit vertretbar ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was müssen wir für Schlüsse aus dieser Krise ziehen, aus dem, was jetzt zu tun war in Europa und in Österreich?

Zum Ersten: Ich bedanke mich ausdrücklich bei Ihnen, auch bei den Oppositions­parteien, dass wir trotz heftiger Debatte im Nationalrat – einzelne Abgeordnete der Grü­nen haben auch mitgestimmt – zügig diese Maßnahmen vorantreiben konnten. Ich weiß um das Problem, mir ist es vollkommen klar, dass es politisch aus jeder Sicht beleuchtet unterschiedlich zu verwerten ist. Jeder von uns weiß, wo wir stehen und wie die Stimmungslagen in der Bevölkerung sind, aber es hat sich schon gezeigt, dass wir in Österreich sehr schnell handlungsfähig sind, dass wir bei aller Unterschiedlichkeit zu diesem Thema ordentlich miteinander umgegangen sind, auch wenn kontroverse Debat­ten geführt wurden, und dass wir schlussendlich das Richtige getan haben.

Jetzt ist die Frage: Was lernen wir aus der Krise? – Zwei Punkte dazu: Ich bin Mitglied der Task Force in der Europäischen Union, wo es um die zukünftige Schwerpunkt­setzung geht, was Europa zu tun hat. Europäische Rating-Agentur – ja, nur eines muss uns auch klar sein, und da muss man die Fakten offen ansprechen: Damit sind die vier oder drei anderen amerikanischen und englischen Rating-Agenturen nicht weg. Wenn Sie heute investieren wollen, 10 000 €, 15 000 € in einem Fonds anlegen wollen, und eine Agentur, nämlich eine europäische, die es vielleicht zukünftig und hoffentlich gibt, sagt, dieses Produkt, in das Sie investieren wollen, ist Triple-A, und drei ameri­kanische Agenturen sagen, das Produkt ist nicht so gut, dann frage ich Sie, wo Sie hingehen.


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Das muss man sehen: Wir schaffen durch eine europäische Rating-Agentur die anderen nicht ab. Und so könnte ich die Liste fortsetzen. Wir werden massiv in der Task Force dafür Sorge tragen, dass neue Rahmenbedingungen für die Finanz­architektur in Europa geschaffen werden.

Finanztransaktionssteuer – trennt uns nicht, wir werden sie gemeinsam in Europa vorantreiben. Ich habe dieses Thema auch bei den Beratungen der Finanzminister der Euro-Gruppe massiv vorangetrieben. Ich bin nicht dafür, hier alle Transaktionen mit einzubeziehen. Ich denke auch nicht, dass Andreas Schieder davon ausgegangen ist – das muss ich fairerweise sagen –, dass die Menschen, wenn sie Geld von einem Konto auf ein anderes überweisen, mit so einer Steuer belastet werden sollen. Das halte ich für einen Holler, und das werden wir auch nicht machen.

Es geht um internationale Finanztransaktionen. Aufpassen müssen wir schon, dass die Banken diese Steuer nicht wieder auf den einzelnen Bürger abwälzen und dass damit nicht Pensionsfonds und andere Säulen, die wir eingerichtet haben, belastet werden. Wir müssen das also ganz genau ausfeilen und sind jetzt dabei, das zu tun.

Wir müssen in Österreich im Herbst – das unterscheidet mich von der SPÖ grund­legend, die in den Debatten nur Steuererhöhungen in den Vordergrund gestellt hat – vor allem über Sparen reden. Das Problem dieser Republik kommt nicht aus dem Steuer­niveau, sondern aus einer Ausgabenstruktur, die uns davonläuft. (Bundesrat Mag. Klug: Das ist uns bekannt!) Die Ausgaben laufen uns davon! Und wer diese Struktur der Ausgaben nicht bricht, wird ewig Steuern erhöhen müssen. Das ist die Herausforderung dieser Krise. Wenn wir die Ausgaben nicht in den Griff bekommen  (Bundesrat Gruber: Wir dürfen aber die Konjunktur auch nicht abwürgen!)

Ich weiß nicht, wieso Sie von der SPÖ so ein Problem mit Sparen haben. Sparen muss an sich jeder in der Familie. Sparen muss man in Unternehmen. Jeder Selbständige, jeder von Ihnen wird sparen, und Sparen ist doch etwas Positives! (Bundesrat Mag. Klug: Wir müssen nur aufpassen, dass wir vor lauter Sparen nicht blind wer­den! – Bundesrat Gruber: Sparen ist nicht das Problem, die Umverteilung, die Gerechtigkeit ist es!)

Jetzt komme ich schon zu meinen Schlussworten. Das heißt, es wird im Herbst ein Paket geschnürt werden, wo überwiegend mit Sparen, nämlich zu 60 Prozent, die Ausgabenstruktur Österreichs nachhaltig heruntergefahren wird, ohne das Wachstum zu bremsen. Und auf der zweiten Seite reden wir über Einnahmen, und zwar zu 40 Prozent. Das alles unter dem Schirm der Ausgewogenheit. Und da wird jeder seinen Beitrag zu leisten haben, auch die „Reichen“ – unter Anführungszeichen – (Beifall des Bundesrates Sodl), aber auch jeder Einzelne von uns.

Eines sage ich Ihnen abschließend: Tun wir nicht so, als ob ein paar Manager in Amerika für die Krise verantwortlich wären! – Ja, das mag von den Produkten her stimmen, aber Österreichs Wirtschaft, Europas Wirtschaft, die weltweite Wirtschaft haben von diesen Vorgängen über Jahre und Jahrzehnte – inklusive der Arbeits­marktsituation, inklusive der Ansiedelungspolitik auch am Standort Österreich – massiv profitiert. Wir haben uns über dieses System jahrzehntelang billig finanziert. Ich bin offen und sage ganz klar: Schieben wir das nicht zur Seite!

Deshalb ist zum Beispiel die Gruppenbesteuerung ein Thema, bei dem wir sehr aufpassen müssen. Es mag zwar populär sein, dass man ausländische Verluste nicht gegenrechnen soll, aber wenn wir das nicht tun, wer wird dann die Abwanderung von Firmenzentralen hier in Zukunft verantworten? Ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Annahme eines drohenden Verlustes von Zehntausenden Arbeitsplätzen sicher nicht! (Beifall bei der ÖVP.)


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Lassen Sie uns ohne Emotionen zum Beispiel die Stiftungssteuer – nur noch dieses eine kleine Beispiel, Herr Präsident, dann schließe ich; sorry, dass ich etwas zu lange rede – bewerten. 60 Milliarden € Stiftungskapital kamen nach dem Stiftungssteuer­gesetz Ferdinand Lacina – ich betone: Ferdinand Lacina!; eingeführt also unter einem SPÖ-Finanzminister, und nicht dem schlechtesten, sondern einem exzellenten Finanz­minister der SPÖ –, 60 Milliarden € kamen aufgrund dieser Gesetzgebung und der steuerlichen Einordnung nach Österreich. Wir müssen aufpassen, dass wir durch eine Stiftungssteuer-Debatte nicht die falschen Signale setzen.

Wir können vielleicht das eine oder andere diskutieren, man wird sehen, wie das finanztechnisch greift, aber wenn wir die falschen Signale setzen, haben wir folgenden Effekt: 60 Milliarden sind von einem Tag auf den anderen weg, und man hat gar nichts in der Kassa; nicht einmal das, was jetzt fließt! (Bundesrat Mag. Klug: So scheu ist das Reh nicht!)

Ein Vorredner hat gerade gesagt, täglich werden Milliarden locker verschoben. So einfach ist das. – Deshalb werden wir versuchen, in Österreich ein ausgewogenes System auf den Weg zu bringen. Das ist möglich. Das Konzept ist auf dem Weg. Sie werden sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir das – wenn auch durch heftige Diskussion, aber dann doch geschlossen – gerecht, fair und ausgewogen verteilt organisieren. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bun­desrates Zangerl.)

10.02


Präsident Peter Mitterer: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen soll. Das Licht wird nach 4 Minuten zu blinken beginnen, das heißt, ab diesem Zeitpunkt ist noch 1 Minute Redezeit übrig.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 


10.02.47

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Vizekanzler, so furchtsam habe ich Sie selten erlebt, aber das be­gründet sich vielleicht ein bisschen in einem Geiselsyndrom, nämlich: in der Geiselhaft der Stiftungen zu sein und davor Angst zu haben, dass die 3 300 Stiftungen, die wir in Österreich haben, über Nacht verschwinden. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Habe ich ja nicht gesagt!) Sie haben gesagt: Stellen Sie sich vor, innerhalb von 24 Stunden sind sie fort, die Bartensteins, die Prinzhorns! (Bundesrat Mag. Klug: Das scheue Reh! – Rufe bei der ÖVP: Voves!) – Wohin sollen sie denn?

Ein bisschen Sinn macht es schon – und das ist ja das Problem –, Herr Vizekanzler, ich kann nahezu 80 Prozent dessen, was Sie heute gesagt haben, unterschreiben, aber in einem Punkt müssen wir uns schon einig sein: dass die Harmonie nicht mehr stimmt – auch Sie wissen, dass die Harmonie nicht mehr stimmt –, dass die Kluft zu jenen, die sehr viel verdienen und wenig Steuern zahlen, immer größer wird. Niemand hier hat etwas dagegen, Sparefroh zu sein. Niemand hier hat etwas dagegen, denn das ist ja logisch, jede Gesellschaft, jede Ökonomie muss ihre Sparpotenziale aus­schöpfen. Aber Sparen im politischen Auftrag heißt, sehr sensibel zu sein, denn wenn gespart wird, dann werden Ausgaben zurückgenommen, und das sind oft Ausgaben, die den Ausgleich abschwächen zwischen jenen, die wenig haben, und jenen, die sehr viel haben.

Zweitens – und das sehen wir jetzt mit Bitternis; wir sind eben erst von einer Tagung aus Spanien zurückgekommen –: Wenn ein Land eines der härtesten Sparprogramme fährt und als Antwort am nächsten Tag ein „A“ vom Triple-A verliert, dann ist das schier


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unglaublich, denn letztlich geht das, was Spanien als Sparpotenzial zu erwirtschaften hat, durch höhere Zinsen durch den Verlust eines „A“ drauf. Die flapsige Antwort: Hätten sie das Sparprogramm nicht gefahren, hätten sie zwei „A“ verloren.

Es gibt im Leben immer zwei Möglichkeiten, zwei Wege, die jeder von uns in jeder Frage immer beschreiten kann, aber angesichts der Ereignisse in den letzten Monaten gab es innerhalb Europas keine zwei Möglichkeiten. Es gab keine Alternative zur Griechenland-Hilfe. Griechenland nicht zu helfen wäre ungefähr genauso, wie zu sagen, wir lassen eine verantwortungslose Regierung in Kärnten mit ihrer Hypo Alpe-Adria allein. (Bundesrat Kneifel: Das ist wahr!) Viele Menschen hätten dadurch ihren Job verloren, und die Wirtschaft in Kärnten wäre knapp vor Weihnachten wahrscheinlich an die Wand gefahren. (Bundesrat Kneifel: Richtig!) Wir sind ein gemeinsames Europa, Griechenland ist Kärnten und nichts anderes! (Bundesrätin Michalke: Spanien nicht, oder wie?) Es muss hier eine Form von Gemeinsamkeit ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nicht preislich und vielleicht auch manchmal nicht von ... – Aber lassen wir das.

Das heißt, es gab keine andere Alternative. Es gab keine andere Alternative, als die­sen Schirm zu spannen, denn zum Euro gibt es keine Alternative. Natürlich kann man jetzt sagen, Frau Kollegin Mühlwerth, wenn man es rein wissenschaftlich betrachtet: Die Kaufkraft Deutschlands zerbröselt derzeit alle Euro-Mitgliedstaaten. Man könnte sagen, wenn man den Euro retten will, sollte Deutschland rausgehen. Das aber ist alles Philosophie, das können wir in Vorlesungen hören.

Das Nächste ist – und da hat Frau Kollegin Mühlwerth recht –: Natürlich haben wir den zweiten Schritt vor den ersten gesetzt, aber damit ist jetzt auch eine Entscheidung gefallen: Geht die EU Richtung Staatenbund oder Bundesstaat? Die Sache ist in diesen Monaten entschieden worden. Das wird kein Staatenbund mehr, das wird ein Bundesstaat, weil wir diese Vertiefung währungs-, finanz- und budgetpolitisch machen müssen, und diese Vertiefung wird jetzt in diesem Bereich zu erfolgen haben. Wir müssen jetzt gemeinsam andere Bereiche ausloten, und dazu gehören nun einmal Börsensteuer, Transaktionssteuer, Spekulationssteuer.

Kollege Kneifel hat gesagt, das sei ja keine Rettung der Banken gewesen, sondern nur wichtig gewesen, damit die Kreisläufe funktionieren. – Das, lieber Kollege Kneifel, ist das Einzige, das überhaupt nicht funktioniert, und davor haben wir immer gewarnt, dass diese Kreisläufe nicht funktionieren! (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.) – Nein, lieber Herr Vizekanzler, sie funktionieren derzeit nicht! Schauen Sie sich all die kleinen Unternehmen an! Kollege Kneifel hat vom Produktionskredit gesprochen. Das können sich die kleinen Unternehmen heute alles abschminken bei den Banken, denn sie müssen nahezu dieselbe Summe hinterlegen.

Ein letzter Satz: Es ist im Gesamten gesehen nicht so schlecht, dass der Euro derzeit auch ein bisschen weicher geworden ist, aber die andere Frage ist natürlich: Was kostet uns das mehr, nämlich bei der Energie? Unser Finanzminister hier ist ja der ehemalige Umweltminister, und als solcher sollte er eigentlich die Chance mehr denn je erkennen, dass wir gerade jetzt unser Energiesystem in Europa umsteuern und genau jetzt auf erneuerbare und nachhaltige Energien setzen müssen. Dadurch erreichen wir jene Investitionen und jene Ankurbelung – egal, ob jetzt in den Gemeinden oder in den Kommunen –, die notwendig sind, um von dieser immer stärker werdenden Abhängigkeit und der enormen Preisentwicklung bei der Energie wegzukommen.

Es gab, wie gesagt, wenig Alternativen zur Griechenland-Hilfe, und beim Sparen, Herr Finanzminister, möchte ich Sie auffordern: Passen Sie auf, dass die österreichischen


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Gemeinden nicht unter die Räder geraten! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.09


Präsident Peter Mitterer: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


10.09.47

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Finanzminister Josef Pröll! Meine Damen und Herren! Vertrauen wir unserem Finanzminister! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.) Ich denke, das, was er heute gesagt hat und von Kollegem Schennach zu 80 Prozent unterschrieben werden kann, können wir zu 100 Prozent unterschreiben. (Bundesrat Mag. Klug: Das haben wir uns gedacht, aber aus der ÖVP kennen wir das anders!)

Eine Sanierung Europas, eine Sanierung Österreichs müssen wir gemeinsam machen. Wir müssen das gemeinsam ein- und ausgabenseitig durchziehen. Die Politik muss so weit kommen, dass sie auch unpopuläre Dinge erledigt. Sie darf nicht immer nur ausprobieren und zögern, sondern das muss jetzt erledigt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen dazu stehen: Wir haben alle unsere Vorteile wahrgenommen, nicht nur einige wenige andere, auch wir waren dabei. Es waren auch viele kleine Häuselbauer dabei, denn auch die haben gezockt. Sie haben mit Krediten in Schweizer Franken, in Yen gearbeitet, und auch das fällt darunter, das darf man nicht vergessen.

Aber, Herr Schennach, es ist nicht so, dass wir eine Keksform nehmen und „Ausgaben ausstechen“, sondern es muss durchgerechnet werden. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Sie haben gesagt, die Armen fallen dann noch einmal weiter weg. Aus­gabenseitige Sparmaßnahmen müssen geplant und durchgerechnet und auch konti­nuier­lich umgesetzt werden.

Die Europäische Union hat in diesem Zusammenhang die Strategie 2020 heraus­gegeben, und auch an dieser Strategie müssen wir mitarbeiten.

Erstens: intelligentes Wachstum. – Das heißt, Entwicklung auf einer wissens- und innovationsgründenden Gesellschaft aufbauen.

Zweitens: nachhaltiges Wachstum. – Das bedeutet Förderung einer emissionsarmen, ressourcenschonenden und wettbewerbsfähigen Wirtschaft.

Drittens: integratives Wachstum. – Das heißt Fördern der Wirtschaft mit hohem Be­schäftigungsniveau sowie sozialem und territorialem Zusammenhalt.

Wenn wir diese drei Strategien auch in Österreich umsetzen und in Österreich erarbeiten, dann, glaube ich, sind wir auf einem guten Weg. Wir müssen das immer gemeinsam machen, nicht populistisch und immer mit dem Finger auf den anderen zeigend, sondern wir müssen gemeinsam Ideen verwirklichen und umsetzen. (Bundesrat Mag. Klug: Wir haben gute Ideen! – Bundesrätin Mühlwerth: Aber man muss nicht jede Idee gut finden, oder?) Aber sie sind gut!

Es war, glaube ich, auch wichtig, dass Österreich innerhalb der EU mitgewirkt hat, Griechenland zu helfen, denn nur gemeinsam können wir den Euro stärken. Der Euro ist auch unser Schutzschild.

Österreich ist im Grunde genommen das viertreichste Land in der EU. Österreich hat positive Effekte durch die Osterweiterung erhalten, und das hat uns wirtschaftlich sehr gutgetan. Aufgrund des Finanzrahmens bis zum Jahr 2014 ist es den Ministerien möglich, nachhaltig und strategisch zu sparen. Das muss auch Priorität haben, denn


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jeder Euro, den wir jetzt einsparen, verringert die Notwendigkeit neuer Steuern, und jedes Zehntelprozent Wachstum heißt mehr Einnahmen und weniger Steuern.

Bis zum Herbst werden die Vorschläge der Regierung für Einsparungen ausgearbeitet sein, und – der Finanzminister hat es ja schon gesagt – die Maßnahmen werden ausgewogen und für Österreich zu 100 Prozent von Vorteil sein. (Bundesrat Mag. Klug: Nach Kräften!) Nach Kräften, gemeinsam. (Bundesrat Schennach: Woher wissen Sie das? Ist das jetzt eine astrologische Wahrnehmung? Eine Wahrsagung?)

Österreich hat aber auch schon in der Vergangenheit gut gearbeitet und Vorsorge betrieben. Es ist ja nicht so, dass wir erst heute anfangen, sondern wir arbeiten schon länger daran. Die Forschungs-, Technologie- und Innovationsstrategie von Österreich ist eine Wachstumsstrategie. Ich glaube, Österreich ist da auf einem sehr positiven Weg. Wir müssen in Forschung und Entwicklung investieren. (Bundesrat Schennach: Schaut nicht gut aus!) Wir müssen in die Zukunft unserer Kinder investieren (Bundesrat Mag. Klug: Jawohl!), und das nicht erst auf Universitätsebene, sondern in die Bildung unserer Kinder muss vom Kindergarten an investiert werden. (Bundesrat Mag. Klug: Jawohl! – Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.)

Folgendes steht schon fest, davon bin ich fest überzeugt: Wir können ein Bil­dungssystem nicht dem Namen nach ändern und glauben, es hat sich etwas verändert. Das ist genauso, wie wenn ein Unternehmer den Bürotisch auf eine andere Seite stellt und glaubt, er habe damit die Firma saniert. Wir müssen das Bildungssystem von Grund auf verändern, damit unsere Kinder wirklich lesen und schreiben und rechnen können (Beifall bei der SPÖ – Bundesrat Mag. Klug: Ganz genau! Bravo!), damit sie für die Wirtschaft tauglich sind und am Arbeitsprozess teilnehmen können.

Ganz zum Schluss muss ich als Tirolerin noch eines sagen: Wir brauchen den Brenner-Basistunnel! Ich bitte die Regierung, uns diesbezüglich zu unterstützen, denn die EU unterstützt uns. Es gibt da einen Satz, der mir wahnsinnig gut gefallen hat: Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, müssen wir alles verändern. (Beifall bei der ÖVP.)

10.15


Präsident Peter Mitterer: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Duzdar. – Bitte.

 


10.16.07

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Zum Thema dieser Aktuellen Stunde ist bereits viel gesagt worden, sehr viel Kontroversielles, sehr viel Emotionales, immerhin geht es ja auch um die Zukunft Österreichs angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise, angesichts der Euro-Krise. Sie, Herr Finanzminister, haben in den letzten Tagen und Wochen kein politisches Geheimnis daraus gemacht, wie denn Ihre politischen Vorstellungen so aussehen und wie es im Hinblick auf die Budgetsanierung weitergehen soll.

Zum einen besonders aufgefallen sind mir Ihre Inserate in den verschiedensten Zeitungen, mit den süßen und lieben Babygesichtern und den aufgelisteten Schulden, die jedes einzelne Kind in Österreich belasten würden (Bundesrat Kneifel: Das ist Sinn und Zweck, dass Inserate auffallen!), zum anderen haben Sie auch kein Hehl daraus gemacht, dass Sie für die Erhöhung von Massensteuern sind. Vielleicht habe ich da aber auch etwas Falsches gelesen; wenn ja, haben Sie jetzt hier im Bundesrat die Möglichkeit, explizit zu sagen, ob Sie für die Massensteuern, für deren Erhöhung sind oder nicht. Sie haben jetzt die Möglichkeit dazu.

Nicht zuletzt ist mir ein Satz aufgefallen, der, wie ich meinen würde, mittlerweile schon der Leitsatz der ÖVP geworden ist, ein Satz, mit dem Sie haben aufhorchen lassen:


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Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt! – Jetzt würde mich einmal wirklich inter­essieren: Wer ist „wir“? Und wer hat in Österreich über seine Verhältnisse gelebt, vor allem in den letzten Jahren der Finanz- und Wirtschaftskrise, die die Menschen mit Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit bezahlt haben? Ich weiß nicht, wen Sie meinen, aber ich kann Ihnen, Herr Finanzminister, mit Bestimmtheit sagen, dass das sicher nicht die Pensionisten waren, die in Österreich von der Mindestpension leben. Es waren auch sicher nicht jene 230 000 Menschen, deren Arbeitslohn nicht zum Leben reicht, also nicht die sogenannten Working Poor. (Bundesrat Mag. Himmer: Astreine Polemik! – Bundesrat Kneifel: Wo haben Sie das gehört? Wer hat das gesagt?) Das weiß ich nicht, aber ich sage Ihnen, dass es auf jeden Fall nicht diese Menschen waren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es waren auch nicht die 1 Million Menschen, die in Österreich als armutsgefährdet gelten, die zum Beispiel als Ein-Personen-Haushalt mit zirka 893 € auskommen müs­sen. (Bundesrat Keuschnigg: Das wissen wir alles! – Bundesrat Gruber: Und warum tun Sie nichts?)

Ich sage Ihnen, warum ich diese Zahlen anführe. Angesichts dieser Zahlen finde ich es nämlich unerhört, dass Sie sich so vehement – wie auch der Klubobmann der ÖVP, Abgeordneter Kopf – gegen die Mindestsicherung stellen und versuchen, auf dem Rücken der Ärmsten der Armen unserer Gesellschaft Politik zu machen (Beifall bei der SPÖ – Bundesrat Mag. Klug: Bravo!), und in diesem Zusammenhang permanent das Wort „Sozialmissbrauch“ gebrauchen oder versuchen, Tauschgeschäfte zu machen. (Bundesrat Kainz: Das stimmt ja nicht, was Sie da sagen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Vielleicht stellen Sie sich nicht dagegen, aber in diesem Zusammenhang wird permanent von Sozialmissbrauch geredet, und ich muss Ihnen schon sagen, dass im Verhältnis zum Steuerbetrug, wodurch dem österreichischen Fiskus Milliarden entgehen, der Sozialmissbrauch das geringere Problem in diesem Land ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Mindestsicherung betrifft nämlich nicht nur, so wie Sie sagen, die Sozialhilfe­bezieher, die Mindestsicherung umfasst auch die Mindestpensionisten, die weniger als 744 € im Monat haben, die Arbeitslosen, die weniger als 744 € haben. Dort wird ver­sucht, mit der Mindestsicherung aufzustocken, die Mindestsicherung ist also in Wirk­lichkeit ein Deckelungssystem.

Da möchte ich Ihnen schon sagen, Herr Finanzminister: Das wirkliche Problem sind nicht die 744 €, wo Sie immer so tun, als ob die Menschen in Saus und Braus leben würden mit dem Geld (Zwischenrufe bei der ÖVP), sondern ist die Tatsache und der Umstand, dass es in Österreich Menschen gibt, die bei 40 Stunden Wochenarbeit unter 1 000 € netto verdienen, und hier müsste angesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß, Herr Finanzminister, Sie werden mir dann im Anschluss erklären, dass Sie mit diesem Satz „über die Verhältnisse leben“ nicht die einzelnen Personen oder die Gruppen in der Gesellschaft gemeint haben, sondern die Staatsausgaben. Und was die Staatsausgaben betrifft, Herr Finanzminister, möchte ich Sie schon noch daran erinnern, wie angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise der Staat plötzlich für die ÖVP sehr wichtig geworden ist, nämlich als es um die Rettung der Banken und der Unternehmen im Ausmaß von 100 Milliarden € gegangen ist. Da war der Staat plötzlich gut genug, um ganze Milliarden freizumachen, um Banken und Konzerne vor dem Kollaps zu bewahren (Bundesrat Kneifel: Das waren gemeinsame Beschlüsse!) – ja, wir waren ja auch nicht dagegen –, aber jetzt scheint das wieder vergessene Sache zu sein. (Bundesrat Kneifel: Distanzieren Sie sich davon? Distanzieren Sie sich von den gemeinsamen Beschlüssen?)


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Ich distanziere mich nicht davon, aber jetzt scheint es wieder vergessene Sache zu sein, und plötzlich wird vonseiten der ÖVP wieder so getan, als ob der Staat und seine Ausgaben die Wirtschaftskrise ausgelöst hätten. (Bundesrat Kneifel: Aha, Sie dis­tanzieren sich!) Vergessen sind die Milliardenpakete.

Und ich empfinde es schon als Farce, wie hier versucht wird, Ursache und Wirkung miteinander zu vertauschen. (Bundesrat Dr. Schnider: Nur Polemik!) An dieser Stelle möchte ich Sie schon daran erinnern, wer die Finanz- und Wirtschaftskrise verursacht hat. Das waren eben schon die unregulierten Finanzmärkte, mit denen versucht wurde, diese zu einem Spekulationskasino zu machen, und die weltweiten Schaden ange­richtet haben.

Es kann daher nicht sein, dass die Menschen, die bereits schon einmal mit Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit die Krise bezahlt haben, wieder zum Handkuss kommen mit Mineralölsteuern, Tabaksteuern oder was Ihnen sonst noch vorschwebt.

Die Krise hat die Schulden verursacht – und nicht die Schulden die Krise. (Bundesrat Kneifel: Das ist ein Trugschluss!) Es ist nachweislich, dass in der Krise das BIP zurückgegangen ist, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gesunken ist, die Produktion von Gütern zurückgegangen und das Volkseinkommen gesunken.

Präsident Peter Mitterer: Frau Kollegin, ich bitte, zum Schluss zu kommen!

 


Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (fortsetzend): Ich komme schon zum Schluss: Es ist sehr gefährlich, wenn jetzt die WirtschaftsakteurInnen ihre Ausgaben zurücknehmen und wenn der Staat beginnt, die Ausgaben zu kürzen, weil damit in Wirklichkeit nur die Produktion weiter eingeschränkt wird und die Gefahr besteht, dass die Wirtschaftskrise verlängert wird. Und an diesem Punkt möchte ich schließen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

10.22


Präsident Peter Mitterer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Michalke zu Wort. – Bitte.

 


10.23.02

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt können wir uns hoffentlich alle wieder ein bisschen beruhigen.

Die Verursacher und die Verantwortlichen, die schuld an diesen Krisen sind, werden wir heute wahrscheinlich nicht namhaft machen können – das ist bisher nicht gelungen. Wie bereits mehrfach gesagt wurde, haben die Probleme bereits 2008 mit der Rezession im Euro-Raum begonnen. Bereits damals hat sich das Euro-Gebiet im freien Fall befunden, und das Vertrauen in den Euro hat damals bereits sehr viel Schaden erlitten. Die Lage war also bereits vor der Griechenlandmisere sehr, sehr trist.

Wir wissen also nicht detailliert, wer die Verantwortlichen und die Verursacher waren, aber wir wissen sehr genau, wer die Zeche bezahlen wird. Die Zeche werden zu hundert Prozent der Bund, die Länder, die Gemeinden, die Familien, die Menschen von den Kleinkindern bis zu den Pensionisten, sprich die große Masse der Bevölkerung bezahlen. Das ist Tatsache.

Die Frage, wie man in Zukunft mit Aussagen umgehen soll und wie verantwortungsvoll oder verantwortungslos es ist, wenn man in dieser Thematik anspricht, dass es sich unter Umständen um ein Fass ohne Boden handelt – begonnen mit Griechenland und unter Umständen im Schlepptau andere Länder wie Portugal, Spanien, Italien oder auch noch andere –, stelle ich jetzt einfach zur Diskussion. Ich glaube nicht, dass es


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verantwortungslos ist, darüber zu reden, Herr Finanzminister, ich glaube, man muss es tun. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.)

Doch, Sie haben gemeint, die ganze Welt schaut auf uns, die wir hier im Bundesrat reden, und dass es unter Umständen verantwortungslos sein könnte. Ich meine schon, dass das angesprochen werden muss, denn ich glaube, es sorgen andere dafür, dass der Euro die Stabilität verliert oder gewinnt, und nicht wir Kollegen, die wir hier über diese Thematik reden. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.)

Ich habe nicht gesagt, dass es marode Länder sind, ich habe nur gesagt, Griechenland könnten noch andere Länder folgen, einfach deshalb, weil wir mit dem Lissabon-Vertrag mit Artikel 122 schlicht und einfach die Verpflichtung eingegangen sind, dass wir dazu aufgefordert sind, diesen Ländern, wenn es ihnen schlecht geht, zu helfen. Das ist eine Verantwortung, die man mit dem Lissabon-Vertrag unterzeichnet hat, und wir haben gesehen, dass Europa und wir diesen Anforderungen kaum gewachsen sind. Ich hoffe daher, dass der Rettungsschirm, den wir gespannt haben, nicht zu viele Löcher hat, sodass die Steuergelder wahrscheinlich von diesen Ländern nie mehr zu uns zurückkommen werden, was die Bevölkerung natürlich nicht versteht. (Bundesrätin Zwazl: Das sind Haftungen!) Ich habe heute gerade auch vernommen, dass es sich um 15 Milliarden € Haftungen handelt. Ich war immer der Meinung, es wären nur 13 Milliarden €, aber so kann man sich täuschen. (Neuerlicher Zwischenruf der Bun­desrätin Zwazl.) – Nein, das sind Haftungen, das ist mir klar.

Es könnte sein, dass man unter Umständen anderen Ländern helfen muss, und wenn Europa das von Österreich verlangt, dann werden wir allein vielleicht nicht die Stärke haben, zu sagen, dass wir nicht bezahlen.

