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4. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Dienstag, 30., und Mittwoch, 31. Jänner 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

4. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode

Dienstag, 30., und Mittwoch, 31. Jänner 1996

 

Dauer der Sitzung

Dienstag, 30. Jänner 1996: 16.03 – 24.00 Uhr

Mittwoch, 31. Jänner 1996: 0.00 – 0.57 Uhr

*****

Tagesordnung

Erklärungen des Bundesministers für Arbeit und Soziales und des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 9

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung 11

Wortmeldung der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler betreffend die dringliche Anfrage der Grünen zum Thema Lambach 11

Ersuchen der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler, die Sitzung zu unterbrechen und eine Sitzung der Präsidialkonferenz einzuberufen, um die weitere Vorgangsweise bezüglich der dringlichen Anfrage der Grünen zum Thema Lambach aufgrund der Entdeckung von Kriegsgräbern auf dem Gelände des geplanten Kraftwerkes Lambach zu beraten 88

Unterbrechungen der Sitzung 88, 113

Erklärung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Entdeckung von Kriegsgräbern auf dem Gelände des geplanten Kraftwerkes Lambach 88

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol im Zusammenhang mit der Entdeckung von Kriegsgräbern auf dem Gelände des geplanten Kraftwerkes Lambach 89


Nationalrat, XX.GP
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4. Sitzung / Seite 2

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung 113

Auslieferungsbegehren

gegen die Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Dr. Jörg Haider 9

Ausschüsse

Zuweisungen 9

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Rekordarbeitslosigkeit (14/J) 50

Begründung: Sigisbert Dolinschek 52

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky 56

Debatte:

Helmut Haigermoser 65

Mag. Dr. Josef Höchtl (tatsächliche Berichtigung) 69

Eleonora Hostasch 69

Ing. Leopold Maderthaner 72

Mag. Helmut Peter 76

Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen 77

Mag. Gilbert Trattner 80

Dr. Kurt Heindl 83

Georg Schwarzenberger 86

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 89

Mag. Helmut Peter (tatsächliche Berichtigung) 93

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 93

Helmut Haigermoser (tatsächliche Berichtigung) 95

Anton Blünegger 95

Peter Rosenstingl 98

Hermann Böhacker 103

Dr. Ewald Nowotny 107

Rudolf Nürnberger 109


Nationalrat, XX.GP
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4. Sitzung / Seite 3

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Maßnahmen zur Vereinheitlichung und Verbesserung der Technologie- und Forschungsförderung – Ablehnung 92, 111


Nationalrat, XX.GP
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4. Sitzung / Seite 4

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend kalte Progression – Ablehnung 96, 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Förderung der Beschäftigung älterer Menschen – Ablehnung 97, 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Einhebung einer einmaligen Sonderdividende von wirtschaftlich erfolgreichen Staatsbetrieben – Ablehnung 99, 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend umfassende Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit – Ablehnung 99, 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend Arbeitsplatzverluste durch die Budgetsanierung der Bundesregierung – Ablehnung 100, 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend Sicherung der Arbeitsplätze bei der HTM-Gruppe – Ablehnung 100, 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann-Ewald Stadler und Genossen betreffend umfassende Bürokratiereform – Ablehnung 101, 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Reform des Insolvenzrechtes zur Verbesserung der Sanierungsmöglichkeiten – Ablehnung 101, 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank – Ablehnung 101, 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Johann Böhacker und Genossen betreffend Pensionsreserve der Oesterreichischen Nationalbank – Ablehnung 102, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend land- und forstwirtschaftliche Standortsicherung – Ablehnung 102, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Susanne Preisinger und Genossen betreffend Einführung eines Bildungsschecks für alle in Ausbildung stehenden Staatsbürger – Ablehnung 102, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend Finanzierung und Fertigstellung des Abschnitts "Völkermarkt West – Klagenfurt Ost" der A 2 Süd Autobahn (Lückenschluß) – Ablehnung 102, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hans Schöll und Genossen betreffend Zusammenlegung der BGV I, der BGV II und der BIG – Ablehnung 103, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend steuerliche Begünstigung nicht entnommener Gewinne – Ablehnung 103, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit durch eine ökologische Reform des österreichischen Steuersystems – Ablehnung 104, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Entlastung der Unternehmen durch Entbürokratisierung – Ablehnung 104, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die vorgezogene Realisierung eines arbeitskräfteintensiven Arbeitsprogramms für die Bauwirtschaft – Ablehnung 105, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hans Schöll und Genossen betreffend Novellierung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) – Ablehnung 105, 113

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Senkung der Kammerumlagen – Ablehnung 105, 113

Entschließungsantrag  der Abgeordneten Mares Rossmann und Genossen betreffend Förderungsmaßnahmen für Saisonbetriebe zur Entlastung der Arbeitslosenversicherung durch eine Verlängerung der Saison – Ablehnung 106, 113

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend Erhöhung des Investitionsfreibetrages – Ablehnung (namentliche Abstimmung) 106, 113

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend indirekte Förderung von Risikokapital – Ablehnung 106, 115

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend Einführung des Luxemburger Modells – Ablehnung 106, 115

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mares Rossmann und Genossen betreffend Abschaffung der Getränkesteuer – Ablehnung 107, 115

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend Senkung der Mehrwertsteuersätze – Ablehnung 107, 115

Entschließungsantrag der Abgeordneten Fritz Verzetnitsch, Dr. Wolfgang Schüssel und Genossen betreffend beschäftigungspolitische Initiativen – Annahme (E 1) 109, 115

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Wahrnehmung der energiewirtschaftlichen Kompetenzen der Bundesregierung zur Koordinierung und Optimierung des österreichischen Kraftwerkparks im Hinblick auf den Bau des Wasserkraftwerks Lambach (15/J) – Zurückziehung 10, 89

Verhandlungen

Erklärungen des Bundesministers für Arbeit und Soziales und des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten

Bundesminister Franz Hums 11

Bundesminister Dr. Johannes Ditz 17

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 der Geschäftsordnung 11

Redner:

Dr. Jörg Haider 21

Bundesminister Franz Hums 31

Mag. Dr. Josef Höchtl 32

Mag. Helmut Peter 35

Fritz Verzetnitsch 39

Dr. Jörg Haider (tatsächliche Berichtigung) 43

Karl Öllinger 43

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 9

21: Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird


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4. Sitzung / Seite 5

24: Bundesgesetz über die "Diplomatische Akademie Wien" (DAK-Gesetz 1996)

Berichte 9

III-8: Bericht gemäß Entschließung des Nationalrates vom 19. Jänner 1994; "Österreichischer Klimaschutzbericht 1995"; Bundesregierung

III-9: Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1994 gemäß § 9 Landwirtschaftsgesetz 1992 (36. Grüner Bericht); BM f. Land- und Forstwirtschaft

III-10: Österreichischer Waldbericht 1994; BM f. Land- und Forstwirtschaft

III-11: Berufsbildungsbericht 1995; BM f. wirtschaftliche Angelegenheiten

Vorlage 1 BA: Bericht über die Genehmigung von qualifizierten Vorbelastungen für das 4. Quartal 1995; BM f. Finanzen

Anträge der Abgeordneten

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) geändert wird (25/A)


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4. Sitzung / Seite 6

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend land- und forstwirtschaftliche Standortsicherung (26/A) (E)

Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Gründung von Gruppenpraxen durch Angehörige von Gesundheitsberufen (27/A) (E)

Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend ein Bundesgesetz zur Besteuerung von Energieträgern (Energiesteuergesetz) (28/A)

Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend Novelle zum Geschäftsordnungsgesetz 1975 (29/A)

Rudolf Anschober und Genossen betreffend Bergrechtsreform (30/A) (E)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Regelung der obertägigen Ablagerung von Abfällen im Gesetzesrang (31/A) (E)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Nationalen Umweltplan und Bundes-Abfallwirtschaftsplan als strategische Instrumente der österreichischen Abfallwirtschaft (32/A) (E)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (33/A)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Neugestaltung der Verpackungsverordnung (34/A) (E)

Ute Apfelbeck und Genossen betreffend die Erstellung weiterer unabhängiger Gutachten zur Notwendigkeit der Errichtung einer 380 kV-Leitung "UW Kainachtal – UW Wien Südost" sowie die Änderung des Starkstromwegegesetzes aus 1968 hinsichtlich eines Bürgerbeteiligungsverfahrens im Sinne des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G) und die Erstellung einer unabhängigen Studie betreffend dezentrale Energieversorgung als Alternative zum Verbundnetz für den Raum Oststeiermark (35/A) (E)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Novellierung des Altlastensanierungsgesetzes (36/A) (E)

Hermann Böhacker und Genossen betreffend Sanierung und Ausbau des Casino-Stadions Salzburg (37/A) (E)

Dipl.-Vw. Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Behandlung des "Technologiepolitischen Konzeptes der Bundesregierung" (38/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dkfm. Holger Bauer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze mit Tieren (13/J)

Sigisbert Dolinschek und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Rekordarbeitslosigkeit (14/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Wahrnehmung der energiewirtschaftlichen Kompetenzen der Bundesregierung zur Koordinierung und Optimierung des österreichischen Kraftwerkparks im Hinblick auf den Bau des Wasserkraftwerks Lambach (15/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Tuberkulosegefahr in der Bundeshauptstadt (16/J)

Dkfm. Holger Bauer und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Honigverordnung (17/J)

Dkfm. Holger Bauer und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Früchtezubereitungen mit Honig (18/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Verteuerung der Schulmilch per 1. 1. 1996 (19/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend rechtsextreme Umtriebe des Dr. Jörg Haider in Krumpendorf (20/J)

Ing. Walter Meischberger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Subventionen für nicht existierende oder in Auflösung befindliche Vereine durch die "Aktion 8000" (21/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend die Fahrzeuganmeldung für die Ausübung des Gewerbes der Beförderungen mit Personenkraftwagen in Niederösterreich (22/J)


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4. Sitzung / Seite 7

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend den Neubau der Sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck (23/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend das Autobahnzollamt Kufstein/Kiefersfelden und das Bahnhofzollamt Kufstein (24/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von seinem Ressort in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (25/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von ihrem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (26/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von seinem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (27/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von seinem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (28/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von seinem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (29/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von seinem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (30/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von ihrem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (31/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von seinem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (32/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an die Bundesministerin für Jugend und Familie betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von ihrem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (33/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von seinem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (34/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von seinem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (35/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von seinem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (36/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Umwelt betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von seinem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (37/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von seinem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (38/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst betreffend Gutachten, Umfragen und Studien, die von seinem Ministerium in den Jahren 1992, 1993, 1994 und 1995 in Auftrag gegeben wurden (39/J)


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4. Sitzung / Seite 8

Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst betreffend das Forschungsprojekt "Wörterbuch der ,Fackel‘" (40/J)

Paul Kiss und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Stasi-Aktivitäten in Österreich (41/J)

Paul Kiss und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tätigkeit von ehemaligen Stasi-Agenten in Österreich (42/J)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Aktivitäten österreichischer Staatsangehöriger in Slowenien und Kroatien (6/J)


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4. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 16.03 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf alle Damen und Herren herzlich begrüßen und Sie bitten, die Plätze einzunehmen.

Ich eröffne die 4. Sitzung des Nationalrates, die aufgrund eines geschäftsordnungsmäßigen Verlangens von mehr als einem Fünftel der Abgeordneten einberufen wurde.

Die Amtlichen Protokolle der 1., 2. und 3. Sitzung sind aufgelegen und unbeeinsprucht geblieben.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Dr. Haselsteiner, Leitner und Mag. Barmüller.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung darf ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfrage: 13/J

Zurückziehung: 6/J

2. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird (21 der Beilagen),

Bundesgesetz über die "Diplomatische Akademie Wien" (DAK-Gesetz 1996) (24 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 29a, 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuß:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von qualifizierten Vorbelastungen für das 4. Quartal 1995 (Vorlage 1 BA);

Immunitätsausschuß:

Ersuchen des Landesgerichtes Linz (24 Evr 81/96, 24 EHv 1/96) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Helmut Peter wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 Abs. 1 und 2 StGB (üble Nachrede), § 115 StGB (Beleidigung) und § 152 StGB (Kreditschädigung),


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4. Sitzung / Seite 10

Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (9dE Vr 13555/95, Hv 7930/95) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 Abs. 1 und 2 StGB (üble Nachrede),

Ersuchen des Bezirksgerichtes Völkermarkt (3 U 199/95) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Jörg Haider wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 111 ff StGB.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

Familienausschuß:

Antrag 24/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967;

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1994 gemäß § 9 Landwirtschaftsgesetz 1992  (36. Grüner Bericht),  vorgelegt vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (III-9 der Beilagen),

Österreichischer Waldbericht 1994 (III-10 der Beilagen);

Umweltausschuß:

Bericht der Bundesregierung gemäß Entschließung des Nationalrates vom 19. Jänner 1994 "Österreichischer Klimaschutzbericht 1995" (III-8 der Beilagen);

Wirtschaftsausschuß:

Berufsbildungsbericht 1995 des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (III-11 der Beilagen).

*****

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Dolinschek und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 14/J der Abgeordneten Dolinschek und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Rekordarbeitslosigkeit dringlich zu behandeln.

Gleichzeitig haben die Abgeordneten Langthaler und Genossen das Verlangen gestellt, die gleichfalls vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 15/J der Abgeordneten Langthaler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Wahrnehmung der energiewirtschaftlichen Kompetenzen der Bundesregierung zur Koordinierung und Optimierung des österreichischen Kraftwerkparks im Hinblick auf den Bau des Wasserkraftwerkes Lambach gleichfalls dringlich zu behandeln.

Beide Verlangen sind darauf gerichtet, die dringliche Behandlung zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzuführen. Ich mache daher von dem Recht Gebrauch, gemäß § 93 Abs. 4 der Geschäftsordnung die Verhandlung der ersten dringlichen Anfrage für 19 Uhr in Aussicht zu nehmen.

Da die erwähnten Verlangen gleichzeitig gestellt wurden, werden die dringlichen Anfragen in der Reihenfolge, in der ich sie genannt habe – das ist diesmal unter Berücksichtigung des Stärkeverhältnisses der Fraktionen –, aufgerufen werden. (Abg. Ing. Langthaler: Zur Geschäftsbehandlung!)

Bitte, Frau Kollegin Langthaler.


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4. Sitzung / Seite 11

16.05

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Von der grünen Fraktion wurde in der Präsidiale sehr nachdrücklich verlangt, daß auch zum Thema Lambach seitens der Bundesregierung hier heute eine Erklärung abgegeben wird. Aufgrund der Geschäftsordnung war dazu ein Antrag nicht möglich. Wir haben deshalb eine dringliche Anfrage hier heute eingebracht, appellieren aber deshalb trotzdem an die Mitglieder der Bundesregierung, bereits in ihrer Erklärung hier auch auf das Thema Lambach einzugehen. – Danke.

16.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es gibt keine weiteren Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung.

Erklärungen des Bundesministers für Arbeit und Soziales und des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zu deren einzigem Punkt:

Es sind dies Erklärungen des Bundesministers für Arbeit und Soziales und des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, die auf die Tagesordnung gesetzt wurden.

Im Anschluß an diese Erklärungen wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung – entsprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten – eine Debatte stattfinden.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es wurde in der Präsidialkonferenz Konsens über Gestaltung und Dauer dieser Debatte erzielt. Demnach soll die Debatte auf sechs sogenannte Wiener Stunden beschränkt werden und § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung Anwendung finden, sodaß sich, weil jede "Wiener Stunde" minutenmäßig auf die einzelnen Fraktionen aufgeteilt ist, folgende Gesamtredezeiten ergeben:

SPÖ 90 Minuten, ÖVP 84 Minuten, Freiheitliche 78 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 54 Minuten.

Dies ist ein Vorschlag für die Gestaltung der Debatte. Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das einvernehmlich so festgelegt und beschlossen.

Ich erteile nun, da über die Wortmeldung der Frau Kollegin Langthaler keine Abstimmung durchzuführen ist, dem Herrn Bundesminister für Arbeit und Soziales das Wort zu seinem auf der Tagesordnung stehenden Bericht. – Bitte, Herr Bundesminister.

16.07

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Beschäftigungspolitik ist eines der wesentlichsten für den Staat und ganz besonders für jeden einzelnen Menschen, denn für jeden einzelnen bedeutet der Arbeitsplatz Einkommenssicherung und Vorsorge für soziale Sicherheit. Eine hohe Beschäftigung ist aber auch die Voraussetzung für eine gute Wirtschafts- und Sozialentwicklung des gesamten Staates und damit auch für den sozialen Frieden.

Die österreichische Regierungspolitik der letzten Jahrzehnte hat sich daher dadurch ausgezeichnet, daß Vorrang für die Beschäftigungspolitik das wesentliche Kennzeichen war. Der Erfolg dieser Politik kann jetzt daran gemessen werden, daß es uns in Österreich gelungen ist, Strukturänderungen und Rezessionen über die Jahre hinweg wesentlich besser zu meistern, als das in anderen Staaten der Fall war. (Beifall bei der SPÖ.)

