1945 bis 1995

Die Zweite Republik: Konsens und Konkurrenz

Unmittelbar nach der Befreiung durch die Rote Armee unterzeichnen im April 1945 die drei Parteien ÖVP, SPÖ und KPÖ die "Unabhängigkeitserklärung". Staat und Demokratie sind wiedererrichtet. Österreich bleibt aber bis zum Staatsvertrag 1955 von den Alliierten besetzt.

Nach dem Wiederaufbau und dem "Wirtschaftswunder" erlebt Österreich einen gesellschaftlichen und demokratischen Aufbruch. Alleinregierungen und die neue Partei "Die Grünen" beleben den politischen Wettbewerb.

Mit der Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten 1986 beginnt eine späte Debatte über die Mitschuld Österreichs an den NS-Verbrechen. In den Jahren danach bestimmen die Große Koalition und der Aufstieg der FPÖ die österreichische Politik.

Parlamentarismus im Schatten der "Großen Koalition"

Aus Anlass der Währungsstabilisierung 1947, die ÖVP und SPÖ vereinbart hatten, scheidet die KPÖ aus der Regierung aus. Damit beginnt die Zeit der "Großen Koalition". Sie dauert über sechs Gesetzgebungsperioden bis 1966. Strikte vorparlamentarische Absprachen über Gesetzesinitiativen und proporzmäßige Aufteilung von Einflusssphären lassen wenig Spielraum für parlamentarische Aktivitäten.

Wirtschaftlicher Wiederaufbau

Die Politik im von Zerstörung und Not beherrschten Nachkriegsösterreich hat ein großes Ziel: die Schaffung der Grundlagen für einen raschen wirtschaftlichen Wiederaufbau. Die Vorstellungen der Regierungsparteien über die konkrete Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik liegen aber teils weit auseinander. Trotzdem treffen sie wichtige Entscheidungen gemeinsam und in Abstimmung mit den Interessenvertretungen.

1955 – Staatsvertrag und Neutralität

Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrags am 15. Mai 1955 im Schloss Belvedere in Wien erhält Österreich die volle staatliche Souveränität zurück. Die Alliierten Mächte hatten sich bereits mit der Moskauer Deklaration 1943 zur Wiederherstellung eines unabhängigen österreichischen Staates bekannt. Die Einigung auf eine für alle akzeptable Lösung gestaltet sich nach 1945 aufgrund wachsender Spannungen zwischen Ost und West aber als schwierig.

Proporzsystem in der Krise

Ende der 1950er-Jahre zeigen sich erste Anzeichen einer Krise der "Großen Koalition".

Ein Mangel an Reformbereitschaft und bestimmender Einfluss der Politik auf die Wirtschaft lassen den Ruf nach "Versachlichung" der Politik und mehr demokratischem Freiraum laut werden.

Erste Alleinregierung der Zweiten Republik

Das bis dato erfolgreiche System der "Großen Koalition" zeigt bereits vor den Wahlen 1966 Abnutzungserscheinungen. Nachdem die ÖVP überraschend mit absoluter Mandatsmehrheit aus den Wahlen hervorgeht, bildet sie die erste Alleinregierung der Zweiten Republik.

Sie legt ein vorsichtig ambitioniertes Reformprogramm vor. Zum ersten Mal steht eine Regierungsfraktion einer großen Opposition gegenüber, was den parlamentarischen Diskurs belebt.

Wechsel an der Spitze – SPÖ am Ruder

1970 beginnt die zweite – deutlich längere und seither auch letzte – Phase der Alleinregierungen. Der neue SPÖ-Vorsitzende Bruno Kreisky gelangt an die Spitze und übt das Amt des Bundeskanzlers für mehr als ein Jahrzehnt aus.

In diesen Jahren kommt es zu umfangreichen Reformen; im Wirtschaftsbereich schlägt Österreich einen Sonderweg ein.

Kleine Koalition mit Schwierigkeiten

Das Ende der 13-jährigen Ära der SPÖ-Alleinregierung bringt ein politisches Experiment mit sich, das nicht lange hält: Die "Kleine Koalition" zwischen SPÖ und FPÖ.