Stenographisches Protokoll

668. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 12. Oktober 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

668. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 12. Oktober 2000

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 12. Oktober 2000: 9.02 – 19.38 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird

2. Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2000 – UrhG-Nov 2000)

3. Erklärung der Republik Österreich nach Artikel 25 Absatz 1 des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, betreffend die Erneuerung des Vorbehalts nach Artikel 10 Absatz 2 des Übereinkommens

4. Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden (Strafprozessnovelle 2000)

5. Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen

6. Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung von Landesrat Fill als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG 26

Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer 50

Verlangen auf Durchführung einer Debatte 50

Debatte:

Ulrike Haunschmid 54

Hedda Kainz 56

Mag. Michael Strugl 57

Mag. John Gudenus 60

Gottfried Kneifel 62


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 2

Christoph Hagen 64

Albrecht Konecny 64

Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer 65

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Michael Strugl, Monika Mühlwerth und Kollegen betreffend Aktivierung des ersten Reaktors des KKW Temelin 59

Annahme (E.163) 66

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung

Albrecht Konecny 9

und 28

und 80

Ludwig Bieringer 9

und 28

Dr. Peter Böhm 10

und 81

Anna Elisabeth Haselbach 10

Unterbrechung 28

Personalien

Entschuldigungen 9

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 26

Wahlen in Institutionen

Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates 49

Ausschüsse

Zuweisungen 27

Fragestunde

Bundesministerium für Justiz 10

Dr. Milan Linzer (1108/M-BR/00); Johann Grillenberger, Mag. John Gudenus

Albrecht Konecny (1112/M-BR/00); Christoph Hagen, Alfred Schöls

Dr. Peter Böhm (1115/M-BR/00); Gottfried Kneifel, Karl Boden

Dr. Vincenz Liechtenstein (1109/M-BR/00); Hedda Kainz, Thomas Ram

Hedda Kainz (1113/M-BR/00); Monika Mühlwerth, Georg Keuschnigg

Alfred Schöls (1110/M-BR/00); Hedda Kainz, Ludwig Buchinger

Dr. Robert Aspöck (1116/M-BR/00); Dr. Milan Linzer

Johanna Schicker (1114/M-BR/00); Monika Mühlwerth, Anna Höllerer

Gottfried Kneifel (1111/M-BR/00); Mag. Dietmar Hoscher, Dr. Peter Böhm


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 3

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Johann Kraml, Hedda Kainz, Peter Marizzi und GenossInnen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die weitere Vorgangsweise der Bundesregierung nach der Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Temelin (1737/J-BR/00)

Begründung: Johann Kraml 66

Beantwortung: Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 68


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 4

Redner:

Hedda Kainz 72

Mag. Michael Strugl 74

Dr. Klaus Peter Nittmann 75

Peter Marizzi 76

Ludwig Bieringer 77

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 78

Albrecht Konecny 79

Dr. Peter Böhm 80

Entschließungsantrag der Bundesräte Johann Kraml, Hedda Kainz und GenossInnen betreffend das Atomkraftwerk Temelin 73

Zurückziehung 80

Entschließungsantrag der Bundesräte Johann Kraml, Ludwig Bieringer, Hedda Kainz und GenossInnen betreffend das Atomkraftwerk Temelin 79

Annahme (E.164) 80

der Bundesräte Stefan Prähauser, Klaus Gasteiger, Herbert Würschl und GenossInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend fragwürdige Kaufentscheidung für die Hubschrauber des US-Anbieters Sikorsky – Schädigung der SteuerzahlerInnen um 530 Millionen Schilling (1738/J-BR/00)

Begründung: Stefan Prähauser 82

Beantwortung: Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 84

Redner:

Klaus Gasteiger 86 und 93

Dr. Vincenz Liechtenstein 88

Mag. John Gudenus 89

Wilhelm Grissemann 92

Monika Mühlwerth 93

Herbert Würschl 94

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 96

Stefan Prähauser 96

der Bundesräte Erhard Meier, Stefan Prähauser, Ernst Winter und GenossInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend substanzschädigende Zwangsverschuldung der Österreichischen Bundesforste zwecks kurzfristigen Stopfens von Budgetlöchern (1739/J-BR/00)

Begründung: Erhard Meier 97

Beantwortung: Staatssekretär Dr. Alfred Finz 100

Redner:

Stefan Prähauser 103

und (tatsächliche Berichtigung) 110

Georg Keuschnigg 107

Ing. Kurt Scheuch 109

Franz Koller 111

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 112

Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Prähauser, Ernst Winter und GenossInnen betreffend Rücknahme der beabsichtigten Erzwingung substanzschädigender Verschuldung der Österreichischen Bundesforste zur Nutzung einer "Nachdenkpause" für einen Dialog mit den Gegnern des Ausverkaufs von Wäldern und Trinkwasserressourcen 106

Ablehnung 113

der Bundesräte Horst Freiberger, Johanna Schicker, Erhard Meier und GenossInnen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend das durch den Bund verursachte Desaster in der Verkehrspolitik für die Steiermark (1740/J-BR/00)

Begründung: Horst Freiberger 113

Beantwortung: Bundesminister Dipl.-Ing. Michael Schmid 118

Redner:

Johanna Schicker 126

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 130

Dr. André d'Aron 132

Engelbert Weilharter 133

Bundesminister Dipl.-Ing. Michael Schmid 134

Ing. Peter Polleruhs 135

Albrecht Konecny 135

Entschließungsantrag der Bundesräte Johanna Schicker, Horst Freiberger, Erhard Meier und GenossInnen betreffend die Fassung eines Ministerratsbeschlusses zur Durchsetzung des Semmering-Basistunnels 130

Ablehnung 136

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung 136

Entschließungsantrag der Bundesräte Dipl.-Ing. Hannes Missethon, Ing. Peter Polleruhs, Dr. Vincenz Liechtenstein, Alfred Gerstl, Engelbert Weilharter und Kollegen betreffend Bau des Semmering-Basistunnels 131

Annahme (E.165) 137

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung 137

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(1) Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird (111 und 288/NR sowie 6217/BR d. B.)


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 5

(2) Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2000 – UrhG-Nov 2000) (210/A und 290/NR sowie 6218/BR d. B.)

(3) Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich nach Artikel 25 Absatz 1 des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, betreffend die Erneuerung des Vorbehalts nach Artikel 10 Absatz 2 des Übereinkommens (274 und 292/NR sowie 6219/BR d. B.)

Berichterstatter: Christoph Hagen 29

[Antrag, zu (1), (2) und (3) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Mag. Dietmar Hoscher 30

Mag. Harald Himmer 32

Dr. Robert Aspöck 33

Franz Koller 34

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (1) und (3) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 34

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 35

Gemeinsame Beratung über

(4) Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden (Strafprozessnovelle 2000) (209/A und 289/NR sowie 6216 und 6220/BR d. B.)

(5) Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen (64 und 291/NR sowie 6221/BR d. B.)

Berichterstatter: Christoph Hagen 35

[Antrag, zu (4) und (5) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Mag. Dietmar Hoscher 37

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 38 und 44

Dr. Milan Linzer 40

Dr. Peter Böhm 41

Jürgen Weiss 46

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (4) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 49

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (5) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 49


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 6

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Herbert Würschl und GenossInnen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Besetzung des Amtes des Bezirksschulinspektors für Hermagor/Kärnten (1725/J-BR/00)

der Bundesräte Albrecht Konecny, Karl Drochter, Brunhilde Fuchs und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend diplomatische Sklaverei (1726/J-BR/00)

der Bundesräte Herbert Thumpser, Ernst Winter, Karl Boden und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schließung von Finanzämtern (1727/J-BR/00)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Ministerratssitzung am 8. August 2000 (1728/J-BR/00)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Geldverschleuderung für sinnlose Imagepolitur (1729/J-BR/00)

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "schwere Mängel" im Bereich der Österreich Werbung (ÖW) (1730/J-BR/00)

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Heeresspital Stammersdorf (1731/J-BR/00)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Entschließung des Vorarlberger Landtages (1732/J-BR/00)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Grenzstation Angern a. d. March/Zahorska Ves (1733/J-BR/00)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Grenzstation Angern a. d. March/Zahorska Ves (1734/J-BR/00)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend widersprüchliche Informationen zu geplanten Kasernen-Verkäufen (1735/J-BR/00)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend EKIS-Abfragen über politische Funktionsträger (1736/J-BR/00)

der Bundesräte Johann Kraml, Hedda Kainz, Peter Marizzi und GenossInnen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die weitere Vorgangsweise der Bundesregierung nach der Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Temelin (1737/J-BR/00)

der Bundesräte Stefan Prähauser, Klaus Gasteiger, Herbert Würschl und GenossInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend fragwürdige Kaufentscheidung für die Hubschrauber des US-Anbieters Sikorsky – Schädigung der SteuerzahlerInnen um 530 Millionen Schilling (1738/J-BR/00)

der Bundesräte Erhard Meier, Stefan Prähauser, Ernst Winter und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend substanzschädigende Zwangsver


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 7

schuldung der Österreichischen Bundesforste zwecks kurzfristigen Stopfens von Budgetlöchern (1739/J-BR/00)

der Bundesräte Horst Freiberger, Johanna Schicker, Erhard Meier und GenossInnen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend das durch den Bund verursachte Desaster in der Verkehrspolitik für die Steiermark (1740/J-BR/00)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Finanzen betreffend PC-Sponsoring für Schulen und steuerliche Behandlung von Internet-Nutzung (1741/J-BR/00)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Überstundenabgeltung durch Antragsteller (1742/J-BR/00)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundeskanzler betreffend Entschließung des Bundesrates vom 2. Juli 1998 zu § 82 Abs. 7 AVG (1743/J-BR/00)

der Bundesräte Brunhilde Fuchs und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend ärztliche Berufsausübung (1744/J-BR/00)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Christoph Hagen, Ilse Giesinger und Jürgen Weiss an den Bundesminister für Inneres betreffend Übertritt von drei Vorarlberger Sicherheitswachebeamten der Gemeindesicherheitswachen in den Gendarmeriedienst (1745/J-BR/00)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Christoph Hagen, Ilse Giesinger und Jürgen Weiss (1582/AB-BR/00 zu 1713/J-BR/00)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Frage der Bundesräte Uta Barbara Pühringer und Kollegen (1583/AB-BR/00 zu 1714/J-BR/00)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Dipl.-Ing. Hannes Missethon und Kollegen (1584/AB-BR/00 zu 1715/J-BR/00)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Frage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen (1585/AB-BR/00 zu 1716/J-BR/00)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Klaus Gasteiger und GenossInnen (1586/AB-BR/00 zur 1718/J-BR/00)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Erhard Meier und GenossInnen (1587/AB-BR/00 zu 1717/J-BR/00)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1588/AB-BR/00 zu 1726/J-BR/00)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1589/AB-BR/00 zu 1722/J-BR/00)


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 8

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1590/AB-BR/00 zu 1723/J-BR/00)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Klaus Gasteiger und GenossInnen (1591/AB-BR/00 zu 1720/J-BR/00)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Ing. Walter Grasberger und Kollegen (1592/AB-BR/00 zu 1719/J-BR/00)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Frage der Bundesräte Herbert Würschl und GenossInnen (1593/AB-BR/00 zu 1725/J-BR/00)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Prähauser und GenossInnen (1594/AB-BR/00 zu 1724/J-BR/00)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Herbert Thumpser und GenossInnen (1595/AB-BR/00 zu 1727/J-BR/00)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1596/AB-BR/00 zu 1735/J-BR/00)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1597/AB-BR/00 zu 1728/J-BR/00)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1598/AB-BR/00 zu 1729/J-BR/00)

 

 


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Präsident Johann Payer: Ich eröffne die 668. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 667. Sitzung des Bundesrates vom 19. Juli 2000 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Herbert Thumpser, Wolfgang Hager und Mag. Melitta Trunk.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Bundesrat Professor Albrecht Konecny zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

9.03

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich lediglich zu Wort gemeldet, um mein Bedauern darüber zum Ausdruck zu bringen, unter welchen äußeren Rahmenbedingungen die heutige Sitzung des Bundesrates stattfinden muss.

Die Sitzungstermine des Bundesrates sind seit vielen Monaten bekannt. Das Präsidium des Bundesrates hat zun wiederholten Male das Präsidium des Nationalrates ersucht, diese Sitzungstermine zu respektieren, weil, wie wir alle aus höchstpersönlicher Erfahrung wissen, das gleichzeitige Tagen der beiden Kammern des österreichischen Parlaments in dem zwar geräumigen, aber in seinen Strukturen doch nicht so übergroß ausgebauten Hohen Haus schwierig ist.

Ich bedauere daher, dass die Präsidialkonferenz des Nationalrates in Beantwortung eines völlig legitimen Ersuchens um eine Sondersitzung ausgerechnet unseren heutigen Sitzungstag als Termin für seine Sondersitzung gewählt hat.

Wenn, wie mir berichtet wurde, bei den Diskussionen über die möglichen Termine für die Sondersitzung auf den Hinweis des Präsidenten des Nationalrates, dass heute eine Bundesratssitzung stattfindet, Herr Dr. Khol mit der demokratiepolitisch bedeutsamen Feststellung: Der Bundesrat ist mir Wurscht!, reagiert hat (Oh-Rufe bei der SPÖ – weiterer Ruf bei der SPÖ: Unerhört!), dann mag man daraus seine Konsequenzen ziehen.

Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir uns bemühen werden, auch in der Gestaltung der heutigen Sitzung ein wenig die Bedeutung des Bundesrates zu unterstreichen. (Beifall bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

9.06

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Bieringer. Ich erteile ihm dieses.

9.06

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir liegt ein Kurzprotokoll der 28. Präsidialkonferenz des Nationalrates vor. Ich erlaube mir, daraus wörtlich zu zitieren:

"Was den Termin der Sondersitzung betrifft, besteht Konsens, dass diese nicht mehr in dieser Woche stattfinden solle. In Frage kommen somit der 9., 10., 11. oder 12. Oktober, wobei gegen jeden einzelnen dieser Termine Einwendungen vorgebracht werden und ein Konsens über einen dieser Tage nicht erzielt werden kann.

Der Präsident entscheidet schließlich für den 12. Oktober ... ." (Oh-Rufe bei der ÖVP. – Bundesrat Meier: Das ist kein Wortprotokoll!) – Soweit die Aussendung der Parlamentskorrespondenz.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 10

Dieser Aussendung habe ich an und für sich nichts hinzuzufügen, halte aber ausdrücklich fest, dass ich mit Herrn Professor Kone
cny einer Meinung bin, dass der Bundesratstermin von heute seit langem festgestanden ist und dass es nicht sein kann, dass der Bundesrat vom Nationalrat laufend zurückgestellt wird. Diese Herrschaften werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir in Hinkunft nicht gewillt sind zu akzeptieren, dass Sitzungen beider Kammern des österreichischen Parlaments am gleichen Tag stattfinden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

9.08

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldung: Herr Bundesrat Professor Böhm. – Bitte.

9.08

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich stimme in diesem Punkt mit Herrn Kollegen Konecny völlig überein – das ist nicht häufig der Fall, aber dieses Mal trifft es völlig zu –, dass wir das ... (Bundesrat Bieringer: Das ist unanständig, dass du da übereinstimmst!) Ja, aber ich muss es in dieser Sache tun (Bundesrat Konecny: Das wird sich im Verlauf der Sitzung schon noch geben!) und mache es in diesem Punkt auch gerne. Auch wir sehen das als eine Hintansetzung des Bundesrates, zumal da der Termin für diese Sitzung des Bundesrates schon seit langem feststand und daher entsprechend zu berücksichtigen gewesen wäre.

Ich leugne nicht, dass die heutige Sondersitzung des Nationalrates von den beiden Regierungsfraktionen und nicht von der Opposition beantragt war, aber die Frage, wer geschäftsordnungsmäßig den Termin bestimmte, ist klar beantwortet worden. Das ist auch sehr deutlich zum Ausdruck gekommen. Das war der Präsident des Nationalrates (Ruf bei der ÖVP: Wer ist denn der?), Dr. Heinz Fischer. Ich bitte daher, dass Sie diesen Konflikt in Ihrer eigenen Fraktion austragen.

Der Kritik an sich schließe ich mich völlig an, und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.09

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldung: Frau Vizepräsidentin Haselbach. – Bitte.

9.09

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie alle wahrscheinlich wissen, war ich in der vergangenen Woche mit Präsidenten Fischer gemeinsam bei einem offiziellen Besuch in Kanada. Er hat mir dort berichtet, dass er derjenige war, der darauf hingewiesen hat, dass heute Bundesratssitzung ist, und dass es Herr Klubobmann Dr. Khol war, der verlangt hat, dass der 12. Oktober für die Sondersitzung des Nationalrates festgelegt wird. Ich bitte Sie, das mit ihm auszumachen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Scheuch: Wer ist der Präsident?)

9.10

Präsident Johann Payer: Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Fragestunde

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nun zur Fragestunde. Ich beginne jetzt – um 9.10 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Justiz

Präsident Johann Payer: Wir kommen zur 1. Anfrage, 1108/M, an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Milan Linzer, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 11

1108/M-BR/00

Welche strafrechtlichen Konsequenzen gibt es aus dem Skandal um die Bank Burgenland?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte eingangs im Hinblick auf die jetzt von mir gehörten Debattenbeiträge Folgendes sagen: Sie sollen keinen Zweifel haben, dass diese Fragestunde von mir in höchstem Maße ernst genommen wird, und ich erachte es für eine Ehre, Ihnen Rede und Antwort stehen zu dürfen. Sie sollen nicht den Eindruck haben, dass ein Mitglied der Bundesregierung auch nur im Geringsten den Zweifel darüber entstehen lassen möchte, dass wir sehr gerne herkommen und unsere demokratiepolitische und staatsrechtliche Verpflichtung erfüllen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Bundesrat! In dem so genannten Skandal, wie Sie es genannt haben, der die Bank Burgenland betrifft, hat es zwei Strafanzeigen gegeben. Die Staatsanwaltschaft hat in diesem Sinne auch Ermittlungen durchgeführt. Der Entwurf der Anklageschrift ist fertig, er ist vor einigen Tagen im Bundesministerium für Justiz eingelangt. Ich konnte ihn noch nicht selbst studieren, er wird aber geprüft. Ich kann, weil es sich letztlich um ein laufendes Verfahren handelt und das Verfahren noch nicht öffentlich ist, darüber noch nichts Konkreteres sagen.

Tatsache ist, dass es sich um so genannte Wirtschaftsdelikte handelt, insbesondere um den Verdacht der Veruntreuung, und dass der Vorstandsvorsitzende dieser Bank am 22. Juni 2000 in Untersuchungshaft genommen wurde.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Bundesminister! Wie beurteilen Sie die Frage der Anzeigepflicht des Landesfinanzreferenten im Sinne des § 84 StPO grundsätzlich?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Herr Bundesrat! Landesfinanzreferent ist Herr Landeshauptmann Karl Stix, er ist zur Kontrolle der Wirtschaftsbeteiligungen berufen. Er ist Beamter im Sinne des § 74 des Strafgesetzbuches und muss dann, wenn ihm ein ausreichend konkreter Sachverhalt vorliegt, im Hinblick auf § 84 StPO jenen Behörden eine Sachverhaltsbekanntgabe erstatten, die zur Strafverfolgung berufen sind.

Nur dieser Sachverhalt, der ihm bekannt sein muss, muss ausreichend konkret sein. Über sein Ersuchen – ich bin mir nicht ganz sicher, wer das Ersuchen gestellt hat – wurde jedenfalls von der Finanzprokuratur geprüft, ob dieser Sachverhalt ausreichend konkretisiert war, um eine Anzeige erstatten zu müssen, und diese Frage wurde verneint. (Aha-Rufe bei der SPÖ.)

Präsident Johann Payer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Johann Grillenberger. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Gibt es Ihres Wissens nach Verzögerungen bei der Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft an den Ermittlungen im Fall Bank Burgenland mit Deutschland in der Causa Hom-Rusch?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Herr Bundesrat! Mir ist da nichts bekannt. Im Gegenteil! Ich wurde knapp vor der bevorstehenden Verhaftung des Herrn Hom-Rusch informiert, und diese ist auch durchgeführt worden. Also ein konkreter Sachverhalt, dass es da Verzögerungen oder Reibungsverluste gegeben hat, ist mir nicht bekannt.

Präsident Johann Payer: Herr Bundesrat Mag. John Gudenus, ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 12

Bundesrat Mag. John Gudenus
(Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Planen Sie den Ausbau der in einer Aktiengesellschaft vorgesehenen Kontrollmechanismen?


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 13

Präsident Johann Payer:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich persönlich habe eigentlich eine relativ große und weitreichende Erfahrung als Aufsichtsrat in Aktiengesellschaften und weiß, dass die Kontrollmechanismen an sich gut eingerichtet sind und funktionieren, aber das hindert uns nicht, an einen weiteren Ausbau und an eine weitere Verschärfung der Kontrollmechanismen zu denken. Tatsache ist, dass sowohl ein Vorstand als auch ein Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zu haften und zu handeln haben, und Tatsache ist, dass es in den Aktiengesellschaften auch einen pflichtgemäßen Wirtschaftsprüfer gibt.

Die Haftung der Wirtschaftsprüfer ist allerdings in einem Ausmaß beschränkt, das uns überprüfungswürdig zu sein scheint, nämlich prinzipiell in einem Ausmaß von 5 Millionen Schilling. Dies wäre im Hinblick auf die Bestimmung des § 275 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches zu überprüfen. Wir werden überlegen, diese Haftungshöchstsummen zu ändern und allenfalls auszubauen, weil uns das zu gering erscheint. Wir folgen damit einem deutschen Beispiel. Die Deutschen haben zum Beispiel die Haftungssummen für börsenotierende Aktiengesellschaften auf 8 Millionen D-Mark erhöht.

Darüber hinaus gibt es die Bestimmung des § 255 betreffend Aktiengesellschaften. Diese Bestimmung pönalisiert beziehungsweise stellt jenen unter Strafe, der als Aufsichtsrat oder als Vorstandsmitglied unausreichend berichtet. Dieser Tatbestand ist bisher totes Recht. Nicht geleugnet werden kann, dass die Berichte in vielen Fällen, insbesondere in krisenhaften Situationen, besser sein könnten. Auch diesen Tatbestand werden wir im Rahmen einer strafrechtlichen legistischen Überprüfung untersuchen.

Außerdem gibt es auch noch das Auskunfstrecht der Aktionäre in den Hauptversammlungen. Nachdem in Österreich zunehmend eine Kultur der Kleinaktionäre entsteht, ist es durchaus denkbar und wird von uns auch so überlegt, dieses Auskunftsrecht weiter auszubauen.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 1112/M, an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Professor Albrecht Konecny um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1112/M-BR/00

Was hat Ihr Ressort seit dem Bekanntwerden des unglaublichen Spitzelskandals mit Polizei-akten, der im Buch von Josef Kleindienst behauptet wird, unternommen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Herr Bundesrat! In Bezug auf diesen Sachverhalt wurde die Staatsanwaltschaft am 30. 9. 2000 beziehungsweise 1. 10. 2000 durch Zeitungsberichte informiert. Daraufhin ließ man das Buch beischaffen und hat beim Untersuchungsrichter den Antrag gestellt, Herrn Kleindienst zu vernehmen, und zwar auch deshalb, weil zwei Anzeigen, also zwei Sachverhaltsbekanntgaben in dieser Angelegenheit bei der Staatsanwaltschaft eingelangt sind.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Ist von der Staatsanwaltschaft eine Basis für eine Zusammenarbeit mit den Trägern der derzeit im Innenministerium laufenden Untersuchung bereits hergestellt worden?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Herr Bundesrat! Ich halte das für selbstverständlich, mir sind da keine Reibungsverluste bekannt. Es ist nach meinem Wissensstand gestern am Nachmittag eine erste Sachverhaltsbekanntgabe an die Staatsanwaltschaft übermittelt worden.

Präsident Johann Payer: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Herr Bundesrat Christoph Hagen, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Haben Sie in dieser Angelegenheit eine Weisung gegeben?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Nein!

Präsident Johann Payer: Herr Bundesrat Alfred Schöls, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Ist Ihnen bekannt, wie viele Verurteilungen es wegen Weitergabe von Amtsgeheimnissen im Bereich des Bundesministeriums für Inneres in den letzten Jahren gegeben hat?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Herr Bundesrat! Das ist mir nicht bekannt, ich werde aber sehr bemüht sein, Ihnen die diesbezüglichen Zahlen nachzureichen. Ich bitte aber, das zu konkretisieren, weil die Formulierung "Weitergabe von Informationen" nicht exakt genug ist und nicht ausreicht, um diese Tatbestände, die Sie meinen, zu erfassen. Meine Bitte ist, Ihr Ersuchen konkreter zu formulieren und auf eine unbürokratische schriftliche Anwort des Ministeriums zu warten. (Bundesrat Schöls: Im Zusammenhang mit der Bestimmung des StGB!)

Es sind mir, wie gesagt, diesbezüglich keine Zahlen bekannt. Ich bitte um sehr konkrete Formulierung Ihres Ersuchens. Ich werde Ihnen dann sehr bald – nicht unter Einhaltung bestimmter Fristausnutzungen – die Beantwortung zukommen lassen. Ich werde Sie sehr bald die diesbezüglichen Zahlen erfahren lassen, ich werde mich darum kümmern, dass Sie die Antwort auf diese Ihre Frage sehr schnell bekommen.

Präsident Johann Payer: Herr Kollege Schöls! Ich war sehr großzügig, Sie haben eigentlich zwei Zusatzfragen gestellt. Der Minister hätte sie gar nicht beantworten müssen.

Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 1115/M, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1115/M-BR/00

Wird es in der laufenden Legislaturperiode Neuerungen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit des Justizministeriums geben?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ja, diese wird es mit Sicherheit geben. Es ist auch vor kurzem – schon in der Zeit meiner Amtstätigkeit – eine Erhebung über Kundenzufriedenheit durchgeführt worden. Diese fiel – so muss ich sagen – für das Justizwesen und die


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 14

Mitarbeiter erwartungsgemäß gut aus. Befragt wurden dabei 1 400 Personen. Wir werten das derzeit noch aus.

Wir werden darüber hinaus die Pressesprecher noch besser ausbilden als bisher, und wir werden vor allem ein Projekt verwirklichen, das meines Erachtens auch beispielgebend für alle anderen Ministerien und den öffentlichen Dienst ist: Wir werden unsere Homepage sehr professionell ausgestalten. Wir sind derzeit im Endstadium der Programmierungsarbeiten für ein Redaktionssystem. Das wird ähnlich gestaltet sein wie jenes der Tageszeitungen, die tagesaktuell ihre Nachrichten einstellen. Wir werden die wichtigsten laufenden Projekte und Gesetzesvorhaben in diese Homepage stellen.

Wir werden auch sehr kundenfreundliche Navigationsmöglichkeiten schaffen, etwa auch für ältere Herrschaften, die zum Beispiel Reisen unternehmen wollen, die sich informieren wollen, eventuell auch bei Katastrophenfällen, so weit das unser Ressort betrifft. Wir wollen aber auch jüngere Menschen ansprechen, die zum Beispiel in die Nähe eines Suchtgiftkontaktes gekommen sind, damit sich diese Personengruppen frei von Schwellenangst über den PC informieren können.

Wir haben erst gestern wieder ein Gespräch mit einer Werbegraphikerfirma geführt, die eine Präsentation bei uns gemacht hat, und wir haben die Möglichkeiten, die es da gibt, mit Erstaunen und Freude zur Kenntnis genommen. Wir werden damit, so denke ich, beispielgebend eine Öffnung des Ministeriums für die Bevölkerung durchführen.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Gibt es bereits Auswertungen darüber, in welchem Ausmaß auf diese von Ihnen zuletzt angesprochene Homepage auch tatsächlich zugegriffen worden ist?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Die jetzt eingerichtete Homepage ist schon sehr schön und sehr effektiv gestaltet. Wir haben gestern erfahren, dass sie schon jetzt Spitzenreiter unter den öffentlichen Dienststellen ist, aber sie ist uns noch nicht gut genug. Wir verzeichnen derzeit 626 Zugriffe pro Tag, und zwar nur auf die Homepage. Ich habe damit nicht von Firmenbuch, Grundbuch und so weiter gesprochen.

Präsident Johann Payer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Gott-fried Kneifel, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Welche Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und des Marketings haben Sie vor, um diese Art der Bürgerbegutachtungen – denn um solche handelt es sich, wenn Sie sagen, Gesetzentwürfe können auch angesehen werden – noch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Aus jetziger Sicht kann ich mir keine breitere Öffentlichkeit vorstellen als jene, die wir zu erreichen vorhaben – mit Ausnahme von Pressekonferenzen, Broschüren, Foldern und so weiter, die wir natürlich auch machen, weil wir die Pressearbeit an sich intensiviert haben. Aber wir werden die Projekte und Gesetzesvorhaben, an denen wir arbeiten, nicht erst formell mit Beginn der Begutachtungsfrist – so weit es sinnvoll ist – in die Homepage stellen, sondern schon früher, damit die Bevölkerung, jeder Interessierte, jeder Politiker, jeder Journalist diese Informationen entgegennehmen und sich dazu äußern kann.

Präsident Johann Payer: Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 15

Bundesrat Karl Boden
(SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Glauben Sie, dass die Verhaltensweise gewisser Richter wie etwa die des Herrn Maurer positiv zur Öffentlichkeitsarbeit beiträgt?


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 16

Präsident Johann Payer:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Meines Wissens nach sind die Interviews, die Herr Senatspräsident Mag. Maurer gegeben hat, korrekt, und alles, was korrekt ist, stärkt und bestärkt das Image der Justiz. Sie haben jetzt von dem Verhalten des Herr Mag. Maurer gesprochen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 17

Präsident Johann Payer:
Danke, Herr Bundesminister.

Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 1109/M, an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Frage lautet:

1109/M-BR/00

Welche Begleitmaßnahmen sollen bei Herabsetzung des Alters der Jugendlichen auf 18 Jahre gesetzt werden?


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 18

Präsident Johann Payer:
Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 19

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer:
Ich gehe davon aus, dass Sie die Maßnahmen im strafrechtlichen Bereich meinen, und sage, dass wir unter Verzicht auf ein so genanntes Heranwachsendenstrafrecht im Einvernehmen mit den Klubs der beiden Regierungsparteien ganz massive und unserer Überzeugung nach auch sehr sinnvolle Anpassungsregelungen im Erwachsenenstrafrecht getroffen haben. So wurde etwa der Ausschluss der lebenslangen Freiheitsstrafe für junge Heranwachsende in das Gesetzeswerk aufgenommen. Das gilt für solche, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, also bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres, für jene, die unter 21 Jahren sind.

Es gibt auch einen außerordentlich gewichtigen Milderungsgrund, an dessen Gestaltung wir noch legistisch arbeiten.

Ziel dieser Maßnahmen ist es nicht, eine höhere Bestrafung dieser Altersgruppe zu erreichen, sondern Ziel ist es, eine Vergrößerung der Palette der Jugendrichter zu schaffen. Darauf haben wir auch schon positive Reaktionen bekommen, jedenfalls überall dort, wo wir das näher erklären durften. Die Presse berichtet darüber nicht immer ganz in jener Exaktheit, wie wir das vorhaben. Tatsache ist, dass nach unserer Absicht diese Altersgruppe, die jetzt von der Herabsetzung der Obergrenze des Jugendstrafrechtes betroffen ist, nicht strenger bestraft wird.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Sehen Sie an der Entwicklung der Kriminalität der Jugendlichen, dass das notwendig ist?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesrat
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Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer:
Die Kriminalität der Jugendlichen ist nach meinen Informationen derzeit leicht ansteigend. Die Statistik kann man aber erst dann auswerten, wenn die Erhebungen und die Zeiträume in vergleichbarem Ausmaß abgeschlossen sind. Aber es geht uns, wie gesagt, nicht um eine stärkere Bestrafung, sondern es geht uns ausschließlich darum, dass die Jugendrichter – die bisher über die Gruppe bis inklusive 19 Jahre verhandelt haben und die diese Verhandlungen weiter führen werden – eine bessere Möglichkeit haben sollen, auf die individuelle Situation der Jugendlichen einzugehen.

Präsident Johann Payer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Frau Bundesrätin Hedda Kainz, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Ich habe Sie also richtig verstanden: Ihre begleitenden Maßnahmen in diesem Bereich beschränken sich ausschließlich auf Änderungen im Strafrecht und sind nicht durch begleitende Maßnahmen mit dem Ziel der Reintegration zu verstehen. Das ist also auch kostenneutral, es gibt keinen Einsatz von besonderen Mitteln, um den Jugendlichen die Situation zu ersparen, strafrechtlich belangt zu werden. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Diese Dimension ist vielleicht nicht ganz vollständig verstanden worden. Noch einmal: Die Jugendrichter, die für jene Jugendgruppe, die vom bestehenden Jugendstrafrecht erfasst war, zuständig sind, werden weiterhin für dieselbe Altersgruppe zuständig bleiben. Damit ist einmal gewährleistet, dass die Richter, die bisher das entsprechende Einfühlungsvermögen entwickelt haben, auch weiterhin für dieselbe Altersgruppe und in Bezug auf dieselbe Altersgruppe entscheiden, also ihre Urteile fällen.

Darüber hinaus passen wir das Erwachsenenstrafrecht für diese problematische Altersphase ausdrücklich an. Es kann natürlich sein, dass der eine oder andere Jugendliche, weil der Jugendrichter dies so als richtig empfindet, eine härtere Strafe bekommt. Dort, wo der Jugendrichter aber wie bisher glaubt, Milde walten lassen zu können, wird er weiterhin dazu in der Lage sein.

Ich nehme an, Sie sprechen von der so genannten Adoleszenzkrise; das ist jene Phase für junge Menschen, in der sie am leichtesten kriminell werden – oftmals eine Einzelerscheinung in ihrem Leben. Das trifft auf viele Jugendliche zu, aber eben nicht auf alle. Daher stehen wir auf dem Standpunkt, eine Vergrößerung der Palette kann nur gut sein. Diesen Standpunkt hat bei der Richter-Woche, die ich am Montag dieser Woche eröffnet habe, auch der Vizepräsident der Richterschaft eingenommen.

Präsident Johann Payer: Die nächste Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Thomas Ram gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Verfolgen Sie generell die Absicht, dass junge Erwachsene über 18 Jahre strenger bestraft werden?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Absolut nein! Diese generelle Absicht wäre falsch. Sie würde auch unser zentrales Bemühen um Resozialisierung beeinträchtigen und zurückwerfen. Wir verfolgen die Absicht, dass die Jugendlichen wie bisher individuell, ihrer persönlichen Situation entsprechend, bestraft werden können und dass, wenn es möglich ist, die Strafe überhaupt nicht verhängt wird, was im Jugendstrafrecht die allgemeine Tendenz ist.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage, 1113/M, an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Hedda Kainz, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! In Ergänzung und im Zusammenhang mit diesem Fragenkomplex möchte ich folgende Frage an Sie stellen:

1113/M-BR/00

Sind Sie sich bewusst, dass die Herabsetzung der vollen Strafmündigkeit von 19 auf 18 Jahre erhebliche Nachteile für die Reintegration von Heranwachsenden in der Gesellschaft bewirken wird?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich kann mir dessen nicht bewusst sein, weil ich die Dinge einfach anders sehe und mit sehr vielen Experten darüber gesprochen habe. Da ich auch selbst über eine 27-jährige Erfahrung als Rechtsanwalt verfüge und mit sehr vielen Jugendrichtern über diese Frage gesprochen habe, gebe ich zu, es gibt verschiedene Meinungen zu diesem Thema. Aber eine Erschwerung der Reintegration will ich nicht, beab-sichtige ich nicht und halte ich auch nicht für die zukünftige Entwicklung.

Wir wollen wie bisher die Jugendlichen sehr sorgfältig und individuell behandeln, und unsere Aufmerksamkeit gilt durchaus auch dem Jugendstrafvollzug. Im Übrigen wird im Rahmen dieser Novelle auch der Ihnen sicherlich bekannte Präsident des Jugendgerichtshofes Wien, Herr Dr. Jesionek, mit seinem Gericht das Vollzugsgericht für die Jugendstrafanstalt Gerasdorf werden, die bisher dem Gericht Wiener Neustadt unterstanden ist. Das ist ein Schritt, durch den ein besonders erfahrener und engagierter Jugendrichter für den Strafvollzug in Gerasdorf zuständig sein wird.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Sie haben selbst die Meinung von kompetenten Fachleuten angesprochen, die sich im Zusammenhang mit dieser Frage kritisch geäußert haben. In welcher Form konnten diese Fachleute bei der Erarbeitung der neuen Vorstellungen ihre Meinung einbringen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Diese Frage kann derzeit nicht vollständig beantwortet werden. Das Begutachtungsverfahren ist erst zu Beginn dieser Woche beendet worden. Herr Sektionschef Dr.  Miklau arbeitet derzeit diese Äußerungen in Zusammenarbeit mit den beiden Parlamentsklubs ein. Auch darüber hat gestern wieder eine Besprechung stattgefunden. Sie können sicher sein, dass jede Expertenmeinung ganz konkret und ausführlich geprüft wird.

Man muss aber die letzte Entscheidung doch dem Parlament überlassen, und ich erwarte mir im Zuge der parlamentarischen Debatte sehr viel Überzeugungsarbeit, weil mir daran gelegen ist, darzutun, dass die Jugendlichen nicht generell, wie Herr Bundesrat Ram das ausgedrückt hat, strenger bestraft werden sollen.

Präsident Johann Payer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth, bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welche Erfahrungen gibt es zu dieser Frage im internationalen Vergleich?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Im internationalen Vergleich ist es so, dass sehr viele Länder auch kein Heranwachsendenstrafrecht haben. In den meisten Ländern endet das Jugendstrafrecht mit 18 Jahren, zum Beispiel in England, in Frankreich und in Italien – bei Italien bin ich mir nicht ganz sicher, aber sehr sicher. Wir befinden uns also durchaus im Trend. Die dogmatisch-legistisch-rechtliche Frage ist: Soll man zwischen das Jugendstrafrecht und das Erwachsenenstrafrecht einen dritten Rechtskreis einfügen, nämlich das Heranwachsendenstrafrecht? – Dies hätte meines Erachtens wieder zu einer Komplizierung geführt.

Ich persönlich bin den beiden Regierungsparteien dafür dankbar, dass sie sich dazu entschlossen haben, auf das Heranwachsendenstrafrecht zu verzichten – so, wie das auch viele andere Länder machen –, aber entsprechende Anpassungsregelungen im Erwachsenenstrafrecht für diese sensible Gruppe zu schaffen.

Präsident Johann Payer: Weitere Zusatzfragen? – Herr Bundesrat Georg Keuschnigg, bitte.

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Herr Bundesminister! Wie sehen Sie die Frage, auch die zivilrechtliche Handlungsfähigkeit Jugendlicher mit dem 18. Lebensjahr einsetzen zu lassen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Die Frage, die zivilrechtliche Handlungsfähigkeit mit 18 und nicht erst mit 19 Jahren eintreten zu lassen, ist ein Punkt, in dem meines Wissens Konsens besteht. Es ist sinnvoll, diesen Zeitpunkt zu wählen, und es war auch das Ziel der Parlamentsparteien, die die Regierungsmitglieder stellen, hier eine optische Angleichung zu schaffen, weil es durchaus Sinn macht, darzulegen, dass ein junger Mensch ab dem gleichen Zeitpunkt sowohl die volle zivilrechtliche Verantwortung bekommt, als auch damit rechnen muss, als Erwachsener behandelt zu werden.

Aber gleichzeitig sage ich, die Anpassungsregelungn im Strafrecht sollen auf die individuelle Situation, nämlich das Reifestadium, das Entwicklungsstadium, eingehen können – dies vor allem mit Hilfe der sehr erfahrenen, in Österreich und in der Welt sehr bekannten und anerkannten Jugendrichter.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage, 1110/M, an den Herrn Bundesminister. Ich bitte den Anfragesteller, Herr Bundesrat Alfred Schöls, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1110/M-BR/00

Wie entwickelt sich die Zahl der Strafgefangenen in Österreich?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Diese Zahlen sehen wie folgt aus: 1996 waren es 8 304, 1997: 7 869, 1998: 8 337, 1999: 8 482. Das heißt, die Zahlen sind sehr stabil. Wir überlegen aber – das sage ich ganz offen; das ist auch eine Idee, die ich bereits mit dem Leiter der Strafvollzugssektion besprochen habe und von der ich persönlich aufgrund meiner Anwaltstätigkeit überzeugt bin –, bei jenen Personen, die wegen Vermögensdelikten verurteilt werden, bei denen die Strafen nicht allzu hoch sind und die nicht mit Gewalttaten einhergegangen sind, eine Lockerung zu versuchen, die Strafen zu hemmen, die Zeit der Bedingtheit der Strafe zu verlängern, wenn diese Personen in diesem Zeitraum gleichzeitig nach besten Möglichkeiten zur Rückzahlung der von Ihnen zu verantwortenden Schadenssumme bereit sind.

Wir glauben, dass das unter Umständen  – das ist ein Gedanke, den wir derzeit entwickeln und den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte – mehr zur Resozialisierung und zur Gutmachung beitragen kann und wird als der Vollzug einer Strafe. Das ist aber ein Rohgedanke, ich betone das. Das müssen wir genau durchdenken, aber ich halte das prinzipiell auch aus spezialpräventiven Gründen für sinnvoll.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Gelegentlich hört man aus Ihrem Haus, dass die Auflassung von Justizvollzugsanstalten geplant ist. Was ist wahr an diesen Meldungen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wahr ist, dass die Sektion, die diese Angelegenheiten zu verantworten und zu regeln hat, sehr fleißig ist, ständig überlegt, was man noch besser machen könnte, und natürlich auch ständig die Strukturen überdenkt. Wahr ist auch, dass dann, wenn eine bessere Lösung für eine Haftanstalt gefunden werden kann, die bessere Lösung gewählt werden wird. Also: Es wird geprüft. Es ist derzeit die Schließung von keiner einzigen Haftanstalt geplant, für die Zukunft aber durchaus nicht auszuschließen.

Wahr ist auch, dass die Bundesregierung – nach meinem Wissen erstmals – sehr modern mit Hilfe einer Unternehmungsberatung alle Strukturen in Österreich überdenken und auf ihre Effizienz überprüfen lässt. Dabei wollen wir – vor allem das Justizministerium – den Strafvollzug überprüfen lassen, weil wir uns dem Konzept der Bundesregierung anschließen können und weil wir selbst gerade auch eine solche Prüfung durchgeführt haben, also die ersten Rohdaten bereits bekannt geben können. Wir erwarten uns von dieser Effizienzprüfung sehr viel und glauben, dass wir im gesamten Strafvollzug sehr viel an Effizienzverbesserung realisieren werden können.

Präsident Johann Payer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Frau Bundesrätin Hedda Kainz, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Falls es auf Grund der Änderungen im Jugendstrafrecht zu einem Anwachsen der Zahl der Strafgefangenen kommt, möchte ich Sie fragen: Welche Maßnahmen haben Sie im Vollzug speziell für Jugendliche vorgesehen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Darf ich um eine Erklärung bitten?

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Falls es zu einer höheren Anzahl von Verurteilungen kommt, die Auswirkungen auf die Zahl der Strafgefangenen hat, frage ich Sie, welche speziellen Maßnahmen Sie für den Vollzug an Jugendlichen vorbereitet haben.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sie meinen nicht Taten in der Haft, sondern sofern die Verurteilungen anstehen – weil Sie Jugendstrafvollzug gesagt haben, ent-schuldigen Sie!

Wenn die Kausalität klar ist, dass die Änderung des Gesetzes zu einem Ansteigen der Delikte führt, dann halte ich es für meine Pflicht, sofort zu reagieren. Ich zweifle aber nicht daran, dass auch die Parlamentsparteien – und zwar alle – in diesem Sinne im Konsensweg reagieren würden. – Das soll aber nicht sein, und das halte ich auch für ausgeschlossen, ist aber meine persönliche Meinung.

Noch einmal: Dies ist auch nicht unsere Absicht, und wir diskutieren mit allen Personen, die ihre Meinung einbringen wollen. Ich habe schon vor Wochen im Ministerium gebeten, mir einen konkreten Fall zu nennen, bei dem die neue Rechtslage zwingend zu einer höheren Bestrafung führt und dies als ungerecht empfunden würde. Ich habe dieselbe Frage am Montag dieser Woche zu Beginn der Jugendrichter-Woche gestellt. – Ich habe bis heute keinen solchen Fall demonstriert bekommen.

Ich glaube, die Diskussion bewegt sich eher im ideologischen Vorfeld und nicht im konkreten empirischen Erkenntnisbeweis. Aber wir sind für alle Diskussionen offen.

Präsident Johann Payer: Herr Bundesrat Ludwig Buchinger, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Ludwig Buchinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Wie ist die Verteilung der Vermögensdelikte und die der sonstigen Delikte?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Bei den strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen gibt es einen Prozentsatz von 35,5 im Vorjahres-Berichtszeitraum und jetzt einen leichten Anstieg auf 36,9 Prozent. Der Anteil der Vermögensdelikte beträgt also zirka 35 bis 36 Prozent.

Dabei sind natürlich auch Delikte wie räuberischer Diebstahl, Einbruchsdiebstahl und so weiter enthalten, die mit Gewaltanwendung verbunden sind. Bei diesen Delikten werden wir weiterhin – nach dem Gedanken, den ich vorher entwickelt habe – eher unverändert vorgehen müssen. Bei den Vermögensdelikten, die nicht mit Gewaltanwendung verbunden sind, werden wir Möglichkeiten suchen, dass wir noch besser als jetzt Resozialisierungsmaßnahmen begründen können.

Präsident Johann Payer: Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 1116/M, an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Robert Aspöck, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1116/M-BR/00

Gibt es in Bezug auf die Bestellung von Insolvenzrichtern Neuerungen im Justizbereich?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: In Bezug auf die Bestellung von Insolvenzrichtern gibt es diese Bestrebungen nicht – Sie wissen, dass die Richter auf Grund der gesetzlichen Regelung über ihre Kompetenzen selbst entscheiden –, wohl aber sind in sonstigen Bereichen des Insolvenzrechtes Entwicklungen und Vorschläge in Überlegung.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Gibt es Überlegungen Ihrerseits, die Vergabe von Insolvenzen an die Anwaltschaft analog zur Vergabe von Verfahrenshilfeakten zu gestalten, um solcherart die – ich möchte es so sagen – bevorzugte Vergabe an bestimmte Kanzleien gleich vom System her auszuschließen?

Präsident Johann Payer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Tatsache ist, dass die Richter mit dem jetzigen System, nach dem vorwiegend Anwälte als Masseverwalter betraut werden und die Möglichkeit besteht und gehandhabt wird, zu überlegen, welcher Masseverwalter für welche Causa am besten geeignet ist, im Prinzip zufrieden sind. Richtig ist auch, dass ein Zufallsprinzip gewünscht wird.

Tatsache ist, dass wir auch im Bereiche des Insolvenzrechtes eine Reihe von Überlegungen anstellen und die Überlegung, ob wir da etwas optimieren können, durchaus im Vordergrund steht. Zu diesen Überlegungen gehört die Verhinderung des Insolvenzmissbrauches, die bessere Feststellung des Massevermögens, die bessere Auswahl auch der Masseverwalter und – etwas Neues, was manche als revolutionär empfinden werden – die Zusammenlegung von Konkurs- und Ausgleichsverfahren. Das ist eine Idee, die als revolutionär empfunden wird, aber wahrscheinlich dazu dient, dass man in Zukunft dieselben Möglichkeiten, die wir jetzt haben – also Zwangsausgleich, Unternehmensfortführung, Liquidierung –, weiterhin handhaben kann, aber eben im Rahmen eines Verfahrens und möglicherweise auch effizienter.

Präsident Johann Payer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer, ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 21

Bundesrat Dr. Milan Linzer
(ÖVP, Burgenland): Herr Bundesminister! Gibt es Bestrebungen, die Qualifikation der als Masseverwalter zu bestellenden Personen beziehungsweise der Personen, die in Frage kommen, zu heben und damit insbesondere auch die Erfassung und Verwertung der Massevermögen sicherzustellen beziehungsweise in Zukunft effizienter zu ge-stalten?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Dieses Bestreben gibt es. Es ist natürlich von höchster Wichtigkeit, dass das Massevermögen nicht in unnötiger Form zerschlagen wird. Es ist sicherlich auch gut, wenn jemand sehr viel von Betriebsprüfung und nicht nur von der Analyse und von Bilanzen versteht, und es ist durchaus denkbar, dass in Zukunft auch Betriebsberater und Wirtschaftstreuhänder – wenn dies der Masse und ihrer Verwertung gut tut – beigezogen werden.

Wir haben vier Arbeitskreise im Ministerium, die das behandeln, und es wird in dieser Sache sicherlich im nächsten Jahr legistische Vorschläge von uns geben.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 1114/M.

Die als verhindert gemeldete Bundesrätin Mag. Melitta Trunk hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung ihr Einverständnis bekannt gegeben, dass Frau Bundesrätin Johanna Schicker in das Fragerecht eintritt.

Ich bitte Frau Bundesrätin Schicker um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Frage lautet:

1114/M-BR/00

Warum forcieren Sie entgegen dem Rat zahlreicher Fachleute ein Modell der gemeinsamen Obsorge, das sich in Scheidungsfällen zum erheblichen Nachteil für die betroffenen Frauen und die Kinder auswirken wird?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Frau Bundesrätin! Es gibt kein Modell der gemeinsamen Obsorge. Ich bin sehr froh, dass ich auf diese Frage so deutlich antworten kann: Gemeinsame Obsorge ist ein Begriff, den wir im österreichischen Familienrecht nicht kennen und nicht praktizieren.

Tatsache ist, dass während aufrechter Ehe die Obsorge beider Elternteile besteht – beider Elternteile und nicht gemeinsam. Der Unterschied liegt darin, dass, wenn ein Reisepass beantragt wird, bei der gemeinsamen Obsorge nur beide gemeinsam auf das Passamt gehen könnten und bei der Obsorge beider Teile jeder Teil auf das Passamt gehen kann, jeder Teil eine Spitalsbehandlung verfügen kann, jeder Teil einen Schulbesuch veranlassen kann. – Das ist die Obsorge beider Teile, die bei aufrechten Ehen praktiziert wird.

Nun kommt es zur Ehescheidung, und sowohl nach meiner Erfahrung, aber auch nach der Erfahrung vieler Praktiker und Theoretiker wollen viele, wollen die meisten Elternteile im Falle einer Scheidung das Problem der Scheidung und die damit verbundenen Zerwürfnisse und Konfliktsituationen von den Kindern fern halten. Das tun sie in den meisten Teilen auch erfolgreich.

Das heißt, es ist ein Gebot der Praxis, aber auch der Menschlichkeit und des Erhaltes dessen, was von einer Familie trotz Scheidung übrig geblieben ist, diese erfolgreiche Form der Obsorge beider Teile nach der Scheidung durchzuführen. Das heißt, die Ehegatten, die geschieden sind,


Bundesrat
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668. Sitzung / Seite 22

haben die Chance dieser Weiterführung einer Obsorge beider Teile – und sie wollen das auch. Wir entsprechen damit einem Wunsch der Praxis.

Das heißt nicht, dass diese Situation zu Ratlosigkeit und Konflikt führt, wenn das nicht funktioniert. Bei einem kleineren Teil ist es so, dass trotzdem der Streit entbrennt. In diesem Fall genügt es, wenn einer von beiden zum Familienrichter oder zur Familienrichterin geht und sagt: Wir streiten uns, bitte setzen Sie einen von uns als Obsorgeberechtigten ein. – Dann wird dieser eine eingesetzt, und der andere bekommt nach der neuen Rechtslage verbesserte Auskunftspflichten, Antragsrechte und Informationsrechte. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das, was geschehen muss – hier folgen wir dem eindeutigen Rat des Herrn Professor Friedrich –, ist, dass eine erste Heimstätte des Kindes nach der Ehescheidung festgelegt werden muss. Wenn diese festgelegt ist, ist auch klar, wer den Unterhalt zahlt, nämlich jener, bei dem das Kind nicht wohnt.

Ich bin restlos davon überzeugt, dass diese Regelung, weil sie auch automatisch für die Mehrheit der Geschiedenen zutrifft, im Interesse der Erhaltung eines – wenn auch reduzierten – Familienlebens bestmöglich ist.

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sie haben uns jetzt Tatsachen gesagt, die wir zum Teil alle kennen. Es ist nichts Neues, dass sich 90 Prozent der geschiedenen Paare mit Kindern auch darüber einigen, wer die Obsorge nach der Scheidung erhalten soll. 90 Prozent der Scheidungen sind einvernehmlich, und viele dieser Paare regeln vorher, wie das mit den Kindern nach der Scheidung sein soll. (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage!)

Es geht, so glaube ich, um diese 10 Prozent. Wir haben natürlich ärgste Befürchtungen, dass dieser Rosenkrieg, diese Streitigkeiten, die vorher geführt werden, nachher auf dem Rücken der Kinder weiter geführt werden. Ich warne davor, dass es dann wieder die Frauen sein werden, ... (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage! Frage!)

Der Herr Bundesminister hat auch viele Sätze in seiner Beantwortung gesagt. (Bundesrat Ing. Scheuch: In der Antwort darf er ja! – Weitere Zwischenrufe.)

Präsident Johann Payer (das Glockenzeichen gebend): Frau Bundesrätin Schicker! Kommen Sie bitte zur Zusatzfrage!

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark) (fortsetzend): Herr Bundesminister! Befürchten Sie nicht, dass Frauen wieder zu Bittstellerinnen werden, wenn sie für ein Kind einen Reisepass wollen, wenn sie eine bestimmte Schule für das Kind wollen, wenn sie einen Kindergarten wollen, dass sie dann wieder in Bittpositionen zu den Männern kommen? – Das müssen wir ablehnen. Ich bitte um ehrliche Beantwortung. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Johann Payer: Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister ist am Wort!

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Frau Bundesrätin! Ich habe bisher ehrlich geantwortet und werde auch weiterhin ehrlich antworten. (Bundesrätin Schicker: Hoffentlich!) Ich sage es Ihnen nur. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Beispiel Reisepass ist gut. Denken Sie an mein Beispiel: Die Ehegatten sind geschieden, und beide wollen die Obsorge beider Teile. Dann geht entweder der geschiedene Vater oder die geschiedene Mutter zum Passamt und bestellt den Reisepass. Die Ehegatten streiten: Einer von beiden geht zu Gericht und sagt zur Familienrichterin oder zum Familienrichter: Bitte, setzen Sie einen Obsorgeberechtigten fest! – Die Richterin oder der Richter wird das tun, und damit ist bestimmt, wer alleine den Reisepass beantragt.


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Es ist niemand unterdrückt. Bitte, sagen Sie nicht, Frauen seien unterdrückt, die trotz Schei-dung weiterhin mit dem Mann die Obsorge durch beide Teile ausüben wollen. Wo ist die Unterdrückung? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Schicker: Weil sie zu Bittstellerinnen werden!)

Präsident Johann Payer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Gibt es dieses Modell der gemeinsamen Obsorge beider Elternteile auch in anderen Staaten, und wie sind dort die Erfahrungen damit?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Es gibt dieses Modell auch in anderen Staaten, und zwar sind mir diesbezüglich Prozentsätze, wenn auch nicht mit genauester statistischer Auswertung, bekannt gegeben worden. In Frankreich ist es so, dass nach Anfangsschwierigkeiten, weil da die Krise am akutesten ist, im Prinzip 90 Prozent der Geschiedenen die Obsorge beider Teile praktizieren, also wünschen. In Deutschland sind es 50 bis 60 Prozent. In Österreich haben wir eine persönliche Schätzung von einer sehr bekannten Familienrichterin eingeholt, die auch meiner Erfahrung entspricht, und danach sind es zirka 40 bis 50 Prozent.

Das heißt, es soll die Masse der verbleibenden Familieneinheiten mit diesem von ihnen gewünschten Modell leben dürfen.

Präsident Johann Payer: Frau Bundesrätin Anna Höllerer, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Anna Höllerer (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Wie stellt sich dann ganz genau der Unterschied der gemeinsamen Obsorge, wie sie jetzt im Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 vorgesehen ist, zur obligatorischen gemeinsamen Obsorge in Deutschland dar?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich kann Ihnen diese Frage nicht auswendig beantworten, aber ich bin nicht überzeugt, dass die obligatorische gemeinsame Obsorge in Deutschland so geregelt ist. Nach meinen Informationen ist es so, dass in Deutschland aus einer Begleitforschung hervorgeht, dass 50 bis 60 Prozent der Geschiedenen bei dieser Form der Obsorge, die ich Ihnen beschrieben habe, bleiben. Die gemeinsame Obsorge in der Form, wie sie sein müsste, wenn dieses Wort grammatikalisch interpretiert wird, würde bedeuten, dass beide Eltern jede Handlung nur gemeinsam setzen könnten, und das ist nicht praktikabel.

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage, 1111/M, an den Herrn Bundesminister. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Gottfried Kneifel, ... (Bundesminister Dr. Böhmdorfer: Ich hätte noch eine Ergänzung, bitte!)  – Dann habe ich die Pause falsch interpretiert. – Bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Nein, Sie haben sie richtig interpretiert, nur habe ich jetzt die Unterlagen gefunden und wollte der Frau Bundesrätin nur eine noch genauere Information geben.

Ich habe eine Unterlage, in der Folgendes steht: Nach dem seit 1. 7. 1998 in Kraft stehenden § 1671 BGB – deutsches Recht – ist bei einer Ehescheidung eine gerichtliche Entscheidung über die elterliche Sorge nur noch dann vorgesehen, wenn ein Elternteil einen Antrag auf Alleinsorge stellt. – Das heißt, es ist im Prinzip dasselbe, was wir machen. Von der Abkühlungsphase, die Sie vielleicht auch interessiert, sind wir abgekommen, und ich glaube, die deutsche Rechts


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lage auch, weil es dazu führt, dass ein Elternteil dem Kind entfremdet wird. Das halten wir nicht für gut, und das wollen meines Wissens nach auch die Mütter nicht.

Präsident Johann Payer: Danke, Herr Bundesminister.

Ich rufe jetzt noch einmal die 9. Anfrage, 1111/M, auf und bitte Herrn Bundesrat Gottfried Kneifel um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1111/M-BR/00

Planen Sie gesetzliche Änderungen bei der Regelung der Ahndung von Ehrenbeleidigungen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich habe bereits im Frühjahr dieses Jahres die Überlegung angestellt, das österreichische Medienrecht und den österreichischen Persönlichkeitsschutz zu überprüfen, und zwar auf europäischem Standard und im europäischen Vergleich. Ich habe dies auch den drei Experten bei meinem Gespräch mitgeteilt, und es ist für mich sehr bedauerlich, dass sie gerade diese Erwähnung, die im Gegensatz zu ihrem Erhebungsergebnis steht, nicht in den Expertenbericht aufgenommen haben.

Ich bin jetzt mit Experten im Gespräch, die die österreichische Situation in Bezug auf Persönlichkeitsschutz und Medienrecht überprüfen. Es gibt keine aktuelle rechtsvergleichende Studie, auf die man zugreifen kann. Es soll im Frühjahr dieses Jahres ein Seminar im Max Plank-Institut stattgefunden haben, das dieses Thema erörtert hat, und um diese Studie bin ich bemüht. Wir werden diese Studie auswerten, und es ist nicht ausgeschlossen, dass wir eine Medien-Enquete machen.

Im Prinzip sage ich Ihnen aber, dass unser Medienrecht einen sehr hohen Standard aufweist, dass es sehr konkret zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungen unterscheidet. Meinungen sind nach österreichischer Rechtslage frei äußerbar, also nicht oder kaum sanktionierbar. Das, worum es bei Gerichtsverfahren immer geht, wenn es zu Verurteilungen kommt, sind falsche Tatsachenbehauptungen, und da sage ich gleich vorweg: Es ist nicht so, dass man unbedingt den Standpunkt vertreten muss, ein Politiker – oder jeder andere auch – muss sich den Vorwurf einer falschen Tatsachenbehauptung oder gar eine Beschimpfung gefallen lassen.

Nochmals: In der Frage der Meinung müssen wir sehr liberal sein und sind es auch. Eine Meinung soll jeder äußern können, der in diesem Land lebt, weil wir absolute Meinungsfreiheit haben. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Johann Payer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Wäre es für Sie vorstellbar, dass in Zukunft die Möglichkeit geschaffen wird, zur Wahrung des Gesetzes von der Nichtigkeitsbeschwerde Gebrauch zu machen, um damit den Obersten Gerichtshof anzurufen?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gibt es bereits. Es wird auch von ihr Gebrauch gemacht. Ich habe, als diese Diskussion eine zunehmende Bedeutung bekommen hat, mit dem Herrn Generalprokurator gesprochen. Wir haben einander versichert, dass er weiterhin so wie vorher auch in Zukunft die Rechtsprechung in Österreich beobachtet und dann, wenn erhebliche Abweichungen in der Judikatur zu erkennen sind, gemäß § 33 StPO den Obersten Gerichtshof anruft, damit diese abwei-chenden Entscheidungen überprüft werden.


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Zudem haben wir abgesprochen, dass natürlich auch die österreichische Rechtsprechung im Vergleich zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Strassburg gesetzt wird.

Wir beobachten diese Situation in rechtlicher Hinsicht. Für eine Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Österreich ist also gesorgt.

Präsident Johann Payer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher um die Zusatzfrage.

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Wie beurteilen Sie die etwa von Foregger im Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch problematisierte Frage der Zitierung beleidigender Äußerungen im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verfolgbarkeit von beleidigenden Äußerungen in Medien?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Das ist eine Frage der Judikatur, die ich mit einem Beispiel beantworten möchte.

Wenn ein Medium A über Sie eine Beleidigung schreibt, die strafbar ist, dann können Sie dieses Medium natürlich klagen. Wenn ein anderes Medium dieses Erstmedium zitiert, besteht kein Grund, nicht klagen zu können, weil die Beleidigung dieselbe ist.

Es gibt allerdings eine so genannte Zitaten-Judikatur: Wenn das mit entsprechender Distanz er-folgt und auch noch andere Kriterien erfüllt sind, ist dieses Zitat nicht strafbar.

Es handelt sich um eine nicht unschwierige Frage in der Judikatur, und ich kann Ihnen nur sagen, die österreichischen Medienrichter gehören meines Erachtens zu den besten und anerkanntesten in Europa. Mir ist kein Fall bekannt, in dem eine krasse Fehlentscheidung gefällt wurde, und auch kein Fall, in dem wissenschaftlich begründet erklärt wurde, es läge eine Fehlentscheidung vor. Läge eine solche tatsächlich vor, könnte die Generalprokuratur den Obersten Gerichtshof, wie zuvor beschrieben, anrufen.

Präsident Johann Payer: Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm um seine Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im Hinblick auf eine gewisse Medienkampagne erlaube ich mir, eine vielleicht auch ein bisschen persönliche Frage, die auch mit Ihrer Funktion zusammenhängt, zu stellen:

Sind gegenwärtig noch Strafverfahren anhängig, die Sie selbst mittels Privatanklage wegen Ehrenbeleidigung oder übler Nachrede seit Ihrem Amtsantritt gegen Politiker der Oppositionsparteien eingeleitet haben?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Gegen Politiker können keine Strafverfahren anhängig sein, weil ich nie eine solche Klage eingebracht habe. Ich habe allerdings, was bekannt sein dürfte, gemeinsam mit anderen eine Klage gegen Herrn André Heller eingebracht. Noch bevor der Expertenbericht erschienen ist, habe ich, weil es meiner Überzeugung und meinem Naturell entspricht, ein Vergleichsangebot gemacht. Bevor der Expertenbericht nach Österreich gelangt ist, hat Herr Heller dieses Angebot abgelehnt.