Dabei sind in den letzten Jahren die Rahmenbedingungen für diese Beschäftigungssicherung nicht leichter geworden: Beschleunigte Strukturveränderungen, der rasche technologische Fort


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4. Sitzung / Seite 12

schritt, der mit hohen Produktivitätssteigerungen verbunden ist, arbeitsorganisatorische Änderungen und tiefgreifende Veränderungen in den Wirtschaftsbeziehungen, verbunden mit dem Stichwort "Globalisierung der Wirtschaft", und ein verschärfter Wettbewerb waren zu bewältigen.

Österreich hat sich zudem der Herausforderung der Ostöffnung und der europäischen Integration – verbunden mit dem wichtigen Beitritt zur Europäischen Union – gestellt. Beides hat Österreich genützt, und nach den Schätzungen des Wirtschaftsforschungsinstituts konnte ja auch die Öffnung der Grenzen zum Osten durch neue Exportmöglichkeiten genützt werden, und zwar so, daß zirka 56 000 zusätzliche Arbeitsplätze im Exportbereich geschaffen wurden.

Der Beitritt zur Europäischen Union hat der exportorientierten Wirtschaft Österreichs neue Chancen eröffnet, hat aber gleichzeitig Österreich auch als Standort für internationale Unternehmungen höher qualifiziert.

Der große Markt ist Österreichs Unternehmungen damit zugänglich, und die Wettbewerbsfähigkeit ist durch unseren Beitritt zur EU wesentlich besser gegeben.

Trotz der schwierigen gesamten Rahmenbedingungen ist es Österreich in den letzten Jahren sogar gelungen, die Zahl der Beschäftigten zu erhöhen. Obwohl durch zahlreiche – unvermeidbare – Strukturanpassungen auch Arbeitsplätze verlorengegangen sind, ist es dennoch gelungen, wesentlich mehr neue Arbeitsplätze zu schaffen, sodaß die Zahl der Arbeitsplätze seit dem Jahr 1985 insgesamt um 308 000, das sind 11 Prozent, gestiegen ist.

1985 hatten wir im Jahresdurchschnitt 2,76 Millionen Beschäftigte, im Jahresdurchschnitt 1995 waren es 3,68 Millionen Beschäftigte. Das stellt einmal mehr die internationale Konkurrenzfähigkeit unserer Betriebe unter Beweis, aber auch die erfolgreiche Ansiedelungspolitik, an der die Bundesregierung maßgeblich beteiligt war. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist – zusätzlich zur Entwicklung in Österreich – gelungen, maßgebliche Investoren in unser Land zu holen, und zwar deshalb, weil international anerkannt ist, daß Österreich als Wirtschaftsland bedeutende Standortvorteile bietet. Ich möchte nur auf folgendes hinweisen: International wird besonders geschätzt, daß die Beschäftigten in Österreich ein sehr hohes Wissen, ein sehr hohes Qualifikationsniveau haben. Es wird geschätzt, daß Österreich eine gute Infrastruktur hat. Es wird von den Unternehmungen, die in Österreich investieren, auch geschätzt, daß Österreich auch ein äußerst wirtschaftsfreundliches Steuersystem und eine niedrige Inflationsrate hat und darüber hinaus sozialer Frieden herrscht. Es gibt kaum ein zweites Land in der gesamten Welt, in dem man die Streikdauer nicht einmal mehr in Sekunden messen kann, wie das eben in Österreich der Fall ist. Das alles trägt dazu bei, daß Österreich ein guter Wirtschaftsstandort ist. Die Zahlen beweisen das ja. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn wir das Problem Beschäftigung als große Herausforderung für uns sehen, dann müssen wir das auch jetzt tun, und zwar in ganz besonderem Maße. Aber wir können darauf hinweisen, daß es uns – im internationalen Vergleich – besser als anderen Staaten gelungen ist, die Beschäftigung weitgehend abzusichern. Das zeigt ja auch ein Vergleich hinsichtlich Arbeitslosenraten: Gemessen nach EU-Kriterien sind die saisonbereinigten Arbeitslosenraten in Österreich im Vorjahr im Durchschnitt bei 4 Prozent gelegen, im Durchschnitt der Europäischen Union jedoch – nach den gleichen Maßzahlen – bei 10,6 Prozent.

Es ist mir aber vollkommen bewußt – und ich streiche das immer wieder heraus –, daß diese saisonbereinigten und nach EU-Kriterien ermittelten Meßzahlen nicht mit unseren ursprünglichen Arbeitslosenzahlen, die wir ermitteln, übereinstimmen. Für den internationalen Vergleich kann man aber nur jene Zahlen nehmen, die nach international gleichen Kriterien ermittelt wurden. Ich betrachte daher diese saisonbereinigten EU-Werte im Hinblick auf die Arbeitslosenrate nicht als Meßzahl für notwendige Maßnahmen in Österreich, sehr wohl aber als Meßzahl dafür, daß Österreich eine bessere Arbeitsmarktpolitik als andere Staaten betrieben hat. Dazu haben alle in der Wirtschaft Tätigen, natürlich auch die Sozialpartner, beigetragen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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Besonders erfreulich bei diesen Vergleichen – und das ist auch absolut so – ist, feststellen zu können, daß wir in Österreich im Vergleich zu anderen Staaten Europas, und zwar mit beachtlichem Abstand, die niedrigste Arbeitslosenrate bei Jugendlichen haben, und das ist ebenfalls ein ganz wesentliches Element. Das schlechteste wäre ein Ansteigen der Jugendarbeitslosigkeit. Das müssen wir auf jeden Fall vermeiden! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese internationalen Zahlen, die ich soeben genannt habe, sollen zu einem Vergleich dienen, dürfen uns aber keinesfalls beruhigen, denn gerade in den letzten Wochen und Monaten sind die Arbeitslosenzahlen auch in Österreich angestiegen. Wir nehmen dieses Ansteigen der Arbeitslosenzahlen sehr, sehr ernst. Wir haben aber nicht bis jetzt mit Maßnahmen gewartet, denn es wäre längst zu spät, wenn wir jetzt erst registrieren würden, daß es steigende Arbeitslosenraten gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben bereits im Vorjahr mit neuen und intensiveren Maßnahmen auf diesem Gebiete begonnen. Von Regierungsseite wurde – gemeinsam mit den Ländern, mit den Sozialpartnern – versucht, neue Kriterien zu schaffen, neue Maßnahmen zu setzen. Es ist notwendig, auch in Zukunft die Qualität des Standortes Österreich weiter zu verbessern. Angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, ist das keine leichte Aufgabe, das wissen wir.

Die hohen Produktivitätssteigerungen haben zu einer Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigungssituation geführt – nicht nur in Österreich. Österreich liegt aber, was Produktivitätssteigerungen anlangt – eben aufgrund der Tüchtigkeit der Arbeitnehmer und Unternehmer –, im internationalen Vergleich gesehen im Spitzenfeld. Das ist sicher gut für die Wettbewerbsfähigkeit, fordert aber auch zu noch mehr Umstrukturierungen heraus.

Im Zeitraum von 1979 bis 1994 ist die Produktivität in der Industrie um fast 80 Prozent gestiegen. Vergleichszahlen dazu: In den Vereinigten Staaten betrug die Steigerung 59 Prozent, und der Paradestaat sozusagen für Produktivitätssteigerungen, nämlich Japan, hat in diesem Zeitraum eine Produktivitätssteigerung von 30 Prozent erzielt.

Diese Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, die internationale Konjunkturdämpfung, die es jetzt wieder gibt, verschärfen die Situation, und das erfordert eben zusätzliche Maßnahmen. Dazu kommt, daß auch im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren begonnen wurde – und das ist fortzusetzen –, und zwar durch neue Büroorganisationen, durch Maßnahmen der Entbürokratisierung, Arbeitsplätze einzusparen. Wir haben daher die Aufgabe, jene Arbeitsplätze, die in der Industrie, im Gewerbebereich und auch im öffentlichen Dienst infolge von Umstrukturierungsmaßnahmen wegfallen werden, durch zusätzliche Maßnahmen zu ersetzen, um eben ein Ansteigen der Arbeitslosenrate zu verhindern.

In diesem Zusammenhang ist gerade eine Branche zu nennen, die im letzten Jahr diesbezüglich besonders im Mittelpunkt gestanden ist: Im Jahre 1995 ist die Zahl der Arbeitslosen in der Baubranche gestiegen. – Ende Jänner 1996 sind in Österreich zirka 295 000 Menschen arbeitslos, das sind um 16 000 mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. Darunter sind – konjunktur-, struktur-, aber auch witterungsbedingt – 88 600 Bauarbeiter. Die Baubranche ist daher neben dem Tourismusbereich eine der Branchen, wo zusätzliche Maßnahmen notwendig sind. Insgesamt waren 1995 in der Baubranche 35 800 Arbeitslose vorgemerkt; gegenüber dem Vorjahr war das eine Steigerung um 8,4 Prozent. Branchenspezifisch ergab das daher eine Arbeitslosenrate von 12 Prozent, eine Rate, die zwar unter dem Wert von 1993, aber über dem Wert von 1994 gelegen ist.

Daher wurde bereits im Vorjahr vom Bundeskanzler, von den zuständigen Ministern und auch vom Sozialminister eine Reihe von neuen Maßnahmen erarbeitet; unter anderem: zusätzliche Investitionen im Infrastrukturbereich, Möglichkeiten, im Wohnbaubereich zusätzlich aktiv zu werden. Außer diesen beiden spektakulären Maßnahmen wird es auch notwendig sein, mit der Branche, mit allen gemeinsam neue Wege zu finden, beispielsweise nicht nur in Richtung Neubau, sondern auch in Richtung Verbesserung zu gehen.

Ich denke in diesem Zusammenhang an einen der Vorschläge, die gekommen sind – ihre Umsetzung ist sicher zu überlegen, sie sind zu vertiefen –, wie man in der Baubranche künftig


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zusätzliche Arbeitsplätze schaffen kann, nämlich durch Maßnahmen der Wärmedämmung, die durchgeführt werden, insbesondere bei Bauten, bei denen man das vernachlässigt hat, Maßnahmen, die die Kosten wieder hereinbringen, Maßnahmen, die umweltfreundlich und gleichzeitig energiesparend sind. Ich habe das jetzt nur als ein Beispiel dafür gebracht, wo wir gemeinsam mit den Sozialpartnern, mit den Zuständigen in Bund, Ländern und Gemeinden neue Maßnahmen für die Bauwirtschaft finden werden.

Eines darf man allerdings nicht erwarten: daß man ein Patentrezept finden kann, das alle Probleme im Arbeitsmarktbereich löst. Keine Einzelmaßnahme wird als Patentrezept dafür geeignet sein, aber es wird eine Reihe von Kombinationen, von Maßnahmen geben, die auf Branchen und Regionen abzustimmen sind, die wir abgestimmt haben und die es Österreich auch in Zukunft ermöglichen werden, die Beschäftigungspolitik besser als andere zu meistern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zu diesem Bündel von Maßnahmen gehört natürlich, daß die Infrastruktur zeitgemäß weiterentwickelt wird, daß die hohe Qualifikation der Arbeitnehmer weiter ausgebaut wird, daß auch die Unternehmer verstärkt in Richtung Exportorientierung gehen – die Exportorientierung muß aber von allen anderen Seiten, die dafür zuständig sind und die da mithelfen können, noch wesentlich unterstützt werden.

Selbstverständlich gehören dazu auch weniger Bürokratie, eine gute Sozialpartnerschaft und eben die Fortsetzung des österreichischen Weges des Zusammenarbeitens zwischen Regierung, Sozialpartnern, Gemeinden und Ländern.

Zur Infrastruktur: Es ist notwendig, daß diese Infrastruktur – Verkehrswege, Telekommunikation, Energieversorgung – auch in Zukunft immer zeitgemäß ausgebaut wird. Der Ausbau der Infrastruktur hat gleichzeitig den positiven Effekt, daß sofort Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft geschaffen werden. Daher hat es bereits im Herbst des Vorjahres einen gemeinsamen Gipfel gegeben, bei dem die zuständigen Minister – Sozialminister, Wirtschaftsminister, Verkehrsminister, Finanzminister – mit den Sozialpartnern ein besonderes Ausbauprogramm für die Bauwirtschaft im Bereich der Infrastruktur festgelegt haben. Dieses Ausbauprogramm wird auch zur Wirkung kommen!

Der Ausbau der Infrastruktur muß selbstverständlich trotz Budgetkonsolidierung weitergeführt werden, denn er sichert die Qualität des Standorts Österreich für die Zukunft und schafft sofort Arbeitsplätze. Ich meine im übrigen, daß Budgetkonsolidierung und Sicherung der Arbeitsplätze einander nicht ausschließen. Die Konsolidierung des Budgets ist auch eine Voraussetzung dafür, daß in Zukunft der Standort Österreich gut ist – das möchte ich bei dieser Gelegenheit hier dazu sagen.

Weiters ist es notwendig, daß die Qualifikationsoffensive fortgesetzt wird. Ein wesentliches Kriterium eines guten Wirtschaftsstandortes sind eine gute Ausbildung, eine gute Weiterbildung der Arbeitnehmer, aber auch der Unternehmer.

Wir werden das heurige Jahr, das von der Europäischen Union zum "Jahr des lebensbegleitenden Lernens" erklärt wurde, besonders dafür nützen, in der Gruppe der zuständigen Minister – Unterrichtsminister, Wissenschaftsminister, Wirtschaftsminister und Sozialminister – die Ausbildung, das Weiterbildungssystem für die Zukunft zu adaptieren. (Abg. Haigermoser: Alles in Ordnung!)

Wir haben in diesem Zusammenhang natürlich auch darüber nachzudenken, daß wir einen Teil der Arbeitszeit, die durch Produktivitätssteigerungen gewonnen wird, für Weiterbildungsmaßnahmen verwenden – flexibel, jeweils orientiert an den Notwendigkeiten in den einzelnen Branchen.

Das Arbeitsmarktservice hat im Vorjahr für Qualifizierungsmaßnahmen von Menschen, die sonst von Arbeitslosigkeit bedroht wären oder die bereits arbeitslos waren und wieder einen Arbeitsplatz finden sollten, zirka 2,7 Milliarden Schilling ausgegeben.


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Notwendig für die Attraktivierung unseres Standortes ist es auch, daß die Forschungsförderung fortgeführt wird und daß gerade den Klein- und Mittelunternehmungen zusätzliche Möglichkeiten geboten werden, aus dieser Forschungsförderung für ihre Produktion zu profitieren.

Da ich gerade von den Klein- und Mittelunternehmungen gesprochen habe, möchte ich auch noch folgendes betonen: Um die Produktivitätssteigerungen so zu nützen, daß nicht Arbeitslosigkeit daraus wird, ist es wichtig, daß wir die Exportaktivitäten wesentlich intensivieren. Das muß ein gemeinsames Anliegen sein. Die Exportoffensive muß wesentlich gesteigert werden. Es ist notwendig, daß gerade Klein- und Mittelunternehmungen, die von sich aus kein internationales Marketingsystem aufziehen können, die von sich aus die entsprechende Logistik nicht aufbauen können, bei Exportmaßnahmen besonders unterstützt werden. Das ist eine der wesentlichen Maßnahmen, die wir setzen werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Selbstverständlich ist auch die erfolgreiche Industrieansiedlungspolitik fortzusetzen. Ich möchte hier die internationalen Konzerne nicht nennen – sie sind Ihnen allen bekannt –, die in den letzten Jahren in Österreich neue Betriebe eröffnet haben, weil sie den Wirtschaftsstandort schätzen. Das ist vor allem auch deshalb hervorzuheben, weil viele dieser Unternehmungen nach Österreich gekommen sind, obwohl es sehr gute Konkurrenzangebote im Ausland gegeben hat. Bundeskanzler Vranitzky hat immer wieder das Seine dazu beigetragen und war praktisch als Werber um diese Industrieansiedlungen besonders aktiv. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Anliegen der Wirtschaft – wenn ich "Wirtschaft" sage, dann meine ich nicht nur die Unternehmer, sondern alle, die an der Erwerbstätigkeit in Österreich beteiligt sind –, dem von der Regierung entsprochen werden wird, ist der Abbau unnötiger bürokratischer Hemmnisse.

In meinem Ressort laufen derzeit auch die Verhandlungen mit den Sozialpartnern über flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitszeit. Es ist vorgesehen, daß wir im Arbeitszeitgesetz eine Änderung dahin gehend durchführen, daß es den Kollektivvertragspartnern beziehungsweise den Betrieben ermöglicht wird, in den Kollektivverträgen beziehungsweise in anderen Verträgen neue, flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitszeit vorzusehen. Branchengerecht sollen diese Abkommen sein. Sie sollen auch dazu führen, daß strukturelle Überstunden, Überstunden, die dauernd gemacht werden, möglichst zugunsten von zusätzlichen Arbeitsplätzen abgebaut werden.

Ich möchte noch einmal daran erinnern, daß bei der flexibleren Gestaltung der Arbeitszeit auch darauf Rücksicht zu nehmen ist – im Interesse der Wirtschaft! –, daß mehr Zeit, Zeit, die durch Produktivitätssteigerung gewonnen wird, für die Weiterbildung zur Verfügung gestellt wird.

