Stenographisches Protokoll
81.
Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode
Donnerstag, 21. Oktober 2004
81. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 21. Oktober 2004
Dauer der Sitzung
Donnerstag,
21. Oktober 2004: 9.03 – 14.51 Uhr
*****
Tagesordnung
Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes
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Inhalt
Personalien
Verhinderungen ................................................................................................................ 5
Geschäftsbehandlung
Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung ............................................................................................................ 6
Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 49
Antrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung von Vorgängen im Bereich der Vollziehung, die zur Typenentscheidung für Eurofighter und zum Kaufvertrag geführt haben, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung ............................................................................................................... 86
Bekanntgabe ................................................................................................................... 70
Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 70
Redner:
Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 92
Walter Murauer ............................................................................................................. 94
Dr. Günther Kräuter ..................................................................................................... 96
Herbert Scheibner ........................................................................................................ 97
Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 99
Ablehnung des Antrages .............................................................................................. 100
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Bundesregierung
Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 5
Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Enthebung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner vom Amt sowie Ernennung von Frau Dr. Ursula Plassnik zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten ................................ 100
Ausschüsse
Zuweisung ........................................................................................................................ 5
Dringlicher
Antrag
der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Novellierung des Asylgesetzes (461/A) (E) 49
Begründung: Dr. Helene Partik-Pablé .......................................................................... 52
Bundesminister Dr. Ernst Strasser ........................................................................... 56
Debatte:
Herbert Scheibner ........................................................................................................ 59
Günter Kößl .................................................................................................................. 61
Mag. Walter Posch ....................................................................................................... 62
Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................... 65
Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 68
Matthias Ellmauer ........................................................................................................ 70
Rudolf Parnigoni .......................................................................................................... 71
Karl Öllinger .................................................................................................................. 73
Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................... 76
Christoph Kainz ............................................................................................................ 77
Dr. Elisabeth Hlavac ..................................................................................................... 79
Dieter Brosz .................................................................................................................. 80
Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 82
Werner Miedl ................................................................................................................. 83
Otto Pendl ..................................................................................................................... 84
Annahme des Selbständigen Entschließungsantrages 461/A (E) betreffend Novellierung des Asylgesetzes (E 73) .............................................................................................................................. 85
Verhandlungen
Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes ............................................................... 6
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ....................................................................... 6
Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 5
Redner:
Dr. Alfred
Gusenbauer .................................................................................................. 9
Mag. Wilhelm
Molterer ................................................................................................ 12
Dr. Alexander Van
der Bellen ..................................................................................... 16
Herbert Scheibner ........................................................................................................ 20
Bundesministerin Dr.
Ursula Plassnik ...................................................................... 24
Peter Schieder .............................................................................................................. 28
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Dr. Michael
Spindelegger ............................................................................................ 29
Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 31
Dr. Reinhard Eugen
Bösch ......................................................................................... 33
Staatssekretärin
Ursula Haubner ............................................................................... 35
Petra Bayr ..................................................................................................................... 36
Dr. Ulrike
Baumgartner-Gabitzer ............................................................................... 38
Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 39
Dipl.-Ing. Uwe
Scheuch ............................................................................................... 41
Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 43
Dr. Werner Fasslabend ................................................................................................ 44
Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 46
Klaus Wittauer .............................................................................................................. 47
Eingebracht wurden
Bürgerinitiative .............................................................................................................. 5
Bürgerinitiative betreffend „Die Verhinderung der S 7 südlich der Lafnitz“ (Ordnungsnummer 20)
Anträge
der Abgeordneten
Dr. Helene
Partik-Pablé,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend
Novellierung des Asylgesetzes (461/A) (E)
Dipl.-Ing. Dr.
Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung des neuen Programms für
die Ländliche Entwicklung für den Zeitraum 2007 bis 2013 (462/A) (E)
Anfragen
der Abgeordneten
Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Diskriminierung von
gleichgeschlechtlichen PartnerInnen im diplomatischen Dienst (2216/J)
Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend zu
befürchtende Schließung von Wiener Postämtern (2217/J)
Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Justiz betreffend Delogierungen (2218/J)
Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Schließungen
von Postämtern im Burgenland (2219/J)
Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang
Pirklhuber,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend AMA-Machbarkeitsstudie zu gentechnisch
veränderten Futter- und Lebensmitteln (2220/J)
Dipl.-Ing. Dr.
Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und
Frauen betreffend AMA-Machbarkeitsstudie zu gentechnisch veränderten Futter-
und Lebensmitteln (2221/J)
Heidemarie
Rest-Hinterseer,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und
Technologie betreffend den Neubau der Hochleistungsstrecke Tauernbahn (2222/J)
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Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Befristete
Beschäftigung von Ausländern in der Land- und Forstwirtschaft 2004“
(2223/J)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Finanzen betreffend „Befristete Beschäftigung von Ausländern
in der Land- und Forstwirtschaft 2004“ (2224/J)
Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausschreibung
der Funktion der Leitung der Sektion III „Innovation &
Telekommunikation“ im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und
Technologie (2225/J)
Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Initiativen des Umweltministeriums zu Stadtökologie in Wien: NATUR
findet Stadt (2226/J)
Ing. Erwin Kaipel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister
für Finanzen betreffend offene Fragen zur Tätigkeit der
Bundesbeschaffungs-Gesellschaft m.b.H. (BBG) (2227/J)
Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend
Englischunterricht in der Volksschule Schladming (2228/J)
Anfragebeantwortungen
des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (2062/AB zu 2101/J)
der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2009/AB zu 2023/J) (Zu 2009/AB zu 2023/J)
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Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr
Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin
Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.
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Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle zur 81. Sitzung
des Nationalrates. Die Sitzung ist eröffnet.
Die Amtlichen Protokolle der 78. Sitzung vom 13. Oktober 2004 sowie der 79. und 80. Sitzung vom 14. Oktober 2004 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.
Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Ledolter, Dr. Stummvoll, Ing. Gartlehner, Lackner, Mag. Muttonen und Mag. Weinzinger.
Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung
Präsident Dr. Andreas Khol: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließungen des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilungen gemacht:
Vizekanzler Hubert Gorbach wird durch Bundesminister Mag. Herbert Haupt vertreten.
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer wird durch Bundesministerin Maria Rauch-Kallat vertreten.
*****
Der Herr Bundeskanzler hat seine Absicht bekannt gegeben, eine Erklärung betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes abzugeben. Es liegt ein Verlangen von fünf Abgeordneten vor, über diese Erklärung gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung sogleich eine Debatte durchzuführen.
Einlauf und Zuweisungen
Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.
Die
schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A)
Eingelangte Verhandlungsgegenstände:
1.
Schriftliche Anfrage: 2216/J.
2.
Anfragebeantwortung: 2062/AB.
Ergänzung
zur Anfragebeantwortung: Zu 2009/AB.
B)
Zuweisungen:
Zuweisungen
seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100
Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:
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Ausschuss für Petitionen und
Bürgerinitiativen:
Bürgerinitiative Nr. 20 betreffend
„Die Verhinderung der S7 südlich der Lafnitz“.
*****
Ankündigung eines Dringlichen Antrags
Präsident Dr. Andreas Khol: Der Klub der Freiheitlichen hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 461/A (E) der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Asylgesetzes dringlich zu behandeln.
Gemäß der Geschäftsordnung wird die Durchführung des Dringlichen Antrags frühestens drei Stunden nach Eingang in die Tagesordnung, also um 12.05 Uhr, erfolgen.
Wir gehen in die Tagesordnung ein.
Redezeitbeschränkung
Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Dauer und Gestaltung der Debatte erzielt. Folgende Redezeitordnung wurde für die Debatte in der Zeit von 9.05 Uhr bis 12 Uhr, die vom ORF übertragen wird, festgelegt:
Erklärung des Bundeskanzlers, der 10 Minuten Redezeit in Aussicht genommen hat, anschließend je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 15 Minuten, sodann die Wortmeldung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten mit 20 Minuten, in weiterer Folge je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 7 Minuten Redezeit, anschließend Wortmeldung eines weiteren Regierungsmitgliedes mit 7 Minuten Redezeit, ferner je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten und schließlich abermals je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten Redezeit.
Die Erklärung des Bundeskanzlers und die Wortmeldung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten sollen insgesamt 30 Minuten nicht überschreiten. Vor Beginn der letzten Runde wird die verbleibende Redezeit vom Vorsitz führenden Präsidenten gleichmäßig auf die Fraktionen in der Weise verteilt, dass noch alle Fraktionen zu Wort kommen.
Über diese Einteilung entscheidet das Hohe
Haus. Wir kommen daher zur Abstimmung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag der Präsidialkonferenz ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die einstimmige Annahme dieses Vorschlages fest. Wir gehen daher so vor.
Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes
Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes. Im Anschluss daran wird entsprechend dem Verlangen eine Debatte stattfinden.
Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe seiner Erklärung das Wort.
9.07
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Herr Präsident, ich darf sehr herzlich zu dieser Feinplanung und Feinabstimmung gratulieren. Ich bin nämlich ge-
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rade darauf aufmerksam gemacht worden: Die
heutige Debatte findet am Tag der Heiligen Ursula statt; sie hat also
Namenstag. Hier sind zwei Ursulas (in Richtung Staatssekretärin Haubner und
Bundesministerin Dr. Plassnik) links und rechts von mir. Das hat
natürlich niemand gewusst, ist aber eine gute Koinzidenz. (Heiterkeit und
Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Ich darf zunächst an dieser Stelle Franz Fischler ein großes Dankeschön sagen, der in wenigen Tagen seine Arbeit, seine großartige Arbeit für Europa und damit auch für uns Österreicher beenden wird. Er war zehn Jahre lang unser Kommissar in Europa, hat wichtigste Aufgaben geleistet; vor allem hat er die europäische Landwirtschaft weiter entwickelt und überlebensfähig gemacht. Er hat in seiner Zeit die wohl schwierigste Krise in der europäischen Agrarpolitik erfolgreich gemeistert, nämlich die BSE-Krise, bei der Millionen von Rindern geschlachtet werden mussten – allein in Österreich einige Zehntausende –, er hat die Folgen dieser Krise sehr gut von Europa weghalten können.
Österreich und die europäischen Bauern
verdanken ihm, dass er auf WTO-Ebene das europäische Agrarmodell
überlebensfähig gemacht hat. Die umweltorientierte Entwicklung des ländlichen
Raumes geht auf Franz Fischler zurück. Heute sind immerhin 140 000
europäische landwirtschaftliche Betriebe auf Biobetrieb umgestellt, 18 000
davon allein in Österreich. Nochmals: ein herzliches Dankeschön an Franz
Fischler für seine Leistungen für Europa und für uns! (Allgemeiner Beifall.)
Ebenso danke ich der ausgeschiedenen Außenministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner. Das haben wir ja schon Ende September getan; damals war allerdings das Hearing im Europäischen Parlament noch nicht abgeschlossen, das dann einige Tage später, am 5. Oktober, durchgeführt wurde. Dr. Ferrero-Waldner hat dort wirklich brilliert, hat eine erstklassige Figur gemacht, indem sie Argumente gebracht hat, die die Abgeordneten aus allen Fraktionen überzeugt haben. Ich möchte ihr an dieser Stelle alle guten Wünsche für ihre verantwortungsvolle Tätigkeit mitgeben, denn sie wird immerhin in den nächsten Jahren die gesamten Außenbeziehungen Europas, damit wiederum für unseren Kontinent und letztlich auch für Österreich, leiten. Daher: Alles Gute, Benita, auf diesem Weg! (Allgemeiner Beifall.)
Manche sagen ja immer, dass Österreich in Europa zu wenig zu melden hat. Ich darf vielleicht einen ganz kurzen Abriss darüber geben, was sich allein in den letzten Tagen hier in Wien abgespielt hat.
Der erste Auslandsbesuch – „Auslandsbesuch“ ist falsch, eigentlich war es der erste Besuch innerhalb der europäischen Familie – führte José Manuel Barroso nach Österreich. Der erste Besuch des spanischen Präsidenten des Europäischen Parlaments Josep Borrell fand diese Woche in Wien statt. Er hat das österreichische Parlament besucht, hat mit Parlamentariern diskutiert, hat mit mir, mit dem Bundespräsidenten und mit allen, die in Österreich Außenpolitik und Europapolitik machen, Gespräche geführt. Und es waren wichtige Gespräche, weil damit ja auch das Verständnis für unsere Anliegen, für unsere Vision von Europa gefördert wurde.
Am Montag war der koreanische Premierminister Lee in Wien. Das war der erste Besuch überhaupt, den ein koreanischer Premierminister Wien abgestattet hat. Und wir hatten in diesen Tagen – Dienstag, Mittwoch und heute – den historischen Besuch, den ersten Besuch des israelischen Staatspräsidenten Katzav hier in Wien – ein bewegender Besuch, der, so glaube ich, alle Tiefen und alle Möglichkeiten ausgelotet und in einer guten Art und Weise auch Differenzen angesprochen hat. Ich bin stolz darauf, dass dieser Besuch so abgewickelt wurde. Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben, dass man auch nach außen zeigt, dass Österreich zu seiner Vergangenheit,
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Geschichte, aber vor allem Gegenwart und Zukunft steht, dass wir gemeinsam etwas in der Welt bewegen wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Heute Nachmittag kommt der dänische Ministerpräsident nach Wien, um bestimmte Haltungen abzustimmen. Ich war vor einigen Tagen in Finnland und in Deutschland, um vor allem auch die Positionen in der Türkei-Frage und betreffend die kommende EU-Präsidentschaft abzustimmen.
Wir hatten in diesen Tagen intensive Gespräche, Telefonkonferenzen, rund um Südtirol. Ich möchte Herrn Nationalratspräsidenten Dr. Andreas Khol ein großes Kompliment machen: Er hat nämlich hier als Netzwerker fungiert und den Kontakt mit dem italienischen Parlament und mit den Südtiroler Freunden – zugleich ich den Kontakt mit Berlusconi – so sichergestellt, dass wir innerhalb von Stunden die Krise, die entstehen hätte können, abgefangen haben. Das ist Europa, und Österreich klinkt sich hier ein! Wir sind nicht das größte, wir sind nicht das wichtigste, aber wir sind ein wichtiges und würdiges Mitglied in dieser europäischen Familie – und wir sind das gerne, liebe Freunde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Nun zum Wechsel im Außenministerium. – Ich habe vorige Woche Frau Dr. Ursula Plassnik gefragt, ob sie bereit wäre, die Funktion eines österreichischen Außenministers für die nächsten Jahre, für diese Legislaturperiode wahrzunehmen.
Ich glaube, dass Frau Dr. Plassnik, bisher Botschafterin in Bern, hervorragend für diese Funktion qualifiziert ist. Sie hat in Wien studiert und hat danach das Collège d’Europe in Brügge absolviert. Sie hat ein Bankpraktikum in der CA, in der Creditanstalt-Bankverein, gemacht. Sie hat ab 1981 im Außenministerium gearbeitet, war vor allem in die gesamte KSZE-Problematik intensivst eingebunden; sie war bei den Delegationen und beim Folgetreffen dabei. Sie hat in der österreichischen Vertretung im Europarat gearbeitet. Viele Abgeordnete, die schon länger im Haus sind, kennen sie ja noch aus dieser Zeit. Sie war drei Jahre lang, von 1990 bis 1993, karenziert, um im EFTA-Sekretariat zu arbeiten, hat daher auch die multilaterale Zusammenarbeit gut kennen gelernt. Anschließend hat sie bei einer internationalen Stiftung in St. Gallen gearbeitet und war dann im Außenministerium Leiterin der Abteilung Allgemeiner Rat und Europäischer Rat, bis sie 1997 Kabinettchefin im Außenministerium und später im Bundeskanzleramt geworden ist.
Ursula Plassnik bringt daher eine Fülle von Kompetenzen, Erfahrung, Wissen und vor allem viele persönliche Aktivitäten und Voraussetzungen für dieses Amt mit. Ich würde Sie ersuchen, diesem Vorschlag, genauso wie der Bundespräsident, zuzustimmen, ihr einen Vertrauensvorschuss, einen Kooperationsvorschuss mit auf den Weg zu geben, denn wir müssen in Europa, in der Welt mit einer Stimme sprechen, wenn wir gehört werden wollen.
Ich verdanke meinen beiden Kabinettchefinnen Ulrike Baumgartner-Gabitzer und Ursula Plassnik die Hinwendung zu beziehungsweise das Aufmerksammachen auf Martin Luther. Ich verdanke ihnen die Kenntnis eines Zitats, das ich am Schluss nennen möchte:
„Die größte Ehre, die man einem Menschen antun kann, ist die, dass man Vertrauen zu ihm habe.“
Geben Sie Ursula Plassnik dieses Vertrauen! – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)
9.15
Präsident Dr. Andreas Khol: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausführungen.
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Bevor ich dem ersten Redner, Herrn Dr. Gusenbauer, das Wort erteile, begrüße ich zwei ehemalige Außenminister auf der Tribüne: Alt-Bundespräsidenten Kurt Waldheim und Alt-Vizekanzler Alois Mock. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall sowie Beifall von der Regierungsbank.)
Ich möchte aus gegebenem Anlass auch darauf hinweisen, dass ich die Verwendung von Laptops als Propagandamittel hier im Plenum in Zukunft als Ordnungswidrigkeit betrachten werde. (Abg. Großruck: Herr Broukal! – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Wo steht das? – Abg. Dr. Wittmann: Wo steht das in der Geschäftsordnung?)
Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer ist am Wort. 15 Minuten Redzeit. – Bitte.
9.16
Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Präsentation einer neuen Außenministerin ist eine gute Gelegenheit, über Fragen der Außenpolitik, über Fragen gemeinsamer Außenpolitik und auch darüber zu diskutieren, wo gemeinsame Zielsetzungen zu erkennen sind. Ich bin der Auffassung – und hier teile ich die Auffassung des Bundeskanzlers –, dass es gerade für ein kleines Land unerhört wichtig ist, dass es, unabhängig davon, wer gerade in der Regierung ist, eine kontinuierliche und verlässliche Außenpolitik gibt. Es ist gerade für ein kleines Land wichtig, dass eine klare außenpolitische Linie über einen langen Zeitraum erkennbar ist. Daher ist Außenpolitik vielleicht mehr als andere politische Bereiche Gegenstand von parteien-, regierungs- und oppositionsübergreifendem Konsens.
Ich bin der Meinung, dass immer dann, wenn es einen außenpolitischen Konsens gegeben hat, der über alle Fraktionen reichte, die österreichische Außenpolitik erfolgreich war. Und ich hoffe, Frau Bundesministerin, dass Sie Ihren Beitrag dazu leisten werden, dass die österreichische Außenpolitik eine gemeinsame ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Es steht eine Reihe von Fragen auf der Tagesordnung, die Sie bereits in den nächsten Wochen und Monaten betreffen und beschäftigen werden. Zum einen die Frage: Wohin geht Europa? und zum anderen: Welche Vorstellungen haben wir von der künftigen Politik in Europa? – Wir haben gerade nach den Wahlen zum Europäischen Parlament auch hier im Hause darüber diskutiert, dass die Distanz zwischen den Bürgern und den europäischen Institutionen offensichtlich eine größere wird, weil sich sehr viele Menschen nicht im europäischen Projekt wiederfinden. Das muss Anlass sein, darüber nachzudenken, wie man den Abstand zwischen Europa und den Menschen in Europa verkleinern kann.
Einer der wesentlichen Punkte dabei scheint mir zu sein, dass viele Teile des europäischen Versprechens noch nicht eingelöst sind. Eines wurde eingelöst: Europa ist heute eine Zone von Frieden und Stabilität. Viele europäische Staaten haben eine gemeinsame Währung realisiert. Viele europäische Staaten haben den Schengen-Raum realisiert und damit auch eine gemeinsame Politik der inneren Sicherheit. Aber das, was bis zum heutigen Tag noch nicht gelungen ist, ist, eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik zu entwickeln, die auch die Voraussetzung dafür bildet, dass ein soziales Europa realisiert werden kann.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind der Auffassung, dass nur dann, wenn die Europäische Union imstande ist, die Lebensbedürfnisse der Menschen in Europa in geeigneter Weise zu berücksichtigen, dieser große Spalt zwischen den europäischen Institutionen und den Menschen in Europa überwunden werden kann. Daher ist das soziale Europa der Schlüssel, die Identifikation der Menschen mit dem europäischen Projekt zu stärken – und genau da sollten Sie auch einen Beitrag leisten. (Beifall bei der SPÖ.)
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Meine Damen und Herren! Wir haben am 1. Mai dieses Jahres einen historischen Schritt vollzogen: Die Europäische Union wurde von einer Union der 15 auf eine Union der 25 erweitert. Das ist ein Schritt, der auf dem Papier stattgefunden hat und nun Schritt für Schritt in die Realität umgesetzt werden soll, und die Europäische Union der 25 soll in Zukunft zumindest genauso gelebt werden wie die Union der 15. Aber wir wissen – nicht nur aus der Betroffenheit der Bürger, sondern auch aus eigener Erfahrung –, dass noch viel unternommen werden muss, damit diese Union der 25 wirklich gut funktioniert.
Eine Grundvoraussetzung dafür wird sein, dass die Europäische Verfassung, die ja bereits beschlossen wurde, auch in allen Mitgliedstaaten der EU ratifiziert wird. Wir müssen aber mit einiger Sorge zur Kenntnis nehmen, dass es eine Reihe von Mitgliedstaaten gibt, bei welchen es bei weitem nicht sicher ist, dass diese Verfassung auch tatsächlich auf die Zustimmung der Parlamente oder der Bürger treffen wird.
Ich glaube, dass Österreich einen guten Schritt damit setzt, dass wir diese Europäische Verfassung hier im Hohen Haus ratifizieren. Damit setzen wir nämlich ein klares Zeichen, dass Österreich bereit ist, dieser Union der 25 auch eine funktionsfähige Grundlage zu geben.
Aber es wird an Ihnen – nicht nur an Ihnen, aber auch an Ihnen, Frau Außenministerin – liegen, im Gespräch und in den Verhandlungen mit den Kolleginnen und Kollegen einen Beitrag dazu zu leisten, dass diese Europäische Verfassung möglichst rasch in Kraft gesetzt wird, denn nur dann wird das Europa der 25 auch ein gelebtes Europa in der neuen Europäischen Union sein. – Wir sagen ja zur Europäischen Verfassung, aber wir wollen, dass es eine gemeinsame Europäische Verfassung gibt und dass sie möglichst rasch von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wird. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der gerade scheidende österreichische EU-Kommissar Franz Fischler hat im Sommer dieses Jahres einen sehr bedeutsamen Brief an die anderen Mitglieder der scheidenden EU-Kommission geschrieben. Neben vielen Erwägungen, die er darin um die Frage „Wie kann Europa sein künftiges Verhältnis zur Türkei regeln?“ anstellt, stellt er am Schluss seines Briefes eine Kernfrage, nämlich: Ist es die Kernaufgabe Europas, sich zu erweitern, oder ist es die Kernaufgabe der Europäischen Union, sich selbst zu stärken, um als gestärkte Union nicht nur in der Welt, sondern auch gegenüber den eigenen Bürgerinnen und Bürgern auftreten zu können? – Und er kommt zu folgender klarer Auffassung: Die Stärkung der EU der 25 ist das Kerngeschäft der Europäischen Union vor jeder weiter stattfindenden Erweiterung.
Ich bin der Meinung, Franz Fischler hat Recht! Wenn wir wollen, dass die EU eine stärkere Verankerung bei den Bürgerinnen und Bürgern hat, wenn wir wollen, dass die Europäische Union tatsächlich die Zielsetzungen erfüllen kann, die wir mit ihr verbinden, dann ist die Stärkung der Europäischen Union die Hauptaufgabe, die wir in den nächsten Jahren anzugehen haben.
Meine Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage: Wie regeln wir unser Verhältnis zu jenen Staaten, die teilweise in Europa und teilweise außerhalb Europas liegen? – Da stellt sich schon die Frage, ob die einzige Möglichkeit darin besteht, dass jedes europäische Land Mitglied der Europäischen Union wird. Können wir uns vorstellen, dass es einmal eine Europäische Union gibt, die vom Atlantik bis Wladiwostok geht? Können wir uns vorstellen, dass all die europäischen Staaten, die heute besser oder schlechter einen politischen Transformationsprozess durchmachen, Mitglied der Europäischen Union sind und wir gleichzeitig erreichen, dass diese Europäische Union in sich gestärkt wird?
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Ich teile da die Argumentation von Franz Fischler, der sagt: Man kann ein erfolgreiches Projekt auch überdehnen, mit der Folge, dass man damit die Wirksamkeit und die Funktionalität des gesamten Projekts gefährdet.
Daher, sehr verehrte Frau Außenministerin, sind wir der Auffassung, dass es neben einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union auch eine andere Form einer Kooperation beziehungsweise eines Vertragswerkes mit jenen europäischen Staaten geben muss, die eben nicht Mitglied der Europäischen Union sind, um mit ihnen ein gutes Verhältnis zu haben, um mit ihnen die Kooperation zu verstärken, aber gleichzeitig zu verhindern, dass das europäische Projekt dabei gefährdet wird. Die Verhandlungen mit der Türkei wären ein gutes – ein gutes! – Beispiel, ein solches Vertragswerk zu entwickeln, das dann auch eine Grundlage sein kann für andere europäische Staaten, wenn sie entsprechende politische und ökonomische Reformen vollziehen.
Sehr verehrte Frau Außenministerin! Ich habe mit Interesse vernommen, dass Sie der Meinung sind, dass der Ausgang der Verhandlungen, die im Dezember beginnen, ein offener sein wird.
Aber es gibt auch viele Menschen, die glauben – und ich meine: mit einem gewissen Recht –, dass, wenn die Verhandlungen einmal begonnen haben, am Ende mit Sicherheit der Beitritt steht – weil es eigentlich noch nie Verhandlungen, die auch den Beitritt eingeschlossen haben, gegeben hat, die letztendlich nicht zum Beitritt geführt hätten. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Rauch-Kallat.) Bei Norwegen war es so, dass es die Norweger dann abgelehnt haben, aber es hat einen fertigen Beitrittsvertrag gegeben, Frau Bundesministerin. Die Norweger haben eben dann entschieden, nicht beizutreten. – Wie gesagt, alle Verhandlungen mit der Zielsetzung eines Beitritts haben zu einem Abschluss der Beitrittsverhandlungen geführt.
Wenn heute gesagt wird, das sei ein Projekt
für die nächsten 20 Jahre, dann muss ich dem entgegenhalten: Man sieht im
Kommissionsbericht, dass eigentlich in Aussicht genommen wird, dass bereits
bei der nächsten Finanzvorschau im Jahr 2014 die Türkei als Mitglied
aufgenommen werden kann. Wenn man den Bericht der Kommission und die ersten
Stellungnahmen aus dem Europäischen Parlament verfolgt, dann stellt man fest:
Es gibt manche, die der Meinung sind, diese Verhandlungen sollten nur vier oder
sechs Jahre dauern, um dann zu einem Abschluss gebracht zu werden. Daher ist
es, glaube ich, gerade in Verantwortung um die Zukunft der Europäischen Union
von entscheidender Bedeutung, dass es für europäische Staaten im Dialog auch eine
Alternative zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union gibt. Wir sollten das
ernst nehmen, was Franz Fischler allen ausgerichtet hat, nämlich: Die Stärkung
der Europäischen Union ist das allererste Ziel! – Wir Sozialdemokraten
teilen diese Zielsetzung. (Beifall bei
der SPÖ.)
Gemeinsame Außenpolitik heißt, Frau Bundesministerin, dass wir in wesentlichen Fragen von Krieg und Frieden versuchen, eine gemeinsame Position in Österreich zu entwickeln. Ich verhehle nicht, dass ich einigermaßen irritiert war durch die Aussagen, die im Zuge des Irak-Krieges von Seiten der Bundesregierung getroffen wurden. Wenn unsere scheidende Außenministerin zum Irak-Krieg seinerzeit gesagt hat: Wir stehen in der Mitte!, dann muss ich sagen: So verstehen die Österreicherinnen und Österreicher die Neutralität nicht! Denn: Neutralität heißt nicht, in der Mitte zu stehen, sondern heißt, glasklar kriegerische Auseinandersetzungen, die keine Deckung durch den Weltsicherheitsrat der UNO haben, abzulehnen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Und das erwarte ich mir auch als Grundlage für die künftige Politik.
Österreich hat gerade auf Grund seiner Neutralität mit dem Bekenntnis, an keinen Kriegen teilnehmen zu wollen, mit dem Bekenntnis, keine Stationierung fremder Truppen auf seinem Territorium zu dulden, und mit der Verpflichtung, keinem Militärpakt beizu-
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treten, die Verpflichtung, auch bei Fragen kriegerischer Handlungen eine ganz klare Haltung zu beziehen. Ich glaube, wir würden der Welt keinen guten Dienst erweisen, wenn die Rolle der Vereinten Nationen, die darüber zu entscheiden haben, ob es ein berechtigter Einsatz von Waffengewalt ist oder nicht, in den Hintergrund gedrängt würde.
Ich glaube, dass gemeinsame Außenpolitik den offenen Dialog hier im Parlament, aber auch das Stehen zu den Fundamenten dessen, was gemeinsame Außenpolitik in Österreich immer bedeutet hat, voraussetzt, und das schließt auch die internationale Positionierung unserer Neutralitätspolitik mit ein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Der Herr Bundeskanzler hat um einen
Vertrauensvorschuss für die Frau Außenministerin ersucht, und ich bin der
Auffassung: Dieser Vertrauensvorschuss steht Ihnen zu! Ich habe keinen Grund,
anzunehmen, dass Sie für dieses Amt nicht ausreichend qualifiziert wären, und
ich habe auch keinen Grund, anzunehmen, dass Sie nicht nach bestem Wissen und
Gewissen versuchen werden, dieses Amt auch auszuüben. Daher sage ich Ihnen mit
aller Deutlichkeit: Wenn Sie sich zu den Prinzipien einer gemeinsamen
österreichischen Außenpolitik bekennen, wenn Sie gemeinsame österreichische
Außenpolitik als eine parteiübergreifende Angelegenheit betrachten und
versuchen, nicht nur Regierungsaußenpolitik, sondern gesamtösterreichische
Außenpolitik zu machen, dann steht Ihnen dieser Vertrauensvorschuss zu. –
Sie bekommen ihn von der SPÖ. Es wird an Ihnen liegen, diesen
Vertrauensvorschuss auch zu rechtfertigen. (Beifall bei der SPÖ und bei
Abgeordneten der Grünen.)
9.32
Präsident Dr. Andreas Khol: Ans Wort gelangt nunmehr Abgeordneter Mag. Molterer. Seine Redezeit beträgt 15 Minuten. – Bitte, Herr Klubobmann.
9.32
Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung, vor allem aber Frau Dr. Ursula Plassnik, die neue Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten! Österreichs Außenpolitik ist in guten Händen, Österreichs Außenpolitik ist in den Händen von Dr. Ursula Plassnik.
Meine Damen und Herren! Dr. Ursula
Plassnik ist eine kompetente Frau, eine gelernte Diplomatin, die seit vielen
Jahren an den Schnittstellen sitzt, dort, wo tatsächlich Außenpolitik gestaltet
wird. Ursula Plassnik ist eine gebildete Frau, eine Frau, die Breite hat,
Breite in dem, was man an Grundlage braucht, um politisch positiv zu gestalten.
Ursula Plassnik ist eine dynamische Frau ... (Zwischenruf des Abg. Schieder.)
Herr Schieder, haben Sie Probleme mit der
Breite? (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Nein,
Sie haben abgenommen. Entschuldigung, Sie haben sie nicht mehr! (Beifall bei
der ÖVP.)
Frau Dr. Ursula Plassnik ist eine dynamische Frau (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ), eine Frau, die Entscheidungen trifft, eine Frau, die Mut zur Entscheidung hat. Und Frau Dr. Ursula Plassnik ist eine sensible Persönlichkeit, eine Persönlichkeit, die das Gespür hat, welche Sorgen die Menschen haben. Und Frau Dr. Ursula Plassnik ist eine unkonventionelle Frau, eine Frau, die Neues in die Politik bringt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Frau
Dr. Ursula Plassnik hat daher die Voraussetzungen dafür, dass das
eintritt, was ich gesagt habe, nämlich: Österreichs Außenpolitik ist in guten
Händen! (Neuerliche Zwischenrufe bei der
SPÖ.)
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Ich stehe nicht an, Herr Abgeordneter
Schieder, wenn Sie sich persönlich von dem verletzt gefühlt haben, was ich
gesagt habe (Abg. Schieder: Nein,
hören Sie auf!) – Ihre Fraktion ist das offensichtlich –, mich
dafür zu entschuldigen, weil ich es einfach für nicht richtig halten würde,
mich nicht zu entschuldigen, wenn Sie es als negativ empfunden hätten. (Abg. Schieder: Nein! Ich wollte nur
von guten Manieren sprechen!)
Meine Damen und Herren! Frau Dr. Ursula Plassnik steht an der Spitze des Außenamtes, eines Ressorts, das tatsächlich eine Vielzahl von hoch qualifizierten und guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat. Das Außenamt ist ein Schlüsselressort, und Österreich ist durch dieses Außenamt in der Welt gut vertreten. An der Spitze dieses Amtes steht nun Ursula Plassnik. Sie wird an der Spitze des Außenamtes stehend die Außenpolitik Österreichs, die Außenpolitik der Republik Österreich führen und gestalten – führen und gestalten, meine Damen und Herren.
Gerade für Österreich, für ein Land mit dieser Geschichte, für ein Land mit dieser geopolitischen Situation, ist die Außenpolitik immer etwas Essentielles gewesen, vielleicht nicht immer etwas Spektakuläres, aber immer etwas Essentielles. Und gerade in der Außenpolitik haben sich in den letzten Jahrzehnten tief greifende Veränderungen ergeben. Ich meine, dass wir eine Diskussion am heutigen Tag auch zum Anlass nehmen sollten, auf diese Veränderungen der außenpolitischen Rahmenbedingungen für unser Heimatland hinzuweisen.
Über viele Jahrzehnte war Österreich ein Land zwischen zwei Blöcken, ein Land zwischen zwei großen Machtblöcken – und es herrschte Kalter Krieg; das müssen wir in Erinnerung rufen, weil viele junge Menschen das gar nicht mehr wissen –, ein Land, das große Krisen zu bewältigen hatte. Denken Sie an das Jahr 1956, denken Sie an das Jahr 1968! Österreich hat diese Krisen bravourös gemeistert.
Österreich hat immer eine Brückenfunktion gehabt, eine Brückenfunktion zwischen diesen Blöcken. Österreich hat es geschafft, auch zu seinen Nachbarn in schwierigen Zeiten gute Kontakte zu haben, offizielle Kontakte, aber Österreich war es auch immer ein Anliegen, inoffizielle Kontakte zu haben, Kontakte zu Menschen, die in diesen Regimen, in den kommunistisch diktierten Regimen als Dissidenten gelebt haben. Und heute können wir sagen: Diese Investition österreichischer Politiker hat sich gelohnt, denn die damaligen Dissidenten sitzen heute an den wesentlichen Stellen in diesen unseren Nachbarländern, wo demokratisch entschieden wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Für Österreich, für unser Heimatland hat es – und das ist meine feste Überzeugung – in den letzten 15 Jahren zwei Entwicklungen gegeben, die grundlegend neue Spielregeln für die Republik Österreich als große Chance geboten haben. Da ist einmal das Jahr 1987, wo Österreich nach langer Diskussion – und ich sage: endlich! – den Antrag auf Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Union gestellt hat, untrennbar verbunden mit den Namen Mock, Busek, Vranitzky.
Aber es hat etwas Zweites gegeben, und das war das Jahr 1989. Der Fall der Berliner Mauer, das Fallen des Eisernen Vorhanges haben Österreich genauso verändert wie die Mitgliedschaft bei der Europäischen Union. Und wir können heute sagen, meine Damen und Herren, dass Österreich diese beiden Dinge, Antrag zur Europäischen Union und das Jahr 1989, genutzt hat, denn nur aus diesen beiden Ereignissen ist die Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Union und die Erweiterung der Europäischen Union erklärbar. Beides große Chancen für unser Land! Und ich kann heute sagen, wir können heute sagen: Österreich hat diese Chance genützt! Österreich hat die Chance Europa genützt – und Österreich hat die Chance Erweiterung genützt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
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Ich danke daher an dieser Stelle Benita Ferrero-Waldner und Franz Fischler, weil beides untrennbar mit diesen zwei Persönlichkeiten verbunden ist.
Benita Ferrero-Waldner wird als Kommissarin der Europäischen Union großartige Arbeit leisten. Ich sage auch heute noch, wie ich es schon mehrmals gesagt habe, dass ich es bedauere, dass es nicht möglich gewesen ist, in diesem Hohen Haus einen einstimmigen Beschluss für die Nominierung von Benita Ferrero-Waldner zustande zu bringen. Ihr Auftreten in Brüssel, ihr Auftreten beim Hearing hat bewiesen, dass unser Vertrauen gerechtfertigt war, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Und ich denke, dass es Ihnen gut anstehen würde, heute zu sagen, dass Sie damals einen Fehler gemacht haben.
Ebenso bedanke ich mich bei Franz Fischler, der in dieser Funktion ein großer Europäer geworden ist und Europa ganz massiv und wesentlich gestaltet hat.
Aber die Außenpolitik bleibt nicht stehen, und unsere neue Außenministerin Frau Dr. Ursula Plassnik wird vor einer ganzen Reihe von großen Aufgaben stehen, große Aufgaben bewältigen müssen, im Interesse unserer Heimat, im Interesse unserer Republik Österreich.
Was sind diese Aufgabenstellungen? Ich denke, es ist auch gut, dass wir offen ansprechen, welche Herausforderungen damit auf unser Land zukommen, weil Veränderung in der Außenpolitik ebenso ein gestaltendes Prinzip sein muss wie in allen anderen politischen Bereichen.
Veränderungen auf globaler Ebene: Die globalen Diskussionen sind heute von der großen Frage „Kampf gegen den Terror“ gekennzeichnet, und auch ein kleines Land wie Österreich wird und muss seinen Beitrag dazu leisten.
Die internationale Diskussion ist auch von der Frage „Wie können wir dazu beitragen, Konfliktherde zu entschärfen?“ gekennzeichnet. Gar nicht so weit weg von uns, meine Damen und Herren, gibt es Konfliktherde.
Die österreichische Außenpolitik muss davon gekennzeichnet sein, dass wir aktiv an allen Maßnahmen zur Friedenserhaltung beitragen. Die österreichische Außenpolitik ist und wird auch in Zukunft vom Kampf gegen die Armut, von einem offensiven Engagement in der Entwicklungshilfe, bei den Menschenrechten, aber genauso bei Nachhaltigkeit und Umwelt gekennzeichnet sein.
Frau Dr. Ursula Plassnik als neue österreichische Außenministerin wird in der Welt für Österreich und damit im Gesamtinteresse unseres Landes erfolgreich arbeiten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
In Europa haben wir viel im Hinblick darauf zu tun, das Projekt Europa noch mehr in den Herzen der Menschen zu verankern. Das gehört dazu. Ich denke, dass es wichtig ist, zu erkennen, dass jetzt die Erweiterung der Europäischen Union um die zehn neuen Mitgliedsländer verkraftet werden muss. Die EU muss sich konsolidieren, weil bereits die nächsten großen Projekte anstehen, die Österreich unterstützt und die Österreich will – Bulgarien, Rumänien, Kroatien.
Was aber bei der europäischen Integration notwendig ist, ist, die Menschen bei diesem Prozess „mitzunehmen“. Weil ich Frau Dr. Ursula Plassnik sehr, sehr lange und gut kenne, weiß ich, dass sie die Kraft und die Fähigkeit hat, zu bewirken, dass die Menschen auf dem Weg der Integration in Europa mitgehen, und damit Europa in den Herzen der Menschen zu verankern, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Die Projekt Europa muss aber auch innen gestärkt werden, und zwar indem die Sicherheitsanliegen in Europa auch im politischen Sinne gestärkt werden. Die Instrumente für
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die Sicherheit Europas müssen ausgebaut werden, genauso wie die Instrumente für die Stärkung des Wirtschaftsstandortes oder auch die Instrumente im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.
Aber Europa wird nicht vollständig sein, wenn wir nicht auch die Frage der Arbeitsplätze, der Wirtschaftsentwicklung und der sozialen Dimension als gleichrangige Ziele erkennen und umsetzen wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Wir müssen dabei etwas beachten – und ich sage das sehr offen auch zu Ihnen, Herr Kollege Gusenbauer –: Wir dürfen nicht den Fehler machen, dass wir Europa für die eine oder andere populistische Überlegung gebrauchen!
Ich habe angesichts dessen, was Sie heute zur Türkei gesagt haben, die große Sorge, dass dieses Risiko besteht. Warum? – Wer verantwortungsvoll die Vertiefung Europas will, der muss aber gleichzeitig die Offenheit haben, Verhandlungen auch mit jenen Ländern zu führen, die seit 30 Jahren diese Verhandlungsoption ... (Abg. Dr. Van der Bellen: 40!) – oder 40 Jahren diese Verhandlungsoption immer angeboten erhalten haben.
In Sorge um die Anliegen der Menschen einerseits, in Sorge um die Situation und in Kenntnis der Situation in der Türkei andererseits sowie in Sorge um die Fähigkeit der Europäischen Union, ob ein Beitritt in dieser Dimension bewältigt werden kann, sage ich, sagen wir ja zu Verhandlungen, halten aber – und müssen das tun! – den Ausgang offen.
Es wäre nicht korrekt, würden wir heute sagen: Wir schlagen die Türen zu!, denn zugeschlagene Türen, meine Damen und Herren, sind ein Risiko für uns. (Abg. Gradwohl: Wer hat denn davon geredet?) Und ich will kein Risiko für Österreich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Natürlich stehen in Österreich eine ganze Reihe von Aufgabenstellungen an, bei denen Sie, Frau Bundesministerin, unsere volle Unterstützung haben, weil ich weiß, dass es auch Ihre Anliegen sind.
Die Europäische Verfassung muss ratifiziert werden, weil die Europäische Verfassung eine ganze Reihe von großen, positiven Perspektiven für unser Land bietet.
Die regionale Partnerschaft ist unser gemeinsames Anliegen, weil Österreich damit in der Mitte dieses neu entstehenden Europas, das wir seit der Erweiterung haben, stärker wird.
Die EU-Präsidentschaft wird für Österreich eine große Chance sein. Und sie ist bei Ihnen, Frau Außenministerin, in den besten Händen – in genauso guten Händen wie die multilateralen Anliegen, die ein Land wie Österreich haben muss, um auf Dauer Sitz von wichtigen Einrichtungen der Vereinten Nationen zu sein.
Die wichtigste Aufgabe, die wir gemeinsam haben und an die Sie, Frau Bundesministerin – das weiß ich –, mit vollem Herzen und mit vollem Engagement herangehen werden, ist, den Bürgerinnen und Bürgern, den Österreicherinnen und Österreichern die Sicherheit und die Gewissheit mitzugeben, dass die europäische Integration und die volle Teilnahme Österreichs an den internationalen Entwicklungen das Beste für unser Land ist.
Sie, Frau Außenministerin, haben sich ein Motto gestellt, ich habe das in einem Interview gelesen. Dieses Motto lautet: Österreichs Position in Europa und der Welt stärken! – Ausgestattet mit Ihrer Kraft, Frau Dr. Plassnik, und gestärkt durch unser Vertrauen wird das gelingen.
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Viel Erfolg bei Ihrer Arbeit für Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Molterer reicht Bundesministerin Dr. Plassnik die Hand.)
9.47
Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen zu Wort. (Abg. Dr. Van der Bellen: Ich?) Auch seine Redezeit beträgt 15 Minuten.
9.47
Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Ich wusste gar nicht, dass ich als Kontra-Redner gemeldet bin, denn an und für sich sind wir gar nicht gegen die neue Außenministerin. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der ÖVP und der Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Steibl. – Abg. Dr. Niederwieser: Aber gegen den Molterer!)
Ein paar kritische Worte werde ich schon sagen, aber es ist am ersten Tag des Amtsantritts zu früh, die neue Außenministerin, Frau Dr. Plassnik, zu kritisieren, vor allem, da wir ihre erste Rede noch gar nicht gehört haben. Das passt ja überhaupt nicht „zur Regie“.
Ich möchte zu Beginn feststellen, dass
dieser Tag nicht nur deswegen bemerkenswert ist, weil wir eine neue
Außenministerin haben – der auch die Grünen selbstverständlich viel Glück
und Erfolg wünschen! –, sondern dieser Tag auch bemerkenswert ist, weil
das meiner Erinnerung nach die erste Regierungsumbildung seit Installierung von
Schwarz-Blau ist, der keine akute Krise vorausgeht. (Zwischenruf des Abg. Dipl.‑Ing. Scheuch.)
Alle anderen Regierungsumbildungen liefen folgendermaßen ab: Der alte Minister, die alte Ministerin war großartig, die neue wird noch großartiger sein – und im Übrigen starten wir durch! – Ausnahmslos war das so! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ist das jetzt ein Lob?)
Diesmal ist das aber nicht so. Wir haben keine akute Krise in der Außenpolitik. Wir haben verschiedene akute Krisen in der Innenpolitik – vielleicht darf ich das kurz erwähnen: vom Budget angefangen über die Krise der Universitäten; der Verfassungsgerichtshof hebt eine Maßnahme, ein Gesetz nach dem anderen, das von Schwarz-Blau beschlossen worden ist, auf; die ÖBBler sollen hinkünftig offenbar schon mit 40 in Frühpension gehen (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ) und so weiter; da gibt es also Krisen genug. – In der Außenpolitik hingegen gibt es sie, in dieser Form zumindest, nicht!
Ich muss aber schon sagen, Herr Bundeskanzler: Ob heute der Tag der Heiligen Ursula oder der Tag des Heiligen Nepomuk ist – vielleicht gibt es auch einen Heiligen Wolfgang, ich weiß es nicht ... (Ja-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Ja? Gibt es? (Abg. Großruck: 31. Oktober!) – Aha, sehr interessant! (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Nächste Woche!) Jedenfalls halte ich das für völlig unerheblich, heute und auch an jedem anderen Tag des Jahres. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: ... Christen nicht!)