Diese Hilfszahlungen überfordern auch die Bevölkerung der Nettozahlerländer total. Und es ist, wie gesagt, auch schade, dass die österreichische Bundesregierung – und da meine ich Sie und Ihren Kollegen, Herrn Faymann – als allererstes das Budget immer über die Einführung neuer beziehungsweise die Erhöhung bestehender Steuern sanieren möchte. Wir könnten doch auch einmal überlegen, Budgetsanierung durch ambitioniertes Sparen durchzuführen. Das haben Präsident Leitl, aber auch WIFO-Chef Karl Aiginger und Ex-Finanzminister Androsch aufgezeigt. Bei diesen könnten Sie sich informieren, denn die sind ja alle prominente Mitglieder der Regierungsparteien. Man könnte zum Beispiel über vernünftige Verwaltungsreformen beim Sparen an­setzen und so die Belastungspakete für jene, die ohnehin schon einen großen Beitrag für die Gesellschaft leisten, verringern.

Wir sind der Meinung, dass die Finanzierungslücke des Staates, die im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise entstanden ist, vorrangig ausgabenseitig bewältigt werden muss, und ein unentbehrliches Instrument dazu ist die Staats- und Verwaltungsreform. Die gegenwärtige Situation macht es erforderlich, neuerlich und mit Nachdruck eine nachhaltige Staats- und Verwaltungsreform einzumahnen. Es sind auch ohne Änderungen der Bundesverfassung wesentliche Reformschritte möglich.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einmal auf das Land Vorarlberg hinweisen, das immer wieder Initiativen für Reformen gesetzt hat, die auf Bundesebene allerdings nur zum Teil oder wie zuletzt in den Anträgen der Vorarlberger Bundesräte leider auch bei Ihnen, Herr Finanzminister Pröll, gar kein Gehör gefunden haben.

Herr Finanzminister, vielleicht überlegen Sie sich gemeinsam mit Herrn Faymann, die österreichische Bevölkerung nicht noch mehr zu belasten. Ein bisschen mehr Kreati­vität wäre da vielleicht gefragt. Kreativität wäre aber sofort gefragt und nicht erst aufgrund von Wahlen später im Herbst. Hoffentlich retten sich ÖVP und SPÖ über


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diese Vorwahlzeit nicht nur mit billigen Scharmützeln hinweg. Dafür hat die Bevöl­kerung recht wenig übrig und recht wenig Verständnis. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.29


Präsident Peter Mitterer: In der Aktuellen Stunde als letzter Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Zwanziger. Ich erteile ihm das Wort.

 


10.29.19

Bundesrat Peter Zwanziger (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Besucher und Freunde aus Kärnten, schön, dass ihr noch hier geblieben seid und euch die Debatte noch anhört.

Ich möchte mit einem griechischen Zitat beginnen: Bevor man wegläuft, sollte man wissen, wohin. Bevor man einen Pfeil schießt, sollte man wissen, wo man ins Schwar­ze trifft. Bevor man mit hohen Finanzen packelt, sollte man wissen wofür. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir befinden uns jetzt in einer seit den dreißiger Jahren noch nie dagewesenen Krise. Milliarden an österreichischen Steuergeldern werden in Form des Griechenlandpakets vergeben. Man könnte fast meinen, Ostern und Weihnachten wären für die ehren­werten Bankdirektoren zugleich. Es werden Überraschungspakete verschickt, Pakete, die aber nicht bedürftigen, mittellosen Menschen zukommen, nein, kein griechischer Bürger hat etwas davon.

Man könnte die Situation, um beim Vergleich mit unserem traditionellen Weih­nachtsfest zu bleiben, so beschreiben: Ganz oben an der Spitze befinden sich Politiker, die sich als glänzende Baumspitze feiern lassen, den österreichischen Steuerzahlern bleibt keine andere Funktion als die der abgebrannten Kerze, und die griechischen Bankdirektoren sind diejenigen, die sich die Pakete unter dem Baum hervorholen.

So kann es wohl nicht sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! Da fährt die Europäische Union einen sogenannten Rettungswagen, und Österreich ist ein Rad an diesem Wagen, und zwar mit einem Wert in Milliardenhöhe. Kein einziger griechischer Normalbürger wird etwas davon haben, kein einziger Österreicher wird einen Vorteil daraus ziehen, dass dieses Griechenlandpaket existiert. Wer wird einen Nutzen daraus ziehen? – Einzig und allein die Banken und die Versicherungen. Das ist auch der Grund dafür, dass die Griechen zu Recht protestieren und auf die Straße gehen. Sie wissen ganz genau, dass sie von der eigenen Regierung betrogen worden sind.

Ein Bankenpackerl für diejenigen, die lustig drauflosspekuliert haben und sich wohl verspekuliert haben. Aber wer an den Geschäften verdient hat, muss auch die Risiken in Kauf nehmen und für die Verluste geradestehen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Was ist mit dem österreichischen Staatsbürger, dem „kleinen Mann“, Unternehmer, Bauern – unzählige könnten wir da erwähnen –, wird denen auch so rasch und unbüro­kratisch geholfen? Da steht wohl kein Überraschungspaket vor der Tür, sondern meistens wahrscheinlich der Exekutor. In dieser Situation wären wirklich Hilfe und Zusammenhalt nötig, denn es sind Tausende Bauern, Unternehmer, Unmengen an Mitbürgern, die, allein gelassen, oftmals vor verschlossenen Türen stehen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer greift den Menschen unter die Arme, wenn ihr eigenes Hab und Gut auf wackeligen Beinen steht?

Die Krise zeigt einen weiteren Punkt auf, der von Anfang an nicht durchdacht war: die Einführung des Euro. Viele Probleme sind aufgetreten, die den Umgang mit Geld erschwert haben. Keiner kann mehr richtig abschätzen, wie viel Geld er bei sich hat. Erinnern Sie sich noch an das altbewährte Sprichwort: „Wer den Groschen nicht ehrt,


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 31

ist den Schilling nicht wert!“? Dieses gehört leider der Vergangenheit an. Heute kann kaum noch jemand den Wert eines Euro richtig einschätzen, geschweige denn einen Cent wertschätzen. (Ruf bei der ÖVP: In Kärnten!) – Na ja, ich glaube, in Nieder­österreich gibt es auch gewisse Probleme. (Bundesrätin Zwazl: Na, hallo!) Ich würde vorsichtig sein. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.) Sie tun sich schwerer als seinerzeit beim Schilling. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Vize­kanzler Dipl.-Ing. Pröll.) Nein, das glaube ich nicht. Die Schweiz ist gut damit gefahren, ihre Währung beizubehalten.

Ein Bankrott, der für Österreich prognostiziert wurde, wenn der Schilling nicht aufgegeben würde, hat Angst gemacht, und die Entscheidung für den Euro war bestimmt. Der Euro war von Anfang an nicht gut durchdacht. Die Vorstellung einer so starken Währung, mit der sämtliche Probleme aufgefangen werden, hat sich nie bewahrheitet. So viel steht heute fest, geschätzte Damen und Herren.

Griechenland hat sich mit falschen Zahlen in den Euro-Raum hineingeschummelt. Durch die Ausstellung des Blankoschecks besteht die Gefahr, dass auch andere potenzielle Krisenkandidaten wie Spanien oder Portugal vor unserer Tür stehen und ein Packerl verlangen. Und da werden zumeist österreichische oder zum Beispiel auch deutsche Steuerzahler zur Kassa gebeten. Ein riesiger Geldbetrag steht zur Verfü­gung, und dennoch wird es das nicht gewesen sein. Es müssen weitere Pakete folgen, denn von den zig Milliarden, die nicht nur von Österreich, sondern von den gesamten EU-Bürgern an Griechenland gelangen, wurde nur ein Teil des Geldes abgedeckt. Griechenland kann aus eigener Kraft nicht den Rest aufbringen.

Das heißt, das war nur der Anfang, hoffentlich nicht der Anfang vom Ende, sodass wir mit einem weiteren Überraschungspaket rechnen müssen. Wir haben da das Fell des Bären verteilt, bevor wir ihn erlegt haben. – Danke schön. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

10.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

10.35.18Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2539/AB bis 2541/AB beziehungsweise jener Verhandlungsgegenstände, die gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegen, sowie jener Schreiben des Bundesministers für Finanzen und des Bundeskanzleramtes gemeinsam mit dem Bundesministerium für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Aufnahme von Verhand­lungen

mit den Cayman Islands und der Republik Liberia betreffend Abkommen über den Auskunftsverkehr in Steuersachen sowie

zur Änderung des Protokolls (Nr. 36) über die Übergangsbestimmungen auf der Grundlage des Vertrages von Lissabon und

der Mitteilungen des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend

den Aufenthalt des Bundesministers für europäische und internationale Ange­legen­heiten Dr. Michael Spindelegger – ich bitte um ein bisschen Ruhe im Saal – vom 1. und 2. Juni 2010 in Montenegro sowie in Bosnien-Herzegowina und gleichzeitiger


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 32

Beauftragung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner mit seiner Vertretung beziehungsweise

den Aufenthalt des Bundesministers für Gesundheit Alois Stöger, diplômé, vom 2. Juni nachmittags bis 6. Juni 2010 in Kroatien und gleichzeitiger Beauftragung der Bun­desministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek mit seiner Vertretung

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 7)

*****

Schreiben des Bundesministers für Finanzen und des Bundeskanzleram­tes/Bundesmi­nis­teriums für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

„Josef Pröll                                                                                                       BUNDESMINISTERIUM

Finanzminister                                                                                                                 FÜR FINANZEN

Herrn Präsident

des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament                                                                                                                       Wien, 6. Mai 2010

1017 Wien                                                                                        GZ: BMF-010221/0526-IV/4/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 59. Sitzung des Ministerrates am 4. Mai 2010 Verhand­lungen mit den Cayman Islands zum Abschluss eines Abkommens über den Aus­kunftsverkehr in Steuersachen aufgenommen wurden.

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Transparenz und Amtshilfebereitschaft hat sich ein Abschluss eines Abkommens gemäß dem neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informations­austauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„Josef Pröll                                                                                                       BUNDESMINISTERIUM

Finanzminister                                                                                                                 FÜR FINANZEN

Herrn Präsident

des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament                                                                                                             Wien, am 17. Mai 2010

1017 Wien                                                                                        GZ: BMF-010221/0535-IV/4/2010


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 33

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 60. Sitzung des Ministerrates am 11. Mai 2010 Verhandlungen mit der Republik Liberia zum Abschluss eines Abkommens über den Auskunftsverkehr in Steuersachen aufgenommen wurden.

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Transparenz und Amtshilfebereitschaft hat sich ein Abschluss eines Abkommens gemäß dem neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaus­tauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH                    Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

GZ : BKA-405.885/0008-IV/5/2010                            GZ: BMeiA-EU.8.33.02/0004-\.2a/2010

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017Wien                                                                                                                                  17. Mai 2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundeskanzler Werner Faymann und Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichten wir Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 15. Dezember 2009 (Pkt. 27 des Beschl. Prot. Nr. 43) der Herr Bundespräsident am 21. Dezember 2009 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen zur Änderung des Protokolls (Nr. 36) über die Übergangs­bestimmungen erteilt hat. Nach Vorliegen der gemäß Art 48 EUV erforderlichen Stel­lungnahmen und Zustimmungen kann mit der baldigen Einberufung einer Regie­rungskonferenz durch den Europäischen Rat gerechnet werden.

Zur näheren Information legen wir eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit besten Grüßen

Sektionschef Dr. Harald Dossi                                                  Botschafter Dr. Johannes Kyrle

Sektion Koordination                                                                                                     Generalsekretär

Beilage“

„BUNDESKANZLERAMT                                                               BUNDESMINISTERIUM FÜR

                                                                                                                                  EUROPÄISCHE UND

                                                                                        INTERNATIONALE ANGELEGENHEITEN

GZ. 405.885/0009-IV/5/2009                                         GZ.BMeiA-EU.3.18.22/0022-III.1/2009


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 34

V o r t r a g

an den

M i n i s t e r r a t

Betrifft: Änderung des Protokolls (Nr. 36) über die Übergangsbestimmungen; Verhandlungen

Der Vertrag von Lissabon ist am 1. Dezember 2009, rund fünf Monate nach den Wahlen zum Europäischen Parlament, in Kraft getreten. Der Vertrag konnte daher bei den Europawahlen 2009 und bei der nachfolgenden Konstituierung des Europäischen Parlaments keine Anwendung finden.

Auf Grundlage des Vertrages von Lissabon können mehr Mandatare im Europäischen Parlament vertreten sein als gemäß der bisherigen Rechtslage. Art. 14 EUV in der Fassung des Vertrages von Lissabon gestattet eine Höchstzahl von 751 Abgeordneten, jeder Mitgliedstaat ist mit mindestens sechs Abgeordneten vertreten, kein Mitgliedstaat erhält mehr als 96 Sitze. Deutschland ist derzeit im Europäischen Parlament mit 99 Abgeordneten vertreten. Da die gegenüber dem Vertrag von Lissabon überzähligen drei deutschen Mandatare aus rechtlichen und aus demo­kratiepolitischen Gründen nicht abberufen werden sollen, diese also jedenfalls bis zum Ende der laufenden Rechtssetzungsperiode im Jahre 2014 dem Europäischen Parlament angehören werden, hat der Europäische Rat eine Erhöhung der primär­rechtlich verankerten Sitzanzahl von 751 auf 754 vorgesehen.

Der Europäische Rat hat vor diesem Hintergrund am 11./12. Dezember 2008 eine Erklärung verabschiedet, derzufolge so früh wie möglich Übergangsmaßnahmen getroffen werden, um die Gesamtzahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments bis zum Ende der Legislaturperiode 2009-2014 von 736 auf 754 anzuheben. Diese Änderung solle möglichst während des Jahres 2010 in Kraft treten. Anlässlich seiner Tagung am 18./19. Juni 2009 hat der Europäische Rat diesen Beschluss bekräftigt.

Seitens Spaniens wurde nunmehr ein Vorschlag für eine zeitlich befristete Über­gangsbestimmung bis zum Ende der laufenden Rechtssetzungsperiode im Juni 2014 vorgelegt, der nach Einholung von Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission (aber unter Verzicht auf die Einberufung eines Konvents gemäß Art. 48 Abs. 3 EUV, da der geringe Umfang und der bereits politisch akkordierte Inhalt des Verhandlungsgegenstandes eine derartige Einberufung nicht rechtfertigen würde), noch in diesem Jahr angenommen werden soll.

Gemäß dem Vorschlag soll Art. 2 des Protokolls (Nr. 36) über die Übergangs­bestimmungen, das dem Vertrag über die Europäische Union, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dem Vertrag zur Gründung der Euro­päischen Atomgemeinschaft beigefügt ist, dergestalt zeitlich befristet werden, dass bis zum Ende der laufend Funktionsperiode des Europäischen Parlamentes im Jahre 2014 das Europäische Parlament insg. 754 Sitze aufweist, wobei die zusätzlichen 18 Sitze, Spanien (vier Sitze), Frankreich, Österreich und Schweden (je zwei Sitze) und Bul­garien, Italien, Lettland, Malta, Niederlande, Polen, Slowenien und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland (je ein Sitz), zugewiesen werden.

Die geplante Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union wird der Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 35

Gemeinsam stellen wir daher den

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle

1. diesen Bericht zustimmend zur Kenntnis nehmen und

2. dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, den Bundeskanzler, den Bundes­minister für europäische und internationale Angelegenheiten und den Ständigen Vertreter Österreichs bei der Europäischen Union, Botschafter Dr. Dietmar Schweisgut, zur Leitung der Verhandlungen zur Änderung des Protokolls (Nr. 36) über die Übergangsbestimmungen zu bevollmächtigen.

Wien, am 9. Dezember 2009

FAYMANN m. p.                                                                                              SPINDELEGGER m.p.“

*****

Beschlüsse des Nationalrates, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegen:

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Teilnahme an internationaler Zahlungsbilanzstabilisierung (Zah­lungsbilanzstabilisierungsgesetz – ZaBiStaG) geändert wird (687 und 736/NR d.B.)

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Interbankmarktstärkungsgesetz geändert wird (737/NR d.B.)

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2010 betreffend ein Bundesfinanzrah­mengesetz 2011 bis 2014 – BFRG 2011–2014 (660 und 689/NR d.B.)

*****

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Eingelangt sind die Berichte zum Arbeits- und Legislativprogramm der Europäischen Kommission für 2010

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport, dessen Bericht dem Aus­schuss für Sportangelegenheiten zur Vorberatung zugewiesen wurde, und

der Bundesministerin für Inneres, deren Bericht dem Ausschuss für innere Angelegen­heiten zur Vorberatung zugewiesen wurde, beziehungsweise

des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, dessen Bericht dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zur Vorberatung zuge­wiesen wurde und bereits einen Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung bildet, sowie

des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst, deren Bericht dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen wurde, und

des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung, dessen Bericht dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung zur Vorberatung zugewiesen wurde, beziehungsweise

des Bundesministeriums für Justiz, dessen Bericht dem Justizausschuss zur Vor­beratung zugewiesen wurde, sowie


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 36

des Bundesministeriums für Gesundheit, dessen Bericht dem Gesundheitsausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde, und

des Bundesministeriums für Finanzen, dessen Bericht dem Finanzausschuss zur Vorbereitung zugewiesen wurde, sowie

des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, dessen Bericht dem Umweltausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde, bezie­hungsweise

des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend, dessen Bericht dem Wirtschaftsausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde, und

des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten, dessen Bericht dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zur Vorbereitung zugewiesen wurde, sowie

des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, dessen Bericht dem Aus­schuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Überdies ist der Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2009 eingelangt, der dem Wirtschaftsausschuss zur Vorberatung zuge­wiesen wurde und darüber hinaus bereits einen Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung bildet.

Des Weiteren eingelangt ist der Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2009, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, der dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte sowie jene Petition 27/PET-BR/2009, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag zur Abstand­nahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die Wahl der Vizepräsidentin und des Vizepräsidenten, der SchriftführerInnen und OrdnerInnen für das zweite Halbjahr 2010 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 37

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2, 3 bis 6 sowie 9 bis 12 jeweils unter einem zu verhandeln.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Daher werden wir so vorgehen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.40.481. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Grundsteuer­gesetz 1955, das Bundesgesetz über eine Abgabe vom Bodenwert, das Gebührengesetz 1957, die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsor­ganisati­ons­gesetz 2010, das Normverbrauchsabgabegesetz 1991, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das EUROFIMA-Gesetz, das Gesundheits- und Sozial­bereich-Beihilfengesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2010 – AbgÄG 2010) (662 d.B. und 741 d.B. sowie 8311/BR d.B. und 8313/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 geändert wird (742 d.B. sowie 8314/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 1 und 2 ist Herr Bundesrat Sodl. Ich bitte um die Berichte.

 


10.41.25

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgrün­dungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Grundsteuergesetz 1955, das Bundesgesetz über eine Abgabe vom Bodenwert, das Gebührengesetz 1957, die Bun­desabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, das Norm­verbrauchsabgabegesetz 1991, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das EUROFIMA-Gesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz und das Finanzaus­gleichsgesetz 2008 geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zur Antragstellung:


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 38

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2010 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Auch der zweite Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabak­monopol­gesetz 1996 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2010 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Ich darf zu diesen Tagesordnungspunkten Herrn Staatssekretär Schieder sehr herzlich begrüßen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.43.35

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schülerinnen und Schüler, herzlich willkommen! Das Abgabenänderungsgesetz 2010 greift in viele Steuergesetze ein. Da das Budget aus allen Nähten platzt, finden wir es richtig, auch auf der Einnahmenseite adäquate Mittel zu nutzen, um zusätzliche Ein­nahmen zu erzielen. Wir Grüne treten für eine höhere Besteuerung von Vermögen ein. Auch das großzügige Steuergeschenk, das von Schwarz-Blau/Orange in Form der Gruppenbesteuerung eingeführt wurde, soll unserer Meinung nach umfassend novel­liert werden.

Das, was wir heute hier beschließen, ist nur ein erster Schritt in die richtige Richtung, und wir hoffen, dass er einmal zu mehr Steuergerechtigkeit in Österreich führen wird.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre, in denen die Belastung hauptsächlich den Mit­tel­stand und die unteren Einkommen getroffen hat, bedarf einer dringenden Kurskorrektur. Wir erleben, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht. Darum gilt es, Steuerschlupflöcher zu stopfen, wobei ich schon anmerken möchte, dass es sich bei der Gruppenbesteuerung um kein Schlupfloch handelt, sondern eher um ein riesengroßes Scheunentor.

Hier sind wir also, wie bereits gesagt, noch lange nicht am Ziel. Die Besteuerung von Einkommen darf nicht nur die Erwerbstätigen treffen, die sich der Besteuerung ihrer Gehälter und Löhne nicht entziehen können, auch internationale Unternehmen dürfen nicht die Möglichkeit bekommen, erwirtschaftete Gewinne in Österreich durch kos­metische Budgetoperationen unversteuert einzustreifen.

Steuerfragen sind ja grundsätzlich immer Verteilungsfragen, und wir müssen uns genau überlegen, wie wir Arbeits-, Vermögens- und Unternehmenseinkommen steuer­lich belasten. In den vergangenen Jahren hat sich herauskristallisiert, dass die Steuer­belastung auf Arbeit stetig ansteigt, während wir gleichzeitig die Senkung der Kör­perschaftsteuer, Gruppenbesteuerung, Steuerprivilegien der Privatstiftungen, Abschaf­fung von Vermögen-, Erbschafts- und Schenkungssteuer erleben durften. Diese Entwicklung ist weder gerecht noch demokratisch. Wenn wir da keine Kurskorrektur vornehmen, sehe ich, auch vor dem Hintergrund einer höheren Arbeitslosigkeit und der Kürzung von Sozialausgaben, eine echte Bedrohung für die Stabilität unserer Gesell­schaft.

Auch beim Privatstiftungsgesetz hat die Regierung vor einigen Jahren den Stiftungs­gedanken, der ja an und für sich ein löblicher ist und auch seine Berechtigung hat, dazu benützt, für Wohlhabende steuerschonende Schlupflöcher zu schaffen. Zumin­dest was die Transparenz anlangt, erzielen wir heute einen kleinen Fortschritt:

Dass man bei Steuerbegünstigungen nicht im Vorhinein, wie das bei der Stiftungs­steuer der Fall ist, zumindest die Offenlegung der Stiftungsurkunde vorgesehen hat, ist für mich ein weiterer Beweis dafür, dass es bei der Besteuerung von Privatstiftungen


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 39

nicht um den Stiftungsgedanken gegangen ist, nämlich Tätigkeiten im gemeinnützigen Bereich zu unterstützen.

Ein ganz anderes Thema ist die Änderung des Tabakmonopolgesetzes. Die vorlie­gende Änderung lehnen wir schlicht und einfach ab, denn das, was da geplant ist, halte ich, ehrlich gesagt, gesundheitspolitisch für ein Himmelfahrtskommando, für ein gesund­heitspolitisches Kamikaze-Kommando. Niemand in Österreich will, dass Ziga­ret­ten zu Spottpreisen angeboten werden, da brauchen wir gesetzliche Regelungen. Wir alle wissen, wie schädlich und ungesund das Rauchen ist, und die vorliegende Änderung wird den Preis für Rauchwaren auf einem relativ – ich betone: relativ – hohen Niveau halten. Relativ deswegen, weil Zigaretten in anderen europäischen Ländern teurer sind als bei uns und dadurch dort einerseits weniger geraucht wird und andererseits die Steuereinnahmen um einiges höher sind.

Durch die Einführung von Mindesthandelsspannen wird der Handel in Zukunft mehr verdienen, aber nicht wir, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Unser Vorschlag war, den Tabak einfach höher zu besteuern, denn damit könnten wir auch mehr in die Prävention investieren. Unsere Kinder und Jugendlichen – es freut mich, dass auch einige Schüler und Schülerinnen hier sind – werden das vielleicht bestätigen: Immer mehr Kinder und Jugendliche greifen ja viel früher und häufiger zum Glimmstängel, und dagegen müssen wir dringend etwas unternehmen.

Das kostet aber natürlich etwas. Derzeit nehmen wir etwa 1,4 Milliarden an Tabak­steuern ein, etwa 12 Millionen werden für die Prävention ausgegeben. Das ist nicht einmal ein ganzes Prozent. Das ist relativ wenig, und da darf es uns dann nicht wundern, wenn wir beim Zigarettenkonsum – vom Alkoholkonsum möchte ich jetzt gar nicht sprechen – europaweit in einem traurigen Spitzenfeld liegen.

Mit einer umfassenden Anti-Rauch-Kampagne ließe sich da schon etwas ändern. Dafür müssten wir aber Geld in die Hand nehmen, das wir ja ohnehin von den Raucherinnen und Rauchern kassieren.

Letztendlich werden wir im Hohen Haus an unseren Leistungen gemessen, und ich hoffe, dass wir in einigen Jahren sagen können, dass wir den Trend, den ich hier so­eben als Gefahr kurz umrissen habe und wo ich meine, dass wir mit allen Mitteln für mehr Gerechtigkeit in Österreich zu sorgen haben, vor allem für mehr Steuergerech­tigkeit, gerade noch rechtzeitig erkannt haben.

Dafür brauchen wir aber noch eine ganze Reihe von Gesetzesänderungen. Was wir heute hier beschließen, kann, wie wir alle, glaube ich, unschwer aus der voran­gegangenen Debatte erkannt haben, nur der Anfang sein. Weitere Taten müssen folgen. Worte haben wir bis dato von allen unterschiedlichen Richtungen und politi­schen Parteien und Mitbewerbern zur Genüge gehört, nun gilt es, sozusagen Nägel mit Köpfen zu machen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen.)

10.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Mayer. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.50.26

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Dönmez, zum Rauchergesetz wird sich Kollege Perhab äußern, aber was die angesprochene Änderung des komplet­ten Steuersystems angeht, muss ich sagen, so weit sind wir natürlich noch nicht. Ich denke, wir ändern mit diesem Abgabenänderungsgesetz doch einiges, aber von einer kompletten Umstrukturierung kann keine Rede sein. Aber das kommt vielleicht noch – kommt Zeit, kommt Rat, kommt vielleicht auch ein neues Steuersystem.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 40

Ich möchte nun einige Punkte aus diesem großen Paket herausgreifen. Es geht dabei unter anderem auch um die Gruppenbesteuerung, die wir ändern oder, wenn Sie so wollen, verschärfen wollen. Ab 1. Juli sollen dann keine neuen Beteiligungsge­mein­schaften auf mittlerer Ebene beziehungsweise solche, die mitbeteiligte Mitglieder einer anderen Unternehmensgruppe sind, mehr möglich sein. Ich denke, das ist ein wesent­licher Punkt.

Wobei, Kollege Dönmez, zu sagen ist, dass bezüglich der Gruppenbesteuerung die Leute aus dem Land Vorarlberg inklusive Landeshauptmann und Mandataren zwar nicht ganz deiner Meinung sind, aber doch deine Meinung hinsichtlich dessen, dass sich hier etwas ändern könnte, teilen.

Wenn ich an die Bilanzkonferenz der Bank Austria denke, wo 1,5 Milliarden € als Gewinn der Bank Austria ausgewiesen wurden, aber eben von dieser auf Grund der Gruppenbesteuerung in Österreich kein Cent Steuer bezahlt wurde, dann meine ich, dass das schon etwas an der Steuergerechtigkeit vorbeigeht. Und wenn ich denke, wie unsere klein- und mittelständischen Unternehmen derzeit Probleme haben, dann muss ich sagen: Angesichts dessen würde man sich wünschen, dass aus dem oben ange­führten Bereich auch etwas für den Staat abfallen sollte. Das geht also weit an der steuerlichen Realität vorbei, und hier wäre unserer Meinung nach auch sehr viel Poten­tial abzuholen.

Es geht auch, wie gestern im Ausschuss gehört, um mehr Transparenz bei Privat­stiftungen. Es soll ab 1. Juli zu einer zeitnahen Offenlegung der Stiftungsurkunde oder Ergänzungsurkunde kommen. Ansonsten gibt es dann eine Meldung bei der Geldwäschestelle im Ministerium für Inneres.

Es kommt aber auch zu einer Vereinfachung im Bereich der Umsatzsteuer-Voran­meldungen. Die Grenze für die vierteljährliche Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmel­dung wird von 30 000 € auf 100 000 € angehoben, und die Grenze bei den Klein­unternehmen gemäß Umsatzsteuergesetz, die keine Steuer zu entrichten haben, die von der Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung befreit sind, wird von 7 500 € auf 30 000 € erhöht. Ich denke, auch das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Verwaltungsvereinfachung. Hier fördern wir einfach Klein- und Kleinst­un­ternehmen, damit sie nicht dauernd beim Finanzamt ihre Aufwartung machen müssen.

Einen letzten Punkt habe ich aus diesem umfassenden Abgabenänderungspaket heraus­genommen, das ist die Änderung bei der Normverbrauchsabgabe 1991. Hier wurde eine Anpassung der österreichischen Gesetzgebung an die EU-Gesetzgebung auf Grund einer EuGH-Entscheidung vorgenommen. Der CO2-Malus wird hier entsprechend berichtigt. Bei der Einfuhr von gebrauchten Fahrzeugen, die aus der Europäischen Union kommen und bereits einmal zugelassen waren, ist der ent­sprechende wertgeminderte Betrag auch bei der CO2-Angabe anzusetzen.

Es sind dies wichtige Materien, Herr Staatssekretär, denen wir gerne unsere Zustim­mung erteilen werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Zwanziger. – Bitte, Herr Kollege. (Bundesrat Zwanziger: Ich verzichte!)

Nächster Redner: Herr Bundesrat Ing. Bock. – Bitte, Herr Kollege.

10.54.38

 


Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche zur Novelle des Tabakmonopolgesetzes 1996; mein Kollege Kraml wird dann noch etwas zum 1. Tagesordnungspunkt sagen.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 41

Der EU-Gerichtshof hat festgestellt, dass die österreichische Mindestpreisregelung bei Tabakwaren nicht dem EU-Recht entspricht. Der Nationalrat hat sich bereits vor einigen Tagen mit dieser Materie befasst. Durch den heutigen Beschluss wird der EU-konforme Rechtszustand wieder hergestellt.

Worum geht es hier? – Für die Steuerbefreiung bei Freitabak, Freizigarren und Frei­zigaretten in Tabak verarbeitenden Betrieben müssen als Abgeltung Gesundheits­schutz bildende Maßnahmen ergriffen werden, vor allem Präventivmaßnahmen. Diese Maßnahme ist insbesondere für preissensible jugendliche Raucherinnen und Raucher vorgesehen. Das Absinken des Verkaufspreises soll verhindert oder zumindest erschwert werden, um die Nachfrage entsprechend zu reduzieren.

Die Einnahmenverluste der Trafikanten durch sinkende Verkaufspreise und eine geringere Handelsspanne müssen aus sozialpolitischen Gründen verhindert werden. Herr Kollege Dönmez, diese Forderung basiert auf dem Kriegsopfergesetz aus dem Jahr 1957. In diesem wurde festgelegt, dass Invalide und KZ-Geschädigte einen geschützten Zugang zu diesen Arbeitsstätten haben.

In Österreich gibt es derzeit 2 800 Fachgeschäfte und 4 350 Verkaufsstellen für Tabakwaren für eine flächendeckende Versorgung.

Ein Problem stellen die hohen Schmuggelquoten vor allem im Ausland dar. In Teilen Deutschlands werden bis zu 40 Prozent der konsumierten Zigaretten am Fiskus vorbei geschmuggelt. In Österreich ist dieser Anteil durch das Einzelhandelsmonopol um vie­les geringer.