Ein Thema, das mehrfach diskutiert wird, ist die Frage der Lohn- und Gehaltsentwicklung. Es wäre sicher nicht richtig, zu glauben, daß wir mit Lohn- und Sozialdumping die Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Staaten verbessern. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin der Meinung, daß eine generelle Senkung der Reallöhne, wie sie manchmal diskutiert wird, nur dazu führen würde, daß die Kaufkraft – und das wäre völlig kontraproduktiv – sinkt. Es gilt daher auch in Zukunft die gute österreichische Lösung, daß die Sozialpartner – nicht durch Einfluß der Regierung! – mit Augenmaß vernünftige Gehalts- und Lohnabschlüsse aushandeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Lohnnebenkosten: Natürlich wäre es im Interesse der Beschäftigungspolitik wünschenswert, die Lohnkosten nur so gering wie möglich mit zusätzlichen Abgaben zu belasten. Das darf jedoch nicht zu Verschlechterungen im Sozialsystem führen. Um die Lohnnebenkosten senken zu können, müßten allenfalls alternative, nicht lohnabhängige Ersatzregelungen gefunden werden.

Zur Sicherung der legalen Beschäftigung gehört aber auch, daß die illegale Beschäftigung – in welcher Form immer – wesentlich effizienter bekämpft wird. (Beifall bei der SPÖ.) Dazu hat ja dieses Haus im Vorjahr mit dem Antimißbrauchsgesetz neue Möglichkeiten gegeben.


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Konkrete Maßnahmen im Bereich des Arbeitsmarktservice werden personenbezogen noch das Ihre dazu tun, um die schwierige Situation – ich sage noch einmal: Uns ist der Ernst der Situation durchaus bewußt! – zu meistern; besondere Maßnahmen beispielsweise für Frauen, Jugendliche, ältere Menschen und Behinderte. Dafür werden uns im kommenden Jahr auch zusätzliche Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds zur Verfügung stehen.

Denn es darf gerade in dieser Situation eines nicht passieren: daß man die Mittel für die aktive Arbeitsmarktförderung kürzt. Im Gegenteil: Die Mittel, die Österreich für die aktive Arbeitsmarktförderung zur Verfügung gestellt hat, sollen aufrecht bleiben, und es sollen zusätzlich die Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds, die in den nächsten Jahren im Durchschnitt 1,5 Milliarden betragen werden, für aktive Arbeitsmarktförderung genützt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Förderung für Frauen: Es ist ein besonderes Anliegen, daß zur Förderung der berufstätigen Frauen, aber selbstverständlich auch ihrer Ehemänner, die Kinderbetreuungseinrichtungen verstärkt ausgebaut werden. Durch verstärkte Maßnahmen im Bereich der Kinderbetreuung, aber auch der Pflege- und Sozialdienste werden sich zusätzliche Arbeitsplätze ergeben.

Gleichzeitig haben wir jetzt mit dem AMS eine Aktion gestartet: Zur Erhöhung des Lehrstellenangebotes für Mädchen außerhalb traditioneller Frauenberufe – nur sehr wenige sind traditionelle Frauenberufe – bekommen die Lehrherren, die Lehrstellengebenden dieser Mädchen eine zusätzliche Förderung. Diese zusätzliche Förderung wird ab dem heurigen Jahr wesentlich erhöht werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Außerdem wurde mit dem Arbeitsmarktservice vereinbart – mit den Sozialpartnern, die ja im Arbeitsmarktservice vertreten sind –, daß es besondere Maßnahmen für Langzeitarbeitslose geben wird, sodaß Langzeitarbeitslose wieder den Weg zurück in die Beschäftigung finden – das ist enorm wichtig. Für diese Langzeitarbeitslosen wurde ein besonderes Programm erstellt: Betriebe, die ab 1. März des heurigen Jahres – probeweise bis 31. August dieses Jahres – eine Arbeitskraft einstellen, die bereits länger als ein Jahr arbeitslos ist, bekommen die Arbeitgeberbeiträge zur Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung rückerstattet für die Dauer der Beschäftigung beziehungsweise ein Jahr lang. Ich glaube, das ist eine wichtige Maßnahme, die auch dazu beitragen wird, daß wir gerade jenen Menschen helfen, die sehr oft als "Sozialschmarotzer" bezeichnet werden, obwohl sie wirklich keine Arbeit finden. (Beifall bei der SPÖ und Beifall des Abg. Dr. Feurstein. )

Eine weitere Zielgruppe, die besonders betreut werden soll, stellen die älteren Arbeitnehmer, die oft vorzeitig aus dem Berufsleben hinausgedrängt werden, dar. In diesem Bereich sind zeitgerecht Weiterqualifizierungsmaßnahmen zu setzen und nicht erst dann, wenn diese Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bereits verloren haben. Es ist ein Bonus-Malus-System, das bereits im vorigen Jahr erarbeitet wurde, derzeit in Begutachtung ist und demnächst diesem Haus vorgelegt werden soll, zu beschließen, ein Bonus-Malus-System, das einen Anreiz dafür gibt, daß Unternehmer ältere Menschen einstellen, und einen Malus dafür vorsieht, wenn Unternehmer ältere Menschen vorzeitig aus dem Berufsleben drängen. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Frage hängt auch mit dem Problem der Anhebung des tatsächlichen Pensionsalters zusammen – ich betone: des tatsächlichen Pensionsalters –, weil eben viele Menschen vorzeitig aus dem Berufsleben gedrängt werden.

Es handelt sich also um eine Reihe von Maßnahmen – ich könnte noch eine lange Liste bringen –, die dazu beitragen sollen, daß wir die Beschäftigung wie bisher mit Vorrang behandeln. Es ist aber auch notwendig, daß wir das Instrumentarium für die Beschäftigungssicherung weiter verbessern. Das Arbeitsmarktservice wurde neu gestaltet. Sozialpartner, Arbeitgeber, Arbeitnehmer wirken viel direkter mit. Die ersten Erfolge haben sich eingestellt. Das Arbeitsmarktservice arbeitet heute bereits wesentlich weniger bürokratisch, als es früher arbeiten mußte, weil es bestimmte Vorgaben hatte. Die Vorgaben haben sich verändert. Es arbeitet als Servicestelle.

Die Zukunft soll einen weiteren Schritt bringen: Das Arbeitsmarktservice soll immer mehr und sehr rasch in ein Arbeitsplatz-Management-Service umgebaut werden. Das heißt, es soll nicht nur eine Stelle sein, die vermittelt und Schulungen anbietet, sondern auch eine Stelle, die in den


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Regionen vertreten ist, in der die Sozialpartner, Arbeitgeber und Arbeitnehmer mitarbeiten. Dieses Arbeitsmarkt-Management soll verstärkt nicht nur vermitteln, sondern auch zeitgerecht erkennen, wo man neue Arbeitsplätze schaffen kann, mit welchen Maßnahmen man Arbeitsplätze zeitgerecht absichern kann. Und von dort aus soll gemeinsam mit den Ländern, den Gemeinden, dem Bund und den Sozialpartnern auch der Impuls kommen, wie wir ständig neu und maßgeschneidert die Arbeitsplatzsicherung als Hauptziel erreichen.

Wir haben dafür im September des vorigen Jahres auf Ebene der Bundesregierung eine interministerielle Projektorganisation unter dem Titel "Sichere Arbeitsplätze – länger aktiv sein" errichtet. In dieser Projektorganisation werden sich die Ministerien, die dafür zuständig sind – Wirtschaftsministerium, Finanzministerium, Sozialministerium, Verkehrsministerium, aber auch Gesundheitsministerium und Frauenministerium –, mit den Sozialpartnern, mit den Stellen des Arbeitsmarktservice verstärkt bemühen, unbürokratisch und rasch Maßnahmen zu setzen, die auch in Zukunft die hohe Beschäftigung in Österreich absichern.

Wir erkennen, daß wir uns derzeit europaweit in einer kritischen Situation befinden. In der Europäischen Union gibt es fast 20 Millionen Arbeitslose. Wir dürfen jedoch die Tatsache, daß wir in Österreich – international gesehen – relativ günstig liegen, nicht zum Anlaß nehmen, zu glauben, wir müßten nicht alles unternehmen, um diesen Vorsprung zu halten. Wir müssen aber auch innerhalb der Europäischen Union darauf drängen, daß der Grundsatz, der dort neu beschlossen wurde und bei uns immer gegolten hat, nämlich daß Beschäftigungspolitik Vorrang hat, vermehrt durchgesetzt wird, auch bei uns in Österreich – im Interesse des Staates, im Interesse aller Österreicherinnen und Österreicher. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.38

Präsident Dr. Heinz Fischer : Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Ausführungen.

Zum Wort gelangt der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten. – Bitte.

16.38

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bin sehr froh darüber, daß wir heute in dieser Sondersitzung über die aktuelle wirtschaftspolitische und beschäftigungspolitische Lage sprechen können, weil ich wirklich glaube, daß sich Österreich derzeit in einer kritischen Phase befindet und es dringend notwendig ist, auf kommende Herausforderungen richtig, rasch und konsequent zu reagieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir stehen am Beginn einer neuen Legislaturperiode mit – aus meiner Sicht – drei zentralen Herausforderungen:

Erstens: Es geht darum, die internationale Wirtschaftsposition Österreichs zu sichern und weiter auszubauen.

Zweitens: Wir müssen Sorge tragen dafür, daß das rasche Anwachsen der Staatsschulden reduziert, eingebremst und die Stabilität gesichert wird.

Drittens: Wir müssen alles daransetzen, die prognostizierten Zuwächse der Arbeitslosenrate zu verhindern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies erfordert neue Wege in der österreichischen Budget- und Beschäftigungspolitik! (Beifall bei der ÖVP und Beifall der Abg. Hostasch. )

Was wir brauchen, ist ein Paradigmenwechsel in der österreichischen Budget- und Beschäftigungspolitik, wobei man erkennen muß, daß die Dinge eng miteinander verknüpft sind. Wenn es uns gelingt, die Exporte anzukurbeln, dann haben wir auch eine höhere Beschäftigung, und wenn wir eine höhere Beschäftigung haben, dann haben wir ohne Belastungen mehr Einnahmen und damit einen besseren Budgetkonsolidierungserfolg. (Beifall bei der ÖVP.)

Mir ist es wesentlich, darauf hinzuweisen, daß sich das wirtschaftliche Umfeld geändert hat und daß sich daher auch die Maßnahmen zur Arbeitsplatzsicherung ändern müssen. Keynesiani


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sche Rezepte, einfach mehr Geld ausgeben und damit Arbeitsplätze sichern, greifen heute nicht mehr, sie würden zu noch höheren Staatsschulden, zu höheren Zinsen und damit zu weniger Beschäftigung führen. (Beifall bei der ÖVP.)

Was wir brauchen, sind durchdachte beschäftigungspolitische Maßnahmen, die in ein auf Marktwirtschaft und Internationalität ausgerichtetes Wirtschaftskonzept integriert werden, wobei auf die limitierenden Faktoren Budgetdefizit und negative Leistungsbilanz Rücksicht genommen wird.

Ich möchte aber auch – genauso wie Kollege Hums – darauf hinweisen, daß es Österreich zwischen 1987 und 1995 gelungen ist, 280 000 Arbeitsplätze zu schaffen. (Abg. Haigermoser zeigt auf Bundesminister Hums.) Er hat 1985 gesagt, Kollege Haigermoser. Ich spreche von 1987. – Das zeigt sehr genau die Leistungskraft, die Stärke der österreichischen Wirtschaft, und es ist wirklich etwas, auf das wir stolz sein können, daß es uns gelungen ist, durch diese Beschäftigungsoffensive vor allem der Klein- und Mittelbetriebe den Anstieg der Arbeitslosigkeit in Österreich in einer Zeit zu verhindern, in der international die Arbeitslosenraten nach oben geklettert sind.

Gerade weil das so war, gilt es jetzt, alles daranzusetzen, diesen Vorsprung zu halten und in den kommenden Jahren nicht zu verspielen.

Gerade in diesem Zusammenhang – ich sage das ganz offen – erfüllt mich als Wirtschaftsminister die jüngste Prognose des Instituts für Höhere Studien zur mittelfristigen Entwicklung des Arbeitsmarktes mit großer Sorge. Laut IHS könnte die Arbeitslosenrate bis 1998 um 53 600 Personen steigen. Die Zahl der selbständig Erwerbstätigen würde nach dieser Prognose bis zum Jahr 2000 um über 40 000 abnehmen. Das ist oder wäre eine alarmierende Entwicklung, weil natürlich jedes Unternehmen und jeder Arbeitgeber ein potentieller Arbeitsplatzschaffer ist. Daher ist es wichtig, diese Entwicklung zu verhindern. Und auch die Zahl der unselbständig Beschäftigten sollte nach dieser Prognose um 16 000 Personen sinken.

Ich glaube, es muß und wird das zentrale Anliegen der kommenden Bundesregierung sein, genau diese Entwicklung zu verhindern, genau diese Entwicklung in Österreich nicht eintreten zu lassen.

Und ich glaube, die Fakten zeigen auch schon deutlich, wo und wie der Hobel (Heiterkeit) , der Hebel hier angesetzt werden muß. Die Fakten zeigen, daß es einer Kombination aus erfolgreicher Budgetsanierung, aktiver Arbeitsmarktpolitik und aktiver Standortpolitik für Österreich bedarf.

Da die Regierungsverhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, kann man heute sicher nur Leitlinien und wichtige Elemente einer solchen Politik darstellen. Es ist mir als Wirtschaftsminister aber doch wichtig, hier einige Gedanken einzubringen, wo ich glaube, daß wir Akzente setzen müssen.

Zunächst zum wichtigsten Punkt: der österreichischen Finanzpolitik. Ich glaube, daß der öffentliche Sektor in Österreich derzeit aufgrund seiner Lage nicht der Arbeitsplatzschaffung dient, sondern eher Arbeitsplätze gefährdet, wenn wir nicht rasch und konsequent gegensteuern. Ich glaube, daß die rasch wachsenden Staatsschulden ein Problem für die Arbeitsplatzsicherung darstellen, weil mit dem Zinsanstieg, weil mit allfälligen Steuererhöhungen, weil mit Inflationserhöhungen auch Arbeitsplätze verlorengehen würden und Österreich für künftige Herausforderungen nicht gerüstet wäre.

Daher ist für mich konsequente Budgetsanierung, daher ist für mich der Abbau der Nettodefizite auf die angestrebten 2,7 Prozent integraler Bestandteil einer Wirtschafts- und Beschäftigungsoffensive. Und jeder, der da meint, diese Entwicklung unter dem Titel "kaputtsparen" verhindern zu müssen, führt dieses Land in Wahrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur in die wirtschaftspolitische, sondern auch in die beschäftigungspolitische Sackgasse. (Beifall bei der ÖVP.)


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Andererseits erleichtert eine erfolgreiche Arbeitsmarktentwicklung zweifelsohne die Budgetsanierung. Wenn es uns gelingt, die prognostizierten 8 Prozent Arbeitslosenrate zu verhindern, dann haben wir einen wichtigen Schritt in Richtung Budgetkonsolidierung gesetzt, und ich glaube, daß das machbar und möglich ist. Und ich glaube, das bedeutet, daß wir in erster Linie im Budget nicht nur konsolidieren, sondern auch die Strukturen verändern müssen. Es muß auf der Ausgaben- und auf der Einnahmenseite zu strukturellen Veränderungen kommen. Künftig müssen die Ansprüche, das Anspruchsdenken zurück- und das Zukunftsdenken in den Vordergrund gestellt werden.

Das bedeutet für mich, daß wir im Transferbereich, daß wir im öffentlichen Konsum leisertreten und im Investitionsbereich neue Akzente, neue Impulse setzen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das bedeutet für mich, mit neuen Finanzierungsmodellen, ohne Budgetbelastung, zusätzliche Investitionen zu finanzieren.

Im Bereich der Steuerpolitik dürfen wir angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung die internationale Konkurrenzfähigkeit Österreichs bei keiner Maßnahme aus den Augen verlieren. Ich meine, daß es notwendig ist, bei allen Maßnahmen zu überlegen, ob sie unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken oder aber gefährden.

Ich halte es für ganz wesentlich und wichtig, daß in den kommenden Jahren keine Erhöhung der Lohnnebenkosten erfolgt, weil uns eine solche Erhöhung der Lohnnebenkosten Exportchancen nimmt und damit in Österreich Arbeitsplätze kosten würde.

Eine solche Politik erfordert Mut und vor allem rasches Handeln, und sie erfordert auch Mut zu der einen oder anderen unpopulären Maßnahme.

Die österreichische Bundesregierung – ich möchte das nochmals betonen – hat eine Investitionsoffensive im Bau eingeleitet und im Rahmen eines Baugipfels beschlossen, daß zusätzlich zu den laufenden Vorhaben 25 neue Bauvorhaben in meinem Ministerium mit 1,3 Milliarden Schilling sofort in Angriff genommen werden. Im Rahmen der Bundesimmobiliengesellschaft werden weitere 21 neue Projekte in einer Größenordnung von 3,16 Milliarden Schilling gestartet, und im Straßenbau werden zusätzlich 600 Millionen Schilling als Impuls investiert.