Was aber nicht unerheblich und in gewisser Weise ein gutes Omen – wenn man abergläubisch sein will – für die Ministerschaft von Frau Dr. Plassnik ist: dass gerade in diesen Tagen ein höchst wichtiger Staatsbesuch in Österreich stattfindet – da stimme ich allen meinen Vorrednern zu, insbesondere auch Bundeskanzler Schüssel –, nämlich der Besuch des israelischen Staatspräsidenten. Zum ersten Mal in der Geschichte, zum ersten Mal seit der Staatsgründung Israels, wenn ich mich nicht täusche, erfolgt ein solcher Besuch in Österreich! (Beifall bei den Grünen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)
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Fast drei Monate haben wir jetzt gewartet, wie die Nachfolge von Frau Dr. Ferrero-Waldner heißen wird. Wie heißt das im Lateinischen – der Herr Bundeskanzler hat mich jetzt irgendwie angesteckt –: Habemus papam! Wir haben eine neue Außenministerin! (Abg. Scheibner: Wie heißt das jetzt auf Latein?) – Ich weiß nicht, wie das auf Lateinisch heißt.
Jedenfalls: Wir haben einen neue Außenministerin. Bundeskanzler Schüssel hat sich fast drei Monate Zeit gelassen, die Nachfolge von Frau Ferrero-Waldner zu benennen. Ich halte das für falsch, denn es ist in diesen Monaten ein gewisses Vakuum entstanden. Andere Staaten haben diese Frage anders gelöst: Wenn ein Minister, insbesondere ein Außenminister, in die Kommission nachrückt, sehr gut, aber dann wurde das Außenministerium umgehend neu besetzt. Das sei nur noch einmal angemerkt.
Ich tue mir jetzt ein bisschen schwer. Ich habe zu Beginn angedeutet, Frau Ministerin Plassnik heute schon fair zu behandeln, denn wir kennen Frau Dr. Plassnik natürlich, aber aus einem ganz anderen Kontext. Als Außenpolitikerin hält sie heute hier im Parlament ihre erste Rede. Wir, die Grünen, kennen Frau Dr. Plassnik zum Beispiel auch aus den Regierungsverhandlungen 2003 mit der ÖVP – und ich stehe gar nicht an, zu sagen: Wir haben aus diesen Wochen und diesem damaligen Kontext die besten Erinnerungen an Frau Dr. Plassnik. (Der Redner wendet sich an die Abgeordneten der ÖVP.) Applaus ist ganz erwünscht! (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Neudeck.) – Dankeschön!
Ja, wir haben von damals her die besten Erinnerungen, aber ich wollte damit – jetzt bin ich schon wieder bei diesen fatalen Metaphern – nicht vorzeitig Weihrauch abbrennen.
Was ist jetzt die außenpolitische Linie der
neuen Frau Ministerin? – Wir sind sehr gespannt auf Ihre erste Rede, denn
trotz Ihrer Erfahrung, die Sie natürlich zweifellos haben: Ihre bisherige Rolle
war keine in der Öffentlichkeit, keine im Parlament, keine in der breiteren Öffentlichkeit.
Mit gutem Recht haben Sie, Frau Dr. Plassnik, mediale Kontakte gemieden,
solange Sie eben Kabinettschefin des Bundeskanzler waren; diese waren ja auch
nicht Ihre Aufgabe. Und ich finde es auch gar nicht fair, zu sagen, wie ich in
einigen Kommentaren gelesen habe, dass die Nähe zu Bundeskanzler Schüssel jetzt
in gewisser Weise ein „Handicap“ sei. – Eine Kabinettschefin muss ja wohl
Loyalität zu ihrem Minister, zu ihrem Bundeskanzler haben, selbstverständlich!
Das war damals, Frau Dr. Plassnik. – Die Rolle als
Außenministerin wird natürlich nach völlig anderen Gesichtspunkten zu
beurteilen sein. (Zwischenruf des Abg. Kopf.)
Wir werden Ihrer Rede mit großem Interesse zuhören, Frau Ministerin. Vorweg kann ich nur ein paar Punkte nennen, die ich mir wünsche. Ich wünsche mir, dass, so weit es geht, eine gemeinsame Linie in der Außenpolitik gesucht wird: mit den Oppositionsparteien, aber auch mit der breiteren Öffentlichkeit, wenn ich das so formulieren darf.
Ich finde, die österreichische Außenpolitik war in der Vergangenheit in einigen wichtigen Punkten nicht hinreichend darauf orientiert, den so genannten „Menschen draußen“ – eigentlich hasse ich diesen Ausdruck –, also all jenen, die nicht Mitglied des Hohen Hauses sind, Positionen zu erklären und für Verständnis zu werben, was Linie der Außenpolitik Österreichs ist.
Dass man sich zum Beispiel fragt, ob eine Volksabstimmung über die EU-Erweiterung von 15 auf 25 Länder positiv ausgegangen wäre – dessen kann man sich nicht ganz sicher sein –, weist darauf hin, dass wir schwere Defizite in der Vermittlung solch wichtiger außenpolitischer Fragen haben. Es ist nicht zuletzt Rolle der Außenministerin, solche Dinge zu erklären, für Positionen zu werben, jedoch auf eine Art – finde ich jedenfalls –, in der das Pro und Kontra nebeneinander gestellt und unterm Strich dann eine Gewichtung durchgeführt wird – und nicht so, wie das in Österreich vor der Volks-
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abstimmung 1994 über den EU-Beitritt mit der großen Propagandamaschine gemacht wurde, denn das rächt sich früher oder später!
Auch in der Türkei-Frage, finde ich, kann man viel offensiver sein, Frau Bundesministerin Dr. Plassnik, als ich Ihren letzten Interviews entnommen habe. Da bin ich keinesfalls auf einer Linie mit Kollegen Gusenbauer und der SPÖ (Abg. Großruck: ... auch nicht?), denn: Die Grünen sagen ja zur Aufnahme der Beitrittsverhandlungen im Sinne des Kommissionsvorschlages, eines Kommissionsvorschlages, der ohnedies so viele Kautelen enthält, dass man sich fragt, ob das alles notwendig gewesen ist.
Wir sagen auch ja zum Beitritt der Türkei (Abg. Scheibner: Seit wann?), wenn – und die Klarheit über diese „Wenns“ ist auch eine politische Vermittlungsarbeit – die EU imstande ist, diese Erweiterung zu verdauen, wenn gleichzeitig und parallel mit diesen Verhandlungen die Verhandlungen mit Rumänien, Bulgarien, vermutlich auch Kroatien, zu einem Abschluss gebracht werden – und: wenn nicht darauf vergessen wird, dass es noch weitere Balkanländer gibt, die selbstverständlich, wenn sie das wollen, Mitglied der EU werden können und sollen, so etwa Bosnien-Herzegowina oder Mazedonien. (Abg. Großruck: Albanien! – Ruf bei der SPÖ: Serbien!) Nochmals: Wenn diese Länder das wollen.
Das sollten die Prioritäten der
europäischen Außenpolitik sein – und das kann man, glaube ich, den
Vertretern der Türkei auch klar sagen. (Beifall bei den Grünen.)
Das größte Wenn ist selbstverständlich,
dass die Türkei die Beitrittsbedingungen erfüllt. Ich meine, die
Türkei sollte gleich behandelt werden wie andere Beitrittskandidaten –
und nicht mit extra erfundenen Kriterien überschüttet werden. Insoweit –
und nur insoweit – ist das Ergebnis bei diesen Verhandlungen offen; es ist
nicht a priori offen. Aber: Wenn man kein Verhandlungsziel hat,
worüber verhandelt man dann eigentlich?! Das finde ich schon an der Grenze des
Schwindels, was da zu suggerieren versucht wird. (Abg. Scheibner: Schwindel
ist, dass man vor der Wahl etwas anderes sagt als nach der Wahl!)
Man muss klar sagen: Ja, ein EU-Beitritt der Türkei kommt – in sehr ferner Zeit wahrscheinlich, das wird schon dauern – zustande, wenn, wenn, wenn ... (Abg. Mag. Molterer: ... sagt der Kommissionsbericht!) Aber von Haus aus zu sagen, das Ergebnis ist völlig offen, das finde ich an der Grenze. (Abg. Mag. Molterer: Offener Ausgang!) – Auch die Kommission, ungeachtet der Vornamen der Kommissare, ist nicht heilig und nicht immun gegen Kritik, Herr Kollege Molterer! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.)
Mich würde auch interessieren, Frau Außenministerin, wie Sie zu den bisherigen Erfolgen und Misserfolgen in der Außenpolitik stehen. Sie werden das wahrscheinlich nicht alles heute erklären können, jedoch vielleicht im Laufe der kommenden Monate, so zum Beispiel, wie Sie die Frage sehen, ob die Vertretung österreichischer Interessen in Brüssel wirklich optimal gelaufen ist – oder ob sich nicht nach zehn Jahren EU-Mitgliedschaft Österreichs Defizite herausgestellt haben.
Waren beziehungsweise sind etwa die Positionen unseres Landes in der Schwerverkehrspolitik – Stichwort: Transit –, in EURATOM-Fragen oder in der Frage gentechnisch manipulierten Saatgutes in der Landwirtschaft und so weiter wirklich so exotisch, dass sie sozusagen von Haus aus hoffnungslos unterlegen sind? Wenn ja, dann kann man das auch klar sagen! Oder haben wir Fehler gemacht im Lobbying? Sind andere Staaten bei der Vertretung ihrer jeweils anderen Interessen erfolgreicher gewesen? Falls ja: Warum war das so, was sollten wir da ändern?
Abschließend: Naturgemäß reden wir hier sehr viel über EU-Politik – es ist das ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit der neuen Außenministerin; keine Frage –, aber
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Außenpolitik ist
natürlich nicht nur EU-Politik. Kollege Gusenbauer hat schon mit
Recht darauf hingewiesen, dass wir uns in Fragen wie etwa bezüglich des
Irak-Krieges mehr Klarheit und eine schärfere Position von der damaligen
Außenministerin Ferrero-Waldner erwartet hätten – und nicht einen
nebulosen „Weg der Mitte“, der niemanden zufrieden stellen kann (Beifall
bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ), auch nicht
diejenigen – davon wird es auch welche geben, sogar in Österreich –,
die den Irak-Krieg der USA befürwortet haben. Diese Position hat niemandem
etwas gebracht – und schon gar nicht der Reputation der österreichischen
Außenpolitik. (Abg. Großruck:
... beste Kommissarin geworden!)
Ich habe einen Aspekt herausgegriffen, Herr
Kollege, das wird wohl noch erlaubt sein! Selbst Sie werden wohl –
ungeachtet des heutigen Namenstages – kein Seligsprechungsverfahren einleiten
wollen, oder? (Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Großruck reagiert mit Schulterzucken. – Beifall bei den Grünen
und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schieder.) Und wenn, ist es, glaube ich, sogar in der
katholischen Kirche üblich, dass man damit ungefähr 80 Jahre lang wartet. (Heiterkeit. – Abg. Mandak: Zuerst müssen Wunder
passieren! – Abg. Öllinger:
Wunder brauchen wir noch!)
In diesen Fragen wünschen wir uns von Ihnen, Frau Außenministerin Dr. Plassnik, klare Positionen, und ich erwähne in diesem Zusammenhang noch einmal die Frage des Irak-Krieges, weil es natürlich im Interesse insbesondere kleiner Nationen liegt, dass das Völkerrecht, dass die Satzung der Vereinten Nationen beachtet werden. Bei großen Nationen mag das anders sein; leider sehen wir ja in den letzten Jahren, wie das zum Teil gehandhabt wird. Im Interesse kleiner Nationen liegt es jedenfalls, dass die Grundregeln des Völkerrechts geachtet werden.
Last but not least, Frau Außenministerin: Die Grünen erwarten sich von Ihnen wesentlich mehr Impulse in der Entwicklungszusammenarbeit, als Österreich das in den vergangenen Jahren geschafft hat. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Es ist nicht so, dass Frau Ferrero-Waldner kein Interesse daran gezeigt hätte. Ganz im Gegenteil: Sie hat ein persönliches Interesse an diesen Fragen gehabt, aber sie hat sich – offenbar – nicht durchsetzen können in diesen Fragen. Es gibt nun einmal eine EU-Vorgabe – Gott sei Dank! –, wonach wenigstens 0,33 Prozent des BIP für die Entwicklungszusammenarbeit eingesetzt werden sollen. Frau Kollegin Lunacek macht mich nahezu täglich darauf aufmerksam, dass Österreich von diesem Ziel leider noch weit entfernt ist. Wir werden uns ordentlich anstrengen müssen, diese EU-Vorgabe – also gar nicht einmal sozusagen eine österreichische Erfindung, sondern eine Vorgabe seitens der EU – bis zum Jahr 2006 zu erfüllen. Wenn Sie im Budget für das nächste Jahr nicht etwas ändern können, Frau Ministerin, wenn Sie hier nicht noch in letzter Sekunde Maßnahmen treffen können, dann ist für 2006 ein ordentliches Oha angesetzt!
Wir wünschen Ihnen alles Gute (Abg. Dolinschek:
Und viel Erfolg!), viel Erfolg, im Interesse von uns allen (Abg. Großruck:
Und alles Gute zum Namenstag!), vor allem in den Zielen, die auch wir
anstreben. Ich kann Ihnen nicht schlechthin jeden Erfolg wünschen, es könnte ja
sein, dass wir einmal ein Ziel nicht gemeinsam tragen können, aber das werden
Sie verstehen, nicht wahr? Ich traue Ihnen durchaus zu, diese Erfolge, die wir
Ihnen wünschen, auch heimzufahren, einzufahren. Weihrauch ist nicht angesagt,
aber von allen Regierungsumbildungen, die ich bisher erlebt habe, ist diese
eine jener, bezüglich derer ich am optimistischsten bin, dass sie eine gute
Maßnahme war. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)
10.02
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 20 |
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Seine Redezeit beträgt 15 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.
10.02
Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Frau Außenministerin! Selbstverständlich gratuliert auch meine Fraktion, gratulieren die Freiheitlichen Ihnen ganz herzlich zu dieser Nominierung und Bestellung zur Außenministerin – ein ganz, ganz wichtiges Amt! Wir wissen, dass Sie nicht nur Fachwissen, sondern auch politisches Verständnis mitbringen und auch Durchsetzungskraft, die ich schon in Ausübung Ihrer früheren Funktion kennen lernen durfte, manchmal auch musste. Damals als Koalitionspartner hätte ich mir manchmal gewünscht, dass Sie weniger Durchsetzungskraft und Verteidigungsfähigkeit – in dem Fall: Ihres Bundeskanzlers – gehabt hätten, aber für diese neue Funktion ist das sicherlich eine gute Voraussetzung. Ich weiß, dass Sie die österreichischen Interessen ebenso dynamisch vertreten werden, Frau Dr. Plassnik! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Es begleitet Sie ebenso das Lob der Opposition und auch deren Ansage, einen Konsens in der Außenpolitik mittragen zu wollen. Wunderbar! Hoffentlich können wir das alle gemeinsam auch in die Realität umsetzen, denn in der Vergangenheit – und ich denke, das ist nicht an Frau Außenministerin Ferrero-Waldner gelegen – haben wir diesen Konsens in der Außenpolitik sehr oft vermissen müssen. Es wäre wichtig, dass Österreich nach außen nicht nur in der Regierung, sondern auch im Parlament mit einer Sprache spricht. Nur dann können wir unsere Interessen und unsere Ziele auch entsprechend dynamisch umsetzen.
Herr Abgeordneter Gusenbauer! Ja zu diesem Konsens! Reden wir immer darüber, auch über heikle Punkte! Versuchen wir, gemeinsame Lösungen zu finden! Dann müssen wir uns aber auch alle enthalten, wenn es darum geht, außenpolitische Instrumente, sicherheitspolitische Instrumente – Sie haben die Neutralität angesprochen – dazu zu verwenden, man könnte auch sagen, zu missbrauchen, um in der Öffentlichkeit falsche Voraussetzungen zu schaffen, vielleicht auch Ängste zu schüren und ein falsches Bild von der Realität zu schaffen.
Es gibt in Österreich niemanden, auch keinen Politiker, der unser Land in irgendeinen Krieg führen möchte. Es gibt in Österreich niemanden, der die außenpolitische und sicherheitspolitische Position, die Österreich seit vielen, vielen Jahren hat, ernsthaft in Frage stellt. (Abg. Mag. Wurm: Mottenkiste!) Frau Kollegin, Sie wissen ganz genau, dass das in der Vergangenheit auch von Ihrer Fraktion oft so dargestellt worden ist (Abg. Schieder: In ein Bündnis!), dass man die außen- und sicherheitspolitische Diskussion in Wahlkämpfe mit einbezogen hat. (Abg. Schieder: In ein Bündnis wollten manche Österreich führen, nicht in einen Krieg!) Ja, aber das heißt nicht: in einen Krieg führen, Herr Kollege Schieder! (Abg. Schieder: Aber in ein Bündnis, und das ist auch unvereinbar! – Abg. Mag. Molterer: Josef Cap!) Ganz genau.
Sie wissen ganz genau, dass sich die Europäische Union in vielen Bereichen in Richtung Sicherheitspolitik auch mancher dieser Instrumente bedient, wo Sie auch zugestimmt haben. (Abg. Schieder: Manche wollen in die Nato!) Selbst wenn man das will, Herr Kollege Schieder, bedeutet das noch lange nicht, dass sich Österreich an Kriegen beteiligen soll und will. (Abg. Schieder: Nein, aber dass es nicht neutral ist!) Das haben Sie aber doch oft in der Wahldiskussion so dargestellt.
Darum geht es, meine Damen und Herren, man sollte hier sehr sensibel und vorsichtig sein.
Ja auch zu Ihrer Idee oder zu Ihrer Forderung, dass selbstverständlich die UNO, die Vereinten Nationen, oberste Instanz in den Entscheidungen darüber sein sollen, wann,
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wie und wo es etwa militärische Interventionen der Staatengemeinschaft geben soll. Ich frage mich aber: Warum haben Sie in Ihrer Zeit als Regierungspartei nicht genau das in der österreichischen Bundesverfassung verankert? Sie haben das nicht gemacht, denn laut österreichischer Bundesverfassung wäre es theoretisch möglich, dass sich Österreich an Kampfhandlungen auch ohne Sanktionierung der Vereinten Nationen beteiligt. Darüber sollten Sie auch einmal sprechen, warum man damals, als man die Möglichkeit gehabt hat, das zu verankern, das nicht gemacht hat, aber heute hier diese Forderung aufstellt.
Wir sind dafür! Auch wir glauben – und deshalb war auch unsere Kritik beim Irak-Krieg sehr heftig –, dass es nicht sein darf und nicht sein kann, dass ein Land der Welt, auch wenn es noch so stark ist, darüber entscheidet, wo, wann und wie militärische Interventionen stattzufinden haben. Das muss auf internationaler Ebene entschieden werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Frau Außenministerin! Wir werden diese starke Vertretung brauchen, vor allem innerhalb der Europäischen Union, und wir hoffen, dass Sie in erster Linie die Interessen Österreichs in der Europäischen Union und gegenüber der Europäischen Union vertreten werden und nicht in erster Linie darüber nachdenken werden, wie man denn die Ideen aus Brüssel, die Projekte der Brüsseler Bürokratie hier in Österreich so rasch wie möglich, quasi in Musterschülermanier, umsetzen und vielleicht sogar vorwegnehmen könnte.
Ich denke, das ist notwendig. Vor allem im Interesse der Bürgernähe der Europäischen Union muss man signalisieren, dass diese Europäische Union für die Bürger, für die Menschen in Europa da zu sein hat und nicht – umgekehrt – dass wir für Brüssel, für die Bürokratien da zu sein haben. Das müssen auch Sie, Frau Außenministerin, vertreten und auch darstellen!
Es wird sinnvoll und notwendig sein – ein positiver Aspekt der letzten Erweiterung! –, dass man mit den neuen Mitgliedsländern, die von ihrer Größe, von ihrer Bevölkerungszahl her alle kleinere und mittlere Länder der Europäischen Union sind, Koalitionen bildet, Sachkoalitionen, um in Brüssel auch stark auftreten zu können, denn es kann nicht sein, dass es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Europäischen Union gibt: hier die wenigen Großen, Einflussreichen und dort die vielen Kleineren, die nur das nachvollziehen müssen, was die Großen schon vorweg entschieden haben. – Das erwarten wir von einer aktiven Europapolitik der österreichischen Bundesregierung, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Ich weiß, Frau Außenministerin, dass Sie Ihre persönliche Meinung nicht durch Speaking notes von irgendwelchen Beamten ersetzen lassen, sondern dass Sie in den EU-Gremien dynamisch das sagen werden, was Sie auch wirklich denken.
Die Erweiterung ist angesprochen worden. Wir haben jetzt die größte Erweiterungsrunde in der Geschichte der Europäischen Union formal umgesetzt, und jetzt wird schon wieder über die nächste und übernächste Erweiterung heftig diskutiert, anstatt wirklich zu überlegen: Wo sind noch Defizite der letzten Erweiterungsrunde? Es hat ja Fortschrittsberichte gegeben, die diese Defizite alle aufgelistet haben. Das jetzt Umgesetzte soll einmal ein Erfolg werden – es soll nicht überlegt werden: Was wird in zehn, 15 oder 20 Jahren der Fall sein?
Ein Wort zur Türkei. Ich bin nicht der Meinung, dass man deshalb, weil die Europäische Union in ihrer Türkeipolitik in den letzten 20, 30 Jahren Fehler gemacht hat, unehrlich gewesen ist, diese Fehler und diese Unehrlichkeit unbedingt auch weiterhin zementieren muss. Es war nicht die Europäische Union des 21. Jahrhunderts, die diese Gespräche geführt hat, Herr Kollege Van der Bellen. Das war eine Wirtschaftsgemeinschaft, die vor 30 Jahren diese Gespräche begonnen hat. Das sind ganz, ganz
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andere Voraussetzungen als die politische Union, die die Europäische Union jetzt darstellt.
Hier geht es auch um ein Wertesystem, hier
geht es um ein politisches System, hier geht es um ein Rechtssystem, das wir
betrachten müssen, und da müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Türkei nicht
schlechter und nicht besser, aber anders ist als das, was wir uns in der
Europäischen Union unter all diesen Werten und Voraussetzungen vorstellen. Das
muss man offen und ehrlich zur Kenntnis bringen. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Es hat wenig Sinn, zu sagen: Wir wissen das zwar alle, aber wir wollen es nicht sagen, denn das ist unangenehm, das führt vielleicht zu Konflikten und was auch immer, deshalb schieben wir alles auf die lange Bank. Durch diese Beitrittsverhandlungen haben wir wieder zehn, 15, 20 Jahre lang Luft, und dann braucht auch nichts zu passieren. – Ehrlicher wäre es gewesen, zu sagen: Ein Beitritt wird nicht funktionieren, aber die Türkei ist für uns wichtig.
Das ist auch Realität: Die Türkei ist ein sehr sensibler Bereich, ein wichtiges Land für Europa, eine Schnittstelle zwischen Regionen, auch eine Schnittstelle zwischen Wertesystemen, und zwar einer Krisenregion, die in Zukunft wahrscheinlich noch sensibler sein wird, als wir das jetzt noch zur Kenntnis nehmen. Da wird die Türkei ein wichtiger Partner für Europa sein müssen.
Darüber würde ich gerne mit der Türkei verhandeln, und zwar nicht 20 Jahre lang, sondern rasch verhandeln, wie wir die Beziehungen zwischen Europa und der Türkei so festigen, dass diese Türkei auch ein strategischer Partner für Europa ist, dass sie ein wirtschaftlicher Partner, dass sie ein kultureller Partner ist – aber eben nicht mit der Vorgabe, als Vollmitglied der Europäischen Union gelten zu müssen. Das wäre ehrliche Außenpolitik, das wäre ehrliche Europapolitik auch im Sinne der Sache. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Man kann über Alternativen nachdenken – Sie, Herr Kollege Schieder, haben die NATO angesprochen –, aber man muss auch überlegen, wie man Länder, die nicht Mitglied dieses Bündnisses werden können oder wollen, trotzdem einbindet, weil das gemeinsame Ziel, Sicherheit zu geben, so wichtig ist. Da war man vorbildhaft mit der Partnerschaft für den Frieden. Und genau diese Partnerschaft, eine Partnerschaft für Europa, könnte ich mir vorstellen, um genau diesen Effekt zu erzielen: gemeinsam Europapolitik zu machen, gemeinsam Friedenspolitik zu machen, gemeinsam Wirtschaftspolitik zu machen, ohne aber die Nachteile einer Vollmitgliedschaft in Kauf nehmen zu müssen!
Diese Partnerschaft für den Frieden wäre ein sehr gutes Beispiel für eine Partnerschaft für Europa. Das sollten wir im Auge behalten, meine Damen und Herren!
Neben der Europapolitik, Frau Außenministerin, wird es auch wichtig sein, die außenpolitische Position außerhalb der Europäischen Union zu festigen und auch jene Nischen zu suchen – ich weiß schon, Österreich ist ein kleines Land, wir sollen uns nicht zu wichtig nehmen –, wo wir einen Beitrag für das Gemeinsame in der Welt leisten können.
Sie wissen, dass ich auch immer den Nahen Osten im Blickfeld habe, und das gerade deshalb, weil Österreich hier über hervorragende Beziehungen und auch über ein sehr, sehr gutes Ansehen verfügt und weil es eine absolute Notwendigkeit ist, dass sich alle Länder, die die Möglichkeit haben, auch ausgleichend einbringen.
Wir müssen klar signalisieren – und wir sind hier ein objektiver Partner –, dass niemand mit Gewalt oder mit Krieg politische Ziele durchsetzen kann, dass es bei Gewalt und bei Krieg keine Gewinner, sondern immer nur Verlierer gibt. Im Nahen Osten muss
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nicht nur das Recht Israels auf Bestand des Staates, sondern auch auf Frieden, Sicherheit und Freiheit seiner eigenen Bevölkerung unbezweifelt sein, und gleichzeitig sollte das Recht der Palästinenser auf diese Freiheit, auf diese Unabhängigkeit und Sicherheit und aller anderen Staaten in dieser Region unbestritten sein.
Eine Lösung dieses Konfliktes wird nicht im Kampf, nicht in der Ausgrenzung, nicht in der gegenseitigen Diffamierung, sondern einzig und allein im Dialog, im Verhandlungswege zu suchen sein. Dabei kann Österreich und dabei muss der Europäischen Union eine wichtige Vermittlungs- und Verhandlungsrolle zukommen. – Auch das wäre eine wichtige Aufgabe der österreichischen Außenpolitik in der Zukunft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Es wäre auch gut und wichtig, ehrlich Stellung zu nehmen, wo auch immer Menschenrechte verletzt werden, selbst wenn derjenige, der das tut, ein sehr einflussreicher und mächtiger Staatsmann ist.
Es wäre auch gut und wichtig, dass man etwa im Tschetschenien-Konflikt klar Position bezieht, dass man selbstverständlich terroristische Maßnahmen verurteilt, dass man aber auch die Gegenreaktion als nicht zulässig für einen demokratischen Rechtsstaat anerkennt und kritisiert, dass man etwa im Sudan durchaus auch einmal diskutiert darüber, wie ohnmächtig die Staatengemeinschaft ist, wenn sie nicht wirklich durchgreifen möchte. – Eine Resolution nach der anderen landet im Papierkorb, Menschenrechtsverletzungen sind weiterhin an der Tagesordnung, Menschen werden ermordet, Frauen werden vergewaltigt, vertrieben, und in Wahrheit setzt niemand eine ernsthafte Reaktion.
Auch wenn es darum geht, in anderen Bereichen – in Afghanistan, am Balkan – irgendwelche diplomatisch netten Noten auszutauschen, irgendwelche theoretischen Friedenskonzepte am grünen Tisch zu entwickeln, die aber nichts mit der Realität vor Ort zu tun haben, wäre mehr Praxisbezug gefordert. Auch das kann Österreich einbringen.
Entwicklungszusammenarbeit, meine Damen und Herren: Auch ich stehe dazu, dass wir Konflikte präventiv bekämpfen müssen, dass wir sie an der Wurzel packen müssen. Wir müssen den Menschen in den Regionen Hoffnung geben, Zukunft geben, und das kann nur durch eine aktive, auch mutige Entwicklungszusammenarbeit erreicht werden, durch eine Entwicklungszusammenarbeit, die auch Geld in die Hand nimmt, sinnvoll in die Hand nimmt, um den Menschen zu helfen. Also nicht bei Pledging-Konferenzen viel versprechen, sondern in konkreten Projekten Hilfe geben, damit dort wirklich eine Zukunft in Frieden und Freiheit geschaffen werden kann.
Dasselbe gilt für andere Bereiche, etwa jenen der Wirtschaft: Es ist auch eine Aufgabe der Außenpolitik, die österreichische Wirtschaft im Ausland zu unterstützen und zu stärken.
Dasselbe gilt für andere Ziele, so etwa dem Tierschutz zum Durchbruch zu verhelfen. Jeder regt sich auf über Japan, darüber, dass Japan das Walfangabkommen nicht einhält, aber dass es europäische Länder gibt, wie etwa Island, die unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Forschung genau dasselbe tun, das traut man sich schon wieder nicht anzusprechen.
Darum geht es: Es gibt Werte, und die haben wir hochzuhalten und zu verteidigen! Wir sollen und müssen immer auf der Seite des Rechts sein und gegen das Unrecht ankämpfen, egal wer dieses Unrecht begeht, meine Damen und Herren! Das erwartet sich die Welt auch von Österreich, von der Außenpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
In diesem Sinne, meine Damen und Herren, Frau Außenministerin, erhalten Sie von uns keine „Vorschusslorbeeren“, denn wir sind überzeugt, dass Sie sich dieser Heraus-
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forderung stellen werden, dass Sie diese aktive Komponente in die österreichische Außenpolitik einbringen werden, dass Sie Politik für die Menschen in Österreich, in Europa, in der Welt machen werden und damit auch eine wichtige Visitenkarte für das Ansehen unserer Heimat sein werden, darstellen werden. – Viel Erfolg! Unsere Unterstützung werden Sie haben, und ich hoffe, wir werden auch diesen angekündigten Konsens aller politischen Parteien in der österreichischen Außenpolitik zusammenbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)
10.18
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik. Da der Bundeskanzler nur 7 Minuten 45 Sekunden geredet hat, beträgt ihre Redezeit 22 Minuten. – Frau Ministerin, Sie sind am Wort.
10.18
Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich möchte zu Beginn dieser meiner Erklärung einige Worte zu meiner persönlichen Motivation zur Übernahme dieses hohen Amtes sagen. Ich muss dazu in meiner persönlichen Geschichte 25 Jahre zurückgehen.
Ich habe damals in Belgien studiert. Es war die Zeit des Kalten Krieges, es war die Zeit, in der die Europäische Gemeinschaft – damals bestehend aus neun Staaten – die Erweiterung um Portugal, Spanien und Griechenland diskutiert hat. Das schien damals ein sehr gewagtes Unterfangen.
Für mich haben sich zwei Aspekte in den Mittelpunkt gestellt. Erstens: Hier war etwas im Gange, hier entstand etwas Neues, etwas in Europa bisher noch nicht da Gewesenes. Die Frage, die sich daran anschloss: Wo ist mein Land, wo ist Österreich in diesem europäischen Integrationsgeschehen?
Heute, 25 Jahre später, sind wir anerkannter Partner in der Europäischen Union. Wir sind durch die Erweiterung vom Rand auch ins geographische Zentrum des neuen Europa gerückt.
Die österreichische Außenpolitik der letzten Jahrzehnte und ihre Rechtsgrundlagen – das Völkerrecht und das Neutralitätsgesetz – waren und sind erfolgreich. Sie haben unserem Land Sicherheit, Stabilität und Wohlstand gebracht.
Paul Lendvai, einst Flüchtling und
Zuwanderer, heute hoch geschätzter Österreicher, sagt: „Es gibt kaum ein
anderes Land in der Welt, das seit 1945 einen solchen Sprung vom Nachzügler zum
ökonomischen Vorbild bei sozialer Eintracht und beneidenswerter höchster
Lebensqualität vollbracht hätte wie gerade Österreich.“ (Allgemeiner Beifall.)
Hohes Haus! Außenpolitik braucht Kontinuität und Vertrauen. Außenpolitik braucht aber auch den mutigen Umgang mit neuen Aufgabenstellungen, Chancen und Verantwortungen.
Nächstes Jahr ist Österreich zehn Jahre Mitglied der Europäischen Union. Das war die wichtigste außenpolitische Weichenstellung seit dem Staatsvertrag. Wir haben mutig und richtig entschieden. Die EU-Mitgliedschaft hat Österreich gut getan. Wir wirken mit am Friedensprojekt Europa. Wir haben eine gemeinsame Währung und einen gemeinsamen europäischen Sicherheitsraum, in dem wir die Grenzen frei passieren können.
Gerade durch meine Arbeit in der Schweiz ist mir wieder bewusst geworden, was es heißt, nicht Mitglied der EU zu sein. Geld wechseln, ständig umrechnen, Reisepass vorzeigen, immer nachdenken müssen: Wie viel darf ich einkaufen? – Da merkt man
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erst wieder, welche Vorteile im täglichen Leben die EU-Mitgliedschaft bringt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)
Aber Österreich hat auch wirtschaftlich profitiert. Unsere Exporte konnten seither verdoppelt werden. Die Investitionen ausländischer Unternehmen in Österreich haben sich verdreifacht. Tausende neue Arbeitsplätze sind entstanden. 50 000 Schüler und Schülerinnen haben seit unserem Beitritt durch die EU-Programme im Ausland studiert. Ich sage ganz offen: Ich freue mich für die jungen Menschen und ihre Möglichkeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)
Österreich ist vom Rand wieder in die Mitte Europas gerückt. Damit hat der Begriff „Nachbarschaftspolitik“ eine grundlegend neue Bedeutung fern jeden provinziellen Anklangs erhalten. Die Saat, die von meiner Vorgängerin vor drei Jahren mit der Regionalen Partnerschaft gesät wurde, geht seit 1. Mai auf, denn erst durch die Mitgliedschaft unserer Nachbarn kann sie sich voll entfalten. Wir sitzen einander nicht mehr gegenüber als Verhandlungspartner, sondern auf derselben Seite des Tisches. Als gleichberechtigte Partner haben wir auch ein gemeinsames Interesse, die regionale Zusammenarbeit zu vertiefen und zum Blühen zu bringen, denn Nachbarschaft lebt von der Neugier, einander kennen zu lernen, einander zuzuhören, offen zu sein für die Anliegen des anderen. In diesem Geist wird es möglich, auch schwierige Fragen anzusprechen. Wichtig für uns sind etwa Verkehr und Infrastruktur, Umwelt, Sicherheit, die Grenzsicherung, die Bekämpfung von illegaler Einwanderung, Drogenhandel und Schlepperunwesen.
Meine Damen und Herren! Das Verhältnis mit unseren Nachbarn war politisch und menschlich noch nie so gut wie heute, und das möchte ich vertiefen, denn: Der Friede in der Welt beginnt zu Hause, und er beginnt mit den Nachbarn. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)
Deshalb ist auch unser Engagement in Südosteuropa wichtig, ebenso wie die Unterstützung von Rumänien, Bulgarien und Kroatien beim Beitritt zur Europäischen Union.
Als Beispiel eines erfolgreich gelösten Minderheitenkonflikts gilt heute Südtirol mit seiner Autonomie. Ich werde alles tun, um weiter sicherzustellen, dass die Südtiroler eine Brücke zwischen Österreich und Italien sind, und die Sicherheit der Autonomie hüten. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und der SPÖ.)
Meine Damen und Herren! Ein bedeutender Anteil österreichischer Außenpolitik ist Europapolitik. Wer in Europa etwas bewegen möchte, muss Lösungen für die Gemeinschaft entwickeln und anbieten. Unsere Position in der Europäischen Union wird nur so stark sein wie der Beitrag, den wir zu europäischen Lösungen leisten.
Meine erste Reise wird mich in der nächsten Woche nach Rom führen, um die europäische Verfassung zu unterzeichnen. Diese Verfassung bringt den Bürgern festgeschriebene Grundrechte, an die die Europäische Union gebunden ist und die direkt beim Europäischen Gerichtshof eingeklagt werden können. Die neue Verfassung wird aber auch die von den Bürgern geforderte und erwartete einheitliche Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union möglich machen. Europa wird einen Außenminister erhalten.
Die Union war immer geprägt von Dynamik und Bewegung, und mit der österreichischen Präsidentschaft 2006 werden wir die Verantwortung dafür übernehmen, Europa auch weiterzubringen. Die EU-Präsidentschaft ist gleichzeitig eine Chance, unser eigenes Gemeinschaftsbewusstsein zu stärken und eine hoch qualifizierte Dienstleistung für Europa zu erbringen.
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Für mich ist dabei auch die Intensivierung des transatlantischen Dialogs eine Aufgabe. Die Gipfeltreffen mit den USA, Kanada und Lateinamerika werden 2006 in Österreich stattfinden. Die EU und die USA haben viele gemeinsame Werte, Interessen und Stärken. Seite an Seite können sie vieles erreichen, etwa im Umweltschutz, in der Sicherheit oder in der Förderung der Menschenrechte. Deswegen ist es wichtig, an der Überwindung von bestehenden Barrieren zu arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)
Meine Damen und Herren! Österreichs Position in Europa und in der Welt überzeugend zu vertreten ist meine zentrale Aufgabe. Eine österreichische Position wird umso besser wahrgenommen, als sie sich auf eine breite Basis stützen kann. Wir haben nur eine Stimme, aber diese Stimme wird umso deutlicher gehört werden, je geeinter sie ist.
Ich lade daher alle an der Außenpolitik Mitwirkenden ein, die politischen Parteien, die Bundesländer, aber auch die Sozialpartner und die NGOs, sich im Hinblick auf diese Zielsetzung ergebnisorientiert einzubringen. Wir können es uns in einer Welt des internationalen Wettbewerbs der Interessen und Ideen einfach nicht leisten, auf Sachbeiträge und Fachwissen zu verzichten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)
Dazu gehört allerdings auch, Klarheit zu schaffen, was Österreich vermag und was es nicht vermag. Wir müssen von uns selbst Augenmaß und Realitätssinn verlangen.
Meine Damen und Herren! Noch heuer werden die Staats- und Regierungschefs eine Entscheidung über die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei zu treffen haben. Wir müssen uns der Frage stellen, wie eine europäische Zukunft für die Türkei aussehen kann. Dabei gibt es berechtigte Sorgen in der Bevölkerung – die Kosten, der Arbeitsmarkt, die Landwirtschaft, die Menschenrechte, die Gleichberechtigung, die Religionsfreiheit –, ich kann diese Sorgen nachvollziehen und plädiere für eine sachliche Diskussion.
Mir ist es aber auch wichtig, hier drei Dinge klar zu sagen: Der Beginn von Verhandlungen bedeutet nicht, dass die Türkei jetzt sofort beitreten kann. Der Beginn von Verhandlungen bedeutet auch nicht, dass es nur ein einziges, von vornherein festgelegtes Ergebnis geben kann – auch die Ziele der Verhandlungen sollten offen bleiben. Und der dritte Punkt: Das österreichische Parlament als Vertretung des Volkes wird jedenfalls das letzte Wort haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ihre Rolle und damit die Rolle des Parlaments in europäischen Fragen ist wichtig. Deshalb begrüße ich es auch, wenn das Parlament in Zukunft häufiger und intensiver europäische Fragen diskutieren möchte. Ich stehe dem Hohen Haus dazu gerne zur Verfügung. (Allgemeiner Beifall.)
Gute Außenpolitik ist auch ein Frühwarnsystem für Entwicklungen, die auf uns zukommen. Nur wer rechtzeitig sieht, was entsteht, kann sich früh genug darauf einstellen. Natürlich ist es heute so, dass die großen globalen Herausforderungen nicht von einem Land allein, auch nicht von der Europäischen Union allein, gelöst werden können. Klimawandel, Terrorgefahr, regionale Konflikte, Epidemien wie SARS oder Aids, Armut in vielen Teilen der Welt, Drogenhandel oder die Frage einer sicheren Energieversorgung betreffen uns alle. Wichtige internationale Organisationen, die sich gerade mit diesen Themen beschäftigen, haben ihren Sitz hier in Österreich.
Ich ersuche Sie daher, mich in der Absicherung und im Ausbau Wiens als Amtssitz der Vereinten Nationen, der OSZE, der OPEC und der Europäischen Menschenrechtsagentur zu unterstützen. (Allgemeiner Beifall.)
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Als Außenministerin möchte ich den Beitrag, den Österreich zum Frieden in der Welt leistet, stärker betonen. Wir helfen mit unseren Friedenseinheiten, in Krisenregionen Stabilität und Sicherheit zu schaffen. Österreich hilft am Golan, im Kosovo und wird sein Kontingent in Bosnien verdoppeln. Und das ist auch im Interesse Österreichs. Stabilität verhindert, dass sich Flüchtlingsströme in Bewegung setzen. Stabilität ist auch die Voraussetzung für den Aufbau der Wirtschaft, und dadurch können diese Regionen auch von österreichischen Unternehmen als Exportmärkte erschlossen werden.
Auch die Bekämpfung der Armut durch
Entwicklungszusammenarbeit bleibt ein politischer Schwerpunkt. Es geht nicht
nur um die Linderung von Leid. Mir ist es wichtig, für Bildung, Gesundheit und
Infrastruktur einen Beitrag zu leisten. Ich bekenne mich daher ausdrücklich zu
der im Regierungsprogramm festgelegten Erhöhung der österreichischen
EZA-Beiträge. (Allgemeiner Beifall.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Das Außenministerium und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das weltweite Netzwerk im Dienste der Österreicherinnen und Österreicher. Dieses Netzwerk steht jedem Österreicher bei einem Problem oder im Notfall im Ausland rund um die Uhr zur Verfügung.
Mir ist es auch ein besonderes persönliches Anliegen, Frauen und ihre Anliegen zu fördern. In allen außenpolitischen Bereichen, denn Frauen sind zuallererst betroffen von Kriegsfolgen, Gewalt und Katastrophen, aber auch im Außenministerium selbst wird es mir wichtig sein, Frauen zu ermuntern, sich etwas zuzutrauen, und sie in ihrer Laufbahn zu unterstützen. (Allgemeiner Beifall.)
Meine Damen und Herren! Meine Stärken, die ich in dieses Amt einbringen kann, sind eine langjährige Erfahrung, aber auch Neugierde, Freude und Teamarbeit. Eine Außenministerin hat zwar keine Streitkräfte, dafür braucht sie aber Mitstreiter: aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Politik, Bürgergesellschaft, Wirtschaft und Medien.
Ich danke für die vielen guten Wünsche und so manchen Vertrauensvorschuss.
Meiner Vorgängerin Benita Ferrero-Waldner
möchte ich danken für die hervorragende inhaltliche Arbeit sowie für ein gut
bestelltes Haus, das ich übernehmen darf. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Benita Ferrero-Waldner in ihrer neuen Funktion in der Europäischen Union.
Meine Damen und Herren! Ich werde arbeiten, so gut ich kann, um Ihr Vertrauen zu rechtfertigen, und freue mich auf die Arbeit im Regierungsteam und auf die Zusammenarbeit mit Ihnen allen.
Schließlich möchte ich mit einem Motto für meine Arbeit schließen, das ich dem leider viel zu früh verstorbenen Professor Egon Matzner verdanke: „Für ein weltoffenes Österreich, für eine österreich-offene Welt.“ – Danke. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
10.33
Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin! Ich bin jetzt schon viele, viele Jahre in diesem Hohen Haus, habe aber eine solche Begrüßung eines neuen Regierungsmitgliedes noch nicht erlebt.
Ich wünsche Ihnen viel Glück und Gottes
Segen für Ihre Arbeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. Seine Redezeit beträgt 7 Minuten.
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10.34
Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Hohe Bundesregierung! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Frau Bundesministerin, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Bestellung, herzlichen Glückwunsch zur heutigen überzeugenden Präsentation hier und alles Gute für Ihre Arbeit. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich habe Sie schon bei vielen Tätigkeiten als so professionell kennen gelernt, dass ich mir gestatten kann, gleich ohne weiteres Umschweifen in die Sache, auf die Punkte, die Sie angesprochen haben, einzugehen.
Ich war sehr froh darüber, dass Sie gleich in der Einleitung Ihr Bekenntnis zu Neutralität und Völkerrecht abgegeben haben. Das ist sehr wichtig, und ich weiß, dass das nicht bloß ein Bekenntnis ist, sondern dass das heißen wird müssen, dass wir uns mehr in diesen Bereichen, nämlich auch der Darstellung der Rolle eines Neutralen, der Funktion, die ein Neutraler spielen kann, und als Verfechter des Völkerrechtes, präsentieren können und müssen. Österreich hat hier eine Chance, die es in der Vergangenheit oft genützt hat, und diese Chance ist auch in der heutigen Zeit nutzbar für einen neutralen Staat. Wir sollten eine entsprechende Politik machen, dann wird das auch unserem Land helfen. (Beifall bei der SPÖ.)