Mittlerweile habe ich diese Klage zurückgezogen, weil in den Zeitungen Berichte zu lesen waren, dass man den Gerichtssaal als Bühne für eine eher politisch-polemische Darstellung missbrauchen möchte, und ich wollte uns allen das ersparen. (Bundesrat Konecny: Ist das eine üble Nachrede jetzt?)  – Nein, das ist kein üble Nachrede. (Bundesrat Konecny: ... ist eine politische Nachrede, Herr Minister! – Rufe bei den Freiheitlichen: Hallo! Hallo!)


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Ich habe diese Klage – ich sage es noch einmal – zurückgezogen, weil ich vermeiden wollte, dass es, völlig unüblich für österreichische Verhältnisse, als Bühne genutzt wird, die wir, so glaube ich, für die Justiz nicht gutheißen können. Ich habe dies auch schon öffentlich kom-mentiert, und dieser Kommentar steht mit der Überschrift ... (Bundesrat
Konecny: Urteile sind nur dann gut, wenn sie im Geheimen fallen?)  – Das hat mit geheim nichts zu tun.

Herr Bundesrat! Es hat mich nicht die Öffentlichkeit der Verhandlung gestört, sondern das Rundherum, das zu erwarten war. (Bundesrat Konecny: Öffentliche Aufmerksamkeit für bestimmte Klagen ist ja gut!) Daher habe ich gesagt, ich ziehe diese Klage zurück, und ich habe gut daran getan, denn diese Klagszurückziehung wurde allgemein positiv kommentiert.

Es sind aber noch andere Verfahren zum selben Thema anhängig, und Sie können sich dann davon ein Bild machen, wie die Prozesse verlaufen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei den Freiheitlichen: ... die Inszenierung eines linken Zirkus im Gerichtssaal verhindert! – Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Präsident Johann Payer (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren! Die Frage-stunde ist beendet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Johann Payer: Eingelangt sind 17 Anfragebeantwortungen, 1582/AB bis 1598/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden. (Neuerliche Rufe und Gegenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ.)  – Meine Damen und Herren! Ich darf Sie um etwas Aufmerksamkeit bitten, sonst sehe ich mich gezwungen, zu unterbrechen – wenn Sie wirklich den ganzen Tag hier zubringen wollen! Ich bitte, mir zuzuhören.

Diese Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Weiters gebe ich bekannt, dass ein Schreiben des Herrn Bundeskanzlers betreffend Nominierung von Landesrat Fill als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz eingelangt ist.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Ilse Giesinger:

"Gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG können wir Ihnen mitteilen, dass die Bundesregierung bei ihrer Sitzung vom 5. September 2000 beschlossen hat, aufgrund eines gemäß Artikel 23c Abs. 4 B-VG erfolgten Vorschlags der Oberösterreichischen Landesregierung Landesrat Josef Fill als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Regionen zu nominieren.

Auf Grund des Ausscheidens von Dr. Christoph Leitl als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen war für die verbleibende Amtsperiode bis 2002 ein Nachfolger zu ernennen.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Schüssel"

Präsident Johann Payer: Danke. Das dient zur Kenntnis.

Eingelangt sind ferner jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.


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Ich habe diese Beschlüsse dem Justizausschuss zur Vorberatung zugewiesen. Der soeben erwähnte Ausschuss hat seine Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe alle diese Vorlagen sowie die Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Johann Payer: Ich beabsichtige, die Debatte über die Punkte 1 bis 3 sowie 4 und 5 der Tagesordnung jeweils unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Präsident Johann Payer: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir vier Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung von schriftlichen Anfragen in folgender Reihenfolge vorliegen:

dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Johann Kraml und Genos-sInnen betreffend die weitere Vorgangsweise der Bundesregierung nach der Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Temelin an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft;

dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Stefan Prähauser und GenossInnen betreffend fragwürdige Kaufentscheidung für die Hubschrauber des US-Anbieters Sikorsky – Schädigung der SteuerzahlerInnen um 530 Millionen Schilling an den Bundesminister für Landesverteidigung;

dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Erhard Meier und GenossInnen betreffend die substanzschädigende Zwangsverschuldung der Österreichischen Bundesforste zwecks kurzfristigen Stopfens von Budgetlöchern an den Bundesminister für Finanzen sowie

dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Horst Freiberger und GenossInnen betreffend das durch den Bund verursachte Desaster in der Verkehrspolitik für die Steiermark an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung der dringlichen Anfragen in der von mir bekannt gegebenen Reihenfolge an den Schluss der Sitzung. Als Zeitpunkt für die Behandlung schlage ich das Ende der Tagesordnung – das wird vermutlich um zirka 12 Uhr sein – vor.

Ankündigung einer Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich

Präsident Johann Payer: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich weiters bekannt, dass der Herr Landeshauptmann von Oberösterreich, Dr. Josef Pühringer, gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates eine Erklärung zum Themenkreis Kernkraftwerk Temelin und die Situation in Oberösterreich um zirka 13 Uhr abgeben wird.

Ich werde daher die Verhandlungen zur Tagesordnung ... (Bundesrat Bieringer: Zur Geschäftsbehandlung! – Ruf bei der SPÖ: Lasst ihn ausreden!)  – Bitte, Herr Bundesrat, zur Geschäftsbehandlung.


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10.12

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wir haben in der Präsidiale vereinbart, dass wir die Tagesordnung so, wie sie vorliegt, durchführen, dann unterbrechen und um 13 Uhr die Sitzung mit der Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich wieder aufnehmen. Sollte das nun nicht der Fall sein, bitte ich um Unterbrechung der Sitzung und um Durchführung einer Präsidiale.

Ich bin nicht gewillt, das hinzunehmen, weil ein Parlamentssekretär der SPÖ-Fraktion (der Redner zeigt auf den neben dem Präsidium stehenden Klubsekretär) es so wünscht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Wir wünschen das! – Bundesrätin Fuchs: Der zeigt einfach mit dem Finger!)

10.13

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldung: Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

10.13

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Wir haben in der Präsidiale selbstverständlich zur Kenntnis genommen, dass der Herr Landeshauptmann eine Erklärung abgeben wird und dafür 13 Uhr in Aussicht genommen ist. Wir haben zu diesem Zeitpunkt den Ablauf der Sitzung lediglich auf diese bekannte Tagesordnung abgestellt.

Es gibt gute Gründe, warum die sozialdemokratische Parlamentsfraktion diese, nämlich ebenfalls Temelin betreffende und eine Reihe weiterer Anfragen gestellt hat. Ich sehe keinen Sinn darin, eine Sitzung zu unterbrechen, eine Erklärung anzuhören und danach eine dringliche Anfrage zum selben Thema abzuhandeln.

Der Herr Landeshauptmann wird selbstverständlich die Möglichkeit haben, um 13 Uhr seine Erklärung abzugeben. Sie wird im Umfeld einer Debatte über Temelin sehr große Bedeutung für dieses Haus haben. (Beifall bei der SPÖ.)

10.14

Präsident Johann Payer: Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Mein Vorschlag wäre gewesen, die Anfragen gleich anschließend zu behandeln, um unnötige Zeitverzögerungen hintanzuhalten.

Ich unterbreche die Sitzung zur Abhaltung einer Präsidiale.

(Die Sitzung wird um 10.14 Uhr unterbrochen und um 11.07 Uhr wieder aufgenommen. )

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird (111 und 288/NR sowie 6217/BR der Beilagen)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2000 – UrhG-Nov 2000) (210/A und 290/NR sowie 6218/BR der Beilagen)


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3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich nach Artikel 25 Absatz 1 des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, betreffend die Erneuerung des Vorbehalts nach Artikel 10 Absatz 2 des Übereinkommens (274 und 292/NR sowie 6219/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 bis 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2000), sowie

eine Erklärung der Republik Österreich nach Artikel 25 Absatz 1 des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, betreffend die Erneuerung des Vorbehalts nach Artikel 10 Absatz 2 des Übereinkommens.

Die Berichterstattung über die Punkte 1 bis 3 hat Herr Bundesrat Christoph Hagen übernommen. Ich bitte ihn um die Berichterstattung.

Berichterstatter Christoph Hagen: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird.

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, dass Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten in keinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis und derzeit nicht vom Bundes-Gleichbehandlungsgesetz erfasst werden. Sie fallen aber auch nicht unter den Anwendungsbereich des für die Privatwirtschaft geltenden Gleichbehandlungsgesetzes. Damit sind Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten gegen Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts und gegen sexuelle Belästigung nicht geschützt.

Ziel des gegenständlichen Beschlusses ist daher die Änderung des Rechtspraktikantengesetzes mit Regelungen über die Gleichbehandlung und den Schutz vor Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes analog dem 6. Teil "Sonderbestimmungen für Angehörige von Universitäten und Universitäten der Künste" im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz. Weiters wird zum Ausdruck gebracht, dass personenbezogene Ausdrücke sowohl Männer als auch Frauen umfassen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Oktober 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2000).

Der gegenständliche Gesetzesbeschluss beruht auf einem von den Abgeordneten Mag. Dr. Theresia Fekter, Dr. Michael Krüger und Genossen am 5. Juli 2000 im Nationalrat eingebrachten Initiativantrag (210/A), der wie folgt begründet wird:

"1. Das Regierungsprogramm für die laufende Legislaturperiode sieht die Abschaffung der Aufstellungsvergütung nach § 16b UrhG vor. Der Initiativantrag dient der Verwirklichung dieses Ziels durch die Aufhebung des § 16b UrhG (Z 2 des Entwurfs).

Die Regelung des § 16b UrhG gilt über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich, nämlich Werke der bildenden Künste, hinaus auch für "einfache" Lichtbilder, also solche, die nicht als Werke im Sinne des § 1 UrhG qualifiziert sind; rechtstechnisch wurde dies dadurch erreicht, dass § 74


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Abs. 7 die sinngemäße Geltung des § 16b vorsieht. Konsequenterweise wird auch diese Regelung beseitigt, und zwar durch Streichung des gegenständlichen Zitats im § 74 Abs. 7 (Z 3).

Ebenso muss im § 16 Abs. 3 die obsolet gewordene Bezugnahme auf § 16b beseitigt werden (Z 1)." (Ruf bei der SPÖ: Langsamer lesen!)

"2. Der Entwurf enthält keine In-Kraft-Tretensbestimmungen. Dies hat zur Folge, dass die Novelle zum frühestmöglichen Zeitpunkt, nämlich mit der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten wird.

3. Der Entwurf enthält auch keine Übergangsbestimmungen. Dies hat zur Folge, dass Vergütungsansprüche, die im zeitlichen Anwendungsbereich des § 16b entstanden sind, auch nach der Aufhebung des § 16b geltend gemacht werden können."

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Oktober 2000 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe schlussendlich noch den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich nach Artikel 25 Absatz 1 des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, betreffend die Erneuerung des Vorbehalts nach Artikel 10 Absatz 2 des Übereinkommens.

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, dass anlässlich der Ratifikation des Übereinkommens Österreich sich nach Artikel 25 Absatz 1 des Übereinkommens das Recht vorbehalten hat, nicht nach Artikel 10 Absatz 2 des Übereinkommens das Erlöschen aller Pflichten, die das Kind gegenüber seinem Vater und seiner Mutter in unterhaltsrechtlicher und erbrechtlicher Beziehung hat, vorzuschreiben. Der Vorbehalt ist nur fünf Jahre lang wirksam und kann für jeweils weitere fünf Jahre erneuert werden.

Ziel des gegenständlichen Gesetzesbeschlusses ist daher die Erneuerung des von Österreich seinerzeit erklärten Vorbehalts.

Der zu erneuernde Vorbehalt ist nicht verfassungsändernd und bedarf nicht einer Beschlussfassung nach Artikel 50 Abs. 2 B-VG. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Absatz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Oktober 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher das Wort. – Bitte.

11.15

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Einige kurze Anmerkungen zum Urheberrechtsgesetz, und zwar, wie ich betonen darf, völlig aus freien Stücken, ohne Wunsch irgendeines Klubsekretärs – wobei ich mir auch die Anmerkung erlaube, dass ein ehemaliger Klubsekretär heute sogar Bundeskanzler ist. (Bundesrat Mag. Himmer: Nicht alle!) – Nicht alle, aber doch ein wesentlicher, wie ich meine – auf Grund Ihrer Fraktion, nicht? (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Urheberrechtsgesetz-Novelle sieht eine Streichung des § 16b vor. Das bedeutet das Fallen der Ausstellungsvergütung für die Werke der bildenden Kunst. Durch diese Ausstellungsvergütung wurden bildende Künstler an einer Verwertung ihres Werkes beteiligt, die typischerweise durch den Verkaufspreis nicht abgegolten ist.


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Damit wurde auch der im § 16 Abs. 3 normierte Erschöpfungsgrundsatz eingeschränkt, und wie der OGH zutreffend in seinem Entscheid vom 23. 11. 1999 ausführt, werden Werke der bildenden Kunst außer von Museen regelmäßig eben nicht erworben, um sie gegen Entgelt auszustellen. Die Ausstellungsvergütung sollte daher den bildenden Künstlern einen fairen Anteil an der Verwertung ihrer Werke verschaffen, wenn ein anderer ihre Werke in einer Ausstellung zur Schau stellt und daraus einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt. Wobei aus der Definition an und für sich klar ist, dass dieser wirtschaftliche Vorteil nicht immer direkter und unmittelbarer Natur sein muss – so verwunderlich war also der OGH-Entscheid nicht.

Trotzdem hat der Gesetzgeber 1996, als er diese Regelung eingeführt hat – im Übrigen nach 31 Monaten Diskussion, also durchaus nach reiflicher Überlegung –, eine Interessenabwägung getroffen, die dem Künstler letztlich eine materielle Abgeltung, aber kein Ausschließungsrecht zugestand. Im Übrigen wurde auch das Folgerecht nicht beschlossen.

Der OGH führt diesbezüglich aus: Der Künstler hat ein berechtigtes Interesse daran, über die Verwertung seines Werkes zu bestimmen und sie abgegolten zu erhalten. – Dieses berechtigte Interesse wird unserer Meinung nach durch den ersatzlosen Wegfall des § 16b schlicht negiert.

Die Unhaltbarkeit – unserer Meinung nach – dieser Vorgangsweise wird untermauert, wenn man den OGH-Entscheid weiterliest. Dort heißt es nämlich unter anderem: "Dass dem Interesse des Werkbesitzers und der kunstinteressierten Öffentlichkeit ein Vorrang vor dem Interesse des Künstlers zuerkannt wird, kann aber nicht dazu führen, den Anspruch des Künstlers auf eine Ausstellungsvergütung zu beseitigen." – Genau diese wird aber jetzt beseitigt.

Das Argument, das hier vorgeschoben wird, man wolle durch den Wegfall der gegenständlichen Bestimmung ideelle Ausstellungen schützen, junge Künstler schützen, geht, so glaube ich, im Lichte des vorher Gesagten ins Leere, und die kleine Einfügung des Wortes "gewerbsmäßig" statt der Wendung "zu Erwerbszwecken entgeltlich" hätte die Problematik weitestgehend entschärfen können – dies umso mehr, als auch der OGH in seinem Urteil – zugegebenermaßen dezent, aber doch mehrfach – diesen Weg andeutet.

Immerhin ist im Gegensatz zur angefochtenen Bestimmung die Definition der Gewerbsmäßigkeit wohl unzweideutig, und wir hätten uns die rechtswissenschaftliche Diskussion, so spannend sie auch war, mit Walter auf der einen Seite, Dittrich auf der anderen Seite und Gamerith eigentlich ersparen können.

Es mag schon zutreffen – dieses Argument stimmt sicherlich –, dass auch Künstler an der Verwertungsgesellschaft Kritik geübt haben, man sollte aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, weil mit der vorliegenden Novelle den Künstlern mit Sicherheit kein Dienst erwiesen wird. Es wird ihnen nicht geholfen, auch wenn das noch so oft betont wird – ganz im Gegenteil.

Die internationalen wie auch nationalen Erfahrungen im Ausstellungsbereich zeigen uns, dass von Seiten des Publikums ein großes Interesse, ein großes Bedürfnis an zeitgenössischer Kunst besteht und dass daher auch im Falle der Beibehaltung der Ausstellungsvergütung ein Austrocknen dieser Szene für die jungen Künstler in keiner Weise zu befürchten gewesen wäre. Alles, was mit dem Fallen des § 16b erzielt wird, ist ein Sinken des Einkommens der betroffenen Künstler. Wenn man das will, dann soll man das auch sagen und keine anderen Argumente vorschieben. Es sollte auch den bildenden Künstlern "reiner Wein eingeschenkt" werden, wie es Rechnungshofpräsident Fiedler vor kurzem so treffend formuliert hat.

Befremdend ist außerdem, dass, wenn schon keine Begutachtung stattgefunden hat – das sind wir mittlerweile schon gewohnt –, offensichtlich auch keine Interessenabwägung erfolgt ist, obgleich dies auch in einem Brief von Bundeskanzler Schüssel vom 16. August dieses Jahres zugesagt wurde, in dem es unter anderem heißt – ich zitiere (Zwischenruf des Bundesrates Schöls ) er war ja Klubsekretär, nicht? –: "Es wird auch zu berücksichtigen sein, dass die Verwertungsgesellschaft bereits mit verschiedenen Nutzern wie dem Kunstforum der Bank Austria oder dem Jüdischen Museum in Wien entsprechende Abgeltungsvereinbarungen abgeschlossen hat."


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Es mutet daher in der Tat zynisch an, das Fallen der Ausstellungsvergütung damit begründen zu wollen, sie würde junge bildende Künstler behindern. Es freut sich sicherlich kein Galerist, wenn er zusätzliche Abgaben zu leisten hat, aber wenn man mit den Galeristen redet, stellt man fest, es wird auch von diesen bestätigt, dass die ehemalige Ausstellungsvergütung kein Grund war, Ausstellungen zeitgenössischer Künstler zu vernachlässigen, was auf Grund der hohen Publikumsakzeptanz auch gar nicht möglich gewesen wäre.

Ich hoffe daher, dass doch noch ein Umdenkprozess stattfindet, dass wir zu irgendeiner Regelung kommen, die im Urheberrechtsgesetz den bildenden Künstlern einen fairen Anteil an der Verwertung ihrer Werke zukommen lässt, auch wenn es sich bei diesen bildenden Künstlern vielleicht um kritische Geister handeln sollte. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.21

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile ihm das Wort.

11.21

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Über die drei vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates ist bereits berichtet worden. In Punkt 1 betreffend Rechtspraktikantengesetz wird durch diese Novelle auch für Rechtspraktikanten, die weder vom Bundes-Gleichbehandlungsgesetz noch von dem für die Privatwirtschaft geltenden Gleichbehandlungsgesetz erfasst sind, eine Regelung zum Schutz gegen Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und gegen sexuelle Belästigung geschaffen. Wir schließen damit eine Gesetzeslücke, weil die Rechtspraktikanten in der geltenden Rechtslage nicht dem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz unterstellt waren; das betrifft die Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und auch die sexuelle Belästigung.

Was Punkt 2, das Urheberrecht, anlangt, dem sich Kollege Hoscher besonders zugewandt hat, ist es so, dass die Diskussion, ob und inwieweit ein Vergütungsanspruch aus dem Ausstellungsrecht besteht, auch durch den zitierten OGH-Entscheid beendet wurde, in dem verkürzt steht, dass eine solche Vergütung dann zusteht, wenn die Ausstellung gewinnorientiert angelegt ist.

Bereits in der letzten Gesetzgebungsperiode wurde diese Diskussion geführt, ob im Hinblick auf eine Teilrechtsfähigkeit der Bundesmuseen ein Vergütungsanspruch auch möglicherweise gegen diese besteht. Durch die Beschlussfassung des vorliegenden Antrags soll das Ausstellungsrecht, das nicht EU-rechtlich bedingt ist, wieder abgeschafft werden.

Es wurde von Kollegen Hoscher ausgeführt, dass wir damals, als wir diese Gesetzesmaterie beschlossen haben, 1996 – nicht alle von uns, aber ein paar von uns werden schon dabei gewesen sein – mit Protesten von namhaften Personen wie Professor Rainer konfrontiert gewesen sind, die damals eine Beeinträchtigung der Ausstellung der bildenden Künste darin gesehen haben.

Wir ändern heute diese gesetzliche Ausgangslage aus mehreren Gründen ab. Kollege Hoscher hat die internationalen Erfahrungen zitiert, ich greife diesen Punkt gerne auf: Erstens ist dieses Gesetz in Europa einzigartig. Zumindest kann man die internationalen Erfahrungen auf ein derartiges Gesetz auch beziehen. Zweitens belasten wir damit Museen, Galeristen und Institutionen, die auch von Sponsoren und Subventionen leben, mit Abgaben. Wir wollen natürlich auch die lebenden modernen Künstler in ihren Ausstellungstätigkeiten nicht behindern und Belastungen für Galeristen damit hintanstellen.

Der dritte Punkt der zu beratenden Gesetzesmaterien betrifft keinen Gesetzesbeschluss, sondern eine Erklärung der Republik Österreich betreffend Vorbehalt nach Artikel 10 Absatz 2 des Übereinkommens über die Adoption von Kindern. Würden wir nicht handeln, könnten wir diesen Vorbehalt nicht verlängern. Ich glaube, er verfällt immer nach fünf Jahren. Dabei geht es um das Weiterbestehen familienrechtlicher Beziehungen des Adoptivkindes zu seinen leiblichen Eltern. Das Übereinkommen sieht in Artikel 10 Absatz 2 das Erlöschen aller Pflichten in unterhalts- und erbrechtlicher Beziehung vor. Diese Bestimmungen stehen mit der österreichischen Rechts


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ordnung, mit unserem ABGB nicht im Einklang, da das gesetzliche Erbrecht zwischen dem Adoptivkind und seinen leiblichen Eltern erlöschen würde. Das regelt bei uns das ABGB anders. Daher verlängern wir diesen Vorbehalt mit der heutigen Beschlussfassung, der meine Fraktion zustimmen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.27

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Bundesrat Dr. Robert Aspöck. Ich erteile ihm das Wort.

11.27

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Tagesordnungspunkte 1, 2 und 3 unserer heutigen Tagesordnung bergen nicht wirklichen Sprengstoff, obwohl vielleicht manch divergierende Auffassung vorhanden ist. Im Großen und Ganzen kann ich mich daher kurz fassen.

Bei Tagesordnungspunkt 1 handelt es sich nur um die Reparatur eines der vielen Versehen einer früheren, natürlich sozialdemokratisch dominierten Regierung, die heute zum Glück nur mehr der Vergangenheit angehört. Ich weiß schon, dass der Entschließungsantrag des Nationalrates vom 18. Juni 1999 stammt. Ich frage mich aber, wie eine solche Lücke einer so genannten Frauenministerin so lange entgehen konnte.

Zu Tagesordnungspunkt 3 möchte ich nur so viel sagen, dass wir Freiheitlichen natürlich auch hier zustimmen, im Übrigen aber möchte ich den Ausführungen meines Freundes und Fraktionskollegen Franz Koller nicht vorgreifen.

Ein wenig Konfrontation – wobei der Widerspruch in dieser Frage sicher nicht zur Staatskrise, ganz sicher auch nicht zur abermaligen Ankündigung einer brennenden Republik führen wird, aber doch immerhin zu einer kleinen Konfrontation – sehe ich in Punkt zwei der Tagesordnung, bei dem es um die Abschaffung der so genannten Ausstellungsvergütung geht. Wir Freiheitlichen und unser Koalitionspartner ÖVP sehen diese Aufhebung als kunst- und kulturfreundlich an. Die Sozialdemokraten sehen sie als kulturfeindlich an.

Die versammelte Schar der Museumsdirektoren hat klargelegt, dass die Aufhebung jungen Künstlern nicht schadet, sondern hilft, zumal die Werke jener Künstler, die schon seit 70 Jahren tot sind, nicht von der derzeitigen Ausstellungsvergütung betroffen sind, sondern nur die jüngeren Werke unserer Zeit.

Wenn Herr Kollege Hoscher zitiert hat, dass die Künstler ein Interesse am Einkommen aus ihren Werken haben, dann muss ich sagen, die Künstler müssen auch ein Interesse am Ausstellen ihrer Werke haben, und das ist eben die unterschiedliche Denkweise. Dass die Verwertungsgesellschaft natürlich nicht gegen ihr eigenes Geschäft votiert, versteht sich von selbst.

Ich halte die verschiedenen Haltungen der Parteien FPÖ und ÖVP einerseits und der SPÖ andererseits geradezu für symptomatisch. Einerseits besteht der Glaube an eine auch wirtschaftliche Entwicklung aus eigener Kraft der Dinge: Stellt Werke junger Künstler aus; ihre Chancen auf einen besseren und größeren Markt werden damit wachsen! – Das ist die eine Position. Andererseits gibt es tiefen Pessimismus über solche, den Sozialdemokraten anscheinend noch nicht so vertrauten Mechanismen. Wenn wir nicht gleich fürs Ausstellen zwangsweise abkassieren – übersehen wird, dass das Ausstellen dann meist verhindert wird –, dann kann dieser Kunstbetrieb nicht funktionieren. (Bundesrat Meier: Völlig unrichtig! Ganz unrichtig! Sie wollen ja gar nicht, dass alle Künstler ausstellen! – Bundesrätin Kainz: Das ist eine Sache der Interpretation!)

Meine Damen und Herren! Da ist wieder einmal der Weg der Sozialdemokratie zurück zu den Wurzeln deutlich sichtbar. Das heißt auf Deutsch: alles am besten so, wie wir es in den letzten 50 Jahren gemacht haben.


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Manche – sicherlich nicht alle, ich habe schon andere Meinungen gehört, aber manche – glauben vielleicht auch daran und meinen, mit dieser Politik ein Licht am Tunnelende des finsteren Oppositionstunnels zu sehen. (Bundesrätin Kainz: So finster ist er gar nicht!) Sie täuschen sich aber. Was Sie sehen, sind die Lichter des blau-schwarzen Zuges, der genau in die entgegengesetzte Richtung fährt – in die Richtung für ein besseres, moderner denkendes Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Er fährt immer entgegengesetzt! – Bundesrätin Schicker: Niemand von der ÖVP applaudiert! Interessant!)

11.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Franz Koller. Ich erteile ihm das Wort.

11.33

Bundesrat Franz Koller (Freiheitliche, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich werde zu Punkt 3 der Tagesordnung Stellung nehmen.

Das Europäische Übereinkommen über die Adoption von Kindern, das im Rahmen des Europarates ausgearbeitet worden ist, ist von Österreich am 28. Mai 1980 ratifiziert worden und für Österreich am 29. August 1980 in Kraft getreten. Anlässlich der Ratifikation hat Österreich von der Vorbehaltsmöglichkeit nach Artikel 25 Abs. 1 Gebrauch gemacht und zwei Vorbehalte erklärt.

Erstens: Österreich hat sich das Recht vorbehalten, nicht nach Artikel 5 Abs. 4 des Übereinkommens vorzuschreiben, dass die Zustimmung der Mutter zur Adoption ihres Kindes erst nach Ablauf einer Mindestfrist nach der Geburt oder erst in dem Augenblick, in dem sich die Mutter nach Ansicht der zuständigen Behörden von den Folgen der Niederkunft hinreichend erholt hat, entgegengenommen werden darf. Zweitens hat sich Österreich das Recht vorbehalten, nicht nach Artikel 10 Abs. 2 des Übereinkommens das Erlöschen aller Pflichten, die das Kind gegenüber seinem Vater und seiner Mutter in unterhaltsrechtlicher und erbrechtlicher Beziehung hat, vorzuschreiben.

Die Vorbehalte sind nach Artikel 25 Abs. 2 des Übereinkommens nur fünf Jahre lang wirksam. Eine Erneuerung des Vorbehalts zum Artikel 5 Abs. 4 des Übereinkommens ist im Jahre 1986 für nicht erforderlich gehalten worden. Dagegen wurde der Vorbehalt nach Artikel 10 Abs. 2 verlängert. In den Jahren 1990 und 1995 wurde der Vorbehalt erneuert. Ohne abermalige Erneuerung würde der Vorbehalt Österreichs außer Kraft treten. Es ist deshalb erforderlich, weil diese Bestimmung mit der österreichischen Rechtsordnung nach wie vor nicht im Einklang steht, zumal im österreichischen Recht das gesetzliche Erbrecht zwischen dem Adoptivkind und seinen leiblichen Eltern durch die Adoption nicht erlischt.

Meine Fraktion wird gegen die Vorlage keinen Einspruch erheben. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.35

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2000).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich nach Artikel 25 Absatz 1 des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, betreffend die Erneuerung des Vorbehalts nach Artikel 10 Absatz 2 des Übereinkommens.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden (Strafprozessnovelle 2000) (209/A und 289/NR sowie 6216 und 6220/BR der Beilagen)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen (64 und 291/NR sowie 6221/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden (Strafprozessnovelle 2000), und

ein Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen.

Die Berichterstattung über die Punkte 4 und 5 hat wiederum Herr Bundesrat Christoph Hagen übernommen. Ich bitte ihn um die Berichterstattung.

Berichterstatter Christoph Hagen: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden (Strafprozessnovelle 2000).


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Der gegenständliche Gesetzesbeschluss beruht auf einem von den Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Harald Ofner und Kollegen am 5. Juli 2000 im Nationalrat eingebrachten Initiativantrag, der im Wesentlichen folgende Schwerpunkte aufweist:

Keine Ausnahme von der Anzeigepflicht der Leiter von Behörden und öffentlichen Dienststellen, wenn die Anzeige zum Schutz des Verletzten oder anderer Personen vor weiterer Gefährdung erforderlich ist

Festlegung von Reichweite und Umfang der Durchbrechung des Bankgeheimnisses nach § 38 Abs. 2 Z 1 BWG durch ausdrückliche Anordnung eines richterlichen Beschlusses

Einführung der Möglichkeit einer Verlängerung für die Fristen zur Rechtsmittelausführung und Gegenausführung in Extremfällen sowie Vereinheitlichung der Rechtsmittelfristen durch Anordnung einer vierwöchigen Frist für Gegenausführungen auch im bezirksgerichtlichen Verfahren (Ruf bei der SPÖ: Brille!) – Eine Brille wäre nicht schlecht!

Regelung der amtswegigen Vorführung des verhafteten Angeklagten zum Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Berufung

Zustellung des "Croquis" der Oberstaatsanwaltschaft zur Äußerung auch im Verfahren auf Grund eines Rechtsbehelfs

Verstärkte Berücksichtigung von Opferinteressen im Rahmen der Beurteilung der Notwendigkeit einer Anzeige durch öffentliche Dienststellen

Festlegung von Reichweite und Umfang der Durchbrechung des Bankgeheimnisses

Einführung der Möglichkeit einer Verlängerung für die Fristen zur Rechtsmittelausführung und Gegenausführung in Extremfällen

Regelung der amtswegigen Vorführung des verhafteten Angeklagten zum Gerichtstag, zur öffentlichen Verhandlung über die Berufung

Veröffentlichung des Edikts im so genannten Bedenklichkeitsverfahren in der elektronischen Ediktsdatei

Verständigung des Freigesprochenen, wenn der Freispruch wegen Rückziehung eines durch die Staatsanwaltschaft angemeldeten Rechtsmittels rechtskräftig wird

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Oktober 2000 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben. (Bundesrat Gasteiger: Herr Kollege! Buchstabieren wäre noch möglich! Dann wäre es noch langsamer!) – Tut mir Leid, ich habe meine Brille nicht da!

Ich bringe weiters den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen.

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, dass es im Hinblick auf die Zunahme des internationalen Reiseverkehrs und die damit verbundene Vermehrung der bilateralen Kontakte zwischen Österreich und Kuba auf strafrechtlichem Gebiet notwendig ist, ein Abkommen über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen abzuschließen.

Da nach kubanischem Recht – im Gegensatz zu österreichischem Recht – eine Übertragung der Vollziehung strafgerichtlicher Entscheidungen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit nicht in Betracht kommt, wird durch diesen Vertrag in Kuba verurteilten Personen die Möglichkeit eingeräumt, die über sie verhängten Freiheitsstrafen in ihrem Heimatland zu verbüßen. Die Verbüßung einer Haftstrafe in Österreich bedeutet für den Verurteilten nicht nur eine Erleichterung, sondern fördert auch seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft.


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Der gegenständliche Vertrag enthält keine verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Abkommens die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Oktober 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher das Wort. – Bitte.

11.45

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! In aller Kürze, damit für meine Kollegen mehr Zeit bleibt: Ich glaube – zumindest hoffe ich es –, dass sich dem § 84 Strafprozessordnung niemand leichtfertig nähert. Was zunächst wieder befremdet, ist die formale Vorgangsweise um diese Novelle. Da wird zunächst ein Gesetzentwurf in Begutachtung geschickt – etwas, was in letzter Zeit eigentlich ungewöhnlich ist –, dann langen Stellungnahmen dazu ein – etwas, das nicht so ungewöhnlich ist –, dann kommt dieser Antrag allerdings nicht in den Ausschuss, sondern wird durch einen Initiativantrag ersetzt. Aber auch dieser wird dann nicht im Ausschuss beschlossen, auch nicht in einem kleinen Abänderungsantrag, sondern – wie es der Ausschussbericht so schön zitiert – durch einen gesamtändernden Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen ersetzt. Also: Begutachtung, Stellungnahmen, Initiativantrag, gesamtändernder Abänderungsantrag.

Auf der anderen Seite gibt es ebenfalls einen sehr fundierten Abänderungsantrag der Rechtsanwaltskammer – das haben alle Experten, im Übrigen auch alle politischen Fraktionen bestätigt –, aber er wird nicht beschlossen. Er soll, die Fristen der StPO betreffend, zuerst in Begutachtung gehen. Ich glaube, dass man es bei einer derartigen Vorgangsweise wohl niemandem übelnehmen kann, wenn er den Eindruck gewinnt, dass eine gewisse mangelnde Koordinierung innerhalb der Regierung besteht.

Aber zurück zu § 84 Abs. 2a Strafprozessordnung. Wir haben mit Sicherheit ein sehr sensibles, sehr ernstes Thema vor uns, das eine sorgfältige Interessenabwägung notwendig macht, die, so glaube ich, mit der StPO-Novelle 1993 durchaus erfolgt ist, der auch eine lange Begutachtung voraus gegangen ist, und in der die gegenständliche Ausnahme von der generellen Anzeigepflicht normiert wurde.

Es wurde damals ein durchaus sinnvoller Ausgleich zwischen den Interessen des Opferschutzes, der effektiven Opferhilfe, und auch der Strafverfolgung getroffen. Jetzt ist schon klar, dass nichts für ewig festgeschrieben sein muss und dass es selbstverständlich legitim ist, über bestehende Regelungen zu diskutieren, sie zu ändern, sie in Frage zu stellen. Das Problem, das ich im vorliegenden Fall sehe, ist aber jenes, dass die Evaluierung dieser gegenständlichen Bestimmungen in der Praxis durchaus gezeigt hat, dass diese Bestimmung sinnhaft ist, dass sie sich bewährt hat.

Es gibt dazu auch Statistiken und Studien, dass seit der Einschränkung der Anzeigepflicht kein Sinken der Anzeigen etwa wegen sexuellen Missbrauchs oder Kindesmissbrauchs zu verzeichnen war, sondern – im Gegenteil – ein Anstieg. Gleichzeitig gab es aber auch eine zunehmende Sensibilisierung der betroffenen Stellen. Es gibt, wie gesagt, auch wissenschaftliche Studien, die eine deutliche Korrelation zwischen diesen beiden Parametern festgestellt haben.


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Ich glaube, dass es zwischen allen Fraktionen unumstritten sein muss, dass im Vordergrund in erster Linie der Schutz der Opfer zu stehen hat – eine sorgsame, effiziente Betreuung der Opfer – und erst in zweiter Linie die Frage der Strafverfolgung aufgeworfen werden sollte.

Es ist für uns daher nicht einzusehen, dass eine bestehende Regelung, die sich nach allen Expertenmeinungen bewährt hat, aufgehoben werden soll, dass von ihr abgewichen werden soll, und zwar egal in welchem Ausmaß. Es drängt sich hier doch der Gedanke auf, dass eher plakative, emotional besetzte politische Motive im Vordergrund stehen und mehr zählen als jene Umsicht und Besonnenheit, von der im Ausschuss noch die Rede war.

Ich glaube, dass die in den argumentativen Vordergrund gerückte Hilfestellung bereits mit der StPO-Novelle 1993 erzielt wurde, dass nunmehr aber manchem eine bequeme Möglichkeit eröffnet werden könnte, diese in den letzten Jahren erhöhte Sensibilisierung wieder etwas fallen zu lassen.

Wenn sich also alle Fachleute, Jugendämter, Bewährungshilfe, Jugendgerichtshilfe und so weiter einig sind, dass die bisherige Regelung unverändert bestehen bleiben sollte und sich bewährt hat, so ist jedes Abweichen von dieser Regelung mit einem Experiment verbunden.

Meine Fraktion ist nach sorgfältiger Abwägung der verschiedenen Standpunkte der Überzeugung, dass es sich hier um ein Thema handelt, das von Experimenten verschont bleiben sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

11.49

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Böhmdorfer das Wort. – Bitte.

11.49

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte auf das, was hier gesagt wurde, bewusst sofort eingehen, und ich werde mich später zu der Frage der Fristenregelungen, zu der StPO überhaupt noch einmal melden. Ich habe das zumindest vor, weil ich glaube, dass dieses Gesetz so wichtig ist, dass man es auch im Bundesrat schwerpunktartig in Teilstücken vorstellen soll.

Es ist mir ganz wichtig, dass Sie großes Verständnis für dieses gigantische Reformvorhaben haben, nämlich die Vorverfahrens-Novelle in der StPO, weil uns dieses Gesetz schon seit Jahrzehnten beschäftigt und der Reformbedarf so dringend ist, dass sogar während laufender Erneuerung des Vorverfahrens Teilabschnitte neuerlich zwischendurch novelliert werden.

Das bezieht sich im Prinzip auch auf den § 84 StPO, wobei dieser Versuch, das Beste zu machen, meines Erachtens zu Unrecht in Misskredit gebracht wird. Denn worum geht es eigentlich? – Wir haben in der Strafprozessordnung das Prinzip, dass Beamte im weitesten Sinn, also Behörden, die einen Sachverhalt zur Kenntnis bekommen, der ein strafbares Verhalten beinhaltet, dies anzeigen müssen. Diese Regelung haben wir bis 1993, wie richtig genannt wurde, gehabt.

Das war manchmal viel verlangt und breit angelegt, aber es entsprach sicherlich im Grundsatz der Überlegung, dass Beamte und Behörden eine besondere Verantwortung gegenüber dem Staat haben und dass, wenn sie Sachverhalte zur Kenntnis bekommen, die strafbare Delikte beinhalten, dies auch jenen Stellen bekannt machen sollen, die zur Wahrnehmung des staatlichen Strafanspruches berufen sind. Und das sind nun einmal die Staatsanwaltschaften.

Nun gebe ich zu, dass es Sinn gemacht hat, 1993 diese Position zu überdenken und in besonders sensiblen Bereichen die Anzeigepflicht – das Schlagwort ist richtig – zurückzunehmen. Was war der Grund? – Man wollte jenen Bereichen, in denen man durch eine Anzeige unter Umständen mehr Schaden als Nutzen anrichtet, einen Spielraum schaffen und nicht gleichförmig und unsensibel Strafverfahren erzeugen, die letztlich dem Rechtsstaat und den Grundlagen des Rechtsstaates – dazu gehören auch die Familien – nicht gut tun.


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Nunmehr sind wieder sieben Jahre vergangen. In diesen sieben Jahren sind wieder neue Überlegungen aufgetreten, nämlich dass als Ergebnis eines Verzichtes auf eine Anzeigenerstattung wiederum Nachteile geschaffen werden, indem ein Strafanspruch des Staates nicht realisiert wird. Wer ist dadurch begünstigt? – Der Täter. Wenn ich jetzt einen Täter bewusst oder unbewusst, oder weil ich einer groben, gedanklichen Richtung folge, begünstige, muss irgendjemand einen Vorteil davon haben. Das ist einmal eine ganz primitive, grundsätzliche Erwägung. Ich frage, wo der Vorteil ist.

Wenn ich unterstelle, dass in einer Familie oder in einem Verband, der einer Familie ähnlich ist, Übergriffe zum Beispiel sexueller Natur stattfinden und die Jugendwohlfahrtsbehörde, oder wer auch immer davon erfährt, entscheiden muss, ob der Täter verfolgt wird oder nicht, dann wandert der staatliche Strafanspruch von der Staatsanwaltschaft zu einer Jugendwohlfahrtsbehörde. Was kann passieren? – Dass in diesem Fall ein Beamter oder wer auch immer, in der Jugendwohlfahrtsbehörde ein Schulleiter oder andere, die in Frage kommen, eine Anzeige nicht erstatten. Dann ist vielleicht die äußere scheinbare Harmonie in einer Familie oder in einem familienähnlichen Verband hergestellt, aber die Übergriffe finden eine Fortsetzung.

Ich frage jetzt, wer das verantworten kann. Der Staatsanwalt kann es nicht verantworten, weil er den Sachverhalt nicht erfährt. Ich frage mich: Kann es die Jugendwohlfahrtsbehörde verantworten? – Ich frage mich: Können es die anderen Stellen, die Schulleiter verantworten, wenn diese Entwicklung, nämlich das Unterbleiben von Strafverfahren, stattfindet? – Darauf hat mein Vorredner keine Antwort gegeben. Und ich habe mich jetzt sofort gemeldet, weil ich glaube, dass diese Fragen auch ganz konkret beantwortet werden müssen, wenn man diese rechtspolitisch hochsensible Forderung aufstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Was ist das Ziel dieser neuerlichen Novellierung? – Dass dann, wenn es zum Schutze des Verletzten oder anderer Personen vor weiterer Gefährdung erforderlich ist, doch eine Anzeige zu erstatten ist. Warum soll sie zu erstatten sein? – Weil eben die Nichterstattung einen Verletzten noch mehr schädigt oder auch Dritte schädigt. Auch diese Frage muss man, wenn man sich mit diesem Thema beschäftigt, wirklich klar und deutlich beantworten. Man darf in der Argumentation nicht auf halbem Wege stehen bleiben, das halte ich für ganz wichtig.

Wir haben eine große Verantwortung: Die Staatsanwaltschaft hat die rechtspolitisch große und staatsrechtlich sehr gewichtige Verantwortung, die Strafansprüche zu realisieren. Man kann nicht wegschauen, wenn die Realisierung des Strafanspruches zu solchen Behörden wegwandert, die ursprünglich nicht dazu berufen sind. Also alle, die an diesem Gesetz manifeste Kritik üben, müssen meines Erachtens auch diese Fragen beantworten.

Ich weise Sie auf eine weitere Konsequenz hin und strapaziere vielleicht die dogmatische Sauberkeit jener, die Juristen sind und auf das Wert legen: Wir haben im Jugendgerichtsbereich den außergerichtlichen Tatausgleich entwickelt. Der Gedanke, der dem außergerichtlichen Tatausgleich zu Grunde liegt, lautet: Ein entstandener Strafanspruch wird für bestimmte Leistungen wegverhandelt. – Dieser Gedanke, Gegenleistungen des Täters, der in der Diversion fortgesetzt wurde, wurde noch ausgeweitet und ist seit 1. 1. 2000 in Österreich Rechtsbestand. Wir stehen auf dem Boden dieses Rechtsbestandes und wollen überhaupt nicht, dass die Diversion dem Grundsatze nach bekämpft wird, sondern wir wollen nur, dass die Diversion nicht endlos ausufert – das, so glaube ich, wollen wir alle –, weil es nicht sein kann, dass staatliche Strafansprüche unkontrolliert in irgendeiner Form wegverhandelt werden und vielleicht dadurch Dimensionen erreicht werden, die jeden Strafanspruch des Staates zunichte machen.

Nun führe ich zu dem heutigen Thema § 84 StPO zurück. Es ist zweifellos so, wenn in einer Familie ein sexueller Übergriff passiert, dass ein staatlicher Strafanspruch entstanden ist. Wir wollen nicht, dass sexuelle Übergriffe, aus denen ein staatlicher Strafanspruch entstanden ist, durch die Diversion wegverhandelt werden. Ich glaube nicht, dass eine Stimme erhoben wird, dass Sexualdelikte diversionell wegverhandelt werden.


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Wenn wir aber dem Umstand das Wort reden, dass diese Strafansprüche in die Hände von Schulleitern oder der Jugendwohlfahrtsbehörde gelegt werden und es dann nicht zu einem staatlichen Strafanspruch, nämlich einer Prüfung durch die StA, kommt, dann ist im Ergebnis – nennen Sie mir ein Argument dagegen! – mehr erreicht, als wir durch die Diversion erreichen wollen. Wir überschreiten das, was wir nicht einmal durch die Diversion behandeln wollen, dadurch, dass andere, die gar nicht berufen sind, den Strafanspruch zu realisieren, ihn einmal in Händen halten und nicht realisieren.

Das müssen diejenigen sagen, die gegen diese Regelung sind. Wir wollen zwar nicht, dass Straftatbestände im Sexualstrafbereich diversionell behandelt werden, aber hier soll auf einmal weitergegangen werden. Diesen Widerspruch in sich müssen Sie bitte auflösen, erst dann kann man sachlich, ordentlich, dogmatisch und richtig weiterdiskutieren. – Vorläufig danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.59

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Milan Linzer das Wort. – Bitte. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

11.59

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es gleich vorwegzunehmen: Meine Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzesbeschluss die Zustimmung erteilen. Ich bin auch grundsätzlich der Meinung, dass wir einen Initiativantrag von verschiedenen Abgeordneten, der aus dem Parlament kommt, immer wieder sorgsam, seriös und sachlich diskutieren sollten – umso mehr, als wir Parlamentarier immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt sind, dass wir uns zu sehr mit den Regierungsvorlagen beschäftigen und die Gesetzwerdung zu sehr von den Ministerien bestimmt wird.

Ich finde es nicht ganz verständlich, wenn sich mein Vorredner Kollege Hoscher hinter einem Scheinargument versteckt und meint: Diese Regelung des § 84 – der Herr Bundesminister hat sie jetzt in einer eindrucksvollen Weise kommentiert – wäre ein Experiment.

Ganz im Gegenteil: Wie der Herr Bundesminister ausgeführt hat, sieht es auch meine Fraktion, dass es sich da um eine Ausführung von Erfahrungswerten handelt. Die Argumentation ist hier im Detail dargelegt worden. Es gilt auch immer wieder der Grundsatz: Man kann nie so alt werden, dass man nicht gescheiter und vernünftiger werden könnte. – Diesen Grundsatz kann man hier, so glaube ich, durchaus anwenden.

Bei einer weiteren besonderen Regelung, nämlich der Durchbrechung des Bankgeheimnisses, leisten wir Hilfestellung bei der Bekämpfung der OK in einem Detailpunkt, nämlich wenn es darum geht, dass eine Maßnahme zur Konteneröffnung sozusagen gesetzlich präzisiert wird. Ähnlich einer Hausdurchsuchung kommt es auf Grund eines richterlichen Beschlusses, wie gesagt, zu einer Konteneröffnung und damit zur Ermöglichung und Hilfestellung im bezüglichen Strafverfahren.

Meine Damen und Herren! Die Novelle auf Grund dieses Initiativantrages ist natürlich nicht der große Wurf einer neuen Strafprozessnovelle. Diese Arbeit liegt noch in den Händen des Ministeriums. Eine Strafprozessnovelle hat natürlich oder soll den Anspruch auf einen womöglich umfassenden, gesamten Regelungsbedarf haben. Das bedarf einer langen Vorbereitung. Wir finden es gut und richtig, wie ich schon erwähnt habe, dass Maßnahmen, die man vorweg und auch wegen der Dringlichkeit beschließen soll, auf Grund dieses Initiativantrages vorgenommen werden. Meine Fraktion wird diesem Gesetzesbeschluss daher gerne die Zustimmung erteilen.

Ich darf noch einen Satz zum Übereinkommen mit Kuba hinzufügen. Wir alle wissen, dass sich in den letzten Jahren der Tourismus in Richtung Kuba wesentlich verstärkt hat. Wir hören von einigen bedauerlichen Fällen, in denen es bei der Vollstreckung von Strafen zu unannehmbaren und unerklärlichen Zuständen gekommen ist. Gott sei es gedankt, wir haben nunmehr neben 50 anderen Rechtshilfeverträgen auch mit Kuba einen so genannten Rechtshilfevertrag in der Strafvollstreckung. Das heißt, wenn jemand straffällig wird, beispielsweise durch einen


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Verkehrsunfall mit schwerwiegenden Folgen, so ist es möglich, dass der betreffende Delinquent seine Strafe in Österreich abbüßen kann. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

12.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Professor Dr. Böhm. – Bitte. (Bundesrat Bieringer: Der Herr Professor darf über alles, nur nicht über eine Stunde reden!)

12.04

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Zu der Strafprozessnovelle 2000 bekennt sich meine Fraktion vorbehaltlos. Ich greife davon nur einige zentrale Punkte heraus.

In Bezug auf die heute schon angesprochene, durch ein Strafverfahren veranlasste Durchbrechung des Bankgeheimnisses betrachten wir es als dem erreichten rechtsstaatlichen Standard angemessen, dass die Öffnung der Bankkonten ebenso wie etwa eine Hausdurchsuchung nur auf Grund eines richterlichen Beschlusses zulässig ist. In der Sache – also als inhaltliche Voraussetzung für eine solche behördlich, gerichtlich verfügte Öffnung der Konten – ist es unabdingbar, dass bereits Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass ein bestimmtes Konto beziehungsweise Kontenbewegungen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem eingeleiteten Strafverfahren stehen. (Bundesrat Konecny: Meinen Sie das AUF-Konto?) – Ich rede auch nicht von der Bank Burgenland. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Da sind wir uns einig!)

Genau dieser Zusammenhang muss in dem betreffenden richterlichen Beschluss konkret dargelegt und ausreichend begründet werden. Auf eine bloße Vermutung hin darf also diese Ermittlungsmethode nicht angewendet werden – das heißt: kein Richten auf Verdacht, keine Konteneröffnung nur auf Spekulation hin. Mit anderen Worten gilt hier unverändert das Verbot des reinen Ausforschungsbeweises oder reinen Erkundungsbeweises als eine traditionelle Verfahrensgarantie. Zudem stellt die neue Regelung sicher, dass vor allem unbeteiligte Dritte vor Eingriffen in ihre Rechte geschützt werden.

Lassen Sie mich nun zu einem weiteren, sehr wesentlichen Teilbereich der vorliegenden Novelle kommen, die bereits im Nationalrat höchst umstritten war. Auch das wurde heute, nicht zuletzt vom Herrn Bundesminister, bereits angesprochen.

Die meines Erachtens durchaus moderate Wiedereinführung der nach meiner Überzeugung zuletzt mit der Strafprozessnovelle 1993 allzu weit zurückgenommenen generellen Anzeigepflicht gemäß § 84 der Strafprozessordnung bei strafbaren Handlungen insbesondere gegen Kinder begrüße ich uneingeschränkt. Dass nämlich die Schonung des Täters die beste Form des gebotenen Opferschutzes und der effektiven Opferhilfe darstelle, vermag ich in keiner Weise einzusehen. Die nach wie vor verlangte Interessenabwägung muss nach meiner Auffassung ganz allgemein und eindeutig zu Lasten des Täters ausfallen.

Demgegenüber könnte man mit der bisher geltenden Begründung, dass die Anzeige unter Umständen eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, die Unterlassung der Anzeige stets rechtfertigen. Bei Ärzten, Lehrern, Bewährungshelfern, der Jugendgerichtshilfe, Jugendwohlfahrtsbehörden und dergleichen bedarf es von vornherein und immer eines solchen Vertrauensverhältnisses, das – so besehen – die Anzeigepflicht jederzeit ausschließen würde.

Erkennt man denn auf Seiten der Opposition nicht, dass doch gerade beim sexuellen Missbrauch von Kindern nahezu niemals die einmalige Entgleisung typisch ist? – Vielmehr ist hiebei die Rückfallsneigung, also Wiederholungstäterschaft, und damit die Wiederholungsgefahr für das Opfer ganz besonders hoch.


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Daher ist es meines Erachtens eher zynisch, die von der SPÖ propagierte Zurückdrängung der Anzeigepflicht mit der vorrangigen Wahrung des Wohles der Kinder zu begründen. Mehr als kühn ist auch die weitere These, dass erst die 1993 verfügte Einschränkung der Anzeigepflicht zu einer Sensibilisierung der mit solchen Fällen konfrontierten Berufskreise geführt habe. Vorher waren Ärzte, Lehrer und Jugendwohlfahrtsbehörden für diese Thematik nicht sensibel? – Das ist eine sehr schwer wiegende Unterstellung!

Zu betonen ist dabei, dass ohnehin die so genannten Helferverbände wie bisher von der Anzeigepflicht in gewisser Weise ausgenommen sind. Es wird bloß für den Fall, dass es im Interesse des Opfers erforderlich ist, dazu aufgefordert, auch tatsächlich Anzeige zu erstatten.

Ich bekenne mich auch dazu, gegen jede – auch das ist heute schon angesprochen worden – Aufweichung des Legalitätsprinzips und damit zugleich gegen die schleichende Aushöhlung der Strafdrohungen einzutreten. Dabei geht es mir durchaus nicht um die Vergeltung, sondern allein um die Aufrechterhaltung der Generalprävention und der Spezialprävention durch das Strafrecht, das sonst seine institutionelle Aufgabe völlig einbüßen würde. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Dr. Nittmann: Genau so ist es!)

Deshalb lehne ich auch die bestechend klingende, zunächst sympathisch anmutende These ab, dass der Opferschutz wichtiger als die Strafverfolgung ist. Denn sie suggeriert, dass die Strafandrohung und Strafverfolgung von Straftaten etwa gar nicht dem Opferschutz diene. Dann wäre es aber meines Erachtens viel ehrlicher – würde man das wirklich meinen –, vom grundsätzlichen Versagen des Strafrechts als Institution im Ganzen zu reden und sich den seinerzeitigen Illusionen Christian Brodas von der gefängnislosen Gesellschaft hinzugeben.

Was sonst soll denn die Behörde oder öffentliche Dienststelle, die von Gesetzes wegen dazu aufgerufen ist, konkret unternehmen, um den Schutz des Verletzten oder anderer Personen vor Gefährdungen zu gewährleisten? – Eingewurzelte Hangtäter im Bereich der Familie vor allem beim sexuellen Kindesmissbrauch müssen meines Erachtens sanktioniert werden.

Wir scheuen uns zu Recht auch nicht, Gewalt in der Familie ausübende Mitglieder – leider Gottes primär Männer; wobei ich nicht bedauere, dass es nicht primär Frauen sind – vor allem auch beim Kindesmissbrauch auf Monate aus der gemeinsamen Wohnung zu entfernen, ihnen die Rückkehr zu verbieten und sie unter Umständen auch einer Kontaktsperre mit anderen Familienmitgliedern zu unterwerfen – zu Recht! Auch sie werden, so besehen, zumindest zeitweise "aus dem Verkehr gezogen", wenn Sie mir diese unschöne Diktion gestatten.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Somit können Sie uns nicht unterstellen, dass es uns dabei bloß um "Law and order" oder gar um Rache als Strafziel gehe. Vielmehr erachten wir diese ohnehin recht moderate Rückkehr zur früheren, weitaus strengeren Rechtslage im Sinne des Opferschutzes für völlig unerlässlich.

Wogegen wir uns allerdings mit aller Entschiedenheit wenden, ist eine solche ideologische Ausrichtung in Einzelbereichen der Sozialarbeit, die es propagiert, den Täter so lange wie nur möglich im Familienkreis zu belassen, und die die ganze Familie einschließlich der Betroffenen als Einheit therapieren will, also auch die Opfer – die offenbar mitschuldig sind, dass es Täter gibt. (Bundesrat Mag. Hoscher: Das unterstellen Sie uns jetzt aber nicht!) Für solche verantwortungslose Utopien wird meine Fraktion niemals zu gewinnen sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir begrüßen – um jetzt zu einem harmloseren und sicher wieder konsensualeren Thema zu kommen (Bundesrat Mag. Hoscher: Das war absolut nicht harmlos!)  – auch die Einführung der Möglichkeit einer Verlängerung für die Fristen zur Rechtsmittelausführung und zur Gegenausführung in Fällen von überlanger Verfahrensdauer und in hochkomplexen Strafverfahren – wir haben solche vor allem im Bereich der Wirtschaftskriminalität bedauerlicherweise erlebt – sowie die Vereinheitlichung der Rechtsmittelfristen durch die Festlegung einer vierwöchigen Frist für die Gegenausführung auch im bezirksgerichtlichen Verfahren.

Damit ist einer an sich berechtigten Forderung der Rechtsanwaltschaft im Bereich der Strafverteidigung – das ist durchaus auch ein rechtsstaatliches Anliegen des strafrechtlich Verfolgten –


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Rechnung getragen worden, weil eben in Fällen, in denen das Verfahren jahrelang gedauert hat, der Akt Hunderte Seiten oder in Grenzfällen Tausende Seiten umfasst und die Richter selbst schon zur Ausfertigung der Protokolle – geschweige denn zur Urteilsfällung – Monate gebraucht haben, sodass man dann vom Verteidiger seriöserweise nicht verlangen kann, dass er ein adäquates Rechtsmittel binnen vierzehn Tagen oder auch vielleicht nur binnen vier Wochen einbringt.

Die neu vorgesehene amtswegige Vorführung des verhafteten Angeklagten zum Gerichtstag, zur öffentlichen Verhandlung über die Berufung, erscheint auf den ersten Blick autoritär, ist aber in Wirklichkeit dazu gedacht, sein rechtliches Gehör zu wahren. Denn wir hatten Fälle, in denen zwar völlig berechtigte Schuldsprüche vorlagen, die in höherer Instanz bestätigt worden waren, deswegen dann aber in Strassburg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erfolgreich bekämpft werden konnten, weil man sagen konnte, dass der Angeklagte bei der Rechtsmittelverhandlung nicht selbst anwesend war und gehört wurde. Das hätte wahrscheinlich nicht für die Schuldfrage – das muss man realistischerweise sagen –, aber vielleicht für den persönlichen Eindruck in Bezug auf die Strafbemessung eine Rolle spielen können.

Auch die Neuregelung, dass ein Freigesprochener von Amts wegen zu verständigen ist, wenn der Freispruch wegen Rückziehung eines zunächst vom Staatsanwalt angemeldeten, aber dann zurückgezogenen Rechtsmittels rechtskräftig geworden ist, begrüße ich. Denn das ist wirklich eine Serviceleistung für den Betroffenen, der sonst einem unangenehmen Schwebezustand ausgesetzt ist. Ich glaube, das ist ein Beitrag zur viel propagierten Bürgerfreundlichkeit der Justiz.

Lassen Sie mich nun zur zweiten Vorlage kommen, bei der ich auch vorwegnehme, dass wir ihr im Ergebnis zustimmen werden, weil sie ein aus humanitären Gründen verständliches Anliegen vertritt. Trotzdem mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube und stelle fest, dass ich diesem staatsvertraglichen Abkommen mit der Republik Kuba weitaus reservierter als der Strafprozessnovelle 2000 gegenüberstehe.

Richtig ist einmal Folgendes: Mit 44 anderen Staaten – ich weiß nicht, ob das jetzt ganz exakt ist; ich glaube es – besteht ein internationales, vom Europarat inspiriertes Abkommen, das es den Mitgliedstaaten wechselweise ermöglicht, den Vollzug eines im Ausland gefällten Schuldspruches eines Strafgerichtes im Heimatstaat des verurteilten Täters durchzuführen, also den Schuldspruch zu vollziehen. Es ist ein Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen. Mangels Teilnahme Kubas – naturgemäß – an diesem Übereinkommen und auch mangels Gegenseitigkeit hat es eine solche Möglichkeit im Verhältnis zu Kuba bisher nicht gegeben.

Nun verkenne ich nicht, dass sich im Zeitalter des weltweiten Reiseverkehrs, nicht zuletzt in die wunderschöne Karibik, auch Österreicher sehr gerne und vielleicht auch längere Zeit in Kuba aufhalten und unerfreulicherweise auch möglicherweise straffällig werden können, sodass die dortigen Strafgerichte verständlicherweise ihre Zuständigkeit in Anspruch nehmen. Ferner stelle ich völlig außer Streit – ohne jetzt Kuba diskriminieren zu wollen –, dass die Verbüßung einer Haftstrafe in kubanischen Gefängnissen äußerst belastend sein kann. Etwas verschämt drücken das die Erläuterungen so aus, dass das etwas andere Umstände als in Österreich bei den Haftbedingungen sind.

Gewiss wird daher der verurteilte Österreicher die einschlägigen heimischen Etablissements des Strafvollzuges vorziehen. Wir haben auch zwei tragische Fälle gehabt. In dem einen Fall ging es um einen österreichischen, meiner Erinnerung nach aus der Steiermark stammenden Studierenden, der einen Autounfall mit tödlichem Ausgang herbeiführte, zu sechs Jahren Haftstrafe verurteilt wurde und dann den entsprechenden Haftbedingungen, wie sie nun einmal dort herrschen, ausgesetzt war.

Dennoch – darum meine einleitende Reserve – weist das Abkommen für mich den Schönheitsfehler auf, dass wir uns klar vor Augen führen müssen, was ein solches Abkommen über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen in Wirklichkeit bedeutet. Es setzt nämlich voraus, dass wir die entsprechenden kubanischen Strafurteile aner


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kennen. Denn zu vollstrecken haben wir eine im ausländischen Urteilsstaat verhängte Strafe nur dann, wenn wir das ausländische Straferkenntnis anerkennen.

Mit einer solchen Anerkennung wird aber zugleich eines zwangsläufig mit ausgesprochen, nämlich das rechtspolitische Werturteil, dass wir die Rechtspflege und das Justizsystem des jeweils anderen Vertragsstaates als mit unserer Gerichtsbarkeit prinzipiell gleichwertig erachten. Daher sind wir auch konsequenterweise beispielsweise an die Tatsachenfeststellungen gebunden, die der Urteilsstaat seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Eben darin wurzelt mein Unbehagen.

Wir dürfen nicht übersehen – ich sage noch einmal, ich habe persönlich keinerlei Ressentiment gegenüber der Republik Kuba, aber es ist das nicht zu übersehen –, dass die UN-Menschenrechtskommission dort schwer wiegende Menschenrechtsverletzungen auch im Bereich der Jurisdiktion festgestellt hat. Auch Amnesty International, eine meiner Fraktion bestimmt nicht besonders nahe stehende internationale Organisation, hat schwerstwiegende Einwände in Bezug auf die Menschenrechte erhoben und von politischer Haft, von Folter und dergleichen gesprochen. Darin wurzelt mein Unbehagen. Aber alles in allem nehmen wir um der für österreichische Straftäter wohltätigen Absicht willen diesen Wermutstropfen in Kauf.