Ich sage aber ganz ehrlich als Wirtschaftsminister: Ich glaube, daß diese Akzente allein nicht ausreichen. Ich glaube, daß es notwendig ist, zusätzliche Impulse zu setzen und vor allem der Wirtschaft die Sicherheit zu geben, daß auch mittelfristig die Auftragslage gut ist und die Auslastung stimmt. Das bedeutet für mich, daß wir neue Finanzierungsmodelle ohne Budgetbelastung entwickeln müssen, die uns helfen, das Investitionsniveau deutlich zu erhöhen.

In diesem Zusammenhang begrüße ich alle Ideen, die darauf hinauslaufen, die Bundesimmobiliengesellschaft in Richtung Verkauf stärker einzusetzen. Häuser, Wohnungen, ein Programm zum Abverkauf der BUWOG-Wohnungen, all das kann mithelfen, hier zusätzliches Geld zu lukrieren, das dann umgehend in Richtung Bauinvestitionen umzusetzen ist, das keine Budgetbelastung bedeutet, aber zusätzliche Arbeitsplätze in Österreich bringt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich vertrete weiter die Auffassung, daß trotz einiger Widerstände die Vignette rasch eingeführt werden sollte, um zusätzliches Geld für die Autobahnfinanzierung zu gewinnen, und ich werde mich darum bemühen, sehr rasch ein Road-pricing-System auch gesetzlich zu fixieren, denn wenn das geschehen ist, dann wissen wir sehr genau, wann es eingeführt werden kann, in welcher Größenordnung es eingeführt werden kann, und dann können wir auf diese potentiellen Einnahmen zählen und damit jetzt schon Investitionen vorfinanzieren, ohne künftige Budgets zu belasten. Auch das ist für mich Ausdruck einer kreativen Finanzpolitik, der sich die Österreichische Volkspartei verschrieben hat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Keine Erhöhung der Lohnnebenkosten bedeutet im Endeffekt und im Klartext: keine Beitragserhöhungen. Das wird uns und auch dieses Haus aber zwingen, auf der Ausgabenseite, im Familienbereich, im Gesundheitsbereich, im Arbeitsmarktbereich jene Reformen zu machen, die dringend erforderlich und notwendig sind.


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Und ich sage auch ganz ehrlich: Wir brauchen in der Steuerpolitik, was die Investitionen betrifft, eher mehr Impulse und nicht weniger. Daher kann ich mir nicht vorstellen, daß der Investitionsfreibetrag, wie schon vorübergehend gemunkelt wurde, abgeschafft wird. Ich glaube, wir müssen zusätzliche Impulse setzen und steuerlich fördern. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Mitglied der Europäischen Union ist es mir ein Anliegen, im Rahmen der schon angesprochenen Exportoffensive vor allem die kleineren Betriebe in den Binnenmarkt zu bringen und damit zusätzliche Exporte zu sichern und damit zusätzliche Arbeitsplätze in Österreich zu schaffen.

Und aufgrund der Zahlen der Wirtschaftsforscher ganz entscheidend ist meiner Meinung nach eine neue Kultur der Selbständigkeit in Österreich. Was wir brauchen, ist eine neue Gründerwelle. Was wir dringend brauchen, ist nicht die Abnahme um 40 000 Selbständige, sondern die Zunahme um 50 000 Selbständige. (Beifall bei ÖVP und SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Wenn wir das schaffen, dann bin ich überzeugt, Frau Schmidt, daß in Österreich die Arbeitslosenrate nicht steigen, sondern sinken wird. Und genau das ist unser Ziel!

Wir werden das schaffen, indem wir das Gründen eines Unternehmens einfacher machen, indem wir den Zugang zur Selbständigkeit wesentlich vereinfachen, indem wir das Gründungssparen einführen und indem wir auch für Kleinbetriebe attraktive steuerliche Regelungen vorsehen. Ich glaube, es ist wichtig, auch in Österreich zu erkennen, daß die Bürokratie der größte Feind der wirtschaftlichen Entwicklung bei Klein- und Mittelbetrieben ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und wenn wir die von mir propagierten Pauschalierungen attraktiv gestalten, dann, so bin ich überzeugt, werden viele oder manche selbständige Tätigkeiten, die heute im Untergrund und auf dem grauen Sektor stattfinden, künftig – und das ist ein vernünftiges Ziel – in der offiziellen Wirtschaft stattfinden. Und in der Richtung wollen und werden wir deregulieren.

Mit einer Förderungskonzentration, die in Aussicht genommen wird, sollte es möglich sein, Akzente zu setzen und trotzdem insgesamt Finanzierungsmittel einzusparen. Und es sollte uns möglich sein, gerade die EU-Finanzierungsmittel noch besser als bisher in Anspruch zu nehmen.

Die Konzentration der Forschungsförderung, eine effiziente Technologieberatung für Klein- und Mittelbetriebe sind weitere Maßnahmen in Richtung neue Selbständigkeit, in Richtung mehr Klein- und Mittelbetriebe.

Den Wirtschaftsstandort attraktiv machen bedeutet aber auch, insgesamt Regulierungen in Österreich abzubauen. Genauso wie es einen Wettbewerb im Steuerrecht gibt, was den Wirtschaftsstandort betrifft, gibt es auch einen Wettbewerb hinsichtlich der Regulierungsvorschriften. Nur wer garantieren kann, wann und wie rasch Investitionen durchgeführt werden können, hält und hat die Chance, langfristig Investitionen ins Land zu bringen.

Und hier ist es notwendig, Schwachstellen in Österreich abzubauen. Bei allem Verständnis für Föderalismus ist es notwendig, Verfahren zu konzentrieren, Verfahren zu limitieren und dem Investor klar zu sagen, unter welchen Bedingungen, in welchem Zeitrahmen er sein Unternehmen in Österreich aufbauen kann. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Bleibt als letzter wesentlicher Punkt der Abbau der Arbeitslosigkeit generell und der Langzeitarbeitslosigkeit im besonderen durch eine aktive Arbeitsmarktförderung, die meiner Meinung nach mit EU-Maßnahmen effizient verzahnt und auch wesentlich besser und effizienter als bisher gestaltet werden muß. Was wir brauchen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist eine neue Solidarität. Was wir brauchen, ist in diesem Zusammenhang mehr Bürgernähe.

Und ich sage ganz ehrlich: Meiner Meinung nach ist das Arbeitsmarktservice auf dem richtigen Weg, aber sicher noch lange nicht am Ziel. Hier ist es meiner Ansicht nach notwendig, die Gemeinden, die Unternehmen vor Ort wesentlich besser einzuschalten, mit dem Ziel, Mißbrauch zu beseitigen, Finanzierungsmittel freizubekommen, aber dort, wo echte Betroffenheit vorhanden


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ist, wirksamer und besser als bisher zu helfen. Hier geht es um eine Systemreform, die dringend notwendig ist, und die Österreichische Volkspartei wird in den jetzt laufenden Verhandlungen alles daransetzen, diese Systemreform auch umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden aber auch alles daransetzen, die Sozialpartner zu ermutigen, in der Frage der Arbeitszeitflexibilität nicht nur Lösungen zu diskutieren, sondern diese endlich rasch zu vereinbaren, weil ich glaube, daß wir dadurch Kosten senken können, Arbeitsplätze sichern können, und weil sich automatisch die Arbeitslosenrate im Bau verringern wird.

Sicher, meine sehr geehrten Damen und Herren – und damit zum Schluß kommend –: Ich kann heute kein fertiges Konzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorlegen. Ich glaube aber, daß die hier vorgezeichneten Linien, die hier angesprochenen Maßnahmen uns helfen werden, nicht nur gegen die Arbeitslosigkeit zu kämpfen, sondern diesen Kampf auch wirklich zu gewinnen. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Ausführungen.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Die Gesamtredezeiten wurden schon bekanntgegeben: SP 90, VP 84, F 78, LiF und Grüne je 54 Minuten.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte.

16.58

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Freiheitlichen haben diese Sondersitzung beantragt, und allein die Ausführungen der beiden Minister, die vorhergegangen sind, beweisen, daß es richtig und gut war, diese Bundesregierung zum Handeln aufzufordern im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, denn plötzlich sprudeln die Ideen nur so heraus, was alles gemacht werden würde und gemacht werden sollte. Und wir wollen sie eigentlich ermuntern, nicht nur hier Ideen zu produzieren, sondern zu konkreten Maßnahmen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zu kommen, weil das keinen Aufschub duldet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist das Entscheidende in dieser Sitzung. Denn es ist auch klargeworden, daß offenbar kein einhelliges Konzept in dieser Regierung existiert. Der Herr Sozialminister vertritt mehr die Idee der Verwaltung von Arbeitslosen und möchte die bestehenden Wege fortsetzen. (Abg. Dr. Nowotny: Nicht verstanden!) Der Herr Wirtschaftsminister hat zugegebenermaßen die Zeichen der Zeit erkannt und gemeint, es sei notwendig, neue Weichenstellungen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit vorzunehmen. Dazu ist ihm zu gratulieren, wenngleich hinzuzufügen ist: Er ist ja schon seit geraumer Zeit Mitglied dieser Bundesregierung. Wer hat Sie denn daran gehindert, all das, was Sie jetzt erkannt haben, schon früher umzusetzen und damit diese Arbeitslosigkeit zu vermeiden? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nicht wir dramatisieren! Sehen Sie sich doch eine Aussendung der APA an. Da heißt es: "Arbeitslosenrate klettert auf 9 Prozent in Österreich. Arbeitslosigkeit spitzt sich dramatisch zu." Oder die "Presse" schreibt: "300 000 Arbeitslose bald Normalzustand." Darauf macht der Generalsekretär der Bundeswirtschaftskammer Stummvoll aufmerksam. "Im Jänner schon fast 300 000 Arbeitslose." Der "Standard" titelt: "Die Beschäftigung bricht 1996 weiter ein. 14 000 Erwerbstätige werden es im nächsten Jahr weniger im Bankenbereich sein. "Arbeitsmarkt bricht ein." So titelt das "WirtschaftsBlatt". "Wirtschaftsaussichten schlecht. Pleitewelle rollt 1996 weiter." So titelt die "Kronen-Zeitung".

Meine Damen und Herren! Nach jüngsten Umfragen hat jeder fünfte Österreicher Angst vor der Arbeitslosigkeit und Angst davor, selbst Opfer der Arbeitslosigkeit zu werden und seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Das Wirtschaftsforschungsinstitut, das die Regierung beraten soll, sagt, daß die Lage auf dem Arbeitsmarkt katastrophal ist.


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Daher glaube ich, daß es zuwenig ist, wenn Sie, Herr Sozialminister, uns hier mit Statistiken beweisen wollen, daß es 1985 einmal ganz gut ausgesehen hat und daß man in den achtziger Jahren eine Menge Arbeitsplatzerfolge gefeiert hat. – Diese Statistiken, die Sie hier zitieren, die schaffen keine Arbeitsplätze!

Fragen Sie einmal die Arbeitslosen, die Ihnen zugehört haben, ob es für sie ermunternd ist, wenn sie hören, daß es 1985 eh nicht so schlecht war, daß Ihnen für 1995 aber noch nichts eingefallen ist. Außerdem soll man nur jener Statistik glauben, die man selbst gefälscht hat und daher: Es ist manches nicht in Ordnung, was Sie hier produziert haben! Es schaut viel schlechter aus auf dem Arbeitsmarkt, als Sie hier zugegeben haben.

Deshalb ist es notwendig, daß sich das österreichische Parlament, und zwar über die Fraktionen hinweg, bemüht, gemeinsame Maßnahmen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit als Auftrag an die Regierung zu richten. – Wir Freiheitlichen werden heute unsererseits ein Paket von rund 30 Anträgen und Initiativen vorlegen, und Sie haben dann die Möglichkeit, Ihre Ideen dazu einzubringen und dafür oder dagegen zu stimmen, damit auch die Öffentlichkeit weiß, wer es ernst nimmt im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Der Wirtschaftsforscher Dr. Geldner hat gemeint, daß wir im Jahre 1996 ein Niveau an Arbeitslosigkeit haben werden, das jenem des Jahres 1953 entspricht. Das ist in Wirklichkeit ein gewaltiger Rückschritt in der Entwicklung! Es wird im kommenden Sommer eine doppelt so hohe Sockelarbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft geben, und ich hätte ganz gerne gehört, Herr Bundesminister, wie Sie auf diese Dinge reagieren werden.

Wir werden, sagen die Wirtschaftsforscher, nachdem wir 1995 2 500 Arbeitsplätze in der Lebensmittelindustrie verloren haben, 1996 dort noch einmal 3 000 Arbeitsplätze verlieren. Wir werden in der Textilindustrie noch einmal 3 000 Arbeitsplätze verlieren, obwohl es doch vor dem EU-Beitritt geheißen hat, daß all diese Arbeitsplätze gesichert werden können werden, weil gerade die Mitgliedschaft bei der EU die Voraussetzungen dafür schafft, daß man diese sichert.

Die Firma Steffner ist nach Slowenien gegangen. Die Firma Seidensticker produziert heute in Ungarn. Die Firma Mäser ist abgespeckt und produziert nur mehr auf kleiner Flamme. Die Firma Huber produziert in Ungarn. Die Firma Schneider, die dem Industriepräsidenten von Salzburg gehört, hat gleich nach dem EU-Beitritt bei uns zugesperrt und produziert heute in Ungarn. – Das ist nicht jene Politik, die Sie den Menschen versprochen haben!

Wenn man dann liest, daß sich bei den Industriebeschäftigten laut Prognosen des Wirtschaftsforschungsinstitutes in den nächsten Jahren noch einmal eine Reduzierung um 100 000 bis 125 000 Arbeitsplätze ergeben könnte, dann bedeutet das ja wirklich Feuer auf dem Dach! Dann kann man nicht so tun, als könnte man auf den bestehenden Wegen weitergehen, die man bisher eingeschlagen hat.

Man müßte eine Antwort finden, Herr Bundesminister! Wie regieren Sie darauf, daß im Zuge der durch den Beitritt zur EU verursachten Wettbewerbsveränderung im Banken- und Versicherungsbereich zwischen 10 000 und 14 000 Arbeitsplätze wegrationalisiert werden? Wie werden Sie das Problem bewältigen, daß im Bereich der Reform der Post in den nächsten drei Jahren 7 000 Arbeitsplätze beseitigt werden sollen? Wie werden Sie das Problem bewältigen, daß heuer – laut Vorhersagen der Wirtschaftsforscher – weitere 7 000 Menschen aus dem Vollerwerbsbereich in der Landwirtschaft abwandern und auch als Nachfrager auf dem Arbeitsmarkt auftreten werden?

Strukturprobleme über Strukturprobleme, und diese sind nicht erst gestern entstanden! In Wirklichkeit handelt es sich hiebei um ein Versäumnis dieser Regierung, denn man weiß seit Jahren, daß diese Dinge auf uns zukommen werden, hat aber wie Hans-guck-in-die-Luft in den Tag hinein gelebt. Aber jetzt, da die Kassen leer sind, da man kein Staatsgeld mehr einsetzen kann, da sich die wirtschaftlichen Wettbewerbsbedingungen dramatisch verschärft haben, versucht man, mit alten Rezepten neue Probleme zu bewältigen. Das wird nicht funktionieren! Da stimme ich Ditz zu: Wir werden die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens verbessern müssen.


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Meine Damen und Herren! Folgende Tatsache kennen die Sozialdemokraten genauso wie die Vertreter der ÖVP: Der Faktor Arbeit ist in den letzten Jahren durch die Steuer- und Abgabenpolitik dieser Regierung viel zu teuer gemacht worden. Der Faktor Arbeit ist in unserem Land, das im wesentlichen eine klein- und mittelständisch strukturierte Wirtschaft, das einen breiten Dienstleistungssektor hat, in dem Menschen eingesetzt sind, um Dienste zu erbringen, obwohl diese Wirtschaftsstruktur bekannt ist, viel zu teuer gemacht worden. Es wurde eine Steuer und Abgabe nach der anderen auf den Arbeitsplatz gelegt.

Deshalb sagen wir Freiheitlichen, daß diese Dinge zu korrigieren sind! Denn wenn es stimmt, was das WIFO in einer jüngsten Studie sagt, dann bedeutet das, daß alleine die Arbeitsplatzsteuern, die diese Regierung eingeführt hat, 2 Prozent der Arbeitslosigkeit verursacht haben. Das ist der Grund dafür, daß es Tausende zusätzliche Arbeitslose gibt!

Daher ist es notwendig, darüber nachzudenken, warum wir in einem Land leben, in dem die Arbeit ständig zum Gegenstand von Besteuerung und Belastung gemacht wird, obwohl wir wissen, daß der internationale Trend ganz anders ist. Lesen Sie doch bitte die Statistik der Lohnsteuereinnahmen! Es sind die Arbeitnehmer, die im letzten Jahr die Zeche für Ihre Steuerpolitik bezahlt haben. Keine andere Berufsgruppe ist so stark zur Kasse gebeten worden – etwa durch die kalte Progression – wie der Arbeitnehmer, der über 10 Milliarden Schilling mehr Lohnsteuer bezahlen mußte.