Was das Völkerrecht betrifft, bin ich sehr froh über diese Aussage, denn wir haben kritisiert, dass es den Versuch gab, eine Position der Mitte zwischen dem Recht des Stärkeren und dem Völkerrecht zu erfinden. Wir haben kritisiert, dass es den Versuch gab, eine Mitte zwischen Supernationen und Vereinten Nationen einzunehmen. Das Bekenntnis zum Völkerrecht bedeutet ein Bekenntnis zu den Vereinten Nationen, bedeutet auch das Bekenntnis, die Vereinten Nationen zu stärken und sie auszubauen – und das findet unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir sind auch sehr froh darüber, dass Sie die Friedensinitiativen erwähnt haben, denn bei aller Bedeutung Europas – ich komme noch darauf zu sprechen –: Wir dürfen nicht vergessen, auch in der Außenpolitik die Welt zu sehen. Hier gibt es Probleme, die uns zutiefst bewegen und bewegen müssen und wo Österreich Hilfe leistet. Denken wir nur an die furchtbare Katastrophe in Haiti, daran, was im Sudan geschieht, an Aids in Afrika, an die weltweite Frage des Terrors und der Terrorbekämpfung – das sind Bereiche, wo auch ein kleines Land im Konzert aller mitspielen kann. Wir sollten das tun, und wir sollten da Positionen setzen, zum Beispiel in der Terrorbekämpfung, wo wir klar sagen müssen: Es ist gut, dass Österreich an der Terrorbekämpfung und an der verstärkten Zusammenarbeit teilnimmt, aber Terrorbekämpfung darf nicht heißen, dass Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt werden, Terrorbekämpfung darf nicht heißen, dass es weniger Demokratie oder weniger Parlamentarismus gibt, und Terrorbekämpfung darf auch nicht heißen, dass die Rechte der Medien und die freie Berichterstattung eingeschränkt werden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Wir müssen – über Europa und die EU ist schon viel gesprochen worden – sehen, dass es auch außerhalb der EU oder am Rande der EU in Europa Probleme gibt: Zypern-Frage, die die EU zutiefst betrifft, Kosovo-Frage, Serbien-Montenegro und die ganze Balkanpolitik und auch die ungelöste Transnistrien-Frage, gar nicht zu sprechen von Konflikten, die es auch im Gebiet des Kaukasus und in anderen Regionen gibt. Auch da muss sich Österreich einbringen. Hier wird es nicht nur auf die Mitarbeit in der EU, sondern auch im Europarat ankommen. Und ich hoffe, dass Sie, Frau Ministerin, die Zeit im Europarat nicht vergessen haben und dass Österreich sein Bekenntnis zum Europarat und seiner Erneuerung auch auf dem Gipfel des Europarates im nächsten Jahr durch Sie fortsetzen wird. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und den Freiheitlichen.)
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Was die aktive und gemeinsame Außenpolitik betrifft: Ja, wir wollen ein Zurück zur gemeinsamen Außenpolitik. Aber gemeinsame Außenpolitik heißt ja nicht nur, dass man in allen Fragen identisch ist, heißt auch nicht, dass man eine Linie der Regierung festlegt und dann sagt: Na ja, das ist eh so, dass ihr nicht dagegen sein könnt! Gemeinsame Außenpolitik heißt nicht: Friss Vogel oder stirb! – Gemeinsame Außenpolitik heißt, dass man von Anfang an mit eingebunden, informiert ist und an den Beratungen teilnehmen kann.
Ein Gegenbeispiel von der Regierung war die Nachbarschaftspolitik und die Politik in unserer Region. Da wurden wir nicht gefragt, da wurden wir nicht herangezogen. Gemeinsame Außenpolitik heißt nicht, dass sich bloß FPÖ und ÖVP einigen und die anderen es dann vorgesetzt bekommen und ja oder nein sagen dürfen. Gemeinsame Außenpolitik muss wirklich das heißen, was Sie gesagt haben: dass alle Parteien, die NGOs, die Kräfte dieses Landes, auch interessierte Bürger mit einbezogen werden. Ich glaube, das ist überhaupt die starke, moderne Außenpolitik der Zukunft, eine Außenpolitik, die nur mehr wenige Bereiche hat, die geheim sind und im engen Kämmerlein entschieden werden, eine Außenpolitik, die in einem hohen Ausmaß öffentlich ist, transparent, die Marketing im Inland und im Ausland für die österreichische Haltung betreibt, also eine transparente, konsistente, einschätzbare Linie verfolgt – das ist längst ein unverzichtbarer Bestandteil einer guten, modernen Außenpolitik geworden.
Deshalb: Starten Sie stärker diese transparente Außenpolitik! Binden Sie das Parlament ein, die NGOs, die Öffentlichkeit! Ich hoffe, Sie finden Zeit für regelmäßige Sitzungen des Außenpolitischen Ausschusses, ich hoffe, Sie binden die Fraktionen wieder in die Gespräche mit den Botschaftern ein, und ich hoffe, wir bekommen alle die entsprechenden Informationen. Es wird das nicht nur in unserem Interesse sein, sondern auch in Ihrem, Frau Bundesminister, und im Interesse Österreichs. Auf gute Zusammenarbeit in diesem Sinne! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP, der Freiheitlichen und der Grünen.)
10.42
Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Auch seine Redezeit beträgt 7 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.
10.42
Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geschätzte Frau Außenministerin! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Frau Dr. Plassnik wurde vor drei Tagen der Öffentlichkeit präsentiert. Sie hat es in drei Tagen geschafft, eine hohe Fachkompetenz zu beweisen. Das zeigen auch internationale Reaktionen auf ihre Bestellung. Sie hat es in diesen drei Tagen geschafft, eine sehr große Souveränität an den Tag zu legen, was den Umgang mit der Öffentlichkeit anbelangt. Auch das ist sehr bemerkenswert. Und sie hat zum Dritten, glaube ich auch, in drei Tagen erreicht, eine sehr positive, sympathieträchtige Symbolfigur für Außenpolitik in Österreich zu sein.
Dafür möchte ich Ihnen, Frau Bundesministerin, wirklichen Respekt und Anerkennung zollen. Das ist für drei Tage schon eine hervorragende Leistung. Ich glaube, Ihre Arbeit steht unter einem sehr guten Stern. Sie haben das sehr gut begonnen, und das ist eine gute Grundlage für Ihre weitere Arbeit in der Außenpolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Die Schwerpunkte, die Sie heute genannt haben, kann ich nur voll unterstreichen. Sie haben gesagt, Sie werden sich, auch was das Bewusstsein der Österreicher in Richtung Europa betrifft, voll einbringen, Sie werden ganz besonders Südtirol und unsere österreichische Position für Südtirol im Auge haben, Sie werden die Nachbarschaftspolitik groß schreiben. Da stimme ich Ihnen voll zu.
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Sie haben aber auch angesprochen, was generell heute Außenpolitik für die Österreicherinnen und Österreicher leisten muss, und das halte ich für das Spannende an dieser Debatte heute Morgen. Sie haben an die Spitze gestellt, was ich besonders und dreifach unterstreichen möchte: Außenpolitik hat auch im Jahr 2004 in erster Linie österreichische Interessen im Ausland zu vertreten. Das ist das Markenzeichen und die wichtigste Herausforderung für uns. Da haben wir eine sehr gute Grundlage, die über viele, viele Jahre, glaube ich, auch von vielen Parteien, wenn das auch nach außen nicht immer so geschienen haben mag, getragen wurde.
Das ist eine wichtige Aufgabe in Europa. Europäische Politik ist vielfach Innenpolitik geworden, wir haben aber ein tolles Netzwerk in Brüssel mit ganz hervorragenden Leuten, die täglich in der Vorbereitung der Gesetzgebung in den Räten eine wunderbare und großartige Arbeit für Österreich leisten. Dafür ist die Außenministerin als Drehscheibe zuständig. Ich möchte aber an dieser Stelle besonders den Damen und Herren in Brüssel danken, die wirklich in einer unendlich mühevollen, aber fleißigen Arbeit unsere Interessen tagtäglich in der Europäischen Union vertreten. Ich möchte ein herzliches Dankeschön dafür sagen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der SPÖ.)
Ich möchte an zweiter Stelle das nennen, was Außenpolitik auch leisten muss im Jahr 2004, nämlich nicht nur österreichische Interessen zu vertreten, sondern Österreicher im Ausland zu vertreten. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir pro Jahr etwa 600 000 Konsularfälle haben – 600 000! –, wo es darum geht, nicht nur Visa auszustellen, sondern Österreichern ganz konkret zu helfen, die auch ein Gefühl der Sicherheit haben sollen, dass dann, wenn im Ausland etwas passiert, österreichische Vertretungsbehörden für sie da sind und ihnen ganz konkret helfen. Wir haben das unter Ihrer Amtsvorgängerin gesehen, was Algerien anlangt: eine Geiselbefreiung, wo hohe Professionalität an den Tag gelegt wurde. Ich möchte das unterstreichen, dass das für die Zukunft eine wichtige Aufgabe ist: Österreicher sollen dieses Gefühl der Sicherheit haben, dass, wenn sie im Ausland in Bedrängnis sind, Österreicher im Ausland für sie da sind, um ihnen konkret zu helfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Ich möchte als drittes Ziel der Außenpolitik auch ein wichtiges Ziel für mich hinstellen: Österreich Sicherheit geben. Das wird unter zukünftigen Aspekten noch viel bedeutender. Das ist ein Balanceakt: Auf der einen Seite muss man klare Standpunkte haben, auf der anderen Seite darf man nicht die Pfeile auf sich ziehen. Dieser Balanceakt verlangt viel diplomatisches Geschick, und ich glaube, Sie haben durch Ihren professionellen Werdegang eine sehr gute Grundlage dafür, in dieser Frage „Österreich Sicherheit geben“ das Richtige an der richtigen Stelle zu tun.
Ich möchte als Viertes erwähnen, dass österreichische Außenpolitik auch leisten muss, Österreich sympathisch zu machen, Österreich Sympathien zu geben. Wir können heute im Jahr 2004 sagen, dass trotz der Ereignisse vor vier Jahren Österreich im Ausland als sehr willkommen angesehen wird und viele Österreicher, die sich engagieren – wir kennen viele –, die im europäischen Zusammenhang ihre Spuren hinterlassen haben, einen Stellenwert haben, der sich durchaus sehen lassen kann, aber das gehört ausgebaut, das gehört immer mit neuem Leben erfüllt. Österreich ist ein sympathisches Land und muss auch in Zukunft eine Sympathie im Ausland verbreiten, die uns allen nur nützlich sein kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Ich möchte noch eines erwähnen, meine Damen und Herren, und zwar das österreichische Engagement bei den Krisenherden dieser Welt. Wir haben durch unsere „Botschafter“ – unter Anführungszeichen –, die als Soldaten im UNO-Einsatz unterwegs sind, immer wieder gezeigt, dass wir nicht wegschauen, sondern dass wir auch helfen,
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dass wir auch unsere guten Dienste anbieten, und das gilt für die Diplomatie natürlich ganz besonders.
Das sind ein paar Schwerpunkte; es gäbe viele mehr, die ich jetzt nicht erwähnen kann. Ich hoffe als Parlamentarier auf eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen. Ich hoffe, dass wir eine Außenministerin haben, die diesen Konsens in der Außenpolitik ins Zentrum stellt; davon bin ich überzeugt. Und ich hoffe auch auf eine Außenministerin, die eine Außenpolitik betreibt, die auch das, was Sie als Person verbinden, ins Zentrum stellt. Sie haben wahre Größe, auch von Ihrer Körpergröße her, und ich glaube, Sie werden eine Außenpolitik machen, die zeigt, dass diese wahre Größe auch Gegenstand Ihrer tagtäglichen Arbeit ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
10.48
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. 7 Minuten Redezeit.
10.49
Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Ministerbank! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst noch ein Wort zur Rede von Klubobmann Molterer sagen.
Herr Klubobmann, die Art und Weise, wie Sie die neue Außenministerin beschrieben haben, dass Sie gesagt haben, sie sei gebildet, sie sei sensibel, entbehrt nicht eines gewissen Sexismus. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Lassen Sie mich das in dieser Offenheit sagen, Herr Klubobmann. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Steibl: Das zeugt von „Frauensolidarität“!)
Ich wette, Sie würden über kein männliches Regierungsmitglied sagen, er sei gebildet, er sei sensibel. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich gehe davon aus, dass die Regierungsmitglieder gebildet und auch sensibel sind für Fragen, die die Bevölkerung interessieren. Das würden Sie einem Mann gegenüber so nicht sagen.
Herr Klubobmann, ich habe Ihre Ausführungen der Ministerin gegenüber unpassend gefunden in diesem Kontext. (Abg. Steibl: Das spricht für Dummheit! Womöglich haben Sie auch die ganze Nacht nichts geschlafen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ihre Aufregung beweist wohl, dass ich hier einen richtigen und wichtigen Punkt angesprochen habe. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Beifall bei den Grünen. – Abg. Steibl: Einbildung ist auch eine Bildung!)
Aber lassen Sie mich nun zu Ihnen kommen, Frau Ministerin Plassnik: Es eilt Ihnen der Ruf voraus, Sie seien eine streitbare Frau. – In Ihrer heutigen Rede sind vielleicht noch nicht alle jene Punkte herausgekommen – das war vielleicht auch von der Zeit her zu knapp –, wo es möglicherweise Schwierigkeiten gibt in der Frage, wie Österreich international gesehen wird.
Sie, Frau Dr. Plassnik, gelten jedenfalls als streitbar – und ich schätze streitbare Frauen, wenn es um eine sachliche und inhaltliche Auseinandersetzung geht: nicht um des Streits willen, sondern wenn es darum geht, einen Dialog, eine Diskussion zu führen, dabei unterschiedliche Positionen einzubringen, über diese zu reden und zu sehen, wie wir zu gemeinsamen Positionen kommen, das schätze ich sehr. Und wenn es dieser Ruf ist, der Ihnen, Frau Bundesministerin, vorauseilt, den Sie uns dann auch beweisen können, dann freue ich mich auf die Zukunft für die österreichische Außenpolitik. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
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Ich hoffe, dass das auch heißt, dass Sie, Frau Dr. Plassnik, Lust und Mut zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Parlament haben – mehr, als das Ihre Vorgängerin hatte. Sie haben ja schon gesagt, Sie lassen sich gerne einladen von uns. Wir werden das Angebot wahrnehmen und diese Debatten im Parlament führen, aber auch in der Öffentlichkeit insgesamt für die Außenpolitik streiten, für die Rolle, die Österreich in der Welt spielen kann, für die globale Verantwortung, die unser Land im Rahmen der EU, aber auch in einem breiteren internationalen Rahmen wahrnehmen kann. Dafür möchte ich gern mit Ihnen streiten.
Lassen Sie mich nun zu ein paar Punkten kommen, die Sie, Frau Bundesministerin Plassnik, in Ihrer Rede erwähnt haben. Es ist mir ja im Gegensatz zu meinem Klubobmann möglich, auf Ihre Rede zu replizieren; Kollege Van der Bellen konnte das noch nicht.
Frau Ministerin Plassnik, Sie haben – da stimme ich Ihnen zu – gesagt, wie notwendig es ist, mit unseren Nachbarstaaten, mit den anderen EU-Staaten in einem offenen Geist schwierige Fragen anzusprechen, und Sie haben da etwa Südtirol erwähnt; das hat auch Herr Kollege Spindelegger gemacht.
Meine Frage: Wie halten Sie es denn da mit Slowenien? Der neue slowenische Premierminister Janez Janša meint, dass er sich, was die Ortstafelfrage in Kärnten und die Rechte der slowenischen Minderheit in Kärnten betrifft, stärker gegenüber Österreich einsetzen werde. – Bei Ihnen, Frau Dr. Plassnik, als neuer Außenministerin würde mich sehr interessieren: Wie haben Sie damit umzugehen vor? Werden Sie das – Ihnen wird ja auch Durchsetzungsvermögen vorausgesagt – innerhalb der Bundesregierung stark vertreten und darauf pochen, dass es in Kärnten überall dort, wo eine gewisse Zahl von SlowenInnen lebt, endlich auch die schon im Staatsvertrag zugesagten zweisprachigen Ortstafeln gibt? (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Einem.)
Der Verfassungsgerichtshof hat das ja auch angeordnet, daher: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das geschehen wird? Sie sind ja selbst Kärntnerin! Ihnen muss das doch auch ein Anliegen sein. Ich hoffe jedenfalls, dass Sie sich da durchsetzen werden.
Sie, Frau Bundesministerin, haben zu den Fragen der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erwähnt, dass Sie für die Aufnahme von Verhandlungen sind. Sie haben dann aber gesagt, diese Verhandlungen müssen noch kein Ziel haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Frau Ministerin! Verhandlungen ohne Ziel zu führen, das kann es nicht sein. Es muss doch ein Ergebnis angestrebt werden. Das Ziel ist doch wohl bei der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen der Beitritt. Die Frage, die offen ist, ist, ob das Ziel erreicht werden kann, aber das Ziel muss wohl klar sein. Ich würde Sie also ersuchen, hier noch eine Klarstellung zu treffen, dass das Ziel sehr wohl der Beitritt ist. Die Frage ist nur offen, wann das sein wird und ob es sich ausgehen wird, aber das Ziel soll es wohl sein. (Beifall bei den Grünen.)
Zur Neutralität. Ich bin ja sehr erstaunt und erfreut, dass sogar der Bundeskanzler in Alpbach vor kurzem gesagt hat: Die Neutralität bleibt. Sie haben gesagt, Völkerrecht und Neutralität seien erfolgreich. Ich hoffe, dass damit der Zickzack-Kurs der ÖVP beendet wird und beendet ist. Einmal will sie in die NATO, jetzt bleibt doch die Neutralität. Das hat ja alles nicht zusammengepasst in den letzten Jahren.
Also in der Frage der Aufrechterhaltung der Neutralität und der Nutzung für eine aktive Friedenspolitik können Sie unsere Unterstützung haben.
Frau Ministerin, noch ein paar Punkte. Zum Budget: Ich finde es ja schade, dass Sie nicht schon vor einigen Monaten ernannt wurden und auch die Möglichkeit hatten, gegenüber dem Finanzministerium das Budget des Außenamts mitzuverhandeln. Jetzt
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bleibt Ihnen wenig Zeit, für 2005 hier noch viel zu ändern, sei es beim Budget für die Entwicklungszusammenarbeit, sei es beim Budget für das Außenamt insgesamt, für notwendige Erhöhungen. Österreich hat im EU-Vergleich eines der geringsten Budgets für das Außenministerium, und das ist nicht gut für eine Außenministerin, die aktiv sein will.
Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit in einem internationalen Sinn, das wurde heute auch schon erwähnt. Ich hoffe von Ihnen, dass Sie hier nicht so wie Ihre Vorgängerin agieren, die, zum Beispiel was den Sudan betrifft, gemeint hat, lieber hinter verschlossenen Türen verhandeln. Noch im Mai sagte sie – Zitat Ferrero-Waldner –, die Situation sei nicht so gravierend. Ich hoffe und erwarte mir von Ihnen öffentliche Kritik an Menschenrechtsverletzungen, am Brechen von Rechtsstaatlichkeit, daran, wenn Länder diese Normen nicht einhalten, sei es der Sudan, sei es Russland. Offenes Umgehen ist auch in der Außenpolitik gefragt – nicht nur ein Agieren hinter verschlossenen Türen. (Beifall bei den Grünen.)
Diese aktive Friedenspolitik ist notwendig für Österreich, und da erwarte ich mir von Ihnen, Frau Ministerin, dass Sie nicht nur aus dem Schatten des Bundeskanzlers herausragen – das haben Sie auch bisher schon getan –, sondern dass Sie sich auch aus der Loyalität zum Bundeskanzler, die Sie bisher hatten, herauswagen und eigene Akzente setzen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sehr sexistisch!) Tatsächliche Friedenspolitik zu machen, nicht mit Außenpolitik innenpolitisches Kleingeld machen zu wollen und einen wirklichen Dialog zu führen, dazu wünsche ich Ihnen viel Erfolg. (Beifall bei den Grünen.)
10.56
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. Auch seine Redezeit beträgt 7 Minuten. – Bitte.
10.56
Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Frau Ministerin! Sie haben in Ihrer Rede erklärt, dass die Europapolitik ein wichtiger Bestandteil der Außenpolitik sein werde. Das stimmt nicht mehr ganz. Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ist Europapolitik keine klassische Außenpolitik mehr und sie ist auch keine klassische Innenpolitik mehr. Sie stellen sich heute deshalb hier dem Hohen Haus in einer Doppelfunktion vor, nämlich als Außen- und als Europaministerin.
Frau Ministerin! Deshalb möchte ich auch in dieser Zweitfunktion an Sie einige Anliegen richten. Sie haben richtig erklärt, dass die Europäische Verfassung in den nächsten Monaten eines der wichtigsten Projekte sein wird, auch auf europäischer Ebene die Zusammensetzung der Union, die Arbeitsweise, das Verhältnis zwischen Union und Mitgliedsländern neu auf den Punkt zu bringen. Sie werden in Rom diesen Verfassungsvertrag unterzeichnen, und Sie werden auch wesentlich mitbestimmen, in welcher Form man die Bürger an der Ratifizierung dieses neuen Verfassungsvertrages beteiligt.
Wir haben im Europäischen Konvent vor allem unter der Überschrift „Bürgernähe“ gearbeitet; es war das Hauptziel von uns, einen Verfassungsvertragsentwurf zu erarbeiten, der es den Bürgern ermöglicht, mit diesen Entwicklungen mitzuhalten, der die Verfassung klarer macht, der verdeutlicht, in welcher Form die Europäische Union ihre Kompetenzen hinkünftig gebrauchen wird, wie sie ihr Verhältnis zu den Mitgliedsländern gestalten möchte. Deshalb bin ich der Ansicht, dass wir auf europäischer Ebene auch die Frage der Volksabstimmung über diese neue Verfassung in den nächsten Monaten wieder zur Sprache bringen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
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Ich möchte deshalb als Freiheitlicher an Sie das Ersuchen richten, in all den Gremien, in den Räten, in denen Sie zu Wort kommen, das auch zu tun. Ob das eine europaweite Volksabstimmung sein wird oder ob man andere Wege finden wird müssen, das können wir jetzt noch nicht beurteilen. Wir haben noch die Möglichkeit, ein europaweites Referendum auf die Schiene zu bringen. Wir erleben ja die Diskussion über diese Verfassung auch in den anderen Mitgliedsländern, in den Mitgliedsländern, die eigentlich vor einem, vor zwei Jahren noch ausgeschlossen haben, dass es auf nationaler Ebene bei ihnen zu Volksabstimmungen kommen werde. Deshalb glaube ich, dass auch diese Frage eine vollkommen neue Qualität erreicht hat durch diese öffentliche Diskussion darüber, und wir Freiheitlichen ersuchen Sie, auf europäischer Ebene für diese Frage der Volksabstimmung über diese neue Verfassung, die gravierend in das Leben der Menschen eingreift, einzutreten.
Es kann nämlich nicht so sein, dass die politische Führung auf europäischer Ebene wesentliche Dinge beschließt, voraneilt, und die Völker Europas können diesen Entwicklungen nicht nacheilen. Früher oder später, meine Damen und Herren, würde das eine Diskrepanz bringen, die das Experiment Europäische Union scheitern ließe.
Auch die Frage der EU-Grenzen ist in den
nächsten Jahren zu stellen. Damit im Zusammenhang zu sehen ist jetzt auch die
Frage des Beitritts der Türkei zur Europäischen Union. Wir Freiheitlichen
haben klar gesagt, dass wir uns auch nach dem Bericht – ja, gerade nach
dem Bericht der Kommission! – Verhandlungen über einen Beitritt mit der
Türkei nicht vorstellen können. Es kann ja nicht so sein, dass
man sagt, ein Land erfüllt die Kriterien zum Beitritt zur Europäischen Union,
während wir gerade in Österreich laufend positive Asylanträge aus diesem Land
zu behandeln haben. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den
Vorsitz.)
Es wird in dieser Beziehung, denken wir, noch ein Fortschritt gemacht werden müssen, und die Türkei ist in ihrer derzeitigen Zusammensetzung und in ihrem politischen Klima und in ihrer politischen Kultur noch nicht reif für einen Beitritt zur Europäischen Union. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich ersuche deshalb auch Sie, in den Räten,
und auch den Herrn Bundeskanzler, im Europäischen Rat, wenn es dann darum gehen
wird, ein Dokument zu erstellen, das den Beginn dieser Verhandlungen mit der
Türkischen Republik begründet, darauf zu achten, dass dieser offene Ausgang der
Verhandlungen nicht nur erklärt wird, sondern dass er in diesem Dokument auch
festgeschrieben ist, damit die Bürger Europas auch einen Anhaltspunkt haben,
dass diese Verhandlungen mit der Türkischen Republik nicht zwingend in einen
Beitritt münden müssen, sondern dass es dabei ausschließlich um die Klärung des
Verhältnisses der Europäischen Union zur Türkischen Republik in den nächsten
Jahren gehen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Das werden gleichzeitig auch Modellverhandlungen sein müssen, und auch das Ergebnis dieser Verhandlungen wird Modellcharakter haben, denn viele Länder – ehemalige Mitgliedsländer der Sowjetunion zum Beispiel – bemühen sich auch um einen Beitritt zur Europäischen Union; je früher und je ehrlicher wir sagen, dass Weißrussland, die Ukraine und so weiter nicht die Möglichkeit haben werden, ein Vollmitglied der Europäischen Union zu werden, desto fairer ist das von Seiten der Europäischen Union. Das hätte die Union auch mit der Türkei schon längst machen müssen.
Frau Ministerin und Herr Bundeskanzler! Ich möchte Sie deshalb ersuchen, dass Sie gerade in den entscheidenden Räten auf europäischer Ebene dieses Prinzip, das wir Freiheitlichen vertreten – wenn es geht, keine Verhandlungen mit der Türkei aufzunehmen, weil sie noch nicht die Kriterien für eine EU-Mitgliedschaft erfüllt –, deutlich machen, und dass Sie, wenn es zu diesen Verhandlungen kommt, dafür eintreten, dass das offene Verhandlungen sind und dass es hiebei ausschließlich darum geht, das
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Verhältnis der Union zur Türkei zu klären, und nicht um einen Beitritt. –
Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Mag. Molterer.)
11.02
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Staatssekretärin Haubner zu Wort. Frau Staatssekretärin, auch Ihre Redezeit beträgt 7 Minuten. – Bitte.
11.03
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr verehrte Frau Außenministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Österreich braucht eine selbstbewusste, eine aktive und vor allem von guter und friedlicher Nachbarschaft geprägte Außenpolitik. Damit diese Linie vertreten werden kann, benötigt die Außenpolitik engagierte und lösungsorientierte Politikerinnen und Politiker, welche den großen Herausforderungen der nächsten Jahre erfolgreich begegnen. Ich meine jene Herausforderungen, die auch entscheiden werden, wie sich Österreich in seinen internationalen, in seinen bilateralen Beziehungen, aber auch innerhalb der Europäischen Union in den kommenden Jahren positionieren wird.
Mit Ihrer Rede, sehr verehrte Frau Außenministerin, haben Sie bewiesen, dass das Ihre Linie und dass das Ihr Ziel ist, und wir als freiheitliche Regierungsfraktion – ich spreche hier auch namens unseres Vizekanzlers – begrüßen die Entscheidung, dass Sie als Außenministerin der Republik Österreich bestellt wurden, sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Wir verbinden aber mit dieser Bestellung auch einige Wünsche, die zum Teil von den Vorrednern meiner Fraktion schon angeführt wurden. Gerade für Österreich als relativ kleines Land, aber als Land mit starken internationalen Verflechtungen, ist es entscheidend, dass die Außenpolitik sichtbare Akzente setzt. Ich bin davon überzeugt, dass es Ihnen, sehr geehrte Frau Außenministerin, in Ihrer zukünftigen Aufgabe oberster Auftrag sein wird, die österreichischen Interessen im Ausland und speziell innerhalb der Europäischen Union sehr bestimmt – so wie es auch Ihrer bisherigen Arbeitsweise entsprochen hat – zu vertreten.
Der Fokus der österreichischen Außenpolitik liegt traditionellerweise im südosteuropäischen Raum, also bei unseren unmittelbaren und mittelbaren Nachbarstaaten, die nunmehr teilweise ebenfalls Mitglieder der Europäischen Union geworden sind.
Diese Ausrichtung einer aktiven österreichischen Außenpolitik ist eine gute und sinnvolle – nicht nur für die Republik selbst, sondern insbesondere auch für die Wirtschaft Österreichs und somit für den Wirtschaftsstandort, wie dies schon einige Vorredner angesprochen haben. Unsere europäischen Nachbarstaaten haben im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten ein steigendes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen, und dies ist auch ein großes Potential für unsere heimische Wirtschaft.
Für Österreich im Herzen Europas ist es nur natürlich, dass wir uns im Schließen von Allianzen auf europäischer Ebene nach allen Richtungen hin orientieren. Es ist ganz wesentlich für uns, die erfolgte Erweiterung für neue Partnerschaften innerhalb der großen europäischen Familie zu nützen, Partnerschaften unter Mitgliedstaaten, die innerhalb der Europäischen Union dieselben Interessen haben. Und da finden wir uns eben oft naturgemäß mit unseren unmittelbaren östlichen Nachbarstaaten im Einklang.
Es ist aber auch eine Aufgabe Österreichs, sich international für Ausgleich und friedliche Entwicklung einzusetzen sowie zur Entspannung beizutragen, wo immer dies notwendig erscheint. Dies gilt vor allem auch für den Nahen Osten, wo Österreich einen
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guten Ruf genießt, und es gilt, diesen auch zu nützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Österreich kann eine Brücke zwischen Europa und dieser Region schlagen und so einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Bewältigung von Krisen leisten.
Sehr verehrte Frau Außenministerin! Eine schwierige und sehr schwerwiegende Entscheidung wird die Europäische Union im Dezember 2004 zu fällen haben: die Frage der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, zu der die freiheitliche Regierungsfraktion eine klare Meinung bezogen hat.
Ich freue mich aber auch besonders als Frau, dass das weibliche Team in dieser Regierung durch Ihre Bestellung verstärkt wird. Und ich sehe Ihre Bestellung auch als ein ganz wichtiges Signal, dass besondere Qualitäten von Frauen, die in der Politik unerlässlich sind – nämlich Teamfähigkeit, Ausdauer, Hartnäckigkeit und vor allem Dialogfähigkeit –, auch im so wichtigen Außenamt eine entsprechende Fortsetzung nach Benita Ferrero-Waldner finden werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Als Koalitionspartner in dieser Bundesregierung werden wir Sie in Ihrer sehr verantwortungsvollen Aufgabe unterstützen, weil wir davon ausgehen, dass Sie auch in kritischen und unterschiedlich zu sehenden Fragen beste gemeinsame Lösungen suchen, aber vor allem Lösungen suchen, die für Österreich und für die Bevölkerung Österreichs gut sind.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute, viel Erfolg, viel Ausdauer – und vor allem viel Anerkennung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Staatssekretärin Haubner reicht Bundesministerin Dr. Plassnik die Hand.)
11.09
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Bayr zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.
11.09
Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank und im Plenum! Liebe Frau Außenministerin! Die Medien der letzten Tage haben öfters die Diktion verwendet, dass Sie einer neuen Konzeption von österreichischer Außenpolitik Ihre Handschrift geben werden. Als Sozialdemokratin hoffe ich sehr, dass das von Ihnen zu schreibende Kapitel über Entwicklungszusammenarbeit einerseits ein ausführliches, ein umfangreiches ist, und andererseits eines, das in eine politische Gesamtkonzeption eingebunden ist. Ich erinnere nur an unseren nächsten Tagesordnungspunkt bezüglich Asyl: Asylfragen und Entwicklungsfragen sind untrennbar miteinander verbunden. Ich hoffe, dass die Entwicklungszusammenarbeit Tiefgang hat und dass dieses Kapitel mit Leidenschaft geschrieben wird. (Beifall bei der SPÖ.)
Ihre Vorgängerin und auch der Finanzminister haben ja auch mit Leidenschaft auf internationalen Konferenzen sehr viele Zusagen finanzieller Natur gemacht, nur ist leider sehr wenig geschehen. Das betrifft sowohl den inhaltlichen Teil – wie zum Beispiel die Konferenz von Kairo 1994, bei der es um Bevölkerungsentwicklung gegangen ist – als auch strukturelle Festlegungen, wie, dass wir unser Entwicklungspolitik-Budget bis 2006 auf 0,33 Prozent des Bruttonationaleinkommens steigern sollen.
Zu Letzterem hat das Außenministerium im
Drei-Jahres-Programm für die Entwicklungszusammenarbeit einen Fehlbetrag von
226 Millionen € festgestellt, und wenn man sich das Budget ... (Unruhe
im Saal.)
Präsidentin Mag. Barbara Prammer (das Glockenzeichen gebend): Ich würde ersuchen, dass sich der Geräuschpegel wieder etwas senkt! – Danke.
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Abgeordnete Petra Bayr (fortsetzend): Würde auch ich gut finden. – Wenn man sich das Budget 2005 anschaut, dann sieht man, dass im Bereich der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit gerade einmal 1,3 Millionen € dazukommen. Das heißt, dass Sie für das Jahr 2006 noch einen sehr großen Brocken vor sich haben, wo es darum geht, das Budget zu steigern.
Mittelfristig ist nach wie vor das Ziel der 0,7 Prozent erreichbar; ich bin sehr zuversichtlich, dass Sie, anders als Ihre Vorgängerin, einen Etappenplan vorlegen werden, einen Plan, wie wir diese 0,7 Prozent erreichen, wie das im Übrigen auch einige andere Länder jetzt anlässlich der Herbsttagung der Weltbank gemacht haben.
Ich hoffe – und ich wünsche es uns, ich wünsche es Ihnen –, dass wir in der nächsten Zeit auch einen wichtigen Schritt in Richtung Kohärenz in der Entwicklungszusammenarbeit gehen können. Es ist nicht einfach, da sehr unterschiedliche Agenden der Entwicklungspolitik auf die verschiedenen Ministerien verteilt sind. Ich hoffe, dass das bald ein Ende hat und dass Sie als Außenministerin in entwicklungsrelevanten Entscheidungen das letzte Wort haben. Das wäre qualitativ ein Riesensprung vorwärts.
Zu dieser kohärenten Entwicklungspolitik gehört natürlich auch eine starke, schlagkräftige, gut ausgestattete Sektion VII im Außenministerium. Ich bin mir ganz sicher, dass alle Gerüchte, wonach diese Sektion in eine Gruppe überführt und der Politischen Sektion des Außenministeriums unterstellt werden soll, sicherlich nur Schall und Rauch sind.
Als Vorsitzende des Unterausschusses für Entwicklungszusammenarbeit würde ich mich natürlich sehr über eine engere Kooperation zwischen Außenamt und Parlament freuen. Ich hoffe, dass es in Zukunft einfacher wird, Unterausschuss-Termine zu vereinbaren, und dass wir wirklich zu einem regelmäßigen entwicklungspolitischen Diskurs hier im Parlament kommen können.
Es gibt auch sonst noch eine ganze Menge Anknüpfungspunkte Ihrer Arbeit zum Parlament. Ich denke zum Beispiel nur daran, dass wir eine Abgeordnetengruppe, bestehend aus Nationalräten, aus Bundesräten aller Fraktionen, hier im Hause haben, die sich mit der reproduktiven Gesundheit beschäftigt und wir uns als einen der nächsten wichtigen Schwerpunkte das Thema Frauenhandel gesetzt haben. Im Hinblick auf unsere Ostzusammenarbeit denke ich, dass sich da Moldawien ein bisschen als neues Schwerpunktland herauskristallisiert. Da wäre es ganz sicher wichtig, genau dort einzuhaken und dort präventiv tätig zu sein und diese wichtige Arbeit zu unterstützen, die zum Teil schon im Beginnen ist.
Während der EU-Präsidentschaft 2006 wäre es
schön, wie wir das schon einmal im Haus hatten, eine Konferenz auf
parlamentarischer Ebene zwischen der Europäischen Union und dem subsaharischen
Afrika zu haben. Auch da wäre eine Kooperation mit dem Außenministerium zum
Beispiel zum Thema Konfliktprävention
sehr wünschenswert.
Ich
denke, dass es überhaupt politisch geboten wäre, sowohl außenpolitisch gesamt
als auch entwicklungspolitisch einen Fokus auf Afrika zu legen, denn dieser
Kontinent läuft Gefahr, vergessen und mit seinen Problemen allein gelassen zu
werden. Afrika nimmt nur mehr mit 1,6 Prozent an der Weltwirtschaft teil,
HIV und Aids geraten in manchen Ländern außer Kontrolle, und auch die
Bildungsoffensiven beginnen zum Teil zu stocken.
Das
alles zeigt, dass wir großen Handlungsbedarf haben, die Millennium Development
Goals wirklich umzusetzen, also dass wir das, was die UNO für dieses
Jahrtausend vorgibt, bis 2015 auch tatsächlich verwirklichen.
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 38 |
Sehr geehrte Frau Ministerin! Im Kampf um
mehr Geld für Entwicklungszusammenarbeit, um Kohärenz, um einen fruchtbaren
Dialog zwischen Außenministerium und Parlament, beim Hinwenden zu Afrika haben
Sie in uns SozialdemokratInnen sicher konstruktive Verbündete. Ich wünsche
Ihnen auch für Ihre Arbeit viel Energie, Visionen – und auch Spaß, weil
der ist, glaube ich, auch ganz wichtig. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
11.14
Präsidentin Mag. Barbara
Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete
Dr. Baumgartner-Gabitzer. Frau Abgeordnete: 5 Minuten
Redezeit. – Bitte.
11.15
Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Frau Außenministerin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich ganz kurz auf Frau Kollegin Lunacek eingehen. Wenn Sie die Attribute „sensibel“ und „gebildet“ sexistisch nennen, so kann ich dazu nur sagen: Ich finde, dass Herr Van der Bellen außerordentlich sensibel und gebildet ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Neudeck: Der ist sogar sexy!) Also, es gibt keinen Unterschied.
Das als
Sexismus zu bezeichnen halte ich für sehr übertrieben. Jeder Mensch kann froh
sein, wenn er als sensibel und gebildet bezeichnet wird und es auch ist, egal
ob Mann oder Frau. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir
haben heute Gelegenheit, über eine neue Bundesministerin zu sprechen, über ihr
Amt, über ihr Amtsverständnis und über eine neue Außenpolitik. Wenn ein
Regierungsmitglied vorgestellt wird, wird in erster Linie die Person beleuchtet.
Und Ursula Plassnik bringt als Person die besten Voraussetzungen für eine gute,
eine erfolgreiche Außenministerin mit.
Zum
einen – das war überall zu lesen – ist der einhellige Tenor, der
nicht sexistische Tenor, dass sie beruflich hervorragend qualifiziert ist. Sie
bringt alle Voraussetzungen mit, aber, und das ist sehr wichtig: Sie ist auch
von ihrer Persönlichkeit her sehr geeignet, als Außenministerin sehr
erfolgreich zu sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Sehr oft
zu beobachten, dass die Art der Persönlichkeit, die Art, wie man an Dinge
herangeht, entscheidend ist, um in einem Amt zu überzeugen. Ursula Plassnik hat
sehr viele positive Attribute, die auch schon genannt worden sind: Sie hat eine
schnelle Auffassungsgabe, ist dynamisch und gebildet, sie hat – und das
ist für Erfolg notwendig – darüber hinaus diese berühmten weichen
Erfolgsfaktoren: Sie ist sensibel für die Anliegen anderer, sie kann zuhören.
Sie entscheidet aber auch und kann Dinge durchsetzen.
Das sind
Eigenheiten, die eine erfolgreiche Politikerin auszeichnen, aber das sind
Eigenheiten – und das ist wahrscheinlich für uns auch besonders
bedeutend –, die wichtig sind, um Österreich in der Außenpolitik gut zu
vertreten. Das wird ihr, und davon bin überzeugt, hervorragend gelingen.
Sie hat
heute in ihrer programmatischen Rede ihre Positionierungen in der Außenpolitik
klar dargelegt und die Wichtigkeit einer starken gemeinsamen Basis in der Außenpolitik
besonders hervorgehoben. Sie hat gezeigt, dass ihr die Nachbarschaftspolitik
und die Europapolitik ein besonderes Anliegen sind. Österreich hat da auch
schon viele Erfolge aufzuweisen, muss aber in diesem Bereich noch weiter tätig
sein.
Ein
weiterer wichtiger Schwerpunkt ist es, die Nachbarschaftspolitik zum Leben zu
erwecken und weiterzuentwickeln. Sie hat heute den Blick für die globalen
Probleme geöffnet und ihren Zugang dazu dargestellt.
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 39 |
Seitens der Opposition ist heute ein wirklich großer Vertrauensvorschuss gekommen. Dies ist ein sehr positives Signal und sehr bemerkenswert. Ich möchte dazu aber auch sagen: Ein Vertrauensvorschuss ist gut! Aber dass ein Vertrauensvorschuss allein die Herausforderung für die neue Außenministerin sein soll, das ist zu wenig! Das ist keine Einbahnstraße. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Es muss auf der anderen Seite auch ein Entgegenkommen der Opposition gegeben sein und das Wollen, die ausgestreckte Hand der Außenministerin – wie sie es heute hier betont hat – anzunehmen.
Es kommen große Aufgaben auf sie zu, die sie hervorragend erledigen wird. Sie wird sich nach einiger Zeit in ihrer neuen Rolle sehr wohl fühlen – davon bin ich überzeugt! Ich wünsche ihr persönlich alles Gute! Irgendwo haben wir ja eine ähnliche, eine gemeinsame Vorgeschichte. Ich freue mich, dass sie das Amt der Außenministerin angenommen hat. Es wird ihr zwar nicht ganz leicht gefallen sein, aber sie ist eine wirklich gute Wahl für Österreich. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
11.19
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.
11.20
Abgeordnete
Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Frau
Außenministerin! Hohes Haus! Es ist dies schon eine ganz andere
Regierungsumbildung als sonst immer, aber das ist ja auch nicht unlogisch, denn
bis jetzt haben wir die Regierungsumbildungen und die dazu abgegebenen
Erklärungen immer so erlebt, dass irgendetwas in der Freiheitlichen Partei
passiert ist, dann sind irgendwelche Türschilder hin und her verschoben worden,
und dann ist das Parlament
sozusagen mit einer Darstellung, wie toll und großartig die Regierungsarbeit
ist, konfrontiert worden. (Abg. Neudeck:
Das hat eh der Van der Bellen schon gesagt!) Es war also bisher immer ganz anders, als es heute ist, und das
ist auch nicht unlogisch. (Abg. Neudeck: Habt ihr eine Rede für alle,
oder wie ist das?)
Was das
FPÖ-Postenkarussell betrifft, so kann ich mich, wenn ich zurückdenke,
eigentlich an keinen einzigen FPÖ-Minister erinnern, der schon seit dem
Jahr 2000 dabei ist. Ich glaube, da irre ich mich nicht, oder? –
Nein, ich glaube, da irre ich mich nicht.
In diesem Sinne
ist es heute also etwas anderes. Ich persönlich freue mich sehr für Sie, Frau
Außenministerin, und ich darf das auch als gebürtige Oberkärntnerin zu einer
gebürtigen Oberkärntnerin sagen. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich, und ich
wünsche Ihnen auch alles Gute.
Allerdings dürfen
wir heute nicht ganz die Regierungsarbeit und das, was in den letzten Wochen
und Monaten passiert ist, außer Acht lassen oder aus den Augen verlieren, denn
allein die letzte Woche hat gezeigt, mit welchem Schlingerkurs die
schwarz-blaue Bundesregierung im Moment wieder unterwegs ist. Allein die
Aufhebung von zwei Gesetzen durch den Verfassungsgerichtshof (Abg. Scheibner:
Das ist immer noch nichts Außenpolitisches!), nämlich betreffend
Asylrecht und Zivildienst, zeugt von einem sehr, sehr lockeren Umgang mit der
österreichischen Bundesverfassung, von einem Organisationschaos und auch von
einem sehr legeren Umgang mit internationalem Recht, mit der
Menschenrechtskonvention, mit der Genfer Flüchtlingskonvention.
Was mich im Moment aber besonders bewegt und berührt, ist, dass sich jetzt zu dieser Stunde Tausende junge Menschen vor der Universität versammeln, um gemeinsam hierher zu ziehen, um gemeinsam zu protestieren gegen die Sparmaßnahmen an den Universitäten und gegen eine Sparpolitik in einem der wichtigsten Zukunftsbereiche,
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die es gibt, nämlich im Bildungsbereich, im
Forschungsbereich, an den Universitäten und an den Pflichtschulen. (Beifall
bei den Grünen.)
Ich bitte Sie,
diese Tausenden jungen Menschen als Bundesregierung auch ernst zu nehmen (Abg. Neudeck:
... Außenpolitik?) und die dramatische Situation an den Universitäten
auch als solche anzuerkennen und dagegen etwas zu unternehmen.
Wenn
Finanzminister Grasser sagt, die Universitäten sollen sich durch mehr Effizienz
den Spielraum selbst erarbeiten, dann frage ich mich wirklich, wo er seinen
Magistertitel herhat, denn wenn jemand so etwas sagt, dann hat er schon sehr,
sehr lange keine Universität mehr von innen gesehen! (Beifall bei den Grünen
und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Mittlerweile ist
es so, dass Studierende in Seminare nicht mehr hineinkommen, aber trotzdem
Studiengebühren zahlen müssen, dass man davon sprechen kann, dass eigentlich
die Freiheit der Wissenschaft und der Forschung gefährdet ist.
Es gibt viele
Aussagen von Vertretern einzelner Institute, die sagen, dass es unter dem
derzeitigen Sparzwang unmöglich ist, auch nur den Lehrbetrieb
aufrechtzuerhalten – von der Forschung ganz zu schweigen. Das ist eine so
ernste Situation, dass man das nicht einfach damit wegwischen kann, dass man
sagt: Die sollen eben bei sich selbst sparen und sich ihre Spielräume durch
Effizienz irgendwie weiter erwirtschaften! – Das ist zynisch, und das
können wir auch nicht akzeptieren. (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ.)
Von einem
angeblichen Schwerpunkt im Bereich Forschung, Entwicklung und Universitäten
ist im Budget absolut nichts zu finden, im Gegenteil: Wir sind mit dem
derzeitigen Finanzierungsstand beim Unibudget auf dem Stand des
Jahres 1999. (Abg. Steibl: Frau Kollegin, haben Sie das
Thema verfehlt?)
Vor diesem
Hintergrund mittlerweile noch davon zu sprechen, dass man Elite-Unis braucht,
ist wahrlich eine völlige Verkennung der politischen Notwendigkeiten!