Wir Freiheitlichen werden aus all diesen von mir vorgetragenen Erwägungen für beide Vorlagen stimmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.24

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

12.24

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich habe mich im Wesentlichen auch deshalb zu Wort gemeldet, weil Herr Bundesrat Hoscher vorhin einige Unmutsäußerungen von sich gegeben und dann, als Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm zur Sache gesprochen hat, offensichtlich erzürnt den Saal verlassen hat, und zwar in einer Art und Weise, dass ich annehmen musste, er ist mit dem Inhalt dessen, was Bundesrat Professor Dr. Böhm gesagt hat, nicht einverstanden. (Bundesrat Mag. Hoscher: Stimmt!)

Ich bin ein Mensch, der gerne das Gespräch sucht, und glaube, dass in aller Sachlichkeit Ihre Anwesenheit im Saal jetzt benutzt werden sollte, um noch einmal auf dieses sensible Thema einzugehen, damit man sich in Erinnerung ruft, um welche Kernbereiche des materiellen Strafrechtes es geht, damit wir uns auch in Erinnerung rufen, um welche Taten und um welche Täter es geht, wer geschützt werden soll, wen wir schützen wollen und ob wir wirklich an die Resozialisierung glauben oder nicht. Denn ich kann von einer Resozialisierung der Täter sicherlich dann nicht sprechen und nicht an sie glauben, wenn die Täter gar nicht eruiert und einem ordnungsgemäßen Verfahren zugeführt werden. – Das ist das eine.

Wenn man das nicht will, wenn man also diese Taten – nämlich insbesondere sexuelle Übergriffe in der Familie oder Gewaltübergriffe in der Familie – gar nicht zum Staatsanwalt bringen will, dann muss man es in aller Konsequenz deutlich sagen. Herr Bundesrat! Ich würde von Ihnen gerne hören, dass Sie dieses Gespräch akzeptieren und nicht nur den Saal verlassen, wenn ein Thema besprochen wird, das uns alle berührt und das Gott sei Dank seit fünf Jahren gesellschaftlich zunehmend enttabuisiert wird. Endlich wird darüber geredet, endlich wird gehandelt, und endlich ergreifen wir Maßnahmen. Letztendlich müssen wir auch einen Grundkonsens suchen, weil es keine parteipolitische Frage sein kann, ob man sexuelle Übergriffe in der Familie beschönigt, duldet und übersieht – oder nicht. Das geht nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte Ihnen die Anstrengungen, die unternommen und zunehmend aktualisiert werden, näher bringen. Wir haben im Strafvollzugsgesetz eine Bestimmung, dass Täter, die wegen sexueller und auch anderer Delikte verurteilt wurden, ihre Haft verbüßt haben und danach aus einer Justizanstalt enthaftet werden, natürlich den Sicherheitsbehörden bekannt gegeben wer


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den, weil man davon ausgehen muss, dass eine theoretische Rückfallsgefahr besteht. Das heißt, wir sind in diesem Bereich sensibilisiert.

Wir müssen vor allem an die Opfer denken, aber wir denken auch an die Täter. Es wird sehr viel unternommen, um diese Täter zu therapieren. Wir machen zum Beispiel derzeit – als Außenstelle von Mittersteig – in Floridsdorf eine Therapiebegutachtungsanstalt. Das heißt, noch während der Haft werden zu einem angemessenen Zeitpunkt rechtzeitig wissenschaftliche Überlegungen angestellt, ob und wie man diese Täter therapieren kann.

Es gibt zwar eine gewisse Personengruppe, die therapieresistent ist, aber es gibt natürlich auch eine große Gruppe, die an die Therapie glaubt und die man auch therapieren muss. Das unternehmen wir, und wir scheuen keine Kosten und Mühen, damit dies tatsächlich geschieht.

Ich kann nicht verstehen, dass man direkt oder indirekt einer Entwicklung das Wort redet, wonach man diese Täter überhaupt nicht dem Staatsanwalt bekannt gibt. Denn damit wird auch auf die Therapie verzichtet, und ein Therapieverzicht ist sicherlich nicht das, was wir wollen.

Was machen wir mit den Opfern? – Es ist nicht so, dass wir uns damit begnügen, dass die Opfer irgendwann einmal erfahren, dass derjenige, der in der Familie Übergriffe begangen hat, verurteilt worden ist, sondern auch die Opfer werden konkret und wissenschaftlich fundiert behandelt.

Im Justizministerium gibt es seit heuer einen Fonds, der ausreichend dotiert ist und "Fonds für Prozessbegleitung" heißt. Wir versuchen festzustellen, welche Kinder zum Beispiel Opfer von Übergriffen geworden sind, und wir wissen genau – weil wir ständig mit Wissenschaftern zusammenarbeiten –, dass es zu einer so genannten sekundären Viktimisierung kommt, wenn Kinder, an denen Sexualdelikte begangen worden sind, über diese Delikte aussagen müssen, ohne professionell darauf vorbereitet worden zu sein. Dann sprechen wir von sekundärer Viktimisierung.

Was geschieht also? – Es werden diesen Kindern Therapeuten zur Verfügung gestellt, es werden ihnen Rechtsvertreter zur Verfügung gestellt, sie werden darauf vorbereitet, dass sie vor Gericht einvernommen werden, und es wird ihnen jede nur erdenkliche Hilfestellung gegeben. Das zu wissen ist wichtig, damit nicht der Eindruck entsteht, es werde nur nach dem Staatsanwalt gerufen, es werde nur nach einer Verurteilung gerufen, und damit hat es sich.

Wir haben im Ministerium – wenn Sie das aufmerksam verfolgt haben, wissen Sie es, wenn Sie es nicht verfolgt haben, dann wissen Sie es eben nicht; aber wir sind gerne bereit, Ihnen detaillierte Auskünfte darüber zu geben – seit Monaten folgende Überlegung angestellt: Wir wissen, dass manche Sexualstraftäter immer wieder eine Rückfallsgefahr in sich tragen. Man kann natürlich nicht die plakative Forderung "Lebenslang ist lebenslang" umsetzen. Es ist eine anerkannte Regel und ein anerkanntes Prinzip der Rechtswissenschaft, dass eine lebenslange Strafhaft nicht zielführend ist. Man darf niemandem – auch wenn er noch so schwere Delikte begangen hat – die Vorstellung nehmen, dass er irgendwann enthaftet werden kann. Also müssen wir darauf achten, dass diejenigen Täter, die einer Gruppe angehören, die psychisch beeinträchtigt ist – ich sage es jetzt einmal ganz allgemein –, rechtzeitig und dauerhaft therapiert werden. (Zwischenruf des Bundesrates Freiberger. )

Was ist die Konsequenz, Herr Bundesrat? – Wir versuchen, diese Täter auszuforschen, wir versuchen, sie zu behandeln, und wir novellieren jetzt das Strafrecht dahin gehend, dass diese Täter möglichst lange – vielleicht sogar ein Leben lang – therapeutisch betreut werden. Dann können sie wieder in ihre Familie zurückkehren. Aber den schmerzlichen Vorgang, dass man sie einmal ausforscht, dass man ihr Verhalten beurteilt, auch strafrechtlich beurteilt, können wir ihnen nicht ersparen – und zwar im Interesse der Opfer. Welch ein Opferschutz wäre das, wenn wir die Täter nicht einmal ausforschen?!

All das bitte ich zu überlegen. Wenn Sie die Güte haben, Herr Bundesrat, bitte Sie, in einer kurzen Stellungnahme auf diese Argumente einzugehen. Es wäre im Sinne demokratiepolitischer Sauberkeit, dass wir miteinander reden und ein Bundesrat nicht, wenn ein brisantes


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Thema, das ihm nicht passt, das aber vom Gesprächspartner erörtert wird, den Saal verlässt. Ich verstehe das, offen gestanden, nicht, da Gesprächsverweigerung kein Fortschritt sein kann, den wir uns wünschen.

Wenn Sie die ganze Palette zusammennehmen und auf eine Waagschale legen, dann müssen Sie meines Erachtens zugestehen, dass ein Verzicht, den Strafanspruch zu realisieren, nicht denkbar ist.

Ich gehe auch auf das Argument ein, das Sie vorgebracht haben, nämlich dass es zur Vertrauensbildung erforderlich sei, die Anzeigen nicht zu erstatten. – Ich habe mit all diesen Leuten, die dies befürworten, gesprochen. Ich bin selbst davon überrascht gewesen, als ich in das Ministerium gekommen bin, dass ungefähr ein Drittel meiner Zeit dafür aufgeht, mit Gruppen zu sprechen, die Sorge wegen ihrer Schwäche haben, die Sorge wegen des Problems haben, sich zu wenig artikulieren zu können. Das sind Behinderte, das sind ältere Menschen, das sind aber auch Vertreter von Kindern, das geht in den Bereich der Bewährungshilfe und ähnliche Bereiche hinein. Das ist eine unserer ganz großen Sorgen, und es ist eine unserer ganz großen Bemühungen, dass wir für diese Gruppen das Richtige machen.

Wenn Sie die Güte haben, Herr Bundesrat, sich all das einmal zu überlegen, dann werden Sie sehen, dass es mit dem Vertrauensverhältnis auch so eine Sache ist: Das Argument "Wir dürfen den Täter nicht anzeigen, weil wir sonst das Vertrauensverhältnis mit ihm zerstören" muss zu Ende gedacht werden. – Gut, es wird das Vertrauensverhältnis zwischen Täter und Vertrauensperson ausgebaut; das Opfer erzählt der Vertrauensperson noch mehr, noch mehr und noch Schrecklicheres, und was ist dann? Wollen Sie auf den sich daraus ergebenden Strafanspruch gegenüber dem Täter verzichten? – Geben Sie bitte auf diese Frage eine Antwort, und nennen Sie eine Lösung! (Bundesrat Dr. Böhm: Richtig!)

Natürlich muss man ein Vertrauensverhältnis herstellen, aber letztlich ist das höhere Gewicht und das höhere Interesse immer auf der Seite des Opfers – wenn ich auch zugeben muss, dass wir keinen Versuch außer Acht lassen dürfen, die Täter nicht nur zu bestrafen, sondern vor allem zu einer Therapie zu veranlassen. Wir haben im Suchtgiftbereich ebenfalls dieses Prinzip, Strafen auch für diejenigen anzudrohen, die nur süchtig sind. Aber warum denn? – Hauptsächlich, damit sie sich als Ersatz für die Strafe therapieren lassen; und das wollen wir!

Wir wollen auch, dass Sie anerkennen, dass diejenigen, die mental nicht ganz in Ordnung sind und zu sexuellen Übergriffen neigen, auch für sich selbst akzeptieren, dass sie eine Therapie notwendig haben. Wenn wir nicht den Konsens herstellen, dann verstehe ich nicht, welche Grundlage der Demokratie und des demokratischen Diskurses Sie sich wünschen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

12.35

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz auf die Spannungsverhältnisse eingehen, die der Anzeigepflicht schlechthin innewohnen – und das nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Strafprozessordnung; wir haben sie in anderen Rechtsbereichen auch.

Der Herr Justizminister hat, wie auch die anderen Debattenbeiträge zu diesem Thema, meiner Ansicht nach sehr gut deutlich gemacht, dass es sich hier um eine schwierige Gratwanderung handelt – das ist keine Frage –, dass es aber auch richtig ist, dass man in angemessenen Zeitabständen Bilanz zieht und sich überlegt, ob die mit der ursprünglichen Novellierung verbundenen Intentionen in der Praxis auch im wünschenswerten Ausmaß eingetreten sind oder ob sich nicht gut gemeinte Maßnahmen plötzlich als Quelle unbeabsichtigter und unerwünschter Nebenwirkungen herausstellen.


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Das ist insbesondere im Sexualstrafrecht, vor allem wenn es sich um den Schutz von Minderjährigen handelt, ein sehr sensibles Thema. Ich denke, dass man einen sehr klugen Mittelweg wählt, auch in Abgrenzung von Vorschlägen, die in ihrer Radikalität – ich erwähne nur die Einbindung der Bürgermeister – auch nicht mein Wohlgefallen finden würden und die ich für bedenklich hielte. Aber ich glaube, auf einen solchen Mittelweg muss man sich verständigen können.

Ich möchte aber die Problematik der Anzeigepflicht einmal aus einem anderen Blickpunkt beleuchten, insbesondere auch deshalb, weil es schon mehrfach Willensäußerungen der Länder gegeben hat. Es gibt nämlich auch nach dem Verwaltungsstrafgesetz und in den Verwaltungsvorschriften eine Anzeigepflicht, nach der die Behörde und ein Dienststellenleiter verpflichtet sind, Übertretungen zur Anzeige zu bringen. Das ist in § 21 des Verwaltungsstrafgesetzes festgehalten, und dort ist auch ausgeführt, dass die Behörde dann, wenn die Anzeige erstattet ist, natürlich einen gewissen Spielraum hat: Sie kann unter den dort erwähnten Bedingungen von einer Strafe absehen.

Ich darf kurz zitieren: "Die Behörde kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten." – Das klingt vernünftig, und das ist es in der Praxis auch.

Allerdings entbindet es Verwaltungsorgane nicht von der Pflicht, von ihnen festgestellte Sachverhalte zur Anzeige zu bringen und ein solches Verfahren nach dem Verwaltungsstrafgesetz auszulösen, das dann von der Verwaltungsstrafbehörde, durchaus in Absehung von der Strafe, mit einer Verwarnung enden kann. Das führt in der Praxis häufig dann zu unerwünschten Auswirkungen, wenn einzelne Rechtsbereiche in sehr kasuistischer Weise Rechtspflichten vorschreiben, die auch bei Anwendung der üblichen Sorgfalt beispielsweise eines Betriebsinhabers häufig zu einer gehäuften Form kleiner Delikte führen können.

Ich nenne als Beispiel das Abfallwirtschaftsgesetz, das mit sehr ins Detail gehenden Regelungen an die Grenze dessen geht, was ein Rechtsunterworfener selbst bei durchschnittlicher Beachtung des Rechtsbestandes einhalten kann. Das heißt in der Praxis – auch mit der fortschreitenden Verbreitung von EDV-Anwendungen in der Verwaltung – zum Beispiel, dass es in der Abteilung, die das Abfallwirtschaftsgesetz im Amt der Landesregierung zu vollziehen hat, endlos lange Listen, Computerausdrucke von geringfügigen Übertretungen gibt, und zwar eher von Formalvergehen als von tatsächlichen Umweltbeeinträchtigungen.

In jedem einzelnen dieser Fälle ist der zuständige Sachbearbeiter verpflichtet, bei der Bezirkshauptmannschaft Anzeige zu erstatten. Er würde seine Dienstpflicht verletzen, wenn er das nicht tut. Das heißt in der Praxis, dass die Bezirkshauptmannschaft das aufgreifen muss. In der Regel greift sie auf § 21 Verwaltungsstrafgesetz zurück und spricht eine Verwarnung aus, weil die dort geforderten Voraussetzungen zutreffend sind.

Man kann sich aber unschwer ausmalen, welcher Verwaltungsaufwand damit verbunden ist, um eine der Schwere des Deliktes angemessene Reaktion der Behörde hervorzurufen, nämlich keine Verwaltungsstrafe, sondern eine bloße Verwarnung, indem der Betroffene auf die Rechtswidrigkeit und die Unerwünschtheit seines Verhaltens hingewiesen wird.

Die Länder haben gemeinsam bereits mehrfach den Wunsch an den Bund herangetragen, man möge die entsprechende Bestimmung in der Weise ändern, dass ein Behördenorgan die gleichen Möglichkeiten wie ein Exekutivorgan hat. Denn der erwähnte § 21 Verwaltungsstrafgesetz kennt in seinem Abs. 2 auch noch folgende Sonderbestimmung: "Unter den in Abs. 1 angeführten Voraussetzungen", also wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung geringfügig sind – "können die Organe der öffentlichen Aufsicht" – landläufig etwa die Gendarmerie oder die Polizei – "von der Verhängung einer Organstraf


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verfügung oder von der Erstattung einer Abzeige absehen; sie können den Täter in solchen Fällen in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam machen."

Wir alle kennen das aus dem eigenen Erlebnisbereich, etwa im Straßenverkehr oder in anderen Situationen. Wahrscheinlich war jeder von uns schon einmal in der Situation, dass er geringfügig zu schnell gefahren ist oder sonst irgendetwas nicht beachtet hat. Dann hat das Exekutivorgan eine Palette von Möglichkeiten, die von der Anzeige bis zur Einhebung einer Organverfügung dort, wo das gesetzlich vorgesehen ist, reichen. Es liegt aber in seinem Ermessen, es ist dazu nicht verpflichtet, der Betreffende hat keinen Rechtsanspruch darauf.

Der Beamte kann es aber auch mit der bloßen Ermahnung, das heißt dem Hinweisen auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens, bewenden lassen. Das ist seine eigene Entscheidung. Er handelt durchaus auf Grundlage der Rechtsordnung, wenn er von einer Anzeige unter den gegebenen Voraussetzungen absieht. Niemand kann ihm daraus einen Vorwurf machen, er handelt korrekt. Das ist auch vernünftig so, weil es in der Praxis die Verwaltungspolizei vollends lahm legen würde, wenn das einzelne Exekutivorgan in allen Kleinigkeiten gesetzlich dazu verhalten wäre. Man denke etwa nur an ein Kind, das das Fahrrad in nicht ganz straßenverkehrsordnungskonformer Weise benützt, und dergleichen mehr.

Es ist also ein durchaus vernünftiges Verhalten, wenn man sagt: Hier soll der Beamte auf der Grundlage des Rechts seinen Hausverstand walten lassen und auch eine gewisse pädagogische Funktion ausüben. Es soll auch das Exekutivorgan nicht von vornherein als bedrohlich empfunden werden, sondern durchaus als hilfreicher und beratender Begleiter durch das Leben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Möglichkeit haben die Verwaltungsorgane nicht, und das ist ein Spannungsverhältnis in der Anzeigepflicht, das man auflösen sollte. Denn es ist nicht einsichtig, warum das Exekutivorgan eine Überlegung anstellen kann: Erstatte ich jetzt Anzeige oder nicht?, wogegen der Leiter der Abfallwirtschaftsabteilung, dessen Computer zwei Seiten an Bagatelldelikten ausspuckt, diese Erwägung nicht anstellen darf. Er muss in all diesen Fällen Anzeige erstatten.

Wenn man heute sehr stark und zu Recht davon redet, dass man die Verwaltung und den Staat überhaupt von Dingen entlasten soll, bei denen Verwaltungsaufwand und Wirkung in einem nicht mehr vertretbaren Verhältnis stehen, dann wäre das auch ein wichtiger Ansatzpunkt, die Bezirkshauptmannschaft von vielen Formalstrafverfahren – denn letztlich endet das natürlich nicht in einer Verwaltungsstrafe – zu entlasten. Damit würde ein wesentlicher Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung und auch zur Rechtssicherheit geleistet werden.

Die Bundesländer haben das schon mehrfach releviert; auch wir schon im Rahmen von Ausschussberatungen bei Änderungen des Verwaltungsstrafgesetzes. Das Bundeskanzleramt hat bisher ablehnend Stellung genommen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass man die Erwägungen, die man jetzt bei der Strafprozessordnung angestellt hat, durchaus auch in das Verwaltungsstrafgesetz einfließen lassen kann und den Wunsch der Länder nach einer Gleichstellung von Behördenorganen mit Exekutivorganen bei der Abwägung der Anzeigepflicht einfließen lässt.

Herr Bundesminister! Ich bin Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diesen von den Ländern mehrfach vorgetragenen Wunsch auch in Ihre Überlegungen – unzuständigkeitshalber, ich weiß schon, es ist ein anderes Ressort dafür zuständig – einfließen lassen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.


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Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2000 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

6. Punkt

Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates. (Landeshauptmann Dr. Pühringer betritt den Saal.)  – Guten Tag, Herr Landeshauptmann! Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen.

Auf Grund des Ausscheidens von Bundesrat Dr. Milan Linzer ist die Wahl eines Ersatzmitgliedes notwendig geworden.

Es liegt nur ein Wahlvorschlag vor, der auf Herrn Bundesrat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem von mir bekannt gegebenen Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Bundesrat Himmer! Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich zu dieser Wahl und wünsche Ihnen bei Ihrer Tätigkeit sehr viel Erfolg.

Natürlich soll die Gelegenheit auch genutzt werden, Herrn Bundesrat Dr. Linzer für seine Tätigkeit ganz besonders herzlich zu danken. Denn wir alle wissen, dass es eine große Aufgabe ist, Österreich in Strassburg mit zu vertreten. Der Europarat in Strassburg ist eine Einrichtung, die in meinen Augen eine sehr hohe moralische Qualität hat. Der Europarat ist meiner Ansicht nach eine ganz besondere Parlamentarische Versammlung, und jedem, der zum Erfolg dieser Versammlung beiträgt, ist zu danken. Daher auch Ihnen, sehr verehrter Herr Kollege, sehr herzlichen Dank für Ihre Tätigkeit in Strassburg! (Allgemeiner Beifall.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.


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Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Erklärung des Herrn Landeshauptmannes von Oberösterreich, Herrn Dr. Josef Pühringer.

Es liegt ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die Erklärung des Herrn Landeshauptmannes eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werden wir ihm ohne weiteres stattgeben.

Ich erteile nunmehr dem Herrn Landeshauptmann zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Landeshauptmann.

12.50

Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In großer Sorge wende ich mich heute in einer sehr wichtigen Angelegenheit des Bundeslandes Oberösterreich an die österreichische Länderkammer. Die Aufnahme des Probebetriebs im AKW Temelin vor wenigen Tagen ist für Oberösterreich nicht nur eine ganz große Enttäuschung, sie ist auch eine sehr große Provokation und nicht zuletzt ein Negieren jeglicher guten Nachbarschaft mit unserem nördlichen Nachbarn, der Republik Tschechien.

Einleitend sage ich gleich: Dieser verantwortungslose Schritt, den die Betreiberfirma CEZ und die Republik Tschechien am vergangenen Montag gesetzt haben, wird von uns nicht zur Kenntnis genommen. Unsere Proteste werden weitergehen. Auf diese Weise wird man Oberösterreich nicht mundtot machen.

Ich bin heute hier, um den Schulterschluss der österreichischen Bundesländer in dieser Frage zu erreichen und Sie um diesen Schulterschluss zu bitten. Denn Temelin ist nicht nur eine Frage, die Oberösterreich oder ein paar Spinner im Grenzraum Oberösterreich – Tschechien befassen muss und betrifft, sondern sie betrifft uns alle. Wir werden diesen Kampf sogar noch intensivieren. Denn Temelin wird im Mai des nächsten Jahres in Vollbetrieb gehen, und zumindest bis dahin dürfen wir keine Chance ungenützt lassen, dieses Risikokraftwerk wieder abzuschalten.

Das ist übrigens ein Kampf, den Oberösterreich seit zehn Jahren konsequent betreibt. Anfang 1993 fiel in Tschechien die Entscheidung für den Weiterbau von Temelin. Der damalige Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck und ich als Umweltlandesrat haben bereits 1993 gefordert, dass ein Mitspracherecht für das Nachbar-Bundesland eingeräumt wird, und wir haben heftigst gegen den Weiterbau an sich protestiert. Denn schon damals war klar: Tschechien wird den Strom aus Temelin nicht brauchen und nur Energie für den Export produzieren.

Im Oktober 1993 forderte Dr. Ratzenböck in einem Brief an die Errichterfirma Westinghouse bezüglich des Exports der Brennelemente Parteistellung für Oberösterreich. Proteste gab es auch bei der amerikanischen Bank für Export und Import "Exim" sowie beim amerikanischen Kongress gegen die Gewährung eines Kredites für die Firma Westinghouse. Bereits seit dieser Zeit wird von Oberösterreich – und zwar von allen Fraktionen des Landtages einmütig und gemeinsam – die Durchführung einer umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung und die Dokumentation der Sicherheitsmängel verlangt. Ich muss das in aller Deutlichkeit sagen, weil in der Öffentlichkeit in den letzten Wochen öfters gesagt worden ist: Ein wenig spät sind sie mit ihrem Protest dran.

Meine Damen und Herren! Dieser Protest, der gemeinsame Protest aller oberösterreichischen Parteien, währt seit fast einem Jahrzehnt. Mehr noch, die erste Resolution geht auf das Jahr 1985 zurück! Wenn man jetzt von verschiedener Seite immer wieder Ausstiegshilfen für Tschechien fordert, meine Damen und Herren, dann muss man das doch ein wenig relativieren. Denn wir sagen der Tschechischen Republik und auch dem Betreiber seit über einem Jahrzehnt: Steigt nicht ein! – Es ist nicht so, dass man jetzt sagt: Es sind eben Kosten entstanden, die jemand tragen muss. – Wir sagen seit über einem Jahrzehnt: Steigt in diese Technologie nicht ein!


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Ebenfalls seit zehn Jahren unterstützen wir nachhaltig die Bürgerinitiativen, die sich gegen Temelin gebildet haben, und 1998 haben wir einen hauptberuflichen Anti-Atombeauftragten im Land berufen. Meine Damen und Herren! Oberösterreich hat sich nicht vorzuwerfen, dass der Protest zu spät eingesetzt hätte!

Ein Höhepunkt der Bemühungen war sicherlich der Temelin-Gipfel mit der Bundesregierung am 29. August dieses Jahres. Wir haben bei diesem Gipfeltreffen eine ganz klare Aussage des Bundeskanzlers, der Frau Vizekanzlerin und des zuständigen Umweltministers erreicht, die da lautet: Österreich wird dem Energie-Kapitel in den Beitrittsverhandlungen mit Tschechien nicht zustimmen, wenn nicht alle Sicherheitsbedenken durch internationale Experten aus dem Weg geräumt werden. – Wir sind froh über diese Aussage! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall des Bundesrates Marizzi. )

Meine Damen und Herren! Groß ist die Enttäuschung – auch das sage ich mit aller Klarheit – über das Verhalten und den Sinneswandel, der in der EU beziehungsweise in Brüssel eingetreten ist. Ich war bereits am 8. Februar mit einer Delegation, bestehend aus allen oberösterreichischen Parteien, bei Kommissar Verheugen, der für die Erweiterung zuständig ist. Verheugen hat uns damals klar gesagt: Selbstverständlich werde man den Stand der Technik auch für Temelin einfordern! – In einem Antwortschreiben, das einige Monate später gekommen ist, und in weiteren Reaktionen hat er sich dann auf die bequeme Position zurückgezogen: Energie sei ein bilaterales Thema, und Brüssel könne daher kaum etwas tun.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Gestatten Sie mir dazu eine ganz klare Aussage: Ich glaube, dass es nicht sein kann, dass Brüssel zwar derzeit darangeht, die Sicherheitsvorschriften für gewöhnliche Baustellen unter den Mitgliedsländern durch eine Baustellen-Sicherheitsverordnung einheitlich zu regeln, aber bei Sicherheiten für Kernkraftwerke sagt: Das geht uns nichts an, das ist eine bilaterale Frage! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Da steht auch die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union als politische Kraft auf dem Spiel. Uns ist natürlich völlig klar, dass auf Tschechien derzeit EU-Recht nicht angewendet werden kann, weil Tschechien nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaft ist. Aber es muss klar sein, dass die EU – das wird wohl niemand bezweifeln – auch eine politische Macht hat. Die politische Macht der EU wollen wir herausfordern! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es kann nicht sein, dass man sich bei einer solch existenziellen Frage für die Menschen eines Mitgliedstaates auf die bequeme Ausrede zurückzieht: Das ist bilateral, da haben wir nicht mitzureden. – Ein solcher Standpunkt kann nicht akzeptiert werden! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu den Hauptargumenten noch ein paar kurze, wichtige Aussagen treffen. Sicherheit – gleich vorweg: Für mich gibt es kein absolut sicheres Kernkraftwerk! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Uns allen ist der Super-GAU von Tschernobyl noch in bester Erinnerung. Kernkraftwerke bedeuten immer ein Sicherheitsrisiko.

Wir wollen kein Kraftwerk. Aber wenn wir uns schon nicht wehren können, weil andere Mitglieder der Europäischen Union auch Atomkraftwerke haben, dann wollen wir schon gar nicht ein unsicheres Kraftwerk, für das es nicht einmal eine Umweltverträglichkeitsprüfung gibt, an der Grenze zu unserem Bundesland. (Allgemeiner Beifall.) Denn Temelin liegt von Linz nur 70 Kilometer Luftlinie entfernt.

Der Technologie-Mix zwischen sowjetischer und westlicher Technologie ist ein zusätzliches Risiko. Sehr nachdenklich hat mich – noch einmal – die Aussage der deutschen Kernkraftexperten gemacht, dass Temelin nach deutschem Recht nicht genehmigungsfähig wäre.

Meine Damen und Herren! Was verlangen wir denn? Ist uns zuzumuten, dass ein Kraftwerk an unsere Grenze gesetzt wird, welches im benachbarten Deutschland nicht einmal genehmigungsfähig wäre? – Meine Damen und Herren! Im Hinblick darauf muss unsere Forderung wohl zu Recht gestellt werden!


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Vor drei Wochen hat bei mir ein früherer Mitarbeiter von Temelin vorgesprochen, Herr Ing. Zdenek Beck, der mich informiert hat, wie es beim Bau zugegangen ist, welche Mängel es gibt, wie unqualifiziert das Personal zum Teil ist, wie man mit Reinlichkeit und Sauberkeit sowie mit der Qualität der eingesetzten Materialien umgegangen ist und so weiter und so fort.

Hohes Haus! Ich empfinde es daher als Verhöhnung, wenn seit 3. Oktober auf der Homepage der Temelin-Betreiberfirma CEZ der Generaldirektor Folgendes sagt: "Liebe Nachbarn, Einwohner der Republik Österreich! Ich möchte Ihnen auf diesem Wege versichern, dass Temelin ein modernes und sicheres Kraftwerk ist. Tschechische und slowakische Forschungsinstitute sowie 16 internationale Fachkommissionen mit Experten aus Österreich, Deutschland, USA, Finnland, England und Russland haben übereinstimmend festgestellt, dass Temelin den internationalen Sicherheitsanforderungen entspricht." – Ende des Zitates.

Meine Damen und Herren! Das ist ein Hohn! Trotz intensiven Suchens habe ich die österreichischen Experten nicht gefunden, die mitgewirkt haben. Ganz im Gegenteil: Alle von mir befragten Experten haben dies nicht bestätigt.

Zweitens – auch das möchte ich feststellen –: Internationale Sicherheitsanforderungen gibt es für Kernkraftwerke gar nicht, auch keine europäischen. Es gibt nur den so genannten Stand der Technik, und dieser ist zur Stunde derjenige, der in Westdeutschland beim Bau von Kraftwerken verwirklicht wurde.

Ein paar Anmerkungen zum Thema Wirtschaftlichkeit: Im Zuge unseres Widerstands gegen Temelin haben wir immer wieder die Unwirtschaftlichkeit betont und müssen das auch in Zukunft tun: Der Betrieb von Temelin ist ökonomisch völlig sinnlos, daher ist es umso unverständlicher, dass das Projekt von tschechischer Seite weiterverfolgt wird. Aus heutiger Sicht betragen die Kosten für die Fertigstellung und Inbetriebnahme 65 Milliarden Kronen, für den Abbruch müssten 10 Milliarden aufgebracht werden. Der sofortige Abbruch würde eine Ersparnis in der Höhe von 55 Milliarden bedeuten!

Die Betreibergesellschaft CEZ produziert schon jetzt einen Überschuss von rund einem Drittel des tschechischen Energiebedarfs. Das heißt also, dass Temelin für die Energieversorgung absolut nicht benötigt wird, auch dann nicht, wenn das AKW Dukovany abgeschaltet ist.

Wir haben in diesem Zusammenhang eine wissenschaftliche Studie über Dumpingexporte erstellen lassen und diese Kommissar Verheugen zur Verfügung gestellt. Wir haben eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage durch unser Landesunternehmen Energie AG Oberösterreich gegen CEZ vor dem zuständigen Bezirkshandelsgericht in Prag im Hinblick auf die Stromexporte auf den europäischen Markt zu Dumpingpreisen eingebracht. Darüber hinaus ist ein Antrag der Energie AG auf Einleitung einer Untersuchung im Sinne der Anti-Dumping-Verordnung an die Europäische Kommission gestellt worden. Wir haben also auf dem Sektor der Wirtschaftlichkeit in den letzten Monaten alle uns rechtlich möglichen Schritte eingeleitet.

Ein paar Anmerkungen zum Thema Nachbarschaft: Alle bisher skizzierten Bedenken Oberösterreichs und die Art und Weise, wie Tschechien mit uns umgeht, haben natürlich auch unsere Beziehungen schwer beeinträchtigt. Mit dem erhöhten Tempo bei der Aktivierung von Temelin wurde eine Politik der vollendeten Tatsachen betrieben und das nachbarschaftliche Klima vergiftet.

Die tschechische Regierung hat in den letzten Wochen die Bedenken aus Oberösterreich nicht nur nicht ernst genommen, sondern als hysterisch dargestellt. Die Art, wie uns Tschechien derzeit behandelt, meine Damen und Herren, entspricht nicht dem Stil, in dem in Europa nachbarschaftlicher Umgang gepflegt wird! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich sage ganz klar: Wer in das Haus Europa will, muss sich an die Hausordnung halten! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Anstand im Umgang mit den Nachbarn gehört zu dieser Hausordnung!


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Meine Damen und Herren! Ich persönlich habe das Wort "Veto" nie in den Mund genommen, denn so finden wir wahrscheinlich keine Verbündeten in Europa. Ich möchte das deutlich machen: Nicht wir Österreicher und Oberösterreicher bauen Barrieren, sondern Tschechien baut sich diese Barrieren auf dem Weg nach Europa selbst. Wenn Tschechien ins Haus Europa will, muss es wissen, dass es diese Barrieren und Hindernisse wie zum Beispiel Temelin, aber auch die Benes-Dekrete, um ein zweites Thema zu nennen, selbst aus dem Weg zu räumen hat! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Es ist absolut legitim, dass wir als unmittelbar bedrohtes Nachbar-Bundesland auch das Mittel der Grenzblockaden eingesetzt haben. Ich sehe diese Grenzblockaden als einen Akt der Notwehr, nachdem von tschechischer Seite uns gegenüber Dialogverweigerung betrieben wurde. Ich habe großen Respekt vor jenen Damen und Herren, vor der Jugend, vor den Bauern, vor den Menschen im Grenzraum und aus ganz Oberösterreich, die nun seit Tagen zu jeder Tages- und Nachtzeit und bei jeder Witterung im Hinblick auf dieses Verhalten einerseits die Angst und andererseits die Wut der Oberösterreicher durch ihre Demonstrationen artikulieren! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Für mich ist es selbstverständlich, dass ich mich als Landeshauptmann weiterhin hinter und vor diese Proteste stelle und auch morgen an der Großkundgebung an der tschechischen Grenze teilnehmen werde.

Meine Damen und Herren! Ich fasse abschließend nochmals die wichtigsten Forderungen Oberösterreichs zusammen:

Zunächst wird eine umfassende UVP für die gesamte Anlage und nicht für irgendwelche Nebengebäude gefordert. Damit muss ein Stopp der Aktivierung verbunden sein, es darf keine radioaktive Verseuchung geben, so lange nicht ein Ergebnis der UVP vorliegt.

Meine Damen und Herren! Wir werden weiterhin die NGOs auch auf tschechischer Seite unterstützen, die rechtliche Schritte gegen Temelin im eigenen Land gesetzt haben. Wir werden die Frage der quersubventionierten Dumpingexporte weiterhin intensivieren und thematisieren, und wir werden versuchen, rechtliche Schritte zu ergreifen und Klagen einzubringen, wo immer uns das möglich ist.

Wir verlangen von der EU ein klares Machtwort, und wir verlangen vor allem, dass es unter solchen Umständen keine Übergangsfristen für die Öffnung des liberalisierten Strommarktes in Tschechien geben darf. Österreich muss auf EU-Ebene klarmachen, dass die von Tschechien beantragte Übergangsfrist in Bezug auf die Liberalisierung des Strommarktes unter keinen Umständen geduldet werden darf und notfalls zur Aufrechterhaltung der Blockade des Energiekapitels führen muss. Wir werden weiterhin alles tun, um die tschechische Bevölkerung über Temelin zu informieren, denn derzeit informieren CEZ und die Republik, und das ist eine sehr einseitige Information!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns geht es insbesondere auch darum, deutliche Signale zu setzen, dass die tschechische Strategie der vollendeten Tatsachen am Beginn des 21. Jahrhunderts – zu einem Zeitpunkt, bis zu welchem wir eigentlich eine gewisse demokratische Reife in Europa erreicht haben müssten – nicht Schule machen darf!

Meine Damen und Herren! Ich rufe Sie als Mitglieder der Länderkammer daher auf, heute ein klares Signal aller österreichischen Bundesländer gegen Temelin zu setzen! In Temelin wurde gestern im Zuge des Probebetriebs die erste Kettenreaktion ausgelöst. Setzen wir dem hier und heute mit dem Schulterschluss aller Bundesländer eine Kettenreaktion der Vernunft entgegen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

13.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Landeshauptmann! Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen.

Wir gehen nun in die Debatte ein.


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Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Haunschmid. – Bitte.

13.10

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren! Ein Kind, das seine Schularbeiten nicht herzeigen will, macht sich verdächtig, dass es eine schlechte Note erhalten hat. Eine Betreiberfirma wie die CEZ in Temelin, die wesentliche Teile des Atomkraftwerkes für österreichische Experten und Politiker nicht zugänglich gemacht hat, macht sich ebenso verdächtig, die schlechteste Arbeit geleistet zu haben, und müsste mit der schlechtesten Note rechnen. Nur so ist der neuerliche Affront, mit dem diese CEZ die österreichische Delegation brüskiert hat, zu erklären. Gravierende Sicherheitsmängel müssen den Ausschlag dazu gegeben haben.

Für uns Österreicher muss das heißen: Wer nachbarschaftliche, rechtliche und EU-Normen in Frage stellt, hat keinen Platz in der Europäischen Union! Trotz des beträchtlich politischen Drucks hat die tschechische Regierung keine Nachdenkpausen eingelegt, sondern den Temelin-Betreibern freie Hand für die Aktivierung des ersten Blocks gelassen. Die ersten Kettenreaktionen am 10. Oktober waren laut TV-Aussagen der Beschäftigten Temelins ein unbeschreibliches Erlebnis. – Für uns bedeuten sie eine unbeschreibliche, nicht zu verstehende Brüskierung und Ignoranz gegenüber den berechtigten Ängsten des österreichischen Volkes! Es müssen Roboter ohne menschliches Gespür am Werk sein, die so reagieren können! Dann würden wir vielleicht manches verstehen.

Wenn jetzt ein Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren betreffend das Gebäude des aktivierten Betriebes am Gelände des AKW Temelin stattfinden sollte, dann nur, weil dies angeblich durch ein Verfahren des Obersten Gerichtshofes in Prag erzwungen wurde. Angeblich ist mit dem Beginn dieses Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens in den nächsten Wochen zu rechnen. Von Österreich wurde jedoch eine Umweltverträglichkeitsprüfung vor der Aktivierung verlangt; in diesem Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren hat Österreich aber wiederum keine Parteistellung.

Meine Damen und Herren! Im Grunde hat mich diese Aktivierung nicht verwundert, und ich sage Ihnen auch, warum. Verwunderlich ist nämlich vor allem diese Kaltschnäuzigkeit eines Staates, der den Anspruch auf den Beitritt zur EU stellt.

Es ist nicht lange her, dass hier im Hohen Haus eine tschechische Delegation zu Gast war, und die Kolleginnen Mühlwerth, Schicker und ich hatten die Gelegenheit, uns mit dieser Delegation zu verständigen. Nach langem Gerede über Frauenpolitik, Umweltschutz, Sanitätsmaßnahmen und dergleichen waren wieder wir Freiheitlichen diejenigen, die die brennende Frage stellten: Wie steht es um Temelin? Wird dem Ersuchen stattgegeben? Wird Temelin gestoppt, wenn Tschechien den Beitritt zur EU verlangt? – Ein Delegierter – nicht der Delegationsleiter – meldete sich zu Wort und führte aus, dass er Chemieprofessor an der Universität von Prag sei und einer Inbetriebnahme von Temelin skeptisch gegenüberstehe. Dann fügte er aber hinzu, dass sich kein tschechischer Politiker je trauen werde, diesen Stopp zu veranlassen. Es stecke zu viel Geld dahinter, und es gibt nur einen Ausweg, nämlich den Beitritt zu Europol, stärkste Sicherheitsvorkehrungen und eine unvermeidbare Umweltverträglichkeitsprüfung. – Das war die Aussage eines tschechischen Delegierten und Universitätsprofessors.

Meine Damen und Herren! Mit großer Achtung und mit Stolz muss ich heute sagen, dass die Oberösterreichische Landesregierung und der Landtagsklub zehn Jahre konsequent die Linie gegen Temelin durchgezogen haben. Wir Freiheitlichen waren es aber auch, die am 12. Mai 1998 hier in diesem Hohen Haus einen Initiativantrag des Landes Oberösterreich einbrachten, der Österreichischen Volkspartei aus Oberösterreich, wortgleich dem der Landtagsabgeordneten des Landes Oberösterreich, mit einem Begleitschreiben des Landeshauptmannes an alle oberösterreichischen Bundesräte mit der Bitte, die Interessen des Landes Oberösterreich zum Schutz des Landes und seiner Bewohner vehement zu vertreten.

Dass die begründeten Sorgen der Bevölkerung von einem Beitrittskandidaten ernst zu nehmen sind und auf die Weiterbetreibung beziehungsweise die Fertigstellung des Atomkraftwerkes


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Temelin zu verzichten ist und alle Beitrittsforderungen zur EU davon abhängig gemacht werden müssen, war ein wesentlicher Punkt der "Agenda 2000", der damals in Oberösterreich formuliert wurde.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben uns damals vorgeworfen, dass wir Ängste in die Bevölkerung hineintragen. Damals war ich betroffen, dass Parteipolitik stärker war als Überlegungen betreffend den Schutz des Landes und seiner Bevölkerung.

Der Entschließungsantrag der Freiheitlichen entsprach wortgetreu dem Initiativantrag des Landtages Oberösterreich, der dort einstimmig beschlossen worden war. Er wurde von der starken Koalitionsregierung damals abgelehnt. (Bundesrat Meier: Ich nehme an, da war die ÖVP auch dabei!) Das ist nun Vergangenheit. Dank der Geschlossenheit der jetzigen Regierung gehört dies der Vergangenheit an. Die Freiheitlichen haben noch nie die Straße gebraucht, um ihre politischen Ideen durchzusetzen beziehungsweise gegen alles oder nichts aus politischen Gründen zu demonstrieren. Meine Damen und Herren! Wir benützen aber die Straße, wenn es um den Schutz des Landes und des Volkes geht, und wir sind glücklich, dass dies alle politischen Gruppierungen gemeinsam tun, dass die Sach- vor die Parteipolitik gestellt wird!

Tschechien hat die Europäische Union um Hilfe gegen die Grenzblockade gerufen, weil eben diese Grenze Oberösterreichs auch die europäische Außengrenze ist. Aber auch wir haben die Europäische Union um Hilfe gerufen. Die Antwort ist allerdings – wie schon der Herr Landeshauptmann gesagt hat – sehr betrüblich: Frankreichs Außenminister Hubert Védrine, derzeit Vorsitzender des EU-Ministerrats, betonte vor der Presse im Zusammenhang mit diesem Text, dass es kein EU-Recht zur Sicherheit von Atomkraftwerken gebe und jedes Land selbst dafür verantwortlich sei. Die Aufforderung bedeute keine Kritik an Tschechien und besage nicht, dass Tschechien zu wenig informiere.

Günter Verheugen hob – wie der Herr Landeshauptmann schon gesagt hat – ebenfalls hervor, dass es die Angelegenheit Tschechiens sei, Entscheidungen über Temelin zu treffen. Der Kommissar sagte, dass sich da niemand einzumischen habe, gleichzeitig meinte er aber auch, dass es empfehlenswert sei, Sorgen der Nachbarländer zu berücksichtigen. Er würde es für politisch sinnvoll halten, wenn Tschechien vor der Inbetriebnahme eine Umweltverträglichkeitsprüfung abhalte, obwohl die EU Tschechien dazu nicht verpflichten könnte. – Meine Damen und Herren! Verheugen rechnet nicht damit, dass wegen Temelin die Betrittsverhandlungen Tschechiens blockiert werden. Höchstens könnte es bei Gesprächen über das Energiekapitel zu einer Verzögerung kommen, aber sicherlich nicht langfristig.

Ich frage mich: Wenn jetzt jemand sagt, dass sich da niemand einzumischen hat, warum hat sich diese Europäische Union in die Angelegenheiten eines kleinen Landes wie Österreich nach einer demokratischen Wahl eingemischt und Sanktionen über uns verhängt?! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wenn die richtige Krümmung der Gurke und die Länge der Banane und für Wirtshausküchen das Tragen eines Mundschutzes und von Arbeitshandschuhen im Rechtssystem der Europäischen Union verankert sind, jedoch keine entsprechende Handhabe gegen Temelin vorgesehen ist und die nukleare Sicherheit zum Schutz des europäischen Volkes im europäischen Recht nicht geregelt wird, dann frage ich mich – beziehungsweise ich brauche mich nicht zu fragen –, ob wir Freiheitlichen nicht Recht getan haben, als wir uns damals gegen den bedingungslosen Beitritt zur Europäischen Union eingetreten sind!

Jetzt ist die Regierung, jetzt sind Bundeskanzler Schüssel und Minister Molterer gefordert, zum Wohle unseres Landes und zum Schutz unseres Volkes, dem gegenüber wir uns alle verantwortlich zeichnen, zu handeln!

Meine Damen und Herren! Kein europäischer Beitritt Tschechiens nach Temelin! Tschechien lässt bei der Vorgangsweise zur Inbetriebnahme des gefährlichen Atomkraftwerkes jegliches Gespür für Grundsätze der Nachbarschaft, des Rechtsstaates und der europäischen Normen vermissen. Wer mit Nachbarn und rechtsstaatlichen Grundsätzen so umgeht, kann nicht reif für


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einen Beitritt zur Europäischen Union sein! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor wir in der Debatte weitergehen, möchte ich eine kurze Mitteilung machen.

Zu Beginn der Tagesordnung wurde das Mitglied des Bundesrates Mag. Melitta Trunk vom Präsidenten als entschuldigt gemeldet. Sie ist in der Zwischenzeit im Haus eingetroffen. Wenn es im weiteren Verlauf dieser Sitzung zu Abstimmungen kommt, ist sie selbstverständlich auch stimmberechtigt. – Das wollte ich auch für das Protokoll kundtun.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kainz. – Bitte.

13.22

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren! Uns eint heute hier leider eine Thematik, die in ihrer Brisanz zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich nicht einzuordnen ist, und wenn uns die Standpunkte einen, dann deshalb, weil wir diesen Prozess der Selbstfindung in Österreich bereits durchmachen mussten.

Wir mussten den Weg von der Fortschrittsgläubigkeit zur Erkenntnis, dass Kernenergie keine Energie der Zukunft sein kann, auch mit den daraus resultierenden politischen Folgen erleben. Ich mache kein Hehl daraus, dass ich persönlich dieser Fortschrittsgläubigkeit auch zugeneigt war und mit großer Spannung und Interesse diese Prozesse selbst verfolgt habe, und zwar hinsichtlich westlicher Technologie. Ich hatte Gelegenheit, den Schnellen Brüter in Frankreich zu sehen, und habe damals die Begeisterung für diese spannende Technologie geteilt. Jetzt ist allerdings große Ernüchterung feststellbar, denn auch diese hochgelobte westliche Technologie ist nicht mehr in Betrieb.

Umso schlimmer ist es, wenn wir vor dem Problem stehen, Proteste gegen eine Technologie einlegen zu müssen, von der man nicht annähernd behaupten könnte, dass sie sicher sein kann. Ich persönlich muss nach all den hier geäußerten Bedenken betreffend Sicherheit und den daraus resultierenden Forderungen nach Umweltverträglichkeitsprüfungen noch einen Schritt weiter gehen: Ich glaube, es kann kein sicheres Kernkraftwerk geben, und deshalb habe ich auch gewisse Ressentiments gegen das konkrete Verlangen nach Sicherheitsprüfungen, weil diese ganz einfach nur ergeben können, dass Sicherheit nicht garantierbar ist. Daher möchte ich vielmehr auf all jene Prozesse eingehen, die in die Richtung gehen, wie wir sicherstellen können, dass dieses Kernkraftwerk nicht in den regulären Betrieb geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe bereits jetzt – wenn Sie mir diese lockere Ausdrucksweise verzeihen – Bauchweh auch beim Probebetrieb. Eine Kettenreaktion ist ein Prozess, der kaum mehr reversibel ist, und ich möchte gar nicht auf die großen Gefahren eines Super-GAUs eingehen. Jede kleine Störung bedeutet, dass nicht nur die Sicherheit in Oberösterreich und in Linz, sondern auch die der Bevölkerung Kärntens, der Steiermark, Oberitaliens und Sloweniens gefährdet ist. Letztere haben mit dem Problem einen anderen Umgang, auch im Vollziehen ihrer Eigenständigkeit. Ich meine, dass sich diese Eigenständigkeit bis zu einem gewissen Grad durchaus unterschiedlich entwickelt. Das können wir feststellen, wenn wir die langen Prozesse verfolgen, die dem Schritt des Inbetriebsetzens vorangegangen sind und auf die der Herr Landeshauptmann schon chronologisch eingegangen ist, indem er geschildert hat, wie sich die Protestbewegung in Oberösterreich entwickelt hat. Diesem Prozess ist nur sehr schwer etwas entgegenzusetzen, weil jeweils unterschiedliche Dringlichkeitsgrade empfunden werden.

Ich denke, dass es unbedingt notwendig ist, über alle flankierenden Maßnahmen hinaus die Aktivitäten und Kräfte zu bündeln, um den Ausstieg aus diesem derart problematischen Prozess zu ermöglichen. Es hat bereits unter der Regierung Vranitzky und in der Folge unter Umweltministerin Prammer Aktivitäten gegeben, der Tschechischen Republik Ausstiegshilfen anzubieten.


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Ich möchte nicht behaupten, dass diese Aktivitäten von durchschlagendem Erfolg gekrönt waren, wie Figura zeigt. Ich glaube allerdings, dass diese Aktivitäten fortgesetzt werden müssen, und dabei habe ich bis jetzt die Unterstützung der Bundesregierung vermisst!

Meine Damen und Herren! Es kann nicht einem Bundesland oder mehreren Bundesländern – denn inzwischen haben sich auch andere Bundesländer diesen Aktivitäten angeschlossen – und deren Bürgerinitiativen und besorgter Bevölkerung überlassen bleiben, mit solch einem umfassenden Problem fertig zu werden. Wenn wir im Rahmen der EU feststellen müssen, dass einzelne Länder selbst massive Betreiber von Kernkraftwerken sind, dann ist es ein bisschen blauäugig, zu glauben, dass wir von dort Unterstützung bekommen werden. Darum muss es unsere Zielsetzung und Zielsetzung unserer Bundesregierung sein, klarzumachen, dass man so nicht gut nachbarlich miteinander umgeht – noch dazu in einer Frage, die Lebensbedrohung bedeutet –, wenn auch zähneknirschend und in Kauf nehmend, dass dieser Umgang mit Nachbarn sicherlich nicht jener ist, den wir in der gut nachbarschaftlichen Beziehung gerade als Oberösterreicher auch in den Jahren des Eisernen Vorhangs erlebt haben, als wir einen durchlässigen Eisernen Vorhang vorgefunden haben.

Allerdings – auch das hat der Herr Landeshauptmann in seinen Ausführungen geschildert – herrscht in Tschechien eine andere Betroffenheit, denn es ist Tatsache, dass dort so viel Geld investiert worden ist, dass kein Politiker den Ausstieg wagen würde, und dass natürlich auch das wirtschaftliche Argument auf Verständnis in der Bevölkerung stößt. Darum ist es, wie ich glaube, die einzig sinnvolle Maßnahme, dass Österreich im Rahmen der EU alles daransetzt, den Ausstieg zu ermöglichen. Die Klärung der Frage, ob das über "Stranded Investments" erfolgt oder ob man andere Möglichkeiten in Gang setzen kann, ist meiner Meinung nach den Beratungen in der EU vorbehalten, denn Tatsache ist, dass wir Österreicher dieses Problem nicht allein lösen können. Ich hoffe aber, dass die Tatsache, dass wir uns jetzt in die Rolle drängen lassen müssen, auch ein bisschen im Unrecht zu sein, weil wir Grenzblockaden initiieren, nicht die Betonung unserer Ängste im Rahmen der diesbezüglichen EU-Gespräche relativieren wird.

Ich möchte die Ausführungen der Kollegin Haunschmid nicht im Detail kommentieren, denn auch sie hat darauf hingewiesen, dass uns diese Frage in Oberösterreich über alle Fraktionen hinweg eint. Es ist aber meines Erachtens nicht zulässig, zu behaupten, dass die "Agenda 2000" mit diesem Problem deckungsgleich ist. Frau Kollegin! Sie wissen ganz genau, dass im Rahmen der "Agenda 2000" auch andere Fragen zur Debatte standen, die das Stimmverhalten beeinflusst haben. (Bundesrätin Haunschmid: Aber dieses Thema auch!)

Etwas möchte ich im Zusammenhang mit der EU noch festhalten: Ich glaube, es ist ganz besonders wichtig, dass wir uns in unserer österreichischen Rolle einbringen – soweit wir das jetzt in unserer leider etwas angeschlagenen Position überhaupt noch tun können – und dort eine Weiterentwicklung der Institution als solche und aller damit in Zusammenhang stehenden Prozesse betreiben. Ich meine jetzt das Abgehen vom Einstimmigkeitsprinzip, dass die Institution so ausgeweitet wird, dass es dann nicht mehr möglich ist, dass die EU in massiv uns betreffenden Angelegenheiten wirksam wird, weil Energiepolitik Landessache ist.

Meine Damen und Herren! Es ist vieles Richtiges, vor allem schon im fachlichen Detail heute ausgesprochen worden. All das ist richtig. Für mich zählt jedoch das, was wir zu Stande bringen, und daher ist unsere Bundesregierung gefordert, als die Stimme des Staates Österreich alles daranzusetzen, dass – jetzt ganz konkret – der Standardbetrieb in Temelin verhindert wird, dass aber auch in Zukunft solche Diskussionen, die uns tief unter die Haut gehen und Dinge betreffen, die unser Leben bedrohen, nicht mehr in dieser Form geführt werden müssen! (Beifall bei der SPÖ.)

13.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Strugl. – Bitte.

13.31

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Landeshauptmann! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir


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heute anlässlich der Erklärung des Herrn Landeshauptmanns über diese Frage, die uns schon sehr lange Zeit beschäftigt, auch im Bundesrat bereits zum wiederholten Male diskutieren, dann möchte ich sagen, dass uns vor allem zwei Dinge besondere Sorgen machen beziehungsweise – wie ich durchaus sagen möchte – auch empören.

Einerseits ist das die Tatsache, dass man am Montag mit dem Probebetrieb begonnen hat. Die Experten sind sich darin einig, dass damit eine Gefährdung der Menschen nicht nur in Österreich, sondern selbstverständlich auch in der Tschechischen Republik verbunden ist. Das Ganze findet auf einem Niveau statt, welches nicht der gemeinsamen Auffassung in der EU entspricht.

Zweitens geht es auch um die politische Dimension, nämlich um die Art und Weise, wie die tschechische Regierung mit den österreichischen Bedenken – nicht nur mit den oberösterreichischen, sondern auch mit jenen aus anderen Bundesländern – umgegangen ist. Damit wird im Grunde genommen auch die Position der EU missachtet und sozusagen eine Gangart eingeschlagen, die eigentlich nicht dem gemeinsamen Verständnis entspricht. (Präsident Payer übernimmt den Vorsitz.)

Auch das Europaparlament hat am 7. September gefordert, was wir jetzt wieder fordern, nämlich dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht wird. Es ist auch nicht in Ordnung, dass die Espoo-Konvention vom Parlament in Tschechien noch immer nicht ratifiziert wurde, und zwar offensichtlich ganz bewusst, um zu umgehen, dass die Nachbarländer nicht in ein UVP-Verfahren eingebunden werden müssen, und um dem Vorschub zu leisten, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden. – Man ignoriert damit die gemeinsame Rechtsauffassung.

Was ich in diesem Zusammenhang für besonders grotesk halte, ist die Tatsache, dass die tschechische Regierung jetzt gerade die EU gegen den Protest an der Grenze einschalten möchte, um Maßnahmen gegen die Blockaden in Gang zu setzen, also genau jene Europäische Union, an deren Spielregeln man sich auf der anderen Seite überhaupt nicht halten möchte. Das ist doch sonderbar!

Wir sagen es deutlich: Diese Demonstrationen an den Grenzen in Oberösterreich und in Niederösterreich sind Notwehrmaßnahmen der besorgten Bevölkerung, die man verstehen muss. Man muss sich nur anschauen, wie Schüler, Mütter, junge Leute und ältere Leute dort an der Grenze unter zum Teil unwirtlichen Bedingungen ihren Protest zum Ausdruck bringen. Ich halte es für eine gute Unterstützung durch den Bundeskanzler, wenn er sich weigert, die Bedingungen des tschechischen Ministerpräsidenten anzunehmen, nämlich diese Demonstration gewaltsam zu beenden, und zwar als Vorbedingung dafür, dass Gespräche überhaupt geführt werden können. Ich meine, auch das muss erwähnt werden, wenn gemahnt wird, dass die Bundesregierung entsprechende Aktivitäten setzen soll. – Darauf komme ich in weiterer Folge noch zu sprechen.

Ich meine, dass uns die Bundesregierung in dieser Frage – der Herr Landeshauptmann hat es bereits erwähnt – den Rücken sehr gestärkt hat, indem anlässlich des Temelin-Gipfels am 29. August, bei welchem auch ein Sechsstufenplan vereinbart wurde, gesagt wurde, dass es bei den Beitrittsverhandlungen keinen Abschluss des Energiekapitels geben kann, wenn diese Frage nicht geklärt ist. Das halte ich für eine konkrete Maßnahme!

Es ist richtig – da stimme ich Frau Kollegin Kainz zu –, dass auch die vorige Bundesregierung schon seit längerer Zeit Maßnahmen im Sinne einer Anti-Atompolitik gesetzt hat. Das ist richtig. Die jetzige Bundesregierung hat sich ebenfalls dazu bekannt und diese Maßnahmen fortgesetzt. Nun wird erstmals eine sehr weit gehende und konkrete Position eingenommen, mit welcher ein – auch verhandlungstechnisch – relevanter Tatbestand gesetzt wird. Das ist meiner Meinung nach bemerkenswert und unterstützt unseren Protest aus oberösterreichischer Sicht sehr, und deswegen begrüßen wir das auch! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wir sagen, dass es diese Mindestanforderungen geben muss. Wir sagen, dass diese Bemühungen, auch der Bundesregierung, fortgesetzt werden müssen, und die Bundesregierung hat das in der Debatte auch zugesagt. Wir sagen weiters auch, dass darüber hinaus auch auf EU-Ebene eine entsprechende Debatte stattfinden muss.


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Sorgen hat man nicht nur bei uns in Österreich, sondern genauso bei unseren Nachbarn. Ich erwähne stellvertretend den Präsidenten selbst, Václav Havel, der es als größten politischen Fehler seiner Amtszeit bezeichnet hat, dass er sich nicht stärker dagegen ausgesprochen beziehungsweise das Seinige in stärkerer Form dazu beigetragen hat, um das zu verhindern.

Als umso zynischer empfinden wir die Art und Weise, wie der Ministerpräsident mit unseren Bedenken umgeht. Wie auch meine Vorredner schon gesagt haben, kann angesichts dessen nicht von guter Nachbarschaft gesprochen werden. Es muss – wie es die Frau Außenministerin meiner Meinung nach treffend formuliert hat – auch bedacht werden, dass wir uns den Tschechen und der tschechischen Regierung gegenüber auch in der Vergangenheit sehr oft als gute Nachbarn erwiesen haben. Daher erwarten wir zu Recht, dass wir auch in weiterer Zukunft eine gut nachbarschaftliche Beziehung pflegen können!

Wenn man bedenkt, dass wir den tschechischen Nachbarn sogar ein Mitspracherecht bei der Errichtung einer Mülldeponie einräumen, dann ist es eigentlich schon sehr befremdend, wenn die Tschechen nicht bereit sind, das auch bei der Frage eines Atomkraftwerks zu tun! Damit wollen wir uns nicht abfinden, und wir wollen auch nicht zur Kenntnis nehmen, dass man unsere Haltung als Hysterie abtut. Wenn der Bundeskanzler in diesem Zusammenhang sagt, dass er einfach mehr Respekt vor den berechtigten Anliegen der Österreicher fordert, dann ist das, wie ich meine, eine deutliche Sprache, die man diesbezüglich gegenüber den tschechischen Politikern findet!

Es wurde angesprochen, dass diese Bemühungen der Regierung noch verstärkt werden sollten – auch meine Vorrednerin hat das meiner Meinung nach zu Recht vorgeschlagen. Die Bundesregierung hat das bereits in Aussicht gestellt und auch klar gesagt, dass sie sich an der Förderung von Alternativen beteiligen wird. Auch wir haben immer gesagt, dass unser langfristiges Ziel der Ausstieg aus dieser Technologie ist, und das steht auch im Regierungsübereinkommen, und der Kampf darum muss unserer Meinung nach weitergehen.

Wir möchten heute etwas tun, was wir auch in der Vergangenheit schon getan haben, nämlich auch aus dem Bundesrat ein politisches Signal geben. Es gibt bereits eine Entschließung zu dieser Frage aus dem Jahr 1998, und vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung wollen wir wieder ein politisches Signal setzen und bringen daher – meine Fraktion und die freiheitliche Fraktion – einen Entschließungsantrag ein und laden auch die sozialdemokratische Fraktion ein, diesen Entschließungsantrag zu unterstützen. – Ich möchte die Kernpunkte anführen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mag. Michael Strugl, Monika Mühlwerth und Kollegen, eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, Dr. Josef Pühringer, zum Themenkreis Kernkraftwerk Temelin und die Situation in Oberösterreich betreffend die Aktivierung des ersten Reaktors des KKW Temelin

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Der Bundesrat unterstützt die Position der Bundesregierung zu den aktuellen Ereignissen im Zusammenhang mit dem KKW Temelin und ersucht die Bundesregierung, ihre Bemühungen auf der Grundlage nachfolgender Feststellungen fortzusetzen:

1. Ohne abschließende Klärung aller offenen Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit und der Umweltverträglichkeit des Kernkraftwerkes Temelin darf die Inbetriebnahme nicht weiter vorangetrieben werden.

2. Einem vorläufigen Abschluss des Energiekapitels und des Umweltkapitels ohne ausreichenden Nachweis über die aktuellen Sicherheitsstandards entsprechend dem aktuellen Stand der Technik auf EU-Ebene" – das ist die Formulierung, die wir treffen können, da auch die Bundesregierung und der Umweltminister mit Recht verlangt haben, dass es auch auf EU-Ebene eine


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Formulierung gibt – "und der Umweltverträglichkeit des KKW Temelin, wie im Gemeinsamen Standpunkt der Union gefordert, kann von Seiten Österreichs nicht zugestimmt werden.

3. Eine Einbindung Österreichs und der anderen betroffenen Nachbarstaaten in alle weiteren UVP-Verfahren, insbesondere eine Gesamt-UVP nach europäischen Standards zu Temelin durch die tschechischen Behörden sowie eine umgehende Ratifizierung der Espoo-Konvention über grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen durch das tschechische Parlament ist dringend erforderlich.