Der Faktor Arbeit ist im steuerlichen Griff nun einmal ganz dramatisch erfaßt. Das bedeutet, eine 15prozentige Steigerung! Dazu kommt eine Kommunalabgabe, dazu kommen Sozialversicherungsbeiträge – und dazu kommen Überstundenbesteuerungen. Die Belastungen, Herr Bundesminister, sind immer stärker geworden, sie sind nicht gelockert worden.

Deshalb sagen wir Freiheitlichen: Ein entscheidender Weg zur Verbesserung der Rahmenbedingungen im Sinne dessen, was auch der Wirtschaftsminister gesagt hat, ist nun einmal, daß man von den hohen Arbeitskosten wegkommt. Daher kann man sich nicht zufriedengeben, Herr Wirtschaftsminister Ditz, wenn nur gesagt wird: Die Lohnnebenkosten müssen auf dem gleichen Niveau bleiben. Nein, die Lohnnebenkosten müssen gesenkt werden, Herr Wirtschaftsminister, damit die Wettbewerbsfähigkeit und die Arbeitslätze gesichert werden können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das sagt Ihnen sogar Ihr früherer Chef, Herr Maderthaner von der Bundeswirtschaftskammer: Man kann nicht im internationalen Wettbewerb stehen, über 100 Prozent Lohnnebenkosten haben, wenn die Mitbewerber in Europa unter 100 Prozent gehen! Wie wollen Sie denn da konkurrenzfähig sein? Dabei geht es nicht darum, jetzt auf dem Lohnnebenkostensektor dem Arbeitnehmer in die Tasche zu greifen.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen haben mit unserem Modell einer ökologischen Steuerreform ... (Abg. Wabl: Bravo! – Zwischenruf der Abg. Ing. Langthaler. )

Frau Kollegin! Ich habe ja direkt darauf gewartet, daß Sie sich jetzt melden! Denn im Grunde genommen reagieren Sie nur mehr auf Wortreflexe, anstatt daß Sie darüber nachdenken, worum es geht, Frau Kollegin Langthaler! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es geht darum, daß wir in Österreich uns entscheiden sollten, in einem ersten Schritt eine Ökosteuer-Reform in Angriff zu nehmen, mit der nach unseren Vorschlägen etwa 42 Milliarden Schilling umverteilt werden. Daß heißt: Wenn wir diese Energie- und Ökoabgabe einführen, dann bedeutet das, daß wir auf der anderen Seite die Kommunalabgabe mit 3 Prozent der Bruttolohnsumme und die Lehrlingssteuer beseitigen, die Mehrwertsteuer um 2 Prozent senken können und damit die Rahmenbedingungen für das internationale Wirtschaften zugunsten der heimischen Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmungen verbessern können. (Abg. Wabl: Was wird jetzt teurer?)

Meine Damen und Herren! Dann muß man darüber nachdenken, warum wir denn heute die Situation haben, daß bei den Kammerumlagen nichts korrigiert wird. (Abg. Wabl: Was wird jetzt teurer?)


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Ich beantworte jetzt nicht Fragen im Verhör, sondern ich teile Ihnen jetzt unsere Vorstellungen mit!

Meine Damen und Herren! Man muß darüber nachdenken, warum wir die Lohnnebenkosten nicht durch eine Reduzierung der Pflichtbeiträge an die Kammern senken können. Herr Präsident Maderthaner! Sie werden nach mir das Wort ergreifen. Ich frage Sie: Was hindert die Bundeswirtschaftskammer daran, zu sagen: Wir verzichten in den nächsten Jahren auf ein paar Milliarden Schilling an Kammerumlagen, stellen sie der heimischen Wirtschaft zu Verfügung und senken damit die Lohnnebenkosten? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was hindert Sie daran, einmal in der Sozialversicherung Reformen Platz greifen zu lassen? Herr Kollege Maderthaner! Ich weiß nicht, ob Sie es belustigend finden, daß das Jahr zwölf Monate hat, die Sozialversicherungsbeiträge aber für einen 13. und 14. Monat gezahlt werden müssen, in denen man angeblich krank werden kann, obwohl das Jahr nur zwölf Monate hat. Darüber sollten wir einmal philosophieren. Denn das treibt in Wirklichkeit die entsprechenden Belastungen für unsere Betriebe in die Höhe! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Parnigoni .)

Ich glaube, daß diese unsere Überlegungen wesentlich realistischer sind, meine Damen und Herren (Abg. Parnigoni: Sie


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haben keine Ahnung! ), als jene Pläne, die ich in den letzten Wochen seitens der Sozialdemokraten gehört habe: Kollege Nürnberger als Gewerkschafter hat auf einmal von einem realen Lohnverzicht, der möglich sein soll, gesprochen. (Abg. Mag. Stadler: Unglaublich!) Das halte ich für falsch, meine Damen und Herren!

Kein Griff auf die Löhne! Keine Reduzierung des Realeinkommens der Masse der Einkommensverdiener! Denn dann zerstören Sie auch die Binnenkonjunktur, die noch vorhanden ist. Also: Hände weg von diesen Dingen! Häupl bis Nürnberger können ihre Ideen wieder vergessen, denn diese sind nicht nur sehr eigenartig, sondern auch der wirtschaftlichen Situation diametral entgegengesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen .)

Wir müssen die Rahmenbedingungen verbessern. Wir müssen erkennen, meine Damen und Herren, daß die internationalen Investoren wie eine Jury auch Österreich betrachten und beurteilen, ob wir die Voraussetzungen für einen attraktiven Wirtschaftsstandort erfüllen.

Frau Kollegin Hostasch, Sie nicken so beifällig, daher sage ich Ihnen: Das Ergebnis dieser Beobachtungen ist der Grund dafür, warum die Firma Siemens die Großinvestition in eine neue Fabrik nach England verlagert hat und nicht in Villach geblieben ist, wo es bereits ein Stammwerk mit einer qualifizierten Mitarbeiterschaft gibt. (Abg. Dr. Nowotny: Dort wurden Milliarden investiert! ) – Darüber muß man nachdenken!

Man sollte auch darüber nachdenken, warum im Jahre 1994 – und Sie wissen das selber sehr gut – die ausländischen Investoren in Österreich noch 11 Milliarden Schilling investiert haben, während die Investitionen im Jahre 1995 auf 4 Milliarden Schilling zusammengeschrumpft sind. Erklären Sie doch den Österreichern, warum es plötzlich zu diesem dramatischen Rückgang kam!

Es gibt in Wirklichkeit nur eine Alternative: Wir müssen die Rahmenbedingungen für das Wirtschaften verbessern und den internationalen Voraussetzungen anpassen, das heißt, wir müssen einen schlanken Staat schaffen, damit wir Spielraum für Lohn- und Einkommensteuersenkungen haben, damit wir aber auch Spielraum für Kostensenkungen im Bereich der Lohnnebenkosten haben. Dann kann Investieren in Österreich mit Ertragschancen verbunden sein, und das bedeutet dann für den Mitarbeiter, daß Arbeiten und Leisten mit Verdienst verbunden sind. Um diese Zusammenhänge geht es. Die haben Sie aber schon längst aus den Augen verloren! (Beifall bei den Freiheitlichen .)

Ich habe schon lange das Gefühl, daß man auch in dieser Regierung ein bißchen nach dem Motto: Am Abend wird der Faule fleißig, handelt. Denn jetzt, nachdem wir diese Sondersitzung beantragt haben, beruft der Herr Bundeskanzler plötzlich einen Sozialpartnergipfel zur Beschäftigungs- und Arbeitslosigkeit ein. (Abg. Dr. Nowotny: Der war schon längst geplant! Sie haben keine Ahnung! ) Gestern erklärte er plötzlich gegenüber einer Zeitung: Ich habe jetzt ein neues Programm: Arbeit für alle! – Das sagt der Herr Bundeskanzler jetzt plötzlich, nur seine Koalitionskollegen wissen allerdings noch nichts davon, daß er ein neues Programm hat! Heute stellt er schon wieder ein neues Konzept für Arbeitsplätze vor, und Herr Häupl, der Bürgermeister von Wien, läßt uns am Nachmittag ausrichten: In Wien ist die Arbeitslosigkeit jetzt so fürchterlich, daher muß man rasch mehr Eisenbahnen, mehr Brücken und mehr Straßen bauen.

Meine Damen und Herren! Es ist köstlich, wie Sie sich jetzt plötzlich verhalten. Herr Minister Hums! Sie behaupten, daß Sie ein Bündnis für die Arbeit, wie wir es fordern, schon im Herbst vorbereitet haben. Bitte, heraus mit dem Bündnis! Was hindert Sie jetzt daran, konkrete Maßnahmen vorzuschlagen? – Ich habe bis jetzt noch keine gehört! (Abg. Dr. Nowotny: Das wurde schon längst vorbereitet! ) Schon längst?

Herr Kollege Nowotny, Sie sitzen wirklich im Elfenbeinturm eines Wissenschafters, der von der Realität abgeschnitten ist! (Beifall bei den Freiheitlichen .)

Herr Kollege Nowotny! Fahren Sie einmal hinaus, so zum Beispiel zu den vielen Tausenden, die mit den Österreichischen Bundesbahnen zusammenarbeiten. Bei diesen Baufirmen werden Sie hören – und ich bin überzeugt, Sie sind fähig zuzuhören –, daß im vergangenen Jahr ein Auftragsvolumen von 4 Milliarden Schilling, das an Hunderte kleine und mittlere Bauunternehmen für Instandhaltungsarbeiten für die Eisenbahn gegangen war, total weggebrochen ist. Es gab überhaupt keine Aufträge mehr. Und in Anbetracht dessen sagen Sie: Das Bündnis für die Arbeit funktioniert! – 4 Milliarden Schilling sind dem mittelständischen Bereich der Bauwirtschaft verlorengegangen! (Zwischenrufe der Abg. Parnigoni und Dr. Nowotny . )

Beantworten Sie doch die Frage, warum Sie sich vor der Nationalratswahl darüber mokiert haben, daß plötzlich im Wirtschaftsressort keine öffentlichen Aufträge mehr gegeben werden, warum Sie aber jetzt hier sagen: Es ist ohnehin alles paletti! – Selbstverständlich ist nichts paletti, denn die Auftragsvergabe war auch im Wirtschaftsressort über Monate blockiert, über Monate!

Beantworten Sie ferner die Frage: Inwiefern funktioniert das Bündnis für die Arbeit, wenn die Auftragsvergabe bei öffentlichen Aufträgen etwa im Bereich der Verkehrstechnikindustrie überhaupt nicht funktioniert?

Herr Nürnberger muß sagen: 35 000 Arbeitsplätze hängen in der Luft – nicht ich! Ihr Kollege Nürnberger hat den Alarmruf gemacht: Es wurde nicht vorgesorgt! – So stellen wir und das "Bündnis für die Arbeit" nicht vor!

Oder: Herr Minister Ditz gibt im Herbst eine Studie über die Wirksamkeit öffentlicher Investitionen in Auftrag, als er angeblich – laut Minister Hums – schon gewußt hat, daß die Arbeitslosigkeit dramatisch zunehmen wird. Sie fangen an, Studien zu produzieren, obwohl Sie schon längst Maßnahmen hätten setzen sollen! Aber selbst diese Studie hat wahrscheinlich bis heute nicht das Licht der Welt erblickt. Aber man hat auf diese Weise wieder einmal Zeit gewonnen, um irgendwie an den Problemen vorbeireden zu können, anstatt öffentliche Aufträge zu geben!

Es ist die Frage zu stellen: Womit rechtfertigt Minister Ditz, daß Ende 1995 die an sich von der gewerblichen Wirtschaft so geschätzte BÜRGES-Aktion ausgelaufen ist. Da geht es "nur" um 90 Millionen Schilling, meine Herren von der Bundeswirtschaftskammer. Ich frage Sie: Warum gibt es da keinen Aufschrei von Ihnen? Warum verschweigen Sie sich darüber, daß ein beliebtes und gutes Instrument der Investitionsförderung sang- und klanglos unter einem Minister, denn Sie stellen, auslaufen kann? Was sagen Sie dazu, daß er in Anbetracht dessen jetzt sagt, er wisse nun, wie man die Wirtschaftspolitik neu ordnen kann. Dazu kann man nur sagen: Zwischen Realität und Ankündigung liegen Welten! – Wir Freiheitlichen hingegen sind es gewohnt, über die Realität zu reden. (Beifall bei den Freiheitlichen .)

Da wird groß von öffentlichen Aufträgen geredet, die jetzt gegeben wurden. Sie brauchen sich nur das Amtsblatt der Gemeinde Wien anzuschauen. In Wirklichkeit sind zwei Erneuerungs-


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und Sanierungsaufträge ausgeschrieben, weil kein Geld da ist. Man redet aber in der Öffentlichkeit anders, als es dann tatsächlich gemacht wird. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )

Herr Kollege Nowotny! Seien Sie froh, daß Sie einen pragmatisierten Arbeitsplatz haben, denn Sie wären der Erste, der wegrationalisiert werden würde! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé : Da hat er wirklich recht! – Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen nehmen zur Kenntnis, daß von der Regierungsbank aus versucht worden ist, alles gesundzubeten. Wir nehmen zur Kenntnis, daß es keine wie immer gearteten Veränderungsstrategien bei Ihnen, Herr Sozialminister, in bezug auf den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit gibt. Vergleichen Sie das doch einmal mit Deutschland: Da treten die Sozialpartner zusammen, da redet die Interessenvertretung der Wirtschaft (Abg.


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Dr. Nowotny: Und wie sind die Arbeitslosenraten in Deutschland? ) mit der Interessenvertretung der Gewerkschaft und da engagiert sich der Bundeskanzler höchstpersönlich und bringt ein Bündnis für die Arbeit im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zustande! – Und was passiert in Österreich? (Abg. Dr. Nowotny: Eine Frage: Wo ist die Arbeitslosigkeit größer, in Deutschland oder in Österreich?) In Österreich sitzt der rote Kanzler mit dem roten Gewerkschaftschef zusammen und ist wie gelähmt angesichts der Situation, die er eigentlich zu bewältigen hätte. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. )

Herr Kollege Nowotny! Ich weiß, Sie sind betroffen, weil es das erste Mal ist, daß man sieht, daß die Sozialdemokratie keine Rezepte im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit hat. Das ist die Realität! (Beifall bei den Freiheitlichen . – Abg. Dr. Nowotny: Bitte um mehr Logik! )

Herr Kollege Nowotny! Es ist unzulässig, wenn Sie glauben, Sie können fragen, wo die Arbeitslosigkeit höher ist. In Österreich ist sie hoch genug für zu ergreifende Maßnahmen! Das ist doch die Realität! (Beifall bei den Freiheitlichen .)

Schauen Sie sich das an: Vor der Wahl plakatiert die Sozialdemokratie den Herrn Bundeskanzler, der sagt: Jetzt rasch Arbeitsplätze schaffen! Dann vergehen ein paar Wochen, und jetzt haben wir eine Arbeitslosenrate von 9 Prozent. Und das Wirtschaftsforschungsinstitut sagt uns, daß wir eine Zunahme der Insolvenzen in diesem Jahr haben werden, daß ein neuer Rekord aufgestellt werden wird. Das ist die Wirklichkeit, Kollege Nowotny!

Herr Bundesminister Hums sagt: Wir brauchen keine Schlagzeilen, wir haben alles im Griff! – Ja warum macht denn der Bundeskanzler so viele Schlagzeilen und handelt so wenig? "Arbeit für Alle" hat er vorgestellt, aber keine Maßnahmen im Parlament! Wo sind sie bitte?

Ein "Konzept für Arbeitsplätze" hat er heute vorgestellt. – Wo sind die Maßnahmen? Frau Präsidentin Hostasch läßt uns über die "Kronen-Zeitung", und zwar im Wirtschaftsteil, ausrichten: "sieben Rezepte gegen die Arbeitslosigkeit" – um gleich anfangs zu sagen, daß es aber kein Patentrezept gibt. Sie hat aber angeblich sieben Rezepte zur Verringerung der Arbeitslosigkeit.

Es ist interessant, Frau Kollegin Hostasch – und das wird mir ja ein Gewerkschafter hoffentlich heute noch beantworten können –, wenn Sie Jahresarbeitszeitverträge, flexible Arbeitszeiten verlangen, ebenso Kampfmaßnahmen gegen das Pfuscherwesen, ohne jedoch zu sagen, wie Sie das machen wollen. Dann verlangen Sie plötzlich – entgegen Ihren Aussagen vor der Nationalratswahl – eine Anhebung des Pensionsalters! Hoch interessant! Weiters verlangen Sie plötzlich flexible Arbeitszeiten. Soll ich Ihnen vorlesen, was Sie verlangt haben? – Sie verlangen genau das, was Sie vor der Nationalratswahl in Flugblättern Ihrer Partei und Ihrer Gewerkschaftsorganisation als ein "Halali auf die Arbeitnehmer durch den schwarz-blauen Block" bezeichnet haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Schwarz-blau, heißt es in diesem Flugblatt, will den Ausverkauf der Arbeitnehmerinteressen. Das war erst der Anfang. Als nächstes hat der schwarz-blaue Bürgerblock folgendes im Visier: Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit von acht bis neun, auf 10 bis 13 Stunden. (Abg. Dr. Nowotny: Aber doch nicht wirklich!) Das bedeutet Einkommensverluste durch Wegfall der Überstundenzuschläge. Davor warnte die Sozialdemokratie.