Wie sollten diese Ziele erreicht werden? – Als Ausgangsbasis werden die Zigaretten­sorten mit einem Mindestmarktanteil von zehn Prozent verwendet. Der Preis für diese Sorte beträgt 17,25 Cent pro Stück beziehungsweise 3,45 € pro Schachtel mit 20 Stück. Die Handelsspanne wird ab dem 1. Juli 2010 mit 2,24 Cent je Stück bezie­hungsweise mit 0,44 € je Packung mit 20 Stück festgelegt. Im Tabakfachgeschäft beträgt diese Spanne etwas weniger: Sie wird mit 1,22 € je Stück beziehungsweise mit 0,24 € je Packung mit 20 Stück festgelegt.

Beim Tabak wurde eine Handelsspanne mit 1,66 Cent pro Gramm, in den Fachge­schäften mit einem Cent pro Gramm festgelegt. Dies entspricht bei einer 80-Gramm-Packung einer Spanne von 1,33 € je Packung und beim Händler einer solchen von 0,80 € pro Packung.

Da ich selbst Nichtraucher bin, allerdings sehr viel Verständnis für Raucher habe, kann ich mit dem typisch österreichischen Kompromiss: Für alle etwas! recht gut leben. Vielleicht erreichen wir durch die hohen Preise und die zunehmenden Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden, in sehr vielen Gasthöfen, Hotels und in fast allen Personentransport-Einrichtungen in den nächsten Jahrzehnten ein fast rauchfreies Land. Ich denke, wir sollten den Raucherinnen und Rauchern nicht bei jeder Gele­genheit sagen und zeigen, wie unerwünscht sie sind, sondern akzeptieren, dass Rauchwaren genauso wie Alkohol und Tabletten eine Droge sind. Nur: Verbote werden die Betroffenen nicht von ihrer Sucht befreien.

Ich erwarte mir von dieser Novelle wieder einen kleinen Schritt in Richtung eines rauchfreien Österreich, und daher gibt es auch eine Zustimmung zu diesem Gesetz von unserer Fraktion. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

10.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bun­desrat Perhab. – Bitte, Herr Kollege.

 



BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 42

11.00.01

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wurde zum Tabak­monopolgesetz schon das Wesentliche gesagt. Nur noch zwei Aspekte ergänzend dazu.

Es handelt sich hiebei um eine Übergangsregelung, denn es ist ab 1. Jänner 2011 geplant, dass es europaweit zu einer Tabaksteuerrichtlinie kommt. Das halte ich in Zukunft für einen richtigen Schritt.

Herr Kollege Dönmez, ganz verstehe ich deine Argumentation hier nicht. Im Übrigen ist mir aufgefallen, dass deine Rede hier fast wortidentisch mit der Rede deiner Parteiobfrau Glawischnig, die diese im Nationalrat gehalten hat, war, und das ist eigentlich unter deiner Würde.

Also was du mit der Mindestspanne gemeint hast – und, wie gesagt, Frau Abgeordnete Glawischnig hat das wortwörtlich so im Nationalrat gesagt –, als du gesagt hast: Warum müssen die Trafikanten und Trafikantinnen jetzt mehr verdienen?, und: Nicht mehr die Tabakindustrie streift mehr ein, sondern der Tabakhändler!, verstehe ich nicht ganz.

Vielleicht darf ich dich ein bisschen darüber aufklären, wie die Struktur bei den öster­reichischen Trafikantinnen und Trafikanten ausschaut; der Kollege Bock hat es eigent­lich schon erwähnt.

Wir haben in Österreich vorzugsberechtigte Trafikanten und nicht vorzugsberechtigte Trafikanten, Haupttabaktrafiken, im Volksmund gesagt, und Nebentrafiken, die an ein Gewerbe angehängt sind. Und da sind die Spannen unterschiedlich. Bei den vorzugs­berechtigten Trafikanten geht es darum, dass wir Menschen mit Behinderung oder mit Handycaps bevorzugterweise eine vollständige, lebensfähige Tabakstelle übergeben, um einerseits deren Existenz abzusichern und damit sich andererseits eben dadurch der Vater Staat Steuermittel erspart.

Das ist der Grundgedanke des österreichischen Tabakmonopolgesetzes. Die Öster­reichische Monopolverwaltung vollzieht das Ganze. Daher ist das Argument, hier werde abgezockt, völlig falsch.

Ich verstehe vor allem nicht, dass die Kärntner Fraktion der FPÖ hier dagegen ist. Im vorigen Jahr hatten wir nämlich an der Grenze in der Steiermark und in Kärnten Prob­leme mit den Trafikanten, denn durch den überhandnehmenden Schmuggel aufgrund der Öffnung der Grenzen sind diese dort – zum Beispiel in Mureck – bis hin an die Existenzgrundlage gekommen. Daher haben wir einen Solidaritätsfonds in der Bundes­monopolverwaltung eingeführt, um diesen Betrieben zu helfen. Und diese Novelle gewährleistet jetzt, dass die Mindestspanne auch in Zukunft gesichert ist.

Das ist, glaube ich, für alle positiv. Das hat nichts mit gesundheitspolitischen oder gesell­schaftspolitischen Maßnahmen zu tun, sondern es ist sozialpolitisch begründet, damit diese Trafikanten und Trafikantinnen auch in Zukunft ihr Einkommen haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Kraml. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.02.36

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Staatssekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das Abgaben­änderungsgesetz 2010 regelt eine ganze Reihe von Steuergesetzen, und ich gebe


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 43

dem Kollegen Dönmez recht, dass das erst ein erster Schritt ist, dem sicher noch wie­tere folgen müssen und auch folgen werden.

Die Gesetzesänderungen brauche ich hier nicht mehr zu referieren, denn diese hat der Kollege Mayer bereits ausgezeichnet dargelegt. Ich freue mich, dass er zur Grup­penbesteuerung jetzt eine völlig andere Meinung vertritt, als er dies beim ersten Tagesordnungspunkt getan hat, als ich hier am Rednerpult gestanden bin. Offensicht­lich hat er schnell dazugelernt.

Unserer Überzeugung nach sind das wichtige Gesetze, denen wir von der SPÖ gerne unsere Zustimmung geben werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Mag. Schieder. – Bitte.

 


11.03.57

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Die Tagesordnungspunkte 1 und 2 enthalten ein paar nennenswerte Änderungen bei der Einkommensteuer, bei der Körperschaftsteuer und auch bei der Bundesabgaben­ordnung. Ich möchte nur kurz auf die einzelnen Punkte eingehen und darüber hinaus zu dem, was in der Debatte jetzt vorgebracht wurde, Stellung nehmen.

Im Einkommensteuergesetz definieren wir jetzt auch den Begriff „öffentliche Mittel“ endlich, eindeutig und unmissverständlich. Das ist eigentlich auch schon das Resultat der bisher bestehenden Rechtsprechung. Aber es geht auch darum, die Anwendung für die Steuerfreiheit, zum Beispiel bei Hilfsbedürftigkeit und bei Steuerbegünstigungen im Bereich der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Kunst, präziser zu fassen. Diese neue Definition, die im § 3 Abs. 4 Einkommensteuergesetz geschaffen wird, schafft somit auch Rechtsicherheit.

Zum Körperschaftsteuerrecht ist zu sagen – und zwar vor allem gerichtet an die Adresse des Bundesrates Dönmez von den Grünen –, dass es im Rahmen der Gruppenbesteuerung bisher so war, dass auch auf mittlerer Ebene sogenannte Beteiligungsgemeinschaften gebildet werden konnten. Diese Strukturen, die sehr komplex waren, gestalteten sich für die Verwaltung oft als sehr schwierig, vor allem in verwaltungstechnischer Hinsicht, und daher wird aus Vereinfachungsgründen jetzt mit diesem Gesetzesbeschluss das so geregelt, dass ab 1. Juli 2010 eben keine Beteiligungsgemeinschaften mehr auf mittlerer Ebene geschaffen werden können. Das ist eine sowohl verwaltungstechnisch als auch an sich sinnvolle Eindämmung im Bereich der Gruppenbesteuerung. Sinnvollerweise gibt es aber eine Übergangsfrist für bestehende Beteiligungsgemeinschaften bis 2020.

Wir haben auch neue Offenlegungsvorschriften für Privatstiftungen vorgesehen. Diese Änderungen sind auch Folge einer Kritik von FATF; das wird auch im nächsten Tages­ordnungspunkt eine Rolle spielen. In Zukunft ist es so, dass Stiftungszusatzurkunden sowie gewisse verdeckte Treuhandschaften bei Privatstiftungen nun der Finanz­verwaltung offengelegt werden müssen. Eine Nichtoffenlegung hat zur Folge, dass das Finanzamt eine entsprechende Meldung an die Geldwäschemeldestelle im Innenminis­terium vornehmen wird. Das heißt, dass wir hier sowohl den internationalen Vorgaben, aber auch dem an sich bestehenden Transparenzgebot entsprechen.

Weiters möchte ich noch das sogenannte Advance Ruling hervorheben, das im § 118 der Bundesabgabenordnung geschaffen wird. Das soll ab 1 Jänner 2011 geben. Da geht es darum, dass Unternehmerinnen und Unternehmer sich im Zusammenhang mit Fragen zu Verrechnungspreisen, Gruppenbesteuerungen, Umgründungen und der­


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 44

gleichen mehr verbindliche Rechtsauskünfte aus der Finanzverwaltung holen können. Das erhöht die Planungssicherheit für die Unternehmen. Diese Auskunft ist allerdings kostenpflichtig. Sie ist aber nur dann bindend, wenn der beurteilte Sachverhalt auch tatsächlich verwirklicht wird.

Das Wichtige dabei ist, dass hiermit die Möglichkeit geschaffen wird, dass vor allem Steuerehrlichkeit der Unternehmer mit einer Vorabanfrage honoriert und die Planungs­sicherheit dadurch erhöht wird.

Abschließend zum Tabakmonopolgesetz, zu dem es hier kontroversielle Meinungen gab.

Zur Erinnerung: Die Mindestpreisverordnung war deshalb aufzuheben, weil der EuGH, der Europäische Gerichtshof, in einem Urteil die bestehende österreichische Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht als nicht vereinbar angesehen hat, und daher hat er sie aufgehoben.

Was wir aber nicht wollten, ist, dass durch die Aufhebung dieser Mindestpreisver­ordnung ein Preisverfall bei den Tabakprodukten einsetzt. Das entspricht sowohl aus gesundheitspolitischen, aber auch aus steuerpolitischen Gründen keinesfalls unserer Intention. Darüber hinaus geht es da natürlich auch um die Sicherung des Einkom­mens der Trafikantinnen und Trafikanten und des Bestands der Trafiken. Daher haben wir in einer schnellen Reaktion auf diese europarechtlich schwierige Situation die Mindesthandelsspanne bei den Trafikantinnen und Trafikanten auf Basis des jetzigen Mindestpreisniveaus – das sind 3,45 € pro Packerl – eingefroren.

Das ist auch eine Maßnahme, die für die Industrie einen Anreiz schafft, den Preis nicht rapide zu senken und den Mindestpreis nicht zu unterbieten. Mit dieser Maßnahme soll auch den Trafikanten ihr Einkommen garantiert werden und Sicherheit in Zusam­menhang mit den ohnehin schon schwierigen Auseinandersetzungen um Import- und Schmuggelware geschaffen werden. Aber es wird im Zuge einer generellen Neudiskussion im Steuerrecht um die Frage gehen, ob wir eine andere, nachhaltigere, vielleicht auch bessere Lösung für diesen Bereich finden können. Diese Diskussion ist nicht unter dem Aspekt der schnellen Reaktion auf das EuGH-Urteil zu führen, sondern sie ist aus gesundheitspolitischer, preispolitischer und natürlich auch einnahmen­steuerpolitischer Sicht zu führen. Dieses Thema wird uns sicherlich in nächster Zeit noch beschäftigen.

Ich hoffe, dass – wie ich es den Debattenbeiträgen entnehmen konnte – eine Mehrheit hier in diesem Hohen Haus für dieses Gesetzesvorhaben grünes Licht geben wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

11.09

11.09.10

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Abgabenänderungsgesetz 2010.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 45

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 geändert wird.

Ich ersuche wieder jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.10.50 3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Durchführung internationaler Sanktions­maßnahmen (Sanktionengesetz 2010 – SanktG) erlassen und das Bundesgesetz über den Kapital- und Zahlungsverkehr mit Auslandsbezug (Devisengesetz 2004) geändert wird (656 d.B. und 739 d.B. sowie 8315/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Börsegesetz 1989, das Zahlungsdienstegesetz, das Wertpapieraufsichts­ge­setz 2007, das Glücksspielgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bundeskriminalamt-Gesetz geändert werden (661 d.B. und 740 d.B. sowie 8312/BR d.B. und 8316/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden (673 d.B. und 692 d.B. sowie 8317/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und das Bilanzbuchhaltungsgesetz geändert werden (671 d.B. und 718 d.B. sowie 8318/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 3 und 4 ist Herr Bundesrat Todt. Ich bitte ihn um die Berichte.

 


11.11.30

Berichterstatter Reinhard Todt: Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit das Bundesgesetz über die Durchführung internationaler Sanktionsmaßnahmen (Sank­tionen­gesetz 2010 – SanktG) erlassen und das Bundesgesetz über den Kapital- und Zahlungsverkehr mit Auslandsbezug (Devisengesetz 2004) geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 46

Der Bericht des Finanzausschusses liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zum Antrag.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2010 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bank­wesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Börsegesetz 1989, das Zahlungsdienstegesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Glücks­spielgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bundeskriminalamt-Gesetz geändert wer­den.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zum Antrag.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2010 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke. – Berichterstatterin zu Punkt 5 ist Frau Bundesrätin Mosbacher. Ich bitte um den Bericht.

 


11.13.20

Berichterstatterin Maria Mosbacher: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Straf­gesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2010 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke. – Berichterstatter zu Punkt 6 ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Ich bitte um den Bericht.

 


11.14.14

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich darf Ihnen den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewer­beordnung 1994, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und das Bilanzbuchhaltungs­gesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Ver­lesung.

Ich komme sogleich zum Antrag.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2010 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erster Herr Bundesrat Ertl. – Bitte, Herr Kollege.

 



BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 47

11.15.02

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Zu Punkt 3 der Tagesordnung: Diesem Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über die Durchführung internationaler Sanktionsmaßnahmen erlassen und das Bundesgesetz über den Kapital- und Zahlungsverkehr mit Auslandsbezug (Devisengesetz 2004) geändert wird, stimmen wir nicht zu.

Durch diese Gesetzesänderung sollen Regulierungslücken und Defizite beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus geschlossen werden. Die Financial Action Task Force, kurz FATF, stellte in ihrem Prüfbericht zu Österreich aus dem Vorjahr Mängel bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus fest.

Ein neues Bundesgesetz über die Durchführung internationaler Sanktionsmaßnahmen wird das – bisher im Devisengesetz normierte – Einfrieren von Vermögenswerten mit Auslandsbezug regeln.

Wir sind aus folgenden Gründen gegen diese Regierungsvorlage:

Erstens: Es ist zu kritisieren, dass es keine entsprechenden Studien über die Bedeu­tung der jeweiligen Maßnahmen im Transparenzpaket gibt.

Zweitens: Die Maßnahmen sind überschießend.

Drittens: Keiner der Sponsoren des internationalen Terrorismus braucht sich wegen der neuen Rechtslage in Österreich Sorgen zu machen.

Zu Punkt 4 der Tagesordnung:

In dieser Regierungsvorlage wird die Verpflichtung der Finanzinstitute erweitert, bei Verdacht, eine Transaktion diene der Geldwäsche oder der Finanzierung terroristischer Akte, Meldung zu erstatten.

Kompetenzen der Geldwäschemeldestelle und Zuständigkeiten der Finanzmarkt­auf­sicht werden ausgedehnt, die Befugnisse der Geldwäschebeauftragten in Kredit- und Finanz­instituten werden genauer definiert, und die Geldwäschevorbeugung im Glücks­spiel wird verstärkt.

Im Bankwesengesetz wird die Identifizierungspflicht auch bei Vorlage eines Losungs­wortsparbuches mit einem Guthaben unter 15 000 € eingeführt.

Wir sind hier aus folgenden Gründen dagegen:

Erstens: Es ist eine weitere Aushöhlung des Bankgeheimnisses.

Zweitens: Keiner der Sponsoren des internationalen Terrorismus braucht sich wegen dieser neuen Rechtslage in Österreich Sorgen zu machen. Aber die vielen Spar­buchbesitzer erwartet eine unsichere Zukunft.

Drittens: Diskretion gilt aber immer weniger für den österreichischen Staatsbürger – man ebnet so den Weg zum gläsernen Menschen.

Zum Tagesordnungspunkt 5:

Erstens: Die Identifizierungs- und Sorgfaltspflichten der Rechtsanwälte und Notare sollen verschärft werden.

Der wirtschaftliche Eigentümer ist bei Vorliegen einer der im § 8a Abs. 1 Rechts­anwaltsordnung angeführten Geschäfte jedenfalls zu identifizieren.

Es soll erhöhte Aufmerksamkeit solchen Geschäftsbeziehungen und Geschäften gewid­met werden, bei denen eine besonders komplizierte oder eine für den ange­strebten Zweck ungewöhnliche vertragliche oder wirtschaftliche Konstruktion vorliegt.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 48

Weiters soll besondere Aufmerksamkeit Geschäftsbeziehungen und Geschäften mit Personen gewidmet werden, die ihren Wohnsitz in einem Land haben, welches die sogenannten „40+9 FATF-Empfehlungen“ nicht oder nur ungenügend umgesetzt hat.

Zweitens: Durch die Kriminalisierung der Eigengeldwäscherei sollen auch tatbestands­mäßige Geldwäschereihandlungen des Täters der Vortat bei entsprechender subjektiver Tatseite wegen der zusätzlich aufgewendeten kriminellen Energie geson­dert strafbar sein.

Normzweck der Geldwäschereibestimmung ist die Unverwertbarkeit kriminell konta­minier­ten Vermögens. Diese Rechtsfolge soll auch den Vortäter treffen.

Drittens: Der Vortatenkatalog des § 165 Strafgesetzbuch soll um alle Vermögens­delikte, die mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind, sowie um gewerbs­mäßig begangene Vergehen gegen den gewerblichen Rechtsschutz erweitert werden.

Viertens: Die in § 165 Strafgesetzbuch angedrohten Sanktionen wurden von der FATF als zu milde und daher als nicht wirksam, angemessen oder abschreckend angesehen.

Die Grundstrafdrohung soll nunmehr bis drei Jahre betragen. Die Begehung in Bezug auf einen 50 000 € übersteigenden Wert oder als Mitglied einer kriminellen Vereini­gung, die sich zur fortgesetzten Geldwäscherei verbunden hat, soll mit Freiheitsstrafen von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu ahnden sein.

Und fünftens: Die Voraussetzungen für eine Auskunft über Bankkonten und Bank­geschäfte nach § 116 Strafprozessordnung sollen erleichtert werden.

Wir sind aus folgenden Gründen dagegen:

Nach dem Entwurf soll die sogenannte Eigengeldwäscherei strafbar werden. Insbeson­dere in Bezug auf die Tathandlungen des § 165 Abs. 1 Strafgesetzbuch erscheint diese Ausweitung bedenklich, denn bislang wurde zu Recht davon ausgegangen, dass Verwertungs- und Verheimlichungshandlungen, die keinen neuen Unwert durch eine eigenständige weitere Rechtsgutbeeinträchtigung herstellen, als straflose Nachtaten anzusehen sind.

Unverhältnismäßigkeit des Strafrahmens.

Delikte gegen Vorschriften des Immaterialgüterrechtes sind Privatanklagedelikte. Die Aufnahme dieser Delikte in den Vortatenkatalog würde dazu führen, dass die Grundstraftat nicht von Amts wegen zu verfolgen wäre, die Geldwäscherei hingegen schon.

Die Ausdehnung der Taten, die künftig Anlass für eine Kontoöffnung geben könnten, höhlt den Schutz des Bankgeheimnisses komplett aus, denn es verbleiben bloß Fahrlässigkeitsdelikte, die in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes fallen, bei denen keine Kontoöffnung zulässig ist.

Entscheidend ist auch, dass der Entwurf in ein Spannungsverhältnis zum Verbot der Verpflichtung zur Selbstbelastung gerät und so gegen die Europäische Menschen­rechtskonvention verstößt.

Nun zu Tagesordnungspunkt 6: Wir sind aus folgenden Gründen dagegen:

Es ist zu kritisieren, dass es auch da keine entsprechenden Studien über die Bedeutung der jeweiligen Maßnahmen im Transparenzpaket gibt.

Das Gesetz ist unklar formuliert.

Es ist abzulehnen, dass Unternehmen zu Detektiven gemacht werden und Aufgaben von Behörden erfüllen müssen.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 49

Wir stimmen daher bei keinem der Punkte 3 bis 6 zu. (Beifall der Bundesräte Mühlwerth und Zwanziger.)

11.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf nun auch Frau Bundesministerin Bandion-Ortner sehr herzlich auf der Regierungsbank begrüßen.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte, Herr Kol­lege.

 


11.23.00

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit den vier jetzt zur Debatte stehenden Tagesordnungspunkten, mit diesem Paket an Gesetzesänderungen stärken wir den Finanzsektor und damit auch den Wirtschafts­standort Österreich.

Ich möchte gleich mit den inhaltlichen Hauptpunkten des Paketes, mit denen wir uns zu beschäftigen haben, beginnen. Es geht dabei hauptsächlich um die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Ziel dieser Fülle von Gesetzesänderungen ist es, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung noch effektiver zu bekämpfen.

Geldwäsche heißt, dass Geldmittel, Einkünfte, Erträge aus Straftaten, aus kriminellen, oft menschenverachtenden Machenschaften in den regulären Wirtschaftskreislauf überführt werden. Das ist leider bereits ein riesiges globales Geschäftsfeld geworden. Geldwäsche ist vor allem deswegen ein solch großes Problem, weil sie ein starker Anreiz für kriminelle Organisationen, für kriminelle Vereinigungen, für Straftäter insgesamt ist, durch kriminelle Machenschaften Erträge zu erwirtschaften.

Für diesen kriminellen Personenkreis ist das aber nur interessant, wenn es auch möglich ist, diese Erträge in irgendeiner Form in den regulären Wirtschafts- und Geldkreislauf einzuführen. Aus diesem Grund ist die Bekämpfung von Geldwäsche ein ganz zentrales und wichtiges Element in der Kriminalitätsbekämpfung, insbesondere bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität.

Ein weiteres brandheißes Thema ist die Bekämpfung der Finanzierung des Ter­rorismus. Dies deshalb, da der internationale Terrorismus davon lebt, dass Milliar­den zur Finanzierung terroristischer Straftaten verschoben beziehungsweise verwendet werden. Da setzen wir jetzt in verschiedenen Bereichen an, im Bereich der Justiz, bei der Wirtschaftsgesetzgebung und auch beim Finanzmarkt, indem wir Maß­nahmen ergreifen, die geeignet sind, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung noch effizienter zu verhindern und zu bekämpfen.

Ich gehe hier im Besonderen auf die Punkte ein, die die Justiz betreffen. Es sind dies die Verpflichtungen, die Sorgfaltsverpflichtungen der beiden rechtsberatenden Berufe Rechtsanwalt und Notar noch klarer zu definieren.

Dabei muss man feststellen, dass auch jetzt schon Bestimmungen in den jeweiligen Gesetzen existieren, die diesen beiden Berufen gewisse Sorgfaltsverpflichtungen auf­er­legen. Das ist deshalb wichtig, weil gerade wichtige Verschwiegenheitspflichten dieser beiden Berufsstände auf der anderen Seite eine besondere Anziehungskraft, einen besonderen Anreiz für Kriminelle, für kriminelle Organisationen, über Trans­aktionen Geld zu verschieben und Geld weißzuwaschen, ausüben könnten. Das Berufsgeheimnis des Anwaltes wird da jedoch nicht angetastet.

Es ist auch gut, dass bestimmte Länder in eine Verordnung aufgenommen werden müssen, womit entsprechende Rechtssicherheit gewährleistet wird und bei Klienten aus diesen Ländern besondere Sorgfalt an den Tag zu legen ist.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 50

Der zweite wichtige Punkt ist, dass zusätzliche Ermittlungsmöglichkeiten im Rahmen der Strafprozessordnung geschaffen werden. Dieser Punkt ist heikel, weil auf der einen Seite die Einschränkung von wichtigen Rechten wie auch dem Bankgeheimnis zum Zweck der Ermittlung von Straftätern ganz klar zu regeln und auf der anderen Seite – und das steht außer Frage – das Bankgeheimnis zu wahren ist.

Das österreichische Bankgeheimnis ist Gott sei Dank auf sehr hohem Niveau, aber es soll auch nicht dazu dienen, Straftäter zu schützen und die Aufklärung von Straftaten zu verhindern. Da wurde ein ausgewogener Weg gefunden, einerseits kriminelle Machen­schaften zu verhindern, aufzuklären, diesen vorzubeugen und andererseits der Wahrung von wichtigen Rechten, und zwar auch dem des Bankgeheimnisses, weiterhin Genüge zu tun.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass wir mit diesen Gesetzen auf den Prüf­bericht der Financial Action Task Force vom Juni 2009, auf die wesentlichen Punkte reagieren. Es ist dies ein ausgewogener Weg, um kriminellen Machenschaften vorzu­beugen und auch dem Bankgeheimnis gerecht zu werden. Geldwäsche und Terroris­musfinanzierung können effektiver bekämpft werden. Eigengeldwäscherei soll strafbar gemacht, ein Vortatenkatalog erstellt, die notwendigen Strafdrohungen erhöht und die Zusammenarbeit in diesem Bereich mit anderen Staaten gefördert werden.

Alles in allem ein rundes Paket, das, wie eingangs erwähnt, den Finanzsektor und damit auch den Wirtschaftsstandort Österreich stärken wird. Wir stimmen diesem Paket gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sodl. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.27.53

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe davon aus, dass Kollege Strohmayer-Dangl den Herrn Staatssekretär nicht bewusst nicht begrüßt hat, sondern bei der Begrüßung nur vergessen hat.

Österreich hat sich mit dem beharrlichen Festhalten am Bankgeheimnis nicht nur Freunde gemacht, sondern auch einen zweifelhaften Ruf erworben, auch den Ruf einer Steueroase. Österreich wurde daher auf die sogenannte Graue Liste der OECD ge­setzt. Von dieser „Grauen Liste“ ist Österreich inzwischen wieder gestrichen worden, aber noch im Vorjahr hat die internationale Organisation zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bei einer Untersuchung einige Defizite in der österreichischen Rechtslage festgestellt.

Es wurde aufgezeigt und kritisiert, dass Eigengeldwäsche in Österreich kein Straftat­bestand ist. Mit der Beschlussfassung dieses Bundesgesetzes, mit dem die Rechts­anwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Strafgesetzbuch und die Strafprozessord­nung 1975 geändert werden, wird sich diese Situation wesentlich verbessern.

Weiters wird garantiert, dass dem Wirtschaftsstandort Österreich dadurch kein Nachteil erwächst. Denn würden die Änderungen nicht vorgenommen werden, würde sich Österreich auf der von der Financial Action Task Force herausgegebenen Liste wiederfinden, auf der all jene Länder aufgelistet sind, deren Gesetzgebung und Maßnahmen gegen Geldwäsche nicht den international festgesetzten Standards entsprechen. Das wäre natürlich fatal, vor allem für die Wirtschaftswelt. So aber bleibt Österreich attraktiv für die internationale Wirtschaftswelt – und das ist auch gut so –, und es sollte unattraktiv für all jene werden, die den Finanzplatz Österreich für Geldwäsche beziehungsweise Terrorismusfinanzierung missbrauchen wollen.


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Trotz dieser Maßnahmen ist zu befürchten, dass die kriminelle Energie und vor allem die Phantasie nicht nachlassen werden. Es sollte aber der Weg etwas schwieriger, etwas steiniger werden, und es sollte vor allem auch etwas teurer werden. Damit ist dieser Fortschritt nicht zu unterschätzen.

Kolleginnen und Kollegen! Ein Bericht in der heutigen Ausgabe der „Presse“ ist sehr interessant und passend zur heutigen Debatte.

Auf Seite 19 in der „Presse“ heißt es: „Vatikanbank im Visier der Geldwäschejäger

Ermittler durchstöbern mysteriöse Konten der IOR.“

Und weiter:  „Italienischen Ermittlern ist nichts heilig: Sie filzen gerade die Vatikan­bank IOR, die formell dem Papst gehört“ – dann zwischen Klammern – „(der die Gewinne freilich nicht für sich, sondern für den Heiligen Stuhl beansprucht). Ihr teuflischer Verdacht: Geldwäsche in großem Stil.

Laut Ermittlern hat die Vatikanbank in den vergangenen Jahren zahlreiche Konten bei italienischen Banken eröffnet, ohne den Namen des Kontoinhabers anzugeben.“ In den letzten Jahren seien riesige Summen bewegt worden. „Allein 2007 seien per Scheck monatlich zwischen 32 und 80 Mio. Euro ungeklärter Herkunft eingezahlt worden.“

Sind das Konten von Personen, die sich des Betruges, der Geldwäsche oder der Steuerhinterziehung schuldig gemacht haben?

Geschätzte Damen und Herren, ich möchte noch einige Worte zu Spekulations­ge­schäften verlieren.

Seit einiger Zeit erleben wir vermehrt, dass vor allem Gemeinden – viele der Kolle­ginnen und Kollegen kommen aus den Kommunen –, Gemeindeverbände, Firmen und natürlich auch Privatpersonen Probleme mit Spekulationsgeschäften haben und teil­weise sehr dramatische Verluste zu verzeichnen haben.

Wir haben auch gesehen, dass Anbieter oft sehr ungeniert Geschäfte anbieten, wo Probleme, die damit im Zusammenhang stehen können, verschwiegen werden, weil die Anbieter selbst sie oft vielleicht nicht erkennen oder – auch getrieben von der eigenen Provision – Menschen in eine unverantwortbare Situation treiben. Das gute Geschäft macht meist nur der Anbieter.

Die Fremdwährungskredite, um die es geht, sind nichts anderes als Spekulations­ge­schäfte; Spekulationen auf Zinsen und Währungen. Entscheidend für den Gewinn oder Verlust ist ausschließlich der Zeitpunkt des Handelns, und diesen entscheidet nicht der Experte, nicht der Verkäufer, sondern den hat der Kunde zu entscheiden. Niemand kann die Entwicklung vorhersehen, nicht der Experte und schon gar nicht der Kunde. Daher ist der Gewinn ausschließlich eine Funktion des Glücks.

Der Großteil der Fremdwährungskredite liegt im Schweizer Franken. Sehr viele befinden sich jetzt in einer Situation, die einem Super-GAU ähnlich kommt. Der Euro schwächelt, die Schulden steigen. Auch die Tilgungsträger, die für diese Haupt­geschäfte vereinbart wurden, sind mehr oder weniger spekulativ und nicht annähernd geeignet, das Minus, das das Hauptgeschäft aufgetan hat, aufzufangen. Eng wird es dann, wenn Nachschuss verlangt oder die Konvertierung nahegelegt wird.