Herr
Bundeskanzler – gut, dass Sie heute auch hier sind! –, ich bitte Sie,
den Finanzminister in dieser Frage an die Kandare zu nehmen. Es geht nicht an,
dass im Bereich Forschung, Entwicklung, Universitäten und Schulen so
vorgegangen wird. Hier nur eine Zahl: 1 500 bis
2 000 Pflichtschullehrer weniger! – Das kann nicht Ihr Ernst sein!
Das kann nicht Ihre Antwort darauf sein (Abg.
Dr. Brinek: ...! Wien hat das
verhandelt!), dass Österreich in diesem Bereich den Anschluss an die
europäische und vor allem auch an die internationale nicht einmal mehr Spitze,
sondern an das Mittelfeld verlieren wird. (Beifall bei den Grünen.)
Was auch nicht
geht, ist, dass man dann von einem Topf in den anderen verschiebt, wenn beide
Töpfe de facto nichts mehr haben, nämlich dass man jetzt einfach hergeht und
sozusagen als Notmaßnahme Mittel aus dem Forschungsbereich in die Universitäten
hineinsteckt. Das bedeutet de facto, einen Mangel zum nächsten hinüberzuschieben,
und löst die Misere nicht – im Gegenteil.
Ein drittes Thema
wollte ich noch kurz anschneiden, weil es im Moment auch sehr viele Leute
bewegt und diesen Schlingerkurs der Bundesregierung in der letzten Woche noch
einmal eindrucksvoll bestätigt hat:
Wenn Sie heute die Zeitungen aufschlagen, dann lesen Sie: 1 500 ÖBB-Mitarbeiter sollen zwangspensioniert werden. (Abg. Dr. Gusenbauer: 15 000!) – Wenn das Ihre Antwort darauf ist, dass man bei den ÖBB eine ordentliche Umstrukturierung braucht, dann gute Nacht! Das kann es wohl wirklich nicht sein, dass man Menschen mit, ich weiß nicht, 50, 53, 54 Jahren zwangspensioniert (Ruf bei der SPÖ: Mit 45! – Abg. Parnigoni: Mit 47!) – mit 45 oder 47 sogar, Entschuldigung! – und so versucht, das Unter-
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nehmen in irgendeiner Form in einen Wettbewerb hineinzuführen, der
für die öffentliche Verkehrsversorgung extrem wichtig ist. Wenn das
Ihre Antwort ist, dann weiß ich nicht, wann wir die nächste Regierungsumbildung
haben werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
11.25
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Dipl.-Ing. Scheuch das Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.
11.25
Abgeordneter
Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Frau
Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine
geschätzten Damen und Herren! Frau Dr. Glawischnig ist heute das zweite
Mal, seit ich hier als Parlamentarier tätig bin, als Kärntnerin aufgefallen. Es war heute das erste Mal, dass Sie
sich als – wie Sie selbst gesagt haben – „geborene Kärntnerin“
freuen, dass eine Kärntnerin Ministerin wurde. Es besteht also eine Assoziation
mit positiv wirkenden, erfolgreichen Kärntnern.
Das zweite Mal,
dass Sie bis jetzt Kärntnerin waren, war bei einer Wählertäuschung, als Sie
sich im Zuge der Landtagswahl kurzfristig nach Kärnten gewählt beziehungsweise
gemeldet haben, um damit vorzuführen, Sie würden wählbar sein. In Wirklichkeit
leben Sie seit Jahren in Wien und sind auch auf der Wiener Liste
gewählt! – Sie sollten also hier die Kirche im Dorf lassen. (Abg.
Dr. Glawischnig: Der Kärntner
Landeshauptmann ist Oberösterreicher! – Abg. Öllinger: Oberösterreicher Haider! Oberösterreicher Haider!
Goiserer! – Das hätten Sie nicht sagen sollen! – Ruf bei den
Freiheitlichen: Aber er wohnt herinnen!)
Insgesamt möchte
ich, was Ihren Redebeitrag betrifft, einfach darum bitten, dass ihr euch
vielleicht nächstes Mal im Klub ein bisschen besser absprecht. Vielleicht darf
der Herr Klubobmann Van der Bellen Sie dazu anregen, dann zur
Bildungspolitik zu sprechen, wenn es passt, und nicht dann, wenn es um die
Außenpolitik oder um eine Regierungsumbildung geht, so wie es heute der Fall
ist.
In diesem Sinne,
meine geschätzten Damen und Herren, möchte ich als nicht nur gebürtiger,
sondern auch lebender Kärntner (Heiterkeit
des Abg. Öllinger) der neuen
Außenministerin zu ihrem Amt gratulieren. Es beweist, dass Kärntner anscheinend
sehr gut Verantwortung übernehmen können, denn wenn vier von elf Ministern aus
Kärnten stammen, so zeigt das, dass Kärnten eine hohe Qualität an Politikern
hat. (Abg. Öllinger: ... dass die FPÖ einen Personalnotstand hat!) Und
um auch auf die Vorbehalte der Grünen entsprechend Bedacht zu nehmen: Es sind
zwei Frauen und zwei Männer – wir haben also auch die Quotenregelung
eingehalten!
Über die
Qualifikation der Außenministerin wurde vieles gesagt. Ich glaube, es ist nicht
nötig, hier noch zusätzlich darüber zu diskutieren. Die Freiheitlichen haben
ihr ihre Unterstützung zugesagt. Wir werden diese Unterstützung, wann immer es
nötig ist, auch geben. Sollte es einmal der einen oder anderen Unterstützung
speziell vielleicht im Bereich der arabischen Außenpolitik bedürfen, so haben
wir da auch Vertreter mit sehr fundierten Kenntnissen innerhalb unserer
Fraktion, die dafür sorgen können, dass das funktioniert.
Meine geschätzten Damen und Herren! Ich möchte heute auch noch einmal kurz zu zwei ehemaligen politischen Größen Stellung nehmen. Einer wird sehr bald für die Zukunft aus seiner Funktion ausscheiden, und Frau Ferrero-Waldner wird nach Brüssel übersiedeln. Es wurde heute hier über beide sehr viel Lob geäußert. Bei der ehemaligen Außenministerin und künftigen EU-Kommissarin kann ich mich dem Lob größtenteils anschließen, verbinde das aber natürlich auch mit der Hoffnung und der Erwartung, dass die Botschaft Österreichs in Zukunft noch stärker nach Brüssel getragen
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wird, dass ein Lobbying von Seiten Österreichs in Brüssel noch
vermehrt erfolgt, dass wir noch mehr davon ausgehen können, dass Österreich in
Brüssel gut vertreten ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Was den Kommissar
Fischler – bald ehemaligen Kommissar Fischler – betrifft, so teile
ich dieses Lob, das von Seiten der ÖVP gekommen ist, nicht so ganz. (Abg. Dr. Van der Bellen: Wir schon!) Ich teile auch nicht die Meinung
des Bundeskanzlers, dass Kommissar Fischler so besonders gute Agrarpolitik
gemacht hat, denn wir haben in den letzten zehn Jahren schon sehr oft gesehen,
dass Reformen im Agrarbereich nicht unbedingt dazu geführt haben, dass die
Bauern voll Hoffnung in die Zukunft geblickt haben, sondern es sind sehr viele
Betriebe zum Zusperren gezwungen worden.
Es ist hier sehr
oft eine Problematik entstanden, weil es einfach wichtig gewesen wäre –
und das ist die Erwartungshaltung, die wir Freiheitliche oder auch die freiheitlichen
Bauern hatten –, auf die heimische Landwirtschaft zu schauen, nicht nur
den Blick auf die gesamteuropäische Landwirtschaft zu richten, sondern ganz im
Speziellen darauf zu schauen, dass unsere bäuerlichen Familienbetriebe erhalten
bleiben (Abg. Dr. Glawischnig: Ist das jetzt
Außenpolitik?), dass die bäuerlichen Familienbetriebe des Alpenraums eine
Chance haben und nicht nur die Agrarfabriken im ehemaligen Osten. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Die zweite Sache,
die mir ein bisschen abgegangen ist, auch hier im Hohen Haus, ist die Präsenz
unserer Vertreter in Europa. Ich halte es für enorm wichtig – und ich glaube
auch, dass das für die Zukunft ein ganz besonderes Anliegen sein wird –,
dass wir mehr Möglichkeiten haben, hier im Parlament mit unseren höchstrangigen
Vertretern in den Gremien in Brüssel, in Straßburg oder wo auch immer zu reden,
zu diskutieren, zu sprechen, dass wir auch eine Chance bekommen, hier im
Parlament Diskussionen zu führen.
Meine geschätzten
Damen und Herren! Auch wenn ich weiß, dass das auf Grund der Rahmenbedingungen
momentan nicht ganz leicht möglich ist, auch wenn die Geschäftsordnung hier
anderes vorsieht, so glaube ich, dass es einfach wichtig ist – und deshalb
bin ich auch sehr froh, dass gerade die Freiheitlich diesbezüglich in Zukunft
Initiativen, sei es im Konvent oder auch woanders, setzen werden –, dass
wir hier mehr und kontroversiell mit unseren Repräsentanten in Brüssel
diskutieren können, dass wir hier von Seiten der Regierung, aber auch von
Seiten der Opposition Fragen stellen können, diskutieren können und damit auch
qualitativ zu einem besseren Verständnis von Österreich und Brüssel beitragen
können, denn das Wahlergebnis der letzten Europa-Wahlen hat gezeigt, dass in
diesem Bereich auf Seiten der Bevölkerung – und das zu Recht –
Verdrossenheit herrscht. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des
Abg. Mag. Molterer.)
Meine geschätzten
Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch einmal kurz zur Türkei-Frage
Stellung nehmen. Klubobmann Scheibner und Kollege Bösch haben die freiheitliche
Linie hier klar dargelegt. Wir sind die einzige Partei, die einen bestehenden
Vorstandsbeschluss hat, der einen Beitritt der Türkei im Sinne eines
Vollbeitritts ganz klar ablehnt. Wir lehnen auch die
Beitrittsverhandlungen – die einen Beitritt als logische Konsequenz
haben – ab.
Ich möchte daher auch an den Bundeskanzler noch einmal verstärkt die Bitte richten – weil er hier hinter mir auf der Regierungsbank sitzt, möchte ich das live und vor Ort machen (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen – Abg. Parnigoni: Was machen Sie dann im Hauptausschuss?) –, diese Verhandlungen so zu führen, dass es nicht zu einer Vollmitgliedschaft kommt, dass es nicht dazu kommt, dass wir zwingend in zeitlicher Hast verhandeln und mit Eile vorgehen, sondern dass wir sehr wohl bedenken sollten, dass die Interessen Österreichs und damit jene Europas im Vordergrund
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zu stehen
haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Das wird ein aufregender Hauptausschuss!)
11.31
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.
11.31
Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Das Kosensklima wird von der brutalen Wirklichkeit eingeholt. Zu Recht muss man auch erwähnen, dass man hier nicht nur über Außenpolitik diskutieren kann, sondern auch darauf hinweisen muss, dass es heute Studentendemonstrationen gibt: gegen das Aushungern der Universitäten, gegen die Nichtbereitstellung von 100 Millionen €, die dringend erforderlich wären, damit auch nur das Notwendigste abgedeckt werden kann. Die österreichischen Universitäten werden ausgehungert!
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass es angeblich Pläne gibt, 15 000 ÖBBler abzubauen, die ÖBB zu zerschlagen. – Das ist die Wirklichkeit, vor der wir uns heute befinden! Wir sollten uns also von diesem Konsensklima nicht täuschen lassen: Es schaut ganz anders aus in Österreich, und das sollte man in aller Deutlichkeit feststellen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)
Dabei geht es natürlich auch um den Wirtschaftsstandort Österreich, um die Wirtschaft, um die Beschäftigung und darum, dass möglichst viel unternommen wird, damit es zu einer neuen Wachstumsinitiative kommen kann.
Nun aber zur Außenpolitik. Frau Außenministerin! Ich verstehe, dass Sie natürlich in einer ersten Stellungnahme heute nicht im Detail all Ihre Pläne offen legen wollen oder können, aber ich glaube, dass Ihre Zeit natürlich knapp werden wird, denn es wird am 17. Dezember den Rat der Regierungschefs geben, es wird die Frage der Erweiterung und vor allem die Frage der Aufnahme allfälliger Beitrittsverhandlungen mit der Türkei anstehen.
Es geht dabei in Wirklichkeit um eine Grundsatzfrage, die wir alle miteinander zu beantworten haben, nämlich: Soll die Europäische Union auch eine Sozialunion, auch ein politisches Projekt sein, mit dem die Europäische Union in diesem Spannungsfeld der Globalisierung, der Bedrohung der Arbeitswelten, der Bedrohung von Standorten, der Bedrohung von sozialen Errungenschaften Widerstand leisten kann und ein kräftiger Partner ist, wo die Europäische Union sagt: Jawohl, wir wollen, dass es wirtschaftlich weitergeht! Wir wollen, dass es Frieden gibt, wir wollen, dass wir ein starker politischer Partner auf weltweiter Ebene sind!, wo die Europäische Union aber auch so etwas wie ein Schutzfaktor für die vielen sein kann, denen Pensionen und gesundheitliche Vorsorge wichtig sind, wo die Europäische Union auf Grund ihrer Stärke dafür sorgen kann, dass vieles, was wir hier in Österreich seit Jahren und Jahrzehnten erkämpft haben, auch durch die Europäische Union als Sozialunion abgesichert wird?
Das ist die Frage, die Grund dafür ist, dass wir so sehr darauf drängen, dass Konsolidierung vor Erweiterung gehen muss! Das trifft alle Kandidaten, wie Rumänien, Bulgarien, Kroatien und natürlich auch die Türkei, und es ist dabei nicht primär eine Diskussion darüber zu führen, ob der eine schon jetzt oder früher oder ein Jahr später dafür in Betracht kommt, ob es 20 oder 15 Jahre sein sollen – das ist sicherlich auch sehr wichtig –, sondern es muss auch geklärt sein, welches Projekt die Europäische Union ist!
Daher ist es so wichtig, dass die Verfassung endlich beschlossen wird! Daher ist es so wichtig, dass wir alle dafür eintreten, dass sich die Europäische Union und dass uns wir alle eine Verfassung, eine Ordnung, eine Regulierung geben! Das ist eine der we-
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sentlichen Voraussetzungen dafür. Daher ist es auch so wichtig, dass die Europäische Union nicht nur ein wirtschaftsliberales Modell ist, so unter dem Motto: Möglichst rasch möglichst viel erweitern, möglichst wenig regulieren, möglichst Sozialabbau, möglichst niedrigere Löhne! – und damit all das, was Generationen in der Tradition des europäischen Sozialstaates erkämpft haben, in Frage gestellt wird.
Deswegen sind wir Sozialdemokraten der Meinung, dass es klüger wäre (Abg. Dr. Fekter: Aber sie sind nicht dieser Meinung!), wenn am 17. Dezember versucht würde, einen Verhandlungsprozess – selbstverständlich! – mit der Türkei einzugehen, aber in Richtung eines alternativen Modells, und dass man darüber hinaus über Nachbarschaftsmodelle nachdenkt, die auch andere Länder betreffen, weil wir daran denken müssen, dass diese Europäische Union – Sie haben gesagt: Seite an Seite mit den Amerikanern – ja, aber als starker Partner, als Partner, der auf Grund seiner wirtschaftlichen Stärke, seiner sozialen Traditionen, seiner politischen Stärke akzeptiert wird! – nach Möglichkeit auch einheitlich aufzutreten versuchen soll.
Dafür plädieren wir, darum werben wir, und das ist, glaube ich, auch eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, dass man das Vertrauen der Bevölkerung gewinnt, das Vertrauen all jener, die Skepsis gegen die Europäische Union entwickelt und Kritik ihr gegenüber angebracht haben. Dieses Vertrauen wird man aber nicht gewinnen können, wenn man nur sagt: Ja, ja, wir verstehen schon deine Ängste – wie Sie, Frau Außenministerin, betont haben –, wir verstehen das schon alles!, aber den Weg trotzdem fortsetzt.
Sie müssen wissen: Das hat keinen offenen Ausgang! Wenn sich am 17. Dezember die Regierungschefs treffen, dann ist das ein Verhandlungsprozess in Richtung Beitritt. Nach den Finanzierungs- und Budgetplänen der EU soll das spätestens in zehn Jahren abgeschlossen sein.
Sie müssen daher der Bevölkerung offen und
ehrlich gegenübertreten und ihr reinen Wein einschenken! – Um darum, und
um nicht mehr, geht es: dass diese Europäische Union auch ein politisches
Projekt, auch eine soziale Union sein soll – also weit mehr also
als das, was sich wirtschaftsliberale Kreis vorstellen. (Beifall bei der SPÖ
sowie des Abg. Dr. Grünewald.)
11.36
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Dr. Fasslabend das Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.
11.36
Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Insbesondere sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren, wir kommen gegen das Ende dieser Debatte. Ich möchte daher nicht alle Argumente, die schon gebracht wurden, wiederholen, sondern mich insbesondere mit der heutigen Präsentation der neuen Außenministerin auseinander setzen, ein wenig auch mit dem Verlauf der Diskussion in der bisherigen Form.
Ich glaube, es war eigentlich von allen anerkannt, dass die Bestellung der neuen Außenministerin auch eine Gelegenheit ist, um eines der wichtigsten Prinzipien in der Politik, nämlich möglichst zu einem Konsens in der Außenpolitik und zu einer gemeinsamen Vorgangsweise zu gelangen, auch sichtbar werden zu lassen. Das haben in meinen Augen eigentlich alle Redner in unterschiedlicher Form und mit ihren persönlichen Ausdrucksmitteln versucht.
Enttäuscht war ich lediglich von der letzten Rede, nämlich jener des Kollegen Cap, der hier meiner Ansicht nach einfach versucht hat, in einer Stunde, die der Außenpolitik ge-
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widmet ist, billige Parteipropaganda in billiger Fernsehzeit durchzubringen. (Beifall bei der ÖVP.)
Herr Kollege Cap, ich kann nur sagen: Wenn Sie sich ein Beispiel an Peter Schieder oder auch an Ihrem Parteivorsitzenden Gusenbauer genommen hätten, dann wäre das sicherlich ein größerer Dienst an der Demokratie gewesen.
Was die Bestellung der neuen Außenministerin betrifft, so möchte ich ihr auch von dieser Stelle aus ganz herzlich gratulieren. Ich glaube, dass es ein Glücksfall war, dass diese Person mit dieser Funktion betraut wurde. Ich gratuliere daher auch dem Herrn Bundeskanzler dazu.
Es hat Herr Abgeordneter Bösch vollkommen richtig festgestellt, dass die heutige Funktion eines Außenministers von Österreich eine ganz andere ist als jene vor 15 oder 20 Jahren. Durch den Beitritt zur EU vereint diese Funktion heute die Funktion des Außenministers mit jener des Europaministers. Sie, Frau Außenministerin Plassnik, haben für beide Funktionen auf Grund Ihres Berufsweges geradezu die idealen Voraussetzungen. Sie sind eine gelernte Diplomatin, die alle Stadien bis zur Botschafterin durchlaufen hat, und Sie waren auf der anderen Seite als Kabinettchefin des Bundeskanzlers auch im Zentrum des politischen Geschehens, was für Europa von ungeheuer großer Bedeutung ist, wo alle Zusammenhänge sichtbar geworden sind.
Ich glaube daher, dass Sie nicht nur mit diesen Eigenschaften, sondern auch mit der bereits angesprochenen Hartnäckigkeit und Durchsetzungsfähigkeit für Österreich sehr viel leisten können und leisten werden. (Beifall bei der ÖVP.)
Was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass Sie sich in Ihrem ersten Satz bereits mit dem Hinweis, was es für ein Land bedeutet, wenn es nicht Mitglied der EU ist – Ihre ganz persönliche Erfahrung, die Sie in der Schweiz gemacht haben –, auch als ganz überzeugte Europäerin ausgewiesen und das auch mit anderen Worten und in anderen Relationen zum Ausdruck gebracht haben.
Was mich begeistert hat, war nicht nur, dass Sie inhaltlich einen Schwerpunkt auf die neue Nachbarschaftspolitik gesetzt haben, sondern dass Sie gleichzeitig auch bewusst gemacht haben, dass der Friede zu Hause und bei den Nachbarn beginnt. Ein ganz klares Wort zu diesem Friedensprozess, wozu auch Österreich einen Beitrag leisten kann.
Sie, Frau Bundesministerin, haben gleichzeitig auch klargemacht, dass sich die Position Österreichs danach richten wird und davon abhängig sein wird, welchen Beitrag wir in Europa leisten. Und das finde ich absolut richtig. Wir sollen nicht immer nur von den anderen erwarten, dass sie uns entgegenkommen, sondern wir müssen uns fragen, was wir tun können.
Sie, Frau Außenministerin, haben meiner Überzeugung nach in einmaliger Weise und mehr als jeder andere Diskussionsteilnehmer auch das Verhältnis zwischen den USA und Europa beleuchtet. Und ich halte das für entscheidend: Wenn wir an Weltpolitik denken, dann müssen wir uns selbstverständlich mit den USA auseinandersetzen, dann müssen wir uns auch damit auseinandersetzen, wie die Relation zwischen Europa – auch eines kleinen Landes – und den USA sein soll, nicht nur einseitig und, weil es vielleicht opportun ist, jetzt auf Distanz gehen, sondern wir müssen auch die ganz besonders wichtige Rolle, die Europa und die USA in der Zukunft gemeinsam für Frieden, Freiheit, Umwelt und Sicherheit spielen können, entsprechend hervorheben und uns damit auseinandersetzen.
Sie, Frau Minister Plassnik, haben am Schluss Ihrer Rede nicht nur auf Ihre persönliche Offenheit für die Problemstellungen hingewiesen: Mir hat besonders gut gefallen, wie Sie, was die Türkei-Frage betrifft, auch Probleme angesprochen haben, aber auch
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Notwendigkeiten, nämlich dass wir auch sehen, wie bedeutend es ist, dass wir eine ganz intensive Partnerschaft mit diesem ungeheuer wichtigen Land eingehen. Ich gratuliere Ihnen dazu, auch zu dieser Offenheit! Diese wird notwendig sein.
Mich hat begeistert, dass Sie letztendlich
in Ihrem letzten Satz mit der Erwähnung von Egon Matzner ein ganz klares
Zeichen gegeben haben. Es geht Ihnen nicht nur um den Satz, sondern es geht
Ihnen auch darum, zu zeigen, dass die Einstellung wichtig ist, dass die Haltung
wichtig ist, dass es entscheidend ist, dass wir auch über die Grenzen der
Partei hinwegsehen, dass wir eine Politik, eine gemeinsame Außenpolitik für
ganz Österreich, für die Österreicherinnen und Österreicher machen. Ich
gratuliere Ihnen dazu! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
11.42
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Redezeit: ebenfalls 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
11.42
Abgeordneter
Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine Damen und
Herren! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich teile den Respekt, den Ihnen die
Abgeordneten dieses Hauses mit ihren Beiträgen und mit ihrem Applaus entgegengebracht
haben, aber: Ich habe mir möglicherweise noch ein bisschen mehr erwartet (Abg.
Steibl: Unausgeschlafen!), nämlich einen klaren Hinweis
darauf – und das ist eine Anregung für die Zukunft –, wie nach Frau
Ferrero-Waldner ein nicht nur seriöser, sondern auch engagierter Neubeginn der
österreichischen Außenpolitik aussehen, wie eine neue Rolle Österreichs ausschauen
kann. In den letzten Jahren hatte Österreich keine klare außenpolitische Rolle.
Darin liegt nun eine Riesenchance. (Abg. Dr. Spindelegger: Das
sagen Sie?)
In den nächsten beiden Jahren – und ich hätte mir erwartet, dass das von Ihnen etwas deutlicher angesprochen wird – kommt in unserer Nachbarschaft einiges auf uns zu. Im nächsten Jahr läuft die Sicherheitsratsresolution im Kosovo aus. Niemand weiß, was dort passiert. Alle, die sich nicht nur mit Nachbarschaftspolitik, sondern auch mit internationalen Fragen beschäftigen, wissen, dass man rechtzeitig etwas tun muss, damit dort nicht wieder dasselbe passiert. Das Jahr darauf wird es eine Volksabstimmung über die mögliche Lostrennung Montenegros vom serbischen Staatsverband geben. Frau Bundesminister, Sie wissen das genauso gut wie ich. Ich rege nur an, dass sich im Gegensatz zu Kroatien, im Gegensatz zu Bosnien-Herzegowina die österreichische Außenpolitik diesmal auf eine ganz andere Art und Weise rechtzeitig vorbereitet und eine völlig andere Rolle spielt. (Beifall bei den Grünen.)
Das ist eine österreichische Chance. Aber das ist keine Frage, die Österreich allein lösen kann, sondern das ist eine europäische Frage. Mit Ihrem klaren Bekenntnis zur europäischen Politik könnten Sie heute auch eines im Namen der Republik Österreich feststellen, nämlich dass die Europäische Union heute bereits in der Lage ist, die Verantwortung für die Sicherheit und die Stabilität in Südosteuropa selbst zu übernehmen.
Wir wissen, dass das geht. Wir wissen, dass Europa die Ressourcen dazu hat. Wir wissen, dass Europa die Möglichkeiten dazu hat. Und wir wissen, dass nur eines fehlt: der gemeinsame außenpolitische Wille, die gemeinsame außenpolitische Initiative. Und das wäre eine Königsrolle für die österreichische Außenpolitik, an diesen beiden Konfliktfällen in Wien, in Brüssel und in Südosteuropa genau das zu beginnen. (Beifall bei den Grünen.)
Wir haben in der Entwicklung der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik derzeit ein großes Problem: dass sich die Militärs scheinbar leicht auf alles mögliche einigen, dass militärische Einheiten wie Battlegroups eine nach der anderen aufgestellt werden, dass sich eine strukturierte Zusammenarbeit in einem militärischen Kerneuropa abzu-
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zeichnen beginnt und dass eine Außenpolitik, die ja die Basis der Sicherheitspolitik sein müsste, nach wie vor durch das Einstimmigkeitsprinzip in Brüssel, in der europäischen Verfassung letzten Endes behindert und geknebelt ist.
Es wäre die Aufgabe einer europäischen
österreichischen Außenpolitik, Verbündete zu suchen, um die Verfassung
in diesem entscheidenden Punkt zu verbessern – und nicht immer darüber
nachzudenken, wer von Österreich in Brüssel etwas für Österreich tun kann,
sondern darüber, wer in Wien in Brüssel und auch sonst überall endlich etwas
für Europa tun kann. (Beifall bei den Grünen.)
Das ist die Frage, die Sie von der ÖVP Ihrem freiheitlichen Koalitionspartner, der das auch heute wieder ganz deutlich anders gesehen hat als Sie, ins kleine blaue Stammbuch schreiben sollten.
Wir bieten Ihnen an, eine europäische Politik dieses Zuschnitts zu unterstützen, eine Politik, die sagt: Zuerst kommt friedliche Außenpolitik, zuerst kommt Prävention, und dann kommen eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik und eine Nachbarschaftspolitik, die sich nicht wie in der Vergangenheit darauf beschränkt, Freundschaften zu pflegen, sondern versucht, rechtzeitig dort präsent zu sein und gemeinsam friedlich einzuwirken, wo man Konflikte und blutige Auseinandersetzungen noch verhindern kann.
Ich weiß, dass Sie durchaus bereit sind,
das zu tun. Wenn Sie das machen und wenn Sie europäische Initiative in diese
Richtung unterstützen, dann werden Sie sicherlich auch unsere Hilfe
haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
11.48
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wittauer. Redezeit: wiederum 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
11.48
Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Herr Kanzler! Frau Außenminister! Werte Regierungsmitglieder! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Pilz, wer kann in Österreich, in Wien etwas für Europa tun? – Das ist Ihre Politik.
Unsere freiheitliche Politik ist: Wer kann für Österreich etwas in Europa tun? Diesbezüglich unterscheiden wir uns zutiefst.
Wenn Abgeordneter Pilz die Frau Außenministerin lobt, dann endet das – wie bei jedem Lob von den Grünen – immer mit einem Aber. Ich glaube, die Österreicherinnen und Österreicher sollten wissen, ein Aber bedeutet immer etwas Negatives. Also ist die Rede schon falsch angelegt.
Liebe Frau Außenministerin! Ihre gestrige Aussage in der „ZiB 2“ – ich zitiere –: Ich bin zuerst Kärntnerin, dann Österreicherin und am Ende Europäerin!, macht Sie für mich abgesehen von Ihrer Qualifikation, die unbestritten ist, äußerst sympathisch.
In Konflikten helfen, vermitteln, ausgleichen war immer eine Stärke der österreichischen Außenpolitik. Mit Ihrer Nominierung zur Außenministerin wird diese außergewöhnliche Stärke weitergeführt. Die Herausforderungen der Zukunft: Erweiterung der EU, gerade in Bezug auf die Türkei, die Etablierung einer europäischen Verfassung, Frieden schaffende, Frieden bewahrende Maßnahmen in krisengeschüttelten Regionen sind nur einige von vielen zu erwähnenden Punkten.
Voraussichtlich wird es mit der Aufnahme von Rumänien, Bulgarien, Kroatien 2007 in die EU nicht einfacher für uns alle. Aber viele österreichische Unternehmen, vor allem österreichische Banken, investieren dort bereits sehr stark, um mitzuhelfen, dass die Voraussetzungen gegeben sind, wenn diese Länder in die EU aufgenommen werden.
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 48 |
Dort ist Österreich sehr stark am wirtschaftlichen Aufschwung beteiligt. Wir kennen auch die Zahlen. Und um diesen Erfolg weiterhin zu gewährleisten, braucht es auch gute zwischenstaatliche Beziehungen. Das wird vor allem auch Ihre Aufgabe sein, Frau Minister. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich möchte auch zu den Aussagen des Klubobmannes Van der Bellen, dass die Distanz unserer Bürgerinnen und Bürger zu Europa, zu Brüssel vor allem auf eine fehlerhafte und unzureichende Vermittlung unserer Bundesregierung zurückzuführen sei, etwas sagen: Das ist falsch! Die Distanz kommt deshalb: zu viel Bürokratie, Zentralismus, Verschwendung und die ablehnende Haltung – gerade auch hin und wieder von Brüssel – gegenüber den Bürgern, den einzelnen Nationalstaaten. Man sieht das in der Transitfrage und bei vielen anderen Dingen.
Ich glaube, da ist es wichtig, dass die österreichischen Positionen sehr stark vertreten werden, gerade in Brüssel und gerade dort, wo es notwendig ist.
Zur Frage Türkei: Was die Aufnahme der Türkei in die EU betrifft, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Die Türkei geht mit der Voraussetzung in diese Verhandlungen, dass sie aufgenommen wird. Unsere freiheitliche Position ist: Wir sind dagegen! Eine starke Anbindung der Türkei an Europa, aber keine Vollmitgliedschaft. Ich glaube, auch das wird eine sehr schwierige Aufgabe. Ich hoffe, dass Sie diese bewältigen werden, um diese österreichische Position auch dort bei den Verhandlungen und am Ende durchzusetzen.
Ein weiteres Thema ist Südtirol, gerade für uns Tiroler. Es gibt dort viel Konfliktstoff. Gerade vor kurzem sind drei tote Kaiserschützen pietätlos behandelt worden. Außenministerin Ferrero-Waldner ist es gelungen, durchzusetzen, dass am 7. November ein ehrenvolles Begräbnis in Meran stattfindet und somit diese Schützen dort ihre letzte Ruhe finden. Dafür danke ich ihr sehr.
Aber gerade die zukünftige Außenministerin hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass in diesem schwierigen Gebiet die Schutzfunktion Österreichs für Südtirol gegenüber Italien weiter aufrechterhalten wird.
Ein Konfliktstoff ist auch die Verfassungsänderung in Italien, wo die Minderheitenrechte der österreichischen Minderheit, der Südtiroler, beschnitten werden sollen. Der Versuch ist da. Die Position Österreichs sollte also aufrechterhalten werden.
Wir haben also, sage ich einmal, auch einen gewissen Teil, der mir persönlich als Tiroler wichtig ist. Ich möchte meine Rede mit einer Bitte beenden: Unterstützen Sie aktiv die Initiative der Nord- und Südtiroler Traditionsvereine, dass das Trageverbot für österreichische Schützen von historischen Waffen in Südtirol und im Trentino aufgehoben wird! Es ist nicht europäisch, wenn es bei kulturellem Austausch, bei freundschaftlichen Treffen nicht möglich ist, Traditionswaffen zu tragen. Und da bitte ich Sie, Frau Bundesminister, sich dafür einzusetzen. Es gibt hiezu eine Petition – ich lasse Ihnen diese gerne zukommen. Dies wäre für uns Tiroler bei der Wahrung dieser kulturellen Beziehungen sehr hilfreich. Wenn das ein Erfolg wird, dann bin ich stolz.
Unsere
Unterstützung haben Sie, Frau Außenministerin. Es wird eine schwierige Zeit,
aber diese schwierige Zeit wird diese Regierung auch bewältigen. – Danke. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
11.53
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Die Tagesordnung ist erschöpft.
*****
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 49 |
Zu Beginn der Sitzung wurde bereits darauf hingewiesen, dass um 12.05 Uhr der Dringliche Antrag zum Aufruf kommt.
Ich unterbreche daher die Sitzung bis 12.05 Uhr.
(Die Sitzung wird um 11.54 Uhr unterbrochen
und um 12.05 Uhr wieder aufgenommen.)
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze wieder einzunehmen!
Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Dringlicher Antrag
der Abgeordneten Dr. Helene
Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres
betreffend Novellierung des Asylgesetzes (461/A) (E)
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 461/A (E).
Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.
Der
Antrag hat folgenden Wortlaut:
Seit
Inkrafttreten der Asylgesetznovelle 2003 am 1. Mai 2004 ist die Zahl der
Asylanträge erheblich zurückgegangen. Waren es im April 2004 noch 3.137
Anträge, so sank die Zahl im Mai 2004 auf nur noch 1.304.
Insgesamt
wurden im Jahre 2004 18.762 Asylanträge gestellt (Stand
1. Oktober 2004), um 23,63% weniger als im Vergleichszeitraum des
Vorjahres (24.566 Anträge) Die Asylantragsstatistik für weist für das
Jahr 2003 eine Gesamtsumme von 32.359 und im Jahre 2002 39.354
Asylantragsteller aus.
Nach
dem Asylgesetz 1997 gab es bis 1. Oktober 2004 insgesamt 17.947 rechtskräftige
Erledigungen von Asylverfahren, 29.003 Verfahren sind immer noch offen.
Nach
dem Asylgesetz 2003 wurden seit 1. Mai 2004 3.206 Asylverfahren
rechtskräftig erledigt und 6.462 Verfahren sind noch offen.
Im
Jahr 2004 zählen zu den Spitzenreitern unter den Herkunftsländern bis dato
die Russische Förderation mit 4.689 Anträgen, Serbien und Montenegro mit 1.981
Anträgen, Indien mit 1.556 Anträgen, Nigeria mit 1.509 Anträgen und Georgien
mit 1.359 Anträgen.
Der
Belagstand der Bundesbetreuungseinrichtungen, im speziellen die Betreuungsstellen
Bad Kreuzen, Reichenau, Thalham und Traiskirchen, weist per 1. Oktober
2004 eine Gesamtsumme von 1.941 Personen auf.
Gemäß
den Angaben des Innenministeriums werden derzeit fast 13.800 von insgesamt rund
26.000 Asylwerbern in Wien und Niederösterreich untergebracht. Wien liegt mit
8.580 Asylwerbern um 80 Prozent über seinem ursprünglich vereinbarten
Anteil, in Niederösterreich sind es mit 5.354 Asylwerbern acht Prozent. Die
übrigen Bundesländer erfüllen nicht den von ihnen geforderten Anteil.
Besonders
problematisch ist, dass insbesondere in Wien zahlreiche Personen zu Unrecht als
schutzbedürftige Fremde eingestuft und dadurch die vorhandenen Kapazitäten in
jeder Hinsicht überfordert worden sind.
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 50 |
Der
Budgetvoranschlag für 2005 sieht im Bereich des Asyl- und Fremdenwesens für die
Flüchtlingsbetreuung und Integration Ausgaben von 106,688.000 € vor, was
im Vergleich zum Jahre 2004, wo 52,862.000 € im Budget veranschlagt
wurden,, mehr als eine Verdoppelung bedeutet .
Bei
der Zahl der Asylsuchenden und ihrer Herkunftsländer bestehen große Unterschiede
zwischen den Ländern der Europäischen Union. In Frankreich beläuft sich die
Zahl der Asylsuchenden auf 51.360, in Deutschland auf 50.445, in Großbritannien
auf 49.369 und in Österreich auf 32.342. Im Jahr 2003 beliefen sich die
Asylanträge in den EU-Staaten Großbritannien auf 61.050, in Frankreich auf
51.360, in Deutschland auf 50.450 und in Österreich auf 32.340. Österreich ist
daher trotz aller Bemühungen eines der Hauptzielländer für Asylsuchende und Wirtschaftsflüchtlinge.
Am
Freitag den 15. Oktober 2004 gab der Verfassungsgerichtshof seine
Entscheidung über die Anfechtungen einzelner Bestimmungen des Asylgesetzes 2003
bekannt. Die Anträge der Oberösterreichischen und der Wiener Landesregierung
sowie des Unabhängigen Bundesasylsenats wurden teilweise aus formalen Gründen
zurückgewiesen, zum Großteil hielten auch die übrigen angefochtenen
Bestimmungen des Asylgesetzes der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof
stand. Nur in drei Punkten, nämlich beim Neuerungsverbot, beim generellen
Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Ausweisung im Dublin-Verfahren und
bei der Verhängung von Schubhaft, wurde den Antragstellern, und hier auch nur
teilweise, Recht gegeben.
Das
Neuerungsverbot des Asylgesetzes sah als eine von vier Ausnahmen vor, dass ein
Asylwerber in zweiter Instanz nur dann neue Beweise vorbringen durfte, wenn er
"aufgrund einer medizinisch belegbaren Traumatisierung" nicht in der
Lage war, diese in erster Instanz vorzubringen. Diese Bestimmung ist für den
Verfassungsgerichtshof zu eng gefasst, weshalb sie ersatzlos gestrichen wird.
Das Neuerungsverbot an sich bleibt damit zwar in Kraft, allerdings können sich
künftig alle Asylwerber auf eine "psychische und physische
Sondersituation" und damit auf die Ausnahmebestimmungen berufen. Die
Beweiswürdigung liegt letztlich beim Unabhängigen Bundesasylsenat.
Vom
Verfassungsgerichtshof wurde auch jene Bestimmung aufgehoben, wonach im
Dublin-Verfahren die Ausweisungsentscheidung generell sofort durchsetzbar war.
wenn der Asylantrag deshalb zurückgewiesen wurde, weil die Verfahrensführung in
die Zuständigkeit eines anderen Staates fiel. Hier stünden dem öffentlichen
Interesse einer raschen Durchführung der Ausweisung mögliche Nachteile des
Asylwerbers entgegen. Die im Sinne der Menschenrechtskonvention nötige
Interessensabwägung könne nur im Einzelfall vorgenommen werden. Der generelle
Ausschluss der aufschiebenden Wirkung mache eine derartige Interessensabwägung
unmöglich.
Weiters
wurde angefochten, dass die bloße Stellung eines erneuten Asylantrages nach
rechtskräftiger negativer Entscheidung, ein so genannter Folgeantrag, zur
Verhängung der Schubhaft genügt. Das Anliegen des Gesetzgebers, Missbräuchen in
Form von wiederholten Antragstellungen bei gleicher Sach- und Rechtslage
entgegenzuwirken, geht dem Verfassungsgerichtshof zu weit. Für diesen Punkt hat
der Verfassungsgerichtshof eine Reparaturfrist bis zum 30. Juni 2005
gesetzt.
Bestätigt
wurden hingegen die angefochtenen Bestimmungen zur Drittstaatsicherheit von
Schweiz und Liechtenstein, die Durchsuchungsbestimmungen, die Liste sicherer
Herkunftsstaaten und die Regelung der Bundesbetreuung.
Durch
die Aufhebung von Teilen des Asylgesetzes 2003 besteht die Gefahr, dass es
erneut zu einem verstärkten Asylantragsaufkommen kommt. Österreich wird dadurch
für Asylwerber aufgrund der geänderten Gesetzeslage im Vergleich zu den anderen
EU-Ländern interessanter.
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 51 |
Aufgrund
des Fehlens der aufgehobenen Bestimmungen wird möglicherweise eine
Verlangsamung der Verfahren eintreten. Dies wiederum würde einerseits eine verstärkte
Ungewissheit für die Asylwerber und möglicherweise eine Verteuerung für Bund
und Länder andererseits bedeuten.
Konkret
bezieht sich dies auf die Einschränkung des Neuerungsverbots. Dieses hätte dazu
führen sollen, dass alle Behauptungen über Verfolgungen bereits in der ersten
Instanz vorgelegt bzw. vorgebracht werden müssten. Noch vor kurzem war es
gängige Praxis, dass in der zweiten Instanz und teilweise sogar noch direkt vor
der Abschiebung von den Asylwerbern neue Behauptungen aufgestellt worden
waren, warum doch Asylgründe vorhanden und dadurch ein positives Asylverfahren
zu erwarten sei.
Eine
rasche Novellierung des Asylgesetzes 2003 ist daher notwendig, um die durch den
Verfassungsgerichtshof-Entscheid entstandene Lücke schnellstmöglich zu schließen.
Da nun Teile des Asylgesetzes aufgehoben wurden, bietet diese Situation auch
die beste Chance, dieses Gesetz im Zuge einer Reparatur weiter zu verbessern
und neu zu gestalten. Bestehende Probleme, die sich im Vollzug herausgestellt
haben, wie zum Beispiel im Bereich Traumatisierung, Zurückweisung an der
Grenze, etc. könnten gleichzeitig mit der Reparatur ausgeräumt werden. Ein sehr
strenges, restriktives und auch im Vollzug funktionierendes neues Asylgesetz
muss jetzt sicherstellen, dass Österreich wirksam Schutz und Hilfe für
Flüchtlinge nach der Genfer Konvention gewährt, aber Wirtschaftsflüchtlinge
entweder gar nicht in das Land lässt oder umgehend in ihre Heimatländer
abschiebt.
Österreich
soll daher unter Wahrung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention
alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um einen Missbrauch des Asylrechts
hintanzuhalten.
In
diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher an den Bundesminister
für Inneres folgenden
Dringlichen Antrag:
Der
Nationalrat wolle beschließen:
„Der
Bundesminister für Inneres wird ersucht, dem Nationalrat ehebaldigst eine Regierungsvorlage
vorzulegen, die die vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig
aufgehobenen Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in
der Fassung der Asylgesetznovelle 2003, BGBl. Nr. I 101/2003 im Interesse der
österreichischen Bevölkerung und der im Sinne der Genfer Konvention bzw. der
EMRK Verfolgten verfassungskonform überarbeitet und folgende Maßnahmen unter
Beachtung der bereits in der EU harmonisierten Bereiche des Asyl- und
Migrationswesens beinhaltet:
Rasche
Prüfung und – negativen Falls – Abschiebung von wegen schwerer
Straftaten verurteilter Asylwerber
Unterbindung
des Asylmissbrauchs
Verbesserung
der Vollzugsmöglichkeiten des Asylgesetzes
Klare
Mitwirkungsverpflichtungen eines Asylwerbers an der Identitätsfeststellung und
im Asylverfahren
Ferner
wird der Bundesminister für Inneres ersucht, im Interesse der Sicherung von
Abschiebungen seine Bestrebungen zum Abschluss von Rückübernahmeübereinkommen
fortzusetzen.
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 52 |
In
formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1
iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und der
Erstantragstellerin Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.
*****
Präsidentin
Mag. Barbara Prammer: Ich erteile
Frau Abgeordneter Dr. Partik-Pablé als Antragstellerin zur Begründung des
Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit
20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.
12.06
Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und
Herren! Hohes Haus! Ich möchte in Erinnerung rufen, was vielleicht viele von Ihnen
wissen, was bekannt ist, aber von manchen auch verdrängt wird, dass sich
nämlich vor dem Jahr 1998 die Zahl der Asylwerber zwischen 4 000 und
5 000 bewegt hat, im Jahr 1999 waren es schon 20 129 Asylwerber,
im Jahr 2001 30 135 Asylwerber und im Jahr 2003 32 359
Asylwerber.
Das heißt also,
Österreich gehört zu jenen Ländern, die in Europa am meisten von Asylwerbern
angesteuert werden. Wenn man nach den Gründen fragt, warum die Leute nach
Österreich kommen und warum sie hier um Asyl ansuchen, dann kann man nur in den
seltensten Fällen feststellen, dass sie Gründe nach der Genfer Konvention
vorweisen können, nämlich: Verfolgung wegen der Rasse, wegen der politischen
Gesinnung, wegen der Religion, wegen der Nationalität oder wegen der
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.
Der größte Teil
der 32 000 Asylwerber, die im Jahr 2003 und auch vorher nach Österreich
gekommen sind, sucht ganz einfach bessere Lebensbedingungen in Österreich. Sie
sind so genannte Wirtschaftsflüchtlinge. Viele sind überhaupt nicht
interessiert daran, dass ihre Asylansuchen auch hier erledigt werden, viele
tauchen unter. Der Rechnungshof hat einmal in einem Bericht festgestellt, dass
42 Prozent untertauchen. Das heißt, sie suchen gar nicht Schutz bei uns,
sondern sie wollen ihre eigenen Interessen verfolgen – welcher Art auch
immer: Schwarzarbeit, Durchreise oder sonstige eigene Interessen.