Jetzt frage ich mich: Warum vertreten Sie jetzt nach der Wahl plötzlich eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, vor der Sie vorher gewarnt haben? Dann erklären Sie einmal, welche Sie meinen! Reden Sie aber nicht gleichzeitig von zwei Dingen, die in Wirklichkeit eine von Ihnen geforderte beziehungsweise vertretene Maßnahme nicht mehr durchführbar machen. (Abg. Mag. Stadler: Erwischt!)

Ich zitiere weiter: Die Schüssel-Partei und die Haider-Partei haben den Startschuß zur Gefährdung des sozialen Friedens in Österreich gegeben. – Jetzt, sagt Minister Hums im Wirtschaftsteil der "Kronen-Zeitung", könne er sich vorstellen, daß man die Definition der Berufsunfähigkeit verschärft, um bei den Berufsunfähigkeitspensionen etwas zu machen. Diese Definition haben Sie doch vor der Wahl in diesem Flugblatt verteidigt, wenn ich das richtig gelesen habe.

Jetzt sagen Sie auf einmal, Sie sind für eine Anhebung der Versicherungszeiten von 35 auf 37 Versicherungsjahre. (Abg. Mag. Stadler: Vom Saulus zum Paulus!) Höfliche Frage an Sie: Was hat denn den Meinungswandel der Sozialdemokratie bewirkt, da Sie ja vor der Wahl ganz anders geredet haben? Zuerst wollten Sie die Überstundenzuschläge schützen, jetzt sind Sie für flexible Arbeitszeiten und eine Ausdehnung der Tagesarbeitszeit und nehmen damit jenen Menschen etwas weg, die fleißig sind. Oder kommen Sie heraus und sagen, daß Sie eigentlich wieder etwas ganz anderes meinen. Wir wollen endlich einmal Klarheit haben, worum es Ihnen wirklich geht. Handeln ist angesagt. Handeln ist das entscheidende. Es hindert Sie niemand; die Regierung ist im Amt.

Kollege Stummvoll hat in einer Pressekonferenz zu recht gesagt: Auch diese interimistische Regierung kann handeln; es gibt keine Ausrede, daß man warten muß, bis der Koalitionspakt steht. Es hindert Sie niemand, öffentliche Investitionen endlich in Gang zu bringen, etwa im Wohnbau.

Wer hindert Sie denn, eine Regelung zu machen, damit beim geförderten Wohnbau die Wohnbaugenossenschaften veranlaßt werden mehr Eigenmittel einzusetzen, von denen Sie Milliarden an Rücklagen eingespart haben? Erst dann, wenn Sie mehr Eigenmittel einsetzen, ist die Bereitschaft da, auch Förderungen dazuzugeben. Dann sparen Sie sich Förderungsmittel und können mit den bestehenden Förderungsmittel ungleich mehr Wohnungen fördern, als das bisher der Fall war.

Wer hindert Sie, rasch eine erhöhte Rückzahlung bei den Einkommensstärkeren für aushaftende Wohnbaukredite durchzuziehen, um Mittel zu haben, um in einem wirksamen Baubereich Arbeitsplatzsicherung zu betreiben? Nicht der Straßenbau oder ein Loch im Tunnel des Semmering ist arbeitsplatzsichernd, sondern der Wohnbau. Das sind geradezu klassische Bereiche: der Hochbau etwa, wo viele Arbeitsplätze gesichert und erhalten werden könnten. Warum tun Sie das nicht? Warum kümmern Sie sich nicht um die Kofinanzierungen bei der EU? 3 Milliarden Schilling sind schon an Österreich vorbeigelaufen, ohne daß sich die Republik Österreich und die Regierung um die Kofinanzierungsprogramme zum Schutz gegen die Arbeitslosigkeit gekümmert hätte! Weil Sie eben kein Geld haben im Budget; das ist die Realität!

Es gibt diesbezüglich Programme in Brüssel, die Sie aber nicht wahrnehmen können. Wer hindert Sie, Projekte der BIG freizugeben, von denen Herr Minister Ditz jetzt wieder gesprochen hat, die eigentlich schon seit November gemacht werden hätten sollen? Und wer hindert Sie, meine Damen und Herren, Kraftwerksprojekte, die unbeeinsprucht sind, durchzuführen. Das SAFE-Projekt in Pfarrwerfen beispielsweise ist ein fertiges Projekt. Es ist unbeeinsprucht. Man könnte es in Schwung bringen. Schafft, sichert hunderte Arbeitsplätze. Wo sind Sie denn da mit Ihrem Krisenmanagement, wenn es darum geht, auch wirklich Arbeitsplätze zu garantieren und zu sichern?

Wenn ich dann lese, daß Kollege Nowotny unsere Vorschläge so tituliert, indem er sagt: Dort, wo wir von der SPÖ abgeschrieben haben, sind sie gut, aber, wo wir etwas eigenes haben, sind sie schlecht, muß ich Ihnen dazu sagen: Unterstützen Sie doch wenigstens die guten Vor


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schläge, die wir heute antragsmäßig eingebracht haben! Dann werden wir sehen, was Sie zusammenbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es unterstützen uns vielleicht auch die ÖVP-Vertreter, denn in der Frage der Gründungsoffensive herrschen zwischen uns keine Meinungsverschiedenheiten, ebenso nicht in der Frage der Notwendigkeit der Senkung der Lohnnebenkosten genausowenig wie hinsichtlich der Kürzung des Investitionsfreibetrages! (Abg. Mag. Stadler: Im "koalitionsfreien" Raum dürfen Sie ja nicht!)

Ich bin ja froh, daß Minister Ditz in dieser Frage vom Saulus zum Paulus geworden ist, denn vor dem Koalitionskrach wollte er den Investitionsfreibetrag überhaupt abschaffen. Jetzt will er ihn wieder anheben. – Gratuliere, Herr Minister, Sie haben unsere Unterstützung in dieser Richtung, wenn Sie es wirklich ernst damit meinen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wabl: Wir könnten den Benzinpreis ein wenig erhöhen, Sie Populist!)

Meine Damen und Herren! Wir sind in einer Situation, die zwar der Herr Wabl lustig findet, weil er findet ab einem gewissen Zeitpunkt alles lustig –, aber: alleine in der Baubranche sind jetzt bereits 88 000 Leute arbeitslos, rund 300 000 Menschen insgesamt sind arbeitslos. Wir müssen also zur Kenntnis nehmen, daß die Förderungspolitik, die Wirtschaftsförderung, auf die diese Regierung immer so stolz hinweist, in vielen Bereichen in die falsche Richtung läuft. Sie fördern menschenleere Fabrikshallen, aber nicht die Beschäftigung, Herr Sozialminister!

Wenn Sie General-Motors anführen und sagen, das sei eine gigantische Investition, so muß ich Ihnen dazu sagen: Kein einziger Arbeitsplatz wird dort mehr geschaffen. Oder wenn Sie sich freuen, daß die Leykam-Papierfabrik eine neue Maschine bekommt, die wir jetzt auch fördern, sage ich Ihnen: Dort wird kein Arbeitsplatz gefördert. Dort ist Leere, und zwar gähnende Leere!

Jenen jedoch, die wirklich unsere Unterstützung bräuchten, damit sie neue Impulse setzen könnten, nämlich der mittelständische Bereich, der gewerblich mittelständische Bereich, der in Wirklichkeit die Arbeitsplätze in Österreich sichert, jener Bereich, der nicht auswandert aus Österreich, sondern der weiterhin in diesem Lande produziert, Arbeitsplätze sichert und damit Einkommen für die Menschen schafft und für den wir die Rahmenbedingungen verbessern sollten, wird nicht geholfen.

Daher meine ich: Versuchen wir doch gemeinsam eine Reihe von Initiativen durchzuführen. Es nützt wenig, wenn uns Kollege Verzetnitsch über Zeitungen ausrichten läßt: Naja, die Freiheitlichen springen da doch auf einen fahrenden Zug auf, auf einen Zug, der ÖGB ja ohnedies schon lange auf die Schienen gebracht hat. – Wenn es so ist, fahren wir gerne mit mit Ihnen, wenn Sie aber nicht aufs Abstellgleis fahren, Herr Kollege Verzetnitsch! Das ist es, was wir nicht haben wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie müssen uns jetzt einmal sagen, wie Sie den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit führen wollen. Da lese ich, daß Frau Hostasch sagt: Wir müssen den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit auf der europäischen Ebene forcieren. – Dann steht in der "Kronen-Zeitung", Herr Vranitzky meint, kurzfristige Methoden, um die Arbeitsplatzsituation zu entspannen, sind nur auf der nationalen Ebene möglich. – Also bitte, was jetzt? Führen wir den Kampf auf der europäischen Ebene, oder müssen wir nationalstaatliche Maßnahmen ergreifen?

Meine Damen und Herren! Das ist so ein Ping-Pong bei Ihnen: Sind Sie in Brüssel, kündigen Sie an, daß Sie in Österreich Maßnahmen setzen werden. Sind Sie in Österreich, kündigen Sie an, daß Sie in Brüssel Maßnahmen setzen werden. Die "klassische" Verhaltensweise aller EU-Politiker, die sich im eigenen Land immer darauf ausreden, daß das leider in Brüssel nicht mehr geht und sie daher im eigenen Land nichts zusammenbringen.

Setzen Sie jetzt jene Maßnahmen, die Sie nationalstaatlich setzen können, aber führen Sie die Leute nicht hinters Licht!

Sagen Sie doch nicht, daß Sie die Arbeitslosigkeit als Kriterium für die Währungsunion sehen! Wenn Herr Minister Klima am selben Tag zurückkommt und uns über das "WirtschaftsBlatt"


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ausrichten läßt: Es bleibt alles beim Alten, die Kriterien werden nicht geändert – aber es ist das eine Kampfforderung der Gewerkschaft. Natürlich werden sie nicht geändert. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Herr Minister Klima! Wäre es nicht vernünftiger, einmal darüber nachzudenken – anstatt neue Kriterien, neue Parameter zu fordern: ein sechstes jetzt noch? –, in Brüssel in die Richtung zu verhandeln, daß die investiven Maßnahmen nicht in die Nettoverschuldung eingerechnet werden, nicht in diese 3 Prozent eingerechnet werden!

Verhandeln Sie doch darüber, denn dann leisten Sie für die Arbeitsplatzsicherung ungleich mehr, als wenn Sie den Österreichern über irgendwelche nebulosen Forderungen erzählen, die in Brüssel niemals durchsetzbar sind.

Heraus mit den investiven Forderungen aus der 3-Prozent-Quote – und Sie haben Spielraum, um auch mit öffentlichen Investitionen im Bereich der Wirtschaftspolitik stärker punkten zu können! Das ist das, was wir Ihnen sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder die Frage der Arbeitskosten: Wir haben Ihnen gesagt: Weg mit den hohen Belastungen der Arbeit in Österreich! Hier müssen neue Wege – einer davon sind Vorschläge, die wir gemacht haben, es gibt vielleicht auch andere – beschritten werden. Aber kein Reallohnschnitt! Wir wehren uns dagegen, daß man immer wieder spekuliert, auch mit Reallohnschnitten vorzugehen.

Herr Präsident Verzetnitsch wird uns ja sagen, wie ernst es bei den Verhandlungen in der Regierung ist, daß man doch noch generell einen 5prozentigen Zuschlag zur Einkommenssteuer und zur Lohnsteuer ins Auge faßt, um zu Geld zu kommen. – Ich sage Ihnen: Das ist der falsche Weg, weil Sie damit in Wirklichkeit auch die in Österreich vorhandene Kaufkraft zertrümmern. Und das hält die Wirtschaft derzeit nicht aus. Sie müssen sparen und die Strukturen dieses Sozialstaates ändern. Dann werden Sie in der Lage sein, eine gute Zukunftsentwicklung für die heimische Wirtschaft einzuleiten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie müssen eine Gründungsoffensive akzeptieren, indem man neue Arbeitsplätze durch neue Unternehmungen schafft, Risikokapital etwa in Form von Genußscheinsparen wieder zur Verfügung stellt. Die Österreicher sind ein Volk von Sparbuchbesitzern. Ja, warum soll man denn solche Beteiligungsformen nicht endlich einführen? (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Nicht so, Herr Kollege! Das ist schon seit einem halben Jahr ausgelaufen. Das wäre ja Ihre Verantwortung in der Gewerkschaft zu sagen, wir ziehen mit der BAWAG endlich einmal solche Maßnahmen durch, damit wir den mittelständischen Betrieben wieder Risikokapital zuführen, damit sie nicht enden wie der "Konsum". (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Haupt: Bank Austria!)

Zum Exportbereich: Natürlich muß man da etwas tun. Es ist ja geradezu rührend, als der Herr Bundeskanzler gestern in der "Kronen-Zeitung" ankündigte, daß er auch Handelshäuser für die Exportbelebung der mittelständischen Wirtschaft schaffen werde. – Eine alte Idee von uns Freiheitlichen, Handelshäuser einzurichten, weil ja die meisten Betriebe zu klein sind, um alleine auf die Exportmärkte zu gehen.

Man sollte aber nicht vergessen, daß es eine schlechte Politik ist, jetzt Exportförderung zu betreiben, nachdem man sich zuerst die Märkte zusammengehaut hat. Ich lese Ihnen vor, was uns Herr Minister Schüssel, seinerzeit noch als Wirtschaftsminister, am 18. April 1994 hier im Parlament vor dem EU-Beitritt versprochen hat:

"Trotz harter Konkurrenz mit Betrieben in der EU ist es bei den Verhandlungen mit der Europäischen Union einerseits und in Gesprächen mit der japanischen Wirtschaft andererseits gelungen sicherzustellen, daß die österreichischen Exportquoten nach Japan für die Autozulieferindustrie voll beibehalten werden." – Wissen Sie, wie das tatsächlich ausschaut, Herr Kollege Verzetnitsch? Wissen Sie, wie das "voll beibehalten" heute ausschaut? – Das sieht so aus, daß


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die Firma Semperit annehmen muß, daß sie nächstes Jahr überhaupt nichts mehr liefern wird, daß wir von den 4 Milliarden Schilling an Exporten, die dorthin gemacht wurden, heuer auf bescheidene 1,5 Milliarden Schilling zurechtgestutzt worden sind und daß über 3 500 Arbeitsplätze alleine dadurch in der Luft hängen.

Einen Markt aufzubauen, ihn dann leichtfertig kaputtzumachen, dann aber zu sagen: Jetzt brauchen wir eine neue Exportförderung!, das ist doch verrückt! Eine Hüh-hott-Politik ist das, die in Wirklichkeit nicht akzeptabel ist.

Wir brauchen aber auch eine mittelfristige Zinssenkung für den mittelständischen Bereich, denn gerade die Zinsbelastungen bei der hohen Fremdfinanzierung unserer Betriebe ist es, die reduziert werden muß – auch für bestehende Betriebe, um wieder Investitionsfreude zu schaffen. Das kann durch eine expansive Offenmarktpolitik geschehen sein, das kann durch eine Senkung der Mindestreserven eingeleitet werden. Es muß aber vor allem auch einmal klar gemacht werden, daß die vielen kleineren und mittleren Betriebe die Möglichkeit haben müssen, unter gleichen Bedingungen wie die großen ihre Fremdfinanzierungen zu machen. Allein die Kreditgebühr von 0,8 Prozent, die zusätzlichen Eintragungsgebühren von über 1 Prozent, die zusätzliche Gebühr für die Bearbeitung von mehr als 1 Prozent belastet ja in einem hohen Maße gerade jene klein- und mittelständischen Unternehmer, die heute das Rückrat unserer heimischen Wirtschaft bilden, eine Arbeitsplatzgarantie darstellen. Dort muß man aus unserer Sicht ganz erheblich ansetzen, und da hat auch die Regierung die Verpflichtung, gemeinsam mit der Nationalbank durch eine strategisch richtig angelegte Offenmarktpolitik beziehungsweise durch eine Senkung der Mindestreserven eine Zinssenkung generell durchzuführen, um mehr Investitionsanreize sicherzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht erbaulich, wenn man dann liest, daß die großen Firmen Pleite machen. Der Herr Maculan macht Pleite und da streichen die Banken 700 Millionen Schilling. Der "Konsum" geht Pleite – da verzichten die Banken auf 600 Millionen Schilling. Die HTM hat eine Krise – da verzichten die Banken auf 700 Millionen Schilling. Der Kleine muß das über erhöhte Gebühren, über erhöhte Zinsen mitfinanzieren. Das ist aber gerade jener, der dann dafür sorgt, daß die entlassenen "Konsum"-Mitarbeiter, daß die gekündigten Maculan-Mitarbeiter, daß die gekündigten Mitarbeiter von Mayreder dann bei kleineren Betrieben unterkommen, weil die anderen nicht mehr bereit sind, ihre Verpflichtungen in der Wirtschaft zu erfüllen. Das sind die Zusammenhänge; das macht in Österreich das Wirtschaften heute so ärgerlich. Daher haben wir ein ganzes Paket entsprechender Entlastungsmaßnahmen eingebaut.