In dieser Situation befinden sich gegenwärtig sehr viele Menschen. Derartige Ge­schäfte sind niemandem zumutbar. Jedenfalls sehen wir es als unsere Aufgabe an, zumindest die Ärmeren und Schwächeren vor solchen Geschäften zu schützen.

Daher ist es höchst an der Zeit, dass wir von dieser Zockermanier wegkommen, wo immer irgendjemand versucht, auf Kosten des anderen zu leben, und zu einer seriösen Kultur auch in dieser Frage kommen. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, es ist die


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Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass sich in diesem Bereich eine seriöse Kultur entwickelt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, aufgrund der Landtagswahlen im Burgenland vom vergangenen Sonntag werde ich aller Voraussicht nach heute das letzte Mal hier an diesem Rednerpult des Bundesrates stehen. Ich möchte mich daher heute von Ihnen verabschieden. Ich tue das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich durfte und konnte in den viereinhalb Jahren viele Menschen kennenlernen und Freunde gewinnen, über die parteipolitischen Grenzen hinweg. Ich konnte viel lernen und möchte diese Zeit nicht missen.

Ich wünsche Ihnen, sehr geschätzte Damen und Herren, allen Mitgliedern des Hauses alles Gute für die Zukunft. Ich wünsche dem Bundesrat alles Gute. Kämpfen Sie weiter für diesen Bundesrat! Ein herzliches Glückauf dem Bundesrat und alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

11.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Lieber Kollege Sodl, ich darf mich im Namen des Bundesrates, im Namen von uns allen bei dir für die Beiträge, die du über die Jahre hier gebracht hast, sehr herzlich bedanken und wünsche dir viel Erfolg, Glück und alles Gute. Du bist in einer sehr spannenden Branche tätig, die mir durchaus zugängig ist. Alles Liebe, alles Gute!

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Kolle­gin.

 


11.36.09

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe BesucherInnen! Auch wenn ich jetzt hier heraußen stehe, werden wir den beiden Gesetzesvorlagen, über die ich spreche, nämlich dem Sanktionengesetz und dem Devisengesetz, zustimmen – auch den übrigen vier Gesetzen.

Es ist jetzt schon einiges über Geldwäsche gesagt worden. Ich denke, es gibt einen sehr niederschwelligen Zugang dazu. Jeder, der einen Spamfilter hat wie ich, der hin und wieder diese netten, spannenden Mails durchlässt mit: Sie bekommen 5 Mil­lionen €, wenn Sie die 10 Millionen € verschieben!, weiß, dass das sehr nieder­schwellig ist. Es werden sich nicht allzu viele Menschen davon angesprochen fühlen. In den meisten Fällen geht es dabei entweder um Geldwäsche oder darum, dass die direkt abzocken wollen. Das sind Methoden, die, denke ich, jeden von uns treffen können. Es sind nicht nur die bösen Mafiosi, die irgendwo Geld waschen, sondern das kann jeden von uns betreffen, wenn er sich auf solche Dinge einlässt.

Auch wenn wir heute zustimmen, muss ich feststellen, dass die Umsetzung von Maßnahmen gegen die Geldwäsche in Österreich – wie soll ich sagen? – nicht unbedingt flott vorangeht, sondern sich seit Jahren eher zäh hinzieht und dass in den meisten Fällen etwas aufgrund von großem Druck oder nur das Minimum umgesetzt wird, das international von uns verlangt wird.

Symptomatisch dafür ist der Umgang mit dem Bericht, den wir jetzt vorliegen haben, nämlich dem Bericht der Financial Action Task Force. Dieser wurde im Juni 2009 beschlossen – veröffentlicht wurde er erst im Dezember 2009. Als ich im Ausschuss nachgefragt habe, ob es da eine deutsche Übersetzung gibt, haben mich alle ange­sehen, als wäre ich nicht zurechnungsfähig. Aber ich denke, es ist nicht abwegig, dass es auch andere Nicht-FinanzexpertInnen gibt, die Interesse daran haben, was inter­nationale Organisationen zu unserem Umgang mit Geldwäsche zu sagen haben und welche Vorschläge da gebracht werden. Denn der Bericht ist nicht nur interessant, er


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ist auch sehr aufschlussreich. Es gibt nicht nur zwei, drei Kritikpunkte, sondern zahlreiche Kritikpunkte, unter anderem am österreichischen Umgang mit der Geld­wäsche. Die Kritikpunkte beziehen sich auf das Bankgeheimnis und andere Geheim­haltungspflichten und auf die Ressourcen, die wir zur Verfügung stellen.

Das Bankgeheimnis wurde zwar im Vorjahr „gelockert“ – unter Anführungszeichen –, es ist aber nach wie vor so, dass es schwierig ist, im Ausland begangene Delikte nachzuvollziehen und den Zusammenhang zwischen dem Delikt und der Geldwäsche bei uns zu beweisen.

Weiters ist es auch nicht ganz einfach, wenn der Staatsanwalt beweisen muss, dass über dieses Konto, das er einschauen möchte, illegale Handlungen erfolgt sind. Das zu beweisen ist natürlich nicht ganz so einfach.

Weiters wird kritisiert, dass die Anforderungen an unsere Banklizenzen verbesserungs­würdig sind, sagen wir einmal so, insbesondere dann, wenn ein hoher Anteil an Inha­beraktien vorliegt.

Des Weiteren wurden Maßnahmen bei der Umsetzung der Überwachung der Identifikation kritisiert. Wir müssen uns zwar jetzt immer ausweisen, aber wie genau das vor sich geht und was geschieht, wenn da nicht so genau ausgewiesen ist, das ist nicht genau definiert, sondern das regeln sich die Banken selbst.

Das Bankgeheimnis ist also nach wie vor ein Kritikpunkt der internationalen Organisationen gegenüber Österreich.

Ein weiterer Kritikpunkt ist eben die Geheimhaltung, weil Geldtransfers ja nicht nur über Banken laufen, sondern zum Teil auch über Treuhänder, über Notare et cetera. Es sollten auch in diesem Bereich Antigeldwäschemaßnahmen gesetzt werden kön­nen.

Es wird zum Teil auch mangelnde Transparenz kritisiert, dass zum Beispiel die Begünstigten einer juristischen Person nicht immer ausgewiesen und angeführt werden müssen, nicht immer erkennbar sind. Es ist bei Non-Profit-Organisationen, bei Treuhandschaften, Stiftungen und Inhaberaktien, wenn ich nicht weiß, wem das gehört, schwierig nachzuvollziehen, was sich auf dem Konto abspielt. Es werden Mängel beim Firmenbuch kritisiert, und es wird kritisiert, dass die ausländischen Trusts nichts offenlegen müssen.

Und ein weiterer Punkt: die Ressourcen, die in Österreich relativ knapp sind. Es fehlen die Ressourcen für die Überwachung, einerseits bei der Finanzmarktaufsicht und anderseits bei der Nationalbank. Die Standards bei der Geldwäschestelle wurden kritisiert und die fehlenden Geldwäschemaßnahmen außerhalb des Finanzbereichs, nämlich bei den Casinos, Auktionshäusern et cetera.

Nun liegt hier ein Paket von Maßnahmen vor. Es ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Wenn man sich überlegt, was alles kritisiert worden ist im Vergleich zu dem, was jetzt umgesetzt wird, ist es eher ein Hoppelschritt. Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, werden wir jetzt nicht so schnell wirklich aktiv und musterschülermäßig die Geldwäsche in Österreich bekämpfen. Es ist schon ein paar Mal erwähnt worden, die Bekämpfung von Geldwäsche ist indirekt auch die Bekämpfung von internationaler Kriminalität, denn wenn man das Geld, das man durch seine kriminellen Machen­schaften erworben hat, nicht irgendwo in den normalen Wirtschaftskreislauf einbringen kann, ist es natürlich weniger wünschenswert, es überhaupt zu bekommen.

Das heißt, wenn wir diese internationale Kriminalität wirklich effektiv bekämpfen wollen, dann müssen wir noch einige weitere Schritte setzen, und ich hoffe, dass das in naher Zukunft geht und nicht so langsam wie bisher. Ich würde mir wünschen, dass wir


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diesbezüglich auch ein bisschen mehr Musterschüler wären, als wir es bisher waren. Das, was vorliegt, verdient gerade noch ein Genügend, aber wir werden zustimmen in der Hoffnung, dass wir uns bald bessern werden. (Beifall bei den Grünen.)

11.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Sehr herzlich darf ich jetzt hier im Saal auch die Schülerinnen und Schüler der Landesberufsschule Theresienfeld begrüßen.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner. – Bitte, Frau Minis­ter.

 


11.42.51

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Präsident! Sehr verehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Financial Action Task Force hat verschie­dene Defizite bei der Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung, bei der Bekämpfung von Geldwäsche festgestellt. Und dieses Paket soll diese Defizite beseitigen. Und das Zauberwort, meine Damen und Herren, ist auch hier Verhältnismäßigkeit. Dieses Zauberwort kommt auch bei diesem Paket voll zum Tragen.

Wir haben es bereits gehört, die Geldwäschebestimmungen sollen verschärft werden. Herr Bundesrat Sodl und Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl haben bereits dargelegt, warum das so wichtig ist.

Ganz kurz noch einmal: Geldwäsche fördert die Schattenwirtschaft. Sie verschleiert kriminell erworbenes Vermögen, sie führt illegale Gewinne in legale Bereiche über. Daher brauchen wir geeignete Instrumente zur Bekämpfung von Geldwäsche. Der Vortatenkatalog wird ausgeweitet, die Strafdrohung wird erhöht, aber auch sonst wird es einige Änderungen geben wie zum Beispiel die Erweiterung um gewerbsmäßig begangene Vergehen gegen den gewerblichen Rechtsschutz, wenn daraus illegal erworbenes Vermögen verschleiert wird.

Es soll weiters zu einer erhöhten Sorgfaltspflicht für Notare und Rechtsanwälte kommen. Es gibt bereits eine Sorgfaltspflicht. Diese wird jetzt präzisiert, denn Rechtsanwälte und Notare sollen auch geschützt werden, damit sie nicht Teil von kriminellen Netzen werden.

Außerdem soll es erleichtert werden, dass kriminell erworbenes Vermögen ausge­forscht wird, das heißt, die Kontoöffnungsbestimmungen werden modifiziert. Aber, und das ist ganz wesentlich, ein Gerichtsbeschluss ist nach wie vor erforderlich. Das ist der Schutz des Bankgeheimnisses. Ansonsten wird das Bankgeheimnis dadurch nicht beeinträchtigt. Ein Bankgeheimnis ist nicht dazu da, kriminelle Machenschaften zu fördern oder zu verschleiern.

Also alles in allem ist es ein sehr gutes Paket in die richtige Richtung, und es wird auch ein weiterer Schritt sein, um die internationale Kriminalität, die organisierte Kriminalität, die so vernetzt und undurchschaubar geworden ist, leichter zu bekämpfen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.45


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Petritz. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.45.38

Bundesrat Karl Petritz (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da unser Kollege gerügt worden ist, weil er den Staatssekretär nicht erwähnt hat, muss ich Frau Kollegin Kerschbaum auch rügen, weil sie die Frau Minister nicht erwähnt hat. Ich will das nur hier in diesem Haus klarstellen. (Bundesrätin Kersch­


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baum: Entschuldigung! – Bundesrat Schennach: Vielleicht sollen sie sich zusam­mensetzen! – Staatssekretär Mag. Schieder: Da müsste man eine Regierungsbank bauen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mich auf den Punkt 6 beziehen, auf den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und das Bilanzbuchhaltungsgesetz geändert werden. Damit ist von meiner Warte aus gesehen ein sehr notwendiger Schritt in die richtige Richtung gesetzt. Die Anpassung der Gewerbeordnung, des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes und des Bilanzbuchhal­tungs­gesetzes an die Empfehlungen der FATF ist sinnvoll, notwendig und ohne Alternative, um die Maßnahmen zur Bekämpfung der internationalen Geldwäsche und des Terrorismus wirksamer zu gestalten.

Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen, die die Berufsgruppen der Immobilienmakler, Unternehmensberater, Wirtschaftstreuhänder und Bilanzbuchhalter durch Auferlegung verstärkter Sorgfalt und Meldepflicht treffen, gibt es ebenfalls keine Alternative. Ob die nunmehr verschärften gesetzlichen Pflichten ausreichen werden, wird sich allerdings in Zukunft erst erweisen. Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Umsetzung dieser notwendigen Maßnahmen den betroffenen Berufsgruppen weitere Pflichten und Kosten auferlegt.

Wichtig erscheint mir daher, dass seitens der mit der Umsetzung dieser Maßnahmen befassten Ministerien mit den Berufsvertretern der betroffenen Berufsgruppen verstärkt zusammengearbeitet werden muss.

Die nunmehr angehobenen Strafobergrenzen bei Verletzung der Sorgfalts- und Meldepflicht sind meines Erachtens ebenfalls notwendig. Ob sie ausreichend sind, bleibt ebenfalls noch abzuwarten.

Mit dieser Novelle wird die Richtlinie nunmehr auf Gesetzesebene implementiert und die Umsetzung der FATF-Empfehlungen gewährleistet. Ich werde daher dieser Geset­zesvorlage die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Schieder. – Bitte.

 


11.48.55

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu der Debatte bezüglich Geldwäsche und FATF-Richtlinien und den somit notwendig gewordenen Gesetzesbeschlüssen. Vielleicht darf ich voranschicken, dass gerade Geld­wäsche und Terrorismusfinanzierung eines der großen Probleme der Finanzwirt­schaft und der Finanzinstitutionen sind. Es ist vor allem jener Teil des Terrors, der nicht im Kampfanzug mit Tarnmaske daherkommt, sondern im Maßanzug mit genagelten Schuhen auftritt, daher nicht auf den ersten Blick als solcher auch immer erkennbar ist. Somit braucht es auch ausreichende Maßnahmen.

Es ist aber ein internationales Problem und daher auch international gemeinsam vorzu­gehen. Die Financial Action Task Force ist eine Institution, die vom Internationalen Währungsfonds und von der OECD geschaffen wurde und bei dieser auch angesiedelt ist, genau mit dem Ziel, dass sich die Industrienationen gemeinsam verpflichtet haben, immer wieder zu überprüfen, ob ihre jeweils rechtstaatlichen sowohl nationalen als auch internationalen Rahmenbedingungen den Notwendigkeiten entsprechen, und gegebenenfalls nach Überprüfung diese auch anzupassen und zu verbessern.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 56

Die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist gerade Österreich auch ein ganz intensives, dringendes und wichtiges Anliegen. Daher ist es uns auch recht und gut so, wenn die FATF immer wieder kommt, die österreichische Rechtslage überprüft und auch Verbesserungs- und Veränderungsvorschläge macht, denn letztlich entspricht es auch dem politischen Willen in Österreich, dass wir alles unternehmen, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung möglichst zu unterbinden.

Wir haben am 20. April ein Maßnahmenpaket zur Vorbeugung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in der Regierung, im Ministerrat beschlossen, das sogenannte Transparenzpaket, das dann auch am 20. Mai im Nationalrat beschlossen worden ist und heute hier zur Genehmigung im Bundesrat vorliegt.

Das Paket folgt dem Prüfbericht der FATF, der Financial Action Task Force, und der Bericht sagt nicht nur, wo Österreich Nachholbedarf hat – den wir ja heute auch erfüllen –, sondern der Bericht sagt vor allem auch, dass Österreich grundsätzlich ein funktionierendes System zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinan­zierung hat. Und das soll man auch nicht kleinreden. Wenn natürlich in relevanten Bereichen Defizite von solch einem Bericht identifiziert werden, so muss man trotzdem nochmals betonen, dass dieser Bericht Österreich an sich ein gutes Zeugnis ausge­stellt hat.

Trotzdem war es notwendig, rasch und auch umgehend diese Defizite zu beseitigen und seitens der Bundesregierung hier zu handeln und die Vorlage eben, so wie Sie sie kennen, zu erstellen.

Es geht hier neben vielen Punkten, die auch schon genannt worden sind, um eine Ausweitung der Verdachtsmeldung, um mehr Kompetenzen für die Geldwäschemel­destelle, um mehr Kompetenzen für die Finanzmarktaufsicht in diesem Bereich, um klare Befugnisse für die Geldwäschebeauftragten inklusive auch der detaillierten An­weisung, wie das in den einzelnen Finanzinstitutionen umzusetzen ist, und auch um mehr Kontrolle beim Glücksspiel.

Das Ziel ist, zu vermeiden, dass Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung um sich greifen können. Aber es ging auch darum, zu schauen, dass wir nicht wieder auf eine schwarze Liste bei der FATF kommen, beziehungsweise in deren Verfahren, das ein mehrstufiges ist, den zweiten Schritt im Verfahren auch gleich zu beseitigen.

Man muss schon auch sagen: Selbst das Gerede über Säumigkeit eines Landes hat natürlich negative Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort. Und die Auswirkung ist doppelt negativ, wenn wir uns eigentlich alle auch ganz einig sind, dass wir dieses Gerede nicht wollen, weil Österreich mit Dingen wie Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche auch nichts zu tun haben will.

Die Umsetzung des Pakets war keine leichte, das werden Ihnen alle in der Regierung bestätigen können, einfach auf Grund des Umstandes, weil mehrere Ministerien betei­ligt waren: Finanz-, Justiz-, Wirtschafts-, Innen- und Außenministerium, und die öster­reichische Rechtslage den Vorgaben natürlich auch anzupassen war, was in einem Rechtssystem nicht immer ganz leicht ist.

Ich glaube aber, dass wir als Regierung zuversichtlich sein können, dass dieses Paket nicht nur das angedrohte Verfahren verhindert hat, sondern auch ein wichtiger und effektiver Beitrag gegen Geldwäsche ist. Letztlich müssen wir uns aber auch darüber im Klaren sein, dass neben all diesen Maßnahmen ein effektiver Beitrag zur Verhinderung von Geldwäsche eine umfassende Regulierung des Finanzsektors an sich ist. Da ist dieses Paket ein Beitrag dazu, dem viele andere Maßnahmen, die an sich unter das Kapitel Finanzmarktregulierung fallen, in Zukunft noch folgen müssen.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 57

Denn leider ist das Problem Terrorismus und Geldwäsche eines, das uns immer beschäftigen wird, nicht, weil wir so ein schlechtes System haben, ganz im Gegenteil, sondern weil diese Industrie oder die Leute, die für diese Machenschaften verant­wortlich zeichnen, sehr kreativ vorgehen und daher auch immer wieder zu überprüfen ist, welche Verbesserungen man in Zukunft brauchen wird. Allerdings – und das ist der wichtige Punkt, der noch einmal zu unterstreichen und zu unterschreiben ist –: Österreich ist Vorreiter im Kampf gegen Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche. Und mit diesem Paket sind wir auch weiterhin unter den führenden Nationen in diesem Bereich. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.55

11.55.10

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Sanktionengesetz 2010 erlassen und das Devisengesetz 2004 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz sowie weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Kolleginnen und Kollegen, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Rechtsanwaltsordnung und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

11.56.457. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (627 d.B. und 717 d.B. sowie 8319/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 58

Berichterstatterin ist Frau Kollegin Junker. Ich bitte um den Bericht.

 


11.56.50

Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird. Ich darf zum Antrag kommen, da Ihnen der Bericht schriftlich vorliegt.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2010 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.57.59

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Berufsausbildungsgesetz sind ja durchaus auch gute Sachen drinnen, wiewohl wir es in Summe dann doch ablehnen.

Die integrative Ausbildung ist absolut zu begrüßen, die darauf Rücksicht nimmt, dass der gesundheitliche Zustand eine Flexibilität der Arbeitszeiten erfordern kann oder auch muss.

Wir sind auch nicht gegen die Gleichbehandlung von ausländischen Ausbildungs­stätten, wie uns das im Nationalrat unterstellt worden ist, wenn auch mit der Ein­schränkung, dass das dann umgekehrt auch anerkannt werden muss.

Unsere Sorge ist, dass mit der Installierung einer Art Vertrauensleute, Interes­sen­vertretung an den überbetrieblichen Lehrstätten dieses System einzementiert wird.

Es ist grundsätzlich nichts gegen überbetriebliche Lehrwerkstätten zu sagen. Ja, wir sagen auch, bevor die Jugendlichen keinen Ausbildungsplatz haben und auf der Straße stehen, ist es besser, sie bekommen eine Ausbildung dort. Aber es sollte eine Art Notfallnetz sein. Keinesfalls sollte es die duale Ausbildung, also die Ausbildung in den Betrieben, unterlaufen. (Bundesrat Mag. Klug: Geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck!)

Jetzt haben wir auf der einen Seite das Problem, dass die überbetrieblichen Lehrwerk­stätten nicht dieselbe Qualität haben wie eine duale Ausbildung, und, wie gesagt, wir sehen hier halt die duale Ausbildung doch sehr gefährdet.

Wir haben auch sehr viele Unternehmen – die Frau Präsidentin Zwazl wird mir dann sicher widersprechen –, die tatsächlich laut jeder Umfrage nicht mehr bereit sind, Lehrlinge auszubilden. Der Hauptkritikpunkt ist: Sie können nicht lesen, sie können nicht schreiben, sie können nicht rechnen, und das Benehmen lässt auch zu wünschen übrig.

Das ist etwas, wo man schon viel früher ansetzen muss, wo man das Übel wirklich an der Wurzel packen muss, denn das kann, soll und darf es nicht sein, dass unsere Jugend­lichen nach neun Jahren nicht die Grundrechnungsarten beherrschen, ge­schweige denn einen Skonto ausrechnen können und mit dem Lesen und Schreiben auch Schwierigkeiten haben. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Die Facharbeiter, die wir morgen hoffentlich wieder sonder Zahl brauchen werden, sollen nach unserem Dafürhalten in allererster Linie in den Betrieben ausgebildet werden. Wir haben dazu im Nationalrat auch einen Entschließungsantrag eingebracht


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bezüglich der Wiedereinführung des Blum-Bonus I, der zu unserem Bedauern abge­schafft worden ist. Wir dürfen nicht vergessen: Die duale Ausbildung ist eine Erfolgs­geschichte, eine Erfolgsgeschichte, um die uns viele andere Länder, die das nicht haben, beneiden. Und wir wollen, dass sie auch weiter besteht. Angesichts dieser Vor­lage haben wir jedoch – unserer Meinung nach durchaus berechtigte – Zweifel und befürchten, dass die duale Ausbildung immer weiter ausgehöhlt werden soll, und des­wegen stimmen wir dagegen. (Beifall des Bundesrates Ertl.)

12.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


12.01.16

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Mühlwerth, wir sind nicht so weit auseinander, aber wir sind nicht ganz so hart in den Urteilen und wir sind ein bisschen praxisorientierter. Ich widerspreche Ihnen gleich zu Beginn, denn ich befürchte, dass ich später darauf vergesse, es Ihnen zu sagen: Unsere Betriebe nehmen sich keineswegs aus der Pflicht, ihren Nachwuchs auszubilden! Das wäre auch sehr schlecht, denn wir alle wissen: Einen wirtschaftlichen Erfolg erreicht man nur dann, wenn man gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Das heißt aber auch, man muss sie selbst ausbilden. Und gerade wir als Wirtschaft sind sehr daran interessiert, alles zu machen, damit wir die jungen Leute auch bekommen.

Deshalb halte ich die Novelle zum Berufsausbildungsgesetz für sehr wichtig und freue mich über sie, weil sie doch einige sehr positive Änderungen enthält. Es kommt unserer Intention nahe, dass wir sagen: Es muss das Image des Lehrlings in der Gesell­schaft ganz einfach angehoben werden! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Aber das hängt auch sehr viel mit uns zusammen, weil wir ganz einfach eine Ausbildung, eine Lehre auch dementsprechend in der Öffentlichkeit darstellen müs­sen – anstatt immer zu sagen: Wenn einer eine Lehre macht, dann ist er ein armer Kerl, denn was den alles erwartet! (Bundesrätin Mühlwerth: Das muss man bei der Bildungsdebatte auch sagen!) – ja, ja –, sondern man muss schon aufzeigen, dass alles, was hier geschaffen wurde, ganz einfach von tüchtigen Handwerkern und Dienstleistern gemacht worden ist.

Es gibt einige sehr positive Änderungen, und darunter ist für mich ein wesentlicher Punkt jene Änderung, die sich an der zunehmenden Internationalisierung der Arbeits­welt orientiert. In diese Richtung geht nun einmal die vorgesehene Ausdehnung der Möglichkeit, Ausbildungszeiten im Ausland in der Lehrzeit anzurechnen, nämlich von maximal vier auf jetzt maximal sechs Monate pro Lehrjahr. Diese Bestimmungen orientieren sich an zwei Trends auf dem Arbeitsmarkt: Erstens haben wir eine zuneh­mende internationale Verflechtung unserer mittleren und größeren Unternehmen. Viele dieser Unternehmen setzen in ihrer Personalpolitik einen Schwerpunkt darauf, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vom Lehrling bis zum Management, möglichst früh im Ausland Erfahrungen machen. Und auf der anderen Seite wünschen sich auch die Jugendlichen in unseren vielen kleineren Unternehmen einen Zugang zu internatio­nalen Erfahrungen. Wir wissen alle: Diese Erfahrungen, die ein Jugendlicher bei einem Auslandsaufenthalt machen kann, haben ganz einfach einen unschätzbaren Wert. Mobilität und Flexibilität sind die wichtigsten Eigenschaften, die damit trainiert werden.

Entsprechend wurden in den letzten Jahren auch die Angebote zur Unterstützung dieser Nachfrage weiterentwickelt. Aus dem Bereich unserer Wirtschaftskammer er­wäh­ne ich die Bemühungen, die jungen Menschen auch zu den Berufsweltmeister­


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schaften zu schicken und in der jüngeren Geschichte auch zu den Europameister­schaften. Da muss ich dazusagen: Da sieht man auch den Wert unseres dualen Ausbildungssystems, weil diese jungen Leute erfolgreich abschneiden, weil wir Nationensieger werden, weil wir immer mit Goldenen nach Hause kommen. Nur ist auch da wieder das zu beobachten, was ich schon eingangs gesagt habe: Es findet in der Öffentlichkeit und in den Medien viel zu wenig Aufmerksamkeit. Ich würde mir wünschen, dass unsere Weltmeister genauso viel Aufmerksamkeit erhalten, wie wenn einer ein alpiner Weltmeister wird oder sonst ein Weltmeister im Sport, etwa im Tennis. Wenn ich mir da anschaue, welche Berichterstattung wir haben, wenn einer in das Viertelfinale kommt! Wenn hingegen unsere jungen Leute am Podest stehen, Erste, Zweite oder Dritte werden, dann sind es einzig und allein wir als Wirtschaftskammer, die immer schauen, dass wir die Leistungen unserer Jugend und der gut ausgebildeten Fachkräfte irgendwie der Öffentlichkeit näherbringen.

Auslandsaufenthalte werden auch von unserem Verein IFA, dem Internationalen Fachkräfteaustausch, organisiert. Dieser Verein ist von der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung im Jahr 1995 gegründet worden und ermöglicht jährlich mehr als 400 Jugendlichen ein Praktikum im Ausland, und das Interesse wächst von Jahr zu Jahr. Wir in Niederösterreich haben zusätzlich eine Initiative ins Leben gerufen: „Let’s walz“, anknüpfend an die Wanderjahre, wo wir eben junge Leute motivieren, ins Ausland zu gehen, wo wir zusätzlich noch diese Auslandspraktika zahlen. Ich muss sagen, unsere Betriebe unterstützen uns, und es ist für mich immer sehr erfreulich, wenn die jungen Leute aus dem Ausland zurückkommen. Ich lade sie dann immer ein, gemeinsam mit ihren Ausbildnern, und da sieht man schon, dass das ganz andere Persönlichkeiten sind, dass sie sehr angetan sind von dem, was sie gesehen haben, aber vor allem auch, weil sie eine ungeheure Freude ausstrahlen über das, was sie eigentlich gelernt haben. Das deckt sich mit ihren Aussagen – viele kommen zurück und sagen: Jetzt weiß ich erst, was ich für eine tolle Ausbildung in meinem Betrieb genossen habe, weil meine Fähigkeiten und mein Können im Ausland so sehr anerkannt werden!

Deshalb ist es uns in der Wirtschaft schon lange ein Anliegen, dass der anrechenbare Zeitraum eines Auslandsaufenthaltes eben von vier auf sechs Monate pro Lehrjahr ausgedehnt wird. Das ist ein besonderer Grund, warum ich diese Novelle begrüße.

Erleichtert wird das Ganze aber durch eine neue Bestimmung, die auch sehr wesent­lich ist: dass jetzt auch Vereinfachungen für die Anerkennung von im Ausland abge­legten Prüfungen eingeführt werden. Bisher ist es den Antragstellern kaum gelungen, selbst die Gleichwertigkeit von Prüfungen nachzuweisen. Die Behörde konnte diesen Nachweis nur durch ein sehr aufwendiges Verfahren führen. Mit dieser Novelle soll diese Prüfung der Gegenseitigkeit wegfallen, was von meiner Seite besonders unter­stützt wird.

Im zweiten Bereich der Novelle habe ich schon ein bisschen gemischte Gefühle (Bundesrat Mag. Klug – den Kopf schüttelnd –: Geh!) – ja, ja, wir haben gestern schon darüber diskutiert (Bundesrat Mag. Klug: Eben!); da geht es um die Schaffung einer gesetzlichen Interessenvertretung für Jugendliche in einer überbetrieblichen Ausbil­dungs­einrichtung –, und zwar vor allem deshalb, weil eine überbetriebliche Lehrwerk­stätte für mich ganz einfach kein Zukunftsmodell ist und wir sie nicht als solches betrachten sollen. Dass es derzeit die Notwendigkeit dafür gibt, dem stimme ich zu. (Bundesrat Mag. Klug: Gut! Das beruhigt!) Ich weiß auch, dass die Notwendigkeit deshalb entstanden ist, weil wir durch die internationale Wirtschaftskrise, die 2008 eingesetzt hat, einen Anstieg der Arbeitslosenrate von 5,8 Prozent im Jahr 2008 auf 7,2 Prozent im Jahr 2009 gehabt haben und dass wir eine Entspannung des Arbeitsmarktes frühestens für 2011 zu erwarten haben.


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Dazu muss ich sagen, dass unsere Unternehmen auch in diesen wirtschaftlich schwie­rigen Zeiten ihrer Verpflichtung, Lehrlinge auszubilden, nachgekommen sind. (Bundesrat Kalina: Zu wenig!) Ein großes Dankeschön vor allem unseren Klein- und Mittelbetrieben, unseren Handels- und Gewerbebetrieben, die sogar verstärkt Lehrlinge aufgenommen haben! Der Industrie kann man nicht vorwerfen, dass sie weniger Lehr­linge ausgebildet hat, weil sie ja durch die Wirtschaftskrise wirklich arg getroffen wurde, sich aber auch in dieser Situation bemüht hat, dieser Verpflichtung nachzukommen. Generell, wenn man sich das anschaut, liegt die Quote der Lehranfänger im Jahr 2009 mit 42,3 Prozent aller Jugendlichen im langjährigen Schnitt.