Viele
Asylwerber – das wissen alle, die sich ehrlich mit der Problematik
auseinander setzen – umgehen ganz einfach die strengeren Einwanderungsbedingungen,
die es ja in ganz Europa in den letzten Jahren gegeben hat, indem sie sich als
Asylwerber bezeichnen, wissen aber auch ganz genau, dass sie keine Gründe nach
der Genfer Konvention anwenden müssen. Das heißt, wir haben es nicht mit Leuten
zu tun, die völlig unwissend an die Grenze kommen und hier erst erfahren, dass
wir an die Genfer Konvention gebunden sind und keine Wirtschaftsflüchtlinge
aufnehmen, sondern es hat sich ganz einfach herumgesprochen, dass man das
Asylgesetz dazu missbrauchen kann, um in ein europäisches Land einzuwandern. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich möchte bei
dieser Gelegenheit auch betonen: Österreich hat, wenn es wirkliche politische
Verfolgung in einem anderen Land gegeben hat, immer wieder offene Grenzen
gezeigt, hat immer große finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, um diesen
verfolgten Menschen Aufenthalt zu bieten. Wir haben alle internationalen
Bedingungen und Verträge erfüllt und über unsere gesetzlichen Verpflichtungen hinaus
noch große menschliche Hilfe geleistet.
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 53 |
Ich denke da
beispielsweise an die Bosnier. 100 000 Bosnier sind zu uns gekommen. Sie
waren keine Flüchtlinge, die unter die Genfer Konvention hätten eingereiht
werden können, sondern wir haben ihnen den Status De-facto-Flüchtlinge
gegeben.
Von den 100 000 Bosniern sind nur 20 000 in ihre Heimat zurückgekehrt; 80 000 davon sind in Österreich geblieben. Diese ganze Bosnier-Aktion hat die österreichischen Steuerzahler 5 Milliarden Schilling gekostet. Das heißt also, es war das eine sehr, sehr große Belastung für die Österreicherinnen und Österreicher, die aber gleichzeitig wussten, dass eine Pensionsreform ansteht, eine Gesundheitsreform und so weiter. Und trotzdem haben sich die Österreicherinnen und Österreicher bereit erklärt, diesen Menschen, die in einer schwierigen Situation gelebt haben, Aufnahme zu gewähren.
Österreich nimmt also die Grundsätze der
Genfer Konvention und auch aller anderen internationalen Verpflichtungen sehr
ernst – und handelt auch großzügig. (Beifall bei den
Freiheitlichen und der ÖVP.)
Die Möglichkeiten Österreichs übersteigt es aber, allen Menschen, denen es in ihrer Heimat schlecht geht, die sich vom Elend befreien wollen, Aufnahme und Schutz in unserem Lande zu gewähren. Wir können ganz einfach nicht das Elend der gesamten Welt in Österreich „erledigen“, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ausgeschlossen!
Gestern im Innenausschuss hat Herr Abgeordneter Posch – es ist dort auch um das Thema Asylwerber gegangen – gemeint: Na ja, den paar „armen Hunden“, die da zu uns kommen, können wir schon Aufnahme gewähren! – Dazu: Es geht nicht um ein paar hundert Menschen, es geht auch nicht um ein paar tausend Menschen! Das war alles möglich, als eben die Zahl der Asylanten geringer war, dass man großzügig war und gesagt hat: Also gut, ihr seid zwar keine echten Asylanten nach der Genfer Konvention, aber wir geben euch trotzdem eine neue Heimat! – Jetzt, wo es, wie gesagt, 32 000 Menschen sind, die nach Österreich gekommen sind, ist es unmöglich, für all diese Menschen zu sorgen – noch dazu, wo ja der Oberste Gerichtshof im vorigen Jahr eine Entscheidung getroffen hat, die uns noch mehr finanziell belastet, in der es nämlich heißt, dass jedem sozial Bedürftigen die Bundesbetreuung zustehen muss. Das kostet sehr, sehr viel Geld. Der Herr Innenminister ist ja derjenige, der das alles aus seinem Budget tragen muss.
In einem solchen Fall, wo eindeutiger Missbrauch vorliegt, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss jede Regierung, muss jedes Parlament Abhilfe schaffen, muss Asylmissbrauch verhindert werden (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP), und zwar im Interesse der eigenen Bevölkerung, die ja all das finanzieren muss! Und das finanzieren ja nicht nur die Reichen, sondern auch die Armen.
Wir führen jetzt gerade Budgetverhandlungen, bei denen um jeden Euro gestritten wird und sich jeder Minister vor dem Parlament verantworten muss, ob er richtig gehandelt hat, ob er den Euro sozusagen auch in die richtige Sparte gesteckt, warum er nicht für andere Kapitel mehr verwendet hat, und so weiter. Es wird also um jeden Euro gefeilscht. Gerade in dieser Situation ist es notwendig, auf eine gerechte Verteilung der Mittel zu achten. Und das betrifft auch die Mittel für Asylwerber, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Im Budget für 2005 stehen dem Innenminister 106 Millionen € zur Flüchtlingsbetreuung, zur Asylbetreuung zur Verfügung; das sind fast 2 Milliarden Schilling in alter Währung. Das heißt, die Bevölkerung wird sehr, sehr belastet – und gerade deshalb ist es notwendig, streng zu unterscheiden zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und jenen, die aus politischen Gründen, wegen religiöser oder rassischer Verfolgung zu uns kommen. Für diese soll selbstverständlich – wie bisher – der volle Schutz durch unserer Gesetze und volle Finanzierung gewährleistet sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 54 |
Es war das Bestreben dieser Bundesregierung, mit einem neuen Asylgesetz Missstände nach Möglichkeit zu beseitigen. Das neue Asylgesetz ist ja im Mai dieses Jahres in Kraft getreten, und wir haben gehofft – und hoffen noch immer –, dieser Entwicklung gegensteuern zu können. Und tatsächlich ist der Flüchtlingsstrom schon etwas abgeebbt; nicht in dem Maße, wie wir es uns erhofft haben, aber es sind jetzt doch weniger Asylwerber.
Ich möchte jetzt noch einmal darauf zu sprechen kommen, dass wir mit diesem neuen Asylgesetz beispielsweise auch abschafften wollten, dass jemand in einem Land einen Antrag stellt, dort abgewiesen wird, in das nächste Land weiterreist, dort einen Antrag stellt, wieder abgewiesen wird und im dritten Land abermals einen Antrag stellt. Wir wollten also den „Asyl-Tourismus“ unterbinden. Wer schon einmal abgelehnt worden ist, weiß ganz genau, dass er eben keine Gründe nach der Genfer Flüchtlingskonvention hat und auch in einem anderen Land nicht damit rechnen kann, dass er als Flüchtling anerkannt wird, sondern er möchte ganz einfach nur die sozialen Wohltaten sozusagen in Anspruch nehmen, solange es geht. Und das wollten wir eben unterbinden.
Wir wollten auch die Abschiebung in ein sicheres Drittland gesetzlich determinieren. Es war bis jetzt so: Es kam jemand aus einem sicheren Drittland, stellte einen Asylantrag und konnte sich aussuchen, in welchem Land er den Asylantrag stellte. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer wirklich verfolgt wird, flieht in das nächste ihm zur Verfügung stehende Land, in dem es eine demokratische Rechtsordnung gibt, und schaut nicht, in welchem Land er bessere Lebensbedingungen hat, in welchem Land er sich besser wirtschaftlich durchschlagen kann, sondern er versucht einmal, von der Verfolgung wegzukommen. Wie gesagt: Weil es sich eben nicht um echt politisch Verfolgte handelt, hat es diesen Missbrauch gegeben, dass die Leute gekommen sind, um in Österreich den Antrag zu stellen, obwohl sie schon in einem sicheren Drittland waren.
Besonders belastend sind aber auch jene Asylwerber, die immer wieder neue Gründe vorgeben, weswegen sie verfolgt werden. Sie wollen die Verfahren in die Länge ziehen, sie wollen die Verfahren verschleppen, in der Hoffnung, dass die Behörden doch einmal sagen: Jetzt ist der Betreffende schon so lange da, jetzt lassen wir ihn ganz einfach da! – Asylverfahren in einer Länge zwischen drei und fünf Jahren sind keine Seltenheit, meine sehr geehrten Damen und Herren. Beim Unabhängigen Bundesasylsenat sind mehr als 10 000 Fälle anhängig und sie können nicht erledigt werden, weil immer wieder neue Verfolgungsgründe namhaft gemacht werden, denen nachgegangen werden muss. Das Meiste wird aber in der Absicht gestellt, die Verfahren zu verschleppen. Das wollten wir mit der Einführung des Neuerungsverbotes verhindern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir wollen mit dem neuen Asylgesetz erreichen, dass bereits in erster Instanz alle Verfolgungsgründe namhaft gemacht werden können. Das ist sicher kein unberechtigtes Verlangen, denn wer wirklich verfolgt wird, kann auch ganz genau angeben, warum er verfolgt worden ist, in welcher Weise er verfolgt worden ist.
Wir haben aber auch zum Schutz der Verfolgten und unter Beratung von Experten die so genannte Traumatisierungserklärung hineingenommen, das heißt, jene Asylwerber, die sagen, sie sind auf der Flucht so traumatisiert worden, dass sie sich nicht mehr an die Verfolgungshandlungen erinnern können, sollen dann auch in zweiter Instanz noch die Möglichkeit haben, einen Antrag zu stellen, weswegen eben die Gründe in der ersten Instanz nicht vollständig waren und sie noch ergänzt werden müssen.
Es ist nur so, dass auch dieses Recht, sich auf eine Traumatisierung zu berufen, ausgenützt wird. Jetzt ist schon fast jeder Asylantrag bei der Berufungsbehörde und hat zum Inhalt: Ich war so traumatisiert, dass ich nicht gewusst habe, wie ich verfolgt worden bin oder von wem ich verfolgt worden bin!
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 55 |
Ich muss schon sagen, dass die NGOs in dieser ganzen Sache leider Gottes mitspielen. Bei der Beratung des Asylwerbers lassen sie einfließen, dass man, wenn man sich auf eine Traumatisierung beruft, unter Umständen eher die Möglichkeit hätte, noch Gründe vorzubringen oder besser behandelt zu werden. Ich finde, das ist nicht korrekt! Herr Innenminister, ich glaube, es ist auch dringend notwendig, dass man diesbezüglich mit den NGOs redet. Das ist Missbrauch ihrer Befugnisse! Die NGOs müssten eigentlich mit uns an einem Strang ziehen und auch versuchen, die Wirtschaftsflüchtlinge von den echt verfolgten Flüchtlingen zu trennen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser für Österreich wirklich sehr schwierigen Situation, in dieser Situation, in der wir finanziell sehr belastet sind, selber sparen müssen, wobei wir mit dem neuen Asylgesetz gehofft haben, einen entscheidenden Durchbruch erreicht zu haben, ist das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gekommen, in dem verschiedene Bestimmungen – nicht alle – aufgehoben worden sind.
Es ist aber kein Grund vorhanden, zu höhnen. Diejenigen, die beim Verfassungsgerichtshof Einspruch erhoben haben, haben ja schon teilweise in der Öffentlichkeit gehöhnt, die Bundesregierung oder das Parlament habe schon wieder einmal ein Gesetz beschlossen, das nicht verfassungskonform wäre.
Ich darf Ihnen Folgendes sagen: Es ist noch nie so schwierig gewesen wie heute – trotz intensiver Vorberatungen über Verfassungsmäßigkeiten –, vorauszusagen, ob ein Gesetz auch vor dem Verfassungsgerichtshof halten wird. (Zwischenruf des Abg. Brosz.) Das trifft jede Regierung – nicht nur diese Bundesregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Es ist ganz einfach schwieriger geworden,
vorab zu klären, ob eine Gesetzesmaterie vor dem Verfassungsgerichtshof halten
wird oder nicht. (Neuerlicher Zwischenruf
des Abg. Brosz.) Da möchte ich Ihnen, Herr Abgeordneter, sagen:
Professor Matscher, ein sehr gescheiter Verfassungsrechtler, hat einmal gesagt:
In der Seefahrt und bei den höchsten Gerichten kann man vor Überraschungen nie
sicher sein. – Uns geht es, wie gesagt, genauso! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Brosz.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes hat der Herr Innenminister meiner Meinung zu Recht befürchtet, dass die Zahl der Asylwerber steigen wird. Gerade weil wieder einmal eine Bestimmung gefallen ist – und das spricht sich sehr schnell herum –, werden noch mehr Asylwerber Österreich ansteuern. Wir müssen das verhindern, und zwar aus den Gründen, die ich schon genannt habe, denn es geht, wie gesagt, nicht nur um einige Wenige, sondern um Tausende, ja um Zigtausende, und es geht auch nicht – ich sage es noch einmal – um Flüchtlinge, die nach der Genfer Konvention ein Recht auf Asyl haben, auf Grund dessen wir die Pflicht haben, diese aufzunehmen, sondern es geht um Wirtschaftsflüchtlinge. Es geht um jene, die unsere Rechtsordnung für ihre eigenen Interessen beinhart ausnützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allem Herr Minister! Es geht auch um straffällig gewordene Asylwerber. Es geht beispielsweise um Drogendealer. Kein Österreicher versteht es, dass ein straffällig gewordener Asylwerber nicht außer Landes gebracht wird, sondern dass er weiterhin in Österreich bleibt.
Ich möchte Sie alle hier im Saal in diesem Zusammenhang an die Genfer Konvention erinnern. Mit dem Bundesgesetzblatt vom April 1955 wurde die Genfer Konvention in innerstaatliches Recht übertragen, und in dieser und auch im innerstaatlichen Recht steht:
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 56 |
„Verbot der Ausweisung oder der Zurückweisung: Kein vertragschließender Staat darf einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit ... bedroht wäre. Der Vorteil dieser Bestimmung kann jedoch von einem Flüchtling nicht in Anspruch genommen werden, der aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit seines Aufenthaltslandes darstellt oder der, wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt, eine Gefahr für die Gemeinschaft des betreffenden Landes bedeutet.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Genfer Konvention hat wirklich sehr, sehr weise und klug die Grundsätze festgelegt, und wir haben diese Grundsätze in das österreichische Recht übernommen. Wir haben die Möglichkeit, straffällig gewordene Asylwerber aus dem Lande zu weisen.
Herr Minister, wir müssen uns darauf besinnen! Und Drogendeal ist ein schweres Delikt, dessentwegen ausgewiesen werden muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Sehr geehrte Herr Minister! Wir haben diesen Dringlichen Antrag deshalb gestellt, weil es einen dringenden Handlungsbedarf gibt. Angesichts des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes ist es dringend notwendig, dass wir das Asylgesetz novellieren, dass wir die beanstandeten, nicht verfassungskonformen Passagen so gestalten, dass sie verfassungskonform sind – ohne aber unsere Intention fallen zu lassen, nämlich, Wirtschaftsflüchtlinge von wirklich Verfolgten zu trennen.
Ich bitte Sie, dass Sie unseren Antrag
ernst nehmen, dass Sie einen Vorschlag machen, wie wir diese Missbräuche
abstellen können – im Interesse der Österreicher, die bereit sind,
wirklich Verfolgten Asyl zu gewähren, die aber nicht bereit sind, jene, die
unsere Rechtsordnung ausnützen, zu unterstützen! (Beifall bei den
Freiheitlichen und der ÖVP.)
12.25
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Inneres zu Wort gemeldet. Seine Redezeit soll 20 Minuten nicht übersteigen. – Bitte, Herr Bundesminister.
12.25
Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich bei den Antragstellern, dem Klub der Freiheitlichen, für die Möglichkeit bedanken, die Frage des Asylrechts und der Asylsituation in Österreich – der Situation von Fremden und der Situation der Betreuung von Fremden – hier im Hohen Haus zu diskutieren, und ich begrüße auch den Antrag, der zum Inhalt hat, dass wir in dieser Frage sehr rasch eine gemeinsame Vorgangsweise zwischen Regierung, Verwaltung und Parlament finden sollten.
Wenn wir uns die Ausgangslage der Asylgesetznovelle 2003 ansehen, wenn wir von den Fakten ausgehen, dann müssen wir ganz einfach sagen, dass Österreich das attraktivste Asylzielland von ganz Europa war und noch immer ist. Nur einige Zahlen: In den USA kommen auf einen Asylwerber 13 697 Einwohner; in der Bundesrepublik Deutschland kommen auf einen Asylwerber 3 358 Einwohner; in der Schweiz kommen auf einen Asylwerber 766 Einwohner, in Schweden kommen auf einen Asylwerber 574 Einwohner; in Österreich kommen auf einen Asylwerber 436 Einwohner.
Diese Zahl alleine zeigt, dass es einen Grund haben muss, warum so viele Asylwerber zu uns kommen und nicht in irgendein anderes Land innerhalb der Europäischen Union. Auf der anderen Seite ist die Anerkennungsrate für jene, die dann tatsächlich
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 57 |
Asyl bekommen, verschwindend gering, und zwar liegt sie zwischen 15 und 18 Prozent. – Das war das Problem, das es zu lösen galt!
Daher haben wir uns selbst eine sehr klare Vorgabe gegeben: Wir müssen jene Menschen, die wirklich Asyl brauchen, vor jenen schützen, die unser Asylrecht missbrauchen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist der zentrale Punkt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir müssen daher klar unterscheiden zwischen dem Recht auf Asyl und dem Weg zum Asyl. Daher sind im Großen und Ganzen 95 Prozent des Spruchs des Verfassungsgerichtshofes zu begrüßen, denn er hat Klarheit geschaffen. Es sind wichtige Teile, die auch hier in der Diskussion oft von unterschiedlichster Seite – ich will nicht sagen, von verschiedener Seite – kritisiert worden sind, eindeutig bestätigt worden, und es ist klar ausgesprochen worden, dass sie verfassungskonform sind.
Wir wollten eine wesentliche Beschleunigung der Verfahren. Wir haben mit der Einrichtung der Erstaufnahmestellen eine rasche Entscheidung ermöglicht, und jene Fälle, die offensichtlich unberechtigt sind, sowie auch Dublin-Fälle können wir wesentlich rascher behandeln. Wir haben die EU-Vorgaben umgesetzt, insbesondere die Dublin- und Euro-DAG-Vorgaben, und wir wollten den aktuellen Phänomenen von Asylmissbrauch aktiv begegnen. Das bedeutet insbesondere Folgeanträge, die häufig zur bloßen Verfahrensverzögerung eingebracht worden sind.
Sehen wir uns einmal die Zwischenbilanz an! – Wir dürfen nach fünf Monaten sehr klar bilanzieren:
Erster Punkt der Zwischenbilanz – mir scheint das die wichtigste Zahl zu sein –: Im Frühjahr 2000 hatten wir 2 300 betreute Flüchtlinge und Asylwerber – heute haben wir 26 000, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Durch gemeinsame Anstrengungen von Bund, Ländern und Gemeinden sowie von NGOs, Kirchen und anderen Organisationen ist es uns gelungen, dass wir jene, die jahrzehntelang oder zum Teil noch länger illegal in unserem Land gewesen sind, in ein System aufgenommen haben: Sie sind in Betreuung gekommen, haben eine Wohnung bekommen. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, der in der kurzen Zeitspanne von drei Jahren erzielt werden konnte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zweiter Punkt: Die Asylantragszahlen weisen, wie bereits erwähnt wurde, in die richtige Richtung: In den ersten fünf Monaten dieses Jahres hatten wir um ein Viertel weniger Asylanträge als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Das zeigt auch die Anerkennungsquote: Damals lag sie bei 18 Prozent, jetzt ist sie auf über 40 Prozent gestiegen. Das beweist auch, dass jetzt in wesentlich höherem Maße solche Asylwerber zu uns kommen, die tatsächlich Asyl brauchen. Und dafür ist das Asylsystem auch gemacht – und nicht für Flüchtlinge, die das System anderweitig nützen wollen.
Wir haben wesentlich wirksamere Dublin-Verfahren: Erstmals haben wir mehr Anfragen von Österreich an Dublin-Mitgliedstaaten als umgekehrt! Wir haben in den ersten fünf Monaten bei den Dublin-Verfahren aus Österreich rund 2 300 Verfahren eingeleitet; das ist das Vierfache der Verfahren im gesamten Jahr 2003. Allerdings konnten wir seit dem 1. Mai nur 300 Abschiebungen vornehmen. Und das zeigt auch die Notwendigkeit einer dringenden Regelung in diesem Bereich auf.
Ich habe es schon erwähnt: Hinsichtlich nahezu aller Bestimmungen des jetzt gültigen Asylgesetzes gab es Kritik im parlamentarischen Prozess und auch von anderer Seite. Wenn wir uns die Gesamtsituation ansehen, dann können wir sagen: Wir liegen mit diesem Gesetz völlig richtig: Wir liegen in der Mitte des Spektrums, und zwar auch innerhalb der Europäischen Union. Wir müssen jetzt schauen, dass wir diesen Weg sehr klar und sehr genau weitergehen.
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 58 |
Die Anträge der Landesregierungen von Wien und Oberösterreich und auch des UBAS, die vor allem auf eine Verfahrensverzögerung hingewirkt haben, haben in mehr als 36 Fällen keinen Erfolg gehabt, sie hatten allerdings in einem Fall Erfolg, der eine große Verzögerung mit sich bringen wird.
Wir haben einige Eckpfeiler des neuen Asylsystems bestätigt bekommen – und das bringt Klarheit! –, wie etwa das auch hier von manchen in diesem Saal massiv angegriffene System der Listen sicherer Dritt- und Herkunftsländer, aber auch den Mechanismus, dass es bei offensichtlich unbegründeten Anträgen aufschiebende Wirkung nur mehr in Einzelfallentscheidungen gibt, und das neue Grundsystem von Erstaufnahmestellen.
Was wir jetzt brauchen – und ich gebe diesbezüglich der Antragstellerin Recht –, das sind einige wichtige Weiterentwicklungen, die ich in folgenden Punkten zusammenfassen möchte:
Zum Ersten: Wir werden eine genaue Analyse des noch nicht vorliegenden schriftlichen Entscheids des Verfassungsgerichtshofes vornehmen.
Zum Zweiten: Wir werden selbstverständlich eine Evaluierung des Asylsystems unter Berücksichtigung der Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes vornehmen. Wir wollen das gemeinsam mit der Landeshauptleutekonferenz erarbeiten und vorlegen.
Zum Dritten: Wir brauchen eine weitere Entlastung von Traiskirchen! Wir wollen dort dauerhaft unter den Stand von 1 000 Betreuten kommen. Ich darf vor allem dem regional Zuständigen Herren Abgeordneten Kainz und Pendel sagen, dass wir jetzt unter die Zahl von 1 300 gekommen sind. Das ist ein ganz klarer Schritt, der zeigt, dass wir hart daran arbeiten, im Einvernehmen mit den für die Quartiere zuständigen Ländern die Entlastung für diese Region zu erreichen. Diese Region hat Anspruch auf eine Entlastung, und wir bemühen uns sehr darum. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir wollen die Artikel-15a-Vereinbarung auf Punkt und Beistrich umsetzen. Das heißt, der Bund hat die Verantwortung für die Verfahren, die Länder haben die Verantwortung für die Quartiere. Natürlich helfen wir dort mit, wo wir können, wenn es Probleme bei den Quartieren gibt. Und ich möchte hier auch sehr dankbar anmerken, dass es viele gibt, die einen Beitrag dazu leisten, dass die Länder ihre Quartierfragen lösen können.
Ich möchte mich bedanken bei verschiedenen wirtschaftlichen Institutionen, wie etwa bei der UNIQA, bei Raiffeisen, aber auch beim „Kurier“. Danken möchte ich auch Herrn Präsidentem Verzetnitsch, der sich persönlich in dieser Frage eingeschaltet hat. Ein Dankeschön möchte ich aber auch der Arbeiterkammer sowie kirchlichen Stellen sagen, die einen Beitrag dazu leisten, dass die Länder ihre Verpflichtung, Quartiere bereitzustellen, erfüllen können.
Wir werden eine gemeinsame Definition des Kriteriums Hilfsbedürftigkeit mit den Ländern ausarbeiten, um klare, gleichlautende Regeln für alle zu bekommen.
Insgesamt muss es unser Ziel sein, dass wir
Österreich von der erwähnten unerwünschten Top-1-Situation hinsichtlich der
Zahl der Asylwerber wegbringen. Es kann nicht sein, dass ein kleines Land, ein
8-Millionen-Land, unter 400 Millionen das Zielland Nummer 1 wird, das
bringt soziale und gesellschaftliche Spannungen. Das ist nicht wünschenswert.
Da ist eine gerechte, faire Lastenaufteilung auf ganz Europa notwendig und
sinnvoll. Daher müssen wir unsere gesetzlichen Regelungen, so lange es keine
gesamteuropäischen Regelungen gibt, die wir aber anstreben, jenen anpassen, wie
sie vergleichbare Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben. (Beifall bei
der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 59 |
Daher habe ich Auftrag gegeben, dass wir das Asylgesetz neu kodifizieren. Das scheint notwendig und richtig zu sein. Ich sage auch hier ganz offen: Die Kritik des Verfassungsgerichtshofes müssen wir aufnehmen. Es ist richtig: Es ist dies die x-te Novelle des Asylgesetzes, und es ist notwendig, eine Neukodifizierung vorzunehmen.
Selbstverständlich müssen wir die
schriftliche Ausfertigung des Spruches des Verfassungsgerichtshofes abwarten.
Ich hoffe, dass sie bis Mitte November vorliegen wird. Wenn das der Fall ist,
dann werden wir noch im November im Einvernehmen mit all jenen, die an diesem
Prozess beteiligt sind, und auch unter Einbeziehung der Landeshauptleutekonferenz
unsere ersten Vorschläge für eine weitere Entwicklung des Asylsystems
vorlegen. Ich möchte dann so rasch wie möglich einen Gesetzesvorschlag
erarbeiten und den Gesetzwerdungsprozess mit Hilfe des Parlaments vorantreiben.
(Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
12.36
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen nun in die Debatte ein.
Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von insgesamt 25 Minuten zukommt.
Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Klubobmann Scheibner. Herr Abgeordneter, Sie haben 10 Minuten Redezeit. – Bitte.
12.37
Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir wollten bei der Überprüfung beziehungsweise Bewertung des neuen Asylgesetzes eigentlich noch länger zuwarten, noch mehr Zeit dafür gewähren, dass man sich die Praxis und auch die Vollziehung ansieht – ich glaube, zumindest die ersten Zahlen waren vielversprechend und wiesen eindeutig darauf hin, dass es wirklich eine Verbesserung gibt, vor allem bei der Anerkennungsquote, die gezeigt hat, dass es besser gelungen ist, die wirklich politisch Verfolgten von jenen zu trennen, die aus anderen Gründen nach Österreich kommen –, aber der Verfassungsgerichtshof hat mit seiner teilweisen Aufhebung von verschiedenen Bestimmungen des Asylgesetzes die Situation auch für uns dringlich gemacht, vor allem vor dem Hintergrund, den der Herr Innenminister in einer ersten öffentlichen Stellungnahme angeführt hat, nämlich, dass Österreich attraktivstes Ziel 1-Gebiet für Asylwerber ist. Diese Aufhebung stellt jetzt eine weitere Einladung dar – nicht so sehr an die Flüchtlinge, denn diesen ist es ziemlich egal, wohin sie kommen, sondern vielmehr an die Schlepperorganisationen.
Genau das möchte ich auch einmal hier ansprechen: Unser Ziel, unsere Gegner sozusagen bei all den Bestrebungen, ein effizientes, ein scharfes, auch ein wirkungsvolles Asylgesetz zu beschließen, sind nicht die Asylwerber, sind nicht die Flüchtlinge, sondern die Schlepperorganisationen. Das sind Kriminelle, die versuchen, nach Österreich Leute einzuschleusen, die nicht asylwürdig sind, weil sie nicht politisch verfolgt sind. – Darum geht es uns, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich sage auch in aller Deutlichkeit: Ich und auch meine Fraktion – und ich glaube, wir alle – bekennen uns absolut dazu, dass Österreich – so, wie es auch in der Vergangenheit Tradition gewesen ist – all jenen, die politisch und aus religiösen, rassischen oder persönlichen Gründen in ihrer Heimat verfolgt werden, so weit es geht jene Unterstützung gibt und auch geben muss, die notwendig ist, um diesen Menschen zu helfen.
Aber ebenso sage ich Ihnen: Ich wende mich auch gegen jene – egal, woher sie kommen –, die da mit irgendwelchen negativen Parolen oder fremdenfeindlichen Aussagen
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dieses wichtige Prinzip in Frage stellen wollen. Aber genauso wende ich mich auch gegen eine Sozial-Utopie, wo man der Meinung ist, dass wir in Europa und im Speziellen in Österreich all jenen, denen es in ihrer Heimat schlechter geht, hier ein besseres Leben ermöglichen können. Auch das geht nicht, meine Damen und Herren!
Politische Unterstützung für Verfolgte: ja! Aber wirtschaftliche Unterstützung dort, wo es am effizientesten ist, nämlich in den Heimatländern der Menschen, um die es hier geht, durch Entwicklungshilfe eben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Herr Innenminister, es hat mir gefallen – wir kritisieren Sie manchmal, aber wir loben Sie auch, wenn es berechtigt ist; und Sie haben heute etwas Wichtiges gesagt –, dass Sie gesagt haben: Wir müssen die wirklich Verfolgten vor denen, die das Asylrecht missbrauchen, in Schutz nehmen! – Auch darum geht es.
Gerade wenn wir uns die aktuelle Situation mit den 26 000 Asylwerbern in Bundesbetreuung ansehen und welche Probleme es bei der Unterbringung, auch bei der finanziellen Ausstattung gibt, wenn ich all das mit einer Anerkennungsquote von 20 Prozent hochrechne, dann können wir erkennen, dass wir diesen 20 Prozent eben keine optimale Unterstützung geben können, weil 80 Prozent dieses Recht missbrauchen.
Mich hat sehr beeindruckt, dass eine junge Mutter, eine Asylwerberin, die einmal in einer Unterkunft interviewt worden ist, gesagt hat, sie sei mit ihren Kindern eigentlich nur immer in diesem einen Zimmer, das sie dort hat, weil sie sich fürchtet, dieses Zimmer zu verlassen, ja selbst die Gemeinschaftsräume zu benutzen. Sie fürchtet sich aber nicht vor den Österreichern, sondern sie fürchtet sich vor den anderen Asylwerbern, weil das eben genau jene sind, die ganz andere Gründe haben, hier in Österreich zu sein. Und es sind nicht immer rechtmäßige Gründe, die sie nach Österreich gebracht haben.
Genau das ist es, meine Damen und Herren: den rechtmäßigen Asylwerbern Unterstützung geben, dafür aber Missbrauch verhindern! Das muss Ziel auch des neuen Asylgesetzes der Zukunft sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Selbst der Rechnungshof, eine wirklich unverdächtige Instanz, hat im letzten Bericht festgehalten, dass 42 Prozent der Asylverfahren nicht abgeschlossen werden konnten, weil die Asylwerber nicht mehr anwesend waren. Diese haben also ganz genau gewusst, dass sie keinen positiven Bescheid erhalten werden, aber, solange es halt gegangen ist, die Unterstützung in den Flüchtlingsunterkünften in Anspruch genommen, ihre Kontakte über die Schlepperorganisationen geknüpft haben. Dann, als es sozusagen hart auf hart gegangen ist, als die Bescheide verabschiedet hätten werden sollen, sind sie aber plötzlich in den Untergrund abgetaucht gewesen. Eben das ist die Problematik, meine Damen und Herren, um die es da geht.
Ich bedauere, dass einige wichtige Bestimmungen jetzt aufgehoben worden sind, wie zum Beispiel das Neuerungsverbot, denn auch das war ein Mittel zum Missbrauch. Ein Asylwerber hat einen Asylgrund eingebracht, dann ist das Verfahren abgeführt worden, man hat vielleicht erkannt, dass dieser Grund nicht zutrifft, aber bevor man ihn abschieben hätte können, hat dieser Asylwerber ganz einfach einen neuen Grund vorgebracht – und das ganze Verfahren ist wieder von vorne losgegangen.
Worüber ich sehr zufrieden bin, ist der Umstand, dass die Drittstaatenklausel vom Verfassungsgerichtshof anerkannt worden ist, denn wenn es darum geht, einem wirklich politisch Verfolgten Hilfe zu geben, so ist es, wie es Frau Abgeordnete Partik-Pablé gesagt hat, nicht so relevant, in welchem Land das Asylverfahren durchgeführt wird; es muss nur in einem Land sein, in dem ein ordnungsgemäßes Asylverfahren ermöglicht wird. Man wird wohl keine Zweifel daran haben, dass alle Mitgliedsländer der Euro-
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päischen Union und auch Länder wie etwa die Schweiz und Liechtenstein – und nur von solchen Ländern sind wir umgeben – derart sichere Drittstaaten sind.
Herr Innenminister! Wenn wir das so anerkennen und mit all diesen Ländern – ich weiß, zumindest mit einem Land ist das noch nicht gelungen – zwischenstaatliche Abkommen abschließen, damit diese die Asylwerber auch wirklich wieder zurücknehmen, dann müsste der Rückgang der Asylanträge noch viel, viel gravierender und deutlicher ausfallen als um jene 20 oder 23 Prozent, die wir seit Mai dieses Jahres, seit dem In-Kraft-Treten des neuen Asylgesetzes, zu verzeichnen gehabt haben.
Es hat also, glaube ich, schon Probleme beim Vollzug des Gesetzes gegeben. Dass etwa die Bestimmung, dass man, wenn man Traumatisierung als Asylgrund angibt, trotzdem auf alle Fälle das Recht hat, das Asylverfahren hier in Österreich abzuwarten, verstehe ich nicht ganz, weil auch für jenen, der sagt, er sei traumatisiert, gilt das bereits Gesagte, nämlich dass er das Verfahren in einem anderen Land, das ein ordnungsgemäßes Asylverfahren bereitstellt, abzuwarten hat. Und auch die Frage der Rückweisung unmittelbar an der Grenze und nicht auch im Hinterland ist sicherlich zu hinterfragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Wir haben nun durch die Aufhebung beziehungsweise die Teilaufhebung dieses Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof eine neue Chance. Ich bekenne mich dazu, dass wir Gott sei Dank nicht die Möglichkeit haben, durch Zweidrittelmehrheit problematische Bestimmungen der Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes zu entziehen. Das haben wir früher bei anderen Regierungskonstellationen erlebt. Der Verfassungsgerichtshof soll mit seiner Kompetenz all unsere Gesetze überprüfen, und wir haben dann die Aufgabe, diese entsprechend zu adaptieren und zu reparieren. Wir werden aber diese Gelegenheit jetzt dazu nützen, gemeinsam all diese Vollziehungsprobleme zu diskutieren und die Lücken, die sich gezeigt haben, zu schließen, damit wir dem Grundsatz, politisch Verfolgten Unterstützung zu geben, aber den Missbrauch im Interesse der Österreicher, aber auch im Interesse der wirklich politisch Verfolgten zu verhindern, auch wirklich nachkommen.
Das wird unsere Aufgabe sein. Dieser
Aufgabe werden wir uns stellen! Ich hoffe, dass Sie von der Opposition uns
dabei unterstützen, denn Sozial-Utopien auf dem Rücken der politisch Verfolgten
und der Österreicher sollten wir nicht unterstützen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
12.46
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kößl. Herr Abgeordneter, Sie wünschen eine Redezeiteinstellung auf 5 Minuten. Stimmt das? (Abg. Kößl – auf dem Weg zum Rednerpult –: Das stimmt! Ja!) – Bitte.
12.46
Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Bevor ich in die Debatte eingehe, möchte ich von dieser Stelle aus Herrn Bundesminister Dr. Strasser für seine großartigen Leistungen im Asyl-Bereich in den letzten vier Jahren einmal ein herzliches Dankeschön sagen. (Beifall bei der ÖVP.)
Faktum ist, dass Österreich ein modernes, zukunftsorientiertes und äußerst menschliches Asylgesetz hat, das hier in diesem Saal vor einem Jahr beschlossen wurde. Mit diesem Asylgesetz wollten und wollen wir, dass die Verfahren beschleunigt werden. Ich glaube, dass jeder Asylwerber ein Recht darauf hat, dass rasch und schnell entschieden wird, ob er Asyl bekommt oder nicht. Und es soll auch klar und schnell festgestellt werden, ob dieses Asylansuchen berechtigt ist oder nicht. Es ist heute schon angesprochen worden, dass rund 80 Prozent der Asylwerber aus wirtschaftlichen Überle-
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gungen und Problemen nach Österreich kommen, und diese können wir hier in Österreich sicherlich nicht lösen.
Dieses Asylgesetz ist von zwei Bundesländern und vom UBAS angefochten worden. Ich stelle mit Freude fest, dass 95 Prozent des Asylgesetzes Rechtsmäßigkeit attestiert wurde, dass wir ein Asylgesetz haben, das der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention entspricht. Zu diesen drei beanstandeten Punkten möchte ich noch anmerken, dass das Neuerungsverbot nur in einem Punkt aufgehoben worden ist, und zwar in Bezug auf den medizinischen Nachweis der Traumatisierung. Alles andere ist an und für sich bestätigt worden. Es muss natürlich in unserem allgemeinen Interesse liegen, dass wir die drei beanstandeten Punkte so rasch wie möglich korrigieren.
Klar muss uns sein, dass mit diesen aufgehobenen Punkten die Verfahren verlängert und verteuert werden. Und Faktum ist, dass Österreich nach wie vor das Asylland Nummer 1 ist. (Abg. Brosz: Österreich ist Asylland Nummer 1?) Es ist heute schon angesprochen worden, welche Verhältnismäßigkeit diese Situation ergibt: Wenn man die Länder in Europa mit Österreich vergleicht, dann muss man sagen, dass diese hohe Anzahl von Asylwerbern von Österreich allein sicherlich nicht bewältigt werden kann.
Es muss natürlich auch festgestellt werden, dass wir hier in Österreich äußerst soziale und menschliche Rahmenbedingungen haben. Gerade von Innenminister Strasser wurden diese Rahmenbedingungen für die Asylwerber wesentlich verbessert. Ich denke da etwa an die Artikel-15a-Vereinbarung mit den Bundesländern. Sie ist ein Meilenstein! Viele Innenminister vor ihm haben es versucht, Innenminister Strasser hat diese Artikel-15a-Vereinbarung umgesetzt. Und deshalb ist es auch möglich, dass wir so viele Asylwerber unterbringen. Die entsprechenden Zahlen sind heute ebenfalls schon gefallen: von 2 300 im Jahr 1999 stieg die Anzahl der Personen in Bundesbetreuung auf 26 000! Das ist, glaube ich, eine großartige Leistung des Innenministers und seines Teams!
Geschätzte Damen und Herren! Man muss hier klar und deutlich sagen – und das wurde auch bereits von unserem Bundeskanzler erwähnt –: Wenn Asylwerber, die nach Österreich kommen, unsere Gastfreundschaft missbrauchen, dann haben sie zukünftig kein Recht, hier in Österreich zu bleiben! Das kann nicht sein, und dafür hätten die Menschen auch überhaupt kein Verständnis! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
12.51
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Mag. Posch zu Wort. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
12.51
Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Minister, ich weiß nicht, ob Sie diese Anfrage (Abg. Scheibner: Antrag!), dieser Antrag, der an Sie gestellt wurde, freuen soll oder nicht freuen soll, ob Sie mit den Intentionen der Antragsteller konform gehen. Wenn in dieser Debatte ständig von „Asyl-Touristen“ die Rede ist, so, als sei das eine feine Geschichte, dann muss ich sagen, wünsche ich wirklich niemandem, dass er einmal in seinem Leben „Asyl-Tourist“ wird und auf solche Art und Weise die Freuden des Gastgeberlandes genießen kann.
Die Sprache ist in vielerlei Hinsicht verräterisch. An Frau Abgeordnete Partik-Pablé, die jetzt leider nicht anwesend ist, weshalb ich sie auch nicht fragen kann, wäre schon die Frage zu stellen, ob sie, die den Asylwerbern immer unterstellt, dass sie nur ein besseres Leben wollen, vielleicht ein schlechteres für sie haben möchte, und ob das, was für
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sie gilt, nicht auch für andere gelten soll. (Abg. Scheibner: Mein Gott!
Das ist genau das!)
Aber ich komme zum Asylgesetz und zitiere, damit das, was Sache ist, wirklich gesagt wird, einen unverdächtigen Zeugen, nämlich Hans Winkler von der „Kleinen Zeitung“. Im Besonderen zu der von Ihnen prätendierten Sache, dass 95 Prozent des Asylgesetzes ohnehin in Geltung geblieben seien, zitiere ich Hans Winkler wörtlich:
„Allen beschönigenden Abwiegelungen ... zum Trotz hat der Verfassungsgerichtshof über die Asylpolitik der Regierung ein vernichtendes Urteil gesprochen. ,95 Prozent‘ des Asylgesetzes seien ohnehin in Geltung geblieben, tröstet sich Ernst Strasser ... Selbst der als zurückhaltend bekannte Präsident des Verfassungsgerichtshofes las der Regierung die Leviten: Es sei ein selten schlechtes Gesetz.
Auf einem Rechtsgebiet, wo es um
verlässliche Anwendbarkeit, die Berücksichtigung internationaler Vorschriften
und die Respektierung humanitärer Standards geht, haben Ministerium und Parlamentsmehrheit frivol schlampige
Arbeit geleistet.“ – Zitatende.
Es ist das in
Wirklichkeit der vorläufige Schlusspunkt eines langjährigen, nicht sehr
ruhmreichen Kapitels österreichischer Flüchtlingspolitik. Wenn ich auch nicht
bestreiten möchte, dass die momentane Situation vielleicht eine schwierige ist,
so möchte ich schon darauf hinweisen, dass es seit dem Zweiten Weltkrieg eine
lange, lang andauernde Bereitschaft der österreichischen Bevölkerung gegeben
hat, bedrängten Menschen zu helfen und dass es auch immer eine sehr, sehr
lange, positive Flüchtlingstradition gegeben hat. (Abg. Ellmauer: Noch gibt)
Dabei waren Sie
in der Sache vorgewarnt. Ich erinnere etwa an den Verfassungsrechtler Mayer,
der im Zuge des Begutachtungsverfahrens davor gewarnt hat, dass, auch wenn sich
der Staat anschickt, zu sparen und seine Verwaltung effizient zu gestalten,
diese Sparsamkeit des Staates nicht Selbstzweck sein könne. Und er hat schon damals
darauf hingewiesen, dass der beinahe gänzliche Ausschluss der aufschiebenden
Wirkung einer Berufung verfassungswidrig sei, ebenso dass im Berufungsverfahren
keine neuerlichen Tatsachen und Beweismittel mehr vorgebracht werden können,
was ansonsten im Verwaltungsverfahren sehr wohl gelte.
Und Sie haben
damals schon all diese Einwände negiert. Sie haben unter dem Druck der FPÖ
versucht, ein restriktives Asylgesetz zu machen, um der Situation Herr zu
werden, und haben sich über alle rechtsstaatlichen Bedenken hinweggesetzt.
Sie haben aber
als Repräsentant der Staatsgewalt dafür zu sorgen, dass die Menschen ihre
Interessengegensätze geordnet austragen, wie es das Völkerrecht, wie es die
Verfassung und wie es die österreichischen Gesetze gebieten. – So viel ist
zum Spruch des Verfassungsgerichtshofes zu sagen! (Beifall bei der SPÖ und
bei Abgeordneten der Grünen.)
Natürlich kennen wir die Probleme, wir haben auch immer darauf gedrängt, die für diesen Bereich notwendigen Ressourcen bereitzustellen. Sie wissen genau, dass der Gesetzgeber bei der Einrichtung des Unabhängigen Bundesasylsenates und der Asylgesetzgebung bei der Beistellung des Personals von jährlich rund 5 000 bis 6 000 Verfahrensabschlüssen ausgegangen ist. Mittlerweile sind es wesentlich mehr.
Sie wissen auch, dass nach wie vor 80 Prozent der abweisenden erstinstanzlichen Entscheidungen des Bundesasylamtes in die Berufung gehen und dass fast die Hälfte der erstinstanzlichen Entscheidung abgeändert oder behoben wird. Sie haben sich trotzdem dafür entschieden, diese Tatsache zu negieren und lieber den Bruch der Rechtsstaatlichkeit in Kauf genommen – auf dem Rücken der Ärmsten, die in dieses Land kommen, die mit sprachlichen Schwierigkeiten kämpfen, die mit Traumatisierung kämpfen, die persönliche Schwierigkeiten haben, die verfolgt sind und die sich nicht so
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einfach helfen können, die auch nicht das Geld haben, ihre Interessen durchzusetzen, wie Ihre Freunde und Kollegen das sehr viel leichter können.
Den Sparwillen in Ehren – bei anderen Gelegenheiten nehmen Sie das mit dem Sparwillen nicht so ernst. Hätten Sie nur einen Bruchteil dessen, was diese Bundesregierung, diese schwarz-blaue Bundesregierung seit dem Jahr 2000 für Repräsentation, für Inserate in den Zeitungen aufgegeben hat – das sind Beträge in der Höhe von mehreren Hundert Millionen ... (Bundesminister Dr. Strasser: Keinen Cent hat das Innenministerium für Inserate ausgegeben! Keinen Cent!) – Andere Ministerien! (Bundesminister Dr. Strasser: Das Innenministerium nicht! Keinen Cent!) – Sie sind Repräsentant dieser Regierung, Sie haben durchzusetzen, dass Sie mit dafür notwendigen Mitteln das Problem lösen.
Die Frage ist: Wie löse ich das Problem? Löse ich es rechtsstaatlich, oder löse ich es unter Nichtbeachtung der Gesetze? Bei anderen Dingen wird in diesem Staat nämlich nicht gespart – Stichwort Eurofighter und so weiter. Für die Flüchtlingspolitik aber ist kein Geld da.
Ich erinnere an die prekäre Situation, die Auseinandersetzung, die Sie mit Flüchtlingsorganisationen, mit „Asyl in Not“, mit Caritas und so weiter rund um die Betreuung der Asylwerber gehabt haben sowie an diese unwürdige Situation im Zusammenhang mit deren Versorgung. Wir haben damals in der Grundversorgungsvereinbarung unsere Zustimmung zu einer menschenwürdigen Behandlung von Flüchtlingen und hilfsbedürftigen Fremden gegeben, weil damit auch das Versorgungsniveau den Vorgaben der im Februar 2005 in Kraft tretenden EU-Richtlinie folgend auf ein humanitär akzeptables Niveau gehoben wird. Wir bekennen uns dazu! Und wir sagen auch, dass das ein humanitärer Meilenstein ist.