4. Die Klärung aller offenen Sicherheitsfragen wie beispielsweise Erdbebensicherheit oder Sicherung gegen andere Katastrophenfälle ist von den zuständigen tschechischen Behörden weiterhin mit Nachdruck einzufordern.

5. Eine Bewertung des KKW Temelin durch eine unabhängige europäische Expertenkommission ist einzufordern. Die Nominierung solcher Experten könnte zum Beispiel durch die Europäische Kommission erfolgen.

6. Auf europäischer Ebene sind die wettbewerbsrechtlichen Bedenken gegen tschechische Atomstrom-Exporte in den EU-Raum geltend zu machen und alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um tschechische Atomstrom-Exporte nach Österreich zu unterbinden.

7. Verbindliche europäische Normen für ein hohes Niveau an nuklearer Sicherheit sind in den entsprechenden EU-Gremien anzustreben."

*****

Diesen Entschließungsantrag möchten wir einbringen und auch zur Diskussion stellen.

Ich glaube, dass es wichtig ist – ähnlich wie es im Nationalrat möglich war –, gerade jetzt vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entwicklung ein Zeichen der Entschlossenheit und vor allem auch der Ge schlossenheit – das ist von meinen Vorrednern mehrfach erwähnt worden – über die Parteigrenzen hinweg zu setzen. Daher bitte ich Sie um Ihre Unterstützung! – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.43

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm dieses.

13.43

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die Ausführungen vernommen, und wir alle sind natürlich mehr oder minder – großteils wahrscheinlich etwas mehr – über die Ergebnisse der letzten Tage erschüttert.

Es gereicht dem Herrn Landeshauptmann zu seinem Vorzug, dass er – einem Spruch Tucholskys folgend – etwa in der Form argumentiert: Nichts ist schwerer und erfordert mehr Charakter, als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und zu sagen: Nein! – Das tun Sie, und das tun wir Österreicher auch!

Österreich ist von Atomkraftwerken umringt – ich will sie gar nicht alle aufzählen, wir kenne sie alle –, und seit dem Jahr 1978, seit Zwentendorf, betreibt Österreich eine sehr strikte Anti-Atompolitik. Die Republik hat gute Vorsätze, aber wir wissen, dass der Weg zur Hölle – vielleicht ist das schon der Fall – mit guten Vorsätzen gepflastert ist, die da lauten: Anti-Atompolitik und kernwaffenfreies Mitteleuropa.

Aber wo sind die Verbündeten Österreichs geblieben? Wo sind die Verbündeten, die dieser Politik folgen, verblieben? Wo liegen die Versäumnisse? – Wir Freiheitlichen können es uns leicht machen, wir können sagen: Wir sind erst heuer im Februar in die Regierung eingetreten. Wir sind ohne Verbündete!


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1999 war es ein österreichischer Vorschlag, den Euratom-Vertrag neu zu formulieren – die Euratom ist ein Grundstein der EU-Politik – und die Zielsetzung zu streichen, dass zivile Nutzung der Atomkraft gefördert wird. – Das ist nicht durchgesetzt worden. Warum ist das nicht durchgesetzt worden? Haben wir Österreicher, die österreichische Bundesregierung, und zwar nicht die jetzige, den Umschwung in Deutschland zu einer rot-grünen Koalitionsregierung genutzt? – Ich weiß es nicht, ob wir ihn genutzt haben; ich habe den Eindruck, wir haben ihn nicht genutzt, denn wir stehen allein da: Die deutsche Bundesregierung hat uns in diesem wie in anderen Punkten – bekanntlich gab es sechs oder sieben Monate dauernde Sanktionen – nicht genutzt.

Österreich hat sich auch nicht zum Anwalt jener Länder gemacht, die keine Atomkraftwerke errichten wollen; zumindest ist mir diese Einstellung der vorangegangenen Bundesregierung nicht bekannt. Ich glaube, es wäre notwendig – der Glaubwürdigkeit halber –, all jene Länder zu unterstützen, die sich nicht von AKWs beglücken lassen wollen.

Österreich hat Ausstiegsszenarien aus der Atomkraftwerk-Wirtschaftspolitik nur halbherzig vorgeschlagen. Wir begnügen uns mit Drohgebärden, Herr Landeshauptmann, mit dem Sitzen auf der Straße, und übersehen dabei – vielleicht übersehen wir das nicht –, dass 30 000 Jahre lang strahlende Relikte übrig bleiben. Ein Kraftwerk wird errichtet, ein Kraftwerk wird nach 30 Jahren abgerüstet, und der Errichtungsort sowie die Stelle, wo der Müll dann eingegraben wird, sind strahlende Monster für die nächsten 30 000 Jahre.

Herr Landeshauptmann! Was geschieht, wenn diese Straßenblockaden nichts fruchten – Sie zucken die Schulter – und die Europäische Union unseren Aufforderungen nicht folgt, was anzunehmen ist? – Wir sind das einzige Nicht-Atomkraftwerk-Land. (Bundesrätin Haunschmid: Italien auch!) – Ja. Aber Österreich ist jedenfalls von Atomkraftwerken umgeben.

Ich möchte nur Herrn Dozenten Weish aus Wien zitieren – jetzt kommt das Argument, dass wir in Österreich in den letzten zehn Jahren nichts geleistet haben –: Er meint, dass "man durch Schaffen solche Katastrophenpotentiale im Nahebereich unserer Landesgrenzen uns dazu zwingt, Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge zu treffen". – Herr Landeshauptmann! Wo wurden in Oberösterreich, Niederösterreich, aber auch Wien Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge getroffen?

Ich zitiere wörtlich: "Wir müssen vorsorgen, da zwingt man uns dazu, und das kostet Geld. Das ist eine Bedrohung, eine Zumutung. ... Wir wissen, dass das Katastrophenpotential grenzüberschreitend ist." – Das wissen wir, das weiß nicht nur Herr Dozent Weish von der Technischen Universität Wien.

Was hat Oberösterreich gegen diese Gefahrenpotenziale getan, und was haben Niederösterreich und Wien gegen die bekannten Gefahrenpotenziale getan? – Der Nationalratsabgeordnete und österreichische Zivilschutzpräsident Gaál meint, es wäre unseriös, Temelin als gefährlicher als Bohunice zu bezeichnen. (Landeshauptmann Dr. Pühringer: Das ist schon Wurscht!)

Jetzt frage ich: Warum machen wir betreffend Temelin etwas, was wir betreffend Bohunice nicht gemacht haben? Warum saßen wir bei Bohunice nicht so lange auf der Straße? – Jetzt läuft es schon. Es hat zumindest nichts genutzt, auch wenn wir nichts gemacht haben!

Abgeordneter Gaál von der SPÖ fordert die öffentliche Förderung für den Einbau von Fensterfiltern. – Das kostet Geld. Abgeordneter Gaál vom Zivilschutz meint: "Die Sicherheitswohnung wird zwar den Schutzraum nie ganz ersetzen können, sie ist aber eine seriöse Alternative."

Was tut Oberösterreich? – Werden öffentliche Gebäude oder Tunnels entsprechend ausgebaut und vorbereitet, um bei einer allfälligen Strahlenkatastrophe nützlich zu sein? Werden Klebebänder zur Abdichtung von Wohnungen den Haus- und Wohnungsbesitzern günstig zur Verfügung gestellt? Gibt es genügend Mund- und Nasenschutz sowie Kaliumjodid-Tabletten? – Vielleicht gibt es diese.


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Die Glaubwürdigkeit hinsichtlich Sicherheit des Landes ist dann gegeben, wenn man diese Sicherheit nicht zum Nulltarif anschaffen möchte. Nun tun die genannten Bundesländer dies fast zum Nulltarif. Ich weiß: 4 Millionen Schilling werden im Land Wien aufgebracht. 4 Millionen hätte jeder gerne! Das Land Wien gibt für den Zivilschutz 4 Millionen Schilling aus. Niederösterreich gibt 20 Millionen Schilling aus, das sind 0,035 Prozent, und Oberösterreich gibt 25 Millionen Schilling für den Zivilschutz aus. – Wenn wir den Kampf gegen die Atomkraftwerke im Nahbereich ernst nehmen, Kolleginnen und Kollegen, Herr Bundesminister und Herr Landeshauptmann, dann muss der Ansatz für Zivilschutz sofort erhöht werden! (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Mit 25 Millionen lassen sich vielleicht vier oder fünf Feuerwehrautos kaufen, aber keine Reaktorgebrechen bekämpfende Einrichtungen. Wenn wir die Sache also ernst nehmen – die bisherigen Reden zeigen, dass wir das ernst zu nehmen haben –, müssen wir nicht erst im nächsten Jahr, sondern schon heuer den Ansatz mit einem Nachtragsbudget in diesen genannten drei Bundesländern erhöhen, sonst sind wir unseriös, sonst setzen wir uns dem Vorwurf aus, unsere Bevölkerung leichtfertig gefährden zu wollen! Ich frage mich, warum der Zivilschutz nicht schon in den letzten Jahren entsprechend dotiert wurde, denn mit 20 Millionen oder mit 4 Millionen in Wien lässt sich – wie gesagt – kein Zivilschutz machen.

Sie stellen die Angst machenden zwischenstaatlichen Fakten wahrscheinlich sogar realistisch dar, Herr Landeshauptmann! Auch ich habe Angst, aber ich hoffe, dass die Herren Landeshauptleute bei den nächsten Budgetverhandlungen in ihren Bundesländern die entsprechenden Konsequenzen daraus ziehen und nicht nur hoffen, dass andere Staaten für uns die Kastanien aus dem Feuer holen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.54

Präsident Johann Payer: Der von den Bundesräten Mag. Strugl, Monika Mühlwerth und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Aktivierung des ersten Reaktors des KKW Temelin ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gottfried Kneifel. Ich erteile ihm dieses.

13.54

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorredner aus allen Fraktionen haben die große Sorge ausgedrückt, dass das Kernkraftwerk in Temelin nicht auf dem letzten Stand der Technik ist und damit ein Risiko für die Nachbarstaaten und die Bevölkerung in der Umgebung darstellt.

Man kann ohne Übertreibung sagen, wenn man einen internationalen Vergleich anstellt, dass es sich beim Kernkraftwerk Temelin um einen Schrottreaktor handelt, um einen Reaktor, der 50-mal störanfälliger ist als Reaktoren westlicher Bauart! Eine Vergleichsstudie der Europäischen Union beweist nämlich, was die Oberösterreicher schon lange befürchten: Die Sicherheitsrisken in Temelin sind weit höher als in den anderen westlichen Atomkraftwerken. Das Risiko eines schweren Unfalls liegt im Schrottreaktor in Temelin bei 1 : 13 000 pro Jahr. Im Vergleich dazu liegt das Sicherheitsrisiko bei französischen Kernkraftwerken bei 1 : 213 000, im deutschen Reaktor Biblis B bei 1 : 340 000 und in japanischen Anlagen sogar bei 1 : 625 000, was fast 50-mal niedriger ist als in Temelin.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Diese Verhältnisse und diese Berechnungen und Vergleiche zeigen deutlich, wie niedrig der Sicherheitsstandard und die technischen Standards in Temelin sind. In Anbetracht dessen würde man meinen, dass die Betreibergesellschaft und die Tschechische Republik alles tun, um diese Sorgen und Ängste abzubauen und zu entkräften. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, sie tut vielmehr alles dazu, um diese Sorgen und Ängste sogar noch zu vertiefen und zu verstärken! In diesem Zusammenhang sind, so glaube ich, noch viele Frage zu stellen.

Erstens: Warum hat die Tschechische Republik durch die übereilte Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes irreversible Tatsachen gesetzt?


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Zweitens: Warum haben die Betreibergesellschaft und die Tschechische Republik die berechtigte Forderung Österreichs nach einer objektiven und internationalen Umweltverträglichkeitsprüfung beharrlich abgelehnt?

Drittens: Warum hat die Tschechische Republik das Kernkraftwerk Temelin in Betrieb genommen, obwohl es den im Westen – etwa jenen Deutschlands oder Frankreichs – üblichen technischen Standards nicht entspricht?

Viertens: Warum hat die Tschechische Republik das Kernkraftwerk unmittelbar an die österreichische Grenze gebaut, ohne das Einvernehmen mit den Nachbarn über die aktuellen technischen Standards herzustellen?

Fünftens: Warum gefährdet die Tschechische Republik durch ihr überhebliches Verhalten die Beitrittsverhandlungen? – Man muss sich vorstellen: Ministerpräsident Zeman hat gestern, als er über Journalisten geredet hat, die darüber berichtet haben, von degenerierten Kreaturen gesprochen! So kann man weder mit Nachbarn noch mit Journalisten umgehen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses präpotente Verhalten gegenüber den Sorgen und Ängsten der Bevölkerung und jener, die darüber berichten, fördert nicht die Zusammenarbeit und das Miteinander in einem gemeinsamen zukünftigen Europa!

Warum gefährdet also die Tschechische Republik die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union? – Es steht heute schon fest – das wurde von Landeshauptmann Pühringer ganz klar ausgesprochen –, dass bei einem weiteren derartigen Verhalten das Kapitel Energiepolitik im Rahmen der EU-Verhandlungen nicht abgeschlossen werden kann.

Warum? Warum? Warum? – Es gibt lauter offene Fragen, meine sehr geschätzten Damen und Herren! Leider fehlt die Dialogfähigkeit der Tschechischen Republik, deshalb müssen wir Antworten geben.

Diese Themen sind klassische Anliegen der Länderkammer. Ich glaube, es könnte heute eine Sternstunde der Länderkammer werden, wenn wir diesen Schulterschluss gemeinsam eingehen, zusammenrücken und den Kampf gegen diese unfaire, unsoziale und unmenschliche Technologie an unseren Grenzen miteinander führen.

Deshalb danke ich der Bundesregierung für die bisherigen Schritte. Ich danke dem Landeshauptmann von Oberösterreich, Dr. Pühringer, und Bundesminister Mag. Molterer für ihre entschlossene Intervention. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie, dem Entschließungsantrag die Zustimmung zu geben, denn eines steht unverrückbar fest: Kernkraftwerke werden immer ein Restrisiko in sich bergen, denn Kernkraftwerke werden von Menschen geplant, von Menschen gebaut, von Menschen betrieben, von Menschen gewartet, von Menschen geprüft und von Menschen genehmigt.

Der Mensch aber ist kein perfektes, unfehlbares und kein vollkommenes Wesen. Ein Sprichwort sagt sogar: Irren ist menschlich. – Stellen Sie sich vor, dass dieses Sprichwort einmal bei Verantwortlichen in Kernkraftwerken zutrifft, dass dort geirrt wird! In Hunderttausenden Fällen hat das menschliche Irren überschaubare und berechenbare Konsequenzen. Bei der Kernenergie sind die Konsequenzen aber ungeheuer, unvorstellbar und unkontrollierbar.

Es bleibt nur eine Konsequenz, nämlich die Frage nach den Sicherheitsstandards von Kernkraftwerken zu einer Frage der Sicherheit in unserem gemeinsamen, zukünftigen, europäischen Haus zu machen und nicht nur die Frage der Beschaffenheit der Traktorsitze, der Krümmungswinkel der Gurken und der Länge der Bananen. Wir müssen auch die Frage der Sicherheitsstandards von Kernkraftwerken mit europäischen Standards versehen.


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Das sind echte Zukunftsfragen für unsere Heimat Oberösterreich, für unser Vaterland und für unser gemeinsames Europa der Zukunft. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.02

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Christoph Hagen. Ich erteile dieses.

14.02

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren! Erst einmal möchte ich mich bei Herrn Landeshauptmann Pühringer recht herzlich für seinen Einsatz betreffend Temelin bedanken. Es ist uns allen – sogar uns in Vorarlberg – ein großes Anliegen, dass Temelin verhindert worden wäre. Ich bin aber überzeugt davon, dass Ihr Einsatz von Herzen gekommen ist und dass Sie es auch ehrlich meinen. Dafür möchte ich Ihnen mein großes Lob aussprechen.

Doch wir wissen mittlerweile, dass Sie es trotz Ihres sehr vorbildlichen Einsatzes leider nicht geschafft haben, das Einschalten dieses unsicheren Atomkraftwerkes zu verhindern. Was mir aber etwas aufstößt, ist die Tatsache, dass Sie bei Ihrem Kampf gegen Temelin von Teilen Ihrer Bundespartei im Stich gelassen wurden.

Ich kann das folgendermaßen begründen: Von der ÖVP im Parlament wurde eine Resolution gegen Temelin mitgetragen, aber im EU-Parlament stimmten Ihre Parteikollegen – gemeinsam mit den Kollegen der SPÖ – gegen einen Abänderungsantrag der Freiheitlichen zum Entschließungsantrag der EU. Das finde ich ein bisschen verwerflich.

In diesem Abänderungsantrag wurde gefordert, dass ein hohes Niveau der nuklearen Sicherheit eine wesentliche Voraussetzung für den Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union sein muss. Ich glaube, dass mit dieser Klausel im Entschließungsantrag des EU-Parlaments das Einschalten von Temelin verhindert werden hätte können. Was aber tut Ihre Mutterpartei, Herr Landeshauptmann? – Sie lässt Ihre Bemühungen gegen Temelin im Regen stehen und stimmt mit der SPÖ dagegen. Von den Grünen habe ich zu diesem Thema überhaupt nichts gehört, sie waren nicht einmal bei der Abstimmung anwesend.

Dieses Verhalten von ÖVP, SPÖ und den Grünen im EU-Parlament gegenüber der österreichischen Bevölkerung ist geradezu peinlich. Ich bin froh darüber, dass sich die ÖVP durchgerungen hat, auf unsere Forderung einzugehen und den EU-Beitritt Tschechiens mit der Sicherheit von Atomkraftwerken zu verbinden. Mein Fazit daraus ist, dass die FPÖ viel zu spät in die Regierung gekommen ist, sonst wäre das sicher schon früher geschehen.

Herr Landeshauptmann! Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Ausdauer in Ihrem Kampf gegen Temelin, und ich kann Ihnen versichern, dass die Freiheitlichen Sie – wie früher schon – unterstützen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.07

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Albrecht Konecny. Ich erteile dieses.

14.07

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesrat Strugl hat einen Entschließungsantrag eingebracht und uns aufgefordert, uns diesem Entschließungsantrag anzuschließen.

Wenn ich jetzt sage, wir tun es gerne, ist das deshalb nicht ganz richtig, weil er mir einige Schwächen aufzuweisen scheint. Aber wir tun es trotzdem, weil es in diesem Fall nicht um grammatikalisch-stilistische oder nuanciert politische Unterschiede geht, die es herauszuarbeiten gilt, sondern darum, das gemeinsame Bekenntnis zu einem politischen Ziel zu betonen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Sozialdemokratische Fraktion, der dieses Thema so wichtig erscheint, dass sie unmittelbar im Anschluss im Rahmen einer dringlichen Anfrage auch noch mit dem zuständigen Mitglied der Bundesregierung darüber beraten wird, welche Schritte möglich sind, wird im Rahmen dieser


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Debatte ebenfalls einen Entschließungsantrag einbringen, der auch jene Themen mit berühren wird, die mir in diesem Text ein wenig zu kurz kommen: zum Beispiel die Frage, wie Österreich selbst mit Atomstrom umgeht.

Ich habe den Text, der uns vorgelegt wurde, mit einer Stellungnahme einer gesamtösterreichischen Konferenz von Landtagsabgeordneten aus allen vier dort vertretenen Fraktionen verglichen und festgestellt, dass auch in dieser Meinungsäußerung unserer Kolleginnen und Kollegen aus den Landtagen diesem Thema der berechtigte breite Raum eingeräumt wurde.

Ich betone nochmals: Es handelt sich nicht um eine Frage, in der die Regierung, die Opposition oder eine von zwei Regierungsparteien oder eine von zwei Oppositionsparteien eine Sonderprofilierung anstreben soll. Daher werden wir bei allen textlichen Einwänden, die wir, wenn wir eine gemeinsame Entschließung formuliert hätten, im internen Gespräch vorgebracht hätten, dieser Entschließung zustimmen. Ich lade schon an diesem Punkt unserer Verhandlungen die Kollegen von den Regierungsfraktionen ein, dem sozialdemokratischen Entschließungsantrag, der unter dem nächsten Punkt abgehandelt wird, ebenfalls schulterschließend zuzustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.09

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Landeshauptmann, bitte.

14.09

Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich bei allen Rednerinnen und Rednern des Bundesrates herzlich dafür bedanken, dass sie die Position unseres Bundeslandes, die Sorgen und die Ängste der Bürger unseres Bundeslandes so deutlich artikuliert haben.

Lassen Sie mich noch Folgendes feststellen, vor allem Bezug nehmend auf die Aussagen der Frau Bundesrätin Kainz: Klar, auch wir wollen kein AKW Temelin. Wir glauben nur, dass die Durchsetzung über den Weg einer Umweltverträglichkeitsprüfung möglich ist, weil wir der festen Überzeugung sind, dass Temelin diese nicht bestehen wird. Das ist der Weg, das ist das Ziel, und in Bezug auf dieses Ziel sind wir uns sicherlich einig.

Zu den Ausstiegshilfen: Ich möchte nicht sagen, dass es diese nicht geben darf, aber ich sage doch in aller Deutlichkeit: Seien wir mit dem raschen Befördern von österreichischen Steuergeldern in diese Richtung etwas vorsichtiger, denn wir haben seit zehn Jahren gesagt: Steigt nicht ein! – Wir können nicht jemandem freiwillig eine Ausstiegshilfe geben, wenn wir diesen bereits vor dem Einstieg so eindringlich gewarnt haben.

Ich bin natürlich dafür, dass es Hilfen gibt, aber keine Abwrackungskosten, sondern Know-how-Hilfe, Hilfe zur Energieeffizienz, Hilfe zu energetischen Alternativen. Dort ist das Geld der Europäischen Union und all ihrer Mitgliedstaaten – denn nur sie kann letztendlich diese Hilfe bewerkstelligen – sicherlich gut angelegt.

Herr Bundesrat Gudenus! Zivilschutz in seiner Wichtigkeit in allen Ehren. Ich bin auch dafür, dass wir ihm einen höheren Stellenwert einräumen – das tun wir zum Beispiel in den öffentlichen Gebäuden in Oberösterreich sehr wohl. Ich sage Ihnen aber Folgendes: Bevor ich unsere Bürger dazu zwingen muss, Sicherheitsfenster anzuschaffen, Stollen zu bauen und so weiter, bündeln wir unsere Kräfte und kämpfen wir lieber, damit diese Gefahr nicht eintritt, damit wir diese Sicherheitsmaßnahmen erst gar nicht benötigen.

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich nochmals ganz herzlich für diesen Schulterschluss oder – wie ich es genannt habe – für diese Kettenreaktion der Vernunft über alle neun Bundesländer! Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! (Allgemeiner Beifall.)

14.12

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.


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Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt der Antrag der Bundesräte Mag. Strugl, Monika Mühlwerth und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Aktivierung des ersten Reaktors des KKW Temelin vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E.163)

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Johann Kraml, Hedda Kainz, Peter Marizzi und GenossInnen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die weitere Vorgangsweise der Bundesregierung nach der Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Temelin (1737/J-BR/00)

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Johann Kraml und GenossInnen an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Johann Kraml als erstem Anfragesteller zur Begründung das Wort. – Bitte.

14.13

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren! Wir haben bereits die Erklärung des Herrn Landeshauptmannes gehört und darüber auch eine Diskussion abgehalten. Es gibt aber doch noch eine Reihe von Fragen, die auch der Herr Landeshauptmann nicht lösen kann, dazu brauchen wir einfach die Bundesregierung und den Bundesminister. Dahin gehend ist unsere dringliche Anfrage gerichtet.

Meine Damen und Herren! Das Thema Temelin gehört auf die europäische Ebene gehoben. Ich weiß auch, dass es zurzeit schwierig ist, das entsprechende Gehör zu finden, aber ich glaube, dass von dort der meiste Druck erzeugt werden kann.

In meinem Heimatbezirk Rohrbach gibt es den kleinen Grenzübergang Guglwald. Kollege Gudenus – er ist jetzt nicht da – hat davon gesprochen, dass die Menschen dort herumsitzen. Ich meine, dass es doch etwas mehr ist: Die Menschen haben Angst, sie haben Wut, sie haben aber auch die entsprechende Ausdauer – man sieht, dass seit einigen Tagen generell blockiert wird.

Meine Damen und Herren! Seit Wochen gibt es täglich Berichte über Temelin in den Zeitungen, es gibt Stellungnahmen in Rundfunk und Fernsehen, es wurden Forderungen an die Kraftwerksbetreiber und an die tschechische Regierung gestellt, von der Aktivierung des Reaktors vorerst Abstand zu nehmen und ein entsprechendes Prüfungsverfahren durchzuführen, und zwar nach westlichem Standard. Eine umfassende UVP-Prüfung ist also unabdingbar.

Unterstützt wurden all diese Aktionen von einstimmig beschlossenen Resolutionen des Oberösterreichischen Landtages, vieler Gemeinden, und auch im Nationalrat hat es den berühmten Schulterschluss gegeben. Der Erfolg war bisher zwar eher mäßig, das heißt aber nicht, dass man in dieser Sache nicht fortsetzen soll.


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668. Sitzung / Seite 67

Zwischen den ersten Grenzblockaden und jetzt hat sich die Stimmung der Blockadeteilnehmer grundlegend geändert. Anfangs war die Stimmung positiv, es hat Hoffnung gegeben, dass die Kraftwerksbetreiber und auch die tschechische Regierung ein Einsehen haben und Temelin nicht in Betrieb nehmen würden. Das hat sich aber als Trugschluss herausgestellt. Jetzt herrschen Wut und Hilflosigkeit.

Meine Damen und Herren! Während die Bevölkerung an den Grenzübergängen ihre Ängste und ihre Sorgen dokumentierte, wurde in Temelin der Reaktor aktiviert. Diese technische Wahnsinnstat wurde auch noch mit Sekt und einem opulenten Buffet gefeiert. Die Ignoranz, mit der den Ängsten und Sorgen unserer Bürgerinnen und Bürger seitens der tschechischen Regierung begegnet wird, ist nicht mehr zu überbieten.

Temelin ist das einzige Kraftwerk, in dem sich West-Technologie und Ost-Technologie treffen, und niemand weiß, wie all das ausgehen wird. Daher ist die Unsicherheit bei dieser Anlage so groß. Tatsache ist auch, dass der deutsche Umweltminister Trittin bekräftigt hat, dass Temelin weder in Deutschland noch in Frankreich eine Genehmigung bekommen würde.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich schätze Ihr persönliches Engagement in dieser Sache, nur kommen wir nicht so recht weiter. Es wurde – obwohl bereits seit längerem bekannt ist, dass das Kraftwerk in Betrieb genommen wird – seitens der Bundesregierung nicht sehr viel unternommen. Erst jetzt, da es bereits eine Minute vor zwölf ist, werden internationale Gespräche geführt; erst jetzt war Temelin bei der EU-Umweltministerkonferenz ein Thema, und auch die Außenminister haben sich kurz damit beschäftigt.

Mir fehlt einfach der geballte Einsatz der Bundesregierung, speziell auch der Einsatz des Bundeskanzlers. Es ist mir einfach zu wenig, dass der Bundeskanzler im Fernsehinterview die Angelegenheit Temelin zwar zutiefst bedauert, die Angelegenheit jedoch erst am 9. Oktober – zumindest laut "Kurier" – zur Chefsache erklärt; der 9. Oktober war jener Tag, an dem Temelin aktiviert worden ist.

Wenn etwas Chefsache ist – so verstehe ich den Begriff –, dann müsste man eigentlich etwas mehr tun, als dem tschechischen Ministerpräsidenten einen Brief zu schreiben und dann zutiefst enttäuscht zu sein, weil keine Antwort gekommen ist.

Ich glaube, in dieser für die österreichische Bevölkerung so bedeutenden Sache müsste der Bundeskanzler in erster Linie mit dem tschechischen Ministerpräsidenten sprechen – auch wenn das schwer ist, denn da gibt es Schwierigkeiten. Wir brauchen zurzeit nicht mit dem slowakischen Ministerpräsidenten zu sprechen, da gibt es keine Probleme.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns gegen Temelin aussprechen, dann müssen wir das mit aller Konsequenz tun, es ist heute bereits angeklungen. Für mich bedeutet das: kein Atomstrom von Temelin in Österreich, auch nicht durch die berühmte "Hintertüre". Mit dieser berühmten "Hintertüre" meine ich, dass Temelin zum Beispiel an einen bayerischen Energiekonzern oder an einen anderen großen deutschen Energieriesen Strom liefert, und von dort wird der Strom dann vielleicht in unser Stromnetz geliefert. Das darf nicht passieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Tschechien hat nämlich bereits im Vorjahr massive Stromexporte durchgeführt; Temelin dient also nicht der Stromversorgung im eigenen Land, sondern der Strom muss ins Ausland verkauft werden. In Österreich verbietet das bereits im Juli einstimmig beschlossene Energieliberalisierungsgesetz Dumpingexporte in unser Land. Das muss sehr genau geprüft werden, es darf zu keinen quersubventionierten Stromexporten aus Atomkraftwerken kommen.

Meine Damen und Herren! Ich habe bereits eingangs gesagt: Atomkraftwerke – ob sichere Technologie oder nicht so sichere Technologie – sind einfach für die Bevölkerung eine riesengroße Gefahr und Bedrohung. Die Technik beherrscht viel, sie beherrscht aber nicht alles, und eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Auch westliche Anlagen haben schon gezeigt, dass Störfälle erst viel später bekannt geworden sind.


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Wir haben heute auch von der "Hausordnung" gehört, die unsere Nachbarn einhalten beziehungsweise noch lernen müssen, wenn sie im gemeinsamen Haus Europa aufgenommen werden wollen. Das hört sich gut an und ist auch richtig so. Aber es bringt uns auch keinen Schritt weiter. Meine Damen und Herren! Wir brauchen den Dialog, und diesen erreicht man selten mit markigen Sprüchen.

Wenn beide Länder nicht miteinander reden können, weil die führenden Repräsentanten abwechselnd beleidigt oder zutiefst enttäuscht sind, werden wir in der noch verbleibenden Zeit bis zum Vollbetrieb nur schwer Lösungen finden.

Herr Bundesminister! Mir fehlt auch ein Vorschlag, wie der Ausstieg von dem endgültigen Einstieg funktionieren soll. Ich gebe dem Herrn Landeshauptmann Recht, dass man Geld nicht einfach in großen Mengen an ein Land geben soll, wenn man gar nicht weiß, was dann damit passiert. Ich glaube, das gehört kontrolliert. Wir wissen aber auch, dass Tschechien aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht in der Lage ist, den Ausstieg von sich aus durchzuführen.

Meine Damen und Herren! Der ehemalige tschechische Staatspräsident Václav Havel hat die Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes als größten politischen Fehler bezeichnet, und er hat auch gesagt, dass er sich in der letzten Zeit zu wenig gemeldet hat. – Ich meine, das ist ein mutiges Eingeständnis, und es müssten von Seiten Tschechiens noch einige solcher Eingeständnisse folgen.

Wir haben noch einige Monate Frist, bis das Kraftwerk in Vollbetrieb geht, und diese sollten wir nützen. Starke Worte und Demonstrationsrhetorik gab es genug. Jetzt brauchen wir Lösungen, damit wir unsere Bevölkerung auch entsprechend schützen können. (Beifall bei der SPÖ.)

14.23

Präsident Johann Payer: Zur Beantwortung hat sich Herr Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

14.23

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte eingangs festhalten, dass die österreichische Bundesregierung den Kampf für die Sicherheit der Bevölkerung selbstverständlich weiter fortsetzen wird. Ich möchte klar betonen, dass wir dafür in Österreich eine gemeinsame Grundlage haben, einen Grundkonsens, der parteiübergreifend ist, der alle Parteien und alle politischen Kräfte in Österreich einbindet.

Ich halte das für eine besonders relevante und wichtige Frage, weil wir damit mit einer Stimme – mit einer österreichischen Stimme – für die Sicherheit, nicht nur der österreichischen Bevölkerung, sondern letztendlich auch der tschechischen Bevölkerung auftreten.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch nicht verhehlen, dass mir persönlich in den letzten Tagen in dieser Frage sehr viel Bestürzung mitgeteilt worden ist und auch ich selbst Entscheidungen in diesen letzten Tagen in hohem Ausmaß für nicht verständlich halte.

Man muss klar sagen, dass wir es nach wie vor mit mangelnder Transparenz der Information und des Entscheidungsprozesses zu tun haben. Wir müssen deutlich machen, dass es monatelang eine Gesprächsverweigerung von tschechischer Seite gegeben hat, dass die Behandlung der österreichischen Parlamentarier-Delegation bei der Begehung von Temelin für einen Parlamentarier, der die Pflicht hat, die Interessen der Bevölkerung zu vertreten, nicht adäquat war. Wir sehen es nach wie vor als absolut problematisch an, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde. Wir sehen es als bedenklich an, dass es trotz Beitrittspartnerschaft nach wie vor zu keiner Ratifizierung der Espoo-Konvention durch tschechische Stellen gekommen ist, und wir sehen es nach wie vor als wirtschaftlich äußerst problematisch an, dass offensichtlich die Erzeugung von atomarem Stromüberschuss zu Exportzwecken das eigentliche Ziel ist.


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Meine Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund geht es nicht darum, dass Österreich sozusagen aus Jux und Tollerei eine sehr klare Sprache spricht, sondern es geht darum, Fehlentwicklungen zu verhindern und falsche Entscheidungen zu korrigieren.

Es ist auch klar, dass die österreichische Bevölkerung in Sorge ist. Es ist mir völlig verständlich, wenn Menschen ihre demokratischen Rechte, auch das demokratische Recht zur freien Meinungsäußerung und zur Manifestationsfreiheit, nutzen. Es ist auch klar, dass die österreichischen Behörden dieses freie Recht der Meinungsäußerung auf jeden Fall garantieren werden. (Beifall bei der ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte nun auf die einzelnen Fragestellungen eingehen:

Seitens der österreichischen Bundesregierung wurde in den letzten drei Monaten – das ist der Zeitraum, auf den sich die dringliche Anfrage bezieht – eine Vielzahl von Aktivitäten gesetzt. Zahlenmäßig sind es mehr als 60 Einzelaktivitäten und Einzelinitiativen von verschiedenen Mitgliedern der österreichischen Bundesregierung.

Ich möchte im besonderen auf die Gespräche des Herrn Bundeskanzlers verweisen, der Frau Außenministerin und auch meiner Wenigkeit mit Kommissionspräsidenten Prodi, mit dem für die Erweiterung zuständigen Kommissar Verheugen und mit der für die Umwelt zuständigen Kommissarin Wallström.

Ich möchte in besonderer Weise die vielen Kontakte hervorheben, die es seitens meines Ministeriums mit dem deutschen Umweltministerium und auch von meiner Seite mit dem deutschen Kollegen Jürgen Trittin gibt, um eine weitgehende Absprache der Aktivitäten sicherzustellen.

Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, ließ sich in den letzten Monaten seitens der tschechischen Regierung ein bilateraler Kontakt leider nicht ermöglichen, weil die tschechische Regierung Gespräche mit der österreichischen Bundesregierung verweigert hat.

Manche meinten, dass die Sanktionen eigentlich bedeutungslos seien. Daran sieht man, wie problematisch diese ungerechtfertigten Sanktionen gewesen sind, weil sie uns in einer wichtigen Frage letztendlich Dialogverweigerung beschert haben.

Trotzdem hat es eine Reihe von Expertentreffen gegeben, die lange Zeit wenig Informationsgehalt gehabt haben. Auch heute muss klar gesagt werden, dass diese Expertentreffen nicht zu ausreichender Information über offene Sicherheitsfragen geführt haben – ganz im Gegenteil –: Essenzielle Fragen sind nach wie vor unbeantwortet geblieben.

Sofort nach Änderung der tschechischen Regierungsposition habe ich ein Treffen mit dem tschechischen Umweltminister Kuzvart vereinbart und in Mikulov durchgeführt. Ich meine, dass ich die österreichische Position in diesem Gespräch sehr deutlich dargelegt habe. Außerdem habe ich eine Nachdenkpause angeregt. Warum? – Weil ich damals meinte – heute bestätigt dies eigentlich die Situation –, dass wir Zeit brauchen, um Sicherheitsfragen beantworten zu können und um letztendlich auch im Bereich Umweltverträglichkeitsprüfung die notwendigen Schritte zu setzen.

Ich habe damals den Eindruck gehabt, dass ich beim Umweltminister der Tschechischen Republik viel Verständnis für die Frage der Umweltverträglichkeitsprüfung und deren Durchführung gefunden habe.

Ich möchte ferner darauf hinweisen, dass der Herr Bundespräsident eine Reihe von Kontakten zu Präsidenten Havel in der Sache Temelin gehabt hat und die Position der österreichischen Bundesregierung und des Parlaments sehr klar vertreten hat. Sie haben bestimmt alle die Stellungnahme von Präsidenten Havel in dieser Sache in den letzten Tagen gehört. Ich meine, dass diese Äußerung von Präsidenten Havel doch klar zeigt, dass österreichische Bedenken zu Recht bestehen und geäußert werden.


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Ich möchte Sie ferner darüber in Kenntnis setzen, dass der Herr Bundeskanzler gestern neuerlich das Gesprächsangebot von Ministerpräsidenten Zeman angenommen hat, allerdings in aller Klarheit dazu gesagt hat, dass er Gesprächsangebote nur ohne Bedingungen annimmt und sich nicht als Bedingung definieren lässt, dass das freie Recht auf Meinungsäußerung und die Demonstrationsfreiheit eingeschränkt werden sollten.

Weiters hat Bundeskanzler Schüssel in den letzten Tagen die Idee artikuliert, dass eine unabhängige Expertenkommission – etwa auf Ebene der Europäischen Union – die offenen Sicherheitsfragen betreffend Temelin erörtern sollte. Heute hat ein Gespräch zwischen dem österreichischen und dem tschechischen Innenminister stattgefunden, in dem der österreichische Innenminister sehr klar gesagt hat, dass selbstverständlich auch die österreichischen Behörden das Recht auf freie Meinungsäußerung und Demonstrationsfreiheit garantieren werden.

Meine Damen und Herren! Wichtig ist mir, dass diese österreichischen Aktivitäten nicht nur seitens der Bundesregierung gesetzt worden sind, sondern auch in einem Gipfelgespräch zwischen der Bundesregierung und der Oberösterreichischen Landesregierung, Landtagsvertretern und NGOs zu einem gemeinsam getragenen Aktionsplan geführt haben, der im österreichischen Nationalrat einstimmig beschlossen wurde. Es hat auch die heute schon erwähnte gemeinsame Sitzung der Landtage gegeben, in der klar zum Ausdruck gebracht wurde, dass das nicht nur ein Anliegen Oberösterreichs ist, sondern selbstverständlich ein gesamtösterreichisches.

Zu Frage 2:

Ich möchte die Haltung von Herrn Landeshauptmann Pühringer klar unterstützen und meine, dass wir uns hinsichtlich der Frage über Ausstiegsangebote des Folgenden bewusst sein sollten: Es handelt sich einerseits um eine Frage massiven materiellen Umfangs – quantitativ –, aber es ist vor allem auch die qualitative Frage gerechtfertigt, ob es denn legitim sei, dass wir das, was nicht für richtig gehalten wird und von dem wir sagen, dass es nicht den Spielregeln entspricht, letztendlich dann mit Geld kaufen sollten. Ich sage sehr deutlich, dass das nicht unproblematisch ist.

Vielmehr ist aus meiner Sicht wichtig, dass wir die Frage weiter entwickeln, und zwar etwa in dem Bereich, den ich mit Kollegen Kuzvart besprochen habe: Wo können wir auf europäischer Ebene helfen, Energieeffizienz zu steigern? Wo können wir helfen, Alternativenergien anzubieten? Wo können wir helfen, alternative Energieszenarien zu unterstützen, damit wir mittelfristig auch eine Perspektive anbieten können, um deutlich zu machen, dass man ohne diese Technologie letztendlich auch auskommen kann?

Zu Frage 3:

Die österreichische Bundesregierung hat in ihrem Beschluss vom 29. August ganz klar festgehalten, dass ein Abschluss des Energiekapitels nicht möglich ist, solange es offene Fragen bezüglich Sicherheit und Umweltverträglichkeit des KKW Temelin, wie im gemeinsamen Standpunkt der Union gefordert, gibt. Dieser Beschluss der österreichischen Bundesregierung ist selbstverständlich aufrecht, dieser Beschluss der österreichischen Bundesregierung gilt.

Zu Frage 4:

Selbstverständlich ist die Frage der nuklearen Sicherheit nicht teilbar, daher treten wir auch mit anderen Beitrittskandidaten betreffend das Thema nukleare Sicherheit in gleicher Weise in Verhandlungen. Ich möchte jedoch betonen, dass die Kooperationsbereitschaft vieler dieser Länder ganz anders ist und die Bereitschaft, diesen Dialog offen zu führen, massiv gegeben ist. Ich denke, dass der vor kurzem erfolgte Besuch des Bundeskanzlers in der Slowakei, bei dem offene Probleme etwa im Zusammenhang mit Bohunice klar angesprochen wurden, zeigt, dass die Dialogbereitschaft der slowakischen Seite gegeben ist.


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Zu Frage 5:

Selbstverständlich wird die Anlage in Temelin im Rahmen des bilateralen Informationsabkommens mit Tschechien auch nach ihrer Inbetriebnahme Gegenstand von Verhandlungen über die erforderlichen Frühwarnsysteme und andere notwendige Maßnahmen sein. Das steht außer Streit.

Zu Frage 6:

Nach der geltenden Rechtslage, die bis 30. 9. 2001 gültig ist, sind Stromlieferungsverträge, die den Bezug von Elektrizität zur inländischen Bedarfsdeckung aus Drittstaaten – also aus Nicht-EU-Ländern – zum Gegenstand haben, nicht generell unzulässig, sondern sie müssen gemäß § 13 dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten angezeigt werden.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat, sofern dies im Einklang mit den sich aus den Mitgliedschaftspflichten ergebenden Regeln steht, den Abschluss eines Stromliefervertrages innerhalb einer Frist von einem Monat ab Einlangen bescheidmäßig zu untersagen. Es gibt Untersagungstatbestände, wenn zum Beispiel die Stromlieferung vorwiegend aus Anlagen erfolgt, die nicht dem Stand der Technik entsprechen. Ich kann Ihnen jetzt noch einiges auflisten, aber Sie kennen diese Regelungen im jetzt bestehenden ElWOG.

Eine wesentliche Verschärfung bringt das neue Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz, das im Juli 2000 beschlossen wurde, das besagt, dass künftig Stromlieferungsverträge, die den Bezug von Elektrizität zur inländischen Bedarfsdeckung aus Drittstaaten zum Gegenstand haben, die zur Deckung ihres Bedarfs elektrischer Anlagen auch in Anlagen erzeugen, die nicht dem Stand der Technik entsprechen, von denen eine unmittelbare oder mittelbare Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von im Staatsgebiet befindlichen Menschen, Tieren und Pflanzen ausgeht oder die nicht den Nachweis der ordnungsgemäßen Entsorgung der bei der Erzeugung elektrischer Energie anfallenden Abfälle erbringen und kein Konzept für künftig aus der Erzeugung anfallende Abfälle vorlegen, generell unzulässig sind.

Das neue ElWOG bietet daher klarere rechtliche Handhaben. Es tritt am 1. Oktober 2001 in Kraft, und ich werde natürlich auch Kollegen Trittin über diese geänderte österreichische Rechtslage informieren und letztendlich auch dafür eintreten, dass in Deutschland entsprechende gesetzliche Regelungen verankert werden.

Zu Frage 7:

Österreich vertritt auf europäischer Ebene seit langem mit Nachdruck die Forderung nach einer Definition nuklearer Sicherheitsstandards. Ich habe erst vorgestern auf europäischer Ebene einen neuerlichen Vorstoß in diese Richtung unternommen.

Interessant ist – ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen –, dass die Kommissarin für Umwelt beispielsweise erklärt hat, dass sie es für richtig hält, dass wir ein gemeinsames Verständnis europäischer Sicherheitsstandards entwickeln. Ich meine, dass das ein wichtiges Signal ist. Allerdings verhehle ich nicht, dass zur Frage der Änderung der Verträge, die zur rechtlichen Verankerung notwendig ist, eine differenzierte Meinung mancher EU-Staaten gegeben ist. Das soll man schon auch klar auf den Tisch legen. Österreich wird diese Initiativen jedenfalls fortsetzen.

Zu Frage 8:

Natürlich gilt für die Bundesregierung die Forderung nach einer Umweltverträglichkeit für das Kernkraftwerk Temelin, weil sie aus unserer Sicht auch notwendigerweise den Verpflichtungen entspricht, die etwa in der Beitrittspartnerschaft geäußert wurden, und auch dem Kern und dem Geist der Espoo-Konvention entspricht, die letztendlich auch in dieser Beitrittspartnerschaft als richtig und auch als zu ratifizieren verankert ist. Wir verlangen daher diese Ratifizierung, damit es möglichst rasch diese grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung gibt, und auch diese Forderung ist selbstverständlich Gegenstand der Verhandlungen des Beitrittsprozesses.


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Zu Frage 9:

Wir stehen in intensivem Kontakt mit europäischen Institutionen, mit dem deutschen Umweltministerium, mit Landesregierungen, Landtagen und auch mit NGOs und verschiedenen Plattformen, die in diesem Zusammenhang tätig sind, weil ich meine, dass es wichtig ist, mit allen Beteiligten diese Gesprächsbasis zu haben.

Zu Frage 10:

Der Anti-Aktionsplan ist selbstverständlich gemeinsame Grundlage, die auch im Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung festgehalten ist, und wird im Licht der aktuellen Erfordernisse laufend weiter zu entwickeln sein – wie Sie auch meinem Bericht entnehmen können, den ich der österreichischen Bundesregierung vor mehreren Wochen bezüglich Temelin vorgelegt habe, den ich ständig auch in Richtung Bundesregierung aktualisiere.

Zu Frage 11:

Meine Damen und Herren! Österreich hat in der Frage Kyoto immer eine sehr klare Position vertreten. Wir konnten auch in der Beschlussfassung der Schlussfolgerungen im EU-Umweltministerrat erreichen, dass die Atomkraft nicht  – ich betone: nicht! – in den Katalog nachhaltiger Energieformen im Zusammenhang mit flexiblen Mechanismen im Rahmen des Kyoto-Prozesses aufgenommen wird. Diese Position werde ich selbstverständlich nach wie vor in aller Klarheit vertreten, genauso wie wir auch auf EU-Ebene unsere Argumente bezüglich wettbewerbsrechtlicher Regelungen und Stromdumping nachdrücklich vertreten werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen abschließend versichern, dass die gesamte Bundesregierung in dieser Linie weiterhin für die Sicherheit der Bevölkerung – der österreichischen wie der tschechischen – kämpft und wir nun die Aufgabe haben, auf europäischer Ebene alles zu unternehmen, um diesen Interessen zum Durchbruch zu verhelfen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.42

Präsident Johann Payer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile dieses.

14.42

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Diese Debatte ist anlässlich der Erklärung des Herrn Landeshauptmannes zu dieser Problematik ausführlich und in seltener Einhelligkeit aller Fraktionen durchgeführt worden. Ich möchte deshalb in meinen Ausführungen nur mehr bereits Gesagtes verstärken und in den Mittelpunkt stellen.

Ich möchte sehr dringlich davor warnen – obwohl ich den Anlass und die Verärgerung, die Gekränktheit, diese Positionen mit sachlicher Untermauerung verstehe –, jetzt, um das Gesicht zu wahren, Rechte zu behaupten und den Weg vor das Ziel zu stellen. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, Dinge – zwar berechtigt – zu verweigern, von denen wir wissen, dass sie der anderen Seite das Uns-Entgegenkommen erleichtern würden. – Wenn das etwas kryptisch klingt, dann sage ich es noch einmal im Klartext: Ich würde alles daransetzen und erwarte von der Bundesregierung, dass sie nicht das gekränkte Gesicht zeigt, sondern unserem Nachbarn die Hand entgegenstreckt, das würde mich etwas beruhigen. Es ist die Gefährdung unserer Bevölkerung, die damit hintangehalten wird.

Ich glaube, dass jede Prüfung die Beweislage unserer Argumentation einfach nur untermauert, obwohl ich mich durchaus der Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung anschließe. Ich denke aber, dass der Kernpunkt sein muss, dass unsere Regierung in Vereinbarkeit mit


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668. Sitzung / Seite 73

Maßnahmen, die die EU jetzt zu setzen in der Lage ist, der tschechischen Regierung Hilfestellungen beim Ausstieg aus dieser gefährlichen Technik anbietet.

Es ist natürlich für all jene, die sich in diesen Prozess eingebracht haben, sehr schwer verständlich, mit solch einer Kaltschnäuzigkeit behandelt zu werden. Auf der anderen Seite ist klar, dass der politische und auch der wirtschaftliche Faktor so bedeutend sind, dass unsere Proteste – wenn sie nicht von wirksamen Maßnahmen begleitet sind – akzeptiert werden können.

Präsident Havel hat die politische Größe zuzugeben, dass seine Haltung beziehungsweise Nicht-Haltung in dieser Frage ein Fehler war. Ich denke, wir sollten nicht auch diesen Fehler machen. Es muss möglich sein, über unseren Schatten zu springen und unseren Nachbarn die Hand entgegenzustrecken. In dieser Hand muss natürlich auch wirksame Hilfe enthalten sein, sei es Know-how, sei es finanzielle Hilfestellung.

Eine Problematik möchte ich noch zur Sprache bringen, die ich auch im Entschließungsantrag formulieren möchte, und zwar die Frage der Nutzung von Atomstrom innerösterreichisch an sich und auch die Problematik der Verschränkung im Bereich unserer Energiewirtschaft.

Wir müssen sicherstellen – da spreche ich vor allem an, für mich ist es ein Gerücht, ich habe keinen Zugang, um das zu verifizieren, dass die tschechische Regierung bereits jetzt einen Verkauf an die EdF anpeilt –, dass Österreich nicht auf Umwegen über Beteiligungen, über solche Kooperationen in die Situation kommt, entweder an solch problematischen Eigentumssituationen beteiligt zu sein beziehungsweise selbst auf Umwegen Atomstrom, also Strom aus Kernkraft zu verwenden. (Beifall bei der SPÖ.)

Um dieser Problematik Rechnung zu tragen, bringe ich nun folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Johann Kraml, Hedda Kainz und GenossInnen betreffend das Atomkraftwerk Temelin

Der Bundesrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird ersucht, auf nationaler und europäischer Ebene alles zu unternehmen, um eine endgültige Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Temelin zu verhindern. Mit der Republik Tschechien sind erneut Verhandlungen aufzunehmen, in denen einerseits von Seiten Österreichs Hilfe beim Ausstieg angeboten werden sollte, andererseits eine internationale Umweltverträglichkeitsprüfung erneut einzufordern ist.

2. Die Bundesregierung wird weiters ersucht, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um tschechische Atomstromexporte nach Österreich zu unterbinden.

3. Die Landesregierungen werden ersucht, den Landtagen rechtliche Maßnahmen vorzulegen, um auf Landesebene wirksame Maßnahmen gegen Atomstromimporte, insbesondere aus Tschechien, zu setzen.

4. Alle öffentlichen Eigentümer von Energieversorgungsunternehmen werden ersucht, bei der Vornahme von Privatisierungen sicherzustellen, dass keine Unternehmensanteile an ausländische Energieversorgungsunternehmen abgegeben werden, die europaweit Atomstrom vertreiben.

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

14.48


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668. Sitzung / Seite 74

Präsident Johann Payer:
Der von den Bundesräten Kraml und Genossen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Atomkraftwerk Temelin ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Michael Strugl. Ich erteile dieses.

14.49

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bemühungen der Bundesregierung in dieser Frage wurden in der Debatte schon mehrmals angesprochen und auch vom Herrn Umweltminister dargelegt.

Ich möchte noch einmal unterstreichen: Ich verstehe das so, dass es bereits über eine längere Zeit hinweg diese Bemühungen gibt – von der vorigen Bundesregierung, von dieser Bundesregierung, von den Landtagen, vom Nationalrat, vom Bundesrat, und ich sehe auch einen Konsens, der über die Grenzen der Fraktionen hinweg reicht. Ich glaube nicht, dass man dieser Bundesregierung einen Vorwurf machen kann, dass sie in dieser Frage zu wenig unternommen hat.

Ich erinnere an die Formulierungen in der Regierungserklärung, in der klar gemacht wurde, dass bei den Beitrittsverhandlungen das Augenmerk auf die Frage der nuklearen Sicherheit gelegt wird, dass es Bemühungen zur Stilllegung jener Atomkraftwerke gibt, von denen wir heute wissen, dass sie nicht nachrüstbar sind – also Bohunice, Ignalina und Kozloduj –, dass dies nach den vorgelegten und fixierten Stilllegungsplänen zu geschehen hat und dass für die übrigen Atomkraftwerke gilt, dass einerseits unbedingt notwendige Verbesserungsmaßnahmen durchzuführen sind und darüber hinaus Ausstiegsszenarien zu entwickeln sind, weil das langfristige Ziel sein muss, dass man Atomkraftwerke, letztlich über einen längeren Zeitraum gedacht, stilllegt.

Ich zitiere noch einmal: Die Bundesregierung wird Maßnahmen unterstützen, die zur Verbesserung der nuklearen Sicherheit in den beitrittswilligen Ländern führen, um ein Sicherheitsniveau zu erreichen, das dem Stand der Union hinsichtlich der Technologie und den Vorschriften sowie in operativer Hinsicht entspricht. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung auch die Ausarbeitung von Ausstiegsszenarien aus der Atomenergie.

Die Regierung hat auch von Anfang an im Hinblick auf die Außen- und Europapolitik klargemacht, dass darauf zu drängen ist – auch im Hinblick auf die Schlussfolgerungen des Rates, die unter österreichischer Präsidentschaft formuliert wurden –, dass die frühzeitige Stilllegung von nicht nachrüstbaren Reaktoren umzusetzen ist, dass das unbeschadet von unserer Zielsetzung ist, dass wir den Verzicht auf AKWs erreichen, insbesondere hinsichtlich jener, die sich in Grenznähe befinden, und dass höchstmögliche Sicherheitsstandards anzuwenden sind.

Die beitrittswilligen Länder werden aufgefordert, die nukleare Sicherheit so zu verbessern, dass ein Niveau erreicht wird, das dem Stand der Union hinsichtlich Technologie und Vorschriften in operativer Hinsicht entspricht. Das war eine klare Position.

Es hat in letzter Zeit betreffend Temelin einige Initiativen konkreter Natur gegeben, sie wurden in der Debatte schon erwähnt. Das Problem wurde vom Umweltminister und von der Außenministerin im Rat auf den "europäischen" Tisch gelegt. Es hat mehrfache Kontakte zwischen dem Bundeskanzler und Ministerpräsidenten Zeman in schriftlicher Form gegeben – mit dem Nachteil, dass er uns nicht geantwortet hat. Es wurden aber sehr klare Forderungen formuliert, dass der Kontakt endlich aufgenommen wird.

Unser Problem in dieser Frage ist, dass von der Tschechischen Republik der Dialog darüber verweigert wird, dass keine irreversiblen Maßnahmen gesetzt werden, dass die Espoo-Konvention ratifiziert wird, dass auch vom Staatsamt für nukleare Sicherheit strenge Maßstäbe angelegt werden und dass vor allem auch die wechselseitige Information gegeben ist.


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668. Sitzung / Seite 75

Neben allen europäischen Kontakten hat der Kontakt mit den tschechischen Nachbarn, wie gesagt, nichts gefruchtet. Die Vorbedingung, die für Gespräche zwischen Zeman und Schüssel gestellt wurde – man möge die Grenzen räumen –, ist einfach nicht akzeptabel. Das sollte man auch nicht vergessen, wenn man jetzt überlegt, warum es diese Gespräche nicht gegeben hat. Sie wurden verweigert, und zwar von der anderen Seite. Das muss man dazusagen.

Wir sind uns in so vielen Fragen einig, dass ich mich kurz fassen kann. In einem Punkt, so glaube ich, gibt es noch einen Auffassungsunterschied, und da möchte ich auch an die Ausführungen meiner Vorrednerin anknüpfen. Sie schlagen in Ihrer Formulierung der Entschließung vor, dass ein finanzielles Ausstiegs... (Bundesrat Konecny: Kollege! Sie sind nicht auf dem Laufenden! Drop it!)

Dann bin ich sehr froh darüber. (Bundesrätin Kainz: Aber wir schließen es nicht aus!)  – Nein, denn es ist auch immer formuliert worden: nicht in dieser, aber in anderer Form. Wenn es auch darüber Einigkeit gibt, dann kann ich meine Ausführungen beenden, denn dann sind sich alle einig, und dann können wir das machen, Herr Professor Konecny, was Sie vorhin vorgeschlagen haben, und auch in dieser Frage Einstimmigkeit erzielen – was mich freuen würde. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und SPÖ.)

14.55

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann. Ich erteile dieses.

14.55

Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen! Man kann von etlichen SPÖ-Initiativen der letzten Zeit sagen, dass sie rein folkloristischen Charakter hatten – auch in diesem Haus. Man versucht halt, sich als Opposition zu profilieren, und schießt dabei – noch immer nicht ganz trittsicher – gelegentlich über das Ziel hinaus.

Von der vorliegenden dringlichen Anfrage an den Umweltminister lässt sich das nicht behaupten. Kollege Kneifel hat es schon gesagt: Man kann in diesem Fall nicht genügend Fragen stellen – in der Tat: Die Beantwortung dieser Anfrage ist nicht nur für die SPÖ-Fraktion von Interesse gewesen, sondern für uns alle hier im Hause und für alle von Temelin Betroffenen. Ich denke, sie war auch befriedigend.

Noch einmal: Temelin weist zahlreiche sicherheitstechnische Defizite auf. Es besteht der dringende Verdacht, dass die Auslegung der Anlage im Bereich des Erdbebenschutzes unzureichend ist. Weitere Probleme werden beim Reaktordruckbehälter vermutet. Zusätzlich kam es im Verlauf des bereits mehr als 15 Jahre dauernden Baus infolge mangelnder Koordination zu zahlreichen Qualitätsmängeln beim Material und bei der Ausführung, die auch von führenden Nuklearexperten bestätigt wurden.

Wir haben schon gehört, eine Genehmigung dieses Reaktors wäre in Deutschland unmöglich und im Übrigen in Frankreich auch. Damit soll allerdings nicht insinuiert werden, dass es gute und böse Atomkraftwerke gibt. Erinnern wir uns: Es gab nicht nur Tschernobyl, es gab auch Sellafield und Harrisburg, und nicht umsonst steigt man in Deutschland aus der Nukleartechnologie aus.

Wir Freiheitlichen in Oberösterreich fordern daher seit geraumer Zeit im Kern folgende Punkte:

Erstens: Abschluss aller ausständigen UVP-Verfahren nach europäischen Normen mit internationaler Beteiligung mit Parteienstellung für die Nachbarstaaten. – Man muss das wiederholen. Das tschechische Parlament verschleppt noch immer die Ratifizierung der Espoo-Konvention. Österreich besitzt im UVP-Verfahren daher keine Parteistellung. Tschechien wird die Verpflichtung im Rahmen der EU-Beitrittspartnerschaften, nämlich bis Ende 2000 die Espoo-Konvention ratifiziert und praktisch umgesetzt zu haben, klar verfehlen.


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668. Sitzung / Seite 76

Zweitens: Klärung der offenen Sicherheitsfragen nach dem Stand der Technik in der EU – wobei angemerkt sein muss, es gibt keine genügend sicheren Atomkraftwerke.

Drittens: Die EU-Kommission soll offiziell feststellen, ob mit den vorhersehbaren Dumpingexporten von Atomstrom EU-Recht verletzt wird. Tschechien muss auf die Konsequenzen aufmerksam gemacht werden.

Viertens: Unterbrechung des Testbetriebes, bis diese Forderungen erfüllt sind.

Sollte Tschechien trotz nicht abgeschlossener UVP-Verfahren, trotzt mangelnder Sicherheitsstandards Temelin in den Vollbetrieb nehmen, dann kann es bei den Beitrittsverhandlungen keine Zustimmung zum Energiekapitel und somit auch keine Zustimmung zum EU-Beitritt Tschechiens geben.

Im Gegensatz zum oberösterreichischen Landeshauptmann sehe ich nichts Sittenwidriges darin, das Wort Veto in den Mund zu nehmen.

So leicht wie der Regierungsbeauftragte für die EU-Osterweiterung kann man es sich jedenfalls nicht machen. Wenn Herr Busek hier keine klaren Worte findet oder sich außer Stande sieht, klare Prioritäten zu Gunsten Österreichs zu setzen, dann sollte er den Hut nehmen und zurücktreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.59

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Marizzi. Ich erteile ihm dieses.

15.00

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde heute viel Richtiges und auch sehr Gescheites gesagt, und ich bin froh darüber, dass heute bei diesem ernsten Thema kein politisches Farbenspiel betrieben wurde. Es geht um die Sicherheit von Österreich, und ich weiß, wovon ich rede.

Ich habe eine Jugendsünde begangen. Ich musste früher in meinem Betrieb Kernkraftwerke bauen. Wir haben Kerndeckel, Kerngitter für den ganzen Primärkreislauf hergestellt. Ich war auch ein Kernkraftwerksbefürworter, und nach Harrisburg – nicht nach Tschernobyl – ist mein Umschwung gekommen; und Harrisburg ist westliche Technologie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war in Tschernobyl und habe mir einen Tag lang den Reaktor angesehen, den so genannte Sarkophag. Ich habe auch die Stadt Pripijt gesehen, die innerhalb von drei Stunden verlassen werden musste. Dort hängt die Wäsche, und die Geschäfte sind noch genau so, wie die Leute sie verlassen haben; die Kinderwägen stehen herum, die Autos stehen herum – das war eine Stadt mit 45 000 Einwohnern.

Wenn ich die Ereignisse von Tschernobyl auf Temelin projiziere – nehmen wir einmal an, es passiert ein schwerer Unfall in Temelin –, dann muss ich fragen, wohin die Österreicher auswandern sollen. Daher ist das Thema so ernst, und deshalb müssen wir es auch sehr ernst behandeln.

Ich glaube schon, dass die oberösterreichische Landesregierung und die Bundesregierung die richtigen Schritte setzen. Herr Bundesminister! Wir kennen uns, wir waren einmal Kollegen: du warst Generalsekretär und ich Zentralsekretär (Bundesminister Mag. Molterer: Aber nicht Parteikollegen!) – darum erwähne ich das. Ich kann mich noch daran erinnern, als Bundeskanzler Vranitzky damals das kernkraftwerksfreie Mitteleuropa initiiert hat. Da muss ich auch feststellen: Damals gab es nicht die Unterstützung aller Parteien. (Beifall bei der SPÖ.) Das muss man auch einmal mit aller Deutlichkeit sagen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Da gab es auch verschiedene Strömungen in Österreich, sehr geehrter Herr Kollege!


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Herr Bundesminister! Ich möchte jetzt nicht wiederholen, was schon alles gesagt wurde, sondern ich will drei Punkte ansprechen.