Ich bekenne mich, auch wenn ich die Schaffung der gesetzlichen Interessenvertretung ein bisschen kritisiert habe, zu der Maßnahme der Jugendausbildung, aber für mich ist es schon so, dass die betriebliche Ausbildung absolute Priorität hat. Da müssen wir uns in Zukunft schon mit zwei zentralen Fragen auseinandersetzen: Erstens: Wie können wir der Tatsache begegnen, dass in den nächsten Jahren aufgrund der gebur­tenschwachen Jahrgänge die Zahl der 15-Jährigen deutlich sinkt? Und zweitens: Wie können wir sicherstellen, dass die Jugendlichen eine Ausbildung entsprechend ihren Talenten, Fähigkeiten und Potentialen erhalten? – Ich weiß schon, das können wir jetzt nicht in zwei kurzen Sätzen beantworten. Wir von der Wirtschaft haben bereits genügend Ansätze und Vorschläge geliefert, wie wir uns das vorstellen könnten.

Noch einmal der Wunsch der Wirtschaft: In der dritten Unterstufe eine verpflichtende Berufsorientierung, gekoppelt mit einer Potenzialanalyse, die unserer Jugend, unseren jungen Menschen aufzeigt, welche Talente, welche Fähigkeiten sie haben, für welche weitere Ausbildung sie talentiert, geeignet, prädestiniert sind und welche Lehrberufe für sie in Frage kommen.

Wir geben für die überbetrieblichen Lehrwerkstätten sehr viel Geld aus. Bitte zwacken wir doch davon Geld ab und verwenden wir es für die Berufsorientierung und für diese Potenzialanalyse! Wir haben derzeit einen Wettbewerb zwischen Schule und Lehre, und mir ist schon wichtig, dass wir dann nicht vielleicht, wenn wir da nicht genügend Maßnahmen setzen, einen Wettbewerb zwischen Schule, dualer Ausbildung und überbetrieblichen Lehrwerkstätten haben.

Noch einmal: Ich verstehe, dass wir sie brauchen. Es sind nun einmal 4 500 junge Leute, die in diesen überbetrieblichen Lehrwerkstätten sind. Wir brauchen sie derzeit. Aber ich habe doch ein bisschen gemischte Gefühle betreffend die Überbetrieblichen, und mein Wunsch ist ganz einfach, dass wir dieses Modell nicht unbedingt mit allen Kräften einzementieren, sondern dass wir da einen anderen Weg gehen. Wir sind europaweit ein Vorzeigemodell, was die Ausbildung unserer Jugend betrifft. Meine Bitte an Sie alle ist: Strengen wir uns weiter an, dass wir diesen Standard haben beziehungsweise noch weiter ausbauen! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

12.11


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


12.11.47

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Ich freue mich, liebe Frau Präsidentin Zwazl, dass Sie auch die überbetrieblichen Lehrwerkstätten begrüßen (Bundesrätin Zwazl: „Begrüßen“ ist zu viel gesagt!) – oder zumindest etwas befür­worten –, denn ich denke, wenn die Wirtschaft den Jugendlichen nicht mehr genug Lehrplätze anbietet (Bundesrätin Zwazl: Wir bieten ...! ... diskutieren wir das! – Bun­desrat Stadler – in Richtung Bundesrätin Zwazl –: Du warst eh gerade am Redner­


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pult!), dann müssen wir einfach schauen, dass wir die Jugendlichen auch in überbe­trieblichen Lehrwerkstätten unterbringen können. Wir setzen uns auf alle Fälle dafür ein.

Es gibt ja schon verschiedenste überbetriebliche Lehrwerkstätten, auch bei uns in Niederösterreich. Im Herbst dieses Jahres wird es auch in Ternitz eine überbetriebliche Lehrwerkstätte geben. (Bundesrätin Zwazl: ... sind 17 Plätze frei von 20! Das möchte ich nur dazusagen!) Aber wir wissen, der Markt verlangt nach weiteren Ausbildungs­plätzen.

Junge Menschen auszubilden bedeutet auch in Zukunft, das zu unterstützen. Trotz der Wirtschaftskrise muss auch in die Lehrausbildung investiert werden, denn ich denke schon, der Lehrberuf – Sie haben es auch erwähnt – ist immer irgendwo so zweitrangig gegenüber akademischen Ausbildungen. Ich denke, gerade der Lehrberuf hat aber auf dem Arbeitsmarkt auch einen guten Stand, und die Wirtschaft verlangt auch nach gut ausgebildeten Fachkräften. Daher ist es auch notwendig, die Lehrberufe wieder etwas attraktiver zu machen.

Eine Möglichkeit dafür gibt es bereits, und zwar die Lehre mit Matura. Natürlich ist, glaube ich, der Informationsstand da immer noch etwas zu gering. Die Lehrlinge wissen nicht immer genau, was damit gemeint ist. Ich glaube aber, das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, damit auch die Lehre einen gewissen Stand auf dem Arbeitsmarkt hat.

Ich weiß, dass immer wieder gesetzliche Änderungen notwendig sind, um auch die Grundlagen festzusetzen und festzuschreiben, damit neue Ausbildungszweige und Berufszweige geschaffen werden können, und hier sind es gerade die Sozialpartner, die eng zusammenarbeiten, denn nur gut ausgebildete Fachkräfte werden auch in Zukunft eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben.

Um den Entwicklungen zur Verbesserung von Bildungsmobilität in Europa Rechnung zu tragen, soll die Möglichkeit der Anrechnung von facheinschlägigen Ausbildungs­zeiten im Ausland auf die Lehrzeit ausgeweitet werden, derzeit von 4 Monaten auf 6 Monate. Ich habe gehört, dass Kfz-Betriebe bereits Lehrlinge in die Slowakei schicken und dass auch dann von der Slowakei Lehrlinge nach Niederösterreich beziehungsweise nach Österreich kommen sollen, um auch hier die sechs Monate angerechnet zu erhalten, was natürlich im Hinblick auf das Ende der Lehrzeit große Bedeutung hat.

In der Gesetzesnovelle werden auch die Bestimmungen über die integrative Berufs­ausbildung modifiziert, was auch sehr wichtig ist. Es geht hier um eine Regelung, meine geschätzten Damen und Herren, die auch Menschen mit Behinderungen eine bessere Möglichkeit bieten wird, ihr Leben zukunftsorientiert zu gestalten.

Was heißt „integrative Berufsausbildung“? – Das bedeutet, dass benachteiligte Per­sonen ebenfalls die Chance haben, auf dem Lehrstellenmarkt unter gewissen Voraus­setzungen eine Lehrstelle zu erhalten. Zur Verbesserung der Eingliederung dieser benachteiligten Personen mit persönlichen Vermittlungshindernissen besteht die Mög­lichkeit, am Beginn oder im Laufe des Lehrverhältnisses im Lehrvertrag eine längere Lehrzeit zu vereinbaren, was auch sehr notwendig ist. Allerdings kann das um höchstens ein Jahr, in Ausnahmefällen auch um zwei Jahre verlängert werden. Im Aus­bildungsvertrag kann für Personen mit persönlichen Vermittlungshindernissen auch eine Teilqualifikation festgelegt werden, was für diese Menschen ebenfalls einen großen Fortschritt bedeutet.

Lehrlinge können unter besonderen Voraussetzungen aufgenommen werden, und zwar jene, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben beziehungsweise


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 63

keinen Hauptschulabschluss haben, und auch im Rahmen einer Berufsorientierungs­maßnahme oder aufgrund einer nicht erfolgreichen Vermittlung können Personen dann in ein Lehrverhältnis übernommen werden.

Im Rahmen dieser integrativen Berufsausbildung ist das Ausbildungsverhältnis durch die Ausbildungsassistenz zu begleiten und zu unterstützen. – Alle kennen sicherlich solche Fälle von Menschen, wo gerade diese gesetzliche Maßnahme für diese benachteiligten Personen notwendig ist und eine Berufsausbildung für diese Menschen dann auch lebenswert gemacht wird.

Ziel der Berufsausbildungsnovelle ist es unter anderem, eine Reihe von Modelllehr­berufen einzuführen und die Basisberufe deutlich zu reduzieren. Sie wissen, es gibt Berufsbilder, für die man einfach immer wieder zu wenige Lehrstellen hat – Friseur, Einzelhandelskaufmann und, und, und. Da sollten dann Modelllehrberufe neu ein­geführt werden. Dadurch soll die Übersichtlichkeit auch wesentlich erhöht werden. Und bei entsprechender Bereitschaft seitens der Wirtschaft könnten hier weitere Modell­lehrberufe geschaffen werden. Ich denke, durch die Auflösung einiger Lehrberufe könnte dann auch die Übersichtlichkeit in der Lehrberufslandschaft erhöht werden.

Da gibt es Vorteile für die Jugend und auch für die Wirtschaft. Vorteile für die Jugend sind eine flexiblere Gestaltung der Ausbildung durch verbesserte und erhöhte Kom­binationsmöglichkeiten, leichtere Anerkennung von bereits erworbenen Qualifikationen und Verbesserung der Übersichtlichkeit des Lehrberufsangebotes.

Es gibt auch Vorteile für die Wirtschaft: bessere Möglichkeiten zur Schaffung spe­zialisierter Lehrausbildungen, flexiblere Gestaltung der Ausbildung, Ermöglichung der Ausbildung für eine größere Anzahl von Unternehmen und die verbesserte Anpassung der Ausbildung an Branchenbedürfnisse.

Weiters sieht auch das Regierungsprogramm vor, eine Interessenvertretung für Jugend­liche in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen – vergleichbar mit dem Jugendvertrauensrat – einzuführen. Ich denke, dass gerade hier ein Vermittler zwi­schen Jugendlichen und Betrieben oft sehr notwendig ist. Wir haben es zuerst schon gehört: Bei Jugendlichen gibt es oft Problembereiche, aber natürlich auch in Betrieben gibt es Problembereiche, wo einfach ein Vermittler notwendig ist, damit man dann auch eine gute Basis schaffen wird können. Die Jugendlichen werden dadurch vor allem auch in verstärktem Ausmaß ein Demokratieverständnis erhalten.

Nochmals kurz zusammengefasst: Es gibt in der Novelle Ziele, die verfolgt werden, wie eine administrative Vereinfachung bei der integrativen Berufsausbildung, die Schaffung einer gesetzlichen Interessenvertretung für Jugendliche in einer überbetrieblichen Aus­bildungseinrichtung, dann die gesetzliche Klarstellung, dass integrative Berufsaus­bildung mit reduziertem Tages- oder Wochenstundenaufwand erforderlichenfalls vereinbart werden kann, und die Ausdehnung der Möglichkeit, Ausbildungszeiten im Ausland auf die Lehrzeit anzurechnen, von maximal vier auf sechs Monate. Und die administrative Vereinfachung und Reduktion des Verwaltungsaufwandes ist hier auch gegeben.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich denke, dass jede Maßnahme zur Attrak­tivierung der Lehrberufe ein richtiger Schritt in der Ausbildung von Fachkräften sein wird – Fachkräften, die die Wirtschaft auch in Zukunft notwendig braucht. Gerade hier ist der Gesetzgeber, glaube ich, verpflichtet, auch die entsprechenden Rahmenbedin­gungen zu schaffen. Sehen wir dem Lehrberuf als Form der Ausbildung auch in Zu­kunft positiv entgegen! Ich denke, gerade eine Lehre hat, wie wir immer wieder sehen, auf dem Arbeitsmarkt einen besonderen Stellenwert. Wir stimmen daher dieser Gesetzesvorlage gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.20



BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 64

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


12.20.13

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Endlich gibt es eine Änderung im Bildungsbereich in Österreich! Warum ich so erfreut und gleich­zeitig erstaunt bin? – Wenn man sich die Diskussionen der letzten Jahrzehnte, kann man sagen, ansieht, dann ist es wirklich verwunderlich, dass es hier jetzt zu einer Ände­rung kommt, die auch eine Verbesserung darstellt, weswegen wir dem selbst­verständlich unsere Zustimmung geben werden. Das soll aber bitte nicht heißen, dass wir generell mit der Bildungspolitik oder mit der österreichischen Bildungslandschaft zufrieden sind, im Gegenteil! Diese Unzufriedenheit teile ich, glaube ich, auch mit sehr vielen Eltern, Lehrern und auch SchülerInnen.

Wir haben ein Bildungssystem, das teilweise aus dem 19. Jahrhundert stammt, und daran hat sich kaum etwas geändert. Dafür, dass sich in der Bildungsfrage in unserem Land wenig bis kaum etwas bewegt, sorgt letztendlich eine bestimmte Kraft, nämlich die Konservativen: Sie versuchen zu konservieren.

Ich möchte da jetzt nicht alle pauschal in einen Topf schmeißen (Zwischenruf des Bundesrates Mayer), denn ich weiß, dass es diesbezüglich auch andere Stimmen in Ihrer Partei gibt, beispielsweise Ihren Kollegen Andreas Schnider – darum wundert es mich, dass er heute zu dem Tagesordnungspunkt nicht Stellung bezieht. Vielleicht wird er ja noch etwas dazu sagen, denn er hätte, glaube ich, sehr viel zu sagen. Man kann den letzten Jahren und Jahrzehnten entnehmen, dass das gerade in Ihrer Partei meistens auf taube Ohren gestoßen ist, und deshalb muss man eine solche Stimme sozusagen ans Rednerpult holen. (Zwischenrufe bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Mühlwerth.)

In der Lehrlingsausbildung sind seinerzeit neue Maßstäbe gesetzt worden – das Konzept der dualen Ausbildung haben meine Vorredner/Vorrednerinnen bereits ange­führt und zur Sprache gebracht, darum möchte ich mich damit gar nicht mehr länger befassen –, doch im Laufe der vergangenen Jahre haben sich auch da einige Anachro­nismen eingeschlichen, und einige wenige von diesen werden wir heute bereinigen.

Was positiv zu beurteilen ist, ist die Verbesserung der Anrechenbarkeit von Ausbil­dungszeiten, die im Ausland absolviert wurden. Meine Vorrednerin, Frau Präsidentin Sonja Zwazl, hat auch schon zur Sprache gebracht, dass leider viel zu wenige Auszubildende die Möglichkeit wahrnehmen, sich im Ausland berufliche Erfahrungen und Qualifikationen anzueignen. Jeder Aufenthalt in einem anderen Land – mit einer anderen Kultur, mit anderen Bräuchen, anderen Sitten und vielleicht auch anderen Arbeitsweisen – ist letztendlich eine Bereicherung. Sie haben das schon richtigerweise angemerkt, und ich kann es auch nur unterstreichen, dass diese Jugendlichen wirklich ganz euphorisch sind, wenn sie zurückkommen, und das auch als Bereicherung erleben. Darum ist es wichtig, dass dieser Lehrlingsaustausch im internationalen Bereich mehr ausgebaut und mehr forciert werden sollte, wir aber auch als Gastland auftreten sollten.

Noch etwas hat sich im Ausschuss herauskristallisiert, nämlich dass wir in der Lehr­lings­ausbildung eigentlich ein grundsätzliches, ein komplett anderes Problem haben, und das fängt schon viel, viel früher an: Viele Jugendliche, die sich um das Finden einer Lehrstelle bemühen, bringen eine mangelnde Grundausbildung mit. (Bundesrat Perhab: Richtig!) Wenn wir Jugendliche haben, die nicht richtig lesen und schreiben können oder die die Grundrechnungsarten nicht beherrschen, dann ist das ein Problem, das sich wie ein roter Faden durchzieht. Das heißt, wir müssen hier schon


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 65

viel, viel früher im Bildungsbereich ansetzen – darum auch meine vorhergehende generelle Kritik betreffend das Bildungswesen in Österreich. (Bundesrat Perhab: Neun Jahre Pflichtschule ...!)

Im Speziellen und ganz besonders davon betroffen sind Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, die mit 15 Jahren von der Schule kommen, meistens kein gutes oder gebrochenes Deutsch sprechen, aber teilweise nicht einmal ihre eigene Mutter­sprache richtig können. Warum ist das so? – Weil wir bis dato teilweise keine zielgrup­penorientierten Fördermaßnahmen haben. Fördermaßnahmen für diese Zielgruppe würden bedeuten, dass man eben muttersprachlichen Unterricht anbietet, kleinere Klassen hat und volle Integration – und das alles in einem Schulbetrieb, der für alle offen und zugänglich ist, installiert.

Da müssen wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch massive Bemühungen und Anstrengungen tätigen, damit wir das in den Griff bekommen, denn das Erlernen der Muttersprache, auch die Schrift und die Grammatik, ist ja unter anderem ein Schlüssel zur Qualitätssteigerung. Was spricht dagegen, wenn man den Kindern als Fremdsprachenunterricht ihre Muttersprache anbietet? – Wenn man seine Mutter­sprache voll beherrscht, dann tut man sich ja auch leichter beim Erlernen einer Fremdsprache!

Wir haben viele Jugendliche gerade der zweiten und dritten Generation, die aus unterschiedlichen Ländern stammen – und gerade wir als Wirtschaftsstandort Öster­reich beackern ja auch unter anderem diese Märkte. Was liegt denn da näher als dass man diese potenziellen Facharbeitskräfte, die ja zweisprachig sind, mit guten Voraus­setzungen, Potenzialen ausstattet, um eben einerseits der Wirtschaft dienlich zu sein und andererseits eine qualitätsvolle Arbeit verrichten zu können? – Dieses Potenzial wird gegenwärtig viel zu wenig genützt. Da müssen wir uns alle gemeinsam anstren­gen, um die Rahmenbedingungen für die Schüler und Schülerinnen noch zu verbes­sern.

Wir werden, wie ich bereits erwähnt habe, dem Berufsausbildungsgesetz auf jeden Fall zustimmen. Die Änderungen, die anstehen, sind im Sinne der Auszubildenden getrof­fen worden – und schon alleine das verdient unsere Unterstützung.

Wenn ich mir den Verlauf der Bildungsdebatte ansehe, dann bin ich immer wieder darüber erstaunt, wie wenig es dabei um jene geht, die es eigentlich betrifft: um die Kinder und Jugendlichen. Es geht in der öffentlichen Wahrnehmung in der Diskussion meistens um die Arbeitsbedingungen der Lehrer oder um die Zuständigkeiten von Behörden oder um die Qualifizierung der Lehrenden – und die Kinder und SchülerIn­nen mit ihren Bedürfnissen kommen da meines Erachtens ein bisschen zu kurz.

Eines sollten wir uns vergegenwärtigen: Schulen und Ausbildungsstätten wurden primär für die Kinder und Schüler erfunden und errichtet, und nicht, damit man dort be­stimmte Gruppen mit Tätigkeiten ausstattet, damit es Parallelstrukturen gibt – wie zum Beispiel auf der Bezirksschulinspektorenebene – oder dass Lehrervertretungen, sobald irgendwelche Änderungen im Raum stehen, immer groß „Njet!“ schreien. Das ist nicht Sinn und Zweck der Sache!

Ich hoffe im Sinne unserer Schüler und Schülerinnen, dass wir in diesem Hause noch intensive und auch kontroversielle Debatten führen werden, um optimale Rahmen­bedingungen nicht nur für die Schulen, sondern auch für den zukünftigen Wirtschafts­standort Österreich vorzubereiten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desräten von ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.28



BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 66

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­des­rat Steinkogler. – Bitte.

 


12.28.32

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Meine Vorrednerin Präsidentin Sonja Zwazl hat es schon gesagt und betont: Oberste Priorität in Österreich hat natürlich die duale Lehrlingsausbildung in unseren Betrieben. Das ist europaweit das Erfolgsrezept. Das ist ein Vorteil für die Jugend, aber auch für unsere Betriebe.

Es gibt aber auch Jugendliche, die sich schwer tun, einen betrieblichen Lehrplatz zu bekommen. Dafür gibt es die überbetrieblichen Ausbildungsstellen und Ausbildungs­zentren. Aber zum Vergleich: Rund 123 000 Lehrlinge sind derzeit in Ausbildung; davon sind nicht ganz 5 000 Jugendliche in diesen überbetrieblichen Ausbildungs­stellen – um auch da das richtige Verhältnis zu sehen.

Die vorliegende Novelle zum Berufsausbildungsgesetz bringt natürlich mehrere Ver­bes­serungen im Bereich der Ausbildung und im Bereich der Betreuung der Ausbildung. Mit diesen Verbesserungen gerade in der integrativen Berufsausbildung wurde eine wesentliche Forderung der letzten Jahre erfüllt und dementsprechende Erleichterungen geschaffen.

Unabhängig von dieser wichtigen und guten Novelle müssen wir aber auch im Hinblick auf den drohenden Facharbeitermangel Ausbildungsverbünde in den Regionen ermöglichen und auch umsetzen. Nur so werden wir in Zukunft entsprechende Fach­arbeiter ausbilden, aber auch den gestiegenen Anforderungen der heutigen Arbeitswelt und der umfassenden Ausbildung unserer Jugend gerecht werden.

Abschließend möchte ich nochmals betonen, dass mit dieser Gesetzesnovelle ab 1. Juli entsprechende Verbesserungen für die Jugendlichen umgesetzt werden, und besonders junge Menschen, die nicht so gute Startbedingungen haben, eine weitere Chance erhalten, um im Leben weiterzukommen. Gerade aus diesem Grunde stimmt unsere Fraktion dieser Gesetzesnovelle zu. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Mag. Erlitz und Zangerl.)

12.31


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


12.31.15

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf das, was hier schon gesagt worden ist, in einigen Punkten noch präzisieren und damit zum Teil relativieren und in anderen Bereichen noch verdichten.

Was meine ich damit? – Ich darf unmittelbar anknüpfen an das, was Herr Bundesrat Stein­kogler gerade gesagt hat: Wir haben in Österreich ein sehr, sehr funktionsfähiges System, das in einer Kombination, in einem dualen Bereich aufgebaut ist, nämlich Betriebe und dann Berufsschulausbildung, aber dann, wenn die Betriebe aus wirt­schaftlichen Gründen nicht alle Ausbildungsinteressierten aufnehmen können, auch eine Absicherung durch den Staat. Und diese Absicherung durch den Staat hat sich besonders im letzten Jahr beziehungsweise in Krisenzeiten insgesamt bewährt.

Das heißt, wenn wir den internationalen Vergleich sehen wollen – und das sollten wir! –, würden wir feststellen, dass Österreich einfach eines der besten, wenn nicht überhaupt das beste Ausbildungssystem europaweit hat. Wir sehen das auch dort, wo es um die


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 67

Jugendarbeitslosigkeit geht, wobei man hier dann auch differenzieren muss: Das ent­spricht nicht genau dem, was wir in der Jugendausbildung haben, denn da geht es dann auch um den Bereich der 19- bis 25-Jährigen, wenn es um die Jugendarbeits­losigkeit insgesamt und deren Bewertung geht.

Das heißt, wenn wir uns die Zahlen anschauen, im Klartext Folgendes: Wir haben jetzt rund 123 000 Lehrlinge, wie gerade vorhin gesagt wurde. Ganz genau ist es so, dass 114 000 von den 123 000 in der betrieblichen dualen Ausbildung bei den Unternehmen sind, 5 000 Jugendliche haben wir derzeit in AMS-Kursen und 3 500 in sonstigen überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen – das sind insgesamt 8 500. Wenn Sie das auf eine Prozentzahl umrechnen wollen, wird das in etwa, ich weiß nicht, zirka 7 Prozent betragen.

Man muss sich also eindeutig zu diesem System bekennen: Es sichert jedem eine Ausbildungsmöglichkeit, und die Relation, dass der Hauptteil in den Betrieben aus­gebildet wird, ist jedenfalls gegeben.

Damit wird die Feststellung relativiert, wie schon von mir gesagt, dass wir da eine Aushöhlung des dualen Ausbildungssystems hätten: Das ist eine Ergänzung des dualen Ausbildungssystems, die sehr gut funktioniert, und ich bekenne mich auch zu dem zweiten Teil.

Das betrifft auch den Bereich, den wir jetzt zu präzisieren haben, es geht nämlich – wie im Regierungsprogramm vorgesehen und hier heute vorliegend – vor allem darum, was diese überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen anbelangt im Rahmen einer Novelle des Berufsausbildungsgesetzes einen Vertrauensrat zu schaffen, der ähnlich ausgerichtet und eingerichtet ist wie der Jugendvertrauensrat in den Betrieben. Das müssen wir noch mit Verordnung präzisieren, das ist aber nichts anderes als eine Mitbestimmungsmöglichkeit, zu der wir stehen.

Noch mehr stehen wir zu dem, was hier schon mehrfach als Positivum unterstrichen worden ist, nämlich die Möglichkeiten bei der integrativen Berufsausbildung. Auch dort müssen wir die Anzahl der Betroffenen sehen: Das sind zirka 4 000 Lehrlinge, also ein noch geringerer Prozentsatz. Dabei geht es darum, dass es auch da zu Verbes­serungen kommt, wenn es darum geht, auf die Leistungsfähigkeit Bezug zu nehmen. Wenn ich dort einerseits eine Streckung des ganzen Ausbildungsverhältnisses habe und auf der anderen Seite eine aliquote Verkürzung der täglichen Ausbildungszeit, dann entspricht das den Fähigkeiten, den Erfordernissen. – Ich glaube, dass das eigentlich jeder hier im Saal nur positiv sehen kann.

Ähnliches gilt auch – wir leben in einer internationalen Wirtschaftswelt –, was die Mobilität anbelangt: Wir haben viele Programme, um Lehrlinge zu motivieren, inter­nationale Erfahrungen zu sammeln. Das nutzt uns dann auch im Exportbereich, und im Endeffekt ist die Ausweitung der Anrechnungsmöglichkeit von vier auf sechs Monate eine ausgesprochen positive Entwicklung, die meines Erachtens ebenfalls unterstüt­zungs­würdig ist. – Frau Präsidentin Zwazl hat diverse technische Verbesserungen, Standardisierungen, wenn es um Anrechenbarkeiten und dergleichen mehr geht, angemerkt.

Daher aus meiner Sicht: Man kann zu diversen Elementen stehen wie man will, aber wir haben ein gutes Ausbildungssystem, und dies ist eine ganz klare Präzisierung und Verbesserung.

Es sind noch ein paar Stichworte gefallen, die mich dazu veranlassen, ganz kurz dazu Stellung zu nehmen.

Die Erstrednerin hat gesagt, der Blum-Bonus war doch so eine positive Maßnahme. – Zu dem stehen wir an sich auch, das Problem beim Blum-Bonus war nur: Er war relativ


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 68

teuer und hat diejenigen begünstigt, die zusätzliche Ausbildungsplätze bereitgestellt haben. Und genau da war auch die Ungerechtigkeit in der Förderung zu sehen: Betriebe, die über Jahrzehnte immer die Qualität und auch die Quantität der Aus­bildung aufrechterhalten hatten, sind durch den Rost gefallen. Daher war dieses System letztendlich für die bestehenden Förderer von Ausbildung ungerecht. – Der zweite Ansatzpunkt war, dass man ihn gerade in Krisenzeiten nicht beliebig ausweiten kann.

Es sind hier auch noch diverse Vorschläge gekommen, wie im Bereich der Berufs­ausbildung die einzelnen Lehrstellenbilder, die Ausbildungsbilder vereinfacht, weiter­ent­wickelt werden sollen. – Ich glaube, hier gibt es an sich eine gute Systematik, und zwar den entsprechenden Beirat, die Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Arbeit­nehmern und auch eine gesetzliche Regelung, die uns insgesamt hilft. Warum? – Weil wir jetzt die Möglichkeit haben, modulare Ausbildung zu forcieren.

Daher ist es richtig, was hier gesagt worden ist: Wir haben über 250 Ausbildungsbilder; das ist für den Einzelnen beinahe verwirrend. – Wenn wir es aber schaffen, hier mehr Transparenz und auch einen Art von Transmissionsriemen zu schaffen, sodass ich Module habe, die dann Fähigkeiten und Möglichkeiten für mehrere Bereiche ergeben, dann kann ich genau bei dem anknüpfen, was auch hier gesagt worden ist, nämlich dass sich ein Jugendlicher in der Adoleszenz eben in einer Entwicklung befindet. Er weiß am Anfang der Ausbildung teilweise nicht, wo seine Fähigkeiten wirklich liegen.

Ich kann bei einer modularen Ausbildung unter bis zu sieben Berufsbildern wählen! Damit ergibt sich mehr Transparenz, damit ergibt sich eine breitere Streuung insge­samt, und die wollen wir, denn es kann nicht sinnvoll sein, dass nach wie vor – in der Tendenz jetzt schon verbessert, aber trotzdem – zu viele Mädchen in nur drei Berufen arbeiten; bei den Burschen sind es immerhin zehn. Auch bei den Burschen ist die Bewegung schon relativ günstig: Wir haben nur noch einstellige Zahlen. Es werden also nicht mehr 20 Prozent Kfz-Mechaniker, sondern das hat sich mit dem modularen Ausbildungssystem, das hier angeboten wird, schon verbessert.

Daher traue ich mich alles in allem Folgendes festzustellen: Es gibt viele verbes­serungswürdige Bereiche in Österreich, aber der Bereich der Berufsausbildung ist relativ weit entwickelt, und diese jetzige Novelle ist sicherlich in demokratiepolitischer Hinsicht, aber auch, was die Internationalisierung und das Eingehen auf Behinderte, die in Ausbildung sind, anbelangt, eine tatsächliche Verbesserung. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


12.38.29

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es ganz kurz machen.

Inhaltlich ist alles gesagt, da bedarf es keiner Wortmeldung mehr. Ich freue mich aber, dass durch diese offene Darstellung hinsichtlich der Quantitäten – nämlich in welchen Bereichen wie viele Lehrlinge ausgebildet werden und wie viele Jugendliche insgesamt ausgebildet werden – doch deutlich zutage getreten ist, dass ein vielleicht nicht ganz so sichtbares, aber mitgeschwommenes Schreckgespenst, nämlich dass überbetrieb­liche Ausbildungsstätten den freien Markt vielleicht so untergraben, dass man dort keine ausreichenden Ausbildungsplätze mehr zur Verfügung stellt, wie ich glaube,


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 69

inhaltlich nicht haltbar ist, weil maximal 7 Prozent der Jugendlichen in den über­betrieb­lichen Ausbildungsstätten ausgebildet werden.

Ich freue mich auch darüber, dass es gelingt, gemeinsam qualitative Verbesserungen im Lehrlingswesen im engeren Sinn auf die Reise zu schicken, weil es notwendig ist – insbesondere vor dem Hintergrund des Wirtschaftsstandortes einerseits, aber auch unse­ren Jugendlichen gegenüber –, Verbesserungen im dualen System anzubieten, da wir natürlich großes Interesse daran haben, dass bei einer Bildungsentscheidung, die in einem zweifelsohne schwierigen Alter getroffen wird, Möglichkeiten dafür geschaffen werden, auch nach vielen Erfahrungen, sei es nach drei oder vier Jahren, wieder Wege einzuschlagen, die andere Bildungsmöglichkeiten bieten.

Ohne jetzt eine breite Bildungsdebatte abhalten zu wollen – auch dazu ist schon vieles gesagt worden –: Wir brauchen eben nicht nur Akademiker – in dieser Hinsicht hat Kollege Perhab mit seinem Zwischenruf völlig recht gehabt –, wir brauchen auch gut ausgebildete Facharbeiter. Wenn man beide Ausbildungssysteme kennengelernt hat, dann weiß man letztlich auch, worüber man spricht.

Werte Kolleginnen und Kollegen, der Hauptgrund dafür, dass ich mich zu diesem Tagesordnungspunkt doch noch gemeldet habe, ist in Wirklichkeit jener: Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich möchte mich bei Ihnen für ein sehr deutliches Bekenntnis recht herzlich bedanken, nämlich für Ihr Bekenntnis zur Mitbestimmung.