Inzwischen haben Bund und Länder diese Artikel-15a-Vereinbarung unterzeichnet, aber nur zwei Bundesländer erfüllen diese Vereinbarung: Wien und Niederösterreich. Ich möchte an dieser Stelle die absurden Vorhaltungen diverser Landeshauptleute zurückweisen, wonach die Stadt Wien zusätzliche Asylwerber ins System einschleusen würde.
Tatsache ist, dass sich Wien bemüht, der Grundidee zu entsprechen, Flüchtlinge von der Straße wegzubekommen und in das System zu integrieren. Wien kümmert sich auch um jene, die einen Abschiebungsbescheid haben und die normalerweise laut Gesetz abgeschoben werden müssten, aber vielleicht nicht könnten.
Tatsache ist, dass gerade diese Grundversorgungsvereinbarung dazu beitragen sollte, die Menschen zu versorgen und damit auch Kriminalität zu verhindern. Im Übrigen sei noch hinzugefügt, dass Wien die Quote zu 100 Prozent erfüllt. Daher können sich an diesem Beispiel viele ein Vorbild nehmen.
Ich möchte auch andere positiv hervorheben, wie etwa Kollegen Reheis, der sich im Unterschied zu manchen anderen Landeshauptleuten in Tirol sehr wohl bemüht hat, konkrete Maßnahmen zu setzen. (Abg. Mag. Molterer: Der Reheis Landeshauptmann?) – Nein, er hat das als Bürgermeister gemacht. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Ah so! – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)
Kollege Reheis hat sich als Bürgermeister
eingesetzt, um die Bevölkerung diesbezüglich aufzuklären, dafür zu werben und
sich für ein friedliches Zusammenleben einzusetzen, anstatt sich wie Ihre
Landeshauptleute zu verstecken, immer nur die christliche Karte in der Hand zu
halten, aber in Wirklichkeit nichts dazu beizutragen. (Abg. Miedl: Das stimmt ja
nicht! ... mehr untergebracht! – Abg. Mag. Johann Maier – in Richtung des Abg.
Miedl –: Rede keinen Blödsinn!)
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Auch die schwarz-grüne Landesregierung in Oberösterreich sei hier
aufgefordert, etwas zu tun, diese Artikel-15a-Vereinbarung umzusetzen, denn
zwischen den Taten und den Worten gibt es noch einen kleinen Unterschied. (Rufe
bei der ÖVP: Nein, nein!)
Daher sind wir dem Verfassungsgerichtshof dankbar, weil er endlich einmal klare Worte gesprochen hat, weil endlich wieder Rechtssicherheit herrscht, wie auch vom UNHCR moniert wurde – und auch angesichts der Worte des Direktors der Evangelischen Diakonie, Michael Chalupka, ebenfalls ein unverdächtiger Zeuge, die ich Ihnen als Warnung gerne mitgeben möchte. (Dipl.-Ing. Scheuch: Die werden immer unverdächtiger, Ihre Zeugen! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann wissen wir schon, wie es weitergeht, beim Chalupka!) – Ich weiß, wir alle wissen, dass Sie ein Problem damit haben.
Ich zitiere Chalupka trotzdem: „Diese gemachten Fehler dürfen nicht mehr passieren, es dürfen nicht ständig die Verfassung und die Genfer Konvention mit Füßen getreten werden ...“.
Und: „In der Verwaltungssache ,Asyl‘ gehe
es nicht um Strafzettel für Falschparker, sondern um echte
Menschenleben ...“ – und auch nicht um Asyltouristen, Frau
Partik-Pablé. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
13.01
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.
13.01
Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich freue mich, dass die Freiheitlichen sich dieses Themas annehmen (Abg. Scheibner: Das haben wir nur wegen dir gemacht! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir wollten Ihnen eine Freude machen!), denn jede Diskussion zum Thema Asyl und zu den Schwächen, um nicht zu sagen, Blamagen des Herrn Bundesministers Dr. Strasser hier im Parlament ist mir ein Anliegen. Deshalb freue ich mich. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Auf der anderen Seite tun Sie es – und
das muss einleitend auch gesagt werden – mit einem Hexenkreuz am Rücken,
denn der wahre Grund dafür, dass Sie sich heute plötzlich dem Thema Asyl
widmen, ist, dass die Grünen für heute angekündigt haben (Abg. Dr. Partik-Pablé:
Also so kleinlich wie Sie! Sie sind schadenfroh!), im Plenum zu
thematisieren, was im Rechnungshofausschuss im Zusammenhang mit Missachtung des
Parlaments, mit Missachtung des Fragerechts der Abgeordneten und mit dem
Kopf-in-den-Sand-Stecken von Minister Platter so läuft. (Abg. Scheibner: Das werden
wir eh noch diskutieren! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind misstrauisch und schadenfroh!)
Davon ist Strasser – entschuldigen
Sie, wenn ich das so verkürzt sage – einmal nicht betroffen, aber Grasser
und wie sie alle heißen, ehemalige Minister, Scheibner etwa. Es ist wirklich
geradezu witzig, dass er, anstatt im Rechnungshofausschuss Auskunft zu geben,
hierher kommt und dann noch in einer Rede zum Thema Asyl so manche
Ungeheuerlichkeit von sich gibt. – Und da beginne ich. (Beifall bei den
Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner:
Sie werden mir aber nicht das Wort da verbieten! Das ist ja ungeheuerlich!)
Ich verbiete dir, lieber Herbert – wir sind schon seit 15 Jahren per du, und ich will jetzt auch nicht davon Abstand nehmen, auch wenn du mich jetzt siezt –, ich verbiete dir gar nichts, das ist dein Recht. (Abg. Scheibner: Von dir werde ich mir nicht das Wort ver-
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bieten lassen!) Aber es ist auch deine Pflicht, Auskunft im Rechnungshofausschuss zu geben. Darauf weise ich dich hin! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Ich möchte meine 8 Minuten Redezeit
dem Thema widmen, aber vielleicht noch ein Wort zu Klubobmann Scheibner:
80 Prozent der Asylwerber in Österreich missbrauchen das
Asylrecht, weil sie nämlich nicht anerkannt werden als Asylwerber. –
Dieser Schluss ist so einfach – oder gibt es ein anderes Wort für einfach (Abg. Sburny:
Jenseits!), das noch mehr als einfach bedeutet? –, und diesen
einfachen Schluss zieht er. Wenn nach dem österreichischen Asylgesetz
80 Prozent keine Anerkennung als Flüchtlinge finden, heißt das für
Herbert Scheibner, dass 80 Prozent die Asylwerbung, die
Antragstellung missbrauchen, meine Damen und Herren! (Abg. Scheibner: Dass sie
keine Gründe haben! – Abg. Dr. Partik-Pablé: ...
nach der Genfer Konvention!)
Das hieße, wenn wir das auf andere
Verwaltungsverfahren – und das ist das Asylverfahren – umlegen, dass
all jene, die sich in einem Verwaltungsverfahren nicht durchsetzen, immer
Missbrauch treiben. Wenn man beispielsweise eine Strafverfügung wegen Raserei
im Straßenverkehr bekommt und dann Einspruch erhebt, weil man meint, nicht so
viel zahlen zu müssen, sich mit dem Einspruch aber nicht durchsetzt, dann ist
das Missbrauch. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Also Ihr Vergleich ist
wirklich ein Blödsinn! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn jemand mit 160 auf der Autobahn fährt, ist das
kein Missbrauch?)
Ja, unterstützen wir das, so könnte man in dieser Republik ganz viel einsparen und das den obdachlosen AsylwerberInnen und jenen, die in Österreich kein Dach über dem Kopf haben, kein Geld, um selbst für ihre Grundversorgung aufzukommen, zur Verfügung stellen. Deshalb hat sich die Europäische Union in einem langwierigen Prozess – dieser Prozess geht schon seit vielen Jahren; damals hat Minister Strasser sich überhaupt noch nicht damit beschäftigt, ich glaube, das war unter Löschnak und unter Einem und dann unter Schlögl – dazu durchgerungen, in Europa einen Standard festzulegen, der da sagt: In diesem reichen Europa sollen Menschen, die auf der Flucht sind, einen Asylantrag stellen können, sie sollen ein Dach über den Kopf und das notwendige Essen bekommen.
Eben dieses Dach über den Kopf und das notwendige Essen hat der österreichische Gesetzgeber, nämlich das Parlament, letztes Jahr, in Kraft getreten mit 1. Mai dieses Jahres, auch normiert. Jetzt gibt es massive Beschwerden darüber, dass man das, was Recht ist, was sozusagen Anspruch ist, was die Verpflichtung Österreichs im Zusammenhang mit den EU-Obligationen ist, auch tatsächlich macht.
Herr Bundesminister, jetzt komme ich zu Ihnen und zu Ihren Ausführungen in Replik auf Frau Abgeordnete Partik-Pablé. Wenn Sie hier herkommen und behaupten, dass es noch nie so viele versorgte Flüchtlinge in Österreich gegeben hat wie heute, dann muss ich sagen: Sie sprechen wieder einmal nicht korrekt, um nicht zu sagen, dass Sie die Unwahrheit sagen! Herr Bundesminister, wo haben Sie Mitte der Neunzigerjahre gelebt, als Zehntausende bosnische Flüchtlinge in Österreich untergebracht wurden (Abg. Scheibner: Das waren aber keine Asylwerber! – Abg. Lentsch: Das war privat!), Gott sei Dank untergebracht wurden!
Wir als VolksvertreterInnen haben damals im Nationalrat der österreichischen Bevölkerung wahnsinnig oft unsere Wertschätzung und unseren Dank für diese Hilfestellungen ausgedrückt – und indirekt sozusagen auch dem österreichischen Steuerzahler. Das haben nicht nur die Hilfsbereitschaft und die Barmherzigkeit der Österreicher geschafft, sondern das haben wir alle gemeinsam bezahlt. Es waren, wie gesagt, Zehntausende Flüchtlinge.
Ich gebe zu, Herr Bundesminister, durch den Druck der Europäischen Union und des Gesetzgebers und durch Ihre eigenen Initiativen versuchen Sie jetzt, ein wenig das
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gutzumachen, was Sie jahrelang verursacht haben, nämlich, dass Asylwerber auf die Straße gestellt, obdachlos gelassen und ausschließlich der Betreuung von karitativen Organisationen, in erster Linie von kirchlichen, aber auch der Betreuung von NGOs, übergeben wurden.
Zu Ihren Zahlen, die Sie hier nennen: Es
müsste Sie eigentlich erschauern lassen, wenn Sie heute zugeben, dass im
Jahr 2000 nur 2 300 Menschen von der Republik Österreich
versorgt wurden, nämlich nur 2 300 von damals schon Zehntausenden
hilfsbedürftigen AsylwerberInnen in Österreich! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser.)
Deshalb ist diese Diskussion, ob das
möglicherweise Missbrauch ist, eine der meiner Meinung nach schändlichsten, die
jetzt geführt wird. (Beifall bei den Grünen.)
Herr Minister! Ich darf das auch deshalb sagen, weil ich hier vor einem Jahr heftig gegen dieses Gesetz argumentiert und Sie darauf hingewiesen habe, wo die Schwächen sind, sowohl bei der Novelle zum Asylgesetz als auch beim Bundesbetreuungsgesetz. Ich habe argumentiert, dass die Sätze, die darin enthalten sind, nämlich was die Bedürfnisse betrifft, realitätsfremd sind.
Deshalb kann ich mir jetzt auch – wenn
Sie so wollen – das Recht nehmen, zu sagen: Beschweren Sie sich nicht über
Ihren eigenen Entwurf, den Sie dem Parlament vorgelegt und gleichzeitig mit
den Bundesländern ausgehandelt haben! (Abg.
Dr. Partik-Pablé: Er beschwert
sich ja gar nicht! Er hat gesagt, er ist froh darüber!) Sprechen Sie
nicht – und jetzt kommt das Gemeinsame zwischen Strasser und Scheibner; es
ist nicht nur der Anfangsbuchstabe – in diesem Ton (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch:
Also bitte!), sprechen Sie in der österreichischen Flüchtlingspolitik nicht
in diesem Ton, operieren Sie nicht ständig mit Metaphern, reden Sie nicht
ständig von Strömen, nicht ständig von Asylanten! (Abg. Scheibner: Ich habe
dauernd gesagt: Asylwerber! Hören Sie einmal g’scheit zu!)
„Asylanten“ – ein Begriff, den es in
der deutschen Sprache nicht gibt. Sie werden ihn in keinem Wörterbuch, in
keinem Lexikon, nirgendwo finden. Das ist ein Kampfbegriff, der entwickelt
wurde, um Flüchtlinge und Asylwerber, um Menschen, die Hilfe suchen, zu
diskreditieren, in Österreich aufgekommen – nicht ganz unzufällig (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben schon wieder Ihre alte Platte aufgelegt!
Sie hören überhaupt nicht zu!) –, von der „Kronen Zeitung“ geprägt,
und jetzt geht er so sukzessive in den österreichischen Sprachgebrauch über.
Er ist immer pejorativ. Er ist nie positiv gemeint, sondern immer, wenn er
verwendet wird – und jetzt komme ich wieder auf die beiden Herren zu
sprechen, auf Strasser und Scheibner –, negativ besetzt. (Abg. Kößl:
Frau Kollegin! Beim Schlusssatz bedanken Sie sich für das menschliche
Asylgesetz!)
Das, Herr Minister, ist jetzt Ihre Verantwortung! Ich sage Ihnen: Ich gehöre nicht zu jenen, die sich darüber freuen, dass der Verfassungsgerichtshof wieder einmal aktiv werden müsste. Ich halte es für eine Blamage des österreichischen Parlaments, dass das passiert ist. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kößl: Beim Schlusssatz bedanken Sie sich beim Minister für das menschliche Asylgesetz!)
Herr Minister, ich mache genau das, was ich
schon letztes Jahr gemacht habe, nämlich: Ich bitte Sie – und biete Ihnen
das gleichzeitig an –, jene, die Sachkundigkeit auf dem Gebiete der
Legistik, der profunden Formulierung von Gesetzen haben, in diese Diskussion
mit einzubinden! Machen Sie das, wozu Sie Frau Dr. Partik-Pablé aufgefordert
hat: Schließen Sie sich zusammen mit den NGOs, aber nicht, um vermeintlichen
Missbrauch zu bekämpfen, sondern um die Kompetenz der NGOs in diesen Fragen zu nutzen! (Abg.
Kößl: Um Gottes willen! Sie werden
ja nicht für den Missbrauch stimmen?!)
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Um Ihre, Herr Bundesminister Strasser, „wirklich schwere Schlappe“, wie eine Zeitung geschrieben hat, ein wenig zu mildern: Jetzt haben Sie die Chance, die Richtung zu korrigieren! Sie haben hiefür die Unterstützung der Opposition sowie das Angebot aller kirchlichen und nicht staatlichen Organisationen, Österreich auf den Boden der Verfassung in Bezug auf Asylrecht und Betreuung von Hilfsbedürftigen zurückzubringen. (Beifall bei den Grünen.)
Ich kann Ihnen nur empfehlen, Herr Minister Strasser: Nutzen Sie diese Chance! Oft hat man eine solche nicht. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)
13.11
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte, Frau Abgeordnete.
13.11
Abgeordnete Barbara
Rosenkranz (Freiheitliche): Herr
Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Stoisits, wenn
Sie durchs Land gehen und mit den Leuten reden, dann werden Sie wohl zu dem
Schluss kommen müssen, dass man zur Behandlung dieses Themas keinerlei Vorwand
suchen muss, denn das brennt den Leuten wirklich auf den Nägeln. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Bei dieser Gelegenheit, wenn schon davon die Rede ist: Wir wären Ihnen, Frau Abgeordnete Stoisits, sehr verbunden, wenn Sie Ihrem Abgeordneten-Kollegen Kogler ausrichten würden, dass er seine Funktion als Vorsitzender des Rechnungshofausschusses nicht dazu missbrauchen soll, seine politischen Ziele durchzubringen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy und Öllinger.)
Herr Bundesminister Strasser, ich teile Ihre Ansicht, dass diese Debatte hier sehr zielführend ist, und deshalb haben wir ja auch diesen Antrag eingebracht. Es ist gut, dass es jetzt die Gelegenheit gibt, das Asylgesetz noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen. Vor einer guten Lösung braucht es jedoch eine klare Analyse, und, Frau Abgeordnete Stoisits, eine klare Analyse gewinnt man in der Regel nur mit einem emotionsfreien und kühlen Kopf! Das sollte man auch einmal sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Die Debatte, wie sie über die Verteilung von Asylwerbern geführt wird, geht zum Teil gefährlich am Kern vorbei. – Herr Innenminister, Sie wissen: An einem Tag kommen etwa 100 Leute nach Traiskirchen. Eine Debatte darüber, wie wir 250 Leute unterbringen – jetzt werden jeden Tag 50 Menschen in Privatquartiere gebracht –, bringt überhaupt nichts, denn nach fünf Tagen, an denen gesagt wird, man hätte jetzt 250 Menschen untergebracht, die nicht mehr in Traiskirchen sind, gibt es in Wirklichkeit um 250 Menschen mehr in Traiskirchen, jedoch ist es so, dass nach Traiskirchen Leute oft nur ganz kurz kommen – und dann sofort wieder „abtauchen“. Traiskirchen sozusagen als von der internationalen Schlepperei eingeplante Labstation. (Abg. Heinzl: „Labstation“ ist hart!) So ist es!
40 Prozent der Asylanträge, ist uns gesagt worden, können deshalb nicht abgeschlossen werden, weil Asylwerber vorher „abtauchen“. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) – Wenn Sie sich in Traiskirchen erkundigen, werden Sie merken, dass dort niemals zwei Mal hintereinander der Personenstand derselbe ist. Es ist also völlig unklar, wer dort ist; es gibt lediglich Zahlen, aber die Menschen, die da dahinter stehen, kennen wir eigentlich nur zum Teil. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)
Wichtig und gut wäre es, wenn das gesamte Hohe Haus dazu einen klaren politischen Willen fassen würde und den Innenminister in seinem Vorhaben unterstützen würde. – Asyl hat Flüchtlingen gewährt zu werden – Österreich war da immer vorbildlich –, Asyl-
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missbrauch jedoch gehört abgestellt, und
zwar auch im Interesse der inneren Sicherheit! (Beifall bei den
Freiheitlichen sowie des Abg. Miedl.)
Sie alle kennen ja die Zahlen in Bezug auf die ständig und in drastischem Maße steigende Kriminalitätsrate. Auch das ist offen zu sagen: Hinter beinahe jedem Asylwerber steht ein Schlepper. Die Schlepperei ist das zurzeit lukrativste Geschäft der organisierten Kriminalität, hat den Waffenhandel und den Drogenhandel sozusagen überflügelt. Das heißt: In dieser Materie besteht bedauerlicherweise – oder sozusagen, natürlicherweise – ein ganz, ganz enger Kontakt zum internationalen Verbrechen.
Jeder weiß, dass Menschen, die aus armen Gegenden zu uns kommen, nicht in der Lage sind, 5 000 €, 10 000 € oder noch mehr an Gebühr fürs Schleppen zu zahlen. Was passiert daher? – Auch das ist ein Faktum: Diese Menschen verpflichten sich den Schlepperorganisationen gegenüber, dieses Geld hier abzuarbeiten – und in welchen Branchen, das sehen wir dann eben an den jeweils steigenden Kriminalitätsraten.
Meine Damen und Herren! Durch die Tolerierung des Missbrauchs des Asylrechts wird es eigentlich der internationalen organisierten Kriminalität ermöglicht, Leute hier zu rekrutieren und sich Arbeitssklaven zu halten. Das ist doch nicht etwas, was wir wollen, dem wir zustimmen können!
65 Prozent der Tatverdächtigen in Österreich sind Ausländer; viele davon sind als Asylwerber da. Herr Innenminister, Sie haben gestern in einem „Presse“-Interview gesagt, dass von 2 000 Drogendealern, die im vergangenen Jahr in Wien vor den Staatsanwalt kamen, 70 Prozent als Asylwerber in unserem Land sind. Das kann doch nicht toleriert werden!
Was ist also zu tun? – Es gibt eine gemeinschaftsrechtliche Vereinbarung, Dublin II, die besagt, dass ein Flüchtling einen Asylantrag in jenem EU-Land zu stellen hat, das er als erstes betritt. Diese Regelung ist vernünftig und verhält die einzelnen EU-Länder dazu, ihre Grenzen zu schützen. Diese Regelung ist so vereinbart worden; also ganz offensichtlich sind da einige Dinge hausgemacht, Dinge, durch die diese Regelung unterlaufen wird, denn ansonsten könnte es doch nicht so sein, dass wir hier in Österreich ein Vielfaches an Asylanträgen im Vergleich zu anderen EU-Ländern zu bewältigen haben.
Ganz kurz zu dieser Regelung, da das Licht hier beim Rednerpult bereits blinkt: Durch Korrektur des § 19 soll erreicht werden, dass jene, die zu Unrecht bei uns um Asyl ansuchen, bereits im Grenzraum abzuweisen sind. Ungeheuer missbrauchsanfällig ist § 24b dieses Gesetzes mit dem Begriff „Traumatisierung“. – Selbstverständlich werden in Österreich traumatisierte Flüchtlinge, die bei uns einen Asylantrag stellen, gut betreut. Es gibt medizinischen Beistand, keine Frage!, aber aus dieser Tatsache heraus eine Zuständigkeit Österreichs abzuleiten, ungeachtet aller anderen Umstände, das unterläuft Dublin II! Das kann so nicht funktionieren!
Weiters: Die Ersteinvernahme muss an der Grenze geschehen, und das Flüchtlingslager Traiskirchen – das sage ich als Niederösterreicherin – muss baldigst geschlossen werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Herr Minister! Die Handlungsfähigkeit und die Entscheidungsfähigkeit einer Demokratie hängen, und zwar mehr als in anderen Staatsformen, an der Glaubwürdigkeit und der Fähigkeit des Rechtsstaats, sich durchzusetzen und den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Wenn es so weit kommt, dass einzelne Leute – einen solchen Fall hat es ja in Wien schon gegeben – sagen, sie schützen ihr Geschäft selber, so kann das nur als ganz gefährlicher Weg, als ganz gefährliche Entwicklung bezeichnet werden.
Herr Innenminister, Sie tragen die zentrale Verantwortung dafür, die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates und den Glauben an die Durchsetzungsfähigkeit des Rechtsstaates
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nicht beschädigen zu lassen. Sie haben unsere Unterstützung, aber ich fordere Sie auf: Ermannen Sie sich und setzen Sie im Interesse der echten Flüchtlinge, der Sicherheit der Österreicher und Ihrer eigenen Beamten jetzt wirklich Schritte, die eine geordnete Asylpolitik ermöglichen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
13.17
Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Abgeordneten Mag. Kogler, Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen haben gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung von Vorgängen im Bereich der Vollziehung, die zur Typenentscheidung für Eurofighter und zum Kaufvertrag geführt haben, einzusetzen.
Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.
Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung im Anschluss an die Abstimmung über den Dringlichen Antrag statt.
*****
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.
13.18
Abgeordneter
Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Kollege Posch, was sagst du bitte zu deinem SP-Kollegen Landesrat
Ackerl, der wochenlang vom Bund forderte, Kasernen für Flüchtlinge zu öffnen?
Dann wird in Steyr die Trollmann-Kaserne geöffnet – und dann ist es auf
einmal den Flüchtlingen „nicht zumutbar“, dass sie dort untergebracht werden.
460 österreichischen Grundwehrdienern war das jahrelang zumutbar! Eine
doppelbödigere Politik kann ich mir eigentlich nicht mehr vorstellen! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich blickt als Asylland auf eine lange Tradition zurück – und kann stolz auf diese sein. Unser Land hat seine Grenzen für Flüchtlinge immer großzügig geöffnet. So zum Beispiel haben wir Hunderttausende Ungarn und Tschechen aufgenommen, als diese ihr Heimatland verlassen mussten. Ebenso haben wir während des Bosnien-Krieges mehr als 90 000 bosnische Flüchtlinge bei uns aufgenommen, ja noch mehr: Über 60 000 davon haben wir in unsere Gesellschaft integriert und nicht Hunderttausende wieder zurückgeschickt, wie etwa die Bundesrepublik Deutschland das getan hat.
Kein anderes Land als Österreich kann auf solche Großzügigkeit verweisen. Dies, meine sehr geschätzten Damen und Herren, wurde auch beim 53. Weltkongress der Forschungsgesellschaft für das Weltflüchtlingsproblem gewürdigt. Österreich wurde dort als „sehr gutes Asylland“ bezeichnet.
An die Opposition gerichtet: Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, hören Sie doch endlich auf, unser Land Österreich ständig schlechtzureden!
Ich stelle noch einmal klar: Jedem, der ein Recht auf Asyl hat, wird es in Österreich auch rasch bewilligt. Aber wir stellen auch klar: Eines unserer wichtigsten Ziele ist es: Jene, die missbräuchlich Asylanträge stellen, sollen und werden kein Asyl bekommen.
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Auf Grund der ausufernden Zahl der Asylanträge war im Jahr 2002 unmittelbarer Handlungsbedarf gegeben. Die Zahlen sprechen für sich – ich werde es Ihnen verdeutlichen: Im Jahr 2003 gab es in Österreich 32 342 Asylanträge, in Deutschland 50 455 Asylanträge, obwohl die Bundesrepublik Deutschland die zehnfache Bevölkerungszahl Österreichs hat, in Großbritannien wurden 49 369 Asylanträge gestellt, in Frankreich 51 360, und das bei der achtfachen Bevölkerungszahl Österreichs.
Dieser Problematik der ausufernden Zahl der Asylanträge begegnete das am 1. Mai 2004 in Kraft getretene Asylgesetz. Dies führte zu einer Reduktion der Zahl der Asylanträge um 36 Prozent im Zeitraum Mai bis September dieses Jahres. Wir sehen also, das neue Asylgesetz greift. Wir sind auf dem richtigen Weg mit unserer vernünftigen Asylpolitik im Sinne der internationalen Vereinbarungen, wie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention.
In diesem Zusammenhang: Herzlichen Dank, Herr Bundesminister, für die gute Arbeit!
Auch vom Verfassungsgerichtshof sind mehr als 95 Prozent des Asylgesetzes bestätigt worden. (Ruf bei der SPÖ: Das stimmt ja gar nicht!) Lediglich drei Punkte werden laut Ansicht des Verfassungsgerichtshofes als reparaturbedürftig erachtet.
Frau Kollegin Stoisits! Ich erinnere mich noch sehr gut an Diskussionen mit VertreterInnen der Opposition, der NGOs, aber auch des UNHCR Österreich, in denen viele Punkte heftig umstritten waren, die jetzt vom Verfassungsgerichtshof als verfassungsgemäß erachtet werden.
Auch das Neuerungsverbot hat großteils gehalten, nur ein Punkt ist verfassungswidrig: In der zweiten Instanz dürfen gemäß dem Neuerungsverbot keine neue Tatsachen mehr vorgebracht werden. Das Asylgesetz normiert dazu aber vier Ausnahmen: bei Sachverhaltsänderungen, bei mangelhaften Verfahren, wenn neue Tatsachen hervorkommen und bei medizinischer Traumatisierung durften auch in zweiter Instanz neue Tatsachen nachgereicht werden. Nur diese Ausnahme betreffend medizinische Traumatisierungen wurde vom Verfassungsgerichtshof behoben.
Ich begrüße die rasche Entscheidung des VfGH und respektiere die Entscheidung, ich bin mir aber auch sicher, dass wir gemeinsam mit dem Bundesministerium für Inneres Vorschläge erarbeiten werden, die sowohl dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes als auch unserer Verpflichtung gegenüber der österreichischen Bevölkerung und selbstverständlich auch den Asylwerberinnen und Asylwerbern gerecht werden.
So werden wir selbstverständlich dafür sorgen, dass auch weiterhin rechtmäßige und rasche Verfahren für jene gegeben sind, die einen Anspruch darauf haben. Unser Grundverständnis lautet also: Jene, die wirklich Asyl brauchen, sollen dieses rasch bekommen.
Noch einmal unser Ziel: Jene, die Asyl brauchen, werden es rasch bekommen, den Missbrauch aber werden wir hintanstellen.
Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Dies steht auch im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Unser Land Österreich darf nicht zu einem bevorzugten Zielland der internationalen Schlepperorganisationen und des internationalen Menschenhandels werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
13.24
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. Ich erteile es ihm.
13.24
Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zum Kollegen Kößl, der jetzt nicht im Saal ist, bedanke ich mich sehr herz-
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lich bei Frau Abgeordneter Partik-Pablé und natürlich auch bei Herrn Abgeordnetem Scheibner dafür, dass wir die Möglichkeit haben, über das Pech, die Pleiten und die Pannen des Herrn Innenministers zu reden. Seit er im Amt ist, hat er ja eine beachtliche Häufung von Aufhebungen von Gesetzesmaterien hinnehmen müssen. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.)
Ich zitiere, meine Damen und Herren: § 28 des Zivildienstgesetzes-alt wurde wegen des Verpflegungsgeldes aufgehoben, die Neuregelung, die dann gemacht wurde, wurde wieder aufgehoben; § 46 des Personalvertretungsgesetzes wurde aufgehoben; im Jahre 2001 wurde § 4 des Asylgesetzes aufgehoben; § 80 des Sicherheitspolizeigesetzes wurde wegen des Datenschutzes aufgehoben; § 15a Beamten-Dienstrechtsgesetz wurde aufgehoben; die Asylreform 2003 wurde aufgehoben; § 54a des Zivildienstgesetzes wurde aufgehoben – und vergessen Sie nicht die Dutzenden Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen parteipolitischer Besetzungsversuche im Beamtenbereich, diese wurden aufgehoben. (Abg. Ellmauer: ... bei der Wahrheit bleiben!)
Meine Damen und Herren! Das ist schon eine „beachtliche“ Leistung! – und eines steht schon jetzt fest: Mit dem geplanten Sicherheitspolizeigesetz wird der Minister die nächste Panne, den nächsten Bauchfleck landen!
Herr Minister Strasser soll aber nicht sagen, er sei nicht gewarnt worden. Er ist vor einem Jahr sehr deutlich gewarnt worden, etwa vom Katholischen Familienverband, der gesagt hat: „Der österreichische Entwurf vergrößert die europäische Ratlosigkeit. Er enthält ... nichts Mutiges oder gar Fortschrittliches. Im Gegenteil noch setzt er sich der berechtigten Kritik aus, menschenrechtliche Mindeststandards zu untergraben.“
Oder die Diakonie – ich zitiere –: „Dazu kommt ein weitgehendes Abgehen von zentralen Punkten der österreichischen Rechtskultur, vor allem durch die massive Einschränkung des Rechtsschutzes und der Einführung von Zwangsmitteln.“
Und weiter: „Es ist notwendig, dass auch in Zukunft jedem Asylsuchenden ein effektiver Zugang zu einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren offen steht.“
Meine Damen und Herren! Im Antrag der FPÖ,
der von Kollegin Partik-Pablé und vom Kollegen Scheibner eingebracht worden
ist, ist ja auch die Formulierung hochinteressant. Da steht etwa: „Der
Bundesminister für Inneres wird ersucht, dem Nationalrat ehebaldigst“ –
das ist schon einmal sehr eigenartig (Abg.
Scheibner: Wieso?), da hätte man
ja auch einen Termin hineinschreiben können – „eine Regierungsvorlage
vorzulegen, die die vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehobenen
Bestimmungen ... verfassungskonform überarbeitet“. (Abg. Scheibner: Ja was
sonst? Sollen wir es verfassungswidrig überarbeiten?)
Kollege Scheibner! Das könnte man jetzt auch so interpretieren, dass in Wirklichkeit der Herr Bundesminister nicht in der Lage war, verfassungskonforme Gesetzesvorlagen zu erstellen. (Abg. Scheibner: Sollen wir hineinschreiben, er soll etwas verfassungswidrig vorlegen?) In Wirklichkeit haben Sie damit dem Minister eine schallende Ohrfeige verpasst.
Wenn man sich die Gesetzesmaterie weiter
ansieht und das Erkenntnis und die Aussagen des Präsidenten des
Verfassungsgerichtshofes, dann wird ja wieder deutlich, mit welcher
Schludrigkeit bei diesem Gesetz vorgegangen wurde. (Abg. Wittauer: Das ist
keine Schludrigkeit! Das nehmen Sie zurück, Herr Abgeordneter!)
Herr Korinek hat eindeutig formuliert: „Die legistische Qualität des Gesetzes ist nicht gut.“ (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ist das eine Lesung oder eine Rede? Das ist keine freie Rede!) Er setzt dazu, dies sei „noch zurückhaltend formuliert“. – Das sagt der Präsident des Verfassungsgerichtshofes.
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Es ist auf Bestimmungen verwiesen, meint er weiter, die es nicht gibt. – Also auf irgendwelche Absätze, die im Gesetz nicht vorkommen.
Herr Bundesminister! Es ist schon sehr bedauerlich, dass derartig vorgegangen wird, sodass Sie sich dieser Bemerkung des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes aussetzen müssen.
Meine Damen und Herren! Besonders deutlich wird das Verhältnis zum Rechtsstaat, wenn man sich etwa die Aussage des Vizekanzlers Gorbach anschaut. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) – Für dich, Kollege Wittauer, zum Mitlesen (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wie soll er mitlesen, wenn er es nicht hat!), zum Mitdenken und zum Mitbuchstabieren.
„Die Gerichte orientieren sich rein am Gesetzestext und fällen ihre Entscheidungen in der Theorie“, sagte Vizekanzler Gorbach. „Die Politiker müssen sich hingegen an der Realität orientieren und können vor den tagtäglichen Problemen in der Umsetzung der Asylbestimmungen nicht die Augen verschließen.“
Ja was heißt denn das, meine Damen und Herren? Es ist ja wohl selbstverständlich, dass sich Gerichte an Gesetze halten – davon gehe ich aus! –, aber wenn ein Vizekanzler das sozusagen in Frage stellt und darüber hinaus noch meint, die Politiker können sich über das Recht hinwegsetzen, und sie de facto noch dazu auffordert – und das ist ja sozusagen aus seiner Aussage herauszulesen (Zwischenruf des Abg. Wittauer) –, dann ist er in einer demokratischen Republik mit Sicherheit am falschen Platz, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Ich komme zum Schluss meiner Ausführungen: Meine Damen und Herren! Ich kann dem Herrn Innenminister nur empfehlend auf Folgendes hinweisen: Der Bundeskanzler hat gesagt: „Es würde mir weh tun, wenn wir nicht 30 000 Flüchtlinge in einem 8-Millionen-Land ohne größere Probleme integrieren, behausen, ernähren und betreuen können. Das müssen wir zusammenbringen.“
Das hat der Bundeskanzler am 17. Oktober dieses Jahres gesagt! Herr Bundesminister, gehen Sie an die Arbeit und erfüllen Sie die Aufgabe, die Ihnen Ihr Chef gestellt hat! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
13.30
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Ich erteile es ihm.
13.30
Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich gehöre zu jenen, die froh und auch stolz darauf sind, dass Österreich eine Asyltradition hat, in der Vergangenheit hatte, die tatsächlich für viele Flüchtlinge positiv war. (Abg. Wittauer: Geht es noch langsamer?!) – Manchmal ist es auch wichtig mitzudenken, Herr Kollege! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Ich bin froh darüber, ... (Abg. Wittauer: Ein bisschen Dynamik in Ihre Rede!) – Herr Kollege Wittauer, bitte, machen Sie wenigstens einen intelligenten Zwischenruf!
Ich bin froh darüber, dass es in diesem Land Bürgermeister gibt, egal ob schwarz oder rot – da gibt es viele, die zu loben sind –, die sich in den letzten Monaten und Jahren sehr verdient gemacht haben um die Aufnahme von Flüchtlingen – Hut ab! –, jenseits von parteipolitischen Grenzen! Hut ab vor jenen Bürgermeistern, Hut ab vor jenen Hilfsorganisationen, Hut ab vor jenen, die den Asylsuchenden in den letzten Jahren entweder ein Asyl geboten haben oder alles dazu getan haben, damit der Aufenthalt von Flüchtlingen hier in Österreich erträglich wurde!
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Daher ist es umso unverständlicher und
zynischer, wenn man, wenn man Traiskirchen kennt, wenn man das Flüchtlingslager
Traiskirchen besucht hat, von Traiskirchen als Labstation spricht, wie dies
Frau Abgeordnete Rosenkranz getan hat. Sie wissen anscheinend nicht, Frau
Abgeordnete Rosenkranz, wie es tatsächlich in Traiskirchen ausschaut, wenn 70,
80 Asylsuchende – das waren oft Männer und Frauen gemeinsam mit
Kindern – in einem Raum untergebracht sind, wenn sie sich zu Hunderten
eine Toiletteanlage, eine Dusche teilen müssen. Und dann sagt eine
Abgeordnete: Das ist eine Labstation! Da geht es denen ja noch viel zu gut! (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)
Das kann doch nicht wahr sein, Frau Abgeordnete Rosenkranz! Das ist Zynismus pur. Das haben sich weder die Flüchtlinge noch jene, die sich in dieser Republik für Flüchtlinge, für Asylsuchende, für menschenwürdige Bedingungen von Asylsuchenden einsetzen, verdient. Das sicher nicht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Interessant finde ich schon – Herr Innenminister, jetzt komme ich zu Ihnen –, dass Sie – das ist mir erst heute so richtig aufgefallen – in den letzten Jahren eigentlich jede Rede mit dem Satz begonnen haben: Wir sind nicht links, wir sind nicht rechts, wir sind rot-weiß-rot! (Ruf bei der ÖVP: Die Mitte!) – Wo war das heute?
Es wurde Ihnen – das wurde schon gesagt – die Regelung über den vorzeitigen Zwangsruhestand vom Verfassungsgerichtshof gekippt. Es wurde Ihnen die Zivildienstnovelle gekippt, und es wurde Ihnen das Asylgesetz gekippt. Herr Minister! Wenn Sie all das damit abtun, dass Sie sagen: 95 Prozent des Gesetzes sind ohnehin in Ordnung!, egal ob es das Zivildienstgesetz ist oder die Asylgesetznovelle, dann ist mir das zu wenig. Das kann man bei jeder Aufhebung durch den VfGH behaupten und sagen: Da sind ja noch Paragraphen enthalten, die nicht aufgehoben wurden! – Welcher Verdienstausweis ist das für einen Innenminister (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser), der diese Republik zu vertreten hat und dem Parlament – und das Parlament ist ja in dieser Sache mitgehangen, mitgefangen – Vorlagen liefern sollte, die sich als verfassungskonform herausstellen und nicht verfassungswidrig sind?!
Es kann doch kein Verdienstausweis für dieses Parlament sein, aber auch nicht für den Innenminister, dass eine Gesetzesänderung nach der anderen, die in den letzten Jahren vom Innenministerium gekommen ist und über die wir debattiert haben, als verfassungswidrig aufgehoben wurde!
Herr Innenminister! Wenn Sie angesichts dieser Debatte noch sagen: Eigentlich super, dass wir jetzt über den Dringlichen Antrag der Freiheitlichen diskutieren!, dann bestätigen Sie damit nur mehr oder minder – und das ist das eigentlich Enttäuschende –, dass Sie nicht mehr jener Minister sind, als der Sie im Jahr 2000 ausgezogen sind, und zwar mit einer in Teilen durchaus erfrischenden Haltung und Einstellung zu bestimmten Problemen, und dass Sie und Ihr Ministerium nicht mehr rot-weiß-rot sind, sondern zutiefst schwarz-blau.
Dass Sie, Herr Innenminister, jetzt im Zusammenhang mit dieser Vorlage sagen (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser): Super, dass wir das jetzt diskutieren!, ist doch lächerlich! – Da sind Punkte enthalten, die brauchen wir nicht zu diskutieren, weil sie entweder in der Menschenrechtskonvention, an die wir uns ja halten sollen, schon enthalten sind – darüber brauchen wir nicht zu diskutieren – oder in Gesetzen, die wir jetzt schon haben und deren Teile nicht aufgehoben wurden.
Worüber diskutieren wir? Worum geht es bei der Diskussion? – Es geht offensichtlich nicht darum, hier jetzt irgendeine Dringlichkeit vorzuschützen, denn der Minister ist unabhängig von Ihrem Dringlichen Antrag (Abg. Scheibner: Da kann man aber nie einen Dringlichen Antrag machen!), Herr Kollege Scheibner, sowieso vom VfGH angehalten, dieses Gesetz zu reparieren. Ich werde doch nicht einen Minister, der gerade wieder vom Verfassungsgerichtshof für ein schlechtes Gesetz eine „drübergezogen“ bekom-
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men hat (Abg. Scheibner: Aber eure Anträge sind immer dringlich!), auch noch extra auffordern müssen, dieses schlechte und verfassungswidrige Gesetz zu reparieren. Selbstverständlich muss er das reparieren (Abg. Scheibner: Ihr nehmt euch ja selbst nicht mehr ernst!), aber hoffentlich in einer Art und Weise, die dann wenigstens verfassungskonform ist, Herr Kollege Scheibner. (Beifall bei den Grünen.)
Wir werden ihn ja doch nicht dazu auffordern müssen, dass er verfassungskonform repariert. Das wäre ja dann die Absurdität und die Groteske sondergleichen.
Nein, es geht nicht darum, sondern es geht um den Wind, den Sie innerhalb dieses Antrages ... (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Oberlehrer Öllinger!) – Gern, manchmal ist Oberlehrerhaltung wahrscheinlich nützlich, auch wenn Sie es nicht begreifen, und das ist das Problem. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das entscheiden Sie sicher nicht! Sie entscheiden sicher nicht, was ich begreife und was nicht! Das steht fest!) Aber Sie haben es notwendig, denn solche Gesetze, wie Sie sie vorlegen, die pausenlos in zentralen Bestimmungen aufgehoben werden, bringen wirklich nur Sie zusammen, Herr Kollege Scheuch!
Ich möchte aber trotzdem, Herr Kollege Scheuch, auf den Wind, den Sie zu erzeugen versuchen, zu sprechen kommen. Im Antrag wird davon gesprochen, dass es zwei Bundesländer gibt, die die Quote übererfüllen – Wien und Niederösterreich. Eigentlich sollte man, habe ich mir gedacht, Wien und Niederösterreich dafür belobigen; hat ja auch ein Abgeordneter von der SPÖ gemacht.
Was tut man im Antrag? – Es heißt, es ist „problematisch“, dass Wien so viele aufnimmt. „Problematisch“ ist das! – Und der Herr Minister ist nicht derjenige, der in der Debatte sagt: Nein, ich stehe dazu, dass Wien hilfsbedürftige Asylsuchende aufnimmt und von der Straße wegbringt – und das ist ja der entscheidende Punkt –, ihnen eine Versorgung in Unterkünften anbietet, damit sie eben nicht auf der Straße sind. Aber wahrscheinlich ist auch das – das wissen wir doch alle – noch zu wenig, die Asylsuchenden sollten hier auch arbeiten dürfen, das wäre sinnvoll! Dann hätten wir endlich sehr viele Probleme beseitigt. (Bundesminister Dr. Strasser: Sie kennen das Gesetz nicht, Herr Abgeordneter!) Wenn wir sie nicht nur von der Straße wegbringen würden, sondern ihnen hier auch menschengerechte, rechtskonforme Verhältnisse anbieten würden, wenn wir ihnen Betreuung anbieten könnten, dann hätten wir vermutlich viele der Probleme, die es tatsächlich gibt und über die man auch nicht schweigen sollte, nicht in der Form. Genau das ist der Punkt.
Was machen Sie in Ihrem Antrag? – Sie sagen: Genau diese Haltung von Wien, aber auch von Niederösterreich, die das tun, die das erfüllen, ist die problematische Haltung. Das kritisieren Sie! Und da wundert es mich, dass keiner von den ÖVP-Abgeordneten bisher hier aufgestanden ist und gesagt hat: Das lassen wir uns nicht gefallen! Egal ob es jetzt gegen Wien oder gegen Niederösterreich geht, wir sind froh darüber und stolz darauf, dass Wien und Niederösterreich ihre Verpflichtungen aus der Artikel-15a-Vereinbarung erfüllen. Was aber tun Sie von der ÖVP? – Sie schweigen, Sie schweigen zu dem, was hier mit diesem Antrag an Wind gemacht wird. (Abg. Miedl: Wir werden schon etwas sagen dazu! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Noch ist nicht aller Tage Abend!) – Noch ist nicht aller Tage Abend, ja, Gott sei Dank.
Ich bin der Überzeugung, Herr Kollege Scheuch, dass die Österreicherinnen und Österreicher in den wesentlichen Punkten wesentlich liberaler und humaner denken, als das die FPÖ den Österreicherinnen und Österreichern hier unterstellt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist ja auch an der immer wieder großen Hilfsbereitschaft erkennbar.
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Nur wenn man sozusagen eine böse Stimmung machen will – und das tun Sie, Sie probieren es halt wieder einmal im Hinblick auf diese zwei Bundesländer –, dann darf man sich nicht wundern. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)
Herr Bundesminister! Was störend ist, ist, dass Sie von Asylmissbrauch reden, obwohl das Asylgesetz durch den Gesetzgeber missbraucht wurde. (Abg. Scheibner: Die Geschäftsordnung gilt für die Grünen gar nicht mehr, gell? – Im Ausschuss nicht und im Plenum nicht!) Nicht die Asylsuchenden, auch nicht die Zivildiener sind das Problem, sondern eine Politik, die Sie zu verantworten haben, aber auch Sie, die die Menschenrechte und auch die Verfassung missachtet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
13.41
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.