Ich stimme Ihnen in einem Punkt zu, Herr Minister: Aktive Arbeitsmarktförderung sollte beibehalten, sollte auch ausgebaut werden, aber transparent bitte. Das sollte so ausgebaut werden, daß man Langzeitarbeitslosen jene Hilfe, die Sie angesprochen haben, auch gibt, daß man ein Bonus-Malus-System für ältere Arbeitnehmer schafft und daß man die Qualifikation stärker berücksichtigt.

Ich bitte Sie, wirklich einmal darüber nachzudenken, ob es sinnvoll ist, wenn ein Bauarbeiter, der, wenn Arbeitslosigkeit herrscht, in die Polierschule gehen will, wirklich die Arbeitslosenunterstützung verlieren muß dafür, daß er sich qualifizieren will! Bleibt er daheim, legt er sich auf die faule Haut, bekommt er die volle Arbeitslosenunterstützung.

Da stimmt doch irgend etwas nicht in einem System, in dem jene, die sich qualifizieren, die weiterkommen wollen, bestraft werden! Überlegen Sie auch, ob wir nicht mit einer Mehrwertsteuerprämie im Bereich der Pfuschereindämmung die Chance für die Häuslbauer eröffnen würden, legal zu bestehen. Geben wir Ihnen eine Prämie von 12, 15 Prozent an Mehrwertsteuer zurück, wenn sie legal mit Professionisten arbeiten. Dann haben Sie Aufträge für die Wirtschaft, haben Sie den Pfusch eingedämmt und gleichzeitig auch mehr Steuererträge für den Finanzminister im Kasten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Letztlich bitte ich Sie, auch darüber nachzudenken, ob es vertretbar ist, daß bei einer Arbeitslosigkeit von fast 300 000 Menschen in Österreich eine Ausländerbeschäftigung von ebenfalls


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rund 300 000 so ohne weiteres aufrechterhalten werden kann. Wir sind der Meinung, daß man auch die Beschäftigungsquote der Ausländer schrittweise einschränken und in den nächsten zwei Jahren zwischen 50 000 und 80 000 Arbeitsplätze auf diese Weise zusätzlich gewinnen soll.

Wir sind der Meinung, daß man endlich diesbezüglich eine Ausweispflicht schaffen soll, damit man Illegale von Legalen unterscheiden kann. Und wir sind der Meinung, daß man auch in bezug auf den Familiennachzug erkennen muß, daß jedes nachziehende Familienmitglied, jedes Kind von einem Ausländer, das nachkommt, in ein paar Jahren auch einen Arbeitsplatz haben will. – Darauf hat diese Regierung aber keine Antwort gefunden. Daher gibt es heute eine doppelt so hohe Arbeitslosigkeit bei den hier ansässigen Ausländern als bei den Österreichern. Wir verlangen auch in diesem Bereich eine Revision Ihrer Linie, damit die Arbeitsplätze auch sinnvoll für die Österreicher geschützt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Ich erteile es ihm.

17.39

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Dr. Haider! Ich möchte wirklich nicht stundenlang Aufklärungsarbeit hier leisten aber zu einigen Punkten, wo Sie offensichtlich überhaupt nicht aufgepaßt haben, möchte ich doch Stellung nehmen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. ) Das war nur meine Vermutung. Herr Doktor! Es steht uns zu ... (Abg. Dr. Nowotny: Das ist berechtigt!) Danke.

Die erste Erwiderung ist, daß ich erklärt hätte, daß von 1985 auf 1995 die Zahl der Arbeitsplätze – trotz Umstrukturierungen, weil mehr neue Arbeitsplätze geschaffen wurden – um 308 000 gestiegen ist. Das dürften Sie mißverstanden haben. Also: Aufgrund der guten Arbeitsmarktpolitik hat es 1995 mehr Arbeitsplätze gegeben als 1985, und zwar um 308 000. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist ja der Unterschied in der Arbeits- und Beschäftigungspolitik Österreichs gegenüber der anderer Staaten. Das ist die volle Wahrheit; das können Sie jederzeit nachprüfen! (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist aber nur die halbe Wahrheit!)

Der zweite Punkt, zu welchem ich Stellung nehmen möchte: Sie haben erklärt, daß Kofinanzierungen bei EU-Arbeitsmarktförderungsmitteln gefehlt hätten. – Das stimmt überhaupt nicht! Der Sozialbereich war der erste Bereich in Österreich, in welchem wir es durch die gute Vorbereitung von seiten des Ministeriums und des Arbeitsmarktservice, und in Verhandlungen mit der EU erreicht haben, früher als alle anderen EU-Staaten Förderungsmittel zu erhalten. Wir haben im Arbeitsmarktservice genügend Geld zur Verfügung gestellt, sodaß wir auch die Kofinanzierung gesichert haben. Wir haben daher alle Möglichkeiten von Zuschüssen aus Brüssel, aus dem europäischen Sozialfond für die Arbeitsmarktpolitik voll ausgenützt: für das vorige Jahr, für das heurige Jahr und auch für die kommenden Jahre. Das möchte ich hier festgestellt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Nochmals möchte ich betonen, daß wir die aktive Arbeitsmarktförderung im Budget nicht kürzen und die EU-Mittel zusätzlich verwenden werden.

Weil Sie von meinen vor der Wahl gemachten Aussagen zum Pensionsrecht gesprochen haben: Dazu gibt es auch nach der Wahl gleichlautende Aussagen. Beim Pensionsalter haben wir immer wieder erklärt, eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters sei nicht sinnvoll und werde daher nicht erfolgen. Wir haben aber auch immer wieder erklärt, daß wir sehr wohl das tatsächliche Pensionsantrittsalter durch verschiedene Maßnahmen, insbesondere solche im Bereich der Arbeitsmarktpolitik sowie im Gesundheitsbereich, an das gesetzliche Antrittsalter heranführen werden. (Abg. Rossmann: Nein! – Abg. Dr. Haider: Wirklich nicht!)

Wir haben ebenso immer wieder erklärt, daß wir im Sinne von Versicherungsgerechtigkeit über schrittweise, planbare, überschaubare Anhebungen der Versicherungszeiten diskutieren


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werden. Das können Sie jederzeit nachlesen! (Rufe bei den Freiheitlichen: Wo?) Es gibt dazu keine anders lautenden Aussagen nach der Wahl. Den Beweis dafür werde ich Ihnen liefern.

Meine Aussagen lauten nach der Wahl genauso, wie sie vor der Wahl lauteten. Ich ändere meine Meinung und meine Aussagen nicht, wie das bei anderen Politikern der Fall ist. (Beifall bei der SPÖ.) Ich möchte sie in diesem Zusammenhang nicht erwähnen.

Nächster Punkt: Sie haben aus dem "Standard" zitiert, wir hätten in Österreich das Modell des "Bündnisses für Arbeit" längst realisiert. Das stimmt! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Das stimmt, so wie es dort drinsteht: In Österreich war es die gute Arbeitsmarktpolitik, die gute Beschäftigungspolitik. Nun verkenne ich keineswegs die Schwierigkeiten – die hat es immer gegeben – und nicht den Ernst der Situation, in welcher wir uns jetzt befinden. Natürlich müssen wir noch weitere Maßnahmen setzen, aber die Grundlage unserer Politik war immer das Bündnis zwischen Regierung und den Sozialpartnern, das ja im wesentlichen ein "Bündnis für Arbeit" ist. Sie werden kaum eine sinnvolle Maßnahme im "Bündnis für Arbeit", das es in Deutschland gibt und das Sie jetzt zu kopieren versuchen, finden, die nicht schon längst in Österreich gesetzt wurde.

Es wurde weiters eine besondere Sozialpartnereinigung zum Thema Bauwirtschaft angeregt. Dazu ist zu sagen, daß wir schon in der Vorwahlzeit ein interministerielles Gespräch darüber geführt haben; dieses hat auch Minister Ditz bereits erwähnt. In diesem interministeriellen Gespräch zum "Bündnis für Arbeit" in der Bauwirtschaft wurde von den zuständigen Ministern – vom Verkehrsminister, Finanzminister, Wirtschaftsminister und Sozialminister – gemeinsam mit dem Sozialpartnern festgelegt, und zwar bereits im Herbst, daß für die Bauwirtschaft die Infrastrukturausgaben, die die Wirtschaftsfähigkeit Österreichs in Zukunft sichern und in der Bauwirtschaft möglichst bald auch Arbeitsplätze schaffen sollen, fortgesetzt werden.

Herr Minister Ditz hat vorhin erwähnt, was alles im Straßenbau und im Hochbaubereich beschlossen wurde. Für den Eisenbahnausbau wurden gemäß dem Bundesbahngesetz und dem Hochleistungsstreckengesetz für die nächsten fünf Jahre Investitionen in Höhe von jeweils 12 Milliarden Schilling beschlossen. Diese Investitionen in Höhe von 12 Milliarden Schilling, die gemäß dem Bundesbahngesetz festgelegt wurden, sichern außerhalb des Bereichs der Österreichischen Bundesbahnen jährlich zirka 20 000 Arbeitnehmern den Arbeitsplatz. Diese Maßnahme, die für die künftige, umweltfreundliche Infrastrukturentwicklung maßgeblich ist und die den Bauarbeitern und auch Arbeitern in anderen Branchen, in Branchen außerhalb des Bahnbereiches, im nächsten Jahr 20 000 Arbeitsplätze sichert, wurde eigentlich nur von einem wirklich angegriffen – und das ist überraschend! (Abg. Dr. Haider: Von Caspar Einem!) , nein, da müssen Sie nur ein bisserl zurückschauen; er war, wie gesagt, der einzige, der diese Maßnahme angegriffen hat und damit dafür eingetreten ist, daß nicht fünf Jahre hindurch 20 000 Arbeitsplätze in der Wirtschaft gesichert werden –: von Ihrem Wirtschaftssprecher Peter Rosenstingl. In einer Aussendung ... (Rufe bei den Freiheitlichen und Gegenrufe bei der SPÖ.) Das ist die Wahrheit! Hier treten Sie auf, nach dem Fest, längst zu spät! Ende Jänner verlangen Sie Maßnahmen für die Bauwirtschaft, die im September, Oktober, November getroffen wurden, und der einzige, der sie wirklich angriff und damit Arbeitsplätze verhindern will, ist Ihr Peter Rosenstingl. Ich glaube, Sie sollten sich in Ihrer eigenen Partei besser informieren. (Beifall bei der SPÖ.)

17.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Mag. Stadler: Rosenstingl ist schuld an allem!)

17.46

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren Minister! Sehr verehrte Damen und Herren! – Herr Dr. Haider! Ich glaube schon, sagen zu dürfen, daß sich Gott sei Dank viele politische Gruppierungen in Österreich über die wachsende Arbeitslosigkeit nicht nur Gedanken machen, sondern auch Lösungsvorschläge erarbeiten. Gerade diese Regierung hat in den vergangenen Jahren massiv mit der Durchführung von Lösungen zur Schaffung vieler zusätzlicher, Zehntausender Arbeitsplätze beigetragen. Es hat keiner Sondersitzung bedurft, um erst Gedanken zu entwerfen, wie wir die Arbeitslosigkeit bewältigen können. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich bin aber immer dafür, daß wir in gemeinsamen Diskussionen zusätzliche Lösungen finden; zusätzliche Vorschläge machen. Nur würde ich darum ersuchen, daß wir, wenn wir das tun, dies in einer sehr seriösen Weise tun. Ich nehme dazu als Beispiel die Forderung nach der Senkung der Lohnnebenkosten, für die sozusagen niemand zahlen soll, her. Ich glaube, es wird manchmal in der Diskussion mit der Frage der Lohnnebenkosten wirklich Schindluder getrieben.

Was sind denn eigentlich Lohnnebenkosten? – Das sind beispielsweise Beiträge zur Krankenversicherung, zur Unfallversicherung, zur Pensionsversicherung, Weihnachts- und Urlaubsgeld. Ich frage Sie: Wenn all das reduziert werden sollte, zu wessen Lasten geht denn das, wenn es auf keinen Fall zu Lasten der Arbeitnehmer gehen soll?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Versuchen wir, wenn wir eine Diskussion führen wollen, seriöse Vorschläge zu machen. Sagen wir auch, wenn wir einen Vorschlag machen, wie er bedeckt werden soll, und schlagen wir nicht etwas vor, was nicht realisierbar ist. Das ist unseriös, und das ist auch unverantwortlich! (Beifall bei der ÖVP.)

Daß wir in einer dynamischen Gesellschaft, in einer dynamischen Wirtschaft enorme strukturelle Änderungen andauernd vornehmen müssen, ist doch logisch. Nehmen wir nur eine jener sozialen Gruppen her, die in den vergangenen Jahrzehnten am stärksten unter dem strukturellen Wandel gelitten beziehungsweise einen solchen durchgemacht haben. Nehmen wir die österreichische Landwirtschaft her, um die Dimension des strukturellen Wandels aufgrund dieser dynamischen Entwicklung zu sehen. Es hat in diesem so wichtigen Wirtschaftssektor innerhalb von vier Jahrzehnten insgesamt eine Reduktion von 800 000 Berufstätigen gegeben. Gott sei Dank war es durch eine geschickte Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik möglich, diese 800 000 Personen im industriellen und im Dienstleistungsbereich unterzubringen. Das bezeichnen wir als die richtige Antwort auf Strukturprobleme, und ich glaube, gerade jetzt und in den kommenden Jahren sind wir gefordert, solcherart Probleme zu lösen, doch bin ich überzeugt davon, daß wir sie bewältigen werden, wenn wir es nur wollen. Und das wollen wir! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Aspekt des Wie ist auch, daß wir zweifellos von jener Errungenschaft, die wir besonders schätzen und die auch international Anerkennung findet, nie abgehen werden, nämlich von der Errungenschaft, daß trotz aller Spannungen der soziale Friede in Österreich aufrechterhalten werden konnte. Aber was ist denn eigentlich sozialer Friede? – Sozialer Friede ist das Ergebnis von Bemühungen partnerschaftlicher Natur, daß heißt, daß man sich bemüht, jeweils auf den anderen einzugehen, daß man sich mit den Einstellungen des anderen auseinandersetzt und sich gemeinsam bemüht – nicht in Streiks, die nur Geld und Arbeitsplätze kosten –, einen Weg zu finden. Dabei sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber und als dritter Partner der Staat die auftretenden Probleme gemeinschaftlich zu lösen versuchen. In den kommenden Jahren, für die von den Wirtschaftsforschern steigende Arbeitslosenzahlen prognostiziert worden sind, ist, glaube ich, diese partnerschaftliche Gesinnung mehr denn je gefordert. Doch ich glaube, Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind gemeinsam mit der Bundesregierung in der Lage, auch diesen großen Herausforderungen wirksam entgegenzutreten. Ich bin überzeugt: Wir werden erfolgreich dieses Problem bewältigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wirtschafts- und sozialwissenschaftlich ist ganz klar: Prognosen dienen nicht dazu, daß man sich ihnen teilnahmslos, ohne Aktionen zu setzen, aussetzt, sondern sie sollen uns veranlassen zu sagen: Das wollen wir auf keinen Fall eintreten lassen! Die letzten Prognosen von IHS und WIFO dienen meines Erachtens dazu, die Partnerschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern noch stärker als bisher zu mobilisieren. Wir wollen mit Hilfe dieser Partnerschaft – durch neue Ideen; ich werde noch auf einige zu sprechen kommen – diese Horrorprognosen nicht eintreten lassen. Das soll der gemeinsame Wille von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sein – weil wir der Überzeugung sind, daß jeder Arbeitslose in Österreich ein Arbeitsloser zuviel ist. Das ist unsere gemeinsame Auffassung, die eine menschliche Auffassung ist. Zu dieser stehen wir, und für diese müssen wir arbeiten! (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neue Ideen sind gefragt. Wir haben einiges an neuen Ideen – natürlich im Rahmen der jeweiligen Parteien; ich spreche jetzt für die Volkspartei – entwickelt. So wurde unter anderem die Meinung vertreten, daß wir eine neue Phase einleiten müßten, nämlich eine Phase, wo sich beispielsweise Lehrlinge nach deren Berufsabschluß oder auch andere Arbeitnehmer bereit finden sollten, das Risiko der Gründung eines Unternehmens einzugehen.