Frau Präsidentin Zwazl schmunzelt jetzt – wir haben gestern im Wirtschaftsausschuss auch dazu eine kleine inhaltlich gute Auseinandersetzung geführt. Ich freue mich darüber, auch aus Ihrem Munde dieses deutliche Bekenntnis zur Mitbestimmung zu hören. Sie wissen, wir von der sozialdemokratischen Fraktion im Bundesrat haben auch Zeiten eines anderen Wirtschaftsministers erlebt, und da war dieses Bekenntnis nicht immer so deutlich spürbar. Vielen, vielen herzlichen Dank! Ihnen allen alles Gute! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.41

12.41.20

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.41.508. Punkt

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2009 (III-395-BR/2010 d.B. sowie 8320/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Junker. Bitte um den Bericht.

 


12.42.04

Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Wirtschafts­aus­schusses über den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2009 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 70

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2010 den Antrag, den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2009 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Greiderer. – Bitte.

 


12.42.51

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich sehr, dass der Tourismusbericht des Jahres 2009 schon jetzt vorliegt. Wenn man näm­lich die Berichte der letzten Jahre vergleicht, kann man schon in beeindruckender Art und Weise verfolgen, wie gut und erfolgreich sich dieses Segment entwickelt hat und wie rasch und effizient auf die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen reagiert wird.

Der Tourismus und die Freizeitwirtschaft spielen in der österreichischen Volkswirtschaft eine bedeutende Rolle. Sie spielen eine maßgebliche Rolle im Bereich der Einkom­mens- und Beschäftigungspolitik und tragen vor allem auch zu einer guten Leistungs­bilanzentwicklung bei. Deswegen war es gut und wichtig, dass unser Bundesminister Mitterlehner infolge der Veränderung und der globalen Krise entsprechende Maß­nahmen vor allem schnell gesetzt hat, dass er schnell reagiert und kurzfristige Initiativen im Bereich von Marketing und Förderungen gesetzt hat.

Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, muss sich der österreichische Tourismus ständig weiterentwickeln. Deswegen hat das Wirtschaftsministerium im Oktober 2009 mit der Ausarbeitung einer neuen Tourismusstrategie begonnen. In mehreren Work­shops zu verschiedenen Themenschwerpunkten fanden auf breiter Basis Diskussions­runden statt, die Sie im Detail in diesem Bericht nachlesen können.

Am 26. Feber 2010 fand schließlich die Präsentation dieser Strategie im großen Kreis in den schönen generalsanierten Räumlichkeiten der Innsbrucker Hofburg statt. Ich konnte selbst daran teilnehmen und mich von der wirklich sehr professionellen Präsen­tation überzeugen. Man hat das dann auch am Applaus der vielen Besucher gemerkt, vor allem an den vielen Leuten, die an dieser Präsentation teilgenommen haben.

Der Kernpunkt dieser neuen Tourismusstrategie unter dem Motto „Neue Wege im Tourismus“ ist die Konzentration auf die drei USPs Alpen, Donau und Seen sowie Städte und Kulturen. Ich halte es für etwas ganz Besonderes, dass man es geschafft hat, drei Einzigartigkeiten von Österreich herauszuarbeiten. Wir haben ja sehr viele Einzigartigkeiten, und man hat das doch so gebündelt, weil wir wissen, dass wir gewisse Dinge einfach konzentrieren müssen, um überhaupt international, ja weltweit touristisch Aufmerksamkeit auf uns zu lenken.

Neben diesen USPs sind die bessere Koordinierung des Marketings wichtig, weiters die punktgenauen Förderungen, mehr Innovationen, bessere Infrastruktur und güns­tigere Rahmenbedingungen für die Unternehmen. Das sind wirklich zentrale Themen des Tourismus.

Als Tirolerin, die aus einer der sechs österreichischen Nationalparkregionen – nämlich dem Nationalpark Hohe Tauern – kommt, freut es mich sehr, dass besonders die Nationalparks Österreichs einen herausragenden Stellenwert in dieser Tourismusstra­tegie gefunden haben. Die Task Force „Tourismus in Nationalparks“ hat nach zwei­einhalb Jahren nun mit dem dritten Workshop die Arbeit beendet. Dieser dritte Work­shop hat sich mit der strategischen Produktentwicklung der Nationalparks befasst, und


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es liegt nun an uns in den Regionen, dort weiterzumachen. Ich hoffe, dass dieser Weiterentwicklungsprozess hurtig vorangeht.

Ich möchte noch ganz kurz auf einen weiteren Punkt eingehen. Das Rückgrat unseres österreichischen Tourismus, finde ich, sind die vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Betrieben. Zumal wir alle wissen, dass sich die Begeisterung unserer Jugend darüber, in diese Berufe einzusteigen, ziemlich in Grenzen hält, finde ich die Maßnahmen, die auch in dem Bericht ausgiebig erwähnt sind – um eben der Jugend diese Berufe wieder schmackhaft zu machen, also die verschiedensten Maß­nahmen in Schulen oder marketingmäßig –, ganz wichtig, um der Jugend wieder eine gewisse Begeisterung und Lust an Jobs im Tourismus zu vermitteln, denn sonst werden uns irgendwo in diesem erfolgreichen Segment die Mitarbeiter ausgehen.

Zum Abschluss möchte ich den Verfassern des Berichts für die Zusammenstellung des umfassenden Daten- und Faktenmaterials herzlich danken und vor allem Herrn Bundesminister Mitterlehner und seinem Team große Anerkennung und Dank für ihre besondere touristische Gesinnung aussprechen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.47


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Bock. – Bitte.

 


12.48.13

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst darf ich mich bei allen bedanken, die diesen Bericht erstellt haben. Er ist sehr informativ, übersichtlich und auch sehr ausführlich. Eine kleine Anregung hätte ich allerdings: Vielleicht könnte man Vergleichszahlen zu anderen Ländern in den nächsten Bericht mit einarbeiten, damit man auch sieht, wie gut wir dastehen. Ich denke, wir sind, was den Tourismus betrifft, sehr gut aufgestellt und brauchen den Vergleich mit anderen Ländern nicht zu scheuen.

Als Tiroler freut es mich natürlich ganz besonders, dass trotz Wirtschafts- und Finanz­krise ein unter diesen Umständen sehr positiver Tourismusbericht diskutiert werden kann. Nachdem wir im letzten Bericht von einer Zunahme der Zahl von Nächtigungen um 6,1 Prozent berichten konnten, haben sich im vorliegenden Berichtsjahr diese Zahlen um 1,9 Prozent verringert. Die Umsätze sind im gleichen Zeitraum um 3,5 Pro­zent zurückgegangen. 124,2 Millionen Nächtigungen in einem Land mit 8 Millionen Einwohnern bei 34,4 Millionen Ankünften, das ist ein sehr eindrucksvolles Ergebnis! Weltweit sind im gleichen Zeitraum die Ankünfte auf 880 Millionen und damit um 4,5 Prozent gesunken.

Von den 124,3 Millionen Nächtigungen entfallen auf Österreicherinnen und Öster­reicher, also auf Inlandstouristen, 34 Millionen. Im Vergleich dazu haben unsere deut­schen Nachbarn bei uns 48,8 Millionen Nächtigungen geschafft und sind mit großem Abstand die besten Urlauber in Österreich, gefolgt von den Holländern mit 9,4 Mil­lionen, den Schweizern mit 3,6 Millionen, den Briten mit 3,2 Millionen, den Italienern mit 3 Millionen und den Belgiern mit 2,5 Millionen Nächtigungen in Österreich.

In Österreich gab es folgende Verteilung: Von den 124,3 Millionen Nächtigungen entfallen auf Tirol 43 Millionen Nächtigungen oder 35 Prozent sämtlicher österreichi­scher Nächtigungen. Salzburg folgt mit 23,7 Millionen oder 19,1 Prozent, Kärnten mit 12,7 Millionen oder 10,3 Prozent, die Steiermark mit 10,7 Millionen Nächtigungen und dann Wien mit 9,8 Millionen Nächtigungen. (Ruf bei der ÖVP: Vorarlberg?) Vorarl­berg – die schwimmen viel in der Schweiz im Bodensee, auf deutschem und Schweizer Gebiet, lieber Kollege! (Heiterkeit bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 72

Damit wir besser vergleichen können, darf ich noch einige Zahlen nennen. In Deutsch­land gab es im Jahre 2008 369 Millionen Nächtigungen, davon 313 Millionen Inlands­nächtigungen und nur 56,6 Millionen Auslandsnächtigungen, im Vergleich zu Österreich also wesentlich weniger. In Deutschland hatte Berlin mit 17,7 Millionen Nächtigungen fast das Doppelte von München mit 9,8 Millionen Nächtigungen. Wien hatte die gleiche Nächtigungsanzahl wie München. Der Bezirk Landeck mit 30 Gemein­den und 43 000 Einwohnern, also mein Heimatbezirk, hat im gleichen Zeitraum gleich viele Nächtigungen wie Hamburg oder beinahe gleich viele wie Wien. Hamburg ist mit 7,8 Millionen Nächtigungen an der dritten Stelle des deutschen Tourismus.

Deutsche Gäste gaben im Urlaub in Österreich mit 6,2 Milliarden € nur um 1,2 Milliar­den € weniger aus als in Spanien, aber gleich viel wie in Italien. In Österreich und Italien haben also die deutschen Gäste für ihren Urlaub gleich viel Geld ausgegeben.

Zur Beschäftigung im Tourismus: Im Tourismus gibt es 179 000 Beschäftigte – das sind etwa 5,5 Prozent aller unselbstständig Beschäftigten –, davon sind 60 Prozent Frauen. Es fällt auf, dass in der Tourismusbranche 30 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt sind. Zirka ein Drittel, und zwar genau 61 500 Arbeitskräfte, sind Ausländer. Die Anzahl der Saisonniers ist mit 12 755 leicht rückläufig, 50 Prozent dieser Saisonniers stammen aus den neuen EU-Mitgliedstaaten.

Es gab im Berichtsjahr 520 Lehrstellensuchende und 1 489 offene Lehrstellen im Tourismus; insgesamt wurden 101 ausländische Lehrlinge ausgebildet, davon 50 Pro­zent in Tirol. Von den insgesamt 179 000 Beschäftigten waren 32 500 in der Zwischen­saison arbeitslos, 72 Prozent davon waren weniger als drei Monate ohne Beschäfti­gung. Allerdings waren auch – je nachdem, wie man es sehen will – 22 Prozent mehr in Schulungsmaßnahmen des AMS.

Der Bund unterstützte im letzten Jahr mit 70 Millionen € die Kinderbetreuung, insbe­sondere den Gratiskindergarten für die Fünfjährigen. Weitere Maßnahmen sind aller­dings gerade in den tourismusintensiven Regionen mit Saisonbetrieb ganzjährig und ganztägig notwendig, um die für den Betrieb erforderlichen flexiblen Arbeitskräfte auch zu finden. Innerhalb Österreichs wird zukünftig noch mehr Flexibilität notwendig sein, um die regionalen Unterschiede beim Personalbedarf befriedigen zu können, wobei es klar ist, dass ein Steirer nicht gerne in Tirol Kellner lernen will und ein Tiroler wahr­scheinlich auch nicht unbedingt in Oberösterreich eine Mechanikerlehre machen möchte.

Seit Jahren ist zu beobachten, dass der Wintertourismus ansteigt. Mit 63 Millionen Nächtigungen hat er den Sommertourismus bereits überholt, innerhalb von 30 Jahren haben sich die Nächtigungen im Wintertourismus verdoppelt. Im selben Zeitraum hat die Bettenauslastung um 35 Prozent zugenommen. Ganz besonders die Seilbahn­wirtschaft hat in diesen Jahren große Investitionen getätigt. 75 Prozent der Winter­nächtigungen werden von Ausländern in Anspruch genommen. In den Bundesländern mit starkem Sommertourismus – wie Kärnten, Burgenland, Steiermark, Oberösterreich und Niederösterreich – ist der Anteil der Inlandsgäste wesentlich höher als in den Wintersportregionen. Mit 7,4 Milliarden € trägt der Wintertourismus zirka 3,16 Prozent des BIP bei.

In der Handelsbilanz wirken sich die Einnahmen aus dem Tourismus natürlich beson­ders positiv aus. Im letzten Jahr hat die Zahl der Nächtigungen der ausländischen Gäste um 2,5 Prozent abgenommen, während die der inländischen Gäste nur um 0,6 Prozent zurückgegangen ist. Die Städtereisen haben mit 3,4 Prozent wesentlich mehr abgenommen als Reisen in ländliche Reisegebiete mit 1,8 Prozent. Begründet wird dies mit der Abnahme der Zahl der Geschäftsreisen und damit, dass die Städte­


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reisen meistens sogenannte zweite Reisen sind und auf diese in einer Krise eher verzichtet wird.

Auffallend ist, dass in Wien die Zahl der Nächtigungen um 3,8 Prozent zurückge­gangen ist, die Zimmerpreise jedoch um 12,8 Prozent reduziert wurden. In der EU sind die Zimmerpreise im gleichen Zeitraum um 17 Prozent gesunken. Während die Zahl der Nächtigungen in Hotels um 2,8 Prozent geringer wurde, gab es bei Gasthöfen und Privatzimmervermietern eine Steigerung um 0,7 Prozent; das heißt, der Trend zu billigeren Unterkünften hält in dieser Form an.

1 433 Förderungswerber konnten aus dem Tourismusfonds bedient werden, und damit wurden Gesamtinvestitionen von 825 Millionen € ausgelöst. Mit der Österreich Wer­bung, welche auch vom Bund und von der Wirtschaftskammer anständig unterstützt wird, sind Konzepte für die nächsten Jahre vorbereitet worden; das hat meine Kollegin Greiderer bereits berichtet. Die Berücksichtigung der demographischen Entwicklung, Sport, Kultur, Natur und Nationalparks, Gesundheit, Energieeffizienz und Mobilität werden die Schwerpunkte darstellen.

Der Ganzjahrestourismus muss das Ziel sein; damit können wertvollere Ganzjahres­arbeitsplätze geschaffen werden. Sehr viele erfolgreiche Hoteliers haben erkannt, wie wichtig gut ausgebildete Arbeitskräfte sind. Sie sind bemüht, auch in der saison­schwachen Zeit ihr Stammpersonal zu halten. In den letzten Jahren wurde sehr viel Geld in attraktive Personalunterkünfte investiert, der Erfolg gab dem recht.

Abschließend möchte ich allen, die den Bericht zusammengestellt haben, noch einmal herzlich danken. Mein Dank gilt auch denen, die sich um die Imageverbesserung der in der Tourismusbranche Beschäftigten bemühen. Leider gibt es gerade in dieser Branche noch immer einige schwarze Schafe, sowohl bei den Unternehmern als auch bei den Arbeitnehmern. Ich denke, durch mehr Bildung wird deren Zahl geringer werden.

Den Bericht nehmen wir gerne so zur Kenntnis. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte. 

 


12.58.49

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren Minister! Der Kollege hat mir soeben all die Zahlen vorweg­genommen. Ich glaube, ich brauche das nicht zu wiederholen und kann mich daher kurzfassen. (Heiterkeit.)

Angesichts der Weltwirtschaftskrise war das Jahr 2009 für den österreichischen Touris­mus ein sehr gutes Jahr, der Tourismus hat sich krisenfest gezeigt. Trotz eines erfreulichen Tourismusjahres 2009 – die Ergebnisse waren besser als die Prognosen – hat die globale Krise auch Auswirkungen auf den Tourismussektor. Der weltweite Wachstumsrückgang, die steigenden Arbeitslosenzahlen und das geringere Ausmaß an verfügbarem Einkommen bringen aus touristischer Sicht einen Rückgang an Ankünften, Nächtigungen und Umsätzen sowie niedrigere Pro-Kopf-Ausgaben mit sich.

Das Rückgrat des österreichischen Tourismus sind aber die vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben.

Im Bereich der Rahmenbedingungen lautet daher die Devise der nächsten Jahre, Verwaltungskosten zu minimieren und steuer- und bilanzrechtliche Vorschriften anzupassen, um den Erfordernissen der Tourismusbranche gerecht zu werden.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 74

Laut den Angaben der UNWTO sind im Jahre 2009 die weltweiten Tourismuseinkünfte um 4,5 Prozent gesunken. Im vierten Quartal setzte nach 14 Monaten mit negativen Resultaten erstmals wieder Wachstum der internationalen Tourismuseinkünfte ein.

Die Rezession bewirkte zusammen mit der herrschenden Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Einkommens- und Arbeitsmarktentwicklung, der Sicherheit der Ersparnisse und hinsichtlich der Altersvorsorge sowie den erlittenen Vermögensverlusten geringere Ausgaben pro Reisenden. Es wurden billigere Hotels und Restaurants genützt, weniger für Shopping ausgegeben und Urlaub verstärkt mit Selbstversorgung gemacht. Es konnte auch festgestellt werden, dass kürzere Aufenthalte gebucht wurden und die Reisedistanz kürzer war. Last-Minute-Reisen spielten eine große Rolle. Die Möglich­keit, in allerletzter Minute noch eine billige Reise zu buchen, führte dazu, dass die Angebotspreise stark unter Druck geraten sind.

Der generelle Nachfrageeinbruch sowie die Überkapazitäten der Hotelindustrie führten dazu, dass die Preisstrategie der Anbieter lautete: deutliche Preisnachlässe gewähren, um den Marktanteil aufrechtzuerhalten. In Europa sank daher der durchschnittliche Zimmerpreis – gemessen in US-Dollar – um rund 17 Prozent der Einnahmen, und die Einnahmen pro verfügbaren Zimmer gingen um fast 23 Prozent zurück.

Die österreichische Tourismuswirtschaft konnte sich den Auswirkungen der Finanz­markt- und Wirtschaftskrise zwar nicht entziehen, aber die Rückgänge fielen im Ver­gleich zu anderen wichtigen Tourismusländern relativ gering aus.

Zum Abschluss noch ein paar Worte über die Österreich Werbung. Die Öster­reich Werbung ist Österreichs nationale Tourismusorganisation. Seit 1955 verfolgt dieser Verein als Hauptziel, das Urlaubsland Österreich zu bewerben. Die Kernauf­gaben der Österreich Werbung sind: Führung der Marke „Urlaub in Österreich“, Bear­beitung der international erfolgversprechendsten Märkte mit innovativen und zeitge­mäßem Marketing und Partner der österreichischen Tourismusbetriebe und wesent­licher Netzwerkknoten im Tourismus zu sein. Mit derzeit 30 Vertretungen, die insge­samt 40 Märkte bearbeiten, führt die Österreich Werbung weltweit über 1 500 Marke­ting­akti­vitäten pro Jahr durch.

Obwohl von der Wirtschaftskrise überschattet, sind unsere Tourismusbetriebe gut aufgestellt und leisten sehr gute Arbeit. Der Lagebericht über die Tourismus- und Freizeitwirtschaft 2009 ist hervorragend und beleuchtet unsere österreichischen Touris­tenbetriebe sehr gut. Wir stimmen daher diesem Bericht zu.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch das Motto unserer Tourismuswerbung sagen: „Wo Urlaubsglück so nahe liegt. Das muss Österreich sein.“ (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Mühlwerth, Zwanziger und Zangerl.)

13.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich begrüße den inzwischen bei uns im Bundesrat eingetroffenen Herrn Sozialminister ganz herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


13.04.36

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Auch von meiner Seite gibt es ein Kompliment an jene, die diesen sehr informativen, bündigen und präzisen Bericht verfasst haben.

Tourismus ist so eine Sache: Jeder ist einmal Tourist. Kommt er noch aus ländlichen Regionen, Kollege Perhab, ist er nicht nur Tourist, sondern ist er auch Anbieter. (Heiterkeit sowie Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) Das ist so wie Ausländer


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 75

sein: Jeder von uns ist temporär immer wieder Ausländer. Kaum verlässt er die Gren­zen, ist er dort, wo er sich als Gast befindet, Ausländer – und eben umgekehrt.

Das heißt also: Der Tourismus lädt ein, dass jeder auch aus seiner eigenen Erfahrung berichten kann. Das ist ungefähr so, Herr Kollege Tiefnig, wie bei den ÖBB: Jeder ist ein ÖBB-Fahrer und kann ellenlange Geschichten von schönen oder weniger schönen Erlebnissen erzählen. Insofern ist jeder Mensch ein Tourismusexperte, da er ja sich auch selbst auf den Weg macht.

Prinzipiell – da kann ich mich der Meinung meiner Vorrednerinnen und Vorredner anschließen (Bundesrat Kneifel: ... Sicht!) – zeigt der Bericht, dass der erwartete Einbruch durch die Finanz- und Wirtschaftskrise nicht so stark war, wie ursprünglich befürchtet wurde. In der Kultur gibt es so ein Element, das heißt eine „verlorene Form“, und das ist etwas, was am Nervenkleid so vieler Hoteliers nagt, nämlich: Das Bett, das ich heute Nacht nicht verkauft habe, das kann ich nicht irgendwann nachholen, sondern das ist verloren. Diese eine Nacht, wo ich ein Bett nicht verkaufe, kann ich nicht aufholen (Heiterkeit bei Grünen und ÖVP), denn die Nacht ist vorbei und mein Angebot ist vorbei. (Bundesrat Kneifel: Weil die Nacht vorbei ist?!) Na psychologisch nagt das enorm am Nervenkleid von vielen Hoteliers. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Er bestreitet das? – Nein, das ist nicht zu bestreiten, denn die Nacht, die nicht verkauft wird, kann man nicht nachholen.

Interessant ist, weil der Berichtstitel auch das Wort „Freizeitwirtschaft“ in sich trägt, dass sich zum Beispiel internationale Ereignisse sehr wohl gegen eine Tendenz sozusagen bürsten lassen, wie zum Beispiel „Linz09“. Alle Städte haben höhere Verlustzahlen, weil Städtetourismus teurer ist, aber „Linz09“ schreibt ein Plus. Das zeigt auch, dass die internationale Öffnung und dass Initiativen, internationale Strö­mun­gen aufzunehmen, wichtig sind. Daher: Initiativen – vorher war es Graz, jetzt war es Linz – müssen eigentlich geradezu erfunden werden, um gegen die herrschende Konjunktur zu kämpfen. Deshalb halte ich auch immer dieses Herummosern an solchen Veranstaltungen für bedenklich, weil sie einfach auch langfristig Effekte nach sich ziehen.

Interessant ist, zwei Dinge auch zu beobachten: Nicht nur, dass der Städtetourismus teurer ist und in den ländlichen Regionen bei den Rückgängen doch eine Abbremsung da ist, sondern auch dass wir dieselbe Spanne natürlich auch beim Wintertourismus haben, der ein teurerer Tourismus ist und auch stärker betroffen ist.

Frau Kollegin Greiderer hat ein wichtiges Thema im Tourismusbereich angesprochen, als sie gefragt hat: Warum hält sich der Zustrom von Beschäftigten so in Grenzen? Das ist ja, glaube ich, eine der Branchen, wo wir geradezu hungern nach Lehrkräften.

Es sind auch zwei Phänomene, die hier zu beobachten sind: Zum einen sieht man, dass alte, traditionelle Familienbetriebe lieber an Ketten verkaufen, weil dann, wenn man über mehrere Generationen einen Familienbetrieb führt, bei den Nachkommen irgendwann die Lust, das in ähnlicher Weise zu machen, nämlich, Weihnachten, Silvester und andere Zeiten in die Betreuung von Gästen und nicht in die eigene familiäre Betreuung zu investieren, verlorengeht. Man übergibt das lieber einer großen Kette und macht selbst Urlaub. Das nimmt gerade dem österreichischen Tourismus ein bisschen etwas vom Herz. Das ist eine Entwicklung, wo man sagen muss: Das ist schade!

Warum kommen so wenig Beschäftigte? – Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Anforderungen, die Flexibilität, die Belastung und gleichzeitig die Entlohnung nicht miteinander übereinstimmen. Erst vor Kurzem hatte die Frauenministerin einen Frauenbericht präsentiert und berichtet, wie es nach 15 Jahren mit den Frauen­einkom­men ausschaut.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 76

Der Tourismus ist zu zwei Dritteln ein von Frauen dominierter Bereich. Der über­wiegende Anteil der Beschäftigten dort sind Frauen. Aber auch ein wachsender Anteil von weiblichen Führungspersönlichkeiten ist dort festzustellen. Von den 5,5 Prozent, die der Tourismus im Beschäftigtensektor ausmacht, macht ein großer Teil Frauen aus. Hier ist einfach das Berufsbild zu schärfen, sind auch die Entlohnung und die Arbeits­bedingungen zu verbessern, und wir müssen alles tun, um auch die traditionellen Familienbetriebe zu erhalten.

Wichtig ist  und ich glaube, das wird immer bedeutender, und deshalb sind auch die von Frau Kollegin Greiderer in Innsbruck durchgeführten Seminare so wichtig –, dass wir die Sparten entdecken. Das müssen wir einfach tun, denn in den Sparten sind tatsächlich Wachstumspotentiale vorhanden: ob das die Familie ist, ob das Wellness und Gesundheit sind, ob das all das ist, was man „Senioren/Seniorinnen aktiv“ nennt oder ob das in irgendwelchen Bereichen des Sports anzutreffen ist. Hier sind tatsächlich Nischen da. Man soll nicht nur auf die Auszeichnung mit 4 bis 5 Sternen schielen, wenn man schon sieht, dass die Preissensibilität bei den Touristen und Touris­tinnen wachsen wird. Wenn man immer die ständige Fokussierung auf 4 oder 5 Sterne hat, übersieht man womöglich, dass da auch eine Nische sein kann, wo man aber etwas nicht in diesem Bereich hat.

Zu beachten ist aber generell – Herr Bundesminister, da sind Sie jetzt doppelt gefordert –, dass der Klimawandel und das, was auf den Tourismus künftig einwirken wird, nicht unter den Teppich gekehrt werden kann. Es ist einfach nicht mehr möglich, noch Tausende Schneekanonen bei wachsenden Energiepreisen und so weiter zu produzieren. Das ist zur Kenntnis zu nehmen. Das ist nicht immer leicht vorstellbar, das gebe ich zu. Aber es ist durchaus die Mehrheit der Touristen, die sagt: Ja, wir reisen mit Bus und Bahn an! Das gilt es jetzt zu attraktivieren. Das sind spannende Dinge. Der Radtourismus boomt.

Wir müssen auch über den Platzverbrauch reden. In Tirol, von wo die Kollegin Greiderer kommt, gibt es 21 Golfplätze, sprich 770 Hektar, in einem Land der Berge und Täler. Das ist ja irgendwo eine Verrücktheit! Ja, golfen soll man, aber doch nicht in dieser Verteilungsebene. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Greiderer und Junker.) Das ist ja verrückt! Und mit 21 sind es noch nicht genug? (Bundesrätin Junker: Dort, wo Golfplätze sind, ist es für die Landwirtschaft nicht attraktiv! – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Schön für jene, die da golfen wollen, aber Sie vergessen immer die anderen Touristen, die nicht Lust haben, ihren Urlaub entlang der Grenzen von Golfplätzen zu machen.

Das heißt, die gesamte Klimawandel-Diskussion ist zu beachten, auch was die Ener­giequellen betrifft. Wenn ich mir zum Beispiel Tirol anschaue, dann stelle ich fest: Da gibt es mittlerweile Bauernhäuser für den Tourismus, die zu 100 Prozent energieautark sind und sozusagen alle energieautarken Quellen anspielen. Das ist im Grunde schon eine Form von Erlebnisurlaub: Ich lebe in einem völlig energieautarken Haus und nutze Sonne, Biomasse und so weiter. Diese Angebote werden angenommen.

Der Kollege – er ist jetzt nicht da –, zeigte zum Beispiel das Hotel beim Europäischen Zentrum für Erneuerbare Energie Güssing. Da musste, weil sie so viele Besucher dort haben, zum Firmenstandort zur Produktion von erneuerbarer Energie ein ganzes Hotel mit Restaurant gebaut werden. Die haben jetzt einen Umsatz in diesem Hotel in Güssing, das gebaut wurde, um zu sehen, dass es möglich ist, energieautark zu sein. Das alles sind neue, interessante Modelle, die hier einfach Hand in Hand gehen müssen. Und ich sage dazu: Ja, der Klimawandel wird da eine große Herausforderung sein!


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 77

Etwas, was noch im Bericht angeschnitten wurde, finde ich ganz, ganz wichtig, nämlich etwas, das meiner Meinung nach ein bisschen zu kurz abgehandelt worden ist, und das nennt man Tourismusethik. Das ist ein Thema, in das wir uns bei kommenden Diskussionen durchaus vertiefen sollten.

Was ich jetzt als Tiroler nett finde – was ich wirklich nett finde! –, ist, dass sich extra eine Gruppe, die Gruppe Bluatschink, über 20, 25, 30 Jahre in alle Platten-Höhen hineinspielen musste, um sozusagen diesen Rebellen, der aus dem Lech steigt, wenn es um die Zerstörung des Lechs geht, zu unterstützen. Was ich bemerkenswert finde, ist, dass der Lech, der letzte mäandrierende Fluss in Mitteleuropa, sogar im Touris­musbericht 2009 als eine Modellregion bezeichnet wird und nicht Zielort der TIWAG ist, dort ein Kraftwerk zu bauen.

Wer hat denn noch einen mäandrierenden Fluss anzubieten? Da müssen wir schon sehr, sehr weit wegfliegen oder viele Tage und Wochen mit dem Zug unterwegs sein, um das zu erleben. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Dass der Kraftwerksbau hintangehalten werden konnte und dass diese Region heute der Wirtschaftsminister als eine Modellregion präsentiert, ist schon etwas, wo man sagen kann: Der Bluatschink kann sich wieder in die Tiefen des Lechs zurückziehen! Aber das wäre musikalisch schade, denn diese Gruppe ist ein wichtiger Exportschlager, also sollen sie weiter­singen. In diesem Fall kann man sagen: Da haben sie gewonnen! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.16


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­des­rat Perhab. – Bitte.

 


13.16.39

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Meine Herren Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Tourismusbericht 2009 ist im Detail bereits erörtert worden, ich darf mich daher auf ein paar andere Punkte konzentrieren.

Wir feiern heuer 65 Jahre Tourismus in Österreich, und wir sehen, wir haben einen jungen, dynamischen Tourismusminister (Beifall bei der ÖVP), der noch Wesentliches für die Zukunft vorhat, aber ich glaube, es ist gut getroffen. (Bundesrat Schennach: 25 Jahre! Das ist aber wenig!) – 65 Jahre Tourismus, die Aufzeichnungen beginnen 1955. (Bundesrätin Kerschbaum: Das ist auch noch wenig!)

Die Erfolgsgeschichte wird auch in diesem Tourismusbericht 2009 wieder eindrücklich dokumentiert. Es ist erfreulich, dass wir auch in der Vorschau 2010, nach der abge­laufenen Wintersaison, sagen können, dass wir fast in allen Tourismusregionen Öster­reichs in etwa das bisherige Ergebnis halten können. Es ist zwar zu Gewinneinbrüchen gekommen, aber im Großen und Ganzen konnten wir die Nächtigungen, die Umsätze, natürlich immer differenziert nach Kategorien und auch teilweise nach Standorten, doch halten. Das kann für die Zukunft einen gewissen Zweckoptimismus mit sich bringen.