13.41
Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Um gleich zu Beginn meiner Ausführungen der Wahrheit die Ehre zu geben: Meine Kollegin Barbara Rosenkranz hat nicht davon gesprochen, dass die in Traiskirchen Untergebrachten dort eine Labstelle vorfinden. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das hat sie nicht gemacht! Ich stelle eindeutig fest, sie hat davon gesprochen: Wenn Geschleppte nach Traiskirchen kommen, benutzen sie diese Einrichtung mitunter als Labstelle, um nachher wieder als Illegale entweder weitergeschleppt zu werden oder als Illegale unterzutauchen. Ich möchte dies hiermit klarstellen. (Abg. Öllinger: Nein, das ist keine Klarstellung! Von „mitunter“ war keine Rede!)
Zum Kollegen Parnigoni noch ganz kurz, der den Verfassungsgerichtshof beziehungsweise die Aufhebung einiger, nämlich genau dreier Punkte dieses Asylgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof bemüht hat. Ich darf Sie schon daran erinnern, wie es zu Ihrer Regierungszeit der geübten Praxis entsprach: Immer dann, wenn Sie sich nicht sicher waren, haben Sie ein Verfassungsgesetz oder eine Verfassungsbestimmung daraus gemacht, wodurch die Möglichkeit für den Verfassungsgerichtshof, ein Gesetz aufzuheben, nicht gegeben war. Davon haben Sie damals reichlich Gebrauch gemacht.
Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass es um drei Punkte geht, die dezidiert schon genannt wurden, und bei diesen drei Punkten sind es Teile, die der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat.
Wichtig ist mir die Feststellung, dass Österreich immer ein Land war, das offen war für politisch, rassisch, religiös Verfolgte, für Menschen, die in ihrer Heimat verfolgt wurden, die Probleme hatten und zu uns gekommen sind. Österreich ist nach wie vor offen und wird es auch bleiben. (Abg. Öllinger: Daran lassen Sie zweifeln!) Aber, geschätzte Damen und Herren, was Österreich nicht ist: Österreich ist kein Einwanderungsland!
Aus dem Vergleich der Zahl der Asylsuchenden, die wir hier in Österreich vorfinden, mit den diesbezüglichen Zahlen anderer Länder, beispielsweise Frankreich, Großbritannien, Deutschland, lässt sich eindeutig eine Schlussfolgerung ziehen. Vergleichen wir Deutschland und Österreich: Deutschland hat ungefähr eine zehnmal so große Bevölkerung wie Österreich. 64 Prozent der Zahl der Asylsuchenden, der Asylwerber in Deutschland haben wir hier in Österreich. Das heißt, wir haben nur 10 Prozent der Bevölkerung verglichen mit der Bundesrepublik Deutschland, aber wir haben 64 Prozent an Asylsuchenden, gemessen an der Zahl, die wir in Deutschland vorfinden.
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Österreich ist eindeutig ein Hauptzielland für Asylsuchende und – geschätzte Damen und Herren, dass müssen Sie zur Kenntnis nehmen – für Wirtschaftsflüchtlinge, also für jene, die ihre Lebensbedingungen für sich verbessern wollen. Die große Zahl der Untergetauchten – das ist übrigens, Herr Bundesminister, ein Terminus, der in Ihrem Ministerium offensichtlich nicht bekannt ist, weil auf eine Anfrage, wie viele untergetaucht sind, keine Antwort gegeben wurde, aber ich denke, dass es zumindest hier im Hause bekannt sein dürfte, was mit Untergetauchten gemeint ist –, die große Zahl dieser Untergetauchten begünstigt ja an sich noch die Zahl derer, die wir als Asylwerber ausweisen, sonst wäre sie noch höher. Interessant wäre es trotzdem, wie hoch diese Zahl tatsächlich ist.
Seit 1998 hat sich die Zahl der Asylwerber versechsfacht, das heißt von 1998 bis 2003 von 5 000 auf über 32 000. Das lässt für mich jedenfalls keinen Zweifel daran, dass hier ein entsprechender Missbrauch stattfindet, dass es sich bei diesen mehr als 32 000 Personen nicht um Asylwerber entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention handelt.
Geschätzte Damen und Herren! Sie, Herr Bundesminister, haben gesagt, wir brauchen eine Entlastung für Traiskirchen. Ich denke, wir brauchen auch eine Entlastung für Thalham, wir brauchen auch eine Entlastung für die Bevölkerung in St. Georgen. Deswegen erscheint es angebracht, hier eine Rückumwandlung des Erstaufnahmezentrums in eine Bundesbetreuungsstelle, so, wie es vorher gewesen ist und auch funktioniert hat, zu betreiben. Ich mache keinen Hehl daraus, Herr Bundesminister, dass es immer eine Forderung der Freiheitlichen war, Erstaufnahmezentren in der Nähe der Grenze einzurichten.
Ein wichtiges Anliegen ist mir noch die Identitätsfeststellung beziehungsweise die medizinische Untersuchung. Ein Ausgehverbot im Erstaufnahmezentrum, egal ob Traiskirchen, egal ob Thalham, wäre angebracht, insbesondere dann, wenn hier nicht kooperativ gearbeitet wird – dies zum Schutz der Bevölkerung und zum Schutz der anderen, der echten Asylwerber. Es gibt Gegenargumente, die immer wieder lauten, gewisse humanitäre Gründe würden das nicht ermöglichen. Ich denke, dass humanitäre Gründe auch für die Bevölkerung anzuwenden sind.
Geschätzte Damen und Herren! Dass Österreich die Spitzenposition im Wirtschaftsbereich, im Bereich des Arbeitsmarktes in Europa einnimmt, ist erstrebenswert, und darüber freuen wir uns, dass wir die haben. Dass wir die Spitzenposition als Zielland für Asylwerber haben, das halte ich für verzichtbar, und das sollten wir bei der nächsten Novelle eindeutig regeln. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
13.47
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte.
13.47
Abgeordneter Christoph Kainz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Österreich hat große Tradition in der Asylpolitik – nicht hatte, wie es Kollege Öllinger gesagt hat. Ich glaube, wir können stolz darauf sein, dass wir ein Land sind, das sich sehr wohl seiner Verantwortung bewusst ist und diese auch ausübt. Die ÖVP, ich glaube, alle hier im Hohen Haus vertretenen Parteien bekennen sich dazu, dass jemand, der politisch, aber auch aus religiösen oder rassischen Gründen verfolgt wird, Asyl in unserem Land bekommt. (Beifall bei der ÖVP.)
Als Bürgermeister der Marktgemeinde Pfaffstätten und als regionaler Abgeordneter, dessen Nachbargemeinde Traiskirchen ist, weiß ich sehr wohl um die Situation, aber
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auch um die Probleme, die rund um das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen zurzeit gegeben sind. Die Geschichte des Flüchtlingslagers Traiskirchen geht bereits auf das Jahr 1954 zurück. 1956: die erste große Asylwelle im Rahmen der Ungarn-Krise. Es waren bei der Polen-Krise 3 000 Asylwerber, bei der Rumänien-Krise über 3 000 Asylwerber, die in Traiskirchen um Aufnahme angesucht haben und die im, aber auch um das Lager campiert haben.
Seit der Einrichtung des Flüchtlingslagers Traiskirchen 1954 waren mit Ausnahme von zwei ÖVP-Bundesministern immer SPÖ-Minister für die Situation in der Stadt Traiskirchen und der Region verantwortlich. Ich glaube aber auch, dass mit der Traiskirchener Bevölkerung, die seit Jahrzehnten die Last trägt, die ganze Solidarität bewiesen werden soll. In den letzten Jahren ist sehr viel in Bewegung geraten, auch sehr vieles, das zur Verbesserung der Situation beigetragen hat. Die Änderung des Asylgesetzes ist zweifellos einer dieser Punkte. Wir haben ein modernes, menschenwürdiges, aber vor allem zukunftsorientiertes Gesetz geschaffen, das auch Antworten auf die neuen Rahmenbedingungen in unserem Land, in Europa und darüber hinaus gibt.
Ich glaube auch, dass vor allem durch bilaterale Abkommen eine schnellere Zurückweisung der so genannten Dublin-II-Fälle weiterhin forciert werden muss. Wir müssen uns auch – das ist eine sehr konkrete Forderung und wurde schon einige Male hier von dieser Stelle aus gesagt – für jene Asylwerber, die unsere Gastfreundschaft überaus ausnutzen, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten sehr wohl etwas überlegen. Ich spreche hier ganz konkret jene Asylwerber an, die straffällig werden und straffälliges Verhalten über ein gewisses Maß hinaus praktizieren: Drogendealer, Eigentumsdelikte, um nur zwei konkrete Beispiele zu nennen.
Ich sage aber auch, dass sehr viele oder einige Asylwerber unter dem Deckmantel des Asyls in unser Land einreisen und sehr bewusst kriminelle Handlungen setzen, mit denen dann alle anderen Asylwerber in Bausch und Bogen gleichgesetzt werden.
Ich glaube, dass das neue Asylgesetz richtig ist, der richtige Weg in die richtige Richtung, wenn man davon ausgeht, dass die Anzahl der Asylanträge deutlich zurückgeht und jene weiterhin Asyl bekommen sollen, die aus den von mir vorher genannten Gründen in unser Land kommen, um hier einen Asylantrag zu stellen.
Ich danke an dieser Stelle auch Bundesminister Strasser für den bereits eingeschlagenen Weg und lade alle hier im Haus ein, ihn und uns zu unterstützen, diesen Weg auch weiter zu gehen.
Als direkt betroffener Mandatar mahne ich aber und fordere ich auch die Solidarität der Bundesländer ein, um die Situation in Traiskirchen deutlich zu verbessern. Es muss uns gelingen, die Asylwerber, die derzeit in Traiskirchen sind, auf die Bundesländer aufzuteilen. Niederösterreich geht hier einen sehr vorbildlichen Weg mit über 5 000 Asylwerbern, die wir in unserem Land in der Grundversorgung haben. Wien geht durchaus – und das darf ich auch kritisch anmerken – sehr großzügig damit um, wer in die Bundesbetreuung kommen soll und wer nicht.
Der Vorschlag des Herrn Landesrates Plank – jede Gemeinde eine Flüchtlingsfamilie – ist sicherlich nicht wortwörtlich zu nehmen, doch mit einem hat er grundsätzlich sicherlich Recht: dass wir überschaubare Einheiten brauchen, um die Asylwerber richtig integrieren zu können und damit das Verhältnis zwischen den Einwohnern und den Asylwerbern auch stimmt. Zweifellos stimmt seit Jahrzehnten dieses Verhältnis in Traiskirchen nicht.
Ich meine aber auch, wir sollten in diesem Bereich die Rahmenbedingungen weiter verbessern, und danke auch an dieser Stelle Herrn Bundesminister Strasser, weil wir seit einiger Zeit dabei sind, diese Rahmenbedingungen, die die Traiskirchener Bevöl-
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kerung zu Recht gefordert hat, nämlich mehr Gendarmerie-Präsenz, die Kriminaldienstgruppe Ost und weitere Einrichtungen mehr, zu schaffen. Wir sind hier auf einem sehr richtigen und guten Weg.
Ein dritter Punkt noch zum Abschluss: Der Weg muss neben der Verbesserung der Rahmenbedingungen sein, weitere Erstaufnahmezentren in Österreich zu schaffen, um vor allem eines sicherzustellen: die Bevölkerung der Gemeinde Traiskirchen und der gesamten Region zu entlasten und den Personen, die in Österreich um Asyl ansuchen, eine menschenwürdige und gute Unterkunft anbieten zu können. Es geht darum, eine für Österreich vernünftige und gute Asylpolitik zu machen. Das heißt, wir müssen den bis jetzt eingeschlagenen Weg weiter fortsetzen.
Gemeinsamkeit ist gefragt, gemeinsames Zusammenarbeiten ist gefragt und auch das Hintanstellen von Parteipolitik hinter Sachpolitik. Das fordere ich von allen vier Parlamentsparteien an dieser Stelle zum Wohle der Bevölkerung wirklich herzlichst ein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
13.53
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. Ich erteile es ihr.
13.54
Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Thema Asyl ist ein sehr ernstes Thema, das eine sachliche Debatte verlangt, und daher missfällt mir das sehr, was ich hier gehört habe an unterschwelligen, aber manchmal auch ganz offen ausgesprochenen Behauptungen, die unwahr sind. Es werden hier Asylwerber und Kriminelle einfach gleichgesetzt. Von Frau Rosenkranz haben wir hier einen Debattenbeitrag gehört, der unbeschreiblich ist. (Beifall bei der SPÖ.)
Sie hat behauptet, 65 Prozent der Kriminellen sind Ausländer. – Das stimmt einfach nicht! Es werden hier Sachen behauptet, die nicht wahr sind. (Abg. Miedl: So hat sie es nicht gesagt!)
Wir sind uns der Probleme bewusst. Natürlich gibt es Asylwerber, die straffällig werden, es gibt Asylwerber, die keinen ausreichenden Grund angeben können, aber es muss uns klar sein, es ist ein ganz heikles Thema. Es geht hier nicht um Fälle, es geht hier um Menschen, und daher muss jeder einzelne Fall sorgfältig überprüft werden, und jeder einzelne Antragsteller hat das Recht auf ein faires Verfahren. (Beifall bei der SPÖ.)
Sowohl im Antrag als auch jetzt in der Debatte ist Wien ein Vorwurf gemacht worden, den ich nicht nachvollziehen kann. Wien ist neben Niederösterreich das einzige Bundesland, das die Quote erfüllt. Wien erfüllt die Quote mehr, als es müsste; in Wien liegt die Sollzahl bei 5 037 Personen, das heißt, wir haben über 4 000 Personen zusätzlich aufgenommen, im Gegensatz zu anderen Bundesländern. Ich sehe da zum Beispiel Kärnten: minus 686 Personen, Tirol: minus 964 Personen, Steiermark: minus 528 Personen, Oberösterreich: minus 856 Personen.
Also was wäre eigentlich, wenn Wien diese Aufgabe, die es übernommen hat, nicht übererfüllen würde? – Die Menschen würden auf der Straße stehen, und das ist etwas, was wir nicht akzeptieren können. Wir in Wien bekennen uns zu unserer sozialen Verantwortung! (Beifall bei der SPÖ.)
Und wenn gesagt wird, dass wir leichtfertig damit umgehen, wer als schutzbedürftig anzuerkennen ist, muss ich dazu auch sagen, ich verstehe das nicht. Wien versucht, die Menschen aus der Illegalität zu holen. Wien nimmt deshalb die Asylwerber und die Flüchtlinge auf, um zu verhindern, dass sie in die Illegalität abtauchen.
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Herr Minister, ich verstehe das nicht, wenn Sie sagen, man habe Personen und Personengruppen im System gefunden, die aus Ihrer Sicht das Kriterium der Hilfsbedürftigkeit nicht haben. Das werde zu klären sein, haben Sie mit einem drohenden Unterton gesagt. Wir werden das tatsächlich klären. Der Herr Landeshauptmann von Wien wird in der nächsten Landeshauptleute-Konferenz darauf bestehen, dass das geklärt wird, denn wir lassen es uns als Bundesland Wien nicht gefallen, dass uns unterstellt wird, dass wir Personengruppen ... (Bundesminister Dr. Strasser: Das müssen wir auch klären!) – Ja! Wie gesagt, der Herr Landeshauptmann wird das anregen und auch verlangen, denn es geht nicht an, dass Wien unterstellt wird, dass wir Personen da einfach in das System hineinschmuggeln. Das ist nämlich nicht der Fall! (Beifall bei der SPÖ.)
Dann möchte ich noch zu etwas Stellung nehmen, was mehrere Redner der ÖVP gesagt haben, nämlich dass 95 Prozent des Gesetzes verfassungskonform sind. – Das ist eine unzulässige Argumentation! Es geht hier nicht um Quantität, es geht um die Qualität! Es geht darum, dass es tatsächlich in Kernbereichen des Gesetzes zu einer Aufhebung gekommen ist: im Zusammenhang mit dem Neuerungsverbot, im Zusammenhang mit der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln, im Zusammenhang mit der Schubhaft. Das sind ganz zentrale Punkte, und daher kann man nicht einfach sagen, dass das Gesetz im Großen und Ganzen sowieso gut ist.
Ich möchte hier wie schon andere Kollegen den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes zitieren, der gesagt hat:
„Die legistische Qualität des Gesetzes ist nicht gut“, und das sei eher zurückhaltend formuliert.
Und er sagte weiters: Ein systematisch schlechtes Gesetz macht mehr Arbeit.
Das ist, glaube ich, auch ein Teil des Problems: dass hier ein Gesetz gemacht worden ist, das die Arbeit für die Behörde erschwert, das dazu führt, dass der UBAS so überlastet ist. Ich denke, es müsste in mehreren Bereichen Vorarbeiten geben, es müsste international mehr getan werden.
Jetzt haben Sie die Chance, das noch zu ändern. – Ich hoffe, dass es gemeinsam geschieht, denn das Asylrecht ist ein grundsätzliches Menschenrecht, und wir werden nicht zulassen, dass es in Frage gestellt wird. (Beifall bei der SPÖ.)
13.59
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Ich erteile es ihm.
13.59
Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Lassen Sie mich eingangs als ebenfalls Abgeordneter, der aus der Region kommt und Traiskirchen seit Jahren aus der Nähe verfolgen kann, feststellen, dass es in Traiskirchen eine interessante Konjunktur gibt: In den Jahren 1999/2000 gab es sehr große Protestaktionen, im Jahre 2004 gibt es sie jetzt wieder. Interessanterweise sind im Frühjahr nächsten Jahres in Niederösterreich Gemeinderatswahlen – das richte ich jetzt weniger an Sie, Herr Bundesminister, weil Sie damit wenig zu tun haben –, und man muss schon feststellen, dass immer dann, wenn die Wahlen anrücken und wenn es in der Region darum geht, auf Stimmen aus zu sein, der Protest und der Aufschrei in Traiskirchen besonders groß werden.
In diesem Zusammenhang schon auch eine Bemerkung zu den Kollegen von der SPÖ, wenn hier von der Kriminalität geredet wird: Schauen Sie sich einmal an, wie der Bürgermeister von Traiskirchen Knotzer von Ihrer Fraktion argumentiert! Versuchen Sie selbst, auch dort Aufklärungsarbeit zu betreiben! Gerade in Traiskirchen haben die ver-
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antwortlichen Stadtpolitiker einigen Anteil daran, wie stark die Situation dort im Moment eskaliert. (Beifall bei den Grünen.)
Die organisierte Kriminalität, die da angesprochen worden ist, die gibt es natürlich. Die Frage ist nur: In welchen Zusammenhang ist diese Kriminalität zu stellen? Und: In welchem Zusammenhang steht das gerade mit den AsylwerberInnen?
Die Grünen haben – für uns auch neu – versucht, gerade in Niederösterreich mit sehr vielen Gendarmeriebezirksstellen, mit Dienststellen zu sprechen, vor allem in der Umgebung, und dort nachzufragen, wie die Einschätzung der Entwicklung ist. Unbestritten ist, dass gerade die Zahl der Einbruchsdiebstähle in der Region im Süden, im Wiener Umland gestiegen ist. Die Antwort darauf war eine relativ einfache: Das ist einerseits eine Region, deren Bevölkerung sehr wohlhabend ist, auf der anderen Seite ist sie auf Grund der Verkehrsanbindung offenbar auch für Kriminelle attraktiv.
Aber alle haben gesagt, der Rückschluss auf die AsylwerberInnen sei einfach unzulässig, denn das gelte genauso für den Bereich Wiener Neustadt, für den Bereich Wien-Umgebung. Zu sagen, in Traiskirchen sei die Kriminalität höher, nämlich im Sinne der Einbruchskriminalität, der organisierten Kriminalität, weil dort AsylwerberInnen sind: Da wird Ihnen jeder in der Polizei, in der Gendarmerie dort, der davon eine Ahnung hat, sagen, dass das so nicht stimmt.
Das finde ich schon bemerkenswert, wenn
auch die LokalpolitikerInnen – der Kollege Kainz hat das vorhin auch
getan – so relativ salopp diesen Zusammenhang herstellen. Es stimmt, dass
wir ein Kriminalitätsproblem haben, ja, aber ich stelle mir schon die Frage:
Warum haben wir dann diesen Abbau von Personal bei den Dienststellen zugelassen?
(Abg. Kainz: Aufstockung, Kollege Brosz!)
Ich rede jetzt nicht von Traiskirchen, ich rede von der Umgebung. Ich rede nicht von der Stadt Traiskirchen. (Bundesminister Dr. Strasser: ... Aufstockung!) Egal, auf jeden Fall bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie dort das Problem gestiegen ist!
Mir ist es selbst passiert, dass in mein Auto eingebrochen wurde – und dann kommt man auf die Gendarmerie, macht die Anzeige und bekommt als Erstes die Antwort: Sie sind jetzt der Sechste in dieser Woche, bei dem auf diesem Parkplatz eingebrochen worden ist! – Da stelle ich mir schon die Frage, ob das alles ist, was von der Gendarmerie geleistet werden kann, nämlich zu sagen: Sie sind jetzt der Sechste, der kommt, wir können uns nicht weiter darum kümmern, wir nehmen halt die Anzeige auf. – Da stellt sich schon die Frage, wo hier die Versäumnisse liegen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Aber kommen wir einmal zurück gerade auf die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ. – Natürlich ist die Situation, sind die Zustände in Traiskirchen, glaube ich, für alle inakzeptabel. Darauf können wir uns hier durchaus verständigen. Bezüglich der Frage des Asylmissbrauchs hat die Kollegin Stoisits sehr gut beschrieben, was denn als Missbrauch zu definieren sei. Wenn alles, wozu man keine Zustimmung erhält, als Missbrauch definiert wird, muss ich sagen: Da könnte man bald so weit sein, dass jeder Antrag, der im Parlament gestellt wird und keine Mehrheit findet, ein Missbrauch ist, denn dafür hat man auch keine Zustimmung. So einfach kann es wohl nicht sein. (Abg. Scheibner: Das gilt auch für Ausschüsse, Herr Kollege!) – Wir werden nachher noch darüber reden, wie es im Rechnungshof-Ausschuss zugeht und welches „Scheibner-Schutzprogramm“ die FPÖ im Rechnungshof-Ausschuss veranstaltet.
Aber worauf ich hinaus wollte: Wenn man diese Zustände kritisiert und ernsthaft will, dass in Traiskirchen eine Entlastung stattfindet, dann frage ich Sie schon sehr konkret: Gibt es ein einziges Beispiel, wo Sie nicht dagegen mobilisiert haben, wenn kleinere Einheiten hätten geschaffen werden sollen, wenn die Möglichkeit hätte geschaffen
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werden sollen, Flüchtlinge aus Traiskirchen in Einheiten in einer Größenordnung von 100 Personen unterzubringen? Jedes Mal dann, wenn solche Pläne aufgetaucht sind, ist die FPÖ aufgetreten, hat sich dagegen stark gemacht (Abg. Großruck: Nicht nur die FPÖ, auch die SPÖ!) – nicht nur die FPÖ, das ist korrekt; ja, das kann man wahrscheinlich auch auf die ÖVP ausweiten –, und in vielen Bereichen sind dann die Politiker vor Ort hingegangen und haben gesagt: Mit uns nicht! Ich weiß nur, bei der FPÖ ist das Strategie.
Zu sagen: Traiskirchen soll entlastet
werden!, aber immer dann, wenn es Entlastungsmaßnahmen geben soll, hinzugehen
und zu sagen: Kommt nicht in Frage!, das ist keine seriöse Politik. (Beifall
bei den Grünen.)
14.05
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Die restliche Redezeit der Fraktion beträgt 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
14.05
Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Bevor ich kurz zum Asylproblem Stellung nehmen werde, möchte ich die Chance, hier am Rednerpult zu stehen, nutzen, um interessierte Schüler und Schülerinnen der 7. Klasse des „Sacre Cœur“ aus Graz recht herzlich bei uns willkommen zu heißen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Ich glaube, wenn man die Diskussion verfolgt hat, hat man gesehen, dass im Endeffekt – so glaube ich zumindest, und ich gestehe allen zu, fair handeln zu wollen – sehr intensiv über diese Problematik diskutiert wurde. Ich glaube, die Frau Dr. Pablé hat sehr klar dargestellt, worum es uns Freiheitlichen geht.
Es geht uns nicht um Vernaderung, es geht uns nicht um Bloßstellung, es geht uns ganz klar darum, dieses Problem zu lösen. Herr Kollege Öllinger! Nicht nur Ihr Grüne seid draußen, auch wir sind draußen bei den Menschen und erkennen, dass es dort Probleme gibt. Die Probleme sind da – aber bis jetzt kein Lösungsansatz. Ich glaube, dass die Ansätze, die wir in unserem Antrag drinnen haben – was wir diskutieren, was wir verschärfen wollen –, Sinn machen, denn wenn man in Gegenden lebt, in denen viele Flüchtlinge oder Asylwerber oder Asylanten, wie auch immer Sie sie nennen mögen, untergebracht werden, gibt es dort Probleme.
Frau Kollegin Stoisits, wenn Sie hier
gesagt haben, „Asylant“/„Asylantin“ sei ein Vernaderungswort der FPÖ, so
möchte ich Sie bitten, dass Sie in den Duden oder in andere Wörterbücher
schauen. Dieses Wort ist natürlich auch dort drinnen, und es beschreibt einen
„Asyl suchenden Menschen“. Das heißt, wir machen hier keine Vernaderung, wir
bemühen uns, das Problem klar aufzuzeigen, denn wir sehen uns als
Kontrollpartei in dieser Regierung und in dieser Republik. (Ironische Heiterkeit
bei den Grünen.)
Und das werden wir auch bleiben, meine
geschätzten Damen und Herren! Wir werden als Freiheitliche diese Diskussion
kontroversiell mit allen Möglichkeiten weiter führen, wir werden alle Dinge
ausloten, wie wir dieses Problem auf die Reihe bekommen, und werden damit
schlussendlich, wie bei vielen anderen Themen auch, wieder Recht behalten. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
14.07
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte.
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14.07
Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Frau Kollegin Hlavac, es ist ein heikles Thema, das gesamte Bundesasylwesen und das damit in Zusammenhang zu bringende Bundesasylgesetz! Ich habe sehr aufmerksam zugehört. Ja, was hat denn die Opposition für Vorschläge? Was kommt denn von dort? Und ich bin draufgekommen, es geht gar nicht um Vorschläge, es geht gar nicht um Inhalte. Wissen Sie, worum es Ihnen geht, Herr Kollege Öllinger? – Es geht Ihnen darum, einen der erfolgreichsten Bundesminister, einen der erfolgreichsten Innenminister anzupatzen und ihm zu sagen, dass das, was er tut, nicht gut sei, meine Damen und Herren. Darum geht es Ihnen!
Der Innenminister ordnet das Asylwesen neu, er regelt die Situation bei den Zivildienern, ihm geht es um neue Integrationsbestimmungen, um einen neuen Führerschein und um die Verkehrssicherheit, und er legt die Exekutive zusammen. Das sind alles Dinge, meine Damen und Herren, die berücksichtigt werden sollen. Das sind schwierigste Materien, die weder Blecha noch Schlögl, noch Rösch, noch Einem in irgendeiner Form angegriffen hat. Er geht es an, und mit ihm gibt es auch neue Wege, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)
Das sollte man berücksichtigen, und man
sollte einen Minister unterstützen, der sich nicht einfach zurücklehnt, meine
Damen und Herren. Sich bei diesen schwierigen Themen zurückzulehnen wäre um
vieles einfacher. Aber wir packen es an, meine Damen und Herren! (Abg. Öllinger:
Aber verfassungswidrig!)
Herr Kollege Öllinger, jetzt sage ich Ihnen etwas: Wir haben im Jahr 2002 die Integrationsvereinbarungen diskutiert, mit den Sprachkursen, wenn Sie sich erinnern können. – Eine höchst erfolgreiche Sache, weil einer der Grundsätze der ÖVP ist, dass jene, die bei uns Aufnahme finden, so rasch wie möglich zu integrieren sind. Sie und Ihre Fraktion, die Fraktion der Grünen, haben heftigst dagegen gewettert.
In der Zwischenzeit sind es 2 500 Asylwerber, die die deutsche Sprache sprechen, und die deutsche Sprache ist eine der Grundvoraussetzungen für die Integration, Herr Kollege Öllinger. Sie waren damals nicht dabei; ich habe Sie damals nur als Kritiker gehört. Sie hätten diesen Weg unterstützen sollen, dann wäre es leichter gegangen – und es wäre besser gewesen im Interesse der Asylwerber, meine Damen und Herren.
Die ÖVP, Herr Kollege Öllinger, bekennt sich selbstverständlich dazu, dass jemand, der in seiner Heimat aus religiösen, ethnischen oder rassischen Gründen verfolgt wird, bei uns aufgenommen wird. (Abg. Öllinger: Na hoffentlich!) Und wenn Sie in Ihrer Rede so tun, als ob es hier gar keinen Missbrauch gäbe: Selbstverständlich gibt es den, und wir als Gesetzgeber sind aufgerufen, diesen Missbrauch abzustellen! Mir geht es auch um die Akzeptanz der Bevölkerung in dieser schwierigen und heiklen Frage, Frau Kollegin Hlavac. Die Akzeptanz der Bevölkerung brauchen wir in solchen Fragen! (Beifall bei der ÖVP.)
Noch eines, Herr Kollege Öllinger: Wer sich legitimerweise in Österreich aufhält, dem sind Asyl und jede Unterstützung zu gewähren. Wenn aber sich jemand hier nicht an das Gesetz hält, weil er vorhat, hier gegen das Strafgesetz zu verstoßen, dann hat er sein Gastrecht verwirkt und muss nach Hause.
Das sind Grundsätze, zu denen wir vorbehaltlos stehen, Herr Kollege Öllinger! (Abg. Öllinger: Aber gesetzlich, oder?) Und Grundsätze, zu denen wir stehen, sollten wir in geltendes Recht gießen; das ist ja auch unsere Aufgabe als Gesetzgeber.
Zum Vorwurf, zur Behauptung der Oppositionsparteien, das Vorgehen der Regierungsfraktionen wäre „menschenrechtsverachtend“, „menschenfeindlich“ et cetera: Meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien, schauen Sie sich doch zumindest
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einmal die Zahlen an! 2 300 Versorgungsfälle hatten wir diesbezüglich im Jahre 2000 – und in der Zwischenzeit sind es 26 000 Asylwerber, die in Österreich versorgt werden müssen!
Meine Damen und Herren! Sich allein diese Zahlen anzuschauen wäre die Sache wert gewesen. Wenn Österreich – in Relation gesetzt – zehnmal mehr an Asylwerbern als Deutschland hat, so weist das doch auf einen bestimmten Umstand hin, Herr Kollege Öllinger.
Kollege Posch, das wollte ich Ihnen sagen: Schauen Sie doch einmal in Richtung sozialdemokratisch geführter Länder, etwa Deutschland oder Schweden: In Deutschland kommt auf 3 358 Einwohner ein Asylwerber. Kennen Sie diese Zahl für Österreich, Herr Kollege Posch? – In Österreich kommt auf 436 Einwohner ein Asylwerber! Das sind Zahlen, auf die wir in dieser gesamten Diskussion verweisen sollten! Dazu habe ich aber von Ihnen von der SPÖ nichts gehört! Ihrerseits gab es zu dieser – zweifellos schwierigen – Materie nur Kritik, jedoch keinerlei Vorschläge! (Abg. Öllinger – auf die Zuschauergalerie weisend –: Jetzt haben Sie die Schüler auch noch verloren als Zuhörer!)
Meine Damen und Herren! Wir werden unseren Weg fortsetzen. Die ÖVP, mit der ÖVP Innenminister Strasser, tritt für rasche Verfahren im Asylbereich ein. Wir sind für eine menschliche Betreuung der Asylwerber (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen), und wir sind für eine umfassende Integration, meine Damen und Herren, Frau Kollegin. Und dazu gehören die Sprache, die Wohnung, die Arbeit – und auch Mut, die Dinge anzupacken. Und einen solchen habe ich nur bei Innenminister Dr. Strasser gesehen, Herr Kollege Öllinger, bei sonst niemandem! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)
14.12
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pendl. Restliche Redezeit Ihrer Fraktion, Herr Abgeordneter: 5 Minuten. – Bitte.
14.12
Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich eingangs zwei Anmerkungen machen.
Erstens, lieber Kollege Miedl, müssen sich alle an die Gesetze halten, daher auch an die österreichische Bundesverfassung. Wer dieses Asylgesetz beschlossen hat, das brauchen wir, glaube ich, hier nicht länger zu diskutieren; das ist allen hier im Hause bekannt.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, schon allen Expertinnen und Experten der Österreichischen Bischofskonferenz oder etwa auch des Katholischen Familienverbandes nicht glauben, dann glauben Sie doch Ihrem eigenen Bundeskanzler, der bei Ihrer Parteiveranstaltung gesagt hat, er könne sich überhaupt nicht vorstellen, dass in Österreich 30 000 Flüchtlinge nicht unterzubringen seien. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es auch in dieser Diskussion: Nicht eine Kollegin, nicht ein Kollege von Ihnen hat heute in dieser so wichtigen Diskussion wenigstens einige Worte des Dankes verloren. – Daher: Ich bedanke mich bei den Repräsentantinnen und Repräsentanten des Bundeslandes Wien, ich bedanke mich bei den Repräsentanten des Bundeslandes Niederösterreich, und ich bedanke mich weiters bei der Traiskirchener Bevölkerung sowie bei der Gemeindevertretung der Stadt Traiskirchen, dass sie diese Arbeit für uns alle im Sinne von Humanität bewerk-
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stelligt haben! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich jetzt auf einige Dinge im Tagesablauf der Verwaltung dort eingehen; ich will die Zahlen gar nicht wiederholen. Wenn es Ihnen von der ÖVP ernst wäre mit Ihren eigenen Ankündigungen, dann gäbe es im Flüchtlingslager Traiskirchen lediglich einige wenige Menschen, die, um es so auszudrücken, beamtshandelt werden müssten und dann bräuchten wir auch nicht im 21. Jahrhundert eine solche – unter Anführungszeichen – „Lagersituation“ zu haben! Das wäre alles nicht notwendig, wenn sich manche Bundesländer an die Artikel-15a-Vereinbarung, die sie selbst mit dem Bund abgeschlossen haben, halten würden.
Wir von der SPÖ haben ja schon im Zuge des Gesetzwerdungsprozesses darauf hingewiesen, dass man im Verwaltungsbereich mit nur sehr wenig beziehungsweise überhaupt keinem Personal nicht auskommen wird. Zum internationalen Vergleich: Wir kennen ganz genau die Zahlen, die diesbezüglich im Personalbereich notwendig sind, um Asylverfahren rasch abhandeln zu können.
Das hat auch überhaupt nichts damit zu tun, Kollege Brosz, ob vielleicht in ein paar Monaten Gemeinderatswahlen stattfinden oder nicht, denn eine Diskussion über dieses Thema haben wir auch schon mit anderen Regierungen geführt, und zwar von 1990 an bis zum heutigen Tag. Allerdings meine ich, dass wir zwischenzeitlich bereits mehrmals die Möglichkeit gehabt hätten, auf zumindest unter 300, ja auch unter 100 – in dieser „Bandbreite“ jedenfalls – Asylwerberinnen und Asylwerber in Traiskirchen zu kommen.
Derzeit freut sich wahrscheinlich der Herr Minister, und ich sage gleich dazu, wahrscheinlich freuen sich alle, wenn die Zahl der Asylwerber in Traiskirchen sinkt, nur die Situation ist trotzdem total unbefriedigend! In diesem Stadtteil, in dem 1 000 Bürgerinnen und Bürger beheimatet sind, herrscht eine Situation, die geradezu als menschenunwürdig bezeichnet werden muss.
Nochmals: Ich meine, im 21. Jahrhundert bräuchten wir kein Lager. Viele wissen ja ohnedies, wie es in den Räumlichkeiten in Traiskirchen ausschaut. Das spottet doch jeder Beschreibung! Es war ja nicht von ungefähr, dass der Herr Bezirkshauptmann, und zwar sowohl aus Sanitätsgründen als auch aus feuerpolizeilichen Gründen, dort eine Verhandlung, einen Lokalaugenschein durchgeführt und in diesem Zusammenhang klare Auflagen erteilt hat.
Wir alle sind gefordert – da sind alle Bundesländer, vor allem aber auch der Bund in die Pflicht zu nehmen; da richte ich an Sie alle, meine Damen und Herren, den flammenden Appell –, diesbezüglich auf unsere Landespolitikerinnen und Landespolitiker einzuwirken, im Sinne der Solidarität der Österreicherinnen und Österreicher, aber vor allem auch im Namen der Humanität, um dieses menschenunwürdige System abzustellen! (Beifall bei der SPÖ.)
14.17
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Entschließungsantrag 461/A (E) der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Asylgesetzes.
Ich bitte jene Damen und Herren, die für
diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies die Mehrheit
und damit angenommen. (E 73.)
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Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Kogler, Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Vorgänge im Bereich der Vollziehung, die zur Typenentscheidung für Eurofighter und zum Kaufvertrag geführt haben.
Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.
Der Antrag hat folgenden Wortlaut:
Antrag
der Abgeordneten Kogler, Kräuter, Pilz,
Freundinnen und Freunde auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäss
§ 33 GOG
Ausschuss zur Untersuchung der Vorgänge
im Bereich der Vollziehung, die zur Typenentscheidung für Eurofighter und zum
Kaufvertrag geführt haben.
Untersuchungsgegenstand und -auftrag:
Vorgänge im Bereich der Vollziehung, die
zur Typenentscheidung für Eurofighter und zum Kaufvertrag geführt haben.
Zusammensetzung:
5(VP) : 4(SP) : 1(FP) : 1(G)
Begründung:
Typenentscheidung
Der Rechnungshof hat dem Parlament
seinen Bericht über die Abfangjäger-Typenentscheidung vorgelegt. Darin kommt
der Rechnungshof zu einer Reihe kritischer Schlussfolgerungen.
Zwar stellt der Rechnungshof in der
Zusammenfassung seiner Prüfungsergebnisse fest: „Unter Zugrundelegung der vom
BMLV festgesetzten Maßstäbe wurde das Kampfflugzeug Eurofighter zutreffend als
Bestbieter ermittelt.“ In weiterer Folge stellt der Rechnungshof jedoch fest,
dass gerade die Festsetzung dieser „Maßstäbe“ gravierende Vergabemängel
darstellen, und dass einige zentrale Kriterien explizit den zwingenden
Forderungen („MUSS-Kriterien“) der Ausschreibung widersprechen.
So wird zum Beispiel der schwer wiegende
Vorwurf erhoben, dass das BMF die Zahlungsvariante ert im zuge der Bewertung
und offensichtlich unter Kenntnis der vorläufigen Bewertungsergebnisse
festgelegt hat, was für die Bevorzugung von Eurofighter ausschlaggebend war.
Auf eine Schlüsselfrage hat der
Rechnungshof allerdings keine Antwort gefunden: Warum hat sich der
Ministerrat – ohne Berücksichtigung der Kompensationsgeschäfte – für
das teuerste Flugzeug entschieden?
Mitglieder des Rechnungshofausschusses
(RHA) haben die Ladung von Auskunftspersonen verlangt. Jener Ministerialrat,
der von einer „erzwungenen Entscheidung“ gesprieben hatte, sollte Auskunft
über die Art, wie es zur Eurofighter-Empfehlung gekommen war, geben. Eine
Reihe von Auskunftspersonen sollte berichten, wie aus einer Gripen-Empfehlung
eine für Eurofighter wurde. Der damalige Verteidigungsminister Herbert
Scheibner sollte erklären, warum er bereits für den Gripen entschieden hatte
und von wem er wie „umgestimmt“ wurde.
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 87 |
Erprobung
In der Ausschreibung wurde von allen
Anbietern zwingend verlangt, eine praktische Erprobung des angebotenen
Kampfflugzeugs zu ermöglichen. Der Rechnungshof kritisiert, dass das BMLV nur
beim Eurofighter auf diese Möglichkeit verzichtet hat. In der Stellungnahme
gegenüber dem Rechnungshof rechtfertigte das BMLV das damit, dass angesichts
der Tatsache, dass das Kampfflugzeug Eurofighter bei anderen Luftwaffen
europäischer Staaten einer ausführlichen Erprobung unterzogen worden sei, eine
Erprobung in Österreich entbehrlich sei. Bis heute gibt es keinen Eurofighter
der Tranche II, mit dessen Erprobung auch nur begonnen werden kann. Nicht
einmal für die Eurofighter der ersten Tranche ist die Erprobung abgeschlossen.
Die angebliche Erprobung durch andere Staaten wurde mit keinerlei
Prüfergebnissen und Dokumenten belegt. Der ehemalige Rechnungshofpräsident
Fiedler hat äußerst kritisch vermerkt, dass diese Dokumente bis heute nicht
vorgelegt wurden.
Liefertermin 2005
Am 26. März 2002 wurden die drei
Bieter (F-16, Gripen, Eurofighter) zur „Konkretisierung der Angebote unter
Verzicht auf die Zwischenlösung aufgefordert“. Zum Schließen der
Beschaffungslücke wurde der Lieferzeitraum auf zwei Jahre verkürzt. In der
geänderten Ausschreibung hieß es:
„Am 1.7.2005 sollen 7 Lfz
Am 1.1.2006 sollen 12 Lfz
Am 1.1.2007 sollen weitere 7 Lfz
Am 1.7.2007 sollen weitere 5 Lfz
verfügbar sein.
Die Verfügbarkeitsforderung für die
Jahre 2005 und 2006 ist so zu verstehen, dass ihre Erfüllung für die
Aufrechterhaltung der Luftraumüberwachung in Österreich unbedingt notwendig ist
und unbedingt erreicht werden sollte.“
EADS hatte damals bereits mitgeteilt,
dass man EF ab 2005 liefern könne. Es ist zu prüfen, ob EADS damit nicht
bewusst falsche Angaben gemacht – und damit eine Möglichkeit zur Lösung
des Vertrags geliefert – hat.
Damit steht der Verdacht im Raum, dass
EADS eine der wichtigsten und zwingend geforderten Bestimmungen der
Ausschreibung – die Lieferung ab 2005 – nicht erfüllen kann. Die
Notwendigkeit, F5 als Zwischenlösung aus der Schweiz zu beschaffen, folgte aus
der Unfähigkeit von EADS, die Lieferbedingungen der Ausschreibung zu erfüllen.
Das BMLV ist offensichtlich bereit, für den Schaden, der durch die
Nichterfüllung der MUSS-Kriterien der Ausschreibung entstanden ist, selbst zu
haften.
Tranche II
In der Sitzung des RHA am
6. Oktober antwortete BM Platter auf die Frage, ob EADS ab
2005 Eurofighter liefern könne, mit „Ja“. Auf die Nachfrage, ob EADS die
mit dem BMLV vertraglich vereinbarten Geräte der Tranche II liefern könne,
antwortete er allerdings mit „Nein“. Nach allen Berichten über EADS steigt die
Wahrscheinlichkeit, dass die Tranche II mit großer Verspätung oder gar nicht in
Produktion geht. Die österreichische Sicherheitspolitik muss davon ausgehen,
dass auch 2007 die vertraglich vereinbarten Flugzeuge nicht geliefert werden
können.
Diese und viele weitere – entscheidende – Fragen konnten in den Rechnungshofausschusssitzungen nicht beantwortet werden. Es verdichtete sich im Zuge der Verhandlungen der Eindruck, dass die Regierungsparteien nicht nur kein Interesse an der Aufklärung des Sachverhaltes hatten, sondern sogar die Versuche der Opposition, ihre
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parlamentarischen Kontrollrechte wahrzunehmen behinderten, indem sie regelmäßig
die Ladung von Auskunftspersonen verweigerten.
Folgender Auszug aus den Aktennotizen
der Rechnungshof Ausschusssitzung vom 6.10.2004 gibt einen Eindruck der
Vorgänge, wie der offenkundigen Nichtbeantwortung der elementarsten Fragen der
Beschaffung, wie BM Platter bei entscheidenden Fragen zugeben muss, dass er
davon „keine Ahnung“ habe. Bei wesentlichen Fragen, wo der begründete Verdacht
auf Schiebung des Vergabevorgangs im Raum steht, zieht sich BM Platter auf
„dazu kann ich nichts sagen“ zurück.
Aus den Aktenvermerken
Zur Sitzung des Rechnungshofausschusses
vom 6.10.2004
Zur „Einsichtsbemerkung“
Nach Abschluss der Arbeit der
Bewertungskommission wanderte der Akt auf dem vorgesehenen Dienstweg zu den
direkten Vorgesetzten und wiederum deren Vorgesetzten. Als erster versah Divr.
Wolfgang Spinka, Leiter der Gruppe Feldzeugwesen/Luftzeugwesen, den Akt mit
einer Einsichtsbemerkung, in der er „zufolge der festgestellten annähernden
Gleichwertigkeit der Angebote“ empfahl, „dem Produkt mit den geringeren
Anschaffungs- und Betriebskosten, also dem Gripen von SAAB/BAE, den Vorzug zu
geben“.
Spinkas Vorgesetzter, der Leiter der
Beschaffungssektion General Dr. Peter Corrieri, ergänzte den Akt mit dem
Vermerk: „Ich schließe mich der EB des LtrGrpFzLzW vom 25.6.02 an!“
Generaltruppeninspektor Horst Pleiner,
zu dessen Aufgaben es gehörte, den Verteidigungsminister in allen
militärischen Fragen zu beraten, war im Dienstweg nicht automatisch
vorgesehen. Er ließ dennoch die Einsichtsbemerkung mit seinem Eintrag erweitern:
„Ich schließe mih der EB des LtrGrpFzLzW vom 25.6.02 in vollem Umfang an.“
Viele daran anknüpfende zwingende Fragen
konnte BM Platter nicht beantworten:
BM Platter konnte logischerweise nicht
klären, warum Gen. Corrieri, Chef der Beschaffung und Generaltruppeninspektor
Pleiner sich der Einsichtsbemerkung zum Bericht der Bewertungskommission
vollinhaltlich anschlossen.
Aus obigem Sachverhalt ergibt sich
zwingend die Frage, wieso in der damaligen Einsichtsbemerkung die
Kampfflugzeuge Gripen und Eurofighter als ‚annähernd gleichwertig’
hinsichtlich der Anforderung der Luftraumüberwachung in Österreich bezeichnet
wurden.