Die Tschechen – sprechen wir das einmal ganz offen aus – sind dabei, dieses Kraftwerk zu eröffnen und in Betrieb zu nehmen. Da gibt es natürlich auch andere Hintergründe: Da gibt es den Grund Geld von der Firma Westinghouse. Diese wollen natürlich auf Grund der tschechischen Technologie Zugang zu zukünftigen russischen Kraftwerken. Da gibt es natürlich auch in Europa Interessen, das zu forcieren, das muss man auch mit aller Deutlichkeit sagen. Wenn Temelin in der Schweiz liegen würde, dann würden die Franzosen oder andere europäische Länder wahrscheinlich anders reagieren. Daher ist das nicht nur ein bilaterales Problem, sondern auch ein zutiefst politisches, österreichisches und EU-Problem.

Ich habe Sie in der Sendung gesehen, und das hat mir ganz gut gefallen. Aber ich glaube, das muss man mit größerer Deutlichkeit aussprechen: Wenn ihr das Kernkraftwerk eröffnet, dann werden wir Österreicher bei eurem EU-Beitritt enorme Schwierigkeiten machen! – Das muss einmal klar und deutlich ausgesprochen werden. (Allgemeiner Beifall. – Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Zweiter Punkt: Wir alle wissen, dass Atomstrom nicht wettbewerbsfähig ist – wir alle wissen das –, aber es gibt in Europa die große Lobby der Atomstromproduzenten. Wir wissen, dass die Entsorgung, die Abwrackung und alle Bewachungsaggregate, die in Stand gesetzt werden – man braucht nur zu schauen, wie viel Geld Castor-Transporte gekostet haben –, subventioniert werden – teilweise von der Waffenindustrie, teilweise von Staaten, die sich auf Atomstrom fixiert haben. Daher ist der Atomstrom zu billig. Herr Bundesminister! Herr Nationalrat Oberhaidinger und ich haben in der letzten Legislaturperiode beim Wettbewerbskommissar den Antrag eingebracht, den Atomstrom als nicht wettbewerbsfähig zu erklären. – Ich kann mich erinnern, damals haben wir nicht die Unterstützung des seinerzeitigen Regierungspartners bekommen. Zwischen Worten und Taten sollte eigentlich kein Millimeter liegen.

Daher glaube ich, dass das Problem der Wettbewerbsfähigkeit und der langfristige Ausstieg aus Atomstrom über dieses Instrument gekippt werden könnten. Das wäre notwendig.

Letzter Punkt, Herr Bundesminister: Österreich bezieht Atomstrom, wahrscheinlich einen "netten" Atomstrom aus der Schweiz oder aus Frankreich. Manche Bundesländer – ich nenne zum Beispiel Vorarlberg – beziehen Atomstrom. Das wird verschwiegen. Wir regen uns auf der einen Seite auf, weil Temelin in Betrieb genommen wird, und auf der anderen Seite beziehen Bundesländer, Länder, denen die Energieversorgungsunternehmen gehören und die natürlich auch die politische Verantwortung diesbezüglich haben, Atomstrom.

Ich nehme die Steiermark her: Was ist in der Steiermark passiert? (Bundesrat Mag. Gudenus: Oberösterreich!) – Auch. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. ) – Ich habe gesagt, keiner ist fehlerfrei.

Aber wenn wir konsequent sein wollen, dann müssten wir gemeinsam in der Bundesregierung, im Nationalrat beschließen: Wir Österreicher sind nicht nur gegen Kernkraft, sondern wir sind generell gegen Atomstromimporte nach Österreich. (Beifall bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Wenn das geschieht, dann sind wir auch gegenüber den Tschechen und anderen atomstromproduzierenden Ländern glaubwürdig, weil dann Worte und Taten wieder übereinstimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

15.06

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ludwig Bieringer. Ich erteile es ihm.

15.06

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Entschließungsantrag der Bundesräte Kraml, Hedda Kainz und GenossInnen darf ich folgende Anmerkung machen:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 78

Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich das, was ich einmal sage, auch einzuhalten pflege. (Bundesrat Prähauser: Versuche! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Nicht "versuche", Herr Kollege Prähauser! Das dürftest du als mein ehemaliger Vizebürgermeister sehr wohl wissen, dass ich das, was ich sage, immer eingehalten habe.

Meine Damen und Herren! Was für die vorherige Regierung gegolten hat, gilt für mich selbstverständlich auch für die jetzige Regierungskoalition. Als die damalige Oppositionspartei FPÖ Entschließungsanträge eingebracht hat, habe ich immer gesagt: Wenn wir den Entschließungsantrag vor der Behandlung bekommen, bin ich gerne bereit, darüber zu reden.

Heute hat die SPÖ in ihrer neuen Funktion als Oppositionspartei einen Entschließungsantrag ... (Bundesrätin Mag. Trunk: So neu ist das nicht mehr!) – Frau Mag. Trunk! Sie haben von der Oppositionsparteiführung noch nicht sehr viel gelernt. Das müssen Sie erst lernen. (Beifall bei der ÖVP.) Aber ich streite nicht ab und bestreite nicht, dass Sie lernfähig sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. ) – Ich bestreite nicht, dass Sie lernfähig sind, und ich hoffe sehr, dass Sie dazulernen werden.

Wenn Sie in Hinkunft einen Entschließungsantrag einbringen, dann würde ich Sie bitten, diesen den Regierungsparteien vor dem Einbringen zukommen zu lassen, dann kann man über jeden Entschließungsantrag reden. (Bundesrätin Mag. Trunk: Brauchen Sie so lange zum Lesen?)

Frau Kollegin Trunk! Ob ich darüber lange rede oder nicht, das müssen Sie mir überlassen. Ich habe auch noch nie etwas gesagt, wenn Sie hier herausgegangen sind und Ihre Wortspenden, die meinem Dafürhalten nach überflüssig gewesen sind, abgegeben haben; ich habe das zur Kenntnis genommen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das Thema Atomenergie und Temelin ist für die beiden Regierungsparteien viel zu wichtig und wertvoll, als dass wir daraus politisches Kleingeld schlagen wollen. Das möchte ich ausdrücklich für beide Fraktionen festhalten.

Wir sind bereit, Ihrem Entschließungsantrag beizutreten, wenn wir den ersten Punkt dahin gehend abändern – ich darf das nun verlesen –:

"Die Bundesregierung wird ersucht, auf nationaler und europäischer Ebene alles zu unternehmen, um eine endgültige Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Temelin zu verhindern. Mit der Republik Tschechien sind erneut Verhandlungen aufzunehmen, in denen einerseits im Rahmen der Energiepartnerschaften von Seiten Österreichs Hilfe beim Ausstieg angeboten werden sollte, andererseits eine internationale Umweltverträglichkeitsprüfung erneut einzufordern ist."

Wenn das Ihre Zustimmung findet, dann darf ich Ihnen versichern, dass die FPÖ- und die ÖVP-Fraktion dieses Hauses auch zustimmen werden. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

15.10

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Molterer. Ich erteile es ihm.

15.10

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz aus meiner Sicht, weil die Frau Bundesrätin Kainz gesagt hat, es sollte nicht am Wahren des Gesichts scheitern, Folgendes festhalten:

Ich meine, dass wir alle glücklich gewesen sind und nach wie vor sind, dass wir die Jahre 1989 und 1990 erleben durften, dass der Eiserne Vorhang der Vergangenheit angehört und dass niemand Interesse hat, einen Vorhang, welchen immer, ob eisern oder sonst wie, zu errichten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 79

Zweitens sage ich klar, dass die österreichische Bundesregierung natürlich die Hand ausgestreckt hat, und zwar nicht erst seit gestern, sondern seit längerer Zeit. Allerdings erwarte ich, dass eine ausgestreckte Hand auch angenommen wird und nicht in der Luft hängen bleibt. Das ist jetzt aus meiner Sicht sehr wichtig. Wir erwarten von den tschechischen Partnern, dass sie diese ausgestreckte Hand annehmen.

Drittens: Es ist schon klar, dass wir als Bundesregierung im Interesse unserer österreichischen Bevölkerung und deren Sicherheit die Verpflichtung haben, klare Positionen zu vertreten. Ich meine, das ist Aufgabe der Bundesregierung, des Nationalrates, der Landtage und der Landesregierungen. Dazu sind wir da. Ich meine, dass Sicherheit nicht teilbar ist und bei der Sicherheit auch, ehrlich gesagt, die Frage des Kompromisses nicht sichtbar ist, weil Sicherheit eben unteilbar ist.

In diesem Sinne verstehe ich unsere Aktivitäten. In diesem Sinne verstehe ich auch den Appell an die tschechische Seite, diese ausgestreckte Hand letztendlich nicht zurückzuweisen, auf europäischer Ebene weiter für die Sicherheit zu kämpfen und auch auf europäischer Ebene sicherzustellen, dass Spielregeln eingehalten werden. Dazu haben wir die europäischen Spielregeln genau definiert. (Beifall bei der ÖVP:)

Meine Damen und Herren! Das ist genau das, was wir uns vorgenommen haben, um in Richtung Impuls und Initiative fortzusetzen. Ich meine, dass genau das jetzt Aufgabe der Europäischen Union und Aufgabe der Kommission ist, klarzumachen, das, was der Rat beschlossen hat, nämlich dass nukleare Sicherheit zentraler Gegenstand der Beitrittsverhandlungen ist, auch in die Realität umzusetzen. Es gibt die Ratsarbeitsgruppe Atom, die sich auf Auftrag des Rates und der Kommission mit der Definition beschäftigt. Genau das ist jetzt die Aufgabe, nämlich zu definieren, was der nukleare Sicherheitsstandard einerseits ist und was sich andererseits an Verpflichtung aus der Beitrittspartnerschaft Espoo-Konvention ergibt. Genau das ist jetzt Aufgabe auf europäischer Ebene, diesen Spielregeln zum Durchbruch zu verhelfen.

15.14

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konecny gemeldet. Ich erteile es ihm.

15.14

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen doch ein gemeinsames Auftreten nicht an den Tücken der Geschäftsordnung des Bundesrates scheitern lassen. Formal korrekt bringe ich hiemit zum Ausdruck, dass ich den bereits eingebrachten Entschließungsantrag der Bundesräte Kraml, Kainz und GenossInnen zurückziehe, einen Entschließungsantrag derselben Antragstellerinnen und Antragsteller einbringe, der bei gleich bleibender Begründung folgenden Wortlaut hat:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Johann Kraml, Ludwig Bieringer, Hedda Kainz und GenossInnen betreffend das Atomkraftwerk Temelin

Der Bundesrat wolle beschließen:

  1. Die Bundesregierung wird ersucht, auf nationaler und europäischer Ebene alles zu unternehmen, um eine endgültige Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Temelin zu verhindern. Mit der Republik Tschechien sind erneut Verhandlungen aufzunehmen, in denen einerseits im Rahmen der Energiepartnerschaften von Seiten Österreichs Hilfe beim Ausstieg angeboten werden sollte, andererseits eine internationale Umweltverträglichkeitsprüfung erneut einzufordern ist.
  2. Die Bundesregierung wird weiters ersucht, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um tschechische Atomstromexporte nach Österreich zu unterbinden.

  3. Bundesrat
    Stenographisches Protokoll
    668. Sitzung / Seite 80

    Die Landesregierungen werden ersucht, den Landtagen rechtliche Maßnahmen vorzulegen, um auf Landesebene wirksame Maßnahmen gegen Atomstromimporte, insbesondere aus Tschechien, zu setzen.
  4. Alle öffentlichen Eigentümer von Energieversorgungsunternehmen werden ersucht, bei der Vornahme von Privatisierungen sicherzustellen, dass keine Unternehmensanteile an ausländische Energieversorgungsunternehmen abgegeben werden, die europaweit Atomstrom vertreiben.

*****

Das ist jene Formulierung, die wir gefunden haben, die nun geschäftsordnungsmäßig gültig neu eingebracht ist. Ich bin sicher, dass wir durch eine gemeinsame Beschlussfassung eine richtige Haltung unseres Landes in dieser Frage zum Ausdruck bringen können. (Beifall bei der SPÖ.)

15.16

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Herrn Bundesrat Professor Böhm das Wort. – Bitte.

15.16

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kann mich sehr kurz fassen, da diese Entschließung der von unserer Fraktion langjährig vertretenen politischen Linie entspricht, und wir haben diesbezüglich zweifellos nie einen Kurswechsel vorgenommen. Wir werden diesem Entschließungsantrag gerne unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.17

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bevor ich das ordnungsgemäße Einlangen eines solchen Antrages feststellen kann, müssen noch die notwendigen Unterschriften eingeholt werden. Ich möchte in der Zwischenzeit aber die Antragsteller des ursprünglichen Antrages, die Kollegen Kraml und Hedda Kainz, fragen, ob die Ankündigung des Herrn Fraktionsvorsitzenden Konecny zutreffend ist, dass Sie – das müssen Sie persönlich erklären – diesen Antrag zurückziehen. (Die Bundesräte Kraml und Kainz nicken.) – Ich stelle hiemit fest, dass die Antragsteller diesen Antrag zurückgezogen haben.

Der von den Bundesräten Kraml, Bieringer, Kainz eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung. Der Wortlaut ist Ihnen bekannt.

Wird in der Debatte noch eine weitere Wortmeldung gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Kraml und GenossInnen auf Fassung einer Entschließung betreffend das Atomkraftwerk Temelin vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E. 164)

Eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung. – Bitte.

15.19

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Bevor Sie die nächste dringliche Anfrage aufrufen, eine kurze Feststellung:

Ich habe heute Morgen bei dem üblicherweise von den Mitgliedern des Hauses nicht als spannendst empfundenen Punkt unserer Beratungen, nämlich bei der Mitteilung über


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 81

Ministervertretungen, wie ein Haftelmacher aufgepasst. Herr Minister Scheibner war nicht unter jenen, die uns als vertreten und nicht anwesend mitgeteilt wurden. Wir haben daher im guten Glauben eine dringliche Anfrage an ihn eingebracht.

Wir haben in der Zwischenzeit festgestellt, dass der Herr Bundespräsident sehr wohl durch Entschließung Herrn Minister Böhmdorfer mit der Vertretung des Herrn Ministers Scheibner betraut hat, der auf dem Golan weilt. In welch Kosten sparender Weise er dort hingekommen ist, wird vielleicht Gegenstand anderer dringlicher Anfragen sein. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Aber es bleibt Tatsache, dass es das Bundeskanzleramt verabsäumt hat, den Bundesrat über diese Ministervertretung, die für unsere Beratungen wohl Bedeutung hat, zu informieren.

Herr Bundesminister! Sie kommen mit viel Sukkurs, aber natürlich nicht zu Fragen Ihres Ressorts zur Auskunftserteilung. Ich verspreche Ihnen, dass wir zur Kenntnis nehmen, dass Sie sich bei Ihren Informationen auf allgemeine politische Kenntnisse und eine Anzahl von Detailinformationen aus dem Ressort stützen können, aber wir sprechen natürlich nicht über Ihren Geschäftsbereich.

Ich gestatte mir, an dieser Stelle eine zweite Bemerkung anzufügen. Ich habe an Herrn Minister Scheibner eine Anfrage hinsichtlich Kasernenverkäufe gerichtet. Ich hatte die Absicht, in der heutigen Sitzung hiezu eine Anfragebesprechung zu verlangen, weil auch diese Anfragebeantwortung unbefriedigend ist. In diesem Fall – bei einer Anfragebesprechung geht es um den lebendigen Dialog zwischen dem, über dessen Angelegenheiten gesprochen wird, und dem Fragesteller – verzichte ich darauf, Herrn Minister Böhmdorfer ersatzweise zu beanspruchen.

Ich mache aber bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam, dass unsere Geschäftsordnung hier eine Schwäche aufweist. Auf Grund unserer Geschäftsordnung kann ich nämlich nur in jener Sitzung die Besprechung der Anfragebeantwortung verlangen, die nach dem Tag stattfindet, an dem die Anfragebeantwortung übermittelt wurde. Meine Möglichkeit, diese Debatte zu führen, ist durch die Abwesenheit des Kollegen Scheibner – die ihm zusteht, das ist nicht der Punkt – gewissermaßen "kassiert", was mir doch eine etwas harte Strafe für eine von Seiten des Fragestellers absolut unverschuldete Golan-Reise zu sein scheint. (Beifall bei der SPÖ.)

15.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Auch eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung: Herr Professor Böhm. – Bitte.

15.23

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Obwohl der Fehler nicht bei unserer Fraktion, bei unserem Klub liegt, möchte ich die Kritik an sich als berechtigt ansehen und verstehe sie daher. Ich möchte nur der Vollständigkeit und der Information halber mitteilen, dass Ihre Fraktion von dem Auslandsaufenthalt des Verteidigungsministers Kenntnis hatte, weil alle Wehrsprecher zu dieser Reise auf die Golanhöhen eingeladen waren. Das diene nur der Vollständigkeit halber, dass Sie daher von seiner Abwesenheit wussten und daher eine kritikwürdige Informationspanne ausgenützt haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.24

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Stefan Prähauser, Klaus Gasteiger, Herbert Würschl und GenossInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend fragwürdige Kaufentscheidung für die Hubschrauber des US-Anbieters Sikorsky – Schädigung der SteuerzahlerInnen um 530 Millionen Schilling (1738/J-BR/00)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Stefan Prähauser und GenossInnen an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 82

Da die Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile nunmehr Herrn Bundesrat Stefan Prähauser als erstem Anfragesteller zur Begründung das Wort. – Bitte.

15.24

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Durch die Lawinenkatastrophe von Galtür hat sich herausgestellt, dass das österreichische Bundesheer selbst in einem beschränkten Katastrophenfall nur ungenügend über Transportkapazitäten verfügt. Die damalige Bundesregierung reagierte sofort, und bereits im April 1999 wurde der Ankauf von Transporthubschraubern der Nutzklasse von 3 bis 4,5 Tonnen mit einer möglichst großen Personentransportkapazität beschlossen. Der Finanzierungsbetrag für neun Transporthubschrauber – mit einer Option auf drei weitere – wurde mit 2,4 Milliarden Schilling festgelegt.

Nach einem unverständlich langen Auswahlverfahren blieben im Juli 2000 zwei Modelle übrig, das US-Modell "Black Hawk" und das europäische Modell "Cougar", wobei der Vergleich des Verteidigungsministeriums ergab, dass beide Modelle bei der Kosten-Nutzen-Analyse als absolut gleichwertig angesehen werden müssen.

Nach den vorliegenden Angeboten ist das europäische Offert "Cougar" um 530 Millionen Schilling billiger. Das Ergebnis der Prüfung der beiden Angebote durch das Wirtschaftsministerium beziehungsweise durch das Wifo räumt dem europäischen Offert deutliche Vorteile bei den Gegengeschäften ein.

Obwohl der Schlusstermin mit 31. August 2000 festgelegt war, konnte der US-Anbieter Sikorsky am 23. September 2000 ein Nachbesserungsangebot betreffend den Abwicklungszeitraum abgeben und dabei mit den zehn Jahren des europäischen Angebotes von Eurocopter gleichziehen.

Signifikant für den gesamten Beschaffungsvorgang ist, dass die Entscheidung immer wieder hinausgezögert wurde, um angesichts des verschärften Sparkurses augenscheinlich zu verschleiern, dass ein um 530 Millionen Schilling teureres System beschafft und eine für den Kampfeinsatz geeignete Version weiterhin im Spiel gehalten werden soll.

Meine Damen und Herren! Ich nehme nicht ernst, was kolportiert wird, nämlich dass die angebliche Rolle von Deutschland und Frankreich bei den Sanktionen gegen Österreich – im Hintergrund bei der Meinungsbildung – der Grund dafür war, kein europäisches Produkt zu verwenden. Ich verweise nur auf die Affäre rund um Waldheim. Damals waren die Amerikaner jene, die sich nicht die Freundschaft der heutigen Koalition zugezogen haben. Daher, so glaube ich, kann das wohl nicht ernst gemeint sein.

Ich glaube vielmehr, dass die Überlegungen, doch vielleicht Kampfhubschrauber zu bekommen, die weitaus dringlicheren für die Koalition oder auch für das Verteidigungsministerium gewesen sind. Wir wissen, dass beim europäischen Hubschrauber mehr Augenmerk auf den Transport gelegt wird, während die Bewaffnungsmöglichkeit des "Black Hawk" augenscheinlich ist. Letztendlich war er aber auch nicht der geeignete Kampfhubschrauber, den man sich bei der Planung in Amerika zu bauen vorgenommen hat.

Einschlägige Erfahrungen aus dem Vietnamkrieg haben bewiesen, dass man sich auch unter diesem Gerät nicht unbedingt einen Kampfhubschrauber vorstellen kann. Es kann sich jeder ausrechnen, dass, wenn dieser Hubschrauber ausgerüstet beziehungsweise entsprechend bewaffnet wird, er natürlich Probleme beim Transport von Menschen oder Material haben wird. Dann kann natürlich nicht die volle Leistung erzielt werden.

Wenn man aus den Erfahrungen von Galtür Resümee zieht, dann sollte man nachfragen, warum der einzig wirkliche Transporthubschrauber, nämlich der Italiener, so bald ausgeschieden wurde und man sich auf zwei Hubschrauber festgelegt hat, die beide ein Defizit mit einfahren.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 83

Zu unterstreichen gilt es selbstverständlich die Kompensationsgeschäfte, die auch von den Amerikanern nachgebessert wurden – auf eigentümliche Weise. Jeder, der in der Privatwirtschaft zu tun hat, weiß, was Offertschluss heißt. Wenn Offerte geöffnet werden, kann niemand mehr kommen und sagen: Ich hätte es schon ein bisschen billiger gemacht, wenn ich gewusst hätte, was der andere verlangt. – Diesbezüglich haben wir nicht sehr gewissenhaft gehandelt. Letztendlich hat der Steuerzahler die finanziellen Belastungen zu tragen.

Ich glaube, meine Damen und Herren, dass man, wenn man das heute noch einmal diskutiert, noch einige Punkte berücksichtigen muss. Zum Vergleich der beiden Hubschraubertypen: Beide Typen erfüllen alle Muss-Forderungen.

Beide Typen erfüllen die Normen der geforderten Crash-Festigkeit. Natürlich – das weiß jeder – ist ein Mercedes ein bisschen besser als ein VW. Die Frage ist, was er können muss. Das ist natürlich auch in der Relation teurer, wie wir das heute auch sehen.

Der "Black Hawk" ist, wie ich gesagt habe, für den Kampfeinsatz geeignet und technisch dafür vorbereitet. Nur wenn er entsprechend bewaffnet ist, ist er kein Transporthubschrauber mehr. Die Transportkapazität des europäischen "Cougar" ist höher, in Bezug auf die Bewaffnung ist er etwas schwächer.

Der heute Gott sei Dank gute Stellenwert des österreichischen Bundesheeres in den Augen der Bevölkerung fußt nicht zuletzt darauf, dass sich das Bundesheer gerade bei Katastropheneinsätzen unbezahlbare Verdienste erworben hat und das Vertrauen in das Bundesheer auf Grund dieser Ereignisse noch viel größer geworden ist. Daher glaube ich, dass nicht nach der ent-sprechenden Bewaffnung, sondern nach dem, was bei diesen Katastrophen geleistet wurde, beurteilt wird.

Ich stehe nicht an, zu sagen, dass ein Hubschrauber natürlich auch in der Lage sein sollte, sich zu verteidigen. Das heißt aber nicht, den "Apache", der extra in Amerika dafür entwickelt wurde, anzugreifen, weil es der "Black Hawk" nicht kann. Wenn man so etwas wollte, sollte man es sagen, meine Damen und Herren! Aber ich glaube, da gibt es Interessen, die wir nicht beurteilen können, die ich aber vom Herrn Minister – in dem Fall tut es mir Leid, dass der Herr Verteidigungsminister nicht hier ist – erfahren wollte.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, der "Cougar" wird in Spanien, in Frankreich, in Holland, in der Schweiz, in Griechenland, in Schweden und in der Türkei eingesetzt, der "Black Hawk" in den USA, in der Türkei und bei der spanischen Marine.

Wenn wir bei einem europäischen Verbund davon ausgehen – Österreich wird im Herbst der europäischen Rüstungsinitiative beitreten –, dass wir europäische Rüstungsgüter bevorzugen sollen, dann frage ich mich, was man sich bei dieser Vorgehensweise gedacht hat. Nicht zuletzt sollte man doch auch wissen, dass es sicher schwieriger sein wird, Ersatzteile über den Atlantik zu transportieren, als im europäischen Raum dafür Sorge zu tragen.

Meine Damen und Herren! Die Beschaffungskosten des "Black Hawk" sind um 530 Millionen Schilling höher. Da, so glaube ich, waren keine Wirtschaftsexperten an vorderster Front dabei, denn sonst müsste man draufkommen, wenn man in einem Land wie Österreich so lange braucht, notwendige Fluggeräte wie diese Hubschrauber zu besorgen, dass man zu den neun noch drei braucht, um auf eine Staffel von 12 zu kommen. (Bundesrat Ing. Scheuch: Sie haben dazu sehr lange Zeit gehabt! 30 Jahre!)

Herr Kollege Scheuch! Sie wissen gar nicht, was ich sagen will. Probieren Sie, einmal zuzu-hören, vielleicht können Sie dann etwas dazu beitragen, das besser umzusetzen. (Bundesrat Ing. Scheuch: Das habe ich getan!) – Nein, noch nicht, Sie wissen gar nicht, was ich sagen will, Herr Kollege! Ich versuche es noch einmal, damit auch Sie es verstehen.

Wir haben jetzt neun bestellt, drei auf Option. Eine Flugstaffel hat zwölf, nicht neun Hubschrauber. Jeder weiß, damit es funktionieren kann, brauchen wir zwölf Geräte. Wir wissen aber jetzt, dass wir heute 530 Millionen mehr ausgeben. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was es heißt,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 84

wenn der Euro sinkt, denn dann ist die Wettbewerbsfähigkeit mit den Nicht-Euro-Ländern, wenn ich etwas exportieren will, wesentlich größer, weil wir billiger liefern. Teurer wird es, wenn ich etwas hereinhole. Wieso man auf die Idee kommt, jetzt mit teuren Dollars Hubschrauber einzuführen, weiß ich nicht, da doch der Betrag von 530 Millionen eineinhalb Hubschraubern entspricht. Wir bräuchten nicht von neun plus drei reden, wir könnten heute schon von zehneinhalb plus eineinhalb sprechen und würden den Dienst für das Bundesheer vorantreiben, aber auch eventuellen Katastropheneinsätzen gewappnet gegenüberstehen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass man, wenn man den Sparwillen der österreichischen Bevölkerung geradezu herausfordert, mit gutem Beispiel vorangehen, bei solchen Beschaffungen, die der Friedenssicherung und der Katastrophenbewältigung dienen sollen, auf die Börsen der Österreicherinnen und Österreicher schauen und Eitelkeiten, dass man auch in der Lage sein muss, Angriffe zu tätigen, vermeiden sollte. – Ich weiß nicht, an wen wir dabei denken. Ich kann mir das nicht vorstellen.

Wir haben uns nicht für das richtige Gerät entschieden – zulasten des Steuerzahlers, aber vor allem zulasten des Bundesheeres und zulasten jener, die dadurch vielleicht nicht in den Genuss einer rechtzeitigen Rettung durch die Hubschrauber und das Bundesheer kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung hat sich in verfassungsmäßiger Vertretung des Herrn Bundesministers für Landesverteidigung der Herr Bundesminister für Justiz, Dr. Dieter Böhmdorfer, zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

15.33

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich danke für Ihr Verständnis, das zum Ausdruck gekommen ist. Ich betone nochmals, der Herr Verteidigungsminister befindet sich in Syrien. Ich habe ihn auch gestern schon im Ministerrat vertreten. Ich glaube, irgendeine Chance bestand schon, dass sich das herumgesprochen haben könnte.

Aber ich bitte, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich nach bestem Wissen und nach ausführlicher Vorbereitung mit den Mitarbeitern des Herrn Verteidigungsministers diese Fragen beantworten kann. Ich gehe davon aus, dass die Fragen vor Ihnen liegen, sodass ich nicht die Fragentexte, sondern nur die Antworten unter Bezeichnung der Fragen verlesen kann.

Zu Frage 1:

Die Vorgaben für die Beschaffung der Mehrzweckhubschrauber sind im militärischen Pflichtenheft und in den Ausschreibungsunterlagen enthalten.

Zu Frage 2:

Die kurze und klare Antwort lautet ja.

Zu Frage 3:

Das Verfahren wurde als freihändige Vergabe nach Angebotseinholung im Wettbewerb gemäß ÖNORM A 2050 abgewickelt. Hiezu wurden in der zweiten Jahreshälfte 1999 Angebote für die präqualifizierten Hubschraubertypen eingeholt und bewertet. Im ersten Halbjahr 2000 wurden "final last best offers" für die nach der Bewertung 1999 verbliebenen Typen der Hersteller Eurocopter und Sikorsky durchgeführt. Parallel dazu hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Angebote für den wirtschaftlichen Ausgleich eingeholt.

Zu Frage 4:

Es wurde ein Bewertungskatalog erstellt, der 61 Muss- und 66 Soll-Positionen enthält, wobei für den Fall der Gleichwertigkeit der Angebote die Befassung des Bundesministeriums für Wirt-schaft und Arbeit vorgesehen war.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 85

Zu Frage 5:

Diese Frage betrifft nicht den Vollzugsbereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung, sondern jenen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass der Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit keine Empfehlung für eine der beiden Typen zu entnehmen ist.

Zu Frage 6:

Zur Typenentscheidung wurden der Bericht der Bewertungskommission und das Gutachten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit herangezogen. Bei der Berücksichtigung sowohl der militärischen als auch der wirtschaftlichen Gesichtspunkte brachten letztlich die besseren Transporteigenschaften, die höheren Leistungsreserven, die hervorragende Hochgebirgstauglichkeit und die umfangreichere Sicherheitsausstattung mit besserer Crash-Festigkeit den Ausschlag für den "Black Hawk", der sich weiters durch geringen Personal- und Wartungsaufwand auszeichnet.

Zu Frage 7:

Tatsächlich wurde die Lebensdauer-Kostenberechnung für eine Nutzungsdauer von 30 Jahren und für ein vorgegebenes Einsatzprofil erhoben. Die im Bundesministerium für Landesverteidigung im Vorlauf zum Vergabeverfahren erworbenen Fachkenntnisse sowie die umfangreiche vorliegende Dokumentation dieser in großen Stückzahlen in anderen Streitkräften erfolgreich verwendeten Hubschrauber machte den Aufwand an Kosten und Zeit, die durch eine Vergleichserprobung verursacht werden, verzichtbar. Eine Ausfallmusterprüfung ist vorgesehen.

Zu Frage 8:

Die genauen Lieferbedingungen sind Gegenstand der anstehenden Vertragsverhandlungen.

Zu Frage 9:

Die optimierten Zahlungsmodalitäten sind Teil der Vertragsverhandlungen.

Zu Frage 10:

Bundesminister Scheibner hat mit dem Bundesminister für Finanzen am 8. 3. 2000 vereinbart, dass die Bestellung der Hubschrauber noch im Jahr 2000 eingeleitet werden könne, wobei die Zahlungen ab dem Jahr 2001 in sechs Jahrestangenten erfolgen sollen, die dem Landesverteidigungsbudget im jeweiligen Budgetjahr auf der Basis des BVA 1999 zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Es gibt eine diesbezügliche schriftliche Zusage des Bundesministers für Finanzen vom 10. 4. 2000.

Zu Frage 11:

Wie der Beantwortung der Frage 8 zu entnehmen ist, wurde der Kaufvertrag noch nicht erstellt. Jedenfalls wird es im Vollziehungsbereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung keine Provisionszahlungen geben.

Zu Frage 12:

Diese Frage ist Gegenstand der bevorstehenden Vertragsverhandlungen.

Zu den Fragen 13 und 14:

Die Wahrnehmung dieser Tätigkeiten gehört zu den Dienstobliegenheiten der Ressortbediensteten des Bundesministeriums für Landesverteidigung. Das Bundesministerium für Landesverteidigung behält sich die Beiziehung allenfalls erforderlicher Sachverständiger vor. – Danke schön.

15.39


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 86

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Klaus Gasteiger das Wort. – Bitte.

15.39

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Minister Böhmdorfer! Der Kauf von Transporthubschraubern zum Personentransport im Katastrophenfall ist nach dem Lawinenunglück von Galtür und Valzur im Februar des Vorjahres bereits im April des gleichen Jahres von der damaligen Regierung unter Vorsitz des damaligen Bundeskanzlers Mag. Viktor Klima beschlossen worden.

Damals hatte sich herausgestellt, dass das österreichische Bundesheer selbst in einem beschränkten Katastrophenfall nur ungenügend über Transportkapazitäten verfügt. Andere Armeen mussten mit den Hubschraubern aushelfen, um das Dorf zu versorgen, um Menschen aus dem Tal auszufliegen. Ich glaube, diese traurige Geschichte ist jedem bekannt.

Nach einem langen Auswahlverfahren blieben zwei Modelle übrig – das US-Modell "Black Hawk" und das europäische Modell "Cougar", wobei der interne Vergleich des Verteidigungsministeriums ergab, dass beide Modelle als absolut gleichwertig im Bereich von Kosten und Nutzen angesehen werden müssen. Von den vorliegenden Angeboten ist das europäische Offert gegenüber dem US-Angebot um 530 Millionen billiger.

Die Taktik war offensichtlich: Der Verteidigungsminister will angesichts des verschärften Sparkurses verschleiern, dass bei zwei gleichwertigen Modellen der um eine halbe Milliarde Schilling teurere amerikanische "Black Hawk" den Zuschlag erhalten hat. Dabei bestimmt die nach dem Lawinenunglück von Galtür getroffene Entscheidung eindeutig den Kauf von Transporthubschraubern und nicht den Kauf von Kampfhubschraubern für den Katastropheneinsatz.

In Zeiten, in denen sich Österreich verstärkt bemühen müsste und auch bemüht, an einem eigenen europäischen Sicherheitssystem mitzuwirken, und angesichts der Tatsache, dass Österreich in Kürze der europäischen Rüstungsinitiative beitritt, ist es für die EU-Partner sicherlich schwer verständlich, warum sich Österreich gegen das europäische Produkt entschieden hat.

Die Bewertung des Verteidigungsministeriums ergab bei der Kosten-Nutzen-Analyse eine absolute Gleichwertigkeit. Das Ergebnis der Prüfung der Gegengeschäftsangebote durch das Wirtschaftsministerium und das Wirtschaftsforschungsinstitut fiel zu Gunsten des europäischen Offertes aus, das auch um 530 Millionen Schilling – wie schon öfter genannt – billiger ist.

Was könnte man mit diesem Geld, diesen 530 Millionen Schilling machen? – Es fehlt unserem Bundesheer an modernen Rettungsgeräten, teilweise an Munitionsausstattungen – jetzt denkt man daran, die Sicherheitseinsätze am Golan oder in Zypern zurückzunehmen –, es fehlt auch vielfach  an der Logistik. Es fehlt einfach überall etwas. (Bundesrat Grissemann: Aber Hubschrauber braucht man! Da sind wir uns alle einig! – Bundesrat Ing. Scheuch: Sind Sie jetzt für oder gegen die Hubschrauber? – Bundesrat Hagen: Das war die alte Regierung unter dem Vor-sitzenden Klima!)

Wenn von Seiten des Herrn Verteidigungsministers argumentiert wird, er bevorzuge den US-Helikopter, weil dieser mit höheren Geschwindigkeiten und mehr Lasten fliegen könne und den militärischen Anforderungen besser entspräche, dann müsste er auch dazu sagen, dass beide Typen allen vom Bundesheer aufgestellten militärischen Muss-Forderungen entsprechen.

Abgesehen von der Differenz im Kaufpreises in der Höhe von mehr als einer halben Milliarde Schilling ist einer Entscheidung für die teure US-Variante "Black Hawk" in Zeiten, in denen die


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Bevölkerung zu großen und finanziell schmerzlichen Opfern gezwungen wird, absolut mit Unverständnis zu begegnen.

Interne Berechnungen im Verteidigungsministerium hätten darüber hinaus ergeben, dass die Betriebskosten für den "Black Hawk" pro Jahr um 15 Millionen Schilling über dem europäischen Modell "Cougar" liegen. Im neuesten Bericht des Wirtschaftsministeriums und in einem Wifo-Gutachten, in dem die Gegengeschäfte bewertet werden, wurde darüber hinaus festgehalten, dass das europäische Offert deutliche qualitative Vorteile aufweist und die Kompensationsverpflichtungen in einem direkten Zusammenhang mit den österreichischen Arbeitsplätzen stehen.

Den politischen Hintergrund der getroffenen Entscheidungen über Gegengeschäfte bilden zwei strategische Weichenstellungen, die vor allem für die europäischen Märkte, für die Luftfahrt-Zulieferer und für die österreichischen Lieferanten von militärischen Ausrüstungen – das sind auch nicht wenige – unabsehbare Auswirkungen haben werden.

Die sich in Ansätzen befindlichen Bemühungen um eine eigenständige europäische Verteidi-gungspolitik und – von dieser abgeleitet – auch um eine besser koordinierte europäische Industriepolitik im Bereich der militärischen Beschaffung haben bereits zu einer gewissen Rivalität mit amerikanischen Auffassungen geführt, die die amerikanische Dominanz nicht nur in militärischen Fragen, sondern auch bei der Ausrüstung und vor allem im Bereich der Luft- und Raumverteidigung sichern möchten.

Gleichzeitig ist die österreichische Bundesregierung im Begriff, die Stellung Österreichs zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik neu zu definieren – mit Verlaub, Herr Präsident, zitiere ich –:

Die Bundesregierung bekennt sich zum zügigen Aufbau einer europäischen Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft. Das Bundesheer muss für diese Aufgaben einschließlich der Teilnahme am gesamten Spektrum des europäischen Krisenmanagements, der Stabilitäts- und der europäischen Beistandsaufgaben vorbereitet werden. – So die Aussagen aus dem Regierungsübereinkommen.

Eine Frage bleibt natürlich offen: Wenn man sich in Österreich für ein US-amerikanisches Modell entscheidet – inwieweit werden dann unsere gemeinsamen Bemühungen fruchten und inwieweit kann sich Österreich einbringen.

In der "Presse" vom 10. 10. – ich zitiere – steht: "Lob und Tadel für Helikopter-Kauf

Der Verteidigungsminister wird von der ÖVP wegen des Typenentscheids beim Helikopter-Kauf gelobt, von der Industrie getadelt.

Die Entscheidung, für das Heer neun Black Hawk zu kaufen, sei eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit gewesen", so der ÖVP-Wehrsprecher, der Tiroler Günther Platter. – Bis hierher kann ich das Ganze unterstützen. Selbstverständlich kann ich auch das Ansinnen des Kollegen Platter, in Tirol zwei Hubschrauber zu stationieren, unterstützen.

"Im Gegensatz dazu zeigt sich der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Lorenz Fritz, ,unglücklich‘: Das Potential der von Eurocopter angebotenen Kompensationsgeschäfte wäre wesentlich höher gewesen."

Zwei Punkte darf ich herausnehmen: Sikorsky definiert die Projekte nur mit dem ARC-Seibersdorf, und Eurocopter bietet – nur in diesem einen Bereich der Forschung und Entwicklung – Projekte mit mehreren österreichischen Forschungsinstituten an. Das Angebot von Eurocopter zeichnet sich durch eine ausgewogene branchenmäßige, regionalpolitische und betriebsgrößenmäßige Streuung aus. Die von Eurocopter als strategische Schwerpunkte bezeichneten Projekte nehmen besonders Bezug auf die Schwerpunkte in Österreich – die Industrie der Schiene und der Automobile –, die europaweit, aber auch in Österreich, wie gesagt, als Schlüsselindustrien gelten. Sikorsky konzentriert sich eher nur auf die Luftfahrtindustrie, die in Österreich bekanntlich nicht so groß ist.


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Zum Schluss bleibt eines übrig, und das hat, so glaube ich, Herr Minister Scheibner zu verantworten. Zum Ersten hat er zu verantworten, dass die einschlägige Industrie der Zulieferanten im militärischen Bereich auf Grund der Kompensationsgeschäfte jetzt leider nicht zum Zug kommt. Da hat er sicherlich Erklärungsbedarf. Zum Zweiten wird er gegenüber dem österreichischen Steuerzahler Erklärungsbedarf haben, warum er ein um 530 Millionen Schilling teureres Gerät kauft. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. )

15.48

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein das Wort. – Bitte.

15.48

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Verehrte liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon etliches gesagt. Ich muss sagen, da ich für eine starke Landesverteidigung bin, tut es mir sehr Leid, dass wir nicht beide Hubschraubertypen für unsere Armee haben: den sehr effizienten Kampfhubschrauber, der auch Transporthubschrauber ist, den amerikanischen "Black Hawk" und auf der anderen Seite den französisch-deutschen Puma "Cougar". Es ist auch die Argumentation völlig richtig, dass wir in Europa natürlich auch die europäische Basis sehen müssen.

Aber ich glaube, wir müssen uns darüber im Klaren sein: Wir haben in Wahrheit schon seit Jahren einen Bedarf an Hubschraubererneuerung. Der schwere Unfall in Galtür hat das vor Augen geführt, und wir haben unmittelbar anschließend – das liegt jetzt schon über eineinhalb Jahre zurück – beschlossen, sofort Hubschrauber zu kaufen – Hubschrauber für das Bundesheer, die auch für solche Katastrophenfälle zur Verfügung stehen und helfen können.

Die Entscheidung ist jetzt für den "Black Hawk" gefallen. Für die militärische Seite – man muss es als militärische Seite sehen, wenn das Bundesheer einen Helikopter hat – hat er zweifelsohne klare Vorzüge gegenüber dem Konkurrenzmodell "Cougar". Dazu zählen vor allem die besseren Transporteigenschaften, die höheren Leistungsreserven und eine umfangreiche Sicherheitsausstattung. Auslöser war, wie gesagt, Galtür.

Die Kosten des Auftrages zu Gunsten von "Black Hawk", der auch bei Evakuierungsflügen im Paznaun im Einsatz gewesen ist, belaufen sich auf 2,9 Milliarden Schilling. Die Entscheidung ist auch aus wirtschaftlicher Sicht machbar. Das Volumen der Kompensationsgeschäfte, die Sikorsky gegenüber Österreich angeboten hat, liegt bei 5,8 Milliarden Schilling. Das entspricht zumindest dem doppelten Wert des Auftragswertes für die Helikopter.

Die Auslieferung der ersten Maschinen werde in etwa 20 Wochen erfolgen. Der "Black Hawk" ist ein Mehrzweckhubschrauber mit zwei Triebwerken, die je 1940 PS leisten. Ich werde jetzt über den "Black Hawk" sprechen, weil die Entscheidung zu seinen Gunsten gefallen ist. Aber ich muss sagen, der "Puma" hat auch große Vorteile, aber ich muss mich jetzt stärker auf einen konzentrieren.

Dieser Antrieb verleiht dem Hubschrauber eine hervorragende Hochgebirgstauglichkeit mit einer gegenüber dem französisch-deutschen "Cougar" höheren Leistungsreserve. Alle sagen, die damals in Galtür dabei waren, wo sowohl der "Cougar" als auch der "Black Hawk" im Einsatz gestanden sind, dass auf jeden Fall der "Black Hawk" in der Hochgebirgslage im Schnee der effizientere gewesen ist und damit natürlich der geographischen Konstruktion Österreichs sehr entspricht.

Diese Fähigkeit kommt dem "Black Hawk" vor allem bei Einsätzen in gebirgigen Lagen zugute. Seine Transportkapazität beträgt 20 Personen oder zirka 4 Tonnen Nutzlast. Im Notfall können im "Black Hawk" 25 Leute sein, im Puma – das ist ein großer Vorteil – wären es 29 Leute. Aber 25 sind auch im "Black Hawk" möglich.

Der "Black Hawk", der weltweit in 24 Staaten erfolgreich eingesetzt wird, bietet seinen Insassen Schutz und Sicherheit, und das hat er sicherlich in ähnlicher Form, wie es der "Puma" hätte. Aber er hat auf jeden Fall, wie alle Experten sagen, einen geringeren Personal- und Wartungs


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aufwand. Deswegen spricht das auch für den "Black Hawk". Ich habe etliche Argumente gesammelt, die für den "Black Hawk" sprechen.

Der "Black Hawk" besitzt eine größere Nutzlast: 4 Tonnen – der "Cougar" 3 Tonnen – beziehungsweise 20 Personen im Normalbetrieb, im Notfall, wie schon gesagt, 25 Personen nach Umbau des Inneren. Er fliegt schneller, höher und weiter, auch das ist eine Realität. Er hat eine hervorragende Hochgebirgstauglichkeit, und zwar auch bei der Rotorblattenteisungsanlage, die vorhanden ist. Man hat in Galtür gesehen, dass sie damals wichtig war.

Er ist auf einem sehr neuen Stand der Technik, der eine umfangreiche Sicherheitsausstattung umfasst, dank einer gehärteten Zelle eine weit bessere Crash-Festigkeit aufweist, damit eine höhere Sicherheit der Insassen gewährleistet und natürlich eine gute Schlechtwetterflugtauglichkeit hat.

Er hat ein niedrigeres Wartungsniveau, so sagen mir Experten. Acht Flugtechniker pro "Black Hawk" stehen 30 Technikern pro "Cougar" gegenüber. Auch für das Material gilt dies, und damit ist er in Betrieb und Erhaltung günstiger.

Der "Black Hawk" hat die bessere Flugeigenschaft bei allen Wetterverhältnissen – das ist angesichts der geographischen Lage im alpinen Raum mit Schnee wichtig –, ist vielseitig verwendbar und besitzt mehr Leistungsreserven. Er hat zum Beispiel, wie ich schon gesagt habe, stärkere Triebwerke, zwei Mal 1 940 PS, der "Cougar" hat zwei Mal 1 877 PS.

Deshalb verstehe ich, ehrlich gestanden, dass selbstverständlich gerade aus dem militärischen Bereich gesagt wird, der "Black Hawk" entspricht mehr dem, was wir brauchen. Deswegen ist meiner Meinung nach die Entscheidung für den "Black Hawk" auch richtig gewesen. Aber es tut mir wirklich Leid, dass wir nicht auch den "Puma" haben, der ein großer militärischer Transporthubschrauber ist. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

15.55

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben schon gehört, es war der SPÖ, wenn sie aufgepasst hätte, bekannt, dass sich unser Bundesminister für Landesverteidigung derzeit in der Levante aufhält. Aber vermutlich wollte sie die Flexibilität eines freiheitlichen Ministers erproben, und auch diese Erprobung ist geglückt, wie das auch bei den Hubschraubern der Fall war. Wir haben sie auch ausgesucht und gewählt.

Es erstaunt aber, dass bei den Sozialdemokraten eine Typenentscheidung zu einer solchen politischen Einmischung führt, dass man hinterfragen muss: Betreiben Sie Lobbyismus? Warum zweifeln Sie die Ergebnisse der Bewertungskommission an? Betreiben Sie Lobbyismus? Vielleicht einen Euro-Lobbyismus? – Ich bin sehr für europäische Produkte, aber im Endeffekt ... (Bundesrat Gasteiger: 530 Millionen! 530 Millionen) – Herr Kollege! Ich komme schon darauf zu sprechen. (Bundesrat Prähauser: Mehrmals von den Fachleuten als die bessere Variante empfohlen!)

Herr Kollege! Im Endeffekt müssen wir dieses Produkt menschenverträglich machen; das heißt, es ist für Menschen da, die es pilotieren, und es ist für Menschen da, die gerettet werden sollen, und zwar im zivilen wie im militärischen oder fast militärischen Einsatz. Wenn Sie wissen, dass der "Black Hawk" eine gehärtete Zelle hat, dann werden Sie vielleicht zustimmen, dass dieser Preis berechtigt ist. Die schwierigsten Höhen für einen Hubschrauber sind ungefähr 10 Meter über dem Grund. Wenn man im Schwebeflug ist und plötzlich "abschmiert", ist die gehärtete Zelle durch nichts zu ersetzen – außer durch ein Birkenkreuz, Herr Kollege! Aber das wollen wir nicht. (Bundesrat Gasteiger: Bei einem Rettungseinsatz braucht man das nicht! Da braucht man keine gehärtete Zelle!)


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Es geht darum, dass Sicherheit ihren Preis hat, und für den "Black Hawk" wurden diese 500 Millionen gezahlt.

Es wurde auch nicht festgestellt, dass wir nur Transporthubschrauber kaufen sollen. In der Sitzung des Landesverteidigungsrates vom 12. April 1999 wurde empfohlen, neun Hubschrauber der Nutzklasse 3 bis 4,5 Tonnen mit möglichst großer Nutzlast und Personentransportkapazität zu kaufen. Diese Entscheidung wurde von Ihrer Partei, von der ÖVP und der FPÖ angenommen. Dagegen stimmten die Grünen. Es erstaunt daher, dass Sie plötzlich einen Ankauf von neun Hubschraubern auf neun Transporthubschrauber einschränken. Da passt etwas nicht zusammen. (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. )

Dass wir in den letzten Jahren keine Ankäufe für das Bundesheer hatten, liegt weniger an den Ministern für Landesverteidigung, sondern an den Ministern für Finanzen. Diese wurden in den letzten 14 Jahren auf jeden Fall von der Sozialdemokratischen Partei gestellt, und diese hatten für die Landesverteidigung relativ wenig übrig. Manche Argumente in der Fragestellung zeichnen sich nicht gerade durch Fachkompetenz aus. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben mit dem "Black Hawk" ein modernes Gerät angeschafft. Wir kaufen es für das Bundesheer, für die Auftragserfüllung im Heer und nicht für die Wirtschaft oder sonst etwas. Wenn die Wirtschaft im Rahmen von Gegengeschäften etwas davon hat, ist das gut und schön, betrifft aber nicht die Anschaffung des Geräts. (Bundesrat Gasteiger: Ich glaube, das ist das Wichtigste!)

Das Auswahlverfahren, welches bezüglich der Länge kritisiert worden ist, meine Kollegen und Kolleginnen, war erstaunlich kurz. Üblicherweise nimmt man für den Ankauf eines solchen Gerätes von der Planung bis zur Durchführung ein Auswahlverfahren mit der Dauer von rund sieben Jahren an. Hier hat es zwei Jahre gedauert. Ich muss sagen, es gereicht unseren Kollegen und Kameraden vom österreichischen Bundesheer, die rechts von mir sitzen, durchaus zur Ehre, dass schnell entschieden werden konnte. Die Lawine kommt ebenso schnell wieder wie ein Einsatz in Albanien oder woanders.

Das Gerät, welches Sie favorisieren, "Cougar" oder "Puma", ist ein Auslaufmodell. Für ein Auslaufmodell wird es schwierig sein, in den nächsten Jahren Ersatzteile zu bekommen, weil wir unsere Geräte nicht alle zwei bis drei Jahre austauschen, sondern wie beim letzten Modell rund 30 Jahre im Einsatz haben. Dafür ist es auch ausgelegt, ungefähr 30 Jahre haben wir sie im Einsatz.

Die Nutzung des "Black Hawk" ist in diesen 30 Jahren um 450 Millionen Schilling billiger. Daher kann man von mehreren Seiten zu dem Preis kommen und zu der Entscheidung gelangen, dass das Gerät auf Grund der höheren Sicherheit und auf Grund der geringeren Betriebskosten insgesamt das billigere Gerät ist.

Der Hubschrauber wird nicht, wie Kollege Prähauser behauptet, für Kampfeinsätze gekauft – Herr Kollege, wirklich nicht! (Bundesrat Prähauser: Habe ich nicht gesagt!) Beim "Black Hawk" handelt es sich um einen ... (Bundesrat Prähauser: Im Hintergrund geliebäugelt, habe ich gesagt!) – Bitte? (Bundesrat Prähauser: Im Hintergrund geliebäugelt mit Eventualitäten!) In der Einleitung zur Fragestellung steht – das ist nicht von Ihnen geschrieben, aber es steht darin –, dass er für Kampfeinsätze gekauft wird. (Bundesrat Prähauser: Das interpretieren Sie!)

Es handelt sich um einen Hubschrauber, der in erster Linie für Transporte – aber auch für Transporte in Gebiete, in denen geschossen wird – gebraucht wird. Deswegen gibt es auch die gehärtete Zelle, deswegen gibt es auch die Möglichkeit, ihn zu bewaffnen – gewissermaßen zum Selbstschutz. Denken Sie daran, was für ein Geschrei gewesen wäre, wenn eines unserer Geräte über Albanien abgeschossen worden wäre – einfach nur so, weil die Leute dort gerne in die Luft schießen! (Bundesrat Prähauser: Aber Sie wissen, ein "Apache" wurde abgeschossen! Der hat alles, was ein Kampfhubschrauber braucht! Da kann das passieren!) Passieren kann alles; auch ein schönes Auto geht kaputt. (Bundesrat Prähauser: Wir haben mehr Hubschrauber als die Hälfte der europäischen Staaten, im Vergleich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Der Hubschrauber wird für das Bundesheer gekauft. Für das Bundesheer gibt es eindeutige verfassungsmäßige Gesetze. Zweck des Bundesheers ist – (in Richtung SPÖ:) ich bringe das Ihnen gegenüber in Erinnerung – erstens die umfassende Landesverteidigung, und die umfassende Landesverteidigung umfasst die militärische Landesverteidigung, die geistige, die zivile und die wirtschaftliche Landesverteidigung. Für den militärischen Einsatz ist es in erster Linie gekauft. (Bundesrat Gasteiger: Dann haben wir eh die falschen gekauft!)

Das Bundesheer ist bestimmt zur militärischen Landesverteidigung, so heißt es im Wehrgesetz, und auch über den Bereich der militärischen Landesverteidigung hinaus zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen – jawohl! –, zur Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen und zur Hilfe im Ausland. Dafür wurde das Gerät absolut zweckentsprechend gekauft.

Es ist nicht zweckmäßig, hier jetzt die Typenentscheidung im Nachhinein noch in Frage zu stellen. (Bundesrat Gasteiger: 530 Millionen!) Sie selbst haben damals im Landesverteidigungsausschuss mitgestimmt, dass ein Hubschrauber und kein Transporthubschrauber gekauft wird. (Bundesrat Gasteiger: Das ist ja kein Thema!) Das wäre etwas anderes gewesen. Sie können daher auch den Herrn Minister oder Kanzler Klima loben, wie Sie wollen: Er hat nur das durchgeführt, was der Landesverteidigungsausschuss für notwendig erachtet hat.

Es ist natürlich nicht so – wie Kollege Prähauser meinte –, dass der Hubschrauber weder für die Verteidigung Österreichs noch für die Beteiligung Österreichs an internationalen Friedenssicherungen gebraucht wird. Das haben Sie nämlich gesagt, und das steht auch in der Präambel zu Ihrer Anfrage. Er wird für beides benötigt. Für Galtür hätten wir die Hubschrauber dem ÖAMTC, dem ARBÖ, einem Arbeitsdienst, dem Zivilschutz oder ich weiß nicht wem gegeben. Das Bundesheer hat die Aufgaben übertragen bekommen, es hat sich nicht selbst arrogiert, dass wir bei Lawinen und Hochwasser Rettungen machen müssen. Das ist laut Verfassung Aufgabe des Bundesheers. (Bundesrat Gasteiger: Das steht ja außer Zweifel!)

Hier werden Dinge in Frage gestellt, die sich auf Grund der Typenwahl eindeutig im Rahmen der Verfassung ergeben und auch kostengünstig ergeben. Der Hubschrauber ist für "dual use", ich wiederhole es noch einmal, sowohl für militärische Zwecke als auch für die zivile Hilfsleistung, und es wurde einem Bestbieter der Zuschlag erteilt.

Schauen Sie, im "WirtschaftsBlatt" von gestern steht es – Sie ziehen das auch in der Hinsicht in Zweifel, weil Sie glauben, dass wir für die österreichische Wirtschaft Nachteile eingehandelt haben. (Bundesrat Gasteiger: Ja!) Das "WirtschaftsBlatt" schreibt: "Deutlich zufriedener zeigen sich Österreichs Luftfahrtzulieferer jedoch über die Auftragszusage bis 2010. Zehn Firmen, darunter FACC, Böhler, Pankl, Testfuchs und Plansee, haben Vorvereinbarungen. Mit 20 weiteren Unternehmen führt Sikorsky Gespräche. Das Auftragsvolumen für die Branche: knapp 2 Milliarden Schilling. Die restlichen 4 Milliarden teilen sich unter anderem Automobil- und Wehrwirtschaft."

Ich habe den Eindruck, Sie wollen den Kauf ein bisschen madig machen. Es ist das die etwas verquere Einstellung der Sozialdemokraten zur militärischen Landesverteidigung. (Bundesrat Prähauser: Nein! Die Nachbesserungen nach Abgabeschluss sind unser Problem, Herr Kollege!) Treten Sie doch einmal offen für die militärische Landesverteidigung ein, und sagen Sie: Ja, das Geld ist gut ausgegeben, das österreichische Bundesheer braucht es (Bundesrat Meier: Nein, ist es nicht! Es ist nicht gut ausgegeben!)  – nachdem Sie 15 Jahre lang nichts für das Militär gemacht haben. Jetzt wird endlich einmal ein bisschen dazugegeben. (Bundesrat Gasteiger: 530 Millionen!)

Es ist für die SPÖ und ihre Einstellung bezeichnend, diese etwas fragwürdige, ich könnte fast sagen: unwürdige Diskussion zu führen, zumal im Bundesheer alle, insbesondere die Soldaten der Fliegerdivision und allen voran die Piloten, froh und glücklich darüber sind, dass eine Entscheidung getroffen wurde. Aber nicht nur die Piloten, auch ich bin froh und glücklich, wenn endlich einmal eine Entscheidung getroffen wird. Es geht nicht an, solche Entscheidungen ständig Jahr für Jahr vor sich herzurollen und in Sonntagspredigten, am 26. Oktober oder bei irgend


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welchen Vereidigungen zu sagen, wie sehr man hinter dem Bundesheer steht. Das ist zu wenig. Stellen Sie sich vor das Bundesheer hin, treten Sie für das Bundesheer und seine Zwecke ein! Das ist eine bessere Lösung, als wenn Sie ständig dahinterstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sich hinter dem Bundesheer zu verstecken, ist zu wenig, da könnten Sie mehr machen.

Es sind auch keine Geschenke für das Bundesheer, wenn ein Gerät beschafft wird, nachdem wir schon 30 Jahre lang an einem anderen Gerät herumgebastelt und die Lebensdauer stark verlängert haben. Ist die Beschaffung von Transporthubschraubern für die Bergung von Österreichern in Not ein Geschenk an das Heer? Ist die Beschaffung von Hubschraubern zum Schutz von Österreichern und zur Bergung in Krisengebieten ein Geschenk an das Bundesheer? – Nein! Es ist eine humanitäre Pflicht gegenüber unseren Staatsbürgern, die Leute, die diese Aufgaben wahrnehmen, mit entsprechend gutem Gerät auszustatten.

Jetzt sagen Sie mir einmal, Herr Kollege – (in Richtung des Zeitung lesenden Bundesrates Prähauser) Sie, Herr Kollege Bieringer, lesen jetzt sicherlich die Wahrheit in der Zeitung (Bundesrat Prähauser: Ich heiße Prähauser!)  –: Welches ist das bessere Gerät? Was ist das bessere Gerät? Warum sind Sie gegen das bessere Gerät? – Treten Sie offen an, und sagen Sie: Wir wollen das, wir wissen, dass das besser ist. (Bundesrat Prähauser: Sagen wir ja!)  – Das sagen Sie auch nicht. (Bundesrat Prähauser: Sagen wir doch! Wirtschaftlich besser!) – Nein, das Pflichtenheft gibt das nicht wieder.

Sie verfälschen den Auftrag an das Bundesheer in reine Transportaufgaben. Wir sind doch kein Transportunternehmen! (Bundesrat Prähauser: Der "Cougar" ist doch kein reiner Transporthubschrauber! – Bundesrat Meier: Sonst hätten Sie ...!) Das Bundesheer erfüllt andere Aufgaben, die in der Verfassung und im Wehrgesetz wiedergegeben sind. Wenn man das negiert, stellt man sich fast außerhalb des Verfassungsbogens, Herr Kollege! (Bundesrat Prähauser: Viele verwenden den "Cougar" nicht nur zum Transport! Sie müssen es doch wissen, Sie sind vom Fach!)

Ich will Ihnen etwas sagen: Weltweit werden vom "Black Hawk" 2 000 Stück verwendet, der andere wird aus dem Dienst genommen. So leicht kann man es sich nicht machen, Herr Kollege!

Zum Schluss möchte ich sagen: Die FPÖ ist sicher, mit diesem Gerät ein gutes Gerät beschafft zu haben. Der Ankaufspreis mag vielleicht etwas höher sein als jener des anderen Geräts (Bundesrat Prähauser: Dreiviertel Milliarde! – Bundesrat Gasteiger: Er ist! 530 Millionen!), ein Ausgleich wird aber durch die bessere Leistung, die längere Lebensdauer und die billigere, preiswertere Wartung sichergestellt. Im Einsatzfall Leben zu retten, Leben zu bergen betrachten wir als eine große Aufgabe. Aber diesen Einsatz soll man nicht nur mit Blick auf Urlauberrettung aus Galtür betrachten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Waren auch Einheimische dabei!)

16.09

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Wilhelm Grissemann das Wort. – Bitte.

16.09

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Vorredner haben schon viel an Argumenten, die für den Ankauf des Schwarzen Falken sprechen – nennen wir ihn einmal in der deutschen Übersetzung –, vorweggenommen.

Wer damals diese dunklen Tage – es waren wirklich dunkle Februartage – in Tirol erlebt und auch die Ohnmacht gesehen hat, mit der wir dem gegenüberstanden – ich spreche hier von unseren veralteten Agusta-Bell-Maschinen; meine Damen und Herren, Sie müssen sich vorstellen, diese Hubschrauber haben sage und schreibe 37 Jahre auf dem Buckel –, wenn man gesehen hat, wie diese Maschinen, als ganz Tirol in Weiß versunken war, praktisch zugedeckt dastehen mussten, als man stunden- und tagelang warten musste, bis entsprechendes Material aus dem Ausland eingetroffen war – es war ebendiese amerikanische "Black-Hawk"-Maschine –, wenn


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man gesehen hat, wie diese amerikanischen Piloten buchstäblich bei Blizzard-Bedingungen noch starten und landen konnten, und wenn man dann später erfahren hat, dass, wenn wir diese Maschine damals schon in der Armee gehabt hätten, Valzur noch evakuierbar gewesen wäre – das heißt, man hätte die Leute noch herausgebracht, aber unsere Maschinen konnten damals eben nicht mehr fliegen –, dann muss ich mich schon ein bisschen über den Verlauf, den die Diskussion jetzt nimmt, wundern.

Herr Kollege Gasteiger! Ich muss Sie angesichts dessen schon darauf hinweisen, dass es doch nicht sein kann, dass dieser im Endeffekt geringfügige Preisunterschied, wenn nämlich die jahrelange Wartungsersparnis mit eingerechnet wird ... (Bundesrat Gasteiger: Geringfügige? – Bundesrat Prähauser: Eineinhalb Hubschrauber!)

Bitte schön, wir alle sind keine Fachleute, machen wir uns doch nichts vor! Wenn wir das Vertrauen zu unseren Armee-Spezialisten nicht mehr haben, wenn wir das Vertrauen zu jenen Spezialisten nicht mehr haben, die uns die Entscheidungsgrundlagen errichten, wenn wir alle gescheiter sind, Herr Gasteiger, dann würde ich mich gar nicht an das Rednerpult trauen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich kann mir doch nicht anmaßen, ein Spezialist zu sein, der die genauen Entscheidungs- oder Unterscheidungsmerkmale dieser zwei Maschinen kennt. So viel Vertrauen habe ich zu unseren Leuten vom Heeresministerium, das möchte ich unbedingt dazu sagen.