Meine Damen und Herren, weil Kollege Schennach ein Hotel in Güssing angesprochen hat: Das ist sehr erfreulich und zeigt auch, dass die Innovationskraft im Tourismus nach wie vor vorhanden ist. Aber wir haben fast 18 000 Hotel- und Beherbergungs­betriebe, und jeder sollte sich vom anderen unterscheiden und wettbewerbsfähig sein und das noch bessere Produkt anbieten, zu noch günstigeren Preisen. Denn: In der Cashflow-Entwicklung, in der Ertragsentwicklung der Tourismuswirtschaft sehen wir, dass der Trend immer mehr zu Pauschalangeboten geht und dass wir uns auf ein wirklich gewaltiges Preisdumping, vor allem im Sommertourismus, einstellen müssen.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 78

Es gibt sicher einige Kolleginnen und Kollegen unter uns, die schon irgendwelche Schnäppchen genützt haben. Dass man über irgendeinen Supermarkt einen drei­tägigen Aufenthalt in einem Viersternehotel um 99 € buchen kann, sind Dinge, die betriebswirtschaftlich bedenklich sind. Aber das ist die wirtschaftliche Realität, und wir müssen uns daher darauf einstellen, noch besser zu sein, noch unterschiedlicher auf dem Markt aufzutreten und in der Qualität noch nachzulegen, wobei ich dazusagen muss, dass wir in Österreich in der Qualität und auch von der Struktur her nach wie vor top aufgestellt sind.

Bedenken Sie, dass wir in Österreich über 100 Destinationen haben, die natürlich miteinander im Wettbewerb stehen, die aber jede für sich erfolgreich ist. Weiters haben wir 1 600 Tourismusgemeinden, also Gemeinden, die sich in irgendeiner Form dem Tourismus verschrieben oder ihn zumindest als zusätzlichen Einnahmesektor in ihrer Gemeinde festgelegt haben. Und wir haben 450 Tourismusverbände, die, jeder für sich, das Beste versuchen!

Das ist auch der Sinn, glaube ich, und ich kann Minister Mitterlehner nur gratulieren zu dieser neuen Tourismusstrategie, die versucht, auf dem Gebiet der Innovation und der Infrastruktur ein bisschen zu bündeln.

Wir alle wissen, dass Tourismus Länderkompetenz ist, und es sind auch sehr viele finanzielle Mittel der Länder in die touristische Infrastruktur geflossen  – nicht immer mit Erfolg, das muss man auch sagen und darüber hinaus anführen, dass es viele Projekte gibt, die sich nie rechnen werden. Summa summarum ist diese Infrastruktur – vor allem im Winter – weltweit eine der besten. Wir haben ein tolles Angebot für unsere Gäste – dazu gehören, Herr Kollege Schennach, auch Schneekanonen –, und wir wünschten uns auch, dass bei der Schneeerzeugung weniger Kosten entstehen würden, das ist keine Frage. Das kostet uns gewaltige Summen, die wir – wenn wir sie nicht benötigen würden – für etwas anderes einsetzen könnten, aber ohne diese technischen Hilfsmittel wäre eine durchgehende Wintersaison nicht mehr möglich. (Bundesrat Schennach: Ich habe von weiterem Ausbau gesprochen!) – Danke, da sind wir einer Meinung. (Bundesrätin Kerschbaum: Nein, also Moment!) Es wird ja aus Kosten­gründen nicht zu großen Ausbauwellen kommen. Ich glaube, es geht jetzt mehr um die Verbesserung der Qualität.

Zwei Anmerkungen noch zur Österreich Werbung; Kollege Ertl hat sie schon angeführt. Wir sind stolz darauf und eines der wenigen Länder Europas und der Welt, die über ein derartiges Netzwerk mittels Österreich Werbung verfügen – mit 30 Außenstellen. Wenn man mit deutschen oder holländischen Kollegen spricht, dann fragen sie immer, wie wir Österreicher das machen, dass wir so eine Bedeutung in der Tourismuspolitik erreicht und dieses Netzwerk derartig ausgebaut haben. Da gilt es wirklich, Anerkennung und Dank auszusprechen.

Ein wichtiger Partner für uns in der Tourismuswirtschaft ist und bleibt die Österreichi­sche Hotel- und Tourismusbank, die in Zeiten der Krise etwas andere Aufgaben bekommen hat. Wir sprechen heute von Haftungen, von Kleinkrediten für unsere klein- und mittelständischen Betriebe, die von der Liquidität her nicht in der Lage sind, über die Runden zu kommen. (Bundesrat Schennach: Nach wie vor sehr ...!) Wir haben dankenswerterweise die ERP-Mittel erhöhen und auch die Haftungsrahmen weit­gehend ausreizen können.

Es wurden über 1 400 Förderfälle abgehandelt. Es ist nicht immer befriedigend für den einzelnen Betrieb, weil das immer ein Zeitfaktor ist, und wenn er nicht rechtzeitig agiert – sondern nur mehr reagiert, weil es bergab geht –, dann tut man sich auch als Bank und als Behörde schwer, rechtzeitig zu helfen. Aber summa summarum ist diese


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Sache positiv zu betrachten und mit eine wichtige Krücke, diese schwierigen Zeiten zu übertauchen.

Meine Damen und Herren! Ich habe es schon erwähnt, die Cashflow-Entwicklung im Winter ist eher rückläufig. Vor allem in der Dreisterne-Kategorie erreichen wir diese Ertragszahlen nicht. Im Dreisterne-Bereich haben wir nur mehr 119 Vollbelegstage, im Vier- und Fünfsterne-Bereich etwa 170, aber die Eigenfinanzierungskraft lässt etwas nach – das muss sie auch, begründet durch den Preisdruck.

Da Herr Sozialminister Hundstorfer hier ist: Herr Minister, ich hätte eine persönliche Bitte bezüglich der leidigen Saisonnier-Angelegenheit. (Heiterkeit bei Bundesrat Mag. Klug.) Wir haben heuer – sozialpartnerschaftlich – 25 Prozent gekürzt, das ist in Ordnung, aber eine genaue Punktlandung kann man a priori nie setzen, und die Dachstein-Tauern-Region würde noch 50 Drittstaatengenehmigungen brauchen. Im Zuge der WM 2013 wollen wir unser Stammpersonal halten, und vielleicht ist es in einer Aktion des Wirtschaftsministeriums gemeinsam mit dem Sozialministerium doch noch möglich, einen Nachschlag zu bekommen. Wenn es gelingt, bedanke ich mich sehr herzlich. (Beifall bei der ÖVP.)

13.24


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


13.24.17

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Frau Präsidentin! Herr Kollege! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man hat bei den Vorrednern zum Teil schon eine leichte Ironie bemerkt. Kollege Perhab hat den Trick, nimmt die Gastgewerbezeitung, hält sie hoch, und sagt: 65 Jahre Tourismus. Man sieht aber nur 65 – verbunden mit einem Bild von mir. Das schaut so aus, als würde ich gerade den 65. Geburtstag feiern. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich muss sagen, einige Aussagen waren durchaus philosophisch: Jedes nicht ver­kaufte Bett liefert auch keinen Umsatz. – Ich kenne das aus dem Energiebereich, hier heißt es: Jedes nicht gebaute Kraftwerk kann auch keinen Strom liefern. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Schennach betritt den Sitzungssaal.)

Herr Kollege Schennach, ich habe Sie gerade angesprochen wegen Ihrer durchaus philosophischen Bemerkungen, was jedes nicht verkaufte Bett anbelangt. Es ist richtig, es ist plausibel, es ist logisch, und es geht natürlich um den Verkauf.

Zurück zum Ernst der Dinge, was den Tourismusbericht an sich anbelangt: Es wurde angesprochen, und wir haben uns bemüht, den Bericht erstens schneller – und damit aktueller – zu machen, was uns gelungen ist. Es macht meines Erachtens keinen Sinn, Berichte über das Jahr 2008 zu verfassen, in dem die Situation ganz anders war. Es ist nicht mehr aktuell, darüber zu diskutieren.

Zweitens ist es logisch, dass es von der Erwartungshaltung her schon etwas über­zogen wäre, anzunehmen, dass wir im Jahr 2009 Zuwächse haben könnten – was den Tourismusbereich anbelangt –, wenn wir eine globale Wirtschaftskrise haben.

Wir haben aber schon zwei Zielsetzungen erreicht, nämlich: Wir haben uns zum Ersten – relativ gesehen – sehr gut gehalten im Vergleich zur Konkurrenz – es wurde ja angesprochen, wie das in den anderen Ländern war. Das hat zum Zweiten dazu geführt, dass wir Marktanteile – auch in der Krise – gewonnen haben.

Was die Strategie anlangt, hatten wir eigentlich eine recht einfache Beobachtung oder Einschätzung und haben diese dann in Richtung einer Strategie realisiert. Zum Ersten: In der Krise reist man weniger weit. Und zum Zweiten: In der Krise gibt man auch weni­


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ger aus. Das haben wir versucht aufzunehmen und mit einer Kampagne gegenzu­steuern. Wir haben mit der Österreich Werbung das erste Mal im Winter des Jah­res 2009 – also im vorigen Jahr – und dann auch im Sommer versucht, mit einer Inlandskampagne und mit einer Nahmarktkampagne genau dort anzusetzen. Das war in den gesamten 65 Jahren bisher nicht der Fall.

Es ist schon angesprochen worden, deswegen brauche ich Sie jetzt nicht mit Zahlen zu langweilen, aber die folgenden möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: Wir hatten 124,2 Millionen Übernachtungen, das ist ein Minus von 1,9 Prozent im letzten Jahr gegenüber dem Jahr 2008; aber es ist festzustellen, dass wir bei den Inländernäch­­tigungen einen neuen Rekordwert hatten, nämlich 34,4 Millionen und damit eine Steigerung um 1,6 Prozentpunkte. Das heißt, die Idee, diese Kampagne so zu setzen, ist an sich voll aufgegangen, und genau an diesem Punkt setzen wir auch weiterhin an.

Wir hatten jetzt im Winter – obwohl dieser Winter von Anfang an bei Weitem nicht so gut gelaufen ist wie der vorangegangene Winter des Jahres 2008/2009; das war ein Rekordwinter, was die Umsätze anbelangt – ich glaube den zweitbesten Winter, weil wir im Zusammenhang mit Vancouver mit Spots in den Fernsehsendern inhaltlich angeknüpft und auf die Spätbucher gesetzt haben. Das hat uns einen sehr starken April beschert und damit insgesamt im Tourismus – was den Winter des Jah­res 2009/2010 anbelangt – eigentlich hervorragende Zahlen.

Ähnlich ist es auch im Sommer des Vorjahres gelaufen. Wir hatten insbesondere einen sehr schönen September, und der Oktober hat uns insgesamt auch gute Zahlen beschert. (Bundesrat Schennach: ... Osteuropa ...!) – Völlig richtig beobachtet.

Wie es jetzt ausschaut, brauchen wir im Sommer noch einige starke Impulse, sonst könnte natürlich ein Einbruch passieren. Wir sind wetterabhängig, wobei man auch sagen muss, dass die Wetterabhängigkeit konkurriert mit den Auswirkungen der Vulkanasche. Es haben gerade im Zusammenhang mit Flugverschiebungen schon viele disponiert, nämlich eher in Richtung Inlands- oder Nahurlaub.

Deswegen ist das Motto – es stand heute auch schon ein anderes Motto im Raum – für jetzt: „Österreich neu entdecken“. Dieses Motto gilt für das Jahr 2010 deswegen, weil wir – wie vollkommen richtig darauf hingewiesen wurde – 48 Millionen Gäste aus Deutschland haben. Wir haben festgestellt, dass die Deutschen den Urlaub in Österreich relativ kurz machen – insbesondere bei verlängerten Wochenenden –, sie aber den richtigen Erholungsurlaub im Sommer – wenn BMW oder welches Unter­nehmen auch immer geschlossen hat – nicht bei uns machen. (Zwischenruf des Bundesrates Kraml. – Ruf bei der SPÖ: Im Mühlviertel!) Deswegen haben wir versucht, genau dort anzusetzen, indem wir das in Deutschland bewerben. Damit hat man die Chance – auch wenn man längere Urlaube macht –, was die Rendite anlangt, besser davon profitieren zu können.

Darauf setzen wir, und auf einen zweiten Bereich, den Herr Schennach angesprochen hat. Wir haben in Bezug auf das Verhältnis von Wintertourismus zu Sommertourismus die Entwicklung festgestellt, dass sich im letzten Jahr Sommertourismus und Wintertourismus von der Anzahl der Übernachtungen her eigentlich geschnitten haben. Bisher dominierte immer eher der Sommertourismus, es gab mehr Übernachtungen im Sommer, mittlerweile ist Gleichstand, Tendenz steigend in Richtung Winter­touris­mus.

Eine zweite Beobachtung: Wir haben zirka 85 Prozent Steigerung in einzelnen früheren Ostblockstaaten – jetzt Erweiterungsländer, die schon bei der EU sind. Das heißt im Klartext, sie machen insgesamt 6 Millionen Übernachtungen aus. Dort wollen wir die Dynamik beachten und fortsetzen. – Sie brauchen nur zu schauen: Wenn Sie ins Zillertal fahren, werden Sie dort sehen, welche Leute ein wirklich ungetrübtes Ver­


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hältnis zum Bergsteigen und auch zum Skisport haben. Das sind vor allem Slowaken, Tschechen, Polen, die hier noch viel einbringen wollen. Das sollten wir durchaus nutzen, daher zielt ein zweiter Teil der Kampagne auf diesen Bereich ab. (Präsident Mitterer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es ist heute bereits die neue Strategie angesprochen worden. Wir haben schon bemerkt, nur zu sagen: Wir hatten schon immer ein tolles Angebot, das ist so!, wird nicht funktionieren. Das haben uns auch Tourismusexperten gesagt. Gerade in der Krise muss man die Anstrengungen verschärfen. Deswegen haben wir eine neue Strategie entwickelt, gemeinsam mit allen Stakeholdern, die in diesem Bereich beteiligt sind. Die Strategie baut unter anderem darauf auf, dass wir in Österreich landschaftlich bestimmte USP haben: Die Alpen, die Seen und die Donau, natürlich auch den Großstadtbereich mit den Kulturdenkmälern. Das müssen wir – gerade was den Großstadtbereich anbelangt, in dem es Einbrüche gibt – noch verstärken und besser besetzen, und in diesem Zusammenhang auch das Marketing und die Förderungen entsprechend ausrichten.

Es war eine zweite Erfahrung, dass es nicht so ist, wie manche glauben, nämlich dass es einen eindeutigen Trend gibt. Der Trend ist, keinen Trend zu haben. Natürlich gibt es einen Zyklus, ähnlich wie von Kondratjew beschrieben: Der nächste ist Tourismus, Wellness, Gesundheit, aber im Endeffekt geht es genauso um Familien, um Aktivitäten wie Sport, beispielsweise Radfahren und so weiter.

Alles, was man in dieser Form wirklich gut propagiert, hat auch Chancen auf Erfolg. Das wollen wir entsprechend forcieren, daher haben wir die Förderungen umgestellt. Es gibt thematische Förderungen und Basisförderungen. Gerade wo es darum geht, schnell zu agieren, haben wir schon zwei Punkte mittels Kleinförderungen umgesetzt: Radtourismus – also wenn es darum geht, Servicestationen anzubieten – und für Familien, wenn es um familienadäquate Einrichtungen in Hotels und Gaststätten geht. Der dritte Punkt wird sein, dass wir beim Internet ansetzen. Es gibt es eine dritte Förderungsaktion – relativ rasch umgesetzt.

Das hat in Ergänzung zu den Werbeaktivitäten dazu geführt, dass wir bei den Investitionen überall Rückgänge hatten, nicht aber im Tourismus. Dies mag natürlich auch den Hintergrund haben, dass der Tourismus immer schon eine krisengeschüttelte Branche war, die mit rauem Wind besonders gut umzugehen gelernt hat. Das hat sich in der letzten Wirtschaftskrise insgesamt auch bestätigt. Daher glauben wir – in Verbindung mit unseren Landesorganisationen –, inhaltlich und mit der neuen bezie­hungsweise ergänzten Tourismusstrategie – es hat ja schon eine gegeben – für das Jahr 2010 gut aufgestellt zu sein.

Es war erfreulich, dass wir im Krisenjahr 2009 und auch im Jahr 2010 – die Krise ist ja leider nicht vorbei – im Bereich Tourismus, aber auch im Bereich Handel ent­sprechende Unterstützung hatten. In den hier von einigen Vorrednern angesprochenen Punkten – was die Qualität der Ausbildung, was die Verlängerung der Ausbildung auf Ganzjahresarbeitsplätze anbelangt, was die so nebenbei von Kollegem Perhab angesprochene Frage der Saisonniers anbelangt – gibt es natürlich noch den einen oder anderen Klärungsbedarf und Verbesserungsbedarf. Wir sind noch längst nicht am Ende der Fahnenstange angelangt.

Ich glaube aber, trotzdem sagen zu können, dass von der Grundaufbereitung her die Weichenstellungen auch für die Konkurrenzfähigkeit in Zukunft richtig sind, und diese internationale Vergleichsmöglichkeit werden wir gerne in den nächsten Bericht einarbeiten. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

13.33



BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 82

Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


13.34.04

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Da Sie mich direkt angesprochen haben und es ja nicht mein Ressort, mein Thema ist, möchte ich nur Folgendes klarstellen: In der Steiermark haben wir das Saison­kon­tingent um 10 Prozent gekürzt, Punkt eins, in Salzburg – sozialpartnerschaftlich von allen unterschrieben – um 25 Prozent – da bitte ich, die Funktionäre der Wirtschafts­kammer zu fragen. (Bundesrat Mag. Klug: Selber! Gleich selber fragen!)

Zum Zweiten: Es ist ja alles mit der Wirtschaftskammer komplett ausverhandelt. In fast allen Bundesländern hat das Landesgremium dem zugestimmt. Gleichzeitig wissen Sie, Herr Kollege, dass wir auch das Instrumentarium des Regionalbeirates haben. Punkt! (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Nein, das kann der Regionalbeirat erledigen. Das kann er tun. (Bundesrat Perhab: ... Drittstaaten!) – Drittstaaten kann er erledigen, wir haben das auch vereinbart. Bitte, das dort zu tun.

Es bleiben ab dem Jahr 2011 ja nur mehr Bulgarien, Rumänien und die Drittstaaten übrig. Wir haben mit den Wirtschaftskammerfunktionären vereinbart, schon jetzt eine Liste zu erarbeiten, welche Saisonniers wir nach dem 1. Mai 2011 aus den Drittstaaten und aus Bulgarien und Rumänien brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.35

13.35.10

Präsident Peter Mitterer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.35.509. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea über soziale Sicherheit (607 d.B. und 719 d.B. sowie 8321/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend 2. Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Australien im Bereich der sozialen Sicherheit (609 d.B. und 720 d.B. sowie 8322/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über soziale Sicherheit (682 d.B. und 721 d.B. sowie 8323/BR d.B.)


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12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über soziale Sicherheit (686 d.B. und 722 d.B. sowie 8324/BR d.B.)

Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen zu den Punkten 9 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 9 bis 12 ist Herr Bundesrat Stadler. Ich ersuche um die Berichterstattung.

 


13.36.30

Berichterstatter Werner Stadler: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea über die soziale Sicherheit.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend 2. Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Australien im Bereich der sozialen Sicherheit.

Hier stellt der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2010 ebenfalls mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Kon­sumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über soziale Sicherheit.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2010 ebenfalls mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­men­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über soziale Sicherheit.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2010 ebenfalls mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

13.38.10

 


Präsident Peter Mitterer: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Es liegt mir keine Wortmeldung vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 84

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea über soziale Sicherheit.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist einstimmig so geschehen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend 2. Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Australien im Bereich der sozialen Sicherheit.

Auch hier ersuche ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, zustimmen, um ein entsprechendes Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über soziale Sicherheit.

Auch hier ersuche ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, keinen Einspruch zu erheben, um ein entsprechendes Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Mai 2010 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über soziale Sicher­heit.

Jene Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ersuche ich um ein Handzeichen. – Auch das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.40.0313. Punkt

Bericht des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission und des Rates für das Jahr 2010 (III-393-BR/2010 d.B. sowie 8325/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nunmehr zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stadler. Ich ersuche um den Bericht.

 


13.40.23

Berichterstatter Werner Stadler: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz über den Bericht des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission und des Rates für das Jahr 2010.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Juni 2010 den Antrag, den Bericht des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kom­mission und des Rates für das Jahr 2010 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste ist Frau Mag. Duzdar zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 85

13.41.18

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Vielen herzlichen Dank für den Bericht, der ja wirklich auch sehr kompakt und informativ ist und sehr gut veran­schaulicht, was die Ziele und Vorgaben der Kommission und des Rates in den nächs­ten Jahren sind und auch die Ansicht Österreichs zu den verschiedenen geplanten Maßnahmen festhält.

Ich möchte diesen Bericht dazu nutzen, ein paar Worte über das angeführte Arbeits­programm der Kommission 2010 zu sagen, das als eine Art Leitlinie für die Zukunft gilt. Ich habe mich sehr über dieses Arbeitsprogramm gefreut, das sich in seinen Zielen der Bekämpfung der Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa verschrie­ben hat. Positiv in diesem Zusammenhang ist die Bekämpfung der Armut, die Bewah­rung der sozialen Marktwirtschaft und die Überarbeitung der derzeitigen Arbeitszeit­richtlinie. Man könnte sogar annehmen, dass es zurzeit eine politische Trendumkehr der Europäischen Kommission gäbe und dass die Kommission aufgrund der Wirt­schaftskrise aus ihren politischen Fehlern in der Vergangenheit gelernt hätte. Bei genauerer Betrachtung des Arbeitsprogrammes ist die Hoffnung jedoch wieder dahin. Gerade dieses Arbeitsprogramm zeigt, dass man sehr wachsam sein muss und wir sehr darauf werden achten müssen, dass nicht auf europäischer Ebene unter dem Vorwand der Budgetkonsolidierung sozialer Kahlschlag betrieben wird und die euro­päischen Sozialsysteme unter die Räder kommen.

Ich möchte das anhand konkreter Beispiele verdeutlichen: Das erwähnte Grünbuch der Kommission zu den Pensionen sieht nicht einmal mit einem einzigen Wort das öffentliche Pensionssystem vor, was sehr bedenklich ist. Es geht ausschließlich um die kapitalgedeckten Pensionen – und das, obwohl wir noch immer alle Hände voll zu tun haben mit den Auswirkungen der Finanzkrise. Anstatt immer nur zu überlegen, wie man Einsparungen im Pensionssystem vornehmen und das Pensionsantrittsalter hinauf­setzen könnte, wäre es einmal an der Zeit, sich grundsätzlich zu überlegen, welche Form des Pensionssystems wir überhaupt anstreben. Und da hat sich gerade in Zeiten der Finanzkrise die Überlegenheit des umlagefinanzierten Pensionssystems und die Problematik des kapitalgedeckten Pensionssystems gezeigt, bei dem Gelder von Arbeitnehmern in Fonds gebündelt und auf Finanzmärkten verspekuliert werden. Wer heute die Spekulation bekämpfen möchte, muss das öffentliche System stärken und muss das natürlich auch auf europäischer Ebene diskutieren.

Auch beim Verbraucherschutz besteht die Gefahr, dass durch die Vollharmonisierung Anpassungen an ein niedrigeres Verbraucherschutzniveau stattfinden und es dadurch in Österreich zu einem Rückschritt im Verbraucherschutz kommt.

Weiters ist auch der Vorschlag der Kommission zur Arbeitszeit im Straßenverkehr, nämlich selbständige Lkw- und BusfahrerInnen von der Richtlinie auszunehmen, arbeitsrechtlich sehr bedenklich und für mich auch ein politischer Fehlschlag. Dies hätte nämlich zur Folge, dass in Umgehung dieser Richtlinie die Zahl der Schein­selbständigen zunehmen würde, die eben nicht vom Schutz dieser Arbeitszeitrichtlinie umfasst sind. Aufgrund der dadurch verschlechterten Arbeitsbedingungen steht auch die Verkehrssicherheit auf dem Spiel.

Zur Arbeitszeitrichtlinie möchte ich auch noch ein paar Worte verlieren. Wir haben ja gestern im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz von den Beamten des Ministeriums bereits gehört, dass die Kommission nach Scheitern der Ver­handlungen zu dieser Arbeitszeitrichtlinie nun eine Umfrage bei den europäischen Sozialpartnern gestartet hat, wie denn eine Revision der Arbeitszeitrichtlinie aus­schauen könnte. Die Kommission wird im Sommer höchstwahrscheinlich einen neuen Entwurf vorlegen, und man kann nur hoffen, dass diese Opt-Out-Regelung, deret­


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wegen auch die Verhandlungen gescheitert sind, herausgenommen wird. Die Opt-Out-Regelung besagt, dass Arbeitgeber mit Arbeitnehmern individuell vereinbaren können, dass die Arbeitszeithöchstgrenzen nicht gelten und daher überschritten werden können. Was als individuelle Vertragsfreiheit verkauft wird, ist in Wirklichkeit nichts anderes als die Umgehung von Arbeitszeithöchstgrenzen, und man sieht auch, dass immer mehr EU-Staaten von diesem Modell Gebrauch machen.

Prinzipiell ist zur Arbeitsrichtlinie zu sagen, dass es zwar löblich ist, dass die Kom­mission sich dem Ziel des Schutzes der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeit­nehmer verschrieben hat und auch der Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, dass aber die Opt-Out-Regelung dem diametral entgegensteht.

Insgesamt ist daher zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission zu sagen, dass die Ziele, die sich die Kommission gesetzt hat, zwar schön sind, dass allerdings zu befürchten ist, dass die Kommission ihren Weg wie bisher fortsetzen wird, wenn sie nicht sogar die Sozialsysteme in Europa infrage stellen wird. Man hat leider in Europa den Eindruck, dass so wie in vielen Nationalstaaten auch nach der Krise vor der Krise ist und dass man anscheinend keine konsequenten Lehren aus der Wirtschaftskrise gezogen hat.

Das Problem Europas wird von vielen Konservativen darin gesehen, dass wir zu hohe Staatsausgaben haben und unsere Sozialsysteme sehr kostenintensiv sind. Was dabei unberücksichtigt bleibt, ist, dass wir für hohe Staatsausgaben selbstverständlich auch dementsprechend hohe Einnahmen brauchen und dafür wiederum natürlich auch ein entsprechendes Wirtschaftswachstum. Das Problem, das wir in Europa haben, ist, dass wir gerade beim Wirtschaftswachstum hinterherhinken und eine geringe Wirt­schaftsdynamik haben. Wenn man sich die Zahlen anschaut, so sind wir deutlich schwächer als die Weltwirtschaft, deutlich schwächer als die USA. Das liegt eben daran, dass die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch hochwertige Investitionen, durch Bildung und Forschung in den letzten Jahren und Jahrzehnten vernachlässigt wurde.

Das heißt: Für ein Mehr an Wirtschaftswachstum brauchen wir auch eine andere und neue Wirtschaftspolitik. Daher möchte ich Sie, Herr Minister, ersuchen, die Politik der Kommission wachsam zu beobachten und Österreich so zu positionieren, dass es auf dem Gebiet der Arbeitnehmerrechte und Arbeitszeiten, auch beim Verbraucherschutz und im öffentlichen Pensionssystem keine Rückschritte gibt und es auch keinen sozialen Kahlschlag gibt.

Zum Schluss möchte ich mich aber nochmals bedanken für den ausführlichen Bericht. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.48


Präsident Peter Mitterer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


13.49.03

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! (Bundesrat Mag. Klug: Sag, dass du inhaltlich mit deiner Vorrednerin übereinstimmst, und dann passt es!) Kollegin Duzdar lässt niemanden aus, sie bringt die Konservativen mit ins Boot, die praktisch alle Systeme durch­einanderbringen, und sie fordert auch den Herrn Minister auf, wachsam zu sein. – Er ist wachsam! Er ist manchmal aufgeweckter, als viele glauben! Also das darf ich dir (in Richtung Bundesrätin Mag. Duzdar) mit auf den Weg geben. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 87

Auch ich darf mich eingangs für den Bericht bedanken, Herr Minister. Er zeugt von großem Engagement im sozialen Bereich im Rahmen der EU. Ich hoffe, dass das dann auch entsprechend engagiert umgesetzt wird.

Noch etwas zu den Pensionssystemen: Das ist natürlich etwas, was die National­staaten selber festlegen können. Klarerweise steht das nicht im Grünbuch, aber die Nationalstaaten können über das Pensionssystem natürlich selber entscheiden. Wir sind derzeit in Diskussion über eine Änderung im Pensionssystem. Ich denke, im Laufe des Herbstes wird uns der Herr Minister einiges dazu auf den Tisch legen, so hat er es zumindest verlauten lassen.

Zur Europäischen Kommission, die sich im Wesentlichen auf vier Aktionsbereiche konzentrieren wird: Bewältigung der Krise und Bewahrung der sozialen Marktwirtschaft in Europa, Agenda für Bürgernähe, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, die Entwicklung einer ehrgeizigen, kohärenten außenpolitischen Agenda mit globaler Reichweite und die Modernisierung der Instrumente und Arbeitsweise der EU.

Die Arbeitsschwerpunkte des Rates für 2010, die für das Bundesministerium selbst­verständlich auch eine entsprechende Relevanz haben, sind eine Einigung über die Nachfolge der Lissabon-Strategie unter dem Titel „Strategie EU 2020“ sowie deren Umsetzung, die weiterführende Umsetzung der erneuerten Sozialagenda und die Bekämp­fung von Armut und sozialer Ausgrenzung, wie von Kollegin Duzdar bereits angesprochen.

Hinsichtlich der sozialen Dimension der Lissabon-Strategie nach 2010 wird der Schwer­punkt, wie gesagt, auf Beschäftigung und sozialem Engagement liegen, wobei auch auf die Gleichstellung der Geschlechter gebührend Rücksicht genommen wird. Dabei sollen natürlich auch die Sozialpartner eine aktive Rolle spielen. Das hat, wie die Geschichte zeigt, noch nie geschadet. Dazu kommen noch künftige Initiativen nach 2010. Das sind ein Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern – bis 2015 zu erledigen –, Folgemaßnahmen zum Europäischen Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter, eine Strategie für behinderte Menschen, auch ein wichtiger Punkt, und die Halbzeitprüfung der Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz.

Zu den in Diskussion stehenden zwei Richtlinien: Darüber haben wir natürlich im Ausschuss diskutiert, und so clever wie Frau Duzdar ist, hat sie da natürlich über meine zwei Fragen im Ausschuss in ihrem Referat berichtet. (Bundesrätin Mag. Duzdar: Ich habe dazu sehr wohl auch gefragt!) – Ja, ja, aber ganz am Schluss, und das war nur ein Frägchen und keine Frage. Ja, das kann ich mir sparen. (Bundesrat Mag. Klug: Das zeigt doch nur, dass wir da gemeinsame Auffassungen haben!) – Ja, ja klar. Das kann ich mir also sparen.

Ich möchte hier nur noch erwähnen, dass mir natürlich die Arbeitszeitrichtlinie auch sehr am Herzen liegt. Hierzu wurde ausgesendet, dass es entweder auf Basis der bestehenden Regelung einen weiteren Vorschlag gibt oder sonst eben ein neuer Vorschlag zur Arbeitszeitrichtlinie zu erstellen ist. Das ist natürlich wichtig, denn wir treten auch in Österreich für eine Gesamtlösung im Rahmen der Arbeitszeitregelung ein. Bestimmte Probleme, wie sie dabei bestehen, wie zum Beispiel die Regelung des Bereitschaftsdienstes, herauszulösen, das sollte man ablehnen und das sollte auch nicht Teil dieser Lösung sein, sondern dann soll besser gleich eine neue Arbeits­zeitrichtlinie geschaffen werden.