Weiters drängt sich die Frage auf, warum
damals die ranghöchsten Militärs unter anderem wegen der Betriebskosten die
Anschaffung von Gripen der Firma Saab/BAE empfahlen, der Minister sich aber
zuerst dieser Empfehlung anschloss und sich dann darüber hinwegsetzte und warum
die Betriebskosten in der weiteren Betrachtung keine Rolle mehr spielten.
Zum Verzicht auf „praktische Erprobung“
In der Ausschreibung wurde von allen
Anbietern zwingend verlangt, eine praktische Erprobung des angebotenen
Kampfflugzeugs zu ermöglichen. Das BMLV verzichtete aber beim Kampfflugzeug
Eurofighter auf diese Möglichkeit. Im Rechnungshofbericht rechtfertigt das BMLV
diesen schwer verständlichen Verzicht wie folgt:
Rechnungshofbericht Punkt 21.3 und 21.4
Laut Stellungnahme des BMLV wäre Angesichts der Tatsache, dass das Kampfflugzeug Eurofighter bei anderen Luftwaffen europäischer Staaten einer ausführlichen Er-
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probung unterzogen worden sei, im
Zuge der gegenständlichen Beschaffung eine Erprobung in Österreich
entbehrlich.
Da zur Zeit der Gebarungsüberprüfung die
vom BMLV angeführten Erprobungsergebnisse noch nicht vorlagen, ersuchte der
RH, ihm diese zu übermitteln.
Die Frage, warum entgegen den
Muss-Bestimmungen der Ausschreibung auf eine praktische Flugerprobung nur beim
Eurofighter verzichtet wurde, wurde unzureichend beantwortet. Laut Minister
Platter sei der Eurofighter von den Herstellerländern ausreichend getestet
worden und eine eigene Erprobung habe sich daher erübrigt. Dieses Argument ist
sogar für das Jahr 2004 nachweislich falsch, da die Erprobung noch immer
nicht abgeschlossen ist. Für den Zeitpunkt der Typenentscheidung wurde weder
dem Rechnungshof noch dem Ausschuss auch nur ein einziges Dokument vorgelegt,
das diese Behauptung stützt: Dem Rechnungshof liegen bis heute keine
entsprechenden Dokumente vor.
Zur „Zahlungsvariante“
Die Vergabekommission hatte die Aufgabe
die technischen und militärischen Eigenschaften der Angebote zu bewerten
(Nutzwertanalyse). Nach Abschluss dieser Arbeit sollten die Angebote auch in
ihrem kaufmännischen Teil geöffnet werden und die Kosten mit den Nutzwerten
zusammengeführt werden. Es wurde von den Anbietern gefordert, Preise für eine
Finanzierung bei Sofortzahlung, mit 10 Halbjahresraten und mit
18 Halbjahresraten anzugeben. Bei den drei Varianten war Eurofighter nur
bei 18 Halbjahresraten erstgereiht.
Der Rechnungshof stellt dazu fest:
Punkt 13.2
Der RH vermisste eine schriftliche
Festlegung des BMF, woraus der Vorrang einer bestimmten Zahlungsvariante
ersichtlich gewesen wäre. Die tatsächlich vom BMF bevorzugte Zahlungsvariante
von 18 Halbjahresraten ließ sich nur einem im BMLV verfassten Aktenvermerk vom
24.Juni 2002 entnehmen, in dem die drei Zahlungsvarianten im Hinblick auf
deren Umsetzung dargestellt wurden.
Die für die Ermittlung des Bestbieters
herangezogene Zahlungsvariante mit 18 Halbjahresraten wurde erst im Zuge
der Bewertung endgültig ausgewählt und war letztendlich ausschlaggebend.
Grundlage dieses Aktenvermerks war
vermutlich ein Anruf von MinR Hillingrathner aus dem BMF.
Daraus ergaben sich eine Reihe von
Fragen, die allesamt unbeantwortet blieben. Zu der Intervention/Anweisung
Hillingrathners befragt, meinte Platter: „Davon habe ich keine Ahnung.“ Somit
bleibt die entscheidende Frage offen, warum BM Grasser in Kenntnis des Berichts
der Bewertungskommission die einzige Zahlungsvariante gewählt hat, bei der
Eurofighter vorne lag und damit defacto die Typenentscheidung getroffen hat.
Auch die Frage, ab wann die
Zahlungsvariante mit 18 Halbjahresraten als einzig zulässige ausgewählt
wurde, blieb unbeantwortet.
Die Opposition fordert daher die Ladung von
MinR Hillingrathner und BM Grasser als Auskunftspersonen.
Zur „Ministerratsvorlage“ vom BM
Scheibner vom 25.6.02
Grundlage für die Typenentscheidung zugunsten des Eurofighter von EADS war ein Ministerratsvortrag von BM Scheibner vom 2.7.2002. In den Medien kursierte allerdings
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noch eine zweite Variante
dieses Papiers, für den Ministerrat vom 25.6.2002, versehen mit der
Unterschrift von BM Scheibner, in dem die Beschaffung von Kampfflugzeugen der
Type Gripen von Saab/BAE vorgeschlagen wird.
Konfrontiert mit diesem ersten
Ministerratsvortrag von BM Scheibner am 25.6.02, in dem die Beschaffung des
Kampfflugzeugs Gripen von Saab/BAE vorgeschlagen wird, äußerten Abgeordnete der
VP und FP bis zum Vorhalt zunächst Zweifel an der Echtheit des Dokuments und
in der Folge an der Unterschrift. BM Platter sagte, er wisse nichts von der
Existenz dieses Papiers.
Abg. Pilz übergibt RH Präsident Moser
eine Kopie des Dokuments; BM Platter sagt, dass er dazu nichts sagen kann.
Um diesen Sachverhalt aufzuklären
fordert die Opposition die Ladung des damals zuständigen Ministers Scheibner
und des damaligen Kabinettschefs Günther Barnet als Auskunftspersonen.
Zum „Memorandum“ von MinR Wagner
Ministerialrat Heribert Wagner war
Mitglied der Bewertungskommission und für die administrativen Abläufe
zuständig. Am 28.6.2002 verfasste er ein Memorandum mit Anmerkungen zur
Vergabeempfehlung und zu den angebotenen Flugzeugen. In diesem Text stellt MinR
Wagner fest, dass die Vergabeempfehlung „erzwungen“ sei und „rational nicht
nachvollziehbar“.
Zum Kampfflugzeug Eurofighter merkt er
an: „Es handelt sich um kein eingeführtes System“. Es sei „mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit mit Auftreten von Störungen („Kinderkrankheiten“)
während der Einführungsphase zu rechnen“ und als Folge könnte „in den kommenden
10 Jahren daher die Luftraumüberwachung in Österreich schwerstens
beeinträchtigt sein“.
Das sind sehr schwere Vorwürfe eines
Insiders der Kommission, die der Aufklärung bedürfen. Der Ladungsantrag für
MinR Wagner war von den Regierungsparteien aber abgelehnt worden.
Geradezu unglaublich war die
Vorgangsweise Platters zur Entkräftung der damaligen Einwände von MinR Wagner:
er verlas Auszüge aus einem angeblichen Schreiben Wagners und aus einem
Schreiben des damals angeblichen Empfängers GenMjr Commenda, in denen alle
damaligen Aussagen widerrufen und bestritten werden. Um die Kontrollrechte des
Nationalrats zu gewährleisten, beantragt Abg. Dr. Pilz daher erneut die
Ladung von MinR Wagner und außerdem von GenMjr Commenda als Auskunftspersonen,
um sie persönlich befragen zu können.
Darüber hinaus hat BM Platter etliche
wichtige weitere Fragen unbeantwortet gelassen.
(Ende Aktenvermerke)
Die Oppositionsparteien brachten daher
gemeinsam Anträge zur Ladung von insgesamt 10 wesentlichen Auskunftspersonen
ein und begründeten diese Anträge ausführlichst.
Die Regierungsparteien signalisierten,
dass sie sich nicht an der Aufklärungsarbeit beteiligen wollen.
Damit erhärtet sich der Verdacht, dass
die Aufklärung der Vorkommnisse bei der Ausschreibung, bei der
Vergabeabwicklung und Vorbereitung des Kaufvertrags zum Ankauf von
„Luftraumüberwachungsflugzeugen“ verhindert und eine parlamentarische Kontrolle
nicht zugelassen werden soll.
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Die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses ist unter diesen Umständen dringend geboten.
Der Untersuchungsausschuss wird unter
anderem folgende Fragen an den Verteidigungsminister zu klären haben:
1. Hat der Bundesminister für
Landesverteidigung in der Ministerratsvorbesprechung am 25. Juni 2002 eine
Entscheidung für „Gripen“ vorgeschlagen? (Beilage 1)
2. Ist für diese Vorbesprechung im
BMLV ein Antrag zugunsten „Gripen“ vorbereitet worden?
3. Hat es gegen diesen Antrag in
der Vorbesprechung eine Ablehnung durch den Finanzminister gegeben?
4. Mit welcher sachlichen
Begründung hat der Finanzminister den Kauf von „Gripen“ abgelehnt?
5. Haben in der folgenden Woche
Gespräche über die Typenentscheidung zwischen dem Verteidigungsminister und dem
Finanzminister stattgefunden?
6. Hat der Verteidigungsminister am
2. Juli seine Entscheidung zugunsten „Eurofighter“ abgeändert, weil ihm
der Finanzminister die Übernahme der dramatisch höheren Betriebskosten
zugesichert hatte?
7. Nur bei einer der drei
Zahlungsvarianten, der mit 18 Halbjahresraten, war ein günstigeres
Angebot von EADS ableitbar. Hat in der entscheidenden Woche MR Hillingrathner
aus dem BMF zugunsten genau dieser Variante im BMLV interveniert?
8. Bei welchen Luftwaffen war die
Erprobung des Eurofighter zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung abgeschlossen?
9. Wie viele Eurofighter der
Tranche II sind bisher erprobt worden?
10. Alle Bieter hatten sich zur
Bereitstellung von typengleichen Flugzeugen für die Übergangszeit bereit zu
erklären. Alle außer EADS hätten diese MUSS-Forderung („unbedingt notwendig
ist“) erfüllen können. Warum hat das BMLV in der Folge bei EADS auf die
Erfüllung dieser Forderung verzichtet?
11. Der Lieferplan sah den
Lieferbeginn mit 2005 vor: „Die Verfügbarkeitsforderung für die Jahre 2005
und 2006 ist so zu verstehen, dass ihre Erfüllung für die Aufrechterhaltung
der Luftraumüberwachung in Österreich unbedingt notwendig ist und unbedingt
erreicht werden sollte.“ Hat EADS diese Forderung der Ausschreibung erfüllt?
12. Wenn nein, hat EADS die Kosten
für die dadurch notwendige Übergangslösung übernommen?
13. Ist die oben zitierte
Anforderung in den Vertrag mit EADS übernommen worden?
14. EADS hat bis heute die
vereinbarten Termine gegenüber den vier Entwickler- und Betreiberländern nicht
halten können. Welche Garantien haben Sie, dass die Eurofighter der Tranche II
ab dem Jahr 2007 vertragsgemäß geliefert werden?
In formeller Hinsicht wird die
Durchführung einer Debatte verlangt.
*****
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gehen daher in die Debatte ein.
Im Sinne des § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit in dieser Debatte 5 Minuten, wobei der erste Redner zur Begründung über eine Redezeit von
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10 Minuten verfügt. Die Stellungnahme von Mitgliedern der
Bundesregierung oder zum Wort gemeldeten Staatssekretären soll nicht länger als
10 Minuten dauern.
Das Wort erhält
zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.
14.19
Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen
und Kollegen! (Der Redner dreht mehrere Schriftstücke um. – Abg. Grillitsch:
Ist das der richtige Zettel?) – Da ist ein Zettel hier beim Rednerpult
noch übrig geblieben; das ist nicht zum Untersuchungsgegenstand passend. Ich
habe mich nur vergewissert, keine Angst, meine Damen und Herren.
Die Fragestellung, die aufgeworfen ist hinsichtlich der Begründung des Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, Typenentscheidung, Kaufvertrag und Gegengeschäfte betreffend Eurofighter, zieht sich unter anderem – ich will da gar nicht weiter ausholen – auch durch den vorliegenden Rechnungshofbericht.
Es ist Ihnen ja bekannt, dass sehr viele Dokumente existieren, die viel weiter gehende Vorwürfe beinhalten. Ich möchte mich gemeinsam mit Ihnen der – wie ich meine – sehr nützlichen Übung unterziehen (Zwischenruf des Abg. Großruck), einfach nur beim vorliegenden Rechnungshofbericht zu bleiben, Kollege Großruck, jenem Rechnungshofbericht, auf den Sie sich so gerne beziehen. Ich darf Ihnen versichern, dass auch wir in der Lage sind, den vorletzten Absatz der Kurzfassung dieses Berichtes richtig zu interpretieren, und ich sage es gleich jetzt, damit wir es nachher nicht immer hören müssen – ich ersuche also die geschätzten Nachredner, sich vielleicht darauf einzustellen –: Es heißt dort im vorletzten Absatz, dass das Produkt Eurofighter „zutreffend als Bestbieter“ – und jetzt kommt es – „unter Zugrundelegung der ... festgesetzten Maßstäbe“ ermittelt wurde.
Warum betone ich das so sehr? Weil im Gros dieses Rechnungshofberichts – vielleicht unterziehen Sie sich dann der Mühe, dort Nachschau zu halten; es sind ja einige Passagen in dem Ihnen vorliegenden Antrag zu diesem Untersuchungsausschuss in der Begründung wiedergegeben –, in diesen zentralen Passagen ... (Der Geräuschpegel im Saal ist hoch.) – Man hat eigentlich den Eindruck, dass absichtlich der Lärmpegel im Saal hoch gehalten wird, aber sei’s drum! – Ich sage, dass diese Maßstäbe, um die es nun geht, hinsichtlich ihres Zustandekommens tatsächlich überprüft werden müssten. Wie steht es nun um das Festsetzen dieser Maßstäbe? Ist nicht dort die vergaberechtliche Crux womöglich zu finden? In der Tat!
Ich gehe jetzt nur ein paar Beispiele mit Ihnen durch. Ich halte mich dabei ganz genau an den Rechnungshofbericht und darf darauf verweisen, dass wir dort eine Auskunftsperson vorgefunden haben – muss man geradezu sagen – mit Bundesminister Platter, den uns hier die Mehrheit anempfohlen hat. Wir haben uns dann breitschlagen lassen, und entgegen allen Ausführungen, die Sie vielleicht von Ihren Kollegen in den Regierungsfraktionen hören, hat Platter die zentralen Fragen nicht beantwortet – und er konnte es auch gar nicht. Diese Fragen wären folgende:
Ich komme zurück auf die erwähnte Zahlungsvariante. Es ist aus dem Rechnungshofbericht klar ersichtlich, dass die Auswahl der Zahlungsvariante in Wahrheit die Typenentscheidung festgelegt hat! Ich zitiere wörtlich: „letztendlich ausschlaggebend“! – Und jetzt kommt es: In einer anderen Passage schreibt der Rechnungshof, er – der Rechnungshof – vermisse die schriftliche Festlegung – nunmehr aber – des Bundesministeriums für Finanzen. Die haben das nämlich anempfohlen, und ein entsprechender Aktenvermerk im Verteidigungsministerium findet sich erst am 24. Juni 2002.
Meine Damen und Herren! Was heißt denn das? – Es wurde dann die Zahlungsvariante festgelegt, als die Varianten der Bewertungskommission vorlagen. Was glauben
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Sie, was jetzt passiert ist? Es wurden vom Bundesministerium für Finanzen nicht jene Zahlungsvarianten ausgewählt, die ganz eindeutig den Gripen vorne gehabt hatten, nein, es war eine einzige Möglichkeit, wo Eurofighter vorne sein konnte – wenn man sich überhaupt darauf verständigt –, und diese wurde ausgelegt, und zwar unter diesen Umständen, dass das Bundesministerium für Finanzen das festgelegt hat.
Ein Ministerialrat Hillingrathner hat an jenem Tag interveniert, und es besteht der offenkundige Verdacht, dass dem Finanzministerium die Bewertungsunterlagen schon vorlagen und dass, folgen wir dem Rechnungshofbericht, in Wahrheit der Bundesminister für Finanzen den Ausschlag gegeben hat für die größte militärische Beschaffung in der Geschichte dieser Republik!
Das wäre ja noch nicht so dramatisch, wenn es nicht gleichzeitig so wäre, dass das mit Abstand das teuerste Gerät ist und dass der gleiche Finanzminister (Abg. Murauer: Das stimmt einfach nicht!) – selbstverständlich stimmt das! – es eingebracht hat in den entsprechenden Antrag an den Ministerrat, dass plötzlich und überraschend hinzugekommen ist, dass die erwarteten Mehrkosten im Betrieb – und es geht hier unter Umständen um 30, 40 Jahre! – sich in einer Größenordnung von einer Milliarde bewegen, dass genau jener Bundesminister für Finanzen, der bis Juni noch unter der Parole: Ich bin der Anwalt der Steuerzahler, Abfangjäger sind nicht leistbar!, angetreten ist, es herbeigeführt hat, dass die mit Abstand teuerste Variante gewählt wurde.
Ich darf weiter aus dem Rechnungshofbericht und aus den erwähnten Einsichtsbemerkungen, die hier immer wieder auftauchen, zitieren. Meine Damen und Herren! Dabei handelt es sich um Dokumente aus dem Vergabeakt, in denen sich die ranghöchsten Militärs mit Amt und Siegel und Unterschrift eintragen lassen wegen annähernder Gleichwertigkeit der beiden Produkte, aber der wesentlich geringeren Kosten – Sie können das alles nachlesen, damit Sie dann später Gewissenserforschung betreiben können, falls Sie hier wieder aus irgendwelchen Gründen nicht mitstimmen können.
Also: Annähernde Gleichwertigkeit, aber das wesentlich billigere Produkt sowohl in den Anschaffungskosten als auch in den Betriebskosten. Aus diesem Grund empfiehlt der Generaltruppeninspektor im Aktenlauf, das billigere Produkt zu nehmen: Gripen! Der Leiter und Chef der Beschaffung empfiehlt, das billigere Produkt zu nehmen!
Jetzt kommen wir kurz auf die Arbeitsweise
hier im Parlament zu sprechen. Wenn wir einen Rechnungshofausschuss abhandeln,
heißt es, wir seien dort kein Untersuchungsausschuss – was einmal
grundsätzlich richtig ist. Das steht aber nicht einer Befragung von
Auskunftspersonen entgegen! Jene ranghöchsten Militärs werden aber nicht
geladen, weil Sie es mit Ihrer Mehrheit nicht zulassen wollen, was Ihnen selbstverständlich
zusteht. Nur: Es steht uns zu, das als Abwürgeaktion zu
qualifizieren (Abg. Scheibner: Das können Sie machen!), und ich habe an diesem
Ausdruck nichts zurückzunehmen. (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
Das hier ist aus meiner Sicht kein Arbeitsparlament, auch wenn Sitzungen lang dauern, das hier ist ein Versenkungsausschuss geworden, und es tut mir Leid, das als Vorsitzender desselben Ausschusses festzustellen.
Aber folgen Sie doch Ihrer eigenen Argumentation und rennen Sie weiter in die Irre! Ein Rechnungshofausschussbericht liegt vor, und das ist dann „kein Untersuchungsausschuss“. – Das ist richtig, aber erinnern Sie sich: Es ist die letzte Sitzung hier in diesem Saal gewesen, bei der zum Untersuchungsausschuss-Antrag Seipel argumentiert wurde: Ja warten wir doch auf den Rechnungshofbericht und den Rechnungshofausschuss! – Da ist es plötzlich richtig, dass wir auf den Rechnungshof verweisen, wenn umgekehrt ein Untersuchungsausschuss zur Debatte ansteht!
Meine Damen und Herren! Einigen Sie sich mit sich selbst – oder geben Sie zu, dass Sie grundsätzlich die Aufklärung verhindern wollen! Das ist Ihr zentrales Ziel! Vergön-
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 94 |
nen Sie es uns wenigstens noch, dass wir unseren Auftrag als Abgeordnete erfüllen können – nicht nur als Opposition, sondern auch als Abgeordnete, die einem Gewissen und einem Wahlkreis und einer bestimmten Arbeit hier verpflichtet sind und hier nicht mitspielen wollen!
Es ist das Wechselspiel zwischen Exekutive und Parlament in Österreich massiv gestört. Aus unserer Sicht herrscht hier ein massiver Kontrollnotstand, und diesen haben Sie zu verantworten. Und ich sage Ihnen ganz offen: Es ist nicht einsehbar oder, besser gesagt, nicht einsichtig – tatsächlich ist auch vieles nicht einsehbar –, warum die zentralen Zeugen dieses Vorganges – und dies trotz des Rechnungshofberichts, den Sie für sich und für Ihre Argumentation noch in Anspruch nehmen! – nicht geladen werden dürfen, damit einige wenige zentrale Fragen gestellt werden können. Sie haben das Angebot bekommen, dass die Fragen beschränkt werden und dass dann aber – was die Geschäftsordnung vorsieht – diese wenigen Fragen in einer öffentlichen Anhörung abgewickelt werden. In wenigen Stunden wäre das erledigt!
Einigen wir uns noch darauf im Rechnungshofausschuss – ich mache Ihnen hier an dieser Stelle das Angebot –, denn damit wäre wirklich allen gedient! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Hornek: Das ist ein Missbrauch der Geschäftsordnung!)
Zur Geschäftsordnung werden wir dann noch
öfter diskutieren. Ich kann nur sagen, dass wir, Kollege Kräuter und ich, heute
und gestern die Geschäftsordnung so angewandt haben, wie es jahrzehntelange
Praxis in diesem Ausschuss (Abg. Hornek: Sie haben die Geschäftsordnung
missbraucht! Ein glatter Missbrauch der Geschäftsordnung!) und
jahrzehntelange Praxis in anderen Ausschüssen ist! (Beifall bei den Grünen
und der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schöls.)
Wir laden die Präsidialkonferenz ja geradezu ein, hier Hilfestellung für die Ausschussführenden zu geben, und wir werden uns sehr gerne darauf verständigen. Aber wenn, dann einheitlich!
Aber Schluss mit „Geschäftsordnung“,
kommen wir zu den zentralen Dingen: Wir laufen Gefahr, hier ein
Abwürgeparlament zu werden. Ich darf damit zu meinem Schlusssatz kommen und in
diesem wirklich meiner persönlichen Empörung Ausdruck verleihen und sagen,
dass das hier das österreichische Parlament ist, Kollege Molterer – und
sicher nicht die Sakristei Ihrer ÖVP-Parteizentrale! (Beifall bei den Grünen
und der SPÖ. – Abg. Ellmauer: Doppelbödiger
geht es nicht mehr! Eine doppelbödige Argumentation!)
14.29
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.
14.29
Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Kollege Kogler! Wieder zurückgekehrt vom vormittägigen Ausruhen, weil ja die ganze Nacht über dieses Thema gesprochen wurde? – Ich begrüße Sie auf das Allerherzlichste! (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPÖ.) – Es wurde sehr, sehr intensiv gesprochen, sich nicht immer am Thema orientierend, aber trotzdem hat man die Geschäftsordnung hinbiegen können. Wir haben es zur Kenntnis genommen und haben mit Ihnen ausgeharrt.
Wissen Sie, was ich Ihnen sage? (Abg. Faul: „Ich habe immer geschlafen!“) – Sie haben immer geschlafen? – Das macht nichts! Das ist nicht aufgefallen! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 95 |
Wissen Sie, was ich Ihnen sage: Ein guter Tag fängt in unserem Land, in unserem Österreich an (Abg. Öllinger: Mit einem sanierten Budget!) damit, dass es ein sicherer Tag ist. Und mit unseren Draken – und in Zukunft mit den Eurofightern – werden wir dieses Land sicher halten können (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPÖ – Abg. Öllinger: Vielleicht sollten wir es doch sanieren, das Budget!), und deswegen brauchen wir die Luftüberwachung, brauchen wir die Eurofighter!
Meine Damen und Herren von den Linken! Ich meine, wenn Sie sich beruhigen können: Ich habe Sie in der Nacht schon darauf aufmerksam gemacht, mit welchen Lobeshymnen Sie doch die Rechnungshofbeamten immer bedenken und betonen, wie korrekt, wie engagiert, wie wissend sie sind und dass ihnen in hohem Maße Dank und Anerkennung gezollt werden. – Das machen wir alle selbstverständlich. Das Haus applaudiert. – Dann sagen Sie jedoch, den Rechnungshofbericht wollen Sie so nicht zur Kenntnis nehmen, weil offensichtlich die Qualität der Prüfung doch nicht so stimmt, und dass diese Berichte des Rechnungshofes, das unser Kontrollorgan ist, Ihnen nicht genügen.
Wir haben in Ausschusssitzungen diskutiert, wir haben Sonderveranstaltungen gehabt – es ist ja nicht das erste Mal, dass wir über Luftraumüberwachung sprechen. Zuerst war Ihre Strategie, dass Sie generell dagegen waren. Jetzt ist Ihre Strategie, dass Sie gegen den Typ Eurofighter-Typhoon sind. – Und Sie finden nichts! (Abg. Öllinger: Na genügend!) Auch der Staatsanwalt wurde bemüht. Ich weiß nicht, wer es war – nicht Pilz, nehme ich an, nicht Kogler, Sie schon gar nicht, Herr Öllinger –, aber die Staatsanwaltschaft wurde bemüht. Und was sagt der Rechnungshof? – Es ist nichts herausgekommen: zurückgelegt.
Sie wollen eigentlich auch nicht zur Kenntnis nehmen, dass es eine Kommission gab, der 33 Experten angehörten, und dass es eine Entscheidung gab, welche lautete: vier zu eins pro Eurofighter, und dass sich die Bundesregierung an diese Entscheidung gehalten hat. Ich frage Sie: Wenn die Bundesregierung etwas anderes gemacht hätte, was würden Sie dann sagen? – Dann hätten wir vice versa den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit der Argumentation: Was erlaubt sich die Regierung, einen Expertenvorschlag zu negieren und eine andere Entscheidung – Herr Kogler: eine andere Entscheidung! – zu treffen? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Ich weiß – und mir ist bewusst, dass Sie diesbezüglich ideologische Schwierigkeiten haben –, dass Sie die Luftraumüberwachung ablehnen, und zwar manche von Ihnen grundsätzlich, denn „das brauchen wir in Österreich nicht“. Gestern haben wir ja gehört, wir sind umzingelt von NATO-Staaten und von Freunden: Wer wird uns schon Böses tun? Wir brauchen keine Überwachung; unsere Grenzen müssen wir sichern, aber nicht in der Luft! (Demonstrativer Beifall bei den Grünen.) – Wofür applaudieren Sie? (Abg. Öllinger: Weil Sie das völlig richtig gesagt haben!) Für meine Rhetorik? – Ich bedanke mich! Oder wofür? Sind Sie auch für eine Überwachung?
Gestern beim Besuch des israelischen Staatspräsidenten hat sich gezeigt, dass sehr wohl verlangt wird (Abg. Brosz: Sind da die Eurofighter auch geflogen?), dass wir unseren Luftraum kontrollieren und überwachen. Sie haben ja selbst die Zeitungen gelesen, deshalb brauche ich das nicht zu erläutern.
Zu der Dame, die gestern gemeint hat, wir bräuchten bei internationalen Veranstaltungen selbstverständlich keine Luftraumüberwachung, möchte ich sagen: Da wünsche ich viel Glück! Wir werden ja sehen, wenn es so weit ist, im Jahr 2006, wenn wir den Europavorsitz haben – oder auch dann, wenn wir anderen Staaten assistieren möchten –, ob das von uns verlangt wird oder nicht.
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 96 |
Ich möchte noch schnell Folgendes sagen: Wenn Sie den Herrn Ministerialrat Wagner immer strapazieren, dann darf ich Sie daran erinnern – Sie werden es wahrscheinlich nicht mehr wissen, aber der eine oder andere Kollege von den Sozialdemokraten war schon mit dabei –: Herr Ministerialrat Wagner hat schon eine ganz bestimmte – sage ich jetzt einmal schonungsvoll – Rolle gespielt, als die Draken beschafft wurden. Damals hat er auch gesagt: Die werden nicht fliegen können, und vielleicht wird es einmal zu kalt dafür sein, dass die Draken fliegen; und wer weiß, ob es nicht irgendwelche Gelder für irgendwelche Parteien gegeben hat, et cetera. – Man hat also auch zu dieser Zeit versucht, die Beschaffung für die Sicherheit des Landes schlecht zu machen und zu diffamieren.
Für einen Untersuchungsausschuss besteht kein Anlass, und ein solcher wird selbstverständlich abgelehnt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
14.35
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster
Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. (Ruf: Der ist ja jetzt noch nicht munter!)
14.35
Abgeordneter
Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Hohes Haus! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Ich will jetzt gar nicht allzu streng sein mit
dem Kollegen Murauer – er hat ja doch über weite Strecken des Ausschusses
ein Nickerchen gemacht. Ich kann das beurteilen, denn ich war Vorsitzender, und
ich habe immer hingeschaut und mir gedacht: Solange das akustisch keine
Bedrohung wird, lasse ich das einfach laufen! (Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.)
Aber etwas ganz anderes, meine Damen und
Herren: eine kleine Auslobung. Es geht um einen Geschenkkorb, alle können
mitspielen, auch der Kollege Murauer: Der- oder diejenige bekommt einen
Geschenkkorb, der mir einen einzigen Akt des Nationalratspräsidenten
nennen kann, wo er sich für die parlamentarische Kontrolle stark gemacht
hat. – Wahrscheinlich muss ich mir diesen Geschenkkorb behalten. (Abg. Hornek:
Einen Korb kriegst du sicher, Kollege Kräuter! Einen Korb kriegst du
sicher!)
Umgekehrt, Kollege Molterer, wenn es darum geht, für die Regierung Gutachten herbeizuschaffen, braucht der Präsident ja einen mittleren Lieferwagen! Das gehört auch einmal gesagt.
Und gerade jetzt wäre der Präsident des Nationalrates dringend gefordert, wenn man sich anschaut, was sich abspielt. Beispiel: Gegengeschäfte.
Der Rechnungshof bekommt keine Unterlagen vom Ministerium. Im Rechnungshofausschuss legt der Minister Bartenstein keine Unterlagen vor. In einer Anfragebeantwortung sagt der Minister Bartenstein, er kann keine Auskunft geben. Der Presse gegenüber gibt er Auskunft. Und wenn das dann hier kritisiert wird, dann versteigt sich der Herr Minister zu einer Verhöhnung des Abgeordneten. Ich meine, er hat seine Quittung bekommen – sofort, inklusive Rabatt. Aber so kann es ja nicht sein, und ich glaube, da muss einmal der Präsident des Nationalrates eingreifen, wenn der Rechnungshof als Organ des Nationalrates nicht mehr ernst genommen wird, wenn der Rechnungshofausschuss – und das hat ja auch ein bisschen was mit dem Nationalrat zu tun – nicht ernst genommen wird, wenn parlamentarische Anfragen nicht ernst genommen werden.
Und, meine Damen und Herren von der ÖVP,
ich sage Ihnen noch etwas: Ich finde es ausgesprochen unpassend, wenn
ausgerechnet bei einer ÖVP-Klausur der Präsident des Nationalrates kategorisch
Untersuchungsausschüsse ablehnt. Wenn das der Herr Molterer macht – in
Ordnung. Aber der Präsident des Nationalrates – das passt nicht zusammen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
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Wenn ich alles, was mir da zugeht, richtig interpretiere, dann werden Sie nicht für den Untersuchungsausschuss stimmen, und daher wird es notwendig, Kollege Neudeck, dass Sie bei der nächsten Tagung unseres Rechnungshofausschusses für Auskunftspersonen stimmen. (Abg. Neudeck: Das war keine Tagung, das war eine „Nachtung“!) Und bei Ihnen werbe ich besonders um den Dr. Jörg Haider – meistens sind die Aufregung, die Empörung, sind Angst und Schrecken besonders groß, wenn man den Jörg Haider als Auskunftsperson beantragt. Kollege Scheibner wird ja dann gleich auf die Aussagen von Jörg Haider eingehen, zum Beispiel: Besteht Verdacht, dass es strafrechtlich relevante Tatbestände im Zusammenhang mit den Abfangjägern gibt? – Absolut, absolut! (Abg. Scheibner: Wann hat er das gesagt?) – Das steht in der „Kleinen Zeitung“ vom 8. Juni 2003. (Abg. Scheibner: Aha!) Sie werden ja sicher jetzt gleich dazu Stellung nehmen, Herr Klubobmann Scheibner.
Meine Damen und Herren! Ist es beim Eurofighter-Kauf eigentlich mit rechten Dingen zugegangen? – Das wird eine ganz große Menge von Leuten gefragt. 13 Prozent nur sagen, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist! Und an dieser Schraube haben Sie ja in den letzten Tagen ordentlich gedreht. Ich glaube, diese Zahl wird jetzt genauso einstellig sein wie jene der FPÖ im Hinblick auf die Wählergunst.
Meine Damen und Herren! Zum Abschluss ein
frommer Wunsch: Ich würde mir einmal Gottes Segen vom Herrn Präsidenten Khol
für die parlamentarische Kontrolle wünschen. Und was mir ein wirkliches
Anliegen ist: Ich bedanke mich herzlich bei der SPÖ-Fraktion im
Rechnungshofausschuss für den großartigen Einsatz für mehr Demokratie und mehr
parlamentarische Kontrolle in den letzten Stunden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
14.38
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner.
14.39
Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man hat mich jetzt so oft von Seiten der Grünen gewollt, das freut mich. Hier bin ich, meine Damen und Herren! Und Sie haben an mich hier eine Frage gestellt: Ich soll erklären, warum ich bereits für den Gripen entschieden hatte und von wem ich umgestimmt wurde.
Meine Damen und Herren! Sie wissen es, ich habe mich für das Produkt der Firma EADS Eurofighter entschieden, habe einen diesbezüglichen Ministerratsantrag unterschrieben und diesen auch im Ministerrat eingebracht. Nichts anderes habe ich unterschrieben und auch nichts anderes entschieden. Ich hoffe, meine Damen und Herren, ich habe hier klar, deutlich und ausreichend geantwortet – allerdings vielleicht nicht zu Ihrer Freude. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Herr Kollege Kogler! Es ist selbstverständlich Ihr Recht – und wir haben das als Opposition auch immer gemacht –, dass Sie, wenn Sie mit irgendetwas unzufrieden sind oder ein Projekt nicht wollen, dagegen zu Felde ziehen, keine Frage. Wenn man in einem Ausschuss einmal unterliegt – und die Opposition unterliegt halt leider oder manchmal Gott sei Dank meistens in einem Ausschuss –, dann kann man das kritisieren. Das ist keine Frage. Und wenn man mit Ladungsbeschlüssen nicht durchkommt, kann man das auch kritisieren, Herr Kollege Kogler. Aber als Ausschussvorsitzender muss man die Entscheidungen des Ausschusses, ob sie einem gefallen oder nicht, akzeptieren.
Herr Kollege Kogler! Ich war sieben Jahre lang Vorsitzender des Landesverteidigungsausschusses. Da sind auch viele Dinge passiert, die mir als Oppositionsabgeordnetem
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nicht gefallen haben. Aber in dem Moment, in dem ich den Vorsitz übernommen habe, war ich nicht freiheitlicher Politiker, sondern Vorsitzender des Landesverteidigungsausschusses. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das, Herr Kollege Kogler, würden wir alle, so auch ich, von Ihnen erwarten und auch, dass Sie die Geschäftsordnung so handhaben, wie es für einen Ausschussvorsitzenden notwendig ist.
Was Sie als grüner Politiker sagen, sei Ihnen unbenommen – da sind wir auch nicht empfindlich. Aber als Vorsitzender eines Ausschusses dieses Parlaments haben Sie sich voll und ganz und ausschließlich an die Geschäftsordnung zu halten. Das wird aber heute ohnehin noch Thema sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Deshalb sage ich Ihnen, es freut mich nicht, denn ich glaube, es ist ein gutes, wichtiges und notwendiges Projekt, die Luftraumüberwachung aufrechtzuerhalten.
Der APA ist zu entnehmen: Es gab jetzt schon einen Zwischenfall – dieser ist Gott sei Dank glimpflich verlaufen – beim Flug von Herrn Präsidenten Katzav nach Mauthausen. Es war eine Privatmaschine auf Kollisionskurs, die nicht abgedreht hat. Es waren zwei Abfangjäger, die diese Hubschrauberflotte eskortiert haben – Gott sei Dank eskortiert haben –, die dieses Flugzeug abgedrängt haben.
Meine Damen und Herren! Das ist ein Beispiel – ja, Sie (in Richtung SPÖ) lachen schon wieder –, ein kleines Beispiel, aber ich sage Ihnen, und das wissen Sie auch, dass der israelische Präsident Katzav in keinen Hubschrauber eingestiegen wäre – es hat sich übrigens um so einen „bösen Kampfhubschrauber“, wie es immer geheißen hat, einen Blackhawk, gehandelt, der ein Selbstschutzsystem hat –, wenn nicht garantiert gewesen wäre, dass der Luftraum gesperrt und auch überwacht werden kann. Und wir würden auch keine großen Veranstaltungen bekommen wie die Europameisterschaft, wenn wir das nicht sicherstellen könnten. – Das nur zum Prinzip der Notwendigkeit der Luftraumüberwachung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Zu Ihren dauernden Vorhalten: Seit zwei Jahren ziehen Sie jetzt gegen diese Entscheidung zu Felde. Diese mag einem gefallen oder nicht, aber Sie kommen immer mit den alten Fakten. Nichts Neues, immer dieselben Dinge. Wir widerlegen es, aber Sie kommen nach einer gewissen Zeit, wenn man glaubt, man hat das vergessen, mit den Sachen wieder von neuem daher.
Es gibt einen Rechnungshofbericht über die Planung, wo Sie gesagt haben: Das wird eine große Katastrophe werden. – Der war ganz, ganz positiv.
Dann gab es einen Rechnungshofbericht über die Typenentscheidung, die jetzt im Ausschuss debattiert wird. Da haben Sie gesagt: Da werden diese ganzen Verdachtsmomente bestätigt werden. – Nichts, der Rechnungshof hat die Entscheidung als richtig erkannt, Herr Kollege Kogler!
Es gab eine Fülle von Strafanzeigen: Alle zurückgelegt, und zwar eindeutig zurückgelegt, meine Damen und Herren.
Also funktionieren Sie nicht den Rechnungshofausschuss über einen positiven Bericht um, und verlangen Sie nicht von uns die Zustimmung zu einem Untersuchungsausschuss, wo es nur positive Stellungnahmen zu diesem Verfahren gibt, Herr Kollege Kogler, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Da Sie immer fragen: Was war mit der Entscheidung?, sage ich Ihnen ganz offen: Meine Entscheidung, auch für den Eurofighter, war abhängig von der Finanzzusage des Finanzministers, nämlich in die Richtung, dass alle Mittel zur Bedeckung der Zusatzkosten für das Gerät und den Betrieb dem Landesverteidigungsbudget zugemittelt werden. Es gab diese Zusage, und deshalb habe ich für das beste Gerät, für das sich auch die Bewertungskommission entschieden hat, meine Entscheidung getroffen.
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Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht
wissen, wie Sie agiert hätten, wenn ich anders entschieden hätte, wenn ich
diese Finanzzusage nicht bekommen hätte und wir deshalb einen negativen
Rechnungshofbericht bekommen hätten. Ich bekenne mich zu diesem
Rechnungshofbericht – er ist positiv – und auch zu dieser
Typenentscheidung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Gradwohl:
Einen Satz zu Haider!)
14.44
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Dr. Pilz. (Rufe bei der ÖVP: Oje!)
14.44
Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Guten Morgen, werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Im Gegensatz zu den Mitgliedern des Rechnungshofausschusses, die diese Nacht durchaus seriös gearbeitet haben – und da zähle ich auch die Kollegen der Freiheitlichen Partei in diesem Ausschuss explizit dazu –, haben Sie es ja vorgezogen, sich auszuruhen.
Stellen Sie sich einmal vor, was wir in
parlamentarischem Konsens in einem Bruchteil dieser Zeit von Auskunftspersonen
hätten erfahren können! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der
SPÖ.) Ja ist es wirklich notwendig, dass Sie die Opposition zwingen, die
Geschäftsordnung bis an die Grenze auszunützen, bis an die Grenze
auszunützen, nur damit wir Sie daran erinnern, dass es so etwas wie ein
parlamentarisches Frage- und Kontrollrecht gibt? (Abg. Dr. Fasslabend:
Geh, geh!)
Haben Sie, Herr Kollege Scheibner, als früherer Oppositionsabgeordneter und auch die Damen und Herren der ÖVP, denen es ja auch einmal so gegangen ist, schon völlig vergessen, dass das Kontrollrecht und das Budgetrecht die zwei großen begleitenden Rechte rund um das Gesetzgebungsrecht des Parlaments sind?
Und was ist aus diesem Kontrollrecht geworden? – Ich habe es miterlebt. Als wir den Verteidigungsminister ersuchten, uns zwei Beamte zur Verfügung zu stellen, und einen Antrag stellten – der noch immer nicht abgestimmt worden ist –, zog der Verteidigungsminister zwei Briefe heraus und sagte: Ich habe von den beiden Beamten Briefe an mich schreiben lassen!, und las sie im Ausschuss vor. – Das ist das moderne Auskunftsrecht! So soll in Zukunft der Rechnungshofausschuss funktionieren!
Wenn Sie glauben, dass eine grüne Opposition sich damit zufrieden gibt, dann haben Sie sich schlicht und einfach getäuscht. (Beifall bei den Grünen.)
Niemand von uns hat besondere Lust, 18 Stunden in einem Ausschusslokal dieses Parlaments durchzusitzen. (Abg. Ellmauer: Pilz schon!) Aber da geht es nicht darum, was einem mehr oder was einem weniger Freude macht. Da geht es darum, gegen Sie, die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ, die Rechte des österreichischen Nationalrats zu verteidigen. Da geht es darum, diesen Nationalrat und sein Kontrollrecht gegen den Machtmissbrauch durch die Mehrheit in Schutz zu nehmen. Da geht es darum, einen Rechnungshofausschuss arbeitsfähig zu erhalten.
Ja wie soll denn ein Rechnungshofausschuss arbeiten, wenn er niemanden befragen kann? Sollen wir Abgeordnete einander gegenseitig befragen? Sollen wir gemeinsam die Berichte des Rechnungshofausschusses zum Vortrag bringen? Ist das Ihrer Meinung nach Ausschussarbeit? (Beifall bei den Grünen.)
Ich frage mich immer wieder: Was haben Sie eigentlich so zu befürchten (Ruf: Den Pilz!), dass uns kein einziger Beamter, keine einzige Beamtin mehr als Auskunftsperson zur Verfügung stehen kann?
Darauf gibt es schon Antworten. Wir haben
heute in dieser langen Nacht auch einige neue Unterlagen im
Rechnungshofausschuss besprochen, und da sind ein paar neue und erstaunliche
Sachen zutage getreten. (Ruf: Schon wieder!)
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Ich habe mich immer gefragt, warum die Beamten der Bewertungskommission seinerzeit mehrheitlich für Eurofighter plädiert haben und alle Beamten drüber bis zum Minister das Produkt Gripen befürwortet haben. Und, Herr Minister Scheibner, Sie haben es befürwortet, und Sie haben das in die Ministerratsvorbesprechung gebracht, und Sie haben einen Antrag unterschrieben (Abg. Scheibner: Wo habe ich einen Antrag unterschrieben?), und das ist an einem Veto des Finanzministers gescheitert. Und wenn Sie das klären wollen und wenn Sie wollen, dass die Wahrheit wirklich öffentlich dokumentiert wird, dann haben Sie eine ganz einfache Möglichkeit: Stimmen Sie dem Untersuchungsausschuss zu! Dann werden wir überprüfen, was es mit diesem Ihrem Ministerratsvortrag auf sich hat. Dafür ist es höchste Zeit. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Meine Damen und Herren! Werner Kogler war nach dem Auszug der Regierungsfraktionen heute gezwungen, die Sitzung wieder zu unterbrechen. Sie, Ihre Abgeordneten haben fluchtartig den Verhandlungssaal verlassen. (Abg. Scheibner: Es darf nicht ein Ausschuss gleichzeitig mit einem Nationalrat tagen!) Wir wissen nicht genau, warum. Der Ausschuss musste unterbrochen werden. Wir hoffen, dass Sie bereit sind, sich beim nächsten Termin, den der Ausschussvorsitzende mit Ihnen koordinieren wird, wieder an einer ordnungsgemäßen Sitzung des Rechnungshofausschusses zu beteiligen. Und wir werden Sie das nächste Mal wiederum fragen – und damit komme ich zum Schluss –, ob Sie endlich bereit sind, den Rechnungshofausschuss so, wie es die Geschäftsordnung und der Sinn dieser Geschäftsordnung vorsehen, seine Arbeit im Interesse der österreichischen Demokratie tun zu lassen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
14.50
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Kogler, Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.
Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu
ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies die Minderheit
und damit abgelehnt.
Einlauf
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Im Sinne des § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung bringe ich folgendes Schreiben des Bundeskanzlers zur Kenntnis:
„Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 20. Oktober 2004, Zl. 300.000/2-BEV/04, gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner vom Amt enthoben hat.
Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz Frau Dr. Ursula PLASSNIK zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten ernannt.
Mit besten Grüßen
Wolfgang Schüssel“
*****
Nationalrat, XXII.GP | 81. Sitzung / Seite 101 |
Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 461/A und 462/A eingebracht wurden. Ferner sind die Anfragen 2217/J bis 2228/J eingelangt.
*****
Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Dienstag, den 9. November 2004, in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.
Diese Sitzung ist geschlossen.
Schluss der Sitzung: 14.51 Uhr
Impressum: Parlamentsdirektion 1017 Wien |