Wie gesagt, erspare ich es mir, die Unterschiede noch einmal anzuführen. Das haben meine Vorredner bestens getan. Ich möchte zum Schluss eigentlich nur sagen: Es kann und wird wohl überhaupt keine Diskussion darüber geben, dass diese neuen Maschinen jetzt Gott sei Dank schnell angeschafft werden. Es kann wohl überhaupt keine unterschiedliche Meinung darüber geben, dass wir diese Maschinen brauchen. Es wird doch nicht jetzt an einer politischen Glaubensfrage scheitern, für welches Modell man sich entscheidet.

Ich wiederhole mich noch einmal: Die Entscheidungsgrundlagen haben wir alle durchgelesen, die schlussendlich zu dieser Entscheidung unseres Ministers als des politisch Verantwortlichen geführt haben. Ich kann sagen, dass meine Fraktion, die freiheitliche Fraktion, diese Entscheidung selbstverständlich mitträgt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich – für die Dauer seiner restlichen Redezeit von 12 Minuten – Herrn Bundesrat Gasteiger das Wort. – Bitte.

16.13

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Ein bisschen wundert mich schon – wie soll ich sagen? – das Gegacker von freiheitlicher Seite. (Bundesrat Dr. d′Aron: Eine Frechheit!)

Erstens haben die Sozialdemokraten noch nie den Ankauf der Hubschrauber bezweifelt oder versucht, ihn irgendwo in Zweifel zu ziehen, und zweitens ist die Schlagkraft des österreichischen Militärs nie bezweifelt worden. (Bundesrat Mag. Gudenus: Also dann stimmen Sie zu! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Ich weiß nicht, welche Aufregung ihr zeigt.

Wir stellen nur in Frage, ob 530 Millionen Schilling – da wird mir Herr Staatssekretär Finz Recht geben – bei dem sehr angespannten Budget gerechtfertigt sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: Jetzt auf einmal macht ihr euch Sorgen über das Budget!)

16.14

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr das Wort. (Bundesrätin Haunschmid: Erst habt ihr euch seit 30 Jahren keine Gedanken über das Budget gemacht!)

16.14

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Die


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SPÖ hat heute eine dringliche Anfrage eingebracht, in der sie sich vorgeblich oder angeblich um das Geld des Steuerzahlers solch große Sorgen macht. Wenn man in die Fraktion der SPÖ hineinschaut, dann kann man sehen, wie dringlich Ihnen dieses Anliegen ist, denn zwei Drittel Ihrer Kollegen fehlen schon – so viel einmal zur Ernsthaftigkeit Ihrer dringlichen Anfragen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: Wir decken die leicht ab! – Zwischenruf des Bundesrates Prähauser. )

Weiters ist sehr interessant, dass sich gerade jene SPÖ Sorgen um das Geld des Steuerzahlers macht, die uns einen Schuldenberg in der Höhe von 1 700 Milliarden Schilling hinterlassen hat. Experten sagen sogar, es seien wesentlich mehr, nämlich rund 2 000 Milliarden Schilling. (Bundesrätin Schicker: Aber Sie haben auch profitiert davon, Frau Kollegin!) Da kann man schon von einem Riesengebirge an Schulden sprechen, das Sie uns hinterlassen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jene SPÖ, die Steuergeschenke an die Wähler gemacht hat aus einem Topf, in dem überhaupt kein Geld war, macht sich plötzlich Sorgen um das Geld des Steuerzahlers. (Bundesrätin Schicker: Alle haben profitiert, auch Sie!) Jene SPÖ macht sich Sorgen um das Geld des Steuerzahlers, die 1997 im Abgabenänderungsgesetz das Umsatzsteuergesetz rückwirkend geändert hat. (Bundesrätin Schicker: Es würde Ihnen nicht so gut gehen!) Warum hat sie das getan? – Weil die Kreditkartenfirma Visa der Bank Austria etwa diese halbe Milliarde, die Sie jetzt beklagen, hätte zurückzahlen müssen, weil sie zu Unrecht Vorsteuer geltend gemacht hatte. (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Jene SPÖ, deren Exbundeskanzler Franz Vranitzky gesagt hat: Ich werde dafür sorgen, dass mir niemand meine Millionenpension von der Länderbank wegnimmt!, macht sich Sorgen um das Steuergeld, obwohl sie bei der Umschuldungsaktion der osteuropäischen Länder mehr als großzügig war. Allein die Umschuldung in Polen hat das Budget mit etwa 20 Milliarden Schilling belastet. Jene SPÖ macht sich Sorgen um das Geld des Steuerzahlers, deren Exbundeskanzler Franz Vranitzky gegen den Willen des Vorstands der DDSG das Luxusschiff "Mozart" gekauft und damit 500 Millionen Schilling in den Sand gesetzt hat – in etwa jene 500 Millionen, wegen der Sie jetzt plötzlich große Sorge um das Steuergeld haben. (Bundesrat Weilharter: Hört, hört!)

Jene SPÖ macht sich Sorgen um das Geld des Steuerzahlers, deren Verstaatlichten-Chef Sekyra sich nach dem AMAG-Debakel mit 30 Millionen Schilling Abfindung verabschiedet hat. Jene SPÖ macht sich Sorgen um das Geld des Steuerzahlers, deren Ex-AMAG-Chef Rudolf Streicher trotz Selbstkündigung 2,2 Millionen Schilling an Abfertigung kassiert hat. (Bundesrätin Schicker: Frau Kollegin! Das kennen wir schon auswendig!) Und jene SPÖ macht sich Sorgen um das Geld des Steuerzahlers, die 30 Jahre lang das Bundesheer kaputt gespart hat. Entgegen Ihren Lippenbekenntnissen, dass Sie so für das Bundesheer sind, haben Sie es finanziell ausgehungert! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In Wirklichkeit waren Sie nie für das Bundesheer, nur hatten Sie nie den Mut, das auch mit all seinen Konsequenzen wirklich zuzugeben. Es hat erst Galtür kommen müssen, da haben Sie plötzlich einem Ankauf von Hubschraubern zugestimmt. Es ist Ihre alte Politik: Erst muss etwas passieren, bevor Sie handeln. Diese Nicht-Handlungsfähigkeit von Ihnen und dieses Laufenlassen der Dinge hat uns in jene Situation gebracht, in der wir heute dem Bürger sagen müssen: Wir müssen jetzt eisern sparen, damit wir dieses Schuldengebirge abtragen können. (Bundesrätin Schicker: Vor allem bei den Schwachen! Sparen Sie doch bei den Reichen!)

Sie sollten nicht Kindesweglegung betreiben und so scheinheilig sein. (Bundesrätin Schicker: Sparen Sie bei Prinzhorn!) Sie sollten sich für Ihre Politik eigentlich schämen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Herbert Würschl das Wort. – Bitte.

16.18

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Glücksgefühle des Herrn Gudenus und der Kameradinnen und Kamera


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den bewegen mich jetzt zu dieser Wortmeldung – sie war nicht vorgesehen – und auch Herr Bundesminister Böhmdorfer mit seiner Anfragebeantwortung, die sehr oberflächlich war. Das ist kein Vorwurf, das ist sicher vorbereitet gewesen. (Bundesrat Meier: Haben sie ihm ja geschrieben!) Aber diese beiden Dinge bewegen mich, hier einige Bemerkungen zum Kauf der Kampfhubschrauber zu machen. (Bundesrätin Haunschmid: "Kampfhubschrauber"! Das ist ein Experte!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Unsererseits wurde schon eindeutig festgestellt, dass wir zum Kauf von Transporthubschraubern ein eindeutiges Ja sagen. Galtür ist heute schon einige Male genannt worden – das hat uns gezeigt, dass es notwendig ist, Transporthubschrauber in kleinerer Zahl anzukaufen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Trotzdem habe ich eine Frage an die beiden Regierungsparteien ÖVP und FPÖ, was die soziale Dimension anlangt: Sie haben mit Ihrer Politik Arbeiter, Pensionisten und Studenten in den letzten Wochen und Monaten gerupft. Sie haben Milliardenbeträge auf Kosten der Österreicherinnen und Österreicher eingespart. (Bundesrätin Haunschmid: Ja! – Bundesrat Weilharter: Sind Sie für oder gegen die Hubschrauber? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Der neueste Coup ist eine Bildungssteuer, die heute auch in Diskussion steht. Die Studenten haben Ihnen gestern die richtige Antwort erteilt. (Rufe bei den Freiheitlichen: Zur Sache!)

Ich komme zum Kauf der Kampfhubschrauber. 3 Milliarden Schilling, sehr geehrte Damen und Herren – wir tun genauso, als hätten wir Geld, das wir zum Fenster hinausschmeißen können. (Bundesrat Ing. Scheuch: Sind Sie dafür? – Weitere Zwischenrufe. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Drei Dinge zum Ankauf dieser neuen Kampfhubschrauber seien erwähnt. Erster Punkt: Diese Entscheidung, die Sie als Regierungspartei herbeigeführt haben, war eine antieuropäische Entscheidung. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Durchanalysiert!) Sie lachen über ... (Ruf bei den Freiheitlichen: Werden Sie dann EU-Sanktionen einführen lassen, Herr Kollege? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Liebe Kameradinnen und Kameraden von der FPÖ! Ich darf Sie um eines ersuchen: Legen Sie Ihre europäischen Komplexe ab! (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Der zweite Punkt, der bei diesem Kauf der Kampfhubschrauber auffällig ist, ist: Bei Ihnen steht der Kampfeinsatz und nicht der Transportgedanke in Katastrophenfällen im Vordergrund. (Bundesrat Grissemann: Das ist eine Unterstellung! – Bundesrätin Haunschmid: Was Sie da wieder unterstellen ...!) Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ! Ich frage Sie: Gegen wen wollen Sie mit diesen Kampfhubschraubern Krieg in Europa führen? (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Die dritte Bemerkung: Eine halbe Milliarde Schilling wurde gerade als Lappalie bezeichnet. (Der Redner betont das Wort "Lappalie" auf "i". – Bundesrat Mag. Gudenus: Was? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Herr Bundesminister Böhmdorfer hat bei der Fragebeantwortung – das war für mich sehr interessant; die Frage 11, Herr Bundesminister, haben Sie sehr oberflächlich beantwortet, und wenn man das kritisch betrachtet (Ruf bei der ÖVP: Was Sie ja nicht tun!), kann man es sehr vieldeutig interpretieren – gesagt, dass keine Provisionszahlungen seitens der Regierung geschehen. Das haben wir nie behauptet. Ich frage die beiden Regierungsparteien (Bundesrat Weilharter: Sie sehen das anders! Ist das richtig?): Eine halbe Milliarde Schilling wird mehr ausgegeben für etwas, was nicht notwendig gewesen wäre. (Bundesrätin Haunschmid: Ach, brauchen wir keine Hubschrauber?) Bekommen Sie Provisionszahlungen? (Beifall bei der SPÖ.)


Bundesrat
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16.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Böhmdorfer das Wort. – Bitte.

16.23

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Es ist so, dass man Anfragen nur in Bezug auf das eigene Ressort beantworten kann. Insoweit war diese Frage natürlich richtig beantwortet, weil es mir nicht zukommt, auf Fragen außerhalb des Ressorts Antworten zu geben.

Meine Information, die ich mit Mitarbeitern des Herrn Verteidigungsministers besprochen habe, lautet: Es ist natürlich überhaupt nichts von irgendwelchen Provisionszahlungen bekannt.

Aber man muss auch formal richtig antworten, das heißt, über Ressortfragen und nicht über Fragen aus der ganzen Welt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile ihm das Wort.

16.24

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Bis zu dem Moment, als Kollegin Mühlwerth das Rednerpodest hier betreten hat, habe ich geglaubt, wir sind in der Lage, die Diskussion von heute emotionslos in der Sache, aber gerecht nach Gesichtspunkten fortzusetzen. Frau Kollegin Mühlwerth – nicht als Militärexpertin der SPÖ, das möchte ich bitte vorausschicken, aber der Freiheitlichen Partei, wie es augenscheinlich ist – war es vorbehalten, hier etwas vom Weg abzukommen.

Eines darf ich hier festhalten, meine Damen und Herren: Jene SPÖ, die sie so oft apostrophiert hat und die für einen Lebensstandard in diesem Österreich 30 Jahre lang Verantwortung getragen hat, der seinesgleichen auf der Welt sucht (Bundesrat Weilharter: 1 Million Menschen an der Armutsgrenze!), wird sich von niemandem, auch nicht von einer Bundesrätin, das Wort verbieten lassen, wenn es darum geht, die Bevölkerung über Vorgänge zu informieren, die wir nicht für richtig halten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ob sie in der Sache anders gesehen werden dürfen, ist eine andere Frage. Darüber gibt es nichts zu diskutieren. (Bundesrat Ing. Scheuch: Sind Sie für oder gegen die Hubschrauber?) Aber es automatisch in den politischen Hickhack-Sumpf zu ziehen und der Lächerlichkeit preiszugeben, wenn man sich Sorgen macht um ein Land (Bundesrätin Haunschmid: 30 Jahre zu spät, lieber Herr Kollege!), in dem angesichts der größten Sparappelle, der größten Steuerbelastungen der Geschichte Schilling für Schilling in den Hosensäcken umgedreht werden muss – eine dreiviertel Milliarde, meine Damen und Herren, ist in Wirklichkeit kein Lercherl, wir wissen ... (Bundesrätin Haunschmid: Wer hat denn das verursacht? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich habe versucht, das in meiner Begründung auszuführen, aber leider hat man nicht ganz zugehört. Ich habe die Kursschwankungen des Dollars zum Euro angeführt. Es wird nicht bei jenen 500 Millionen bleiben, da das Angebot ohnehin teurer ist. Wir haben mit der europäischen Währung zu Recht den Kursaufstieg des Dollars mitzufinanzieren und schwächen dadurch unsere eigene europäische Wirtschaft. Meine Damen und Herren! Das ist in der Tat europafeindlich, was hier passiert! Experten, die die Mehrheit vertreten, sind der Meinung, dass dieses Gerät für unsere Bedürfnisse das bessere sei – ich glaube das Gegenteil.

Aber, meine Damen und Herren, es geht in Wirklichkeit um etwas ganz anderes. Wir müssen voreinander so viel Respekt zeigen, dass wir in der Lage sind, miteinander zu diskutieren, ohne einander ins Lächerliche zu ziehen. So genannte Experten, Frau Kollegin Mühlwerth, dürfen Sie auch uns, der Sozialdemokratie, zubilligen, die von Anfang an in den Gremien des Bundesheers mitgearbeitet haben und dort ihre Ideen entsprechend mit einbringen.

Ich glaube, es wird für den Bundesrat ab 3. November ohnehin besser werden. Wer es noch nicht gelesen hat: Von diesem Tag an haben wir einen eigenen Schutzpatron. Thomas Morus, der im 15. Jahrhundert geköpft wurde, wird dann die schützende Hand über uns halten. Viel


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leicht werden wir dann in der Lage sein, so miteinander zu diskutieren, dass Österreich etwas davon hat. (Beifall bei der SPÖ.)

16.27

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Erhard Meier, Stefan Prähauser, Ernst Winter und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend substanzschädigende Zwangsverschuldung der Österreichischen Bundesforste zwecks kurzfristigen Stopfens von Budgetlöchern (1739/J-BR/00)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Erhard Meier und Genossen an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Da die Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile nunmehr Herrn Bundesrat Erhard Meier als erstem Anfragesteller zur Begründung das Wort. – Bitte.

16.28

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Der Text der dringlichen Anfrage ist Ihnen bekannt. Es geht darum, dass das Bundesministerium für Finanzen – deswegen haben wir diese Anfrage auch an den Finanzminister gerichtet – von den Österreichischen Bundesforsten einen Betrag in der Höhe von 3 Milliarden Schilling zur Budgetsanierung einfordert und die Österreichischen Bundesforste damit auffordert, diesen Betrag zu zahlen, zu erwirtschaften oder, wenn dies – wie es aussieht – nicht möglich ist, durch Kreditaufnahmen abzudecken, die dann durch die laufenden Erträge der Österreichischen Bundesforste, also durch den Wald, wieder hereinkommen sollen.

Laut Aussagen verantwortlicher Herren der Österreichischen Bundesforste bedeutet dies aber, dass die 3 Milliarden Schilling natürlich noch mehr werden, da die Verzinsung aufgenommener Kredite in dieser Zeit sowie das Wachstum des Holzes und der Ertrag natürlich nicht parallel verlaufen. Damit bin ich beim Grundsätzlichen.

Meine Damen und Herren! Wer sagt, er will der nächsten Generation etwas Gutes tun, der sagt: Pflanze deinen Kindern einen Baum; vervielfacht hieße das: einen Wald. – Denn wir wissen, dass das, wenn wir von einer 70-, 80-jährigen Entwicklungszeit eines Baumes ausgehen, immer ein Guthaben ist, das man sozusagen der nächsten Generation übergibt.

Die Bundesforste sind aber dadurch gezwungen, Wälder zu verkaufen. Man spricht von 30 000 bis 50 000 Hektar. Das heißt also, genau das Gegenteil dessen, was Sie auch immer wieder sagen – wir müssen für die nächsten Generationen sorgen –, tritt in diesem Fall für die Österreichischen Bundesforste ein, da sie Grundstücke mit Wald verkaufen müssen.

Nun könnte man sagen: Die Bundesforste besitzen nur einen entsprechenden Anteil des österreichischen Waldes, und davon ist dies wiederum nur ein geringer Prozentsatz. – Ich meine, wenn es ein geringer Prozentsatz ist, dann kommt zu wenig herein, und wenn es ein höherer Prozentsatz ist, dann kostet uns das zu viel an Volksvermögen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)


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Aus der Geschichte wissen wir, dass einstmals der Staat Eigentümern den Wald weggenommen hat. Das war in der Monarchie eigentlich eine Verstaatlichung. Es entwickelte sich dann dieser ärarische Staatsbesitz, und weit herauf sind die Österreichischen Bundesforste auch verwaltet worden, als herrschten dort noch monarchistische Zustände. Das hat sich aber in den letzten Jahrzehnten und in den letzten Jahren wesentlich gebessert. Die Forstverwaltungen sind bürgernäher geworden, sie sind auch wirtschaftlich geführt worden. Es gab dort ebenfalls bereits Maßnahmen, die Schmerzen verursacht haben: die Zusammenlegung von Forstverwaltungen, die Verminderung des Standes von Arbeitskräften und so weiter.

Für diese früheren Enteignungen wurden so genannte Servitute eingeräumt, sowohl Landwirten als auch Gewerbetreibenden, die früher Wald besaßen, und natürlich auch den Landwirten die so genannten Almrechte. Eigentlich müsste man es jenen wieder zurückgeben, denen es früher einmal weggenommen wurde. Aber, meine Damen und Herren, diese gibt es nicht mehr und auch nicht ihre direkten Nachfolger.

Wenn jetzt Bauern das kaufen könnten, dann müssten sie wiederum kaufen, was man ihnen sozusagen früher einmal weggenommen hat. Aber die Gleichen sind es nicht. Denn, meine Damen und Herren, die kleinen Landwirte – ich komme aus einem Gebiet, in dem die Bundesforste nahezu 100 Prozent der Wälder besitzen, aus dem inneren Salzkammergut, Steiermark, Oberösterreich und Salzburg –, all diese Bauern haben keinen Wald mehr, sondern höchstens noch ein paar Servitutsrechte und sind eigentlich nicht in der Lage, den Wald zu kaufen. (Bundesrat Ing. Scheuch: Das ist eine Unterstellung! Eine Mutmaßung ist das!)

Ich habe mit Bauern im Ennstal gesprochen, die mir das auch gesagt haben. Sie sagen: Ein Stückchen könnte ich ... (Bundesrat Ing. Scheuch: Reden Sie mit mir! Ich bin auch ein Bauer! Ich werde das kaufen, wenn ...!) – Ja, das ist klar. Andere – es sind hier schon Namen genannt worden – werden sich dann eben große Stücke dieser Wälder kaufen. Die Bundesforste sagen selbst – fragen Sie Herrn Generaldirektor Dipl.-Ing. Ramsauer –: Zizerlweise und klein werden wir es nicht hergeben – das hat er jedenfalls gesagt –, sondern in größeren Flächen. – Wir wissen schon, wer all dies dann kaufen kann.

Wir sehen es auch bei der Jagd. Ich möchte auf das Wildererwesen nicht eingehen und verteidige es auch nicht, aber die Bauern haben nichts schießen dürfen und sind deshalb Wilderer geworden – aus Lebensnotwendigkeit muss ich sagen. (Bundesrat Ing. Scheuch: Wem verpachten die Österreichischen Bundesforste ihr Land? – Weitere Zwischenrufe.) – Sie verpachten das an reiche Ausländer, an Italiener, Deutsche; Familie Slupetzky und Flick sind das in unserem Bereich. (Bundesrat Ing. Scheuch: Italiener! Die Bundesforste!) Meine Damen und Herren! Wenn es mit den Wäldern genauso geht wie mit der Jagd und deren Ausverkauf, dann wissen wir, wer diese Wälder erwerben wird. (Bundesrat Ing. Scheuch: Die Bauern werden doch kaufen!)

Es ist also ein Ausverkauf von wertvollem Besitz, und Sie nehmen sich jetzt nur das Argument, dass ohnehin alles die Bauern bekommen werden, als Vorwand zur Verteidigung dieser Aktion. (Bundesrätin Schicker: Prinzhorn freut sich schon!) Meine Damen und Herren! Es sind kurzfristige Einnahmen und ein langfristiger Verlust. Genauso, wie Sie den Wald erwerben wollen, weil Sie wissen, dass er à la longue für Sie, Ihre Familie und Ihre Kindeskinder wertvoll ist, müsste er auch für die Allgemeinheit, für den österreichischen Staat wertvoll sein, auch wenn die heutige Verzinsung von soundso viel Prozent bei der Bank durch die Verzinsung des Waldes nicht hereinkommt. Das ist auf längere Sicht zu sehen.

Sie bringen damit die Österreichischen Bundesforste, die sehr gut gewirtschaftet haben, sich wirklich bemüht haben und im letzten Jahr auch, so glaube ich, 200 Millionen Schilling an den Staat abgeliefert haben (Bundesrat Ing. Scheuch: Die wirklichen Besitzer, die kleinen Bauern ...!), in die Situation, dass dieser gesunde Forstwirtschaftsbetrieb Österreichs sozusagen ein ungesunder Betrieb wird.

Meine Damen und Herren! Wald ist eine ganz wichtige Grundlage des Lebens überhaupt, Natur pur, Umweltschutz und so weiter. Große Ressourcen stecken dort drin, die gar nicht so kurz


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fristig finanziell bemessen werden können. Nicht nur das Holz selbst – dessen Preis in den letzten Jahren leider gesunken ist, auch durch Billigexporte aus verschiedenen anderen Ländern –, die Luft, das Wasser, der Erholungsraum, das Wandern und der Tourismus im weitesten Sinne spielen sich im Wald oder mit dem Wald als Hintergrund ab.

Schauen Sie sich jene Seen an, die die Österreichischen Bundesforste noch bewirtschaften und besitzen! Ich fange wieder bei unseren Seen an: Altausseer See, Grundlsee, Hallstätter See, Gosausee, auch der bekannte Toplitzsee – meine Damen und Herren, diese stehen der Allgemeinheit zur Verfügung. Dort gibt es nur sehr wenige Grundstücke, wirklich sehr wenige, die früher einmal aus irgendwelchen Gründen in Privatbesitz übergegangen sind. Doch gehen Sie dorthin, wo es private Seen gibt, die nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen: Dort finden Sie 100 Meter, auf denen Sie Zugang finden, und an den anderen Stellen ist das nicht möglich.

Ein ganz kleines Beispiel: Bei Bad Ischl gibt es den Nussensee; vielleicht kennt ihn ein Oberösterreicher. Dort sind wir vor kurzem einmal hingewandert, weil wir herumgehen wollten. Aber dort kann man nicht mehr hingehen. Dort steht eine große Villa, von einem drei Meter hohen Zaun umgeben, die irgendeinem Privaten gehört. Ich brauche nicht zu sagen, wer es ist, das ist gleichgültig. Es ist ein Beispiel dafür. Früher war das ein Erholungsgebiet für Ischl, dorthin hat es Wanderwege gegeben. Sollten wir diese Seeufer wirklich nicht weiterhin der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen?

Meine Damen und Herren! Die Gefahr, dass man, wenn es privatisiert wird, von dieser Seite Erträge für sich selbst nützen will, wie es auch Landwirte getan haben – ich glaube, es war die Ausnahme –, indem sie sich für Autos Holz herausgeschlagen haben – ich verallgemeinere nicht, das möchte ich ausdrücklich betonen –, ist gegeben, daher ist es auch möglich, dass das bei Privaten geschieht.

Natürlich gibt es viel Privatwald in Österreich, und natürlich wird auch dort sorgfältig mit dem Wald umgegangen. Ich schließe daraus nicht, dass ein Privater nicht auch sorgfältig mit seinem Wald umgehen kann. Aber die Österreichischen Bundesforste stehen doch unter öffentlicher Kritik und öffentlicher Kontrolle. Wenn dort etwas verkauft wird, kann man immer noch sagen: Bitte nehmt öffentlich Einfluss, dass dies der Öffentlichkeit erhalten wird!

Ich glaube daher, dass es nicht gut ist, mit dem Verkauf – auch von nur 50 000 Hektar – zu beginnen.

Meine Damen und Herren! Nachdem drei sozialdemokratische Landeshauptmann-Stellvertreter aus Steiermark, Salzburg und Oberösterreich eine Aktion begonnen haben, haben sich auch Landeshauptleute und Politiker anderer Fraktionen dieser angeschlossen. Ich könnte den Landeshauptmann von Salzburg zitieren, der auch juristische Bedenken aufs Tapet gebracht hat. Ich könnte den oberösterreichischen Landeshauptmann anführen – wir hätten ihn vorhin gleich fragen können. Ich könnte den niederösterreichischen Landeshauptmann anführen und hier zitieren. (Bundesrat Hensler: Was hat er denn gesagt?) – Der niederösterreichische Landeshauptmann? – Wir haben so lange um die Rettung der wertvollen Wälder und Seen in unserem Bundesland gerungen. Diesen jahrzehntelangen Einsatz lassen wir uns doch nicht jetzt kaputt machen, gibt sich Niederösterreichs VP-Landesfürst Erwin Pröll kämpferisch und reiht sich damit in die immer breiter werdende Allianz gegen die Verscherbelung von mehr als 50 000 Hektar ökologisch wertvollen Staatswaldes ein. – Das steht in der "Kronen Zeitung" vom Freitag, dem 6. Oktober, auf Seite 9.

Natürlich gilt das auch für den Wiener Bürgermeister Häupl. Denn auch das Wasser kommt aus den Wäldern, und der Wienerwald ist auch ein öffentlicher Wald. Ich meine, es findet sich weit über Parteigrenzen und ideologische Grenzen hinweg die Befürchtung, dass unsere Wälder einfach verkauft werden. Ich denke, man sollte wirklich die Bürger befragen, was sie dazu meinen.

Sie werden nun argumentieren: Na ja, auch die SPÖ hat gesagt, dass eine Volksbefragung über EU-Sanktionen viel Geld kostet, und so weiter. Da haben wir gewusst, wie es ausgehen wird. – Wenn Sie damit einverstanden sind, dass Sie im Vorhinein glauben, dass die Österreicher für den Erhalt dieses Besitzes der Österreichischen Bundesforste sind, dann brauchen wir kein


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Volksbegehren oder keine Volksabstimmung zu machen. Ich glaube aber, dass die Österreicher anderer Meinung sind, und man sollte sie befragen. Wir werden sehen, was herauskommt.

Zu dieser Bundesforstgesetz-Novelle gibt es eine Liste ablehnender oder zumindest sehr kritischer Stellungnahmen, die ich hier gar nicht aufführen will. Ich meine, wenn unser Wald verkauft wird – da schließe ich mich dem Text einer Salzburger Initiative an –, verliert Österreich ein gewinnbringendes Unternehmen auf Dauer – das ist nicht mehr zurückzuholen –, dann sind Erholungsgebiete, Waldgebiete und Seeufer unter Umständen nicht mehr frei zugänglich, und es kann kostbares Grundwasser in Zukunft zum Spekulationsobjekt werden. Auch die Bundesforste verlangen beträchtliche Pachten; die sind in der letzten Zeit für die Quellen erhöht worden, das ist ohnehin in Ordnung. Aber die Frage ist, ob diese Pacht für Quellwasser für die Gemeinden und für die Öffentlichkeit nicht übermäßig erhöht werden könnte.

Wenn unser Wald verkauft wird, sind Naturschutzgebiete und der Schutzwaldbestand gefährdet. Wer wird übrigens den schlechteren Wald, den höher gelegenen Wald, die Almen und die Felsen kaufen? – Niemand, diese bleiben der Öffentlichkeit erhalten! Bei den Steirischen Landesforsten ist es teilweise so. Ich habe das ganze Gebiet um Altenmarkt und Sankt Gallen bereist. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) Der Landeswald beginnt auf 1 500 Metern und zieht sich höher hinauf, er ist sehr schwer zu erhalten. Es ist auch sehr kostenaufwendig, ihn zu erhalten. Es sind dort Landwirte, die das im Privatbesitz haben – ich bin ihnen darum gar nicht neidig –, und in diese Richtung geht es auch bei den Österreichischen Bundesforsten. Das ist ganz klar, denn den noch weniger ertragreichen, höher gelegenen Wald wird niemand nehmen.

Wenn wir unseren Wald verkaufen, verkaufen wir auch einen internationalen Vorzeigebetrieb. Wenn mehr Holz geschlägert wird, ist das einem guten Holzpreis sicherlich nicht dienlich, sondern dieser wird eher noch niedriger werden. Und damit, meine Damen und Herren, bin ich wieder dort, wo ich begonnen habe: Es verlieren kommende Generationen wertvolles österreichisches Familiensilber. (Ruf bei den Freiheitlichen: Familienholz!)

Ich möchte die Bundesregierung wirklich ersuchen, das unter all diesen Aspekten noch einmal zu überdenken. Sie haben auch bei anderen Beschlüssen oder Entschlüssen, die Sie gefasst haben, später noch von Abfederung gesprochen. Dieses Wort gefällt mir ohnehin nicht, weil man sozusagen alles abfedern kann, und irgendjemand zahlt trotzdem drauf. Aber vielleicht könnten Sie anregen, Herr Staatssekretär, wenn man nicht allein auf den Schilling schaut – es ist gut, wenn jetzt 3 Milliarden Schilling für das Budget hereinkommen, vom finanziellen Standpunkt aus sehe ich das ein (Bundesrätin Schicker: Da muss der Zuruf erst kommen aus Kärnten! Dann wird agiert oder reagiert!)  –, ob man diese anderen Bedenken nicht doch noch überlegen sollte, bevor der Schritt gesetzt wird, dass die Österreichischen Bundesforste, um diese Milliarden aufzubringen, Wälder verkaufen müssen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich der Herr Staatssekretär. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

16.43

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich war zunächst davon überrascht, dass die Anfrage an den Finanzminister ergeht; ich hätte geglaubt, der Land- und Forstwirtschaftsminister wird sie bekommen. Aber ich habe mich inzwischen kundig gemacht, und ich glaube, ich kann Ihnen alle Befürchtungen zu Ihrer Anfrage nehmen.

Worum geht es dabei? – Es geht um das Grundgeschäft: Es werden den Bundesforsten weitere Gewässer – stehende Gewässer, also Seen – zu den bereits bestehenden übertragen. Ich werde bei der Beantwortung der einzelnen Fragen noch darauf zurückkommen, dass es Sinn macht, wenn die Bundesforste weitere Gewässer bekommen. Denn das dient dazu, dass die Bevölkerung direkt an die Ufer gelangen kann und die Ufer nicht verhüttelt oder ausgegrenzt werden. Das macht also Sinn.


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Ich werde auch darauf eingehen, nach welchen Grundsätzen die Bundesforste ihre ganze Geschäftsgestion ausrichten. (Bundesrat Meier: Herr Staatssekretär! Das Land Oberösterreich will ja den Attersee jetzt sogar wieder behalten, statt dass er an die Bundesforste übertragen wird!) – Es können ohne weiteres einmal Bundes- und Landesinteressen konträr sein; diese müssen nicht immer konform sein.

Aber nun zunächst einmal zum Grundgeschäft: Es werden Seen übertragen, und es ist nur natürlich, wenn ich für eine Übertragung, bei der ich etwas erhalte, etwas bezahle. Übrigens möchte ich auch sagen: Das ist nicht das erste Wald-Verkaufsgeschäft, das die Bundesforste machen. Ich werde dann anhand einer Liste aufzählen, was in letzter Zeit verkauft worden ist; mehr, als jetzt verkauft wird. – Das sei nur gesagt, um jetzt einmal die Dimensionen abzugrenzen. (Bundesrat Meier: Wozu brauchen Sie dann ein neues Gesetz?)

Um diesen konkreten Akt ... (Bundesrat Meier: Wozu brauchen Sie es denn, wenn es sowieso möglich war?) – Diese Veräußerungen geschehen immer; weil der Wald in Österreich unter hohem Schutz steht, ist zur jeweiligen Veräußerung ein Gesetz notwendig.

Aber jetzt einmal zur Faktenlage: Derzeit sind bereits rund 80,5 Prozent des österreichischen Waldes Privatwald. Nur 19,5 Prozent sind öffentlicher Wald, und hievon haben die Bundesforste 15 Prozent. (Bundesrat Meier: Das habe ich gesagt!) Das zeigt es von der Dimension her.

Wir haben eines der strengsten Forstgesetze, und dieses ist auch wirksam. Das Forstgesetz dient bekanntlich dazu, dass der Wald eine Nutzfunktion, eine Schutzfunktion und außerdem eine Wohlfahrts- und Erholungswirkung hat. Bereits ab einem halben Hektar ist eine Schlägerung bewilligungspflichtig.

Die letzte österreichische Wald-Inventur hat ergeben, dass sich der Zustand des Waldes gebessert hat und dass bei weitem weniger Wald genutzt wird, als Wald zuwächst. Es wachsen jährlich ungefähr 27,3 Millionen Kubikmeter Holz zu, und nur 19,5 Millionen Kubikmeter – das sind rund 71 Prozent des Zuwachses – werden genutzt. (Bundesrat Meier: Das ist alles richtig!) Ich verstehe daher die große Sorge nicht. Denn der geplante Waldverkauf, diese 30 000 bis 50 000 Hektar, betrifft nicht einmal 1 Prozent der gesamten Waldfläche. Umgelegt auf die Bundesforste sind es 4 Prozent des Bundesforste-Besitzes beziehungsweise dessen, was ihnen zur Nutzung überlassen ist.

Jetzt gibt es natürlich Einwände, und was die Trinkwasser-Ressourcen betrifft, sind es sehr ernste Einwände. Bundesminister Molterer hat dazu bereits im letzten Ministerrat gesagt, dass die Kautelen, also die Vorgaben an die Bundesforste, unter welchen Bedingungen sie verkaufen können, auf Grund dieser Äußerungen noch strenger als vorher sein werden. Es werden also Liegenschaften, die bedeutende Trinkwasservorhaben oder Gletscher beinhalten, auf jeden Fall nicht verkauft werden. Das wird noch diese Woche abgeschlossen werden. (Bundesrat Meier: Gletscher kauft eh niemand!)

Zur Frage 2: Ist Ihr Vorgehen, die Initiierung eines schweren Substanzverlustes zugunsten des kurzfristigen Stopfens von Budgetlöchern auf Kosten eines hervorragend geführten Unternehmens der Republik Österreich, mit Ihrer Ministerverantwortlichkeit zu vereinbaren?

Ich darf bitte gleich die Frage 3 anschließen: Halten Sie es für betriebswirtschaftlich verantwortbar und volkswirtschaftlich sinnvoll, ein Unternehmen, welches laufend beträchtliche Beträge jährlich an das Finanzministerium abführt, auf Kosten künftiger Generationen mit einer derartigen Hypothek zu belasten?

Dieses Geschäft ist im Vergleich zu den bisherigen Geschäften ein ganz natürlicher Vorgang. Es gibt laufende Grundstücksankäufe und -verkäufe. Im Jahr 1995 wurden zum Beispiel 4 000 Hektar an die Bleiberger Unternehmungen verkauft. Es wurden dafür andere Grundstücke wieder zugekauft. Im Jahr 1998 wurde das Revier Dornbirn veräußert.

Die Bundesforste verfolgen folgende Strategie – sie ist durch einen Aufsichtsratsbeschluss festgelegt –: keine Veräußerung von Kerngebieten – das wird auch in diesem Fall vorliegen –; kein


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Verkauf von strategischen Ressourcen, also Quellen und Seen; nur Verkauf von Randlagen und Streuflächen zur Verbesserung der Betriebsstruktur; Berücksichtigung von Anrainern und kommunalen Interessen.

Unter diesen Auflagen ist das bestimmt worden. Es wurde gefragt: Kann sich ein Bauer ein derartiges Grundstück, ein Waldgrundstück überhaupt leisten? – Es gibt auch die Möglichkeit des Zusammenschlusses zu Genossenschaften, sodass gemeinsam etwas angekauft wird.

Zur Frage 4: Wie hoch werden die immer wieder angesprochenen Einsparungen im Zusammenhang mit den in Aussicht gestellten Verwaltungsvereinfachungen im Bereich der Seen konkret in Schilling pro Jahr sein?

Die eingesparten Verwaltungsaufwendungen betreffen eine Abteilung im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie je eine Abteilung in den Ländern Oberösterreich und Kärnten. Das ist also gar nicht so unbedeutend. Mit dem Zuwachs von neuen Seen kann die schon verfolgte Seeufer-Politik erweitert oder weiter fortgeführt werden. Diese zielt ab auf die Erhaltung der natürlichen Seeuferteile, den freien Zugang zu den Seen, die Erhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer, den Schutz ufernaher Grundwasservorkommen, den Rückhalt von Hochwasser, die Instandhaltung der Gewässer, die Errichtung und Instandhaltung von Wasserbauten und gewässerkundlichen Einrichtungen sowie letztlich die Erholung der Bevölkerung.

Zur Frage 5: Wie interpretieren Sie den vor allem in der bäuerlichen Bevölkerung weit verbreiteten Spruch "Nur der dümmste Bauer verkauft seinen Wald" vor dem Hintergrund des durch diese Gesetzesvorlage der österreichischen Bundesregierung erzwungenen Verkaufes von 30 000 bis 50 000 Hektar Wald durch die Österreichischen Bundesforste?

Auch im privaten Bereich werden Wälder verkauft und gekauft, wenn dahinter ein sinnvoller Gedanke steht, also zum Beispiel eine Strukturbereinigung, sodass ich Streuland zusammenfassen kann. Das gehört unserem Geschäftsleben an, und vor diesem Hintergrund werden wir von diesem geplanten Gesetzesvorhaben nicht abrücken. (Bundesrat Meier: Das geschieht ja hier nicht!) Wir halten es für vernünftig.

Ich möchte aber, weil heute vom Vorredner die Budgetlage angesprochen wurde, abschließend noch etwas ergänzen.

Als im Jahr 1970 die Bundesregierung wechselte und eine andere Partei die Geschäfte übernahm, trat sie es mit einem Defizit in der Höhe von 3,5 Milliarden an, und die Gesamtschuld lag bei 14,5 Milliarden Schilling. Wir haben am 4. Februar 2000 mit einem Defizit, das weit über 108 Milliarden Schilling gelegen ist, und mit einer Gesamtverschuldung in der Höhe von 1 700 Milliarden Schilling die Geschäfte zurück übernommen. Wenn wir die außerbudgetären Schulden, Verwaltungsschulden noch dazurechnen, kommen wir auf weit über 2 000 Milliarden Schilling an Schulden. (Bundesrat Dr. Böhm: Eine Katastrophe!)

All diese Maßnahmen sind notwendig, dass wir die Bedingungen, die wir im Jahr 1997 mit dem Stabilitätspakt gegenüber der EU eingegangen sind, erfüllen können. (Bundesrat Meier: Dafür gibt es in jedem Bezirk höhere Schulen! Es ist nicht hinausgeschmissen worden!) Wir sind mit dem jährlichen Defizit dort die Letzten, bitte, und liegen bei der Gesamtverschuldung auf dem viertletzten Platz. Es hat schon eine Reihe von Ländern einen Überschuss erwirtschaftet, und es gibt zum Beispiel in Finnland schon Überlegungen, wie der Überschuss verteilt wird, vor allem auf Forschung und Entwicklung.

Damit wird für die Zukunft, für die zukünftigen Generationen ein wesentlicher Beitrag geleistet, und es werden wesentliche Startbedingungen für den nächsten Wirtschaftsstandortvergleich gelegt. Daher müssen wir die günstige Wirtschaftslage ausnützen, um unser Budget zu konsolidieren, das in einem Ausmaß strapaziert wurde, wie es eigentlich niemand geglaubt oder für möglich gehalten hat. (Bundesrat Meier: Das haben Sie nicht gewusst?) – In dem Ausmaß und in der Detaillierung nicht! (Bundesrätin Schicker: Das haben alle nicht gewusst, die dabei waren! – Bundesrat Meier: Niemand hat es gewusst!)


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Eines möchte ich auch zu den Studienbeiträgen sagen, weil das wieder einmal angesprochen worden ist. Es kostet uns ein Student in der Ausbildung 100 000 S pro Jahr. (Bundesrat Dr. Böhm: Ja, so ist es!) Wer zahlt das heute? – Auch der kleine Arbeiter, der gar nicht hingeht – nach den strukturellen Zusammensetzungen ist es mehr die Mittelschicht, die auf Universitäten geht –, muss mit seinen Steuerleistungen für die Ausbildung voll aufkommen. (Bundesrat Dr. Böhm: Sicher, das ist unsozial! – Bundesrat Meier: Und die Akademiker zahlen es ...! – Weitere Zwischenrufe.) Aber für einen Kindergartenplatz muss gezahlt werden. Die soziale Gemeinde Wien verlangt für Kindergartenplätze einen Sozialtarif von 1 100 S, der Normaltarif beträgt 3 000 S. Dieser Studienbeitrag in der Höhe von 5 000 S für ein Semester wird weniger als 900 S im Monat betragen.

Angesichts der Relation zu dem, was an Qualitäten – obwohl da etliches verbesserungswürdig ist – angeboten wird, ist eine derartige Diskussion durchaus gerechtfertigt. Es ist nur traurig, dass sie zwar schon lange geführt worden ist, aber dass wir in der Regierung stets einen Blockierer hatten, der immer wieder Probleme angesprochen hat, sie aber nie gelöst hat. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Da wünsche ich Ihnen alles Gute!)

16.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 unserer Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich darf ihn bitten, das Wort zu nehmen.

16.55

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! (Ruf bei der ÖVP: ... die Probleme sachlich sehen!) Ich bleibe sachlich. Aber es war eine Aufmunterung Kollegen Bieringer gegenüber, warum ich mich das zweite Mal zu Wort melde, weil ich eben etwas zu sagen habe oder zumindest glaube, dass ich etwas zu sagen habe. (Bundesrat Bieringer: Ja, das ist richtig: dass du glaubst!)

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Ich hätte eine Bitte, vielleicht könnten Sie mir noch etwas beantworten. Wir wissen, dass 1999 das beste Jahr in der Unternehmensgeschichte der Bundesforste AG gewesen ist, da sie einen Beitrag in der Höhe von 210 Millionen Schilling zum Bundesbudget leisten konnten. Wenn wir jetzt wissen, dass wir bis zu 50 000 Hektar Wald verkaufen wollen, dann kann man bemessen, was das an Einnahmenverlust im Vergleich zum Erfolg von 1999 darstellen würde. – Damit man auch weiß, von welcher Relation wir sprechen.

Im Übrigen haben mich Ihre Ausführungen, Herr Staatssekretär, als Sie von 4 Prozent der Besitzfläche gesprochen haben, ein bisschen an einen Sketch von Ossi Kolmann erinnert, der ungefähr 20 oder 25 Jahre alt ist und in dem es darum geht, Statistik zu erklären. Ich darf Ihnen sagen, wie das gewesen ist.

Es kamen zwei sehr hungrige Wanderer in ein Gasthaus. Einer war 5 Minuten früher dort als der andere und fragte, was es noch zu essen gebe. Der Wirt sagte: Ich habe noch ein Backhuhn. Darauf sagte der Wanderer: Bitte bringen Sie mir das Backhuhn, das werde ich essen. – Der zweite Wanderer kommt herein und fragt, was es denn zu essen gebe. Leider nichts mehr, wird ihm gesagt, weil der andere Herr ein ganzes Backhuhn bestellt hat. Auf die Vorhaltungen desjenigen, der nichts bekommen hat, warum der andere alles allein isst, sagt dieser: Was willst du denn? – Statistisch gesehen, essen wir beide ein halbes! (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Einer hatte Hunger, und der andere hatte ein bisschen mehr davon, aber statistisch gesehen hatte er natürlich Recht. Was meine ich damit? – Wenn Sie von 4 Prozent sprechen, sagen Sie natürlich nicht dazu, dass die 800 000 Hektar nur 500 000 tatsächlich verwertbare oder verwirtschaftbare Hektar sind. Daher reden wir von zirka 10 Prozent und nicht von 4 Prozent der betroffenen Waldfläche. Das ist nicht gerade wenig, meine Damen und Her


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ren, und daher sollte man sich Gedanken darüber machen, was damit passieren wird. (Bundesrat Meier: Richtig!)

Ich möchte mich jetzt nicht noch einmal über die Umstände und die Budgetzuführungen auslassen. Wir haben das vom Begründer, Kollegen Meier, hervorragend dargestellt bekommen. Wir haben auch teilweise schon die Beantwortung seitens des Regierungsvertreters gehört. Ich möchte aber hier noch ein paar Sorgen deutlich machen, damit Sie auch sehen, dass man das über die Grenzen hinweg meint. Da weiß ich mich der Unterstützung der Landeshauptleute von Salzburg, der Steiermark und inzwischen auch von Niederösterreich sicher, sie sind hinsichtlich der Sorgen mit den sozialdemokratischen Befürwortern eines Volksbegehrens, nämlich Buchleitner, Haider und Schachner-Blazizek, einer Meinung.

Ich glaube, der erste Punkt ist: wichtiger Waldbesitz künftig in privater Hand. Dem ist grundsätzlich nichts entgegenzusetzen, Privatbesitz sollte nichts Tragisches sein. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Dr. d′Aron. ) Allerdings ist es anders zu sehen, wenn man es nicht steuern kann, wer denn die Privaten sind, die in den Genuss des Waldes kommen – ich darf nur auf den Fremdenverkehr verweisen. Viele Gemeinden werben mit Mountainbiking und mit allen Arten von Wanderungen in den Wäldern.

In Salzburg greift es schön langsam um sich, dass große Forstwege, die nicht nur von den Betreibern selbst errichtet wurden, sondern auch mit öffentlichen Geldern für die Erholung suchende Bevölkerung geschaffen wurden, einfach gesperrt werden und dass Radfahrer, die nicht die Wege verlassen, angepöbelt, angezeigt und wegen Besitzstörung vor den Kadi gebracht werden. Das ist nicht gerade konsumenten- und tourismusfreundlich. Das sind ... (Ruf bei der ÖVP: Brauchen Sie nur die Haftung zu übernehmen! – Weitere Zwischenrufe.)

Herr Kollege! Das ist unsere gemeinsame politische Aufgabe. Natürlich gibt es hier vieles zu tun. Das kann man aber machen. Wer hindert uns daran, entsprechende Weichen zu stellen? – Das meine ich damit: Wenn man miteinander diskutiert, kommt man auf die wichtigen Dinge drauf, und dann kann man es der Fremdenverkehrswirtschaft zuführen. Dann haben wir alle miteinander das Doppelte von diesen Wäldern und müssen sie nicht veräußern. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir wissen auch, dass der Wald eines der größten Süßwasserreservoirs ist, die wir haben. Ich weiß noch ganz genau, dass, als es darum ging, Befürworter für den Beitritt zur EU österreichweit zu finden, der Parteichef einer Partei, die sich eigentlich bis heute nicht dazu überwinden kann, für Europa zu sein oder für Europa zu sprechen, ganz klar ins Treffen geführt hat, dass man doch nicht dafür sein kann, österreichisches Wasser in Pipelines irgendwohin auf der ganzen Welt zu leiten, es ging augenscheinlich um die Sahara, dort dürfe man nicht dabei sein. – Jetzt plötzlich hat man offensichtlich keine Angst mehr, dass dies geschieht.

Nur zur Information: Ein Hektar speichert sage und schreibe bis zu 2 Millionen Liter kristallklares Trinkwasser. Es ist wohl Sache des Staats, dafür zu sorgen, dass das in Händen bleibt, wovon die Gemeinschaft profitiert, und dass nicht Einzelne, die es sich leisten können, die Möglichkeit haben, Wasser zu Öl zu machen. Was das heißt, erleben wir zurzeit, und das sollten wir gemeinsam verhindern! (Zwischenruf des Bundesrates


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Ing. Scheuch. ) – Herr Kollege Scheuch! Ich lasse mir im Gegensatz zu Ihnen gerne etwas erklären und nehme Anregungen, wenn sie stimmen, auf. (Bundesrat Ing. Scheuch: Das regelt ja das Wasserrecht! Das gilt für die privaten Bauern auch!) Ich weiß auch, dass diese Dinge zu regeln sind, man kann diese aber nur gemeinsam regeln, aber nicht dadurch, indem man sich gegenseitig ins Geviert und dadurch zu keiner einheitlichen Meinung kommt. (Bundesrat Ing. Scheuch: Ich werde Ihnen das erklären!)

Ich darf Ihnen dann noch rechtlich ausführen, was man als alleiniger Besitzer von Wald alles tun darf. Da werden Ihnen die Augen nämlich ein bisserl aufgehen, und dann werden Sie nicht mehr so klar dorthin tendieren. Was haben Sie denn von einem Wasserreservoir, wenn der Wald ohne notwendige Genehmigung gerodet wird? (Bundesrat Ing. Scheuch: Sind Sie Waldbesitzer?) – Ich habe leider zu wenig! Ich besitze 16 Bäume. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) Herr Kollege Scheuch! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Dann frage ich mich, was Herr Kollege Haider gemeint hat, als es darum ging, Europa beizutreten, als er gedroht hat, was alles auf uns zukommt und dass das Wasser die Araber statt uns trinken werden.

Meine Damen und Herren! Man muss bei der Sache bleiben und kann die Dinge doch nicht drehen und wenden, wie man will, und sich wie ein Fähnchen im Wind drehen, wenn es einem gerade opportun ist. Damit helfen wir den Österreichern nicht und schon gar nicht den Generationen, für die wir die Verantwortung zu übernehmen haben, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. )

Herr Kollege Aspöck! Derzeit ist das so. Wenn dann aber große Interessenten an jemanden herantreten – das weiß man aus der Vergangenheit –, dann kamen schon Gesetze zu Stande, die lediglich einigen wenigen Großen dienen! Einer Koalition, die nicht in der Lage ist, Stiftungen zu besteuern, traue ich zu, dass sie vieles in der Zukunft auch nicht durchsetzt oder beibehält. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Böhm: Das schaffen wir schon!)

Meine Damen und Herren! Weiters gefällt mir die Anregung sehr gut, dass die Bundesforste dafür viele Seen in ihre Verantwortung bekommen. Das gefällt mir gut. Wenn ihnen der Wald rundherum jedoch nicht gehört, dann werden sie ein bisserl ein Problem damit haben, dass die Badenden dorthin gelangen können, weil die Privatwege nicht unbedingt geöffnet sein müssen. Wir sehen das jetzt schon bei Seen, die den Bundesforsten gehören, dass man Probleme hat, diese Seen auch zu erreichen, weil man durch Privatwälder gehen muss. Daher sollte man auch darüber in Zukunft noch ein bisserl nachdenken, wie man das wirklich in den Griff bekommen kann.

Der nächste Punkt ist der drohende Preisverfall, wobei ich jetzt nicht Sorgen um jene habe, die jetzt große Jagden kaufen wollen. Vielmehr habe ich Sorgen um jene Bauern, die Wald besitzen, die manchmal darauf angewiesen sind, um die eigene Existenz zu retten, ein paar Hektar zu verkaufen. Wenn der Preis jetzt nach unten gedrückt wird, dann schaut dabei nichts heraus, außer dass er seinen Wald los ist, meine Damen und Herren! Das können wir doch auch nicht wollen. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Herr Kollege! Für den Fall, dass es keine andere Möglichkeit gibt, zu überleben, sollte man den Bauern dieses letzte Rettungsringerl nicht wegnehmen. Bleiben wir doch auf der Seite derer, die darauf angewiesen sind, davon zu leben!

Der Sekretär eines Bauernverbandes tut sich leichter im Argumentieren, weil er nichts verantworten muss. Er darf nur argumentieren. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. )

Meine Damen und Herren! Ich glaube auch, dass keine sehr große Gefahr besteht, dass der Großglockner oder der Großvenediger, der zu 100 Prozent im Besitz der Bundesforste ist, verkauft wird, denn da würden sich natürlich die Salzburger und die Kärntner ordentlich dagegen wehren. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Das betrifft dort sehr wohl einen Großteil der Wälder. Schauen Sie sich die Gegebenheiten an, dann wissen Sie es!

Ich werde ein paar Dinge aus Salzburger Sicht hier vortragen, und das kann man jederzeit nachlesen, das ist geprüft, und es besteht nicht die Gefahr, dass Herr Kollege Scheuch gezwungen ist, das aus Parteiraison nicht glauben zu dürfen. Das dürfen Sie mir glauben, das ist erhoben und wissenschaftlich fundiert.

"Die ÖBF AG verwaltet beziehungsweise bewirtschaftet im Land Salzburg 200 000 Hektar Grund, davon 121 000 Hektar Waldflächen. Dies entspricht einem Anteil von 34 Prozent der gesamten Waldfläche des Landes. ... Mit diesem Grundbesitz hat die ÖBF AG für das Land große Bedeutung, insbesondere in Angelegenheiten der Raumordnung, des Naturschutzes, des Nationalparks Hohe Tauern und der Jagd." – Man will das natürlich gern auseinander dividieren, das gehört aber zusammen! "Das gilt auch wegen der Einforstungsrechte Dritter am Staatswald." – Auch das ist ein Problem, das es zu diskutieren gilt, und da muss gewährleistet sein, dass es keine Benachteiligten gibt.


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Weiter: "Eine breite Privatisierung des Staatswaldes würde schon zweifellos deshalb nachteilige Folgen nach sich ziehen. Die starke Stellung der Bundesforste in Salzburg erklärt sich geschichtlich mit der Einverleibung des Landes Salzburg in die Monarchie. Das Land erhielt bei der Einverleibung in das Österreichische Kaiserreich staatsrechtlich nicht die Stellung des Kronlandes, sondern die eines Landkreises. Aus diesem Grund ging 1816 sämtlicher Realbesitz des Landes in das Eigentum des Kaiserreiches und später in das Eigentum des Bundes über. Im Übergangsgesetz von 1920 wurde die endgültige Auseinandersetzung über das staatliche Vermögen einem ‚Verfassungsgesetz des Bundes über die finanzielle Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern’ vorbehalten. Das Eigentum des einstmals selbständigen Erzbistums wurde also nur provisorisch an den Bund übertragen. Dabei wurde auch bestätigt, dass Salzburg auf Grund der ‚Enteignung’ 1816 eine Sonderstellung unter den Bundesländern inne habe und Anspruch auf eine Regelung dieser Frage habe."

Das ist auch die Grundlage dafür, dass Herr Landeshauptmann Schausberger von einer Verfassungsklage spricht.

Ich darf auch noch Aussagen einiger prominenter Politiker anführen, zum Beispiel: "Landeshauptmann Klasnic will Vorkaufsrecht der Länder für Quellgebiete, sie befürchtet, dass bei Verkäufen in der Steiermark ‚die Stadt Wien ante portas stehen würde’." – Das ist nicht meine große Sorge, meine Sorge ist, dass das Wasser wirklich knapp wird und abgeführt werden würde.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass es notwendig ist, wenn die Regierung nicht willens ist, entsprechend darüber zu diskutieren, und nicht willens ist, eine Volksbefragung durchzuführen, ein entsprechendes Bürgerbegehren einzuleiten, um vielleicht doch noch zu einer Diskussion zu kommen und letztendlich ein gemeinsames Vorgehen zu erreichen.

Ich glaube, man darf es nicht zu leicht nehmen, wenn Menschen zum Beispiel sagen: "‚Für so manchen Bergbauern bedeutet es das Ende, wenn unsere Wälder in Salzburg ausverkauft werden!’" Das kann man natürlich auf ganz Österreich umlegen. "Hans Steiner, Bürgermeister von Stuhlfelden ist selbst Landwirt und gleichzeitig Obmann der Servitutsbauern. Sie haben seit gut 130 Jahren das Recht, die staatlichen Wälder zu nutzen. Für Brennholz, Bauholz und Zaunholz. ‚Deshalb müssen sie sich jetzt wehren. Sonst werden die Bundesforste ohne Wenn und Aber privatisiert.’"

Wir wollen gar nichts anderes, als dass die Rechte der österreichischen Bevölkerung im Bereich der Bundesforste gewahrt bleiben, und wenn ein ÖVP-Bürgermeister, der selbst Bauer ist, das in der Öffentlichkeit sagt, dann gibt es wohl berechtigten Anlass zur Sorge. Wir sind aufgerufen, jeden dabei zu unterstützen, hier Licht ins Dunkel zu bringen.

Zum Beispiel sagt der Landesumweltanwalt von Salzburg: "Unsere Gesetze sind leider so schwach, dass neue Großgrundbesitzer durchaus große Waldgebiete einfach kahl schlagen könnten. Denn sie wollen ja maximalen Ertrag und keine naturnahe Pflege." Wenn der Herr Landesumweltanwalt das so formuliert, dann hat er hinsichtlich der derzeitig gültigen Gesetzeslage Sorgen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das dürften Sie nach dem Forstgesetz gar nicht!) Und das sollte für uns Auftrag sein, nachzudenken.

Wir Sozialdemokraten bringen daher folgenden Entschließungsantrag ein, der uns wiederum Gelegenheit gibt, so einmütig wie heute schon mehrmals auch die Sache Wald anzugehen. – Ich darf ihn zitieren:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Stefan Prähauser, Ernst Winter und GenossInnen betreffend Rücknahme der beabsichtigten Erzwingung substanzschädigender Verschuldung der Österreichischen Bundesforste zur Nutzung einer "Nachdenkpause" für einen Dialog mit den Gegnern des Ausverkaufs von Wäldern und Trinkwasserressourcen


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Die österreichische Bundesregierung will gemäß ihrem inhaltsleeren Slogan "speed kills" die Österreichischen Bundesforste überfallsartig zu einer substanzschädigenden Zwangsverschuldung zwecks kurzfristigem Stopfen von Budgetlöchern zwingen. Damit wird dieses hervorragende Unternehmen 50 000 Hektar der Grundbesitzungen, zur Refinanzierung der seitens des Finanzministers geforderten 3 Milliarden Schilling, weltweit versteigern müssen.

Wenn Geschwindigkeit zum Hauptfaktor politischen Handelns erhoben wird, bleiben sowohl Inhalte als auch Einbindung der österreichischen Bevölkerung – und damit der Eigentümer – zwangsläufig auf der Strecke.

Für besonders verwerflich halten wir diese Vorgangsweise, wenn es sich wie in diesem Falle um den Verkauf von Eigentum im Besitz der Republik Österreich und damit aller Steuerzahler dieses Landes handelt.

Die "Mitbesitzer" sollen offenbar auf Kosten der Geschwindigkeit von jeder Mitbestimmung und Mitsprache bei diesem "Deal" ausgeschlossen bleiben.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher folgenden Entschließungsantrag:

"Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, den vorliegenden Entwurf des Landeswirtschaftsressorts für eine Novelle des Bundesforstgesetzes zurückzuziehen und mit den Gegnern des Ausverkaufs von Wäldern und Trinkwasserressourcen im Rahmen einer ‚Nachdenkpause’ den Dialog rasch aufzunehmen."

*****

Miteinander reden und nachdenken kann niemals zum Schaden des Gesamten sein! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Stefan Prähauser und Genossen eingebrachte Entschließungsantrag ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Keuschnigg. – Bitte.

17.11

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es liegt nun eine dringliche Anfrage vor, mit welcher wie mit so manchen dieser Sorte eigentlich nichts erfragt werden soll, weil der Sachverhalt ohnehin weitgehend auf dem Tisch liegt, sondern die im Prinzip die Bühne für weitere politische Agitation darstellen soll.

Auswüchse in der Argumentation hat Kollege Meier bei der Erstbegründung bereits demonstriert, als er diese Teilveräußerung der Österreichischen Bundesforste mit dem Wildererunwesen in den Notzeiten verglichen hat. – Das ist schon sehr phantasievoll. Ich kenne das auch sehr gut, aber man fühlt sich fast ein bisschen ins Märchenland versetzt.

Vorab auch zur Diktion dieser Anfrage: Sie schreiben, dass diese schwarz-blaue Bundesregierung ihre "selbsternannten Budgetzielsetzungen" verfolgt. – Ich würde sagen: selbstgestellte Budgetzielsetzungen. Sie tun so, als ob das Schuldenmachen gut und das Abbauen von Schulden oder Defiziten schlecht wäre! – Ich möchte mich dagegen ein bisschen wehren, dass die Schuldenpolitik so bagatellisiert wird. Sie sagen nicht dazu, dass diese Entschuldung zum Vorteil der Bürgerinnen und Bürger ist, weil diese Entschuldung selbstverständlich den Wirtschaftsstandort Österreich und die Arbeitsplätze in Österreich sichern soll.

In der Begründung schreiben Sie auch, dass das Ganze substanzschädigend sei. – Sie schreiben das wider besseres Wissen, weil Sie sehr wohl wissen, dass die Substanz nachgeführt und das öffentliche Wassergut eingebracht wird. Sie verdrehen die Grundlagen, obwohl Sie es besser wissen, und das ist auch ein Hinweis dafür, wie ernsthaft die Diskussion ist.


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Wider besseres Wissen schreiben Sie auch von "Zwangsverschuldung", weil Sie wissen, dass nach Durchführung dieser Maßnahmen unter diesem Titel keine weiteren Schulden vorliegen sollen. (Bundesrat Kon
ecny: Was soll das heißen?) – Herr Bundesrat! Es werden aus diesem Titel nach Durchführung der Aktion keine neuen Schulden mehr vorhanden sein. Das habe ich so gesagt. (Bundesrat Konecny: Was sind Ihrer Meinung nach "neue" Schulden?) – Wir reden über den Begriff Zwangsverschuldung, den Sie in Ihrer Anfrage wider besseres Wissen ins Treffen führen.

Nun zur Veräußerung selbst. Ich möchte keine Zahlen wiederholen beziehungsweise nur eine einzige: Der Herr Staatssekretär hat gesagt, dass im österreichischen Wald 80 Prozent im Privatbesitz und 20 Prozent im Besitz der öffentlichen Hand sind. Man weiß aber aus Untersuchungen der Wirtschaftsuniversität Wien, aber auch aus der jährlichen Waldinventur, dass sich die Qualität der österreichischen Wälder auf einem ausgezeichneten und international sehr herzeigbaren Niveau befindet. So schlecht machen es demnach die Privaten auch nicht, dass man gegen diesen Teilabverkauf so zu Felde ziehen müsste.