Im Bereich der Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten ausüben, ist die Situation an und für sich so, dass die Richtlinie aus 2004, wie bereits gehört, EU-rechtswidrig ist. Da besteht also wirklich Handlungsbedarf. Dazu soll am 17. Juni 2010


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 88

im Parlament ein entsprechender Antrag eingebracht werden. Ansonsten gibt es dann einen neuen Vorschlag der Kommission.

Ich darf mich abschließend auch für die wirklich kompetente und sehr informative Arbeit im Ausschuss bedanken. Das fließt natürlich dann auch entsprechend in unsere Diskussion hier im Plenum ein. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

13.53


Präsident Peter Mitterer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


13.53.56

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir werden diesen Bericht natürlich zur Kenntnis nehmen. Das Arbeitsprogramm ist ja auch tatsächlich ein sehr ehrgeiziges und setzt sich auch interessante Ziele. Erlauben Sie mir dennoch eine kleine Kritik anzubringen.

Wir haben heute den 2. Juni und wir debattieren über das Arbeitsprogramm der Kommission und des Rates für das Jahr 2010. Wenn wir als Politiker unsere Aufgabe ernst nehmen und den Anspruch auf Gestaltung erheben, dann wäre es angebracht, dass dieser Bericht bereits Ende 2009 vorliegen würde, damit wir die entsprechenden Weichenstellungen für 2010 diskutieren können. So ist es sozusagen nur ein Abnicken eines bereits beschlossenen Fahrplans, wobei wir eher als Historiker auftreten statt als Politiker, die mitbestimmen. – Ich denke, diese Kritik ist nachvollziehbar und auch berechtigt.

Wir haben heute bereits das Berufsausbildungsgesetz geändert. Diese Änderung wird dazu beitragen, die Anstellungschancen der Jugendlichen zu verbessern. „Jugend in Bewegung“ heißt eine der Leitinitiativen des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission. Diese Initiativen gilt es in den nächsten Monaten und Jahren in Form von konkreten Maßnahmen umzusetzen.

Auch einen weiteren Punkt haben wir heute schon diskutiert, nämlich die Bekämpfung der Armut. Im Sinne der vielen Beschäftigten in Österreich, die, obwohl sie arbeiten gehen, nicht von ihrem Lohn oder Gehalt leben können, hoffe ich, dass die Umsetzung der geplanten Maßnahmen eine Veränderung im positiven Sinne bewirken wird.

Das Jahr 2010 wurde von der Europäischen Kommission zum „Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“ erklärt. Die Bundesregierung tut sich angesichts der neu aufgeflammten Debatte um die Mindestsicherung schwer, konkrete Schritte zu setzen. Wie im Papier ganz klar definiert wurde, geht es nicht nur um die materielle Armut, sondern auch um die damit verbundene gesellschaftliche Aus­grenzung, die mit materiellem Mangel einhergeht. Vor allem Kinder und Jugend­liche leiden sehr stark unter dieser Ausgrenzung. Dem einen Riegel vorzuschieben, ist unsere Pflicht.

Darum verstehe ich insbesondere unsere Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP nicht, die zum wiederholten Male die Umsetzung der Mindestsicherung zur Debatte stellen beziehungsweise versuchen, einen Kuhhandel zu betreiben, um das mit einer Terminologie aus der Landwirtschaft auszudrücken. Das ist für mich und für viele, viele Menschen in diesem Land, die auf diese Mindestsicherung angewiesen sind, nicht nachvollziehbar und nicht verständlich. (Beifall der Bundesräte Kerschbaum und Schennach sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich bitte, sich eines vor Augen zu halten: Diese Mindestsicherung ist ja nicht dazu geplant und vorgesehen, Menschen aus der Armut herauszuführen. Sie deckt zunächst


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 89

einmal nur die Mindestgrundbedürfnisse ab, sodass sozusagen das Notwendigste beschafft werden kann. (Bundesrat Perhab: Sagen Sie das einmal einer Billa-Kassierin, die 20 Stunden in der Woche arbeitet! – Bundesrat Erlitz: Der müsste man auch mehr zahlen!)

Angesichts einer Verkäuferin bei Billa, die 20 Stunden die Woche für 600 € im Monat arbeitet, werter Kollege, muss man sich doch einmal die Frage stellen: Haben wir es in Österreich überhaupt nötig, dass es derartige Beschäftigungsverhältnisse gibt? Die Frauen wissen nicht, wo sie ihre Kinder lassen sollen, und hetzen sich für das bisschen Geld ab. Soll man dem in Österreich überhaupt Raum geben? (Bundesrat Perhab: Das ist eine Frage der Arbeitsplätze! Das ist die Realität!) – Ja, ich weiß, dass Ihre Realität uns da hingeführt hat, aber das ist ein anderes Thema. (Bundesrätin Zwazl: Es gibt doch Kollektivverträge!) – Gut, ich möchte darauf jetzt nicht näher eingehen. Das würde den Rahmen sprengen und auch zu sehr ausufern.

Lassen Sie mich auf das eingehen, was bereits meine Vorrednerin und mein Vorred­ner, Kollege Mayer und Kollegin Duzdar, angesprochen haben: die Gleichbehand­lungs­frage. Die verschiedenen Richtlinien des Rates verbieten Diskriminierung auf­grund der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung und so weiter, und zwar auch außerhalb der Arbeitswelt. Das heißt, dass wir in Österreich endlich ein Antidiskriminierungsgesetz brauchen. Wir haben das in Oberösterreich geschafft durch Beteiligung der Grünen in der Landesregierung. Das wünsche ich mir aber auch auf Bundesebene.

Wir Grüne haben in den letzten Jahren dazu schon zahlreiche Anläufe genommen, und ich hoffe wirklich, dass wir es endlich schaffen, nicht ständig vom Europäischen Gerichtshof diesbezüglich an der Nase gezogen beziehungsweise vorgeführt zu wer­den. Die nächste Blamage diesbezüglich steht ohnehin schon wieder ins Haus, denn die eingetragene Partnerschaft widerspricht in einigen Punkten dem Grundsatz der Gleichbehandlung.

Es liegt also noch viel Arbeit vor uns, um dieses Arbeitsprogramm vorwärts zu bringen. Ich hoffe, dass viele der vorliegenden Vorschläge auch tatsächlich aufgegriffen und umgesetzt werden. Es waren das nur einige Punkte, die ich oberflächlich gestreift habe. An uns wird es liegen, dies in nächster Zeit umzusetzen und auch mit Leben zu erfüllen. – Danke. (Beifall der Bundesräte Kerschbaum und Schennach.)

13.59


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister Hundstorfer gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


14.00.07

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Debatte nicht überfrachten, ich habe nur eine einzige Bitte: die Mindestsicherung als das zu sehen, was sie ist, nämlich eine Vereinheitlichung der Sozialhilferichtsätze in ganz Österreich. Der Sozialhilferichtsatz wird in Zukunft 75 Prozent der Ausgleichszulage betragen.

Ich bitte die Damen und Herren, das nicht misszuverstehen. In der Steiermark gibt es keinen Euro mehr Sozialhilfe, denn das wird heute schon ausgezahlt. Die Differenz auf 744 € gibt es nur dann, wenn man Wohnbedarf hat. Wenn man keinen Wohnbedarf hat, bekommt man die Differenz nicht. – Ich möchte das nur zur Versachlichung der Debatte einbringen. Keiner der steirischen Sozialhilfebezieher bekommt einen Euro mehr. Keiner! (Ruf bei der ÖVP: Außer ...!) – Nein, auch das nicht, denn das wird heute schon 14 Mal in der Steiermark ausgezahlt. Ich würde hier um Versachlichung bitten.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 90

Wir diskutieren die Transparenzdatenbank ja zur Stunde. Das ist aber nicht unser Thema. Und ich halte mich auch an die Beschlüsse vom 2. März. Das ist jetzt auch nicht mein Thema, alles nicht mein Thema. Ich würde nur um eine Versachlichung der Debatte bitten. Das ist mein Wunsch. Wir haben zum Glück in diesem Land nur 17 000 Menschen, die von der Sozialhilfe als alleiniger Einnahmequelle leben müssen. Zum Glück! Von über 8 Millionen sind es nur 17 000.

Was wir erreichen wollen, ist eine Vereinheitlichung der Sozialhilferichtsätze, denn die restlichen 150 000 Menschen, die Sozialhilfe temporär beziehen, tun dies österreich­weit im Schnitt maximal sieben Monate lang. Dann sind sie wieder weg. Zum Glück!

Und darum geht es. Es geht um nichts anderes, es geht um keine Hängematte, es geht um kein Hineinfallen-Lassen und Nichts-mehr-Tun. Das ist nun alles verunmöglicht. Zum Glück! Ich sage das gleich dazu.

Dass es diese 17 000 Menschen gibt, die als alleinige Einnahmequelle die Sozialhilfe haben, vom Bodensee bis zum Neusiedler See, das ist eben in einer Gesellschaft so, ist aber in Wirklichkeit eine sehr kleine Zahl.

Ich möchte ganz kurz zum europäischen Thema ein paar Dinge klarstellen. Natürlich, Herr Bundesrat Dönmez, haben Sie recht, wenn Sie den Vorlagetermin kritisieren. Jetzt ist Juni, und wir diskutieren das Arbeitsprogramm der Kommission für das Jahr 2010 erst im Juni. Es ist aber auch so: Die Europäische Kommission hat es erst im März präsentiert. – Punkt.

Sie kennen auch die Ursachen: Wahlen, bis man sich gefunden hat, die neue Kom­mission und so weiter – das bringt alles Verzögerungseffekte. Wir werden auch weiter­hin sehr wachsam sein.

Für diejenigen unter Ihnen, die das nicht wissen, aber Edgar Mayer ist einer jener im Saal, die ich schon über 20 Jahre kenne. Es gibt ein paar, aber er ist einer davon, die ich schon über 20 Jahre kenne. (Ruf bei der ÖVP: Ist das jetzt positiv?) – Das ist positiv. (Heiterkeit. – Bundesrat Schennach: Das ist die Umschreibung für ...!)

Herr Bundesrat! Das ist sehr positiv, denn ich war einmal sein Gewerkschaftschef, und das ist sehr positiv. (Allgemeine Heiterkeit.) Wie Sie sehen, im ÖGB kommt man über Parteigrenzen hinweg sehr gut aus. – Das ist das eine.

Das Zweite ist: Natürlich werden wir alles daransetzen, dass die Sozialsysteme nicht in Frage gestellt werden. Das Grünbuch Pensionen ist derzeit in einer Vorankündigungs­pipeline, es soll angeblich Ende Juni präsentiert werden. Wir werden sehen. Wir haben ja am Montag Arbeits- und Sozialministerrat und den sogenannten BESO-Rat in Luxemburg. Wir werden sehen, wie weit hier etwas kommt oder nicht kommt.

Es wird auch eine gemeinsame Arbeitsgruppe zwischen ECOFIN und den Arbeits- und Sozialministern geben, um die Frage der Alterssicherungssysteme zu besprechen. Die Vorstellungen der Europäischen Union hiezu sind bis jetzt nicht besonders bekannt. Ich sage ganz ehrlich, ich kann sie nicht nachvollziehen. Warum kann ich sie nicht nachvollziehen? – Weil wir alles daransetzen müssen, das faktische Pensionsantritts­alter an das gesetzliche heranzuführen. Das ist das Hauptziel. Das müssen wir tun. Das sollen wir auch tun.

Es sind aber alle Beteiligten eingeladen mitzuwirken, denn eines ist auch klar: 30 Prozent der Pensionsantritte passieren aus der Arbeitslosigkeit heraus, über alle Systeme gerechnet. Das ist auch ein Signal an alle, an die Wirtschaft, an alle Betrof­fenen, daran mitzuwirken, dass die Menschen länger im Erwerbsleben bleiben können. Das ist auch eine Notwendigkeit. Das sage ich sehr bewusst.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 91

Zur Frage der Lenkerarbeitszeit wird am 17. Juni eine neue Abstimmung im Parlament stattfinden, weil hier der Konsultationsmechanismus zwischen Kommission und Parla­ment im Laufen ist.

Betreffend „Arbeitszeitrichtlinie neu“ rechne ich persönlich frühestens im Winter dieses Jahres damit, dass es etwas Neues geben wird – wenn überhaupt. Ich sage das jetzt nicht resignativ, denn Österreich war eines jener Länder, wo es möglich war, bezüglich der Bereitschaftsdienste einen Kompromiss mitzutragen und mitzufinden. Wir waren aber auch eines jener Länder, wo es nicht möglich war, diese Opting-out-Klausel mitzutragen. Und das werden wir auch in Zukunft nicht tun, denn dass das Arbeits­zeitgesetz über die Opting-out-Klausel aufgehoben werden kann, das kann nicht im Interesse einer gesamten Volkswirtschaft sein. Die Wirtschaft braucht Arbeitskräfte, die einigermaßen gut beisammen sind und nicht mit vielen Überstunden unterwegs sind.

Seitens der Arbeitnehmervertretung ist klar: Auch da gibt es Grenzen. Dass Arbeit­nehmer hie und da Überstunden machen wollen, ist keine Frage; Kreditraten für das Haus oder für das Wohnzimmer oder was auch immer gehören bezahlt. Das ist mir schon klar. Aber da muss es Grenzen geben. Darum sind wir gegen diese Opting-out-Klausel, weil der einzelne Arbeitnehmer dann wirklich und unmittelbarst nur mehr dem Betrieb ausgeliefert ist.

Ich unterstelle ja nicht der gesamten Wirtschaft, dass sie alle drückt. Das tue ich schon überhaupt nicht – Frau Präsidentin Zwazl weiß das –, aber es gibt trotzdem Grenzen, es gibt Regeln, und die sollen eingehalten werden. Das wollen wir sauber gesetzlich gelöst haben und nicht der Freiwilligkeit überlassen. Darum geht es.

Ansonsten danke ich Ihnen für Ihre große Zustimmung. Und Sie können sicher sein, wir werden uns sehr bemühen, dass wir dem, was wir unter „sozialem Europa“ verstehen, auch wieder ein paar Schritte näherkommen und weiterarbeiten werden. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.07

14.07.10

 


Präsident Peter Mitterer: Es liegt mir hiezu keine Wortmeldung mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.07.5514. Punkt

Petition betreffend Klare „Lebensmittelkennzeichnung in Österreich“, überreicht von Bundesrat Ferdinand Tiefnig (27/PET-BR/2009 sowie 8326/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Eibinger. Bitte um den Bericht.

 


14.08.12

Berichterstatterin MMag. Barbara Eibinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen über die Petition betreffend Klare Lebensmittelkennzeichnung in Österreich, überreicht von Bundesrat Ferdinand Tiefnig, liegt samt ministeriellen Stellungnahmen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 



BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 92

Präsident Peter Mitterer: Danke für den Bericht.

Als Erster zu Wort gemeldet ist der Überreicher der Petition, Herr Bundesrat Tiefnig. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


14.08.48

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zuerst ein Dankeschön an alle vier Ministerien für die aus­führlichen Informationen, auch für das Bekenntnis zu einer klaren Lebensmittel­kennzeichnung.

Vielleicht ganz kurz zur Geschichte. Wir hatten letztes Jahr in Oberösterreich Land­tags­wahlkampf, und ich wurde immer wieder von Menschen auf der Straße ange­sprochen: Warum setzt sich niemand für eine klare Lebensmittelkennzeichnung ein? Ich habe dann versucht, viele Menschen zu gewinnen und Unterschriften zu sammeln. Wir haben 3 500 Unterschriften aus dem Bezirk Braunau für eine klare Lebensmittel­kennzeichnung zusammengebracht, weil der Konsument das einfach wünscht. Ihre Studie hat das auch bescheinigt. Es ist ersichtlich, dass zirka 75 Prozent der Konsumenten und auch 70 Prozent im Bereich der Gastronomie eine klare Lebens­mittel­kennzeichnung fordern.

Ich bin davon überzeugt, dass wir da auf dem richtigen Weg sind. Und in diesem Zusammenhang: Ich habe heute ein Produkt, ein Bioprodukt gekauft (eine Packung Käse in die Höhe haltend), auf dem steht: „Bio-Camembert“, „SPAR Natur pur“. Man kann nicht erkennen, woher das Produkt kommt. Aus dem Beipacktext kann man aber ersehen, dass dieser Käse wahrscheinlich – wahrscheinlich! – in Österreich von österreichischen Milchbauern produziert worden ist. Brennwert, Eiweißgehalt, Kohle­hydrate und so weiter, all das steht drauf, aber es wäre doch auch wichtig, dass das – wir in Österreich haben da ja ein klares Kennzeichen – AMA-Gütezeichen, das AMA-Biozeichen drauf stünden. Für den Konsumenten wäre es ganz wichtig, dass in Zukunft diese beiden Kennzeichen klar ersichtlich sind: das AMA-Biozeichen und das AMA-Gütezeichen und dass unsere Lebensmittel eben nicht mit irgendwelchen undurch­sichtigen oder unverständlichen Zeichen gekennzeichnet werden. Das ist der Wunsch zahlreicher Konsumentinnen und Konsumenten, die diese Unterschriften­aktion mit unterstützt haben.

Aber auch in Zukunft muss da das Prinzip der Freiwilligkeit gelten, denn man muss ja auch die einzelnen Handelsketten dafür gewinnen. Man muss ja auch in der Gastro­nomie die Chance haben Fuß zu fassen. Mehrwert und Nachhaltigkeit des AMA-Gütesiegels liegen ja auch darin, dass dadurch viele Arbeitsplätze in Österreich erhalten bleiben können.

Zirka 550 000 Personen, und zwar sowohl im vor- als auch im nachgelagerten Bereich, haben mit dem Bereich Landwirtschaft zu tun, sind in diesem beschäftigt, und es muss unsere Aufgabe als Politiker sein, diese Arbeitsplätze zu sichern. Ich bin der Über­zeugung, dass auch da der Weg in die richtige Richtung geht.

In diesem Zusammenhang habe ich im Internet gelesen, dass die österreichischen Medien vor Kurzem freiwillig beschlossen haben, Lebensmittel mit eher negativen Aus­wirkungen für Kinder – Beispiel: zu fette Lebensmittel, zu viel Zuckergehalt, zu viel Salz – nicht mehr in Jugend- beziehungsweise Kindersendungen zu bewerben.

Genau das ist der richtige Weg. Daher: Vielleicht schaffen wir es auch im Lebensmittel­bereich, dass in Zukunft das AMA-Gütesiegel und das AMA-Biozeichen die klare Kenn­zeichnung österreichischer Produkte sein werden, um so auch den Konsumen­


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 93

tinnen und Konsumenten, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ihren Arbeits­platz in Österreich zu sichern.

In diesem Sinne bitte ich um Ihre Unterstützung und danke nochmals für die klaren und ausführlichen Stellungnahmen seitens der Bundesministerien. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.12


Präsident Peter Mitterer: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Mosbacher. – Bitte.

 


14.12.22

Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was mein Kollege Bundesrat Tiefnig gesagt hat, kann ich nur voll und ganz unterstreichen. Ich habe Kollegem Tiefnig auch zugesichert, ihn da voll zu unterstützen, weil das ja in unser aller Interesse ist; wir haben gestern im Ausschuss sehr ausführlich darüber diskutiert.

Verweisen darf ich in diesem Zusammenhang auf die Stellungnahmen der vier Minis­terien: Gesundheitsministerium, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Bun­desministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz sowie Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend. Mitteilen kann ich, dass es dazu durchwegs positive Stellungnahmen dieser vier Ministerien gegeben hat.

Auszugsweise möchte ich Folgendes erwähnen: So ist zum Beispiel vom Bundes­ministerium für Gesundheit in dessen Stellungnahme darauf hingewiesen worden, dass auf EU-Ebene das gesamte Lebensmittelkennzeichnungsrecht einer Revision unter­zogen und ein Vorschlag für eine Verordnung betreffend Information der Verbraucher über Lebensmittel vorgelegt wird, was derzeit ja auch auf EU-Ratsebene sehr intensiv diskutiert wird. Ziel dieser Informationsverordnung ist es, dem Verlangen der Ver­braucherin­nen und Verbraucher nach mehr und besserer Information auf der Etikette – also: klare, einfache, umfassende, standardisierte und zuverlässige Informationen – nachzukommen.

Ich möchte also nochmals darauf hinweisen, dass es auch auf EU-Ebene diese Inter­essen gibt. Und dass sich Österreich auch auf Gemeinschaftsebene besonders für den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Täuschung einsetzt, das geht gleich­falls aus dieser Stellungnahme hervor.

Bezug genommen wurde auf Ursprungs- und Herkunftskennzeichnung, auf die Gastronomiekennzeichnung. Auch das Thema Lebensmittelimitate wurde behandelt.

Die Stellungnahme des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft ist meiner Ansicht nach ein bisschen zu kurz geraten, ist vielleicht etwas unpräzise, aber trotzdem wird diese Initiative voll unterstützt.

Zur Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und dessen Kernaussage, die mich sehr gefreut hat – ich zitiere –:

„Die Zielsetzung der Petition nach einer klaren und transparenten Kennzeichnung unterstütze ich voll und ganz. Hinsichtlich der Herkunftskennzeichnung tritt das Bun­des­ministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nicht nur für die ver­pflichtende Kennzeichnung unverarbeiteter Lebensmittel ein, sondern fordert darüber hinaus auch eine Herkunftskennzeichnung der wertbestimmenden Bestandteile verar­beitender Lebensmittel.“


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 94

Das ist ein ganz wichtiger Hinweis, wobei es abschließend heißt, dass der Bundes­minister als Konsumentenschutzminister betont, auch freiwillige Initiativen zu unter­stützen, welche die Transparenz und Verständlichkeit betreffend freiwillige Lebens­mitteletikettierung erhöhen und damit eine bewusste Kaufentscheidung des Ver­brauchers überhaupt erst ermöglichen. – So weit diese Stellungnahme, die gleichfalls sehr positiv ist.

Nun zur ebenfalls positiven Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie, Jugend, die besagt, dass eine Unterstützung erfolgen wird.

Wie Sie sehen, meine sehr geehrte Damen und Herren, sind das alles durchwegs positive Stellungnahmen, wobei ich noch darauf hinweisen möchte, dass sich die Erwar­tungen der Verbraucher an die Beschaffenheit von Lebensmitteln in den letzten Jahren grundlegend gewandelt haben. Gott sei Dank, kann ich dazu nur sagen. Es zeigt sich, dass die Konsumentinnen und Konsumenten großes Interesse an Trans­parenz, Vertrauen und Sicherheit in Bezug auf Lebensmittel haben.

Daher meine ich, dass es unsere Pflicht ist, im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten und in unser aller Interesse natürlich, die dafür notwendigen Rahmen­bedingungen zu schaffen beziehungsweise voranzutreiben.

Das war jetzt meine Stellungnahme dazu, wobei ich Sie alle bitte, diese Petition vollinhaltlich zu unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.16


Präsident Peter Mitterer: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


14.17.05

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind ohnehin alle dafür. Auch wenn die InitiatorInnen dieser Petition nicht unbedingt unsere Klientel sind – es sind „Funktionäre des Bauernbundes“; das steht sogar drinnen in dieser Petition –, hätten sich diese, wie ich meine, doch eine etwas intensivere Behandlung dieses Themas verdient.

Wir haben im Ausschuss zwar schon ein bisschen hin- und herdiskutiert und auch festgestellt, dass man unter einer „klaren Deklaration“ und einer „klaren Herkunfts­bezeichnung“ nicht unbedingt das Gleiche verstehen muss. Kollege Tiefnig reduziert das beispielsweise auf das AMA-Gütesiegel; ich würde aber schon meinen, dass zu einer wirklich guten Lebensmittelkennzeichnung mehr gehört als die Herkunft. Es geht auch um Inhaltsstoffe, es geht um die Art und Weise, wie produziert wird.

Ich darf auch an Folgendes erinnern: Bei Einführung des Bio-Gütesiegels gab es damals Ausdrücke wie „naturnah“ und diverse andere, aber keiner hat gewusst, was da wirklich dahintersteckt. Und das ist bei einigen Begriffen nach wie vor der Fall. Ich denke, darüber sollte man sehr wohl nachdenken. Ich verweise beispielsweise nur auf den Ausdruck „naturidente Aromen“, wo jede/jeder glaubt, er/sie habe Himbeeren im Saft, aber in Wirklichkeit sind es Erdäpfel. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – „Naturident“ steht da drauf. Als Konsumentin möchte ich schon ganz gerne wissen, was ich zu mir nehme – und den Unterschied zwischen Himbeeren und Erdäpfeln kann man sehr wohl anführen; das wäre jedenfalls wünschenswert.

Ich glaube auch, dass die Beweggründe, warum die KonsumentInnen so viel Wert auf die Herkunft und auf die Herkunftsbezeichnung legen, die sind: einerseits die Qualität,


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 95

die man sich von Produkten aus Österreich erwartet, aber andererseits kommt schon auch dazu, dass viele Leute sagen: Ich will nicht, dass die Erdäpfel aus dem Marchfeld weiß Gott wohin zum Waschen geführt werden und eben wieder zurück oder dass beispielsweise das Mineralwasser aus Italien kommt! Wir haben dieses auch in Österreich und wollen nicht mehr diese hohen Transportkosten sowie die zahlreichen Lkw auf den Straßen haben.

Ich denke, es wäre vielleicht auch einmal interessant, im Zuge einer Umfrage fest­zustellen, was die Beweggründe dafür sind, Qualität aus Österreich kaufen zu wollen: Ist es wirklich nur die Qualität, oder ist es so, dass Leute mit all diesem Transport und Verkehr auch unzufrieden sind und sehr wohl kritisch konsumieren wollen? – Das ist mit der derzeitigen Lebensmittelkennzeichnung nicht immer ganz einfach, weil man die Verpackungen umdrehen muss, eine Lupe braucht et cetera.

Frau Kollegin Eibinger hat das CO2-Pickerl angesprochen. – Das wäre natürlich eine Variante, das viel besser zu verdeutlichen. In diesem Zusammenhang möchte ich gleich auf die freiwillige Kennzeichnung zu sprechen kommen, denn das CO2-Pickerl gibt es von manchen Ketten ja schon auf freiwilliger Basis. Ich bin schon der Meinung, dass man das sehr wohl klar regeln sollte und möglichst viele Verpflichtungen in eine gute Lebensmittelkennzeichnung hineinpacken sollte, weil sonst immer die drauf­zahlen, die Qualität wollen. Wer Qualität hat, kennzeichnet das, lässt sein Produkt prüfen, und die KonsumentInnen müssen das zusätzlich zahlen. Das ist nicht Sinn und Zweck der Sache.

Die Lebensmittelkennzeichnung ist ein Punkt, bei dem wir in Diskussionen zu Landwirtschaftsthemen dann immer wieder doch auf einen gemeinsamen Nenner kommen, weil es, wie gesagt, das Thema ist, das wir ohnehin alle wollen. Insofern finde ich es schon sehr seltsam, wenn jetzt im Bundesrat eine Petition durch Kollegen Tiefnig eingebracht wird und wir selbst uns in der Stellungnahme nicht wirklich äußern, sondern nur die Äußerungen des Ministeriums weitergeben. Ich denke, da hätten wir uns schon ein bisschen mehr zutrauen können, andernfalls hätte Herr Kollege Tiefnig auch einfach eine Anfrage stellen können; das wäre weniger aufwendig gewesen, als 2 500 Unterschriften zu sammeln.

Ich wünsche mir, dass wir, wenn wir solche Petitionen im Petitionsausschuss behan­deln – das ist ja alles erst im Werden –, das künftig auch wirklich ernsthaft machen, uns eine eigene Meinung dazu bilden und nicht nur sagen, die Minister sollen ant­worten und wir leiten das weiter. Ich glaube, das ist nicht die alleinige Aufgabe des Bundesrates.

Wir werden natürlich heute zustimmen und die Petition unterstützen, in der Hoffnung, dass das im Petitionsausschuss künftig ein bisschen aktiver abläuft. (Beifall bei den Grünen.)

14.21


Präsident Peter Mitterer: Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über die Petition betreffend „Klare Lebensmittel­kennzeichnung in Österreich“, überreicht von Bundesrat Ferdinand Tiefnig.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 96

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den Ausschussbericht zur ge­gen­ständlichen Petition zur Kenntnis nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Kenntnisnahme des gegenständlichen Aus­schuss­berichtes ist somit angenommen.

14.22.1615. Punkt

Wahl der Vizepräsidentin und des Vizepräsidenten, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das 2. Halbjahr 2010

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zum letzten Tagesordnungspunkt.

Da mit 1. Juli 2010 der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Niederösterreich übergeht und gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle entsandte Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Martin Preineder, zum Vor­sitz berufen ist, sind die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Wahl der Vizepräsidentin und des Vizepräsidenten

 


Präsident Peter Mitterer: Ich werde die Wahl der Vizepräsidentin und des Vize­präsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth lautet.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustim­men, sich von den Sitzen zu erheben. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich frage nun Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth, ob sie die Wahl annimmt. (Bundesrätin Mag. Neuwirth bedankt sich für das Vertrauen und nimmt die Wahl an.)

Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bun­desrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustim­men, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt. (Bundesrat Mag. Himmer bedankt sich für das Vertrauen und nimmt die Wahl an. Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 97

Wahl der SchriftführerInnen

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen nun zur Wahl der SchriftführerInnen.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ana Blatnik, Josef Saller, Waltraut Hladny und MMag. Barbara Eibinger für das zweite Halbjahr 2010 zu Schriftführerinnen beziehungsweise zum Schriftführer des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Es wird kein Einwand erhoben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, Frau Bundesrätin Ana Blatnik, Herrn Bundesrat Josef Saller, Frau Bundesrätin Waltraut Hladny und Frau Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger, ob sie die Wahl annehmen. (Die Bundesräte Blatnik, Saller, Hladny und MMag. Eibinger danken für das Vertrauen und nehmen die Wahl an.)

Wahl der OrdnerInnen

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen nunmehr zur Wahl der OrdnerInnen.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Dr. Franz Eduard Kühnel, Karl Boden und Cornelia Michalke für das zweite Halbjahr 2010 zur Ordnerin beziehungsweise zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Es wird kein Einwand erhoben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, Herrn Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel, Herrn Bundesrat Karl Boden und Frau Bundesrätin Cornelia Michalke, ob sie die Wahl annehmen. (Die Bundesräte Dr. Kühnel, Boden und Michalke danken für das Vertrauen und nehmen die Wahl an.)

Ich darf allen Gewählten recht herzlich zur Wahl gratulieren.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

14.26.29Einlauf

 


Präsident Peter Mitterer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungs­weise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen, 2758/J-BR und 2759/J-BR, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 1. Juli 2010, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 98

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, den 30. Juni 2010, ab 14 Uhr, vor­gesehen.

Die Sitzung – die letzte unter meinem Vorsitz, und für mich ganz sicher die letzte in meinem Leben als Präsident des Bundesrates – ist geschlossen.

14.27.17Schluss der Sitzung: 14.27 Uhr

 

 

 

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