Ich weise mit Nachdruck die Behauptung zurück, dass das private Waldeigentum schlechter ist als das staatliche Waldeigentum. Herr Kollege! Ich darf Ihnen, weil Sie auch die Wohlfahrtsfunktion angeschnitten haben, ein einziges Beispiel aus Tirol nennen: In Tirol ist es in den letzten Jahren gelungen, zirka 3 000 Kilometer Mountainbikestrecken für die Bevölkerung, für die Konsumenten, aber auch für die Gäste frei zu machen. Die Bundesforste waren bei diesem Geschäft weder die Offensivsten noch die Billigsten. Die Bundesforste haben gehandelt wie ordentliche Kaufleute und geschaut, wie das am besten geht. – Ich will daher weder so noch so werten und nur sagen, dass die privaten Waldeigentümer sehr genau wissen, wo die Sozialpflichtigkeit des Eigentums beginnt und dass es kein Argument sein kann, ob ein Besitz im Staatseigentum oder in privater Hand ist. (Bundesrat Prähauser: So habe ich es nicht gemeint!) Ich habe die Lebenserfahrung, dass, wenn seriös miteinander verhandelt wird, es am Ende auch zu guten Ergebnissen kommt, und das ist in Tirol am Ende bei den Bundesforsten auch sehr gut gelungen.

Unbestritten ist, dass die Ausgliederung der Österreichischen Bundesforste, die vor wenigen Jahren stattgefunden hat, ein Erfolg in dieser Republik Österreich war und dass das Einführen von privatwirtschaftlichen Elementen ins Management des öffentlichen Waldes überaus erfolgreich für das Gesamte war. Die Österreichischen Bundesforste sind heute ein international anerkanntes Kompetenzzentrum in Sachen Wald, Waldschutz, Waldansiedlung, Wiederaufforstung und so weiter. Ich meine, dass die jetzige Maßnahme nicht nur keine Substanzverminderung der Österreichischen Bundesforste ist, sondern vielmehr eine Maßnahme zur Konsolidierung derselben. Man kann diese Veränderung in der Eigentumsstruktur der Bundesforste – Übernahme von öffentlichem Wassergut einerseits, Abgabe von Teilbesitz andererseits – als sinnvolle Arrondierung des eigenen Betriebes sehen.

In erster Linie werden selbstverständlich Randstücke, Splitterbesitz, Grundstücke, die aus einem anderen Grund nicht homogen zum Betrieb passen, veräußert werden. Selbstverständlich kann man im Zuge dieser Maßnahmen eine Arrondierung des eigenen Staatsbesitzes und eine Verbesserung der Effizienz und der Schlagkraft der Bundesforste vornehmen. Neu hinzu kommt die Konzentration auf das Management des öffentlichen Wassergutes. Es ist wichtig und macht politisch Phantasie, dass ein neues Kompetenzfeld bei den Österreichischen Bundesforsten aufgebaut wird. Dass diese privatwirtschaftliche Verwaltung Vorteile bringt, sieht man an einigen Beispielen. Man sieht das zum Beispiel auch beim Schloss Schönbrunn, wo wir heute schwarze Zahlen schreiben, man sieht es anhand des Tiergartens Schönbrunn, man sieht es anhand der Ausgliederung der Bundesforste selbst, und man wird es in Kürze auch anhand der Ausgliederung der Spanischen Hofreitschule sehen. Ich bin davon sehr überzeugt, dass das zum Vorteil gereichen wird! – Diese Einschleusung privatwirtschaftlicher Elemente bringt mehr Leistungen und ein größeres Angebot für den Bürger.

Zum Schluss möchte ich auch auf die Auswirkung auf viele bäuerliche Betriebe aufmerksam machen. Das ist schon angeführt worden, und ich möchte es nur ganz kurz machen. Es wird


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kein Nachteil sein, wenn sinnvolle Besitzaufstockungen stattfinden können, und es wird kein Nachteil sein, wenn manche Familien sich so die Existenz verbessern können.

Diese Anfrage ist leider im Kern sehr spekulativ, weil man glaubt, so irgendwelche unterschwelligen Wählerängste motivieren und Verdachtsmomente schüren zu können. Sie ist spekulativ, weil sie den Boden für politische Agitation abgeben soll. Diese politische Vorgangsweise birgt in der Sache keinen strategischen Ansatz. Diese Bremsversuche bringen keinen zukunftsweisenden Ansatz. Diese politische Agitation haben sich die Österreichischen Bundesforste eigentlich nicht verdient! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

17.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Scheuch. – Bitte.

17.21

Bundesrat Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche, Kärnten): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoch geschätzter Bundesrat! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Frau Präsidentin! Wir werden und müssen – ich betone noch einmal: wir müssen – 40 000 Hektar der Österreichischen Bundesforste verkaufen, und im Gegensatz zur Meinung des Herrn Prähauser, den ich als guten Redner schätze, der uns das mit Backhendln erklären wollte, ist es nun einmal so, dass Österreich rund 80 000 Quadratkilometer groß ist und die Österreichischen Bundesforste eben rund 800 000 Hektar halten. Das ist – man möge mir die Kommastelle verzeihen – ungefähr 1 Prozent der Fläche unseres Staatsgebietes.

Ich glaube – das ist ein entscheidender Punkt –, dass Sie einen schweren Fehler machen, dass Sie den Bäuerinnen, Bauern und kleinen Grundbesitzern einen Schlag ins Gesicht versetzen, wenn Sie einen Unterschied machen wollen, nämlich ob die Österreichischen Bundesforste von einem Privatbetrieb gekauft werden, von einem kleinen Bauern übernommen werden oder ob das im Kleingrundverkehr – ich möchte das einmal so bezeichnen – veräußert wird. Sie sollten nämlich wissen, dass der Wechsel von Grund und Boden in Österreich ungefähr im zehnfachen Ausmaß der angesprochenen 40 000 Hektar erfolgt.

Natürlich kann man darüber reden, wie das geregelt werden muss. Man kann den Grundverkehr regeln. Wie Sie sicherlich als erfahrener Gemeindepolitiker wissen, gibt es da Kommissionen, welche bestimmen, dass nur land- und forstwirtschaftliche aufstockungswürdige Betriebe solchen Grund kaufen können. Eine wichtige Rolle dabei spielt das Forstgesetz. Wir haben heute schon mehrmals gehört, dass das österreichische Forstgesetz ein sehr strenges und konsequentes Gesetz ist. Dazu bekennen wir uns klarerweise, wir bekennen uns auch zum Wasserrecht, und wir bekennen uns auch dazu, dass es auf gar keinen Fall zum Ausverkauf unseres Grundwassers kommen darf. Dafür werden wir auch in Zukunft einstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Dafür wird die schwarz-blaue Regierung einstehen. Das ist die Handschrift einer solchen Regierung. Aber wenn wir vom Verkauf reden, dann sollten wir auch einmal darüber diskutieren, was verkauft wird. – Die Größenverhältnisse haben wir dargestellt, und man konnte feststellen, dass Sie etwas aufzublasen versuchen, was in Wirklichkeit verhältnismäßig klein und verkraftbar ist, was aber gemessen daran ein großer Beitrag zum Abbau der Staatsschulden und somit auch zur Befriedigung der Interessen vieler kleiner Bürger und auch vieler kleiner Arbeiterinnen und Arbeiter ist.

Was wird verkauft? – Es werden Rand- und Streulagen verkauft, wie das gesetzeskonform – Staatssekretär Finz hat es bereits ausgeführt – festgeschrieben ist. Es wird dabei natürlich auch zu Einsparungen in der Verwaltung kommen.

Ich habe hier heute einige Dinge gehört, die mich teilweise auch amüsiert haben. Offenbar haben Sie ehrlich Angst, dass es zu einem Ausverkauf und diesbezüglichen Problemen kommen wird. Der Grund dafür ist wahrscheinlich – ich muss es einfach so sagen –, weil Sie von dieser Materie verhältnismäßig wenig Ahnung haben, denn warum würden Sie sonst damit argumentieren, dass es den kleinen Bauern zum Nachteil gereicht, wenn sie die Möglichkeit haben, ein


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zweites Standbein zu erwerben, wenn sie beispielsweise die Möglichkeit haben, auf Grund eines verhältnismäßig geringen Grundzukaufes eine Eigenjagd zu besitzen und diese selbst zu bejagen und es eben nicht mehr so ist wie bis jetzt.

Dazu muss ich Ihnen sagen: Ich bin selbst ein verhältnismäßig kleiner Waldbesitzer neben den Bundesforsten. Wir diskutieren seit zehn Jahren über Mountainbiking-Wege. Wir diskutieren über Jagden. Wir diskutieren über Wegbefahrungen und über Schranken. Ich sage Ihnen – das ist auch die Erfahrung der Österreicherinnen und Österreicher –: In all diesen Punkten sind die Bundesforste immer restriktiv gewesen, natürlich auch zum Schutz der legitimen Interessen, die sie haben. Wenn Sie aber heute behaupten, dass die Bundesforste die Vorreiter einer Waldöffnung gewesen seien, dann ist das eine schwere Verfälschung der Geschichte. Das trifft einfach nicht zu.

Da wir gerade bei der Geschichte sind: Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass es mir gerade bei Ihnen sehr gut gefallen hat, dass wir anscheinend im Kopf eine Seelenverwandtschaft haben, allerdings nur – darauf lege ich natürlich Wert – was die Rückführung betrifft. (Zwischenruf des Bundesrates Meier. ) Passen Sie auf! Von Ihrer Seite ist es eine Erweiterung! Ich sehe es aber grundsätzlich als Rückführung. Sie haben sehr richtig gesagt: Die Bundesforste setzen sich aus bäuerlichem Besitz zusammen. Bäuerliche Gemeinschaften haben dort über Jahrtausende hinweg diesen Wald bewirtschaftet und das Gras gemäht, welches Sie jetzt wachsen hören. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diesen Leuten wurde der Besitz von Staats wegen weggenommen, und diese Leute haben jetzt eine einmalige Chance. Unterschätzen Sie das nicht, ich weiß wovon ich spreche, weil meine Familie davon betroffen ist! Ich weiß, dass Maria Theresia meiner Familie Grund und Boden genommen hat und ich jetzt die Chance bekomme, das zurückzukaufen. (Bundesrätin Fuchs: Sehr aktuell!) Das ist sehr wichtig für einen Bauern, der über lange Zeiträume denkt.

Ich sage Ihnen noch etwas: Bei der Kärntner Landwirtschaftskammer – ich hatte soeben ein Telefonat – haben wir Hunderte von Anfragen von Klein- und Mittelbetrieben, auch ihnen ist es von der gesetzlichen Lage her erlaubt, als Käufer aufzutreten und aktiv ins Geschehen einzutreten. Wir haben in Kärnten fraglos sehr viele Anfragen. (Bundesrat Payer: Ich verkaufe Ihnen meinen Wald, wenn Sie wollen! Den kauft mir keiner ab!)

Grundsätzlich möchte ich noch etwas sagen: Es hat mich besonders betroffen gemacht, dass heute in der Fragestunde unter Punkt 5 der Ausspruch gekommen ist, dass “der dümmste Bauer seinen Wald verkauft”. Herr Kollege Konecny! Sie sollten bedenken, dass, wenn man sagt, dass nur der dümmste Bauer etwas verkauft, das implizit bedeutet, dass die anderen – ich möchte das hier beim Mikrophon nicht so sagen – auch in ein Licht geführt werden, in welches Bäuerinnen und Bauern nicht gehören! Es geht um die Bewahrer unserer Natur, die das bis jetzt wirklich zufrieden stellend gemacht habe! Ich hätte mir erwartet, dass es hier auch einmal von Seiten der SPÖ dafür Lob gibt. (Bundesrat Meier: Das, was Sie jetzt erwähnt haben, hat niemand gesagt!) Sie haben es nicht gesagt. Sie haben es hier aufgeschrieben. (Bundesrat Meier: Das ist eine Redewendung, die Sie auch kennen!)

Ich kenne diese Redewendung nicht. Ich gebrauche sie auch nicht, weil sie meines Erachtens irreführend ist und einen ganzen Berufsstand in ein falsches Licht rückt. Unter diesen Perspektiven sollten Sie diese Sache auch einmal sehen! – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. – Bitte.

17.29

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich gehe davon aus, dass mich Kollege Scheuch betreffend meine Sorge um den Wald missverstanden


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hat: Ich habe niemals Angst davor geäußert, dass die Bauern aus den Forsten Wald erwerben. Meine Sorge betraf jene, die möglicherweise Wald in einer beträchtlichen Größenordnung kaufen, um sich über anderes hinwegsetzen zu können, also nicht nur über die Interessen der Bauern, sondern über die Interessen aller Österreicher. Das ist meine Sorge.

Meine Damen und Herren! Um das zu unterstreichen, zitiere ich aus dem "Kurier" von morgen, der kein sozialdemokratisches Blatt ist. – Ich zitiere: "Die FPÖ darf ihren Weg, den Schutz der kleinen Leute, nicht verlassen. Wir müssen jenen Rechnung tragen, die uns bei der Wahl das Vertrauen gegeben haben. Die ÖVP hat Minister, die Rückfallstäter in das Verhalten der alten Koalition sind. Und sie inszeniert Geschichten: Ihre Landeshauptleute lassen sich als Beschützer der Wälder abfotografieren, obwohl die ÖVP die Bundesforste-Privatisierung verhandelt. Das ist schön langsam das Problem des Schüssel. Dann hat er wieder seine ‚Koalition alt’, an der die FP aber kein Interesse hat. Die VP tut so, als ob sie nirgends dabei wäre. Motto: Ich rauch’ zwar einen Joint, aber high werden die anderen." (Bundesrat Ing. Scheuch: Ist das eine tatsächliche Berichtigung oder eine Rede?)

Das ist insofern eine Richtigstellung, als Sie jetzt sehen, dass meine Sorge richtig ist! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Marizzi: Jetzt sind Sie schmähstad! Das hat nämlich der Haider gesagt! – Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

17.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Koller. – Bitte.

17.30

Bundesrat Franz Koller (Freiheitliche, Steiermark): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Unsere Wälder erfüllen vier Funktionen: die Nutzfunktion, die Schutzfunktion, die Erholungsfunktion und die Wohlfahrtsfunktion. Seit 1975 ist auch die freie Begehbarkeit der Wälder gewährleistet. Die Eigentümerstruktur ist davon nicht betroffen, das heißt, dass unabhängig vom Eigentümer oder Besitzer die gesetzlichen Bestimmungen auf der ganzen Fläche zum Tragen kommen und daher auch Änderungen in der Eigentümerstruktur keine Auswirkung auf eine dieser vier Funktionen haben. Von den 850 000 Hektar, welche die Bundesforste verwalten, sollen 30 000 bis 50 000 Hektar verkauft werden. Über 80 Prozent des österreichischen Waldes sind in Privatbesitz. Jene Grundstücke, welche die Bundesforste veräußern, machen nicht einmal 1 Prozent des ganzen Waldbesitzes aus.

Im internationalen Vergleich sind die österreichischen Wälder in einem sehr guten Zustand. Unabhängig von der Eigentümerstruktur besteht auch für den Umgang und die Nutzung von Wasser eine klare Grundlage. – Herr Kollege Prähauser! Das gilt jetzt für Sie! Hören Sie genau zu: Das österreichische Wasserrechtsgesetz stellt seit 1959 die bewährte gesetzliche Basis zur nachhaltigen Sicherung dieser Ressourcen dar. Laut § 105 Wasserrechtsgesetz ist es untersagt, zum Nachteile des Inlandes Wasser in das Ausland abzuleiten. Derzeit gibt es im Bereich der Wasserbewirtschaftung keine Kompetenz der EU. Eine Ableitung vom Wasser in das Ausland zum Nachteil des Inlands ist wasserrechtlich untersagt. Die österreichische Bevölkerung hat ein Recht darauf, dass das Lebensmittel Wasser nicht zum Spekulationsobjekt wird, sondern als öffentliches Gut geschützt wird und zu fairen Preisen und in gleich bleibend guter Qualität für Mensch, Tier und Pflanzen zur Verfügung steht. (Bundesrat Meier: Das ist richtig!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben keine Angst, dass es zum Ausverkauf kommt. Bauernland gehört in Bauernhand! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Den Waldbauern gibt die jetzige Entscheidung eine wichtige Perspektive. In den Wald zu investieren bedeutet für sie, in die Zukunft zu investieren. Sie brauchen, um auf vernünftige Betriebsgrößen zu kommen, vielfach zusätzliche Waldflächen. Diese waren in den letzten Jahren nicht zu erhalten. Die Bundesforste können nun Schritt für Schritt in vielen ländlichen Regionen Wälder an Waldbauern abgeben. Die Erleichterung der Bildung von bäuerlichen Waldgemeinschaften – dies wurde vom Herrn Staatssekretär auch angesprochen – könnte den Ankauf zusammenhängender Flächen durch Landwirte ermöglichen. So können die


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Bundesforste mit diesem Schritt mithelfen, auch die Zukunft der österreichischen Waldbauern zu sichern.

Unsere Prinzipien sind – das sei auch euch Sozialdemokraten ins Stammbuch geschrieben –: mehr Mut zur Zukunft statt Festklammern am Althergebrachten, mehr Freiheit statt staatliche Gängelung, mehr Eigenverantwortung statt Bevormundung und mehr Anerkennung der individuellen Leistungen statt Gleichmacherei! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Staatssekretär. – Bitte.

17.35

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Herr Bundesrat Prähauser! Sie haben mich gefragt, inwieweit sich die Veräußerung auf die Erfolgsbilanz der Bundesforste AG auswirken wird. – Wir glauben, dass das keine große Auswirkung haben wird, und zwar auf Grund der Konstruktion der Bundesforste AG. Die Bundesforste haben nur einen relativ geringen Anteil am Eigentum an Forsteinrichtungen – diese dienen im Wesentlichen für Pensionsrückstellungen –, den größten Anteil haben sie vielmehr im Fruchtgenuss, und wir rechnen damit, dass der Teil, der im Fruchtgenuss ist, quasi im Auftrag des Bundes verkauft wird, der Bund verringert also in diesem Sinn seinen Besitzstand. In Summe werden sich die geringeren Fruchtgenusszahlungen beziehungsweise möglichen Ertragsanteile bei dem riesigen Bestand, den sie im Fruchtgenuss haben, nicht wesentlich auswirken. Ich bin auch nicht so pessimistisch, das zu glauben, was zum Beispiel in der "Kronen Zeitung" befürchtet wird: Da im Wesentlichen ein längerer Zeitraum für den Verkauf vorgesehen ist, werden Kreditfinanzierungen nicht in hohem Ausmaß notwendig sein.

Zur Rechtsauffassung: Es gab einen Artikel in der "Kronen Zeitung" – um das für die Allgemeinheit zu erläutern –, in welchem auf das negative Gutachten des Verfassungsdienstes hingewiesen wird. – Es gibt tatsächlich ein negatives Gutachten, das wir auch sehr genau bewerten. Es gibt aber auch andere Stellungnahmen von anerkannten Verfassungsrechtsexperten, dass die Lösung, die wir gewählt haben, verfassungskonform ist. Das ist für uns auch ein wesentlicher Bestandteil.

Nachdem Sie in Ihrer Rede auch noch die Stiftungen und die Stiftungsbesteuerung angesprochen haben, möchte ich das nicht unbeantwortet stehen lassen: Sie haben gesagt, das wir keinen Mut dazu haben, da richtig hineinzugehen. – Ich möchte einmal festhalten, dass diese Form der Stiftungen unter einem sozialistischen Finanzminister – Lacina war es – eingeführt wurde, und zwar mit einer sehr niedrigen und günstigen Besteuerung. Das war aus unserer Sicht eine sehr gute beziehungsweise ausgezeichnete Lösung. Es ist sehr viel Kapital hereingekommen, man schätzt, dass sich zwischen 400 und 600 Milliarden Schilling in diesem Stiftungsboot befinden. Daher muss man natürlich auch aus Sicht des Vertrauensschutzes sehr vorsichtig mit Besteuerungsmaßnahmen vorgehen, denn wir haben nichts davon, wenn wir den Abfluss – diesbezüglich gibt es gewisse Befürchtungen – mit irgendwelchen Besteuerungsmaßnahmen fördern oder nur intensivieren, denn dann können wir davon auch nichts gewinnen.

Wir beabsichtigen eine vorsichtige Besteuerungsform. Der Eingangssteuersatz wird von 2,5 Prozent auf 5 Prozent erhöht, auf die Kapitalerträge wird eine Bevorschussung eingeführt, vergleichbar mit der Kapitalertragsteuer. Beteiligungsveräußerungen – das ist das nächste große Kapitel – werden nicht besteuert, wenn innerhalb einer Frist von zwei Jahren diese Veräußerungsgewinne für Neuinvestitionen, die in der Stiftung bleiben, genützt werden. – Ich glaube, das ist eine sehr vernünftige Lösung, die nach unseren Schätzungen insgesamt immerhin einen jährlichen Betrag in der Höhe von 2 Milliarden Schilling bringen wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

17.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Prähauser und Genossen auf Fassung einer Entschließung vor. Diese Entschließung betrifft die Rücknahme der beabsichtigten Erzwingung substanzschädigender Verschuldung der Österreichischen Bundesforste zur Nutzung einer "Nachdenkpause" für einen Dialog mit den Gegnern des Ausverkaufs von Wäldern und Trinkwasserreserven.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Minderheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Horst Freiberger, Johanna Schicker, Erhard Meier und GenossInnen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend das durch den Bund verursachte Desaster in der Verkehrspolitik für die Steiermark (1740/J-BR/00)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Horst Freiberger, Johanna Schicker, Erhard Meier und GenossInnen an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Freiberger als erstem Anfragesteller zur Begründung das Wort. – Bitte.

17.40

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Ausbau von Infrastrukturmaßnahmen für die Steiermark gerät schön langsam ins Stocken. Es wurde zwar in den letzten fünf Jahren sehr viel vorbereitet und auch sehr viel umgesetzt, aber zweifelsohne verhält es sich so, dass für die Entwicklung eines Landes, für dessen positive wirtschaftliche Entwicklung, vor allem aber auch für eine entsprechende Beschäftigungssituation die Erreichbarkeit ein ganz wichtiger verkehrspolitischer Faktor ist. Diesbezüglich liegt die Steiermark von Haus aus eher schlecht, daher bestünde dringend Aufholbedarf. (Bundesrat Weilharter: Sie haben uns dorthin gebracht! – Bundesrat Konecny: Es liegt an der Geographie, Herr Kollege!) Es gibt mehrere Faktoren, die uns dorthin gebracht haben. Ein Faktor ist, wie Kollege Konecny gerade gesagt hat, die Geographie, also die wirklich schwierigen Lagen in der Steiermark. (Bundesrat Ledolter: Eher die Topographie als die Geographie!)

Zweitens muss man sagen, dass in der Steiermark auch durch falsche Verkehrspolitik sehr viel danebengegangen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Koller. ) – Herr Kollege Koller! Genau darauf habe ich jetzt gewartet. Wer ist Verkehrslandesrat? – Kollege Ressel ist es erst seit fünf Jahren, und seit fünf Jahren gibt es in der Steiermark eine andere Entwicklung. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Seit fünf Jahren gibt es eine andere Entwicklung, und die Entwicklung betreffend Verkehrsinfrastruktur, vor allem auch im Straßenbau, ist in den letzten Jahren sehr positiv vor sich gegangen.

Durch die Budgetkürzungen, die angekündigt wurden, werden die Umstände jedoch sehr verschlechtert. In der Steiermark besteht diesbezüglich dringender Ausbaubedarf und Sanierungsbedarf. Schätzungen und Expertenmeinungen besagen, dass es innerhalb von zirka 15 Jahren eine Verdoppelung des Straßenverkehrs geben wird und der Güterverkehr auf der Straße sogar noch stärker ansteigen wird.


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Deshalb ist ein Zehn-Jahres-Bauprogramm eingeleitet worden, und es wurde auch die Finanzierung für diese Bundesstraßenprojekte vereinbart. Ich nenne diese hier, weil es in der Steiermark wirklich von immenser Bedeutung ist, dass das umgesetzt wird. Es sind dies: Lückenschluss im Autobahnen- und Schnellstraßennetz, Lückenschluss des zweiten Südgürtels in Graz an der B 67, Direktanschluss des Grazer Flughafens, notwendige Sanierungsarbeiten im Bereich der A 2 und A 9 sowie im Schnellstraßennetz, Ausbau zweiter Tunnelröhren auf der A 2, Ausbau der B 78, Zeltweg – Weißenkirchen, Ausbau der B 114 Trieben, Ausbau der B 76 im Bereich Johngraben – inklusive Lärmschutz –, Ortsumfahrung Neumarkt und Ortsumfahrung St. Georgen im Bereich Unzmarkt an der B 317 sowie Lückenschluss des vierspurigen Ausbaus, Ortsumfahrung Großwilfersdorf an der B 319, Ausbau der B 68 mit der Querspange Gnas, Ausbau der B 70, Ortsumfahrung Weiz B 64, Ausbau der B 20, Lärmschutzmaßnahmen im Bereich B 70 Voitsberg/Rosental/Köflach, Lärmschutzmaßnahmen im Bereich der B 72 bei Krottendorf, und ganz wichtig ist auch der Ausbau im Ennstal.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich komme aus dem Bezirk Fürstenfeld. Ein wichtiger Punkt dieser Auflistung ist der Bau der Ortsumfahrung Großwilfersdorf an der B 319. Die Situation für die Bewohner der Gemeinde Großwilfersdorf ist unzumutbar. Laut Verkehrszählungen befahren nahezu 20 000 Autos täglich diese Bundesstraße, die sich mitten durch den Ort Großwilfersdorf schlängelt. Die Ortsumfahrung wurde den Großwilfersdorfern schon lange versprochen, ich sage jetzt dazu: schon vor der Zeit des Landesrates Ressel. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Polleruhs. ) – Wart ein bissl!

Ich möchte die Sorgen und Nöte unserer Bevölkerung hier in diesem Hohen Haus einmal darlegen, weil man dieses Thema schon so lange vor sich herschiebt, dass es schon gar nicht mehr wahr ist. – Als der Bau der Umfahrung in der Nachbargemeinde Altenmarkt abgeschlossen wurde, zu einer Zeit, als Frau Klasnic noch Straßenbaureferentin in der Steiermark war, wurde den Großwilfersdorferinnen und Großwilfersdorfern versprochen, dass Großwilfersdorf an die Reihe kommt, wenn die Umfahrung Altenmarkt fertig gestellt ist. In dieser Zeit ist jedoch überhaupt nichts geschehen. In der Zeit, seitdem Kollege Landesrat Ressel das Ressort innehat, sind die Vorbereitungen so weit gediehen gewesen, dass in ein Zehn-Jahres-Bauprogramm die Errichtung der Umfahrung Großwilfersdorf aufgenommen und auch die Finanzierung über einen Drei-Jahres-Plan sozusagen avisiert wurden.

Das ist für unsere Region von solch großer Bedeutung, weil es wichtig ist, dass der Bezirk Fürstenfeld beziehungsweise diese Region mit ihren Thermen verkehrsinfrastrukturell optimal erschlossen ist. Es ist festzustellen, dass die Zahl der Kurzurlauber in den Thermen immer mehr zunimmt, und daher besteht die Notwendigkeit, dass diese touristischen Ziele über die Straße optimal erreicht werden können. Es ist dabei zu bedenken, dass es Investitionen in die Therme Loipersdorf gibt, dass Siemens in ein großes Hotel investiert und ein Konferenzzentrum angeschlossen wird. All das ist zu berücksichtigen, und man sollte diesbezüglich raschest zu einer Lösung kommen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Heiligenkreuz!) – Die Anbindung nach Ungarn ist in erster Linie im Burgenland mitzuverhandeln. Aber selbstverständlich hat diese Verkehrsverbindung über Heiligenkreuz nach Ungarn auch eine immense Bedeutung.

Herr Bundesminister! Sie haben im Juli dieses Jahres an den Bürgermeister von Großwilfersdorf, nachdem er Ihnen geschrieben hat, Folgendes geschrieben: "Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Lieber Johann! Bezugnehmend auf Dein Schreiben vom 20. Juni 2000 teile ich Dir mit, dass das festgelegte Bauprogramm trotz Budgeteinsparungen – von kleinen Verzögerungen abgesehen – eingehalten wird. Die erforderlichen Mittel werden durch speziell von mir durchgeführte Maßnahmen aufgebracht. Ich hoffe, Dir mit dieser Information gedient zu haben, und verbleibe mit freundlichen Grüßen." (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Faktum ist, dass für das heurige Jahr im ursprünglichen Bauprogramm und im Finanzierungsprogramm bereits eine Summe vorgesehen war, welche für die Grundstücksablösen – ich habe diese Aufstellung bekommen – vereinbart worden war. Das war zwar für das heurige Jahr noch kein hoher Betrag, aber es waren immerhin 5 Millionen Schilling für die notwendigen Grundstückablösen, die in dieser Aufstellung aufscheinen. Es ist dies wahrscheinlich die letzte, die herausgegeben wurde, in jener des vergangenen Jahres waren die 5 Millionen Schilling jeden


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falls sehr wohl enthalten. Das ist Voraussetzung dafür, dass mit dieser wichtigen Maßnahme begonnen werden kann.

Es ist mir absolut nicht klar, wie man etwas sozusagen mittels Schreibens garantieren kann, wenn im heurigen Jahr das vereinbarte Budget um 15 Prozent gekürzt wurde, wie Sie das mit Erlass im März des heurigen Jahres gemacht haben, und Sie für das Jahr 2001 weitere 22 Prozent des bereits festgelegten Budgets einsparen wollen. Ich meine, da müssen Sie auch dazu sagen, wo Sie das einsparen wollen. Denn wenn Großwilfersdorf jetzt wieder nicht an die Reihe kommt oder es zu Verzögerungen käme, wie Sie es in Ihrem Schreiben in Aussicht gestellt haben, dann wäre dies für die betroffene Bevölkerung und für die Gäste, die in unsere Region kommen, ein Schaden.

Ich orte auch keine Signale vom Finanzministerium, dass auf Grund der Mehreinnahmen durch die Mineralölsteuer oder auch durch die höheren Mehrwertsteuereinnahmen, die aus den hohen Treibstoffpreisen resultieren, für den Infrastrukturausbau Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dies dient lediglich dieser – wie ich aus meiner Sicht einmal sagen möchte – wirtschaftlich nicht gerade sinnvollen Maßnahme, ein Nulldefizit in einem zu raschen Zeitraum zu erreichen. Ich glaube, dass diese wichtigen Maßnahmen getroffen und diese Investitionen unbedingt vorgenommen werden müssen.

Meine Damen und Herren! Zusätzlich zu den Mehreinnahmen aus der Steuer werden die Autofahrer noch weiter geschröpft. Im heurigen Jahr müssen die Autofahrer 14 Milliarden Schilling an Belastungen hinnehmen.

Ich bringe Ihnen einige Aussagen von Herrn Westenthaler zur Kenntnis, der Ende 1998 noch folgendermaßen zitiert wird: ",Steuerplünderungsreform’ bringt Mehrbelastung. Es könne nicht sein, daß Österreichs Autofahrer durch die Steuerplünderungsreform der Regierung mit 5 000 bis 8 000 Schilling Mehrbelastung bedacht und damit zum Schröpfinstrument Nummer eins würden, empörte sich Westenthaler." (Bundesrat Meier: Damals hat er das gesagt, heute sagt er etwas anderes!)

Westenthaler weiter: "FPÖ ist einzige Schutzmacht für Autofahrer." (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Konecny. ) Westenthaler wird weiter zitiert: "Ablehnung der Maut als ‚Schröpfaktion’. Die Freiheitlichen lehnen die neuerliche Schröpfaktion für die Autofahrer namens Maut grundsätzlich und entschieden ab." (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Konecny. – Bundesrat Meier: Geh! Wirklich wahr?)

Meine Damen und Herren! Wo bleibt jetzt diese Entschiedenheit, da man die Maut für den Pkw-Fahrer von einem Tag auf den anderen um 450 S erhöht hat? Wo war denn da die FPÖ, die so genannte "Schutzmacht der Autofahrer"? (Bundesrat Konecny: Auf der Seite der Kassierer!)

Meine Damen und Herren! Auf der anderen Seite wird das Road-Pricing hinausgezögert. Die Lkw-Lobby hat sich wieder einmal durchgesetzt. Die Maut für Schwer-Lkw wurde reduziert, und je länger dieser Zustand dauert und je weniger schnell eine Kostenwahrheit eingeführt wird, desto mehr profitiert diese Lobby, aber die Allgemeinheit wird das schon bezahlen.

Meine Damen und Herren! Auf Grund dieser hohen Belastungen und auf Grund der hohen Benzinpreise – für welche ich nicht die Regierung verantwortlich mache, man könnte nur darauf politisch reagieren und Maßnahmen setzen, dass der Benzinpreis nicht so hoch ist, weil man da zusätzlich Möglichkeiten hat – sind Pendler sehr massiv betroffen, aber für diese wird überhaupt nichts getan. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister! Zu Ihren Vorschlägen bezüglich höherer Strafen für Raser sage ich jetzt: Es wird zu wenige Rumpolds geben, beziehungsweise wird vielleicht jenen, wenn sie unverbesserlich sind, zu schnell das Geld ausgehen, um unsere notwendigen Investitionen im Straßenbau zu finanzieren.


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Meine Damen und Herren! Ein zweiter wichtiger Bestandteil unserer dringlichen Anfrage ist selbstverständlich die Bahnsituation und damit verbunden vor allem der Bau des Semmering-Basistunnels.

Ich erspare mir jetzt, die Vorteile näher auszuführen, diese sind in der Anfrage genau begründet. Ich setze auch Übereinstimmung voraus, dass diese Variante in Verbindung mit dem Koralm-Tunnel die beste ist, damit die Steiermark infrastrukturell von der Schiene nicht abgeschnitten wird, sondern diesen wichtigen Verkehrsweg erhält, vor allem den Anschluss zum Zentralraum Wien, aber auch nach Süden in Richtung Italien. Ich nehme an, es herrscht auch Einigkeit darüber, dass Aktivitäten gesetzt werden sollen, um Kooperationen mit den Häfen in Koper und Triest anzustreben, und damit all das zum Tragen kommt, brauchen wir die Südbahn und den Semmering-Basistunnel.

Es ist Faktum, dass die jetzigen Bahnlinien in der Steiermark eine zu geringe Leistungskapazität und Leistungsfähigkeit haben. Herr Minister Schmid! Sie sind in dieser Frage wirklich einen Zickzackkurs gefahren. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Nein!) Als steirischer Landespolitiker waren Sie immer Feuer und Flamme für den Semmering-Basistunnel, und vor allem wir haben es immer sehr geschätzt, dass wir diesbezüglich inhaltlich der gleichen Meinung waren. Daher weiß ich nicht, was Sie da geritten hat, als Sie, sobald Sie Minister in Wien geworden sind, gleich einmal die Sinnhaftigkeit des Semmering-Basistunnels in Frage gestellt haben. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Lest doch eure eigenen Anfragen!)

Es hat aber nicht sehr lange gedauert, dann ist schon das Dementi gekommen. Sie haben dann sozusagen Ihre Infragestellung dementiert und gesagt, dass Sie für eine rasche Fertigstellung sind. Sie sind dafür eingetreten. Da haben wir uns schon wieder gefreut. Bei uns ist tatsächlich Euphorie ausgebrochen, dass der zuständige Minister in Wien dafür ist und das vorantreiben wird. Die Botschaft lautete also: rasche Fertigstellung.

Die letzte Botschaft war aber schließlich und endlich, dass Sie endgültig den Baustopp verordnet haben. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Nein!) – Der Baustopp ist doch von Ihnen angeordnet worden! (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Nein!)

Wenn man betrachtet, wie die einzelnen Parteien zu diesem Thema stehen, dann kann ich für die Sozialdemokratie behaupten, dass wir immer die Meinung vertreten haben, dass wir uns nicht auf den Rechtsweg zurückziehen sollen, sondern dass es eine politische Entscheidung ist, den Semmeringtunnel zu bauen. Was es bringt, den Rechtsweg einzuhalten, das hat Ihnen Ihr Ministerkollege Strasser gezeigt. (Bundesrat Konecny: Richtig!)

Frau Klasnic hat in der Steiermark schon plakatieren lassen – dafür ist sehr viel Geld aufgewendet worden –: Durchgesetzt: Semmeringtunnel. Dann gab es eine Sitzung am 8. August, bei welcher Ihr Antrag, Herr Minister Schmid, keine Mehrheit gefunden hat, obwohl im Ministerrat das Einstimmigkeitsprinzip ... (Zwischenruf des Bundesministers Dipl.-Ing. Schmid. ) – Natürlich! Aber in dieser Zeit ist das Verfahren gelaufen, die Niederösterreicher haben den Bescheid herausgegeben, bis zum letzten Tag wurde mit der Beeinspruchung zugewartet, und die Beeinspruchung ist dann auf gut oststeirisch in die Hose gegangen, und zwar deshalb, weil der niederösterreichische Bundesminister, Ihr Kollege und Koalitionspartner, ein Projekt verhindert, das überregionale Bedeutung hat und für die Steiermark und den Süden Österreichs immens wichtig ist. (Bundesrat Meier: Im Auftrag von Pröll! – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Das war das Gesetz, nicht der Bescheid!)

Auf jeden Fall ist dieser Einspruch nicht zu Stande gekommen, weil Herr Strasser nicht im Sinne Österreichs, aber vor allem nicht im Sinne der Steiermark und des Südens ... (Bundesrat Konecny: Der Herr Bundesminister darf nur mitstimmen oder dagegen stimmen, wenn er in der Bundesregierung ist!) Ich möchte sagen: Diese ganze Aktion hat sich nicht durchgesetzt, sondern diese Geschichte ist durchgefallen. Und die Steirerinnen und Steirer leiden wirklich sehr unter dieser Verhinderungspolitik. (Bundesrat Meier: Richtig!)

Ich glaube, wenn man in diesem Zusammenhang dem Standpunkt der SPÖ und vor allem der steirischen SPÖ gefolgt wäre, nämlich dass dieses Gesetz beim Verfassungsgerichtshof zu Fall


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gebracht wird – Experten haben das vorausgesagt –, dann wären wir mit der Umsetzung des Semmeringtunnels schon wesentlich weiter.

Meine Damen und Herren! Es wird dann aber noch "lustiger", wohlgemerkt unter Anführungszeichen, denn die Situation ist zu ernst, um lustig zu sein. In der 37. Sitzung des Nationalrates hat Kollegin Silhavy einen Entschließungsantrag eingebracht, der vom Text her nicht sonderlich dramatisch ist und sogar von irgendeinem ÖVP-Papier abgeschrieben wurde. Ich weiß das jetzt nicht ganz genau, aber auf jeden Fall unterscheidet er sich inhaltlich nicht wirklich von dem, was auch die ÖVP in der Steiermark schon verlangt hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn etwas gut ist, dann kann man es übernehmen. Man kann auch dazu stehen, dass man es nicht selbst erfunden hat, so nach dem Motto: Wenn es positiv ist, dann übernehmen wir es.

Was ist aber damit geschehen? – Es steht nicht viel mehr in diesem Entschließungsantrag als: "Der Nationalrat wolle beschließen: ‚Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass umgehend, längstens aber bis 1. Oktober 2001, die Bauarbeiten am Semmering-Basistunnel fortgesetzt werden.’"

Dann kommt es zur Abstimmung: 60 Abgeordnete haben dem Entschließungsantrag zugestimmt, 112 wollten diesem Entschließungsantrag jedoch nicht zustimmen. Und man höre: Die steirischen Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien ... (Bundesrat Dr. Böhm: Es geht rechtlich aber nicht!) – Selbstverständlich geht das! (Bundesrat Dr. Böhm: Nein!)

Auf jeden Fall haben sich auch die steirischen Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen nicht einmal der Klasnic-Formulierung anschließen können und haben dagegen gestimmt, was mich wirklich sehr verwundert.

Es wird sich heute in diesem Hohen Haus herausstellen, wie steirische Bundesrätinnen und Bundesräte abstimmen werden. Kollegin Schicker wird dann noch einen Entschließungsantrag einbringen, der selbstverständlich wieder den raschen Bau und die Fortsetzung des Projektes Semmering-Basistunnel zum Inhalt hat.

Wir werden auch eine namentliche Abstimmung beantragen, und es wird sich dann herausstellen, wie jede einzelne steirische Kollegin oder jeder Kollege abstimmt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ich wäre froh darüber, wenn du endlich einmal für eine sinnvolle Sache stimmen würdest. Dann würde ich dir dazu gratulieren. (Präsident Payer übernimmt den Vorsitz.)

Liebe Freunde! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte abschließend eines betonen: Die Steirerinnen und Steirer (Zwischenruf des Bundesrates Hensler ) – das kommt erst – haben nach jetziger Sicht der Dinge nichts davon, dass drei ihrer Landsleute in dieser unseligen Koalitionsregierung sitzen – außer Belastungen einerseits und Ankündigungen andererseits. (Bundesrat Bieringer: Sagt, woher die Belastungen kommen! Weil Ihre Regierung verunsicherte die Leute! – Bundesrat Konecny: Die sind erst mit euch gekommen!) – Lieber Kollege Bieringer! Ich habe eine Grafik mit. (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und ÖVP.) – Das hat mich jetzt herausgefordert. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Kurzzeitgedächtnis kann nicht sehr ausgeprägt sein, denn die ÖVP war 13 Jahre lang dabei. (Bundesrat Meier: Die hat nichts gewusst!) Im internationalen Vergleich der Staatsschulden, gemessen in Prozenten am Bruttoinlandsprodukt, liegt Österreich mit 64,9 Prozent unter dem Durchschnitt der EU-15. Die EU-15 haben 68,1 Prozent, und die Euro-Gruppe hat 72,2 Prozent Staatsschulden am Bruttoinlandsprodukt.

Jetzt gibt es natürlich ein paar Bessere, es gibt auch viele Schlechtere. Von der ÖVP-Seite wird immer so getan, als wäre das der Staatsbankrott, wie unsere Staatsfinanzen dastehen. Angesichts dessen sollte man sich die Entwicklung in den anderen Ländern anschauen.

Ein schöneres Schaubild ist natürlich (Bundesrat Mag. Gudenus: Herzeigen! – Der Redner hält eine Grafik in die Höhe), wenn man die Schulden der SPÖ-Alleinregierung von 1970 bis 1983 – sie hat 13 Jahre lang gedauert – betrachtet, die 369 Milliarden Schilling betragen haben. Als die SPÖ mit der ÖVP eine Koalitionsregierung gebildet hat, auch zufällig 13 Jahre lang, von 1986


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bis 1999, betrugen die Schulden 1 110 Milliarden Schilling. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Es war kein Einwurf von Ihrer Seite, es war der Einwurf vom Kollegen der ÖVP. Wenn Sie das so schnell vergessen, dann muss man es immer wieder in Erinnerung rufen. (Bundesrat Bieringer: Haben Sie vergessen, dass es nur einen Finanzminister gegeben hat? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP sowie Gegenrufe bei der SPÖ.) – Nur ruhig bleiben! Ich nehme an, Sie wissen, dass ein Finanzminister nicht das Budget macht, sondern die Regierung und das Parlament das letztlich beschließt. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Ministerrat herrscht Einstimmigkeit. (Bundesrat Bieringer: Aber von der Ministerverantwortung hast du noch nichts gehört?!) – Aber es geht nur darum, dass man Sie daran erinnert, dass Sie das vor kurzem noch mitgetragen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Er kann sich nicht beruhigen! Ihr habt das vor ein paar Monaten noch mitgetragen. Sich jetzt zu verabschieden, ist ziemlich billig, so würde ich sagen.

Liebe Freunde! Meine Damen und Herren! Es ist außer diesen Belastungen einerseits und Ankündigungen und Beschwichtigungen andererseits nicht sehr viel passiert – schon gar nicht in Richtung Steiermark. Ich glaube, die Steirerinnen und Steirer haben am Sonntag die Möglichkeit, ein ausreichendes Zeichen zu setzen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube und hoffe, dass ein Zeichen gegen diese Regierung und gegen diese Politik gesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Böhm: Ist das eine Wahlrede?)

18.05

Präsident Johann Payer: Zur Beantwortung hat sich Herr Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Michael Schmid zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

18.05

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Michael Schmid: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Bundesrat Horst Freiberger! Das Schlusswort sei jedem gestattet. Gott sei Dank leben wir in einer Demokratie, in der wir unsere politischen Botschaften mitteilen können. Ich bin auch ausgesprochen angetan und erfreut, dass ich heute die Möglichkeit bekomme, hier im Hohen Haus einen Informationsstand aufzubauen, der erforderlich ist, um eine faire politische Diskussion führen zu können. Das ist jetzt kein Vorwurf, aber es stehen Dinge im Raum, die auf Grund von falschen Informationen, vielleicht auch falschen Meldungen oder von mangelnder Information hier den einen oder anderen zu Recht oder zu Unrecht beunruhigen.

Ich gestatte mir vorweg, das Thema Großwilfersdorf, das kein unmittelbares Thema in der Anfrage ist, gleich zu beantworten. Es ist für mich unverständlich, wie man auf die Behauptung kommt, dass im Originalvereinbarungspapier zwischen Herrn Minister Farnleitner und Herrn Landesrat Ressel 5 Millionen für 2000 hineinreklamiert werden. Sie sind nicht darin enthalten.

Das ist das Originalpapier, das ich übernommen habe. Wir beginnen im Jahr 2001 mit der Finanzierung. Es sind dann auch nicht drei Jahre, sondern vier Jahre für diese Finanzierung im Programm, und dieser Bereich ist gesichert. Diese 5 Millionen sind in keiner Weise das Thema, sie waren nicht vorhanden, sie wären im Übrigen ohne Weiteres im Zusammenhang mit der Umschichtung finanzierbar gewesen.

Richtig ist – das habe ich bereits angewiesen –, die §4-Verordnung zu erlassen, dass dieses Bauvorhaben durchgeführt wird. Das möchte ich nur für Großwilfersdorf klarstellen. Ich habe ein besonderes Herz für Großwilfersdorf, nachdem der örtliche Kapellmeister, Karl Urschler, den Michael Schmid-Marsch geschrieben hat; da möchte ich also nicht, dass man mir in dieser Ortschaft den Marsch bläst.

Ich darf, bevor ich auf die einzelnen Frage eingehe, aus dem allgemeinen Teil vier oder fünf Punkte beantworten. Es ist mir bei dieser Dringlichen wichtig, dass auch mein Gedanke eingefügt wird.


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Die dringliche Anfrage beginnt mit der Feststellung: "Die schlechte verkehrspolitische Erreichbarkeit der Steiermark ist nach wie vor ein bedeutender Hemmschuh für die wirtschaftliche Weiterentwicklung des Bundeslandes."

Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich bin völlig Ihrer Meinung, ich bedaure es, und ich sehe es als meine Aufgabe an, die Verkehrspolitik zu ändern. Ich glaube, Sie wissen, was ich damit meine. Wenn man mir heute nach etwa neun Monaten Verkehrspolitik diese Fragen stellt, dann habe ich sie zu beantworten. Was habe ich in den neun Monaten gemacht? – Ich werde das sehr genau beantworten. Aber es gab einen Zwischenruf, Ressel sei erst fünf Jahre Landesrat. Ich bin erst neun Monate Minister, aber ich sage auch eines – das habe ich in der Steiermark mehrfach betont, und ich werde es beim Thema Plabutschtunnel noch sagen –: Joachim Ressel hat eine Dynamik in die Politik gebracht. Gerade deswegen hat es mich gestört, dass er in einem doch, wie ich meine, unnotwendigen Kleinkrieg mit mir, mit der Verkehrspolitik die Dinge nicht richtig dargestellt hat. Ich werde auf das eine oder andere eingehen. Ich sage das heute so emotionslos, weil wir eine sehr gute und sehr lange Aussprache hatten. Ich habe auch ein Schreiben von ihm, in dem wir die Dinge auf den Punkt bringen, und ich meine, dass das für die Steiermark ein guter Weg ist, wenn wir weiterhin an der Sache arbeiten können.

Ich darf aber trotzdem zu diesen fünf Jahren feststellen, es ist auch nicht gelungen, zum Beispiel im Bundesstraßenbereich – über den sprechen wir – ein Ungleichgewicht auszugleichen. Das Land Niederösterreich hat zum Beispiel – ich stehe jetzt nicht Niederösterreich emotionalisiert gegenüber, aber es sind einfach Fakten – im selben Zeitraum, in diesen fünf Jahren, um über 3 Milliarden Schilling mehr an Bundesmitteln für die Bundesstraßen bekommen als die Steiermark oder zum Beispiel auch Oberösterreich, und von der Fläche her sind alle diese Bundesländer vergleichbar.

Das Argument meiner zuständigen Sektion, diese hätten viel mehr Bundesstraßen, ist ein fast schon frivoles Argument, denn wenn man dort teilweise Gemeinde- oder Landesstraßen als Bundesstraßen übernommen hat, dann kann das nicht das Argument dafür sein, die Straßen selbst zu bezahlen, denn die haben wir übernommen, und dafür brauchen sie auch mehr Geld.

Ich werde also danach trachten, dass hier Fairness herrscht – nicht Rache, sondern Fairness – und dieses Missverhältnis ausgeglichen wird. (Bundesrat Meier: Das ist nicht das Problem von Landesrat Ressel!) – Herr Bundesrat! Ich habe es, so glaube ich, klar formuliert. Ich habe nur manchmal das Problem – das sage ich etwas spitzzüngig –, dass man mir nicht zuhört oder nicht zuhören will. Ich werde es dann beim Semmeringtunnel auch noch einmal erklären. (Bundesrat Meier: Weil es einen Zwischenruf gegeben hat, es sei Ressels Problem!) Ich habe – ich wiederhole es – klipp und klar gesagt, dass eine Dynamik in diese Bereiche gekommen ist, insbesondere auch bei Landesstraßen. Es ist natürlich kein Nachteil, wenn der Finanzreferent gleichzeitig Verkehrsreferent ist. Das ist jetzt auch kein Vorwurf, aber dass man auf den eigenen Ressortbereich schaut, ist völlig legitim und korrekt.

Ich sage nur, es ist nicht zu Stande gekommen, dieses Missverhältnis auszugleichen. Ich habe vorher noch einmal die Dynamik unterstrichen. Ich halte es fest. (Bundesrat Meier: Ist okay!)

Ich habe dann hinzugefügt, es wird jetzt meine Aufgabe sein, Fairness herzustellen. (Bundesrat Meier: Weil der Zwischenruf gekommen ist, Ressel sei schuld daran!) – Der war nicht von mir.

Ich betone, dass ich zu diesen Ausführungen der Dringlichen Stellung beziehe: "... wurde in Ihrer Amtszeit" – das steht auf Seite 3 – "nichts für eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur der Steiermark erreicht." – Ich werde dann noch im Detail darauf eingehen. Aber hier ist das Negieren diverser Aussagen in letzter Zeit herauszuspüren. Ich bitte Sie, wenn Sie diese Dinge als Behauptung in den Raum stellen, mir zuzuhören, welche Verbesserungen – unter Punkt eins werde ich sie aufzählen – zu Stande gekommen sind.

Es gibt über die Ausführung betreffend Basistunnel auf Seite 3 einen Punkt, zu dem ich nachfragen muss, ob das stimmt, dass gemäß dem niederösterreichischen Landwirtschaftsgesetz eine Genehmigung erforderlich wäre. Es ist mir – ich habe das erst jetzt in der Feinheit gelesen – kein niederösterreichisches Landwirtschaftsgesetz bekannt. Wenn das Naturschutzgesetz ge


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meint ist, werde ich darauf eingehen, aber ein Landwirtschaftsgesetz gibt es nicht. Es steht Landwirtschaftsgesetz. (Bundesrat Meier: Es müsste Naturschutzgesetz heißen!) Ich halte es nur fest.

Lieber Horst Freiberger! Es heißt auch nicht "Weißenkirchen", solltest du einmal ins Murtal kommen, es heißt "Weißkirchen". Dieser Lapsus Linguae ist mir auch einmal passiert, den hat man mir dann sehr übel genommen. Aber dann halten wir fest, dass es nicht um ein Landwirtschaftsgesetz geht. Zum Naturschutzgesetz werde ich dann später Stellung beziehen.

Auf eines möchte ich aber doch hinweisen, nämlich dass ein gewisser Widerspruch in diesen Ausführungen ist. Es ist einerseits – ich bitte das Hohe Haus, das zur Kenntnis zu nehmen – von dem Pult aus vom Herrn Bundesrat die Forderung aufgestellt worden, man solle sich doch nicht so, wahrscheinlich so gemeint, penibel an die Gesetze halten. Es wurde so gesagt, und ich habe einen Zwischenruf dazu gemacht. Das ist keine rechtliche, sondern eine politische Entscheidung. Das war meines Wissens nach die Aussage. Ich kann eine politische Entscheidung nicht rechtswidrig machen. (Bundesrat Freiberger: Wenn es beim Verfassungsgerichtshof angefochten wird!)

Ich werde dann noch auf diese Details zu sprechen kommen. Es gab einige Verkürzungen des Verfahrens. Ich werde auf das noch eingehen. Aber wenn ich auf der einen Seite die Aufforderung bekomme, für diesen Semmeringtunnel alles zu unternehmen, und dann gleichzeitig davor gewarnt werde, erneut Millionen auszugeben für Enteignungen und das Wieder-in-Kraft-Setzen des Bauverfahrens, der Projektfortschritte, was ich als Vorwurf bekomme, dann, so muss ich sagen, sollte dieser Widerspruch aufgeklärt werden.

Ich sage gleich vorweg, ich werde mich an die Gesetze halten. Wir werden sie aber im Höchstausmaß zu unseren Gunsten interpretieren. Davon spreche ich noch im Detail. Es sei mir eine Gegenbemerkung gestattet: Man hat bereits jetzt 1 Milliarde 50 Millionen investiert, und da hat man aber keinen durchgehenden Bescheid gehabt, sondern war der Meinung, dass das niederösterreichische Naturschutzgesetz einer durchgehenden Durchführung des Projektes entgegensteht – 1 Milliarde 50 Millionen von meinen Vorgängern. Wenn diese Formulierung verwendet wird, dann gilt sie für alle. Das möchte ich meinen. Ich werde aber noch auf die Risken meiner Vorgangsweise im Detail zu sprechen kommen.

"Dies entspricht einer 15-prozentigen Kürzung". – Da halte ich doch lapidar entgegen, es war bereits vom Vorgänger des Herrn Finanzministers Karl-Heinz Grasser vereinbart, 20 Prozent zu kürzen, dann wären die Maßnahmen, die uns sicherlich alle zusammen nicht erbauen, noch einschneidender gewesen. Die 20-prozentige Kürzung des Ermessensbetrages war eine Vereinbarung, über die man in den Koalitionsgesprächen zwischen SPÖ und ÖVP nicht mehr gestritten hat. Jetzt sind es 15 Prozent. Ich halte es nur fest, und alle im Haus werden von mir zu den Fragen Aufklärung bekommen.

Die erste Frage lautet: Welche Maßnahmen haben Sie als Bundesminister bisher gesetzt, um die hochrangig benachteiligte Situation der Steiermark hinsichtlich der Anbindung im hochrangigen Schienen- und Straßennetz zu verbessern?

Es sei mir gestattet, dass ich einige Punkte aufzähle. So haben wir mit den ÖBB im Bereich des Schienennetzes am 8. 8. die gemeinwirtschaftliche Erklärung für die Koralmbahn abgegeben. Ich habe die Planung für die Schleife Selzthal beauftragt, ich habe per Weisung – es war nicht sehr einfach – die Planung für die Strecke Graz – Marburg in zweigleisigem Ausbau beauftragt. Wir haben auf unserem Antrag die Strecke Graz – Bruck in das Transeuropäische Netz aufgenommen. Das ist auch ein bedeutender Schritt, gerade wenn es Richtung Koralm geht.

Ich habe erst in jüngster Zeit die Bahnhofsoffensive gestartet. Von den Österreichischen Bundesbahnen hätte die Zahl der Bahnhöfe auf acht reduziert werden sollen, vier steirische Bahnhöfe wären davon betroffen gewesen: Bruck, Leoben, Selzthal und Liezen. Ich habe das heute in einer Pressekonferenz mit dem Generaldirektor vorgestellt, ich habe diese Offensive auf meine Anordnung und meine Initiative hin in vollem Umfang zur Ausführung kommen lassen. Das betrifft für die Steiermark ein Bauvolumen in der Höhe von 600 Millionen Schilling.


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Wir haben zusätzliche Bereiche in Graz-Süd bei Graz-Werndorf. Dieser Streckenabschnitt war im Übrigen entgegen aller falschen Behauptungen – das ist lückenlos nachvollziehbar – im Ausbau immer zweigleisig vorgesehen, in der Planung sollten der Koralmtunnel sein und die Freihaltung der Trasse für einen viergleisigen Ausbau. Sie waren immer zweigleisig, so werden sie gemacht. Es kommen zehn zusätzliche Unterführungen, um diese Cis- und Trans-Bahn in Graz zu beseitigen. Wir bauen in Don Posco und den Bahnhof Puntigam aus. Das sind zusätzliche Investitionen in der Höhe von 1,4 Milliarden Schilling im Bereich der Bundesbahn, die hier zu Stande kommen.

Der Schluss der Schoberstrecke ist im Laufen. Der letzte Abschnitt – fünf bis acht Kilometer – am Schoberpass bei Kalwang wird geschlossen. Ich glaube, dass in diesem Bereich – zum Semmeringtunnel komme ich extra – einiges im Laufen ist. In Steinach haben wir die Vorbereitung für den zweigleisigen Ausbau der Steinacher Umfahrung. (Bundesrat Meier: Weil Schleife Selzthal nützt nichts, wenn das Ennstal so bleibt!)

Da gibt es unterschiedliche Beurteilungen. Die Schleife Selzthal nützt dann etwas, wenn es um Zeiten geht. Die Schleife Selzthal kostet doch ein erhebliches Maß an Zeit, und eine Zeiteinsparung in diesem Bereich wäre immer möglich. Bezüglich des zweigleisigen Ausbaus des Ennstals ist das eine offene Diskussion (Bundesrat Meier: Selektiv zumindest!) – selektiv für Überholstrecken bis Steinach-Irdning, wo dann die Trennung kommt in das wunderschöne Ausseer-Land oder in Richtung Bischofshofen. Aber dass das kein vorrangiges Projekt ist, darüber, so glaube ich, sind wir uns einig, und darüber hat es auch nie Uneinigkeit gegeben. (Bundesrat Meier: Wir wollten es schon vorrangig!)

Wir sind jetzt in sehr lokalen Bereichen, aber es ist eine steirische Anfrage, und ich muss sie im Detail steirisch beantworten. Ich glaube, es ist gut, dass wir einen steirischen Minister haben, der weiß, von welcher Region wir reden und die Dinge im Detail kennt.

Wir haben bei der ASFINAG im Bereich des übergeordneten Straßennetzes für Bau und Bauvorbereitung ein gesamtes Bauvolumen in der Höhe von etwa 8 Milliarden Schilling beschlossen. Das ist ein gigantisches Bauvolumen, und es ist im übergeordneten Straßennetz im Jahr 2001 eine große Steigerung. Ich sage das aber nicht als stolzer Steirer, der das Ganze bewegt hat. Im Grunde genommen ist es ein Lückenschluss: Die Steiermark war und ist nach wie vor im Autobahnbereich ein Land von Lücken und Löchern, die geschlossen gehören. Da ist auf jeden Fall ein Nachholbedarf gegeben, und dieser wird auch abgebaut.

Gerade der Plabutschtunnel ist zum Beispiel ein Bereich, auf Grund dessen und auf Grund des Unfalls im Tauerntunnel Joachim Ressel durch Vorweg-Bezahlung der Planung die Schublade öffnen konnte und Herrn Minister Farnleitner in einer schwachen Stunde erwischt hat. Daher ist dieser Plabutschtunnel in Bau gegangen. Die Scheitelstrecke des Semmeringtunnels ist erst jüngst genehmigt und beschlossen worden. Wir stellen den Pack-Ausbau bis 2006 auf steirischer Seite fertig, der Gräberntunnel wird in Kärnten gemacht, die Strecke Bruck – Pernegg wird hoffentlich eine rekordverdächtige Abwicklung erfahren: Wir rechnen insgesamt mit acht Jahren, von 1998 bis 2006. 1998 war der Beschluss über das jetzige Projekt, und 2006 soll es fertig gestellt sein. Das ist für solch ein Projekt, für das man üblicherweise vier Jahre Vorbereitung und Genehmigungszeit bei einem relativ guten Ablauf braucht, eine stolze Leistung. Ich glaube, dass damit einer der Schandflecken im österreichischen Straßennetz geschlossen wird. Dass über Generationen hinweg diese 15 Kilometer nicht ausgebaut werden, ist genant.

Es ist ein sehr großes Volumen in Bau, ich sage Ihnen aber dazu, dass es in diesem Bereich keiner zusätzlichen Maßnahmen meinerseits bedurft hat. Die Dinge waren im Laufen, sie sind aber in keiner Weise gehemmt, eher im Gegenteil.

Kommen wir zum Bundesstraßenbereich – es ist mir schon wichtig, noch darauf hinzuweisen –: Wir haben – das Gesetz wird als Budgetbegleitgesetz eingebracht – einen großen Teil des Bundesstraßennetzes der Baustufe 3 mit Gesetzesantrag – Sie werden das in den nächsten Tagen bei den Budgetbegleitgesetzen bekommen – in den ASFINAG-Bereich übernommen. Wenn Sie das Gesetz genauer anschauen, dann werden Sie – ich habe den Gesetzentwurf hier – vor


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allem eines bemerken: Die vorliegenden Beschlüsse bis Punkt R 311, Pinzgauer Straße, waren ein abgeschlossener Bereich. Es sind drei Punkte als übergeordnete Straßennetz-Übernahmen angeführt: die B 317, die Friesacher Bundesstraße – sprich: Judenburg – Neumarkt oder Dürnstein –, die B 319, die Fürstenfelder Bundesstraße – dazu gehört Großwilfersdorf, darum habe ich Heiligenkreuz als Zwischenruf gemacht, weil das eine übergeordnete Bedeutung hat – und die B 320, die Ennstal Bundesstraße, die im Zehn-Jahres-Programm im Übrigen im Jahr 2009 als Erinnerungsposten vorkommt und in den laufenden Abwicklungen – ich komme zum Ennstal auch noch – gar nicht vorgesehen war.

Sie werden allein an der Chronologie dieser Reihenfolge, die Beschlüsse, das zu übernehmen, ... (Bundesrat Meier: Die erlebe ich nicht mehr!) Was erleben Sie nicht mehr? Die Ennstal Bundesstraße? – Wenn wir so vorgehen wie Ressel nicht. Dann bin ich leider Gottes, Herr Bundesrat, bei Ihnen – aber auf das komme ich noch zu sprechen. (Bundesrat Meier: Schon 25 Jahre!) – Nicht 25 Jahre Michael Schmid, da gibt es Generationen. – Über die Geschichte der 25 Jahre rede ich nicht, ich werde darüber reden, wie wir jetzt weiter vorgehen; das ist eine Frage, auf die ich noch zu sprechen komme.

Was haben Sie hier gemacht? – Ich sage Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, es war ein brutaler Kampf mit dem Finanzressort, minus 15 Prozent aus dem Vorjahr aufzuholen und die Programmeinheiten und vielleicht andere Notwendigkeiten unterzubringen. Es war ein brutaler Kampf mit dem Finanzministerium. Daher bin ich etwas sensibel, wenn quasi in den Raum gestellt wird, es sei nichts passiert.

Wir haben für die nächsten Jahre zusätzlich bundesweit – auf Bundesebene! – 2,1 Milliarden Schilling zu den Budgetansätzen, wie sie im Vorjahr dazugekommen sind. Wir werden mit den einzelnen – mit Joachim Ressel habe ich darüber schon gesprochen – Finanzreferenten auch darüber zu diskutieren haben, wie weit die 750 Millionen Katastrophenfonds von der Zweckbindung befreit werden können, weil in dem einen oder anderen Bundesland nicht unbedingt eine Lawine abgeht. Dort, wo es der Zweck erfordert, dass Katastrophenschutz gewährt werden muss – ja, aber nach unseren Berechnungen und Einschätzungen sind etwa 200, 300 Millionen tatsächliche Zweckbindungen, in Katastrophenjahren vielleicht etwas mehr. Die Mittel für die Weiz-Klamm kommen auch aus dem Katastrophenfonds. Dort ist die Katastrophe, dass es ein geschützter Landschaftsteil ist und man die Straße nicht erweitern kann. Im Grunde genommen ist es ein Straßenprojekt und kein Katastrophenprojekt. (Bundesrat Freiberger: Es ist eine Katastrophe, wenn man durchfährt!) – Das ist jetzt ohnehin im Laufen, aber das sind Mittel aus dem Katastrophenfonds.

Das heißt, wir haben für das laufende Programm in dieser ersten Phase, wie gesagt, 2,1 Milliarden und all jene Mittel, die die B 317, B 319, B 320 und sonstige im Bundesstraßenbudget in Anspruch genommen haben, über den ASFINAG-Bereich hereinbekommen.

Es war, wie gesagt, eine schwierige Situation. Ich konnte den Finanzminister davon überzeugen, dass ich Infrastrukturminister und nicht Masseverwalter sein will, der sich zurzeit mit etwa 27 Millionen Schilling Zinsen am Tag herumschlägt und vielleicht noch darüber diskutieren muss, woher er die 27 Millionen bekommt. – Das einmal als Darstellung, was im Hintergrund – ich habe das öffentlich auch schon mehrfach dargestellt – in den letzten Wochen – das ist keine langfristig bekannte Sache – zu Stande gekommen ist.

Zweite Frage: Weshalb wurde der Beschluss der Steiermärkischen Landesregierung ... betreffend Semmering-Basistunnel nicht umgesetzt? Warum haben Sie ... es stillschweigend zugelassen, dass Niederösterreich den Naturschutzbescheid für ein weiteres halbes Jahr nicht erlässt? 

Das ist nicht stillschweigend hingenommen worden, es wurde von der HL-AG – nicht von mir, sondern der Betreiber des Tunnels ist die HL-AG – ein Devolutionsantrag eingebracht. Es wurde eine Nachfrist bis etwa Mitte November gesetzt. Es besteht der Verdacht, dass Niederösterreich noch einmal um eine weitere Nachfrist ansuchen wird – das betrifft aber das alte, damalige Ansuchen nach dem alten Naturschutzgesetz, das in der Zwischenzeit zweimal novelliert worden ist.


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Die HL-AG hat natürlich sehr wohl gemeinsamen Sinnes den Rechtsweg beschritten. Den Rechtsweg zu beschreiten, ist bei Gesetzen, die Niederösterreich macht, nicht immer sehr einfach, das gestehe ich, aber wir müssen uns daran halten – ich habe es am Anfang schon gesagt.

Dritte Frage: Wie ist die Haltung der Bundesregierung nach der Ablehnung Ihres Antrages zur Beeinspruchung ...?

Es war dies der Antrag des Herrn Bundeskanzlers; ich habe es zuerst beantragt. Die Haltung meinerseits – das war am 8. August und nicht am 7. – habe ich öffentlich und im Nachhinein auch vielfach kritisiert kundgetan. Ich habe gesagt: Wenn Österreich mit seiner Legistik so umgeht, dann sind wir eine Bananen-Republik. – Das war der Ausspruch meinerseits. Es gab eine große Empörung daran. (Bundesrat Freiberger: Ich wollte sie nur heute noch einmal hören!) – Die Bananen-Republik, okay. Ich sage es immer wieder, aber darf jetzt weiter fortsetzen.

Ich bitte, mir nachzusehen, dass ich Gesetze, die hier im Haus beschlossen werden – seien sie im Verwaltungsrecht, im Naturschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung und so weiter –, einzuhalten habe.

Jetzt möchte ich schon auf eines hinweisen: Ich verwehre mich gegen den Begriff Zickzackkurs. Ich verwehre mich dagegen, dass ich jemals ein laufendes Bauvorhaben gestoppt habe, und halte mit Nachdruck fest: Als ich in die Bundesregierung eingetreten bin, habe ich ein von Bundesminister Einem gestopptes Bauvorhaben Semmeringtunnel übernommen. Es gab bereits seit einem Dreivierteljahr keine Bautätigkeit dort!

 Ich habe dann, nachdem die HL-AG die Vorstellung gehabt hat, den Vollausbau auf steirischer Seite zu beginnen, Herrn Professor Barfuss – bitte schön, mit weichem B, er legt Wert darauf – beauftragt, zu überprüfen, wie hoch das Risiko einer Durchführung beziehungsweise wie hoch das Verhinderungspotenzial des Landes Niederösterreich ist. Das war zu einem Zeitpunkt, als die Bescheiderlassungsfrist noch gelaufen ist, die mit Juni dieses Jahres vom Verwaltungsgerichtshof festgelegt war.

Barfuss hat dann festgestellt, dass Niederösterreich durch verschiedene gesetzliche Tricksereien – nennen wir es einmal so – das Ganze noch jahrelang verhindert hat. Ich habe damals noch gesagt: Das Risiko, dass ich nicht weiß, ob ich die Möglichkeit habe, auf der anderen Seite herauszukommen, ist mir zu hoch. – Aber ich habe nichts gestoppt, sondern ich habe ein Bauvorhaben im Vollausbau auf steirischer Seite nicht beauftragt. Ich weise auf Ihre Anfrage hin, in der Sie mich fragen, wie weit ich weitere Millionen ohne Sicherheit ausgeben will. – Ich habe mich aber immer zu diesem Projekt bekannt, ich habe nie einen Zickzackkurs gemacht, es gibt keine einzige Aussage von mir und schon gar nicht als Verkehrsminister, in der ich mich von dem Projekt distanziert habe – ganz im Gegenteil, ich habe auch öffentlich darauf hingewiesen, dass ich vielmehr durch meinen erhöhten Wissensstand die Notwendigkeit dieses Projektes behaupte.

Dann sind aber drei Dinge eingetreten. Niederösterreich hat einmal den Bescheid nicht erlassen – das war im Juni mit der Nachfrist. Zweiter Punkt: Niederösterreich hat sehr wohl nach dem alten Naturschutzgesetz in kürzester Zeit den Scheiteltunnel in derselben Rechtslage genehmigt. Dritter Punkt – das ist das spannende –: Niederösterreich hat ein neues Naturschutzgesetz erlassen.

Wenn ich jetzt etwas sage, wird sich vielleicht der eine oder andere wundern: Ich wollte dieses Naturschutzgesetz selbstverständlich vor den Verfassungsgerichtshof bringen, weil es auch in seiner Legalität, in seiner Verfassungskonformität einfach – sagen wir es so – das Kurioseste ist, was jemals ein Landtag in Österreich beschlossen hat. Ich glaube, im Internet ist das Barfuss-Gutachten über das Gesetz abrufbar, er drückt sich nicht so direkt aus, sagt aber indirekt genau dasselbe:

Die Verhinderung der Verfassungsprüfung durch das Einstimmigkeitsprinzip in der Regierung ist bekannt. Kollege Bundesminister Strasser, der selbst am Naturschutzgesetz – das ist auch


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kurios – mitgearbeitet hat, hat natürlich einer Verfassungsprüfung nicht zugestimmt. Vielleicht hat er nicht damit gerechnet, dass ich es prüfen lasse. Dieses Naturschutzgesetz ist nach jetziger Überprüfung allemal viel besser geeignet, dass dieser Tunnel gebaut werden kann. Barfuss hat das auch wörtlich gesagt. Ich bitte jeden, sich das anzuschauen. Es ist auch das Gutachten von Professor Barfuss in seiner Formulierung lesenswert.

Es steht zum Beispiel in § 7 des niederösterreichischen Naturschutzgesetzes – ich weiß, dass ich den einen oder anderen Nichtsteirer ein bisschen fadisieren werde, aber dieser Gedankenaustausch hat stattzufinden; es ist mir absolut wichtig, dass ich diese Information vollständig gebe, weil ich behauptet habe, dass Fragen oder Behauptungen aufgestellt worden sind, die auf Grund von falscher oder fehlender Information entstanden sind –, dass Bauwerke im Freiland, die "von sachlich untergeordneter Bedeutung sind", einer Genehmigung bedürfen – sagen wollte man: keiner Genehmigung bedürfen –, und es folgt eine taxative Aufzählung der Genehmigungspflicht. Das heißt, dass nach dem Naturschutzgesetz – das habe nicht ich erfunden, das ist ein Universitätsgutachten – ein Kanalschacht – das ist etwas von untergeordneter Bedeutung – einer naturschutzrechtlichen Genehmigung, wenn er in Niederösterreich im Grünland errichtet wird, bedarf, aber es wird wohl niemand behaupten, dass der Semmeringtunnel ein Bauwerk von untergeordneter Bedeutung ist, und daher – taxative Aufzählung – bedarf der Semmeringtunnel keiner naturschutzrechtlichen Genehmigung.

Es gibt noch einen zweiten Passus: Man hat eine Lex Semmering gemacht, wonach in zwei Teilbereichen, wenn wir mit dem Scheitel etwa ans Tageslicht kommen – das wurde von der HL-AG so vorgesehen –, das Ganze überschüttet wird. Dann hat man einen Paragraphen aufgenommen, dass Schüttungen in der Höhe von mehr als einem Meter und mehr als 1 000 Quadratmetern ebenfalls einer naturschutzrechtlichen Genehmigung unterliegen. Bei dem Punkt ist unter Umständen eine Genehmigung einzuholen. Aber – das ist auch schon kundgetan – ich habe die HL-AG beauftragt, zu untersuchen, wozu wir eine Schüttung brauchen. Denn wenn wir keine Schüttung machen, unterliegen wir nicht diesem Paragraphen und haben nur ein übergeordnetes Gebäude, das keiner Genehmigung bedarf.

Dieses Gutachten ist sehr ausführlich, weist auf die Notwendigkeit der TEN-Strecke, der transeuropäischen Strecke, hin. Es gibt auch einen Initiativantrag im Haus wegen der verfassungsrechtlichen Änderung der Kompetenz hin zur Bundeskompetenz. Ich bekenne mich mit großem Nachdruck dazu, dass es zumindest bei TEN-Strecken, bei übergeordneten europäischen Strecken zu einer reinen Bundeskompetenz kommt. (Bundesrat Freiberger: Guter Vorschlag!) Ich würde mir wünschen, dass alle Länder – wenn ein Landeshauptmann gut beraten ist, dann ist er ohnehin froh, wenn das der Bund macht und nicht er die Kompetenz hat – zustimmen und wir die Verfassung dahin gehend ändern. Ich sehne es herbei – ich sage das mit Nachdruck –, dass es zu einer Zweidrittelmehrheit im Hause kommt. Aber es gibt diesbezüglich einen ähnlich lautenden Initiativantrag, den man in den Beratungen in diese Richtung bringen kann. Ich will es gar nicht auf alle übergeordneten oder grenzüberschreitenden Strecken ausdehnen. Aber es ist aus dem europäischen Recht begründbar – auch Barfuss weist darauf hin –, dass die TEN-Strecken im Bereich des Naturschutzes, im Bereich der Ökonomie einen hohen Stellenwert haben. Es ist absolut begründbar, und wenn dieses Hohe Haus das beschließen würde, dann würde sich niemand mehr darüber freuen als der Verkehrsminister.

Halten wir noch einmal fest: Wir haben vor dem Fristablauf, vor dem neuen Naturschutzgesetz, ein erhöhtes Risiko im Durchführen dieser Verfahren gesehen. Wir sehen es jetzt nicht mehr. Ich habe auch in Gloggnitz die Dinge auf den Tisch gelegt: Ich sehe kein Risiko mehr in den Aufträgen, die Planungen sind abgeschlossen, die Verfahrensschritte, die neun bis zwölf Monate dauern, sind die neuen Kundmachungen europaweit, das Suchen der Interessenten und so weiter. Aber die Planungen sind mit 500 Millionen Schilling bezahlt. Wir denken auch nicht daran, das Projekt zu ändern – diese Vorschläge hat man teilweise aus Niederösterreich gehört –, denn dann würden wir bei der Stunde null beginnen.

Das war jetzt der Punkt Semmering. Ich würde mir wünschen, dass es sich um eine Zeitungsente bei dem handelt, was ich gelesen habe, nämlich dass die Inthronisierung von Karl Schlögl in Niederösterreich nur auf Grund des Versprechens, dass er auch gegen den Semmeringtunnel


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ist – das ist in der "Presse" gestanden –, stattgefunden hat. Ich sage aber dazu, nachdem ich mit Karl Schlögl schon in der Steiermark über die Geschichten gesprochen habe, kann ich es mir nicht vorstellen. (Bundesrat Freiberger: Es ist auch in der "Presse" gestanden: Schmid stoppt Bau des Semmeringtunnels!) – War das auch in der "Presse", oder war das in der "Neuen Zeit"? – Ja, das ist gestanden. Ich glaube, dass man darüber nicht diskutieren muss. Es ist auf Grund von Bautagebüchern nachvollziehbar, dass schon neun Monate lang keine Bautätigkeit mehr war. Das ist nachvollziehbar.

Ich möchte Karl Schlögl verteidigen, indem ich sage, das kann ich mir nicht vorstellen, denn im Übrigen zählt das Recht, und mit dem Naturschutzgesetz werden wir – wie ich meine und mir sicher bin – die Geschichte durchbringen.

Es gibt noch die Frage, ob ich mich in der Lage sehe, als Bundesminister tätig zu sein. Frau Kollegin Schicker hat darauf hingewiesen, dass ich in meinem Ressort, im Wohnbau, in der Steiermark, doch das eine oder andere zusammengebracht habe. (Bundesrätin Schicker: Als Wohnbau-Landesrat! Dazu stehe ich!) – Nach wenigen Monaten als Wohnbau-Landesrat hätten Sie das auch noch nicht gesagt. Es ist mein Ehrgeiz, dass ich in einigen Jahren als Verkehrsminister dasselbe von Ihnen höre, wenn ich diese Frage charmant beantworten darf. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu Frage 5, den Ministerratsbeschlüssen:

Ministerratsbeschlüsse sind im Grunde genommen nicht mehr erforderlich, das ist im Laufen, das ist verordnet. Es ist ein Verfahrensbereich, der von mir im Höchstausmaß unterstützt wird. Ich glaube aber, damit auch Frage 6 hinreichend beantwortet zu haben, wobei ich auch unterstreiche, dass ein einseitiges Ausbauen der Straße für die Bevölkerung nicht zumutbar ist. Wenn auch die B 317 jetzt endgültig im übergeordneten Bereich ist und dort gelöst werden soll – übrigens ein Anliegen, das die Steiermark schon viele Jahre gehabt hat –, würde das das Ganze noch bestärken. Wir müssen auf beiden Schienen fahren!

Frage 8: Wird die Bundesregierung auch weiterhin alles unternehmen, um ... flächendeckenden, öffentlichen Verkehr sicherzustellen?

Ich sage ehrlich, sie wird alles Mögliche unternehmen. Der Begriff flächendeckender öffentlicher Verkehr ist mir zu vage. Flächendeckend könnte sein, dass man den öffentlichen Verkehr bis nach Osterwitz mit 150 Einwohnern erstreckt. Das wird in diesem Umfang nicht gemeint gewesen sein, aber das Mögliche werden wir machen.

Ich glaube, dass ich konkrete Infrastrukturprojekte aufgezeigt habe. Zum allgemeinen Verständnis: Über die Rangordnung wird natürlich mit dem Land beraten. Es obliegt dem Land, diese festzulegen, aber ich habe die Gesprächsbasis mit dem Verkehrsreferenten der Steiermark hergestellt. Wenn die Steiermark ein Projekt umreihen will, dann ist das absolut korrekt.

Abschließend noch zur Ennsnahen Trasse: Das ist schon – das sage ich jetzt kritischer – eine der kühnsten Unterstellungen, die mir gegenüber gemacht werden, dass ich bezüglich der Ennstrasse etwas verhindern will.

Faktum ist Folgendes: Ich wurde darüber informiert, dass es auf Grund des europäischen Naturschutzrechtes "Natura 2000" – ich kann Ihnen den Zeitplan gerne zur Verfügung stellen, den mir der zuständige Landesrat Dr. Hirschmann mit einem Begleitschreiben zukommen ließ – zumindest bis zum Jahre 2007 Zeit in Anspruch nehmen wird, bis der besonders geschützte Wachtelkönig die Umsiedelungsaktion angenommen hat. Bis dahin wird es laut Auskunft des zuständigen Landesrates der Steiermark – ich habe es auch kundgemacht – zu keinen weiteren Baumaßnahmen kommen, wobei die Einschätzung der Ornithologen jene ist, dass man mit zehn Jahren Übersiedelung des Wachtelkönigs rechnet.

Zurück zur Sache: Mindestens sieben, aller Voraussicht nach zehn Jahre kann es dort auf Grund des Naturschutzgesetzes zu keinen Baumaßnahmen kommen. In Kenntnis dieser Tatsache habe ich die Steiermärkische Landesregierung dahin gehend informiert, dass ich als Ver


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kehrsminister zur Verfügung stehe, über andere Varianten oder Überlegungen nachzudenken. Oder wollen wir zehn Jahre warten? – Ich gebe auch noch gerne jedem die Schreiben, die ich an jedes Regierungsmitglied in der Steiermark gerichtet habe, in denen ich darauf hingewiesen habe, dass das ein Anbot meinerseits ist, aber die Entscheidung beim Land Steiermark liegt. Wollen Sie warten, bis der Wachtelkönig übersiedelt ist? Wollen Sie einen bestandsnahen Ausbau? Unter Umständen gibt es eine Variante – Herr Bundesrat Meier hat nicht gewusst, dass wir uns Aussee nähern, er ist momentan nicht im Saal – südlich der Enns, die Rinderer bereits 1998 der Landesregierung zukommen ließ. Ich habe auch mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass ich mir von der Landesregierung eine rasche Antwort erwarte, dass es für mich unerheblich ist, was wir machen. Ich möchte nur nicht, dass man den Leuten – das sei auch Kurt Flecker ins Stammbuch geschrieben – tagtäglich erzählt, dass in eineinhalb Jahren mit dem Bau begonnen wird. Es ist nicht im gemeinsamen Programm, Farnleitner, Ressel enthalten. Und man wird warten müssen, bis der Wachtelkönig verschwindet. Das ist eine Aussage des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung. Das habe ich nicht erfunden.

Wenn mir jemand sagt, Hirschmann lügt oder hat nicht Recht, dann sollen sie sich das in der Steiermark ausmachen. Aber ich lasse mir nicht unterstellen, wenn ich mich anbiete, zur Verfügung stelle, etwas voranzutreiben, dass ich etwas verhindern will. Das ist eine Vorgangsweise, die nicht fair ist. In Unterfladnitz sprüht Schleich auf, er wolle die ganze Umfahrung gleich machen, und man findet in keinem einzigen Programm auch nur eine Planung von Unterfladnitz! – Bleiben wir bitte am Boden der Realität! Darum bitte ich die anwesenden steirischen Abgeordneten, welchen Couleurs auch immer.

Ich habe eine einzige Antwort von Ressel bekommen. Die Landesregierung hat beschlossen, die Ennsnahe Trasse so rasch wie möglich auszubauen. Dieser Beschluss stammt aus dem Jahre 1994. Ich habe ihn selbst noch mitgetragen, obwohl ich bezüglich der Ennsnahen Trasse anderer Meinung war, weil wir uns einer demokratischen Volksentscheidung gestellt und ihr unterworfen haben.

Ich habe gesagt: Ich trage das mit, aber nehmt zur Kenntnis, zehn Jahre schauen wir zu, ob der Vogel verschwindet. Wenn er nicht verschwindet, dann bauen wir nicht. Das muss auch klar sein. – Diese Situation wollte ich nicht, aber die Landesregierung will sie. Sie wird sie zu verantworten haben.

Zum Schluss: Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit über den gesamten Zeitraum. Ich gebe zu, dass ich immer dann etwas ausführlicher und vielleicht auch friedlicher werde, wenn es um meine Heimat geht. Danken wir Gott – sagen wir es einmal so –, dass wir einen steirischen Verkehrsminister haben, mit dem wir Fraktur reden können und der sich bemühen wird, Fairness für unser Bundesland zu Stande zu bringen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.47

Präsident Johann Payer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile ihr dieses.

18.47

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sie haben die Anfragen jetzt sehr ausführlich beantwortet – aus Ihrer Sicht natürlich sehr positiv, das ist auch verständlich. Ich würde auf steirisch sagen: na net. Da wir drei Tage vor der Landtagswahl stehen, müssen wir alles in ein positives Licht rücken. Ich möchte nicht sagen, dass nicht auch vieles geschehen ist.

Ich komme gleich zu Beginn meiner Ausführungen – ich hoffe nicht, die anderen zu langweilen, weil es steirische Probleme sind – auf Ihre Aussagen zu sprechen: Sie haben vom zweigleisigen Ausbau der Walder Strecke gesprochen. Sie haben auch den Bahnhofsausbau Bruck, Leoben, Selzthal (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Und Liezen!) und Liezen angeführt. Es sind auch


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Bahnhofsumbauten im Zuge dieses zweigleisigen Ausbaus nach Wald vorgenommen worden, nur bleiben da jetzt keine Züge mehr stehen. Daher frage ich mich: Wo ist eine richtige Planung? – Da sind Unterführungen gebaut worden, und dann heißt es: In St. Michael bleibt keiner mehr stehen, in Kalwang bleibt keiner mehr stehen. – Das sind lauter kleine Bahnhöfe in kleinen Orten, umfangreich ausgebaut, und jetzt bleibt kein Zug mehr stehen, weil eben viele Züge eingespart werden.

Eines darf ich Sie noch bitten, Herr Bundesminister, Sie haben Frage 7 nicht beantwortet, sie passt nämlich da dazu. Es geht um die Frage: Können Sie dabei garantieren, dass der Betrieb auf den Nebenbahnen in vollem Umfang erhalten bleiben wird? – Ich bitte, die Nebenbahnen anzusprechen.

Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, Sie lassen sich nicht unterstellen, dass es immer heißt, dass Sie einen Zickzackkurs fahren. Aber wenn Sie mit den Leuten in der Steiermark reden – ich hoffe, dass Sie das tun –, dann stellen Sie fest, man hört sehr wohl, der Bundesminister fährt einen Zickzackkurs. Sie entnehmen der Presse Ihre Meldungen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Das sind eure Meldungen! – Bundesrätin Haunschmid: Das ist das Echo Ihrer Aussagen! – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Herr Dr. Böhm! Ich würde nicht etwas in den Raum stellen, das ich nicht schwarz auf weiß belegen und beweisen kann. In der Presse steht: "Als Landesrat aller Steirer hat der Herr Landesrat natürlich die Röhre befürwortet." – 11. Februar 2000. (Bundesrat Dr. Böhm: Welche Presse?) Das steht in der "Kronen Zeitung" – ich kann sie ruhig nennen, ich brauche für niemanden Werbung zu machen – vom 11. Februar 2000.

Zwei Tage später heißt es dann: Wenn wir wissen, dass wir beim Tunnel weitere vier Jahre für die Gesetzesgeschichte brauchen, dann sage ich, sperren wir zu! – Zwei Tage später wieder heißt es: Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen!, und und und. (Bundesrätin Haunschmid: Das ist die Pressemeldung von der SPÖ!)

Herr Bundesminister! Die Leute draußen, die das nicht so erklärt bekommen, wie Sie es uns hier erklären, haben das Gefühl, einmal sagt er ja, einmal sagt er nein, einmal sagt er ja, einmal sagt er nein. Sie sind dann verunsichert und fragen: Wozu haben wir einen Steirer als Bundesminister in Wien, wenn er sich nicht durchsetzen kann, wenn er einmal so und einmal so sagt. (Bundesrat Dr. Böhm: Sie werden es jetzt erklären! – Zwischenruf des Bundesrates Ing. Polleruhs. ) – Man darf die Steirerinnen und Steirer nicht für dumm verkaufen, sie merken sich das schon, wenn einmal solch eine Meldung und einmal solch eine Meldung kommt. Kollege Polleruhs! Darüber brauchen wir nicht zu lachen. Sie werden jetzt vielleicht auch öfter mit den Leuten reden als sonst, und diese sagen einem das.

Kollege Freiberger hat schon darauf hingewiesen, und auch ich denke mir, dass bei uns durch den nicht einstimmigen Ministerratsbeschluss das letzte Mal der Eindruck entsteht, dass Sie sich zu wenig durchsetzen können, vor allem gegen den niederösterreichischen Minister Strasser. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Entschuldigung, Frau Bundesrätin! Wenn einer nicht aufzeigt! Wir sind in einer Demokratie! Das hat mit Durchsetzen nichts zu tun!)

Um noch einmal auf den Semmering-Basistunnel zu sprechen zu kommen: Wenn wir keine moderne Infrastruktur haben – Sie haben uns allen schon erklärt, wie das läuft –, dann denke ich, ich als Obersteirerin muss die Obersteiermark in den Vordergrund stellen, es hilft nichts. Wir können Betriebsansiedelungen machen, so viel wir wollen – wenn wir nicht die Infrastruktur haben, dann werden wir die benötigte Anzahl an neuen Arbeitsplätzen einfach nicht erreichen.

Ich darf zum Beispiel Donawitz erwähnen. Sie wissen, Herr Bundesminister, wir haben vor kurzem das modernste Stahlwerk eröffnet, weil die Arbeiter, die Beschäftigten und auch das Management gute Arbeit geleistet haben. Freilich, dann bei der Eröffnung haben sich andere in der Sonne geaalt, das darf ich auch behaupten. Sie waren nicht dort, aber andere haben sich geaalt in der Sonne (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Ich war im Ausschuss!), die auch Jahre vorher gesagt haben, Donawitz gehöre zugesperrt. Ich denke, wir erzeugen in Donawitz die längste und modernste Schiene. Nur wenn wir sie in den Osten transportieren wollen, müssen wir – weiß Gott – große Umwege machen, weil wir sie nicht über den Semmering Richtung Osten


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transportieren können. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Ich weiß es!) Das sind nur kleine Beispiele, warum wir den Semmering-Basistunnel brauchen. – Nicht, weil wir aus Jux und Tollerei darauf bestehen. Es ist so wichtig für die Obersteiermark – für die Steiermark im Allgemeinen, aber für die Obersteiermark im Besonderen –, weil die Industrie-Arbeitsplätze in der Obersteiermark liegen.

Es fehlen natürlich auch andere Infrastruktureinrichtungen; Kollege Freiberger hat es schon angesprochen. Nebenbahnen sind von der Einstellung bedroht, etwa Vordernberg. Da hat man auch verabsäumt, die Bahn attraktiv zu gestalten, die Haltestellen attraktiver zu gestalten, sie in die Orte hineinzuverlegen. Es nutzt nichts, wenn der Bahnhof 20 Minuten außerhalb des Ortes ist und der Bus im Ort stehen bleibt. – Da fordern wir seit Jahren eine Besserung!

Ich muss auch eines dazu sagen – bei allem Verständnis, Herr Dr. d'Aron –: Wenn der ÖBB-Bus zur gleichen Zeit fährt wie der Zug – die gleiche Gesellschaft zur gleichen Zeit! – und der Bus in den Ort hineinfährt und der Zug 20 Minuten außerhalb des Ortes seine Haltestelle hat, dann wird man natürlich den Bus nehmen. – Ein Parallelunternehmen bringt das andere um! (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Frau Bundesrätin! Der Bus muss fahren, weil er nach Eisenerz fährt!)

Ja, aber ich denke mir, solche Ungereimtheiten müssen einfach angegangen werden. Dann sagt man, es fährt niemand mit dem Zug. Wenn der Bus natürlich zur gleichen Zeit fährt, gibt es eine Konkurrenzierung innerhalb der eigenen Gesellschaft, und das gehört abgestellt! Herr Bundesminister! Ich bitte Sie, darauf zu achten, dass die Nebenbahnen nicht eingestellt werden, wenn sie dementsprechend attraktive Haltestellen haben.

Sie haben es schon angesprochen, Sie sind in Verhandlung mit unserem Finanzlandesrat, der auch für die Straßen zuständig ist. Das Geld ist noch nicht bei uns eingelangt, das Sie uns versprochen haben, aber ich hoffe, es wird bald kommen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Das Budget 2001 zahlt man noch nicht aus!) – Aha. Aber auch die versprochenen Gelder für andere bestimmte Projekte mussten jetzt zurückgestellt werden. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Nicht von mir!) Es mussten Projekte wie die Umfahrung Vordernberg und andere zurückgestellt werden. Also es sind schon Einsparungen zu Lasten der Steirer vorgenommen worden. Ich möchte Sie schon ersuchen, dass Sie sich mehr für die Steiermark einsetzen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Frau Bundesrätin! Nur zu Vordernberg: Vordernberg ist für Beginn 2005 im Programm Ressel – Farnleitner vorgesehen! Da ist nichts zurückgestellt worden!) – Okay, ja.

Ich möchte die Summen gar nicht wiederholen. Sie haben den Brief bekommen; ich kenne die Unterlagen über den Briefverkehr mit unserem Landesrat, in denen alles aufgelistet ist.

Ich komme jetzt noch einmal zum Semmering-Basistunnel zurück. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Jahre 1998 im Bundesrat eine gemeinsame drei-Parteien-übergreifende Anfrage betreffend die Errichtung des Semmering-Basistunnels eingebracht, bei der alle mitgemacht haben. Ich glaube, auch die Kärntnerinnen und Kärntner haben sich damals angeschlossen. Ich denke mir, wenn ich heute diesen Entschließungsantrag meiner Fraktion einbringe, dass sich natürlich auch die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen anschließen werden, wie wir es auch in der Frage der .... (Bundesrat Bieringer: Frau Kollegin! Wenn es Ihnen ein Bedürfnis ist, warum haben Sie den anderen Fraktionen den Entschließungsantrag nicht schon zugestellt! Ich denke nicht daran, meiner Fraktion zu empfehlen, sich Ihrem Entschließungsantrag anzuschließen, weil Sie genau wissen, dass das nur dann geht, wenn wir ihn vorher haben! Keiner von uns – weder die FPÖ noch wir – hat ihn! – Weitere Rufe und Gegenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Klubobmann Bieringer! Ich glaube, Sie haben mich nicht ausreden lassen. Ich habe den Entschließungsantrag angekündigt, ich werde ihn zur Verlesung bringen. Ich glaube, ich spreche deutlich genug, dass Sie dann meiner Verlesung entnehmen können, was dieser Entschließungsantrag enthält. Das ist kein Drüberfahren, ich werde ihn zur Verlesung bringen. Ich habe nur im Vorfeld gebeten, dass alle Kolleginnen und Kollegen – von jenen aus der Steiermark


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erwarte ich mir das eigentlich, aber auch die anderen Kolleginnen und Kollegen – zu unseren Projekten stehen, wie wir das beim Entschließungsantrag betreffend Temelin gemacht haben.

Wir waren nicht gegen die Oberösterreicher, und wir waren nicht gegen die Niederösterreicher, die sich für die Bemühungen wegen Temelin eingesetzt haben. Wir stehen auch hinter den OberösterreicherInnen und NiederösterreicherInnen. Ich kann wohl erwarten, dass sich auch Bundesrätinnen und Bundesräte anderer Bundesländer ein bisschen für steirische Interessen einsetzen. (Zwischenrufe der Bundesräte Bieringer und Ing. Polleruhs. ) – Es verlängert sich alles, Herr Kollege Polleruhs!

Ich komme jetzt zum Entschließungsantrag, der lautet:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Johanna Schicker, Horst Freiberger, Erhard Meier und GenossInnen betreffend die Fassung eines Ministerratsbeschlusses zur Durchsetzung des Semmering-Basistunnels

In der Ministerratssitzung vom 8. August 2000 hat der Bundesminister für Inneres, Dr. Ernst Strasser, die Beeinspruchung des niederösterreichischen Naturschutzgesetzes durch seine Gegenstimme verhindert – das stimmt ja, Herr Bundesminister, oder? –, obwohl dies vom Bundesminister für Innovation und Technologie, Dr. Michael Schmid, im Ministerrat beantragt worden war. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Da sind zwei Fehler: Erstens bin ich nicht Doktor! Ich schaue nur so gescheit aus! Und zweitens hat es der Bundeskanzler eingebracht, nachdem ich einen Antrag eingebracht habe, aber wir dann einen gemeinsamen verfasst haben!) – Ursprünglich aber haben Sie ihn eingebracht. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Und dann zurückgezogen, dass nur einer war!)

Somit hat das Land Niederösterreich wiederum die Chance, das für die südlichen Bundesländer Steiermark und Kärnten so wichtige Verkehrsprojekt zu verhindern. Der Bundesminister für Inneres, Strasser, hat dabei keinen Zweifel daran gelassen, dass er mit seinem Stimmverhalten im Sinne Niederösterreichs und nicht im Bundesinteresse gehandelt hat; dies, obwohl er einen Amtseid auf die Republik Österreich abgelegt hat. – Ich glaube, das ist zu unterschreiben, Herr Klubobmann, oder?

Nunmehr ist die Frist für eine Beeinspruchung des niederösterreichischen Naturschutzgesetzes abgelaufen. Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid hat in der vergangenen Woche selbst ein neues Rechtsgutachten vorgelegt, demgemäß zum Bau des Semmering-Basistunnels keine Bewilligung durch das niederösterreichische Naturschutzgesetz nötig ist, weshalb er eine neue Ausschreibung des Bauvorhabens vornehmen lässt. – Ist das richtig, Herr Bundesminister?

Mittlerweile sind aber auch andere Rechtsmeinungen, zum Beispiel die des niederösterreichischen Umweltanwalts, Professor Dr. Harald Rossmann, bekannt geworden, welcher sehr wohl eine Bewilligung für den Semmering-Basistunnel nach dem niederösterreichischen Naturschutzgesetz für erforderlich hält.

Um die Kosten eines erneuten Ausschreibungsverfahrens und die darauf aufbauende Rechtsmeinung abzusichern und um ein einheitliches Vorgehen der Bundesregierung zu bewirken, erscheint ein Ministerratsbeschluss der Bundesregierung unerlässlich.

Sollte sich in der Bundesregierung allerdings die Ansicht durchsetzen, dass das niederösterreichische Naturschutzgesetz in jedem Fall für das Projekt Semmering-Basistunnel relevant ist, ist eine Verfassungsänderung erforderlich – Sie haben es schon angesprochen –, wie sie auch von der steirischen Landesregierung auf Antrag von Landesrat Ressel vorgeschlagen wurde. Andernfalls könnte das Land Niederösterreich, wie Bundesminister Schmid betont, gegen die Interessen der südlichen Bundesländer weiterhin bis zum Sankt Nimmerleinstag den Semmering-Basistunnel verhindern. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Nein, das war das alte Naturschutzgesetz!) – Ja. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Vom neuen habe ich jetzt gerade be


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tont, dass es uns eher hilft!) – Nein, wenn er dagegen ist, dann ist er dagegen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Darf ich nun zum Schluss kommen? – Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen nachstehenden

Entschließungsantrag

Die Bundesregierung wird ersucht, bis 1. Dezember 2000 einen Beschluss zur ehestmöglichen Durchsetzung des Semmering-Basistunnels zu fassen, sodass entweder eine erneute Ausschreibung für ein modifiziertes Projekt durchgeführt wird, das keine Bewilligung nach dem niederösterreichischen Naturschutzgesetz benötigt, oder eine Verfassungsänderung vorgeschlagen wird, welche bundesrechtlich festgelegte Hochleistungsstrecken, einschließlich der Belange des Natur- und Landschaftsschutzes, in die Bundeskompetenz überführt.

*****

Eine solche Verfassungsänderung haben Sie vorgeschlagen, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist genau der Wortlaut, den wir auch vom Herrn Bundesminister vorhin in seinen Erläuterungen gehört haben. Ich glaube daher, es gibt überhaupt keinen Grund, dem nicht zuzustimmen.

Ich erinnere noch einmal daran, dass die Kollegen von der steirischen ÖVP-Fraktion und auch von der FPÖ-Fraktion – Kollege Weilharter ist nicht mehr da – auch unserem letzten Antrag im Jahre 1998 zugestimmt haben. Ich denke, wir alle müssen hier an einem Strang ziehen, und ich danke schon im Vorhinein für eventuelle Zustimmungen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.02

Präsident Johann Payer: Der von den Bundesräten Schicker und Genossen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend die Fassung eines Ministerratsbeschlusses zur Durchsetzung des Semmering-Basistunnels ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon. Ich erteile ihm dieses.

19.02

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Wahlkampf ist in der Steiermark – ich glaube, das ist nicht zu übersehen und zu überhören. Die Wahrnehmungen sind sehr selektiv, meistens gehen sie nur bis an den Rand der Parteibrille. Aber ich bin der SPÖ sehr dankbar für diese dringliche Anfrage, weil sie mir ein gutes Mittagessen eingebracht hat. Ich habe nämlich gestern am Abend mit Journalisten gewettet, dass die SPÖ im Zuge des Wahlkampfes heute sicher eine dringliche Anfrage zum Semmering-Basistunnel einbringen wird. Das Mittagessen ist gewonnen, ich danke dafür sehr herzlich! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Freiberger: ... Mittagessen durchgesetzt!)

Was bei der SPÖ in diesem Wahlkampf auffällig ist, ist: In vielen Dingen tut sie so, als ob sie nicht dabei gewesen wäre. (Bundesrätin Fuchs: Das ist das Privileg der ÖVP!) Ich möchte in aller Deutlichkeit festhalten, dass in der Steiermark der Finanzlandesreferent und Verkehrsreferent, Hans-Joachim Ressel, von der SPÖ ist. Wenn Sie sagen, Herr Minister, diese zwei Ämter würden an und für sich recht gut zusammenpassen, dann sage ich: wenn man etwas daraus macht, schon! – Erster Punkt.

Gefährlich wird es nur, wenn man gleichzeitig Wahlkampfmanager der SPÖ ist. Dann wird es kritisch, denn dann passiert nämlich Folgendes, Frau Kollegin Schicker: Sie haben voriges Jahr eine Woche vor der Nationalratswahl in Vordernberg bezüglich der Umfahrung eine Demonstration abgehalten, die Straße gesperrt, und die Autofahrer haben stehen bleiben müssen. Die SPÖ hat demonstriert, weil die Vordernberger Umfahrung in der Prioritätenreihung verschoben


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worden ist. Das gleiche Spiel spielt sich jetzt wieder ab, angezettelt von der SPÖ im Bezirk mit Unterstützung des Herrn Finanzlandesreferenten. (Bundesrätin Schicker: Entschuldigen Sie den Zwischenruf ...!)

Moment, jetzt sage ich Ihnen noch etwas, lassen Sie mich ausreden, Frau Kollegin! Ich habe heute nachgeschaut. (Bundesrätin Schicker: "Angezettelt" – die Bevölkerung will es haben, da werden wir uns einsetzen müssen!) – Moment, lassen Sie mich fertig erzählen.

Das Internet ist eine ganz gute Geschichte, weil man da zu Informationen kommt. Wenn man interessiert ist und im Steiermark-Server nachschaut, wofür Herr Landesrat Ressel verantwortlich ist, dann sieht man, dass er für Folgendes verantwortlich ist: Budgetplanung und Reihung von Ausbaumaßnahmen. – Das heißt, ihr habt voriges Jahr eigentlich gegen den eigenen Landesrat demonstriert. Das halte ich für das Verwerfliche! (Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Das ist es, was mich sehr stört, und da bin ich nicht ganz bei Ihnen, Herr Minister: Ich glaube, der Herr Verkehrsreferent des Landes nimmt seine Verantwortung nicht voll wahr. Denn es ist da ein weiterer Punkt enthalten, in dem steht beispielsweise: Er muss die verkehrspolitischen Interessen des Landes gegenüber dem Bund wahrnehmen. – Im März dieses Jahres hat es eine größere Strategiekonferenz mit dem Kärntner Landeshauptmann und mit dem steirischen Landeshauptmann gegeben. Dazu waren die Verkehrsreferenten eingeladen. Nur Herr Kollege Ressel war nicht dabei. Das halte ich im Grunde genommen für eine Schwächung der verkehrspolitischen Interessen des Landes Steiermark – eine Schwächung, das möchte ich in aller Deutlichkeit dazusagen! (Bundesrätin Schicker: Sagen Sie dazu, warum! Sie verschweigen einiges!)

Wir sind uns sachlich wahrscheinlich einig. Das Land entwickelt sich sehr gut. Wir sind wirtschaftlich, so glaube ich, in einer wirklich guten Position. Wir haben viele Chancen realisieren können. Beispielsweise haben wir, wenn ich in unserem Bezirk bleibe, vor drei Wochen das modernste Stahlwerk der Welt eröffnet. Es war der Bundeskanzler anwesend, es war die Frau Landeshauptmann anwesend, es waren jene Personen anwesend, die durch die Entpolitisierung der Verstaatlichten natürlich dafür gesorgt haben, dass sich das Management und die Mitarbeiter des Unternehmens so gut haben weiterentwickeln können. (Bundesrätin Schicker: Wo Sie viel dazu beigetragen haben! Da muss aber der Herr Bundesminister lachen!)

Das Land ist mittlerweile auch zu einem Autoland geworden. Der Automobil-Cluster ist ein Markenzeichen. Natürlich brauchen wir die verbesserten Verkehrsanbindungen an die europäischen Netze.

Ich komme aber jetzt zurück auf Ihren Antrag, Frau Kollegin! Er ist meines Erachtens zunächst einmal in der Argumentation nicht schlüssig, und zum Zweiten glaube ich, dass er möglicherweise die Strategie des Herrn Bundesministers unterläuft. Ich glaube – jetzt helfe ich Ihnen aus dem schlechten Patschen heraus, den Sie angezogen haben –, die Entscheidung ist schon längst gefallen, Frau Kollegin! (Bundesrätin Schicker: Ich habe Schuhe an! Herr Dipl.-Ing. Missethon, ich habe immer noch Schuhe an!) Frau Kollegin! Es gibt Ministerratsbeschlüsse. Aber es hapert bei der Umsetzung.

Ich möchte daher im Namen der ÖVP und der Freiheitlichen Partei folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dipl.-Ing. Hannes Missethon, Ing. Peter Polleruhs, Dr. Vincenz Liechtenstein, Alfred Gerstl, Engelbert Weilharter und Kollegen betreffend Bau des Semmering-Basistunnels

Die Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, alle Beschlüsse, die sie im Zusammenhang mit dem Bau des Semmering-Basistunnels getroffen hat, vollinhaltlich umzusetzen."

*****


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Die Entscheidung ist gefallen, Umsetzen ist gefragt. Wenn sich neue Wege durch Rechtsgutachten eröffnen, wäre ich als Leobener sehr zufrieden. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.09

Präsident Johann Payer: Der von den Bundesräten Dipl.-Ing. Missethon, Ing. Polleruhs, Dr. Liechtenstein, Gerstl, Weilharter und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Bau des Semmering-Basistunnels ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. André d'Aron. – Bitte.

19.09

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der SPÖ ist dem Tenor nach auch von unserer Seite absolut zu befürworten. Es geht um eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in der Steiermark und in Richtung Steiermark. Das ist etwas, was natürlich auch wir von der Freiheitlichen Partei verfolgen. Darüber besteht überhaupt kein Zweifel.

Aber man muss diesen Antrag auch ein bisschen im historischen Zusammenhang sehen. Als die freiheitliche Fraktion in Opposition war, haben wir die Frage der Zusammenführung der unterschiedlichen Verkehrsträger immer wieder als wesentliches Ziel genannt. Wir wollten zusätzlich eine Trennung der Absatz- und Infrastrukturbereiche innerhalb dieser einzelnen Verkehrsträger haben. Das ist in einem ersten Schritt auch bereits erfolgt. Es gibt heute erstmals ein echtes Verkehrsministerium, es hat im Laufe dieser Legislaturperiode bereits das ElWOG gegeben, es hat zum Beispiel auch wesentliche Bestrebungen zur Trennung von Absatz und Infrastruktur auf der Schiene gegeben, und es hat in dieser Republik einen Kassensturz gegeben, wodurch festgestellt wurde, wie hoch der Außenstand tatsächlich ist.

Eines ist jedenfalls sicher: Die freiheitliche Fraktion hat in den letzten 30 Jahren keinen Finanzminister und auch keinen Bundeskanzler gestellt. Sie ist dafür nicht verantwortlich, muss aber diesen Bestand, der da übernommen wird, nunmehr selbstverständlich auch im Verkehrsressort berücksichtigen. Uns sind dadurch etwas die Hände gebunden.

Es wurde von Seiten der SPÖ dargelegt, dass die Autofahrer enorm geschröpft werden. Das ist sicherlich nicht richtig. In der ursprünglichen Vereinbarung zwischen SPÖ und ÖVP – das gehört hier schon gesagt – wurde andiskutiert, dass die Mineralölsteuer erhöht wird. Das ist dann bei uns nicht eingetreten. Ganz im Gegenteil, im Verkehrsbereich wurden steirische Straßen zusätzlich in die ASFINAG übertragen, und es wurden Sonderfinanzierungen sichergestellt.

Von einem Zickzackkurs des Verkehrsressorts bezüglich des Semmerings zu sprechen, stimmt mit Sicherheit nicht. Aber eines scheint mir sehr wichtig zu sein, sodass ich es hier noch einmal deponiere: Es gilt für das oberste Vollzugsorgan eines Verkehrsministeriums, den Verkehrsminister, selbstverständlich das Legalitätsprinzip gemäß Artikel 18. Der Verkehrsminister muss sich also auf jeden Fall an die bestehenden Gesetze und Verordnungen halten. Da gibt es auf der einen Seite die Vollziehung, worin er sich an Gesetze und Verordnungen halten muss, und auf der anderen Seite einen politischen Willen. Er kann etwas verändern, aber nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit.

Frau Kollegin Schicker! Sie haben einen Antrag eingebracht, der aus Ihrer Sicht sicherlich wohl formuliert erscheint; aus der Stellungnahme unseres Herrn Bundesministers möchte ich schon schließen, dass er nicht auf dem letzten Stand der Überlegungen ist. Denn das Gutachten der Kanzlei Barfuss geht davon aus, dass im Wesentlichen nicht das niederösterreichische Naturschutzgesetz beim Weiterbau des Semmering-Basistunnels zur Anwendung gelangt, sofern eine Umplanung in Richtung Schüttungen stattfindet. Das bedeutet, Ihr Antrag geht eigentlich dahin, das Verfahren zu verlängern, um zu einem Bau des Semmering-Basistunnels zu kommen. (Bundesrat Weilharter: Das ist eine Verzögerung!) Die Ausführungen des Herrn Bundes


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ministers gehen dahin, zu einer raschen Lösung zu finden, indem das niederösterreichische Naturschutzgesetz entsprechend interpretiert wird.

Meine Fraktion wird natürlich unserem gemeinsamen Antrag mit der ÖVP zustimmen und kann Ihrem Antrag nicht die Zustimmung erteilen, da Ihr Antrag letztlich eine Verzögerung des Bauvorhabens Semmering-Basistunnel verursacht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Was lesen Sie da heraus? Das hat nicht einmal der Herr Bundesminister herausgelesen! – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Was heißt "nicht einmal"?)

19.13

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile ihm dieses.

19.13

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Aus der Überschrift beziehungsweise aus dem ersten Satz der dringlichen Anfrage der Sozialdemokratie geht etwas schon deutlich hervor – Sie erlauben, dass ich den ersten Satz, der den Betreff dieser Dringlichen beinhaltet, zitiere –: "Dringliche Anfrage der Bundesräte Freiberger, Johanna Schicker, Meier und GenossInnen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend" – und jetzt, meine Damen und Herren, kommt es – "das durch den Bund verursachte Desaster in der Verkehrspolitik für die Steiermark".

Meine Damen und Herren! Das Wort "Desaster" stimmt – es stimmt insofern, als es für die neue Regierung eine Hypothek ist, die sie übernommen hat.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wenn Sie von "Desaster" sprechen, dann ist es auch in der Verkehrspolitik wie in vielen Bereichen so, dass 30 Jahre Sozialismus eben leider auch hier negative Spuren hinterlassen haben. Fünf Jahre Ressel in der Steiermark waren eine Zeit, in der nicht gehandelt wurde. (Bundesrat Freiberger: Dynamisch war das, hat Kollege Schmid gesagt! Dynamisch war das! – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Im Vergleich zur Klasnic, weißt!) Herr Kollege Freiberger! Das bedeutet – das ist im Betreff Ihre Begründung –, dass eben 30 Jahre lang nichts weitergegangen ist.

Meine Damen und Herren! Wenn man diese dringliche Anfrage weiterliest, sieht man, dass im zweiten Absatz von der Erreichbarkeit innerhalb der Steiermark die Rede ist. Hier beklagt die Sozialdemokratie, dass innerhalb der Steiermark in einer bestimmten Zeit nur 13 Millionen Menschen erreichbar sind, während es in anderen Regionen Europas bis zu 150 Millionen sind.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Hier liegen Sie nicht nur inhaltlich total falsch, sondern allein diese Feststellung in der Präambel ist eigentlich eine üble Unterstellung gegenüber allen Steirerinnen und Steirern, nämlich der Steiermark und dem gesamten Land Rückständigkeit vorzuwerfen. Meine Damen und Herren! Von der Steiermark aus sind nicht weniger Menschen zu erreichen als innerhalb anderer Regionen und Staaten, denn die Steiermark ist genauso ausgestattet mit modernen technischen Einrichtungen wie Telekommunikation, EDV, Intranet, Internet – wie auch immer. Trotzdem davon zu sprechen, dass von der Steiermark aus ein nach SPÖ-Definition und -Beurteilung nur kleiner Kreis erreichbar ist, stellt für mich eigentlich eine Beleidigung des Landesganzen dar.

Meine Damen und Herren! Viel vernünftiger und wichtiger wäre es, wenn die SPÖ einmal in ihren eigenen Reihen hinterfragt hätte, was Verkehrslandesrat Ressel in den letzten fünf Jahren getan hat. (Bundesrätin Schicker: Sehr viel, denn vorher ist nichts geschehen!) Frau Kollegin Schicker und Herr Kollege Freiberger! (Bundesrat Freiberger: Dynamisch war das!) Sie haben eine ganze Liste von Punkten aufgeführt, worin Sie Straßenausbauten, Zusammenschlüsse et cetera einmahnen und einfordern. (Bundesrat Meier: Viel geschehen! Sehr viel geschehen!) Nur wäre hier zu hinterfragen, inwieweit der Verkehrslandesrat seiner Pflicht nachgekommen ist und inwieweit der Verkehrslandesrat diesen Ihren Forderungen im Bereich der Planung bisher entsprochen hat. (Bundesrat Meier: Da ist sehr viel geschehen! Nur mehr Geld hat es nicht gegeben! Dann sagt ihr, er gibt sonst zu viel Geld aus! Also, was willst?)


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Meine Damen und Herren! Ich glaube daher, dass es den Sozialdemokraten bei dieser Dringlichen in keiner Weise um Inhalte und Sachlichkeit geht, sondern es ist der letzte Versuch vor der steirischen Landtagswahl, noch einmal steirische Themen hier im Bundesrat anzusprechen. (Bundesrat Meier: Deine Rede! Deine Rede jetzt!)

Herr Kollege Meier! Mit 16. Oktober – davon bin ich überzeugt – wird Ihnen die Verkehrsinfrastruktur in der Steiermark wahrscheinlich nicht mehr ein solch notwendiges Anliegen wie heute sein. (Bundesrat Meier: Immer gewesen! Immer gewesen! – Bundesrätin Schicker: Warum?) Zwei Tage vor der Landtagswahl entdecken Sie plötzlich die Liebe für die Autofahrer, und Sie fordern einen Straßenausbau ein. (Bundesrat Meier: Wieso? Wieso zwei Tage vorher?) Meine Damen und Herren! Das ist mehr als durchsichtig! Es liegt auf der Hand, dass Sie bis Sonntag bemüht sind, irgendwelche Zeichen zu setzen, damit für die Steirerinnen und Steirer erkennbar wird, wo die Ressortverantwortlichkeit für den Straßenbau in der Steiermark liegt.

Meine Damen und Herren! Wenn überhaupt jemand im Verkehrsbereich etwas weiterbringt, dann ist es der derzeitige Minister Schmid. Ich nenne Ihnen dafür auch einen Beweis. Es gibt über die Parteien hinweg einen jahrzehntelangen Konsens in der Frage des Straßenausbaus. Die ursprüngliche B 83 – jetzt B 317 – wurde in der kurzen Amtszeit von Bundesminister Schmid in das ASFINAG-Programm aufgenommen. (Bundesrat Meier: Schon gebaut?) Damit wird einer Umsetzung und Realisierung von Seiten des Bundes nichts mehr im Wege stehen. (Bundesrat Meier: Schon gebaut?) – Es war dies eine jahrzehntelange Forderung der Region, Herr Kollege Meier, und der steirischen Parteien.

Meine Damen und Herren! Dass die Dinge aufgenommen werden und dass in kurzer Zeit an die Realisierung geschritten wird, ist eben die neue Qualität des Regierens, die Sie wahrscheinlich zu Recht als Opposition einmahnen und die Ihnen zu schnell geht.

Meine Damen und Herren! Nun noch ein paar Sätze zu den Entschließungsanträgen: Mein Kollege d'Aron hat schon gesagt, dass wir dem Antrag der Sozialdemokratie nicht zustimmen können. (Bundesrat Meier: Hätten wir nicht erwartet!) Dieser Antrag stellt in der Tat eine Verzögerung dar; Sie wollen also in der Frage Semmering-Basistunnel wieder einen Neubeginn schaffen. (Bundesrat Meier: Neubeginn? Den haben wir schon lang geschaffen!)

Daher wird meine Fraktion selbstverständlich dem gemeinsamen Entschließungsantrag mit der ÖVP folgen. Ich möchte nur den Präsidenten bitten, auch bei diesem Entschließungsantrag eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

19.20

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid. Ich erteile ihm dieses.

19.20

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Michael Schmid: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben zu Recht die Antwort auf Frage 7 urgiert. Aber ich hatte schon so lange gesprochen, dass ich dann sehr kurz geantwortet habe.

Zu Frage 7, Nebenbahnen und das Problem Vordernberg – Leoben insgesamt: Sie haben es sehr richtig geschildert: Wir haben dort eine Parallelführung des Busses und der Bahn. Aber die Parallelführung muss sein – lachen wir nicht! –, weil wir nach Eisenerz kommen müssen und die Bahn nur bis Vordernberg geht. (Bundesrätin Schicker: Aber nicht zur gleichen Zeit!) Auf Grund einer doch relativ hohen Frequenz nach Eisenerz fahren sie nebeneinander, und wir werden keine Chance haben, die Vordernberger dazu zu bringen, dass sie ungefähr 20 Minuten lang zum Bahnhof hinuntergehen.

Dazu sage ich aber auch in aller Ehrlichkeit, es wird jetzt bei einem absoluten Erfordernis, dort einen Bus von Eisenerz nach Leoben zu führen, der noch dazu in die Stadt hineinfährt, absolut nicht verantwortlich begründbar sein, dass wir jetzt auch noch die Bahn nach Vordernberg verlegen. Denn Vordernberg hat in der Zwischenzeit nur noch 1 400 Einwohner, was wir alle sehr bedauern. Dort haben wir in der Revitalisierung vieles gemacht, aber eine Zugsverlegung zu


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machen, wird nicht möglich sein. Wir sind dort aber in einem guten Gespräch darüber, ob wir nicht die Eisenerzer, auch den Verein, mit einbinden, sodass man aus dem Ganzen noch etwas machen kann.

Ich glaube, es ist bekannt, was ich über die Nebenbahnen gesagt habe: Es wird von mir kein Antrag auf Einstellung unterschrieben, bevor ich nicht 100-prozentig sicher bin, dass alle Möglichkeiten – Ausschreibung, andere einbeziehen – ausgeschöpft worden sind. Was die Mariazellerbahn betrifft, sind wir schon sehr sicher, dass das Ganze aufrecht bleibt. Ich glaube, dass das sehr wichtig ist. – Ich habe diese Frage damit auch beantwortet.

Die Umfahrung Vordernberg ist wirklich erst ab 2005 im Programm. Ich hoffe, dass auch alle Verfahren in diesem Zeitraum abgewickelt werden. Ich habe jetzt nachgesehen: Joachim Ressel hat mir auch in seiner Aufstellung vom Vorziehen nichts geschrieben, aber nicht, weil er es nicht will, sondern weil wir die Verfahren vermutlich noch im Land durchführen müssen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.22

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Peter Polleruhs. Ich erteile ihm dieses.

19.22

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Ich kann mich eigentlich, wenn es um die Sache geht, der Meinung des Kollegen Weilharter von der FPÖ nur anschließen.

Damit ich aber die Bedeutung dieses für die Steiermark so wichtigen Vorhabens unterstütze, mache ich die klare Mitteilung, dass ich beide Entschließungsanträge mit "Ja" beantworten werde. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden dann sehen, welcher Entschließungsantrag schneller zum Ziel kommt. – Danke.

19.23

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konecny. Ich erteile ihm dieses.

19.23

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Als Nicht-Steirer muss ich trotzdem festhalten, dass mich die Ankündigung des Kollegen Polleruhs sehr beeindruckt hat.

Ich fühle mich angeregt, hinzuzufügen, dass die gesamte sozialdemokratische Fraktion für beide Entschließungsanträge stimmen wird. Es geht uns nicht darum, jemanden am Nasenring zu führen, sondern darum, das Loch durch den Semmering endlich zu bauen. Ich glaube, die Sache hat nicht nur für die Steiermark, sondern auch im wohlverstandenen Interesse der gesamten Ostregion – wie ich in Richtung niederösterreichische Kolleginnen und Kollegen sage – eine Vordringlichkeit. (Bundesrat Meier: Kärnten auch!)

Kollege Polleruhs! Vielleicht schaffen wir es, beide Anträge zu beschließen. Sie zielen in dieselbe Richtung, und die Urheberschaft sollte nicht das Problem sein. (Beifall bei der SPÖ.)

19.25

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Schicker und Genossen auf Fassung einer Entschließung betreffend die Fassung eines Ministerratsbeschlusses zur Durchsetzung des Semmering-Basistunnels vor. Dazu ist namentliche Abstimmung verlangt worden.


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Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 2 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit "Ja" oder "Nein".

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge. (Bundesrat Bieringer: Welcher zuerst?)

Das habe ich gesagt: der Antrag der Bundesrätin Schicker. Da müssen Sie aufpassen. – Ich bitte die Schriftführung, zu beginnen.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Kainz und Mühlwerth geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten bekannt.)

Präsident Johann Payer: Die Stimmabgabe ist beendet. Es folgt nun kurz die Auszählung.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor.)

Präsident Johann Payer: Ich gebe nunmehr das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag 24 "Ja"-Stimmen und 29 "Nein"-Stimmen.

Der gegenständliche Entschließungsantrag ist somit abgelehnt.

*****

Mit "Ja" stimmten die Bundesräte:

Boden;

Drochter;

Freiberger, Fuchs;

Gerstl, Grillenberger, Gstöttner;

Haselbach, Mag. Hoscher;

Kainz, Koller, Konecny, Kraml;

Dr. Liechtenstein;

Marizzi, Meier, Dipl.-Ing. Missethon;

Payer, Ing. Polleruhs;

Schicker;

Mag. Trunk;

Weilharter, Winter, Würschl.

Mit "Nein" stimmten die Bundesräte:

Ager, Dr. Aspöck;

Bieringer, Dr. Böhm;

Dr. d'Aron;

Fösleitner;

Giesinger, Grander, Ing. Grasberger, Grissemann, Ing. Gruber, Mag. Gudenus;

Hagen, Haunschmid, Hensler, Mag. Himmer, Höllerer;


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 137

Keuschnigg;

Ledolter;

Dr. Maier, Mühlwerth;

Mag. Neuner, Dr. Nittmann;

Saller, Ing. Scheuch, Schöls, Steinbichler, Mag. Strugl;

Wolfinger.

*****

Präsident Johann Payer: Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dipl.-Ing. Missethon, Weilharter und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Bau des Semmering-Basistunnels vor. Dazu ist ebenfalls namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 2 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor. (Bundesrat Meier: Frag, wer mit "Nein" stimmt!)

Im Sinne des § 55 Abs. 5 erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit "Ja" oder "Nein".

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Mühlwerth und Kainz geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten bekannt.)

Präsident Johann Payer: Die Stimmabgabe ist beendet. (Bundesrat Freiberger  – in Richtung einiger Bundesräte der ÖVP, die den Saal wieder betreten –: Pröll hat gerufen! – Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: Marizzi auch! – Bundesrätin Schicker: Er ist nicht hinausgegangen! Er hat "Ja" gesagt! Beide Male!)

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor.)

Präsident Johann Payer: Meine Damen und Herren! Ich gebe nunmehr das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag 47 "Ja"-Stimmen und 1 "Nein"-Stimme.

Der Antrag auf Fassung der Entschließung betreffend Bau des Semmering-Basistunnels ist somit angenommen. (E. 165) (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. )

*****

Mit "Ja" stimmten die Bundesräte:

Ager, Dr. Aspöck;

Bieringer, Boden, Dr. Böhm;

Dr. d'Aron, Drochter;

Fösleitner, Freiberger, Fuchs;

Gerstl, Giesinger, Grander, Ing. Grasberger, Grillenberger, Grissemann, Ing. Gruber, Gstöttner, Mag. Gudenus;

Hagen, Haselbach, Haunschmid, Mag. Himmer, Mag. Hoscher;


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
668. Sitzung / Seite 138

Kainz, Keuschnigg, Koller, Konecny, Kraml;

Dr. Liechtenstein;

Marizzi, Meier, Dipl.-Ing. Missethon, Mühlwerth;

Mag. Neuner, Dr. Nittmann;

Payer, Ing. Polleruhs;

Saller, Ing. Scheuch, Schicker, Steinbichler, Mag. Strugl;

Mag. Trunk;

Weilharter, Wolfinger, Würschl.

Mit "Nein" stimmte der Bundesrat:

Dr. Maier.

*****

Präsident Johann Payer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 21 Anfragen, 1725/J bis 1745/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 9. November 2000, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Donnerstag, den 7. November 2000, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 19.38 Uhr

Berichtigung

In der 642. Sitzung des Bundesrates auf S. 23 im 8. Absatz zweite Zeile soll es statt "eine Bundesfinanzgesetz-Novelle 1998" richtig "ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird," lauten.