Ich glaube, das "Freisparen" und "Gründungssparen" – es gibt zwei Termini für dieses Modell, das nach der Art des Bausparens entwickelt wurde, und zwar von der Volkspartei – müssen umgesetzt werden, und diese wollen wir auch umsetzen, weil wir als Arbeitnehmervertreter wissen, daß jedes neugegründete Unternehmen, jeder neugegründete Betrieb in den ersten drei Jahren fünf neue, zusätzliche Arbeitsplätze schafft. Wenn wir also 40 000 bis 50 000 solcher neuer Unternehmungen in den nächsten Jahren auf die Beine stellen könnten, so würde das die Schaffung von 200 000 bis 250 000 neuer Arbeitsplätze bedeuten. Darum gilt es, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, und darum gilt es, erfolgreich zusammenzuarbeiten, denn das wollen wir zugunsten der betroffenen Menschen auch erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kann doch nicht ohne weiteres hingenommen werden, daß im vergangenen Jahr über 180 000 Personen temporär arbeitslos waren; diese hatten allerdings eine Zusage zur Wiedereinstellung und konnten deshalb nicht vermittelt werden. Warum sollte es denn nicht gelingen, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller davon betroffener Gruppierungen, also des Arbeitnehmers, der Betriebe, aber auch des Arbeitsmarktservices, viele dieser 180 000 Personen überhaupt nicht arbeitslos werden zu lassen, indem wir mit einem klug ausgehandelten Modell von Jahresarbeitszeitverträgen, wo eben jeder seinen Beitrag leistet, für diese 180 000 Personen eine ganzjährige Beschäftigung ermöglichen? Solche Ideen, solche kreativen Lösungen sind gefordert! Darüber gilt es Diskussionen zu führen. Wir sollten in den kommenden Wochen alles daransetzen, derartige Ideen auch zu verwirklichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein weiterer Punkt: Wenn wir europaweit vergleichen, wie die Entwicklung der Teilzeitarbeitsplätze ist, dann sehen wir, daß wir in Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Unionsstaaten meilenweit zurückliegen. In ganz Österreich sind rund 10 Prozent aller Arbeitsplätze Teilzeitarbeitsplätze, das sind rund 300 000 Arbeitsplätze; an der Spitze der europäischen Unionsstaaten führen diesbezüglich die Niederlande; und zwar mit 36 Prozent. Wenn es uns in einer gemeinsamen Anstrengung von Betrieben und Arbeitnehmern gelänge, beispielsweise 5 Prozent Teilzeitarbeitsplätze zusätzlich zu schaffen, also deren Zahl von 10 auf 15 Prozent zu erhöhen, so würde das die Schaffung von 150 000 neuen Teilzeitarbeitsplätzen bedeuten. Das ist durchaus machbar.

Wir haben im öffentlichen Dienst – beispielsweise im Lehrerbereich – etwas ähnliches verwirklicht. Ich glaube, wenn sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft diese Idee aufgegriffen würde, hätten viele Menschen – beispielsweise Frauen, die Beruf und Familie für einen Zeitraum von etwa fünf bis zehn Jahren vereinbaren wollen, oder ältere Personen, die ganz einfach nicht mehr die gesamte Arbeitszeit, die vorgeschrieben ist, voll erfüllen, sondern nur in Teilzeit arbeiten wollen – die Chance, Arbeit zu finden. Wir brauchen neue Arbeitsformen, Arbeitsformen, die immer mehr Menschen die Chance bieten, Arbeit zu haben. Da sind wir gefordert, und in diese Richtung gilt es voranzuschreiten! (Beifall bei der ÖVP.)

Nächster Punkt: Unserer Ansicht nach ist das Schicksal vieler älterer Menschen, die nach jahrzehntelanger beruflicher Tätigkeit vorzeitig aus dem Arbeitsprozeß getrieben werden, furchtbar. Deswegen haben wir von der Volkspartei ein sogenanntes Bonus-Malus-System entwickelt, was bedeutet, daß jeder Betrieb, der einen arbeitslos gewordenen älteren Arbeitnehmer anstellt, einen Anreiz in Form eines Bonusses erhalten soll, und jeder Betrieb, der sich eines älteren Arbeitnehmers entledigt, natürlich eine fühlbare Sanktion, einen Malus dafür bekommen soll. Das sind Maßnahmen, die wir gemeinsam entwickeln und durchsetzen und auch tragen können, und wir sollten darangehen, diese auch zu verwirklichen. Damit könnten wir vielen älteren Arbeitnehmern das Los der Arbeitslosigkeit ersparen und sie auch vor der Erkenntnis bewahren, daß Erfahrung plötzlich nichts mehr zählt. Das sind doch Werte, die man dem einzelnen


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Menschen wiederum vermitteln soll, nämlich daß Erfahrung nach wie vor etwas zählt. Ich glaube, daß das, was man an zusätzlicher Erfahrung gewonnen hat, und daß das, was man sich durch Fortbildung an Wissen angeeignet hat, nicht ungenützt bleiben soll.

Wenn wir zum Beispiel schauen im Bereich der saisonalen Arbeitslosen, wenn wir schauen im Teilzeitbereich, wenn wir das Bonus-Malus-System hernehmen, wenn wir das Freisparen oder Gründungssparen hernehmen, dann erkennen wir: Es sind schon Maßnahmen, Ideen entwickelt worden, und diese gilt es mit aller Kraft, mit allem Einsatz in den kommenden Monaten zu verwirklichen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das gemeinsame Ziel hat es zu sein, den Menschen das tragische Schicksal der Arbeitslosigkeit zu ersparen. Wir alle sind aufgefordert, diesen Auftrag zu erfüllen! Ich bin davon überzeugt, daß wir dadurch die Prognosen der Wirtschaftsforscher nicht eintreten lassen, sondern durch die Schaffung vieler Arbeitsplätze die Arbeitslosigkeit reduzieren können! (Beifall bei der ÖVP.)

18.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Herr Abgeordneter, bitte.

18.01

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Arbeitslosigkeit ist ohne Zweifel das größte strukturelle europäische Problem, mit dem wir uns heute auseinandersetzen. Ich bewundere Herrn Kollegen Höchtl, nämlich mit welch verbaler Gewalt er hier eine Menge von Gemeinplätzen unter uns gebracht hat.

Es ist wohl nicht so, daß wir Arbeitslosigkeit bekämpfen werden, indem wir an einer Vielzahl von kleinen, gutgemeinten Symptomverbesserungen herumarbeiten. Wir werden uns vielmehr der Mühe unterziehen müssen, die Frage der Arbeitslosigkeit als eine prinzipielle zu analysieren, als europäisches Problem zu analysieren.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß die Industriegesellschaft in eine Sackgasse gelaufen ist. Sie erfordert immer höhere Kapitalinvestitionen, macht damit immer mehr Menschen arbeitslos und beutet gleichzeitig immer mehr Ressourcen aus. Wir müssen uns also überlegen, welche Rahmen wir falsch gesetzt haben; Rahmen, die in den fünfziger, sechziger Jahren, bis in die achtziger Jahre sehr erfolgreich waren, aber spätestens seit Mitte der achtziger Jahre heute also zu keinen sinnvollen Lösungen mehr führen. Verschärft wird das Ganze durch den weltweiten Wettbewerb, der erst möglich geworden ist durch die Telekommunikationsrevolution, durch die Verkehrsverbindungen und multinationale Unternehmungen.

Meine Damen und Herren! Arbeit ist heute verlagerbar (Abg. Tichy-Schreder: Schon lange) , das ist unser Problem; verlagerbar von einem Ort zum anderen, nicht einmal allein dadurch, daß man sie in Form von Fabriken transportiert, sondern indem man sie einfach als Arbeit auslagert. Denken Sie zum Beispiel an die vielzitierte Buchhaltung der Austrian-Airlines, die in Indien gemacht wird.

Der Wirtschaftsstandort Europa ist im weltweiten Wettbewerb, zumindest der Triade.

Viertens, so meine ich, ist die Höhe der Realverzinsung ein wesentlicher Punkt. Es ist heute für einen Kapitalbesitzer wirtschaftlicher, zu jenen Kapitalisten zu gehören, die sich lieber die Zinsen auf ihr Konto überschreiben lassen, als selbst das Geld in die Hand zu nehmen und mit dem Leverage-Effekt Gewinne zu erzielen. Die Realverzinsung ist letztlich zu hoch. Sie verhindert, daß Kapital in produktive Investitionen fließt – und da haben wir sehr viel autonomen Spielraum in Österreich, das zu ändern –, weil es interessanter ist, das Geld aufs Sparbuch zu legen. Wir haben 3 800 Milliarden Schilling Vermögensbildung in privater Hand und wenig Risikokapital in den Betrieben – das ist unser Problem.


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Der Stellenwert nationaler Politik ist kleiner geworden. Auch darüber sollte sich dieses Hohe Haus bei all den gutgemeinten Vorschlägen, die wir heute schon gehört haben klarwerden. Das Hohe Haus sollte klar erkennen, daß der Stellenwert nationaler Wirtschaftspolitik, nationaler Sozialpolitik, natürlich auch nationaler Umweltpolitik oder Verkehrspolitik geringer geworden ist und wir unsere politischen Anstrengungen eine Ebene höher ansetzen müssen.

Bei allen wichtigen Aufgaben, die wir in unserem Land zu erfüllen haben, wird die Aufgabe innerhalb der Europäischen Union, nämlich in der EU neue Rahmen festzulegen, neu zu definieren, wie Arbeit zu bewerten ist, wie das Steuersystem auszusehen hat und so weiter, meiner Ansicht nach die Zukunft bestimmen.

"Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben." (Abg. Kiss: Das ist ein verbaler Gemeinplatz!) Also gilt es, Hoffnung zu sehen und Lösungsansätze in der Chance – und nicht in der Bedrohung – zu finden.

Die Ostöffnung ist ohne Zweifel eine solche Chance für Österreich. Der europäische Binnenmarkt ist ebenfalls eine Chance für Österreich, genauso wie es der Welthandel ist. Viele Diskutanten hier bezeichnen ihn immer als eine Bedrohung. Ich halte das für nicht richtig. Eine kleine Volkswirtschaft wie Österreich lebt vom Export, das wurde heute unterstrichen; sie lebt auch vom neuen Unternehmertum. – Herr Dr. Ditz! Nicht nur, daß die Zahl der Unternehmer sinkt, schon die Ausgangsbasis ist zu gering. Nur 6 Prozent der Erwerbstätigen in Österreich sind Selbständige. Im Durchschnitt der Europäischen Union sind es 10 Prozent. Hierzu erwarten wir Strategien dieser Bundesregierung, wie wir in Österreich diesen Wert von 10 Prozent erreichen können.

Der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich ist in Österreich viel zu gering. Wir werden noch darauf zu sprechen kommen: 58 Prozent in der Dienstleistung in Österreich, 73 Prozent in den USA. Da liegen die Chancen für eine aktive Politik für die Zukunft. Es gilt, Rahmenbedingungen zu schaffen für Unternehmer, für Menschen, die über liquide Mittel verfügen, daß sie diese nicht aufs Sparbuch legen, nicht in Anleihen zeichnen, sondern selbst als Unternehmer investieren oder sie anderen Unternehmen als Beteiligungskapital zur Verfügung stellen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Investieren ist Zukunftshoffnung! – Ich behaupte, daß diese Bundesregierung in den letzten Jahren den Unternehmen keine Zukunftshoffnung gemacht hat. Sie hat es nicht erleichtert, in Unternehmungen zu investieren, sondern sie hat eigentlich eine Vielzahl von Signalen gesetzt, die es schwieriger machen, die es unattraktiver machen, in Unternehmungen Geld zu stecken.

Investitionen beziehungsweise Investieren bedeuten also Hoffnung; Hoffnung auf eine Marktchance, auf eine Ertragschance, der aber eine tragbare Kostenstruktur gegenüberstehen muß. Der Zugang zum Unternehmertum ist in Österreich weitgehend durch eine Zunftordnung, die sich Gewerbeordnung nennt, verbaut. Die Freude an der unternehmerischen Selbstverwirklichung, die in Wirklichkeit Arbeitsplätze schafft, ist in weiten Bereichen nicht mehr vorhanden. Sie ist nicht mehr vorhanden, weil die Summe an bürokratischen Belastungen, an Auflagen, an Vorschriften, die das Hohe Haus hier Jahr für Jahr beschlossen hat, es halt einfach nicht mehr attraktiv sein läßt, Selbständiger zu werden. Es ist viel attraktiver, sich als Unselbständiger in den Schutz des Sozialnetzes zu begeben.

Hier einige klare Forderungen von uns Liberalen, wie wir, aktiv das Strukturproblem bekämpfend, in unserem nationalen Spielraum die Arbeitslosigkeit in den Griff bekommen könnten:

Der erste und wichtigste Punkt: Schaffen wir einen freien Zugang zum Unternehmertum! Schaffen wir die jetzige Gewerbeordnung als Zunftordnung ab und finden wir eine neue, liberalere Form des Eintritts in das Unternehmertum, verbunden mit einer Unternehmerhaftpflicht! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Wabl: Sehr gut!)

Zweitens – als Beispiel zu verstehen –: Heben wir die Ladenschlußregelungen auf! Wir können uns dem Markt nicht entziehen. Wer sich dem Markt und den Kundenwünschen entzieht, wird


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sich auch der Wertschöpfungschance entziehen. Und wer sich der Wertschöpfungschance entzieht, entzieht sich der Chance, Arbeitsplätze zu schaffen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Dritter Punkt: Senken wir die Arbeitskosten wirklich! Wir haben von 1980 bis 1994 die Arbeitskosten in Österreich um 115 Prozent angehoben. – Der durchschnittliche Wert in der Europäischen Union liegt bei 78 Prozent. Wir sind also in der Erhöhung der Arbeitskosten von allen Ländern der Europäischen Union auf dem ersten Platz.

Für den Unternehmer zählen letztlich allein die Arbeitskosten. Wie hoch der darin enthaltene Bruttolohn ist und welcher Nettolohn herauskommt, kann den Unternehmer nur in zweiter Linie interessieren. Wenn Sie also eine Politik betreiben beziehungsweise betrieben haben, die die Arbeitskosten weit über das Maß in Europa hinaus verteuert hat, haben Sie Arbeit unattraktiv gemacht, oder, anders formuliert: Sie haben es attraktiv gemacht, Arbeit wegzurationalisieren.

Die Auslastung von Lohnnebenkosten auf die Energiesteuern – wenn man die Abschaffung der Lohnnebenkosten oder deren Senkung fordert, muß man nämlich dazusagen, wohin man diese steuerlichen Beträge lasten will; das können nur Ressourcen und Energiesteuern sein – ist eine Maßnahme, die einen autonomen Spielraum hat.

Herr Wirtschaftsminister! Die ökologische Steuerreform besteht nicht darin, daß man die indirekten Steuern auf Energie erhöht, sondern die ökologische Steuerreform besteht darin, daß man zuerst die Doppelmühle aufmacht und die Arbeitskosten durch Auslastung der Lohnnebenkosten senkt und erst im zweiten Schritt nur diesen Betrag und keinen anderen auf eine Energie- und Ressourcensteuer umlastet. Da gibt es einen autonomen Spielraum, Dänemark zeigt uns das seit einigen Jahren mit sehr guten Ergebnissen. Langfristige Planung, schrittweise Umsetzung, Einbau eines sozialen Ausgleichs, Wahrung der Aufkommensneutralität und Nutzung des autonomen Spielraums innerhalb eines internationalen Gleichklangs, den wir wiederum nur auf der europäischen Ebene werden erreichen können, sind daher zu beachten.

Viertens: Die Arbeitswelt als solche werden wir wohl vollkommen neu gestalten müssen. Mit unseren alten Spielregeln kommen wir offensichtlich nicht weiter, sondern wir erzeugen mit ihnen das, was wir alle nicht wollen, nämlich Arbeitslosigkeit.

Es ist unverzichtbar, die Arbeitswelt neu zu gestalten, gemeinsam mit den Mitarbeitern, vor allem in der betrieblichen Sphäre. Sechs Punkte dazu:

Erstens: Wir werden in Zukunft kürzere Arbeitszeiten brauchen, aber nicht von oben verordnet für alle Betriebstypen, sondern unterschiedlich kürzere Arbeitszeiten, je nach Sektoren, je nach Branchen, ja teilweise nach Betrieben verschieden – denken Sie an das Beispiel VW. Wir machen dabei zwar den Erstjob – ohne Lohnausgleich, mit weniger Stunden – möglicherweise weniger attraktiv, bieten aber andererseits die Möglichkeit, auch einen Zweitjob anzunehmen. Es ist nicht entwürdigend, Herr Bundesminister, wenn jemand in einem industriellen Fertigungsprozeß statt 40 oder 38 nur mehr 32 Stunden arbeitet und, weil er oder sie in der persönlichen Lebenssituation eben noch zusätzliches Einkommen will, an einem weiteren Tag – im Fall einer 4-Tage-Woche – oder an weiteren Abenden zusätzliches Geld in der Dienstleistung verdient. Das sind moderne Formen, wie kürzere Arbeitszeiten auch dazu führen können, daß man durch die Annahme eines Zweitjobs ein vergleichbares Einkommen erzielt.

Zweitens: Wir werden individuellere Arbeitszeiten brauchen. – Das können wir nur auf der betrieblichen Ebene erreichen. Die betriebliche Ebene ist der einzige Platz, wo wir die Interessen der einzelnen Mitarbeiter – je nach Lebensalter, je nach Einkommen et cetera – entsprechend berücksichtigen können.

Drittens: flexiblere Arbeitszeiten. Damit meinen wir aber nicht Kapovaz, nicht kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit, sondern: dann zu arbeiten, wenn man Kunden hat, wenn der Kunde es verlangt, und sich nicht länger dem Kunden, dem Markt durch strikte Arbeitszeitregelungen zu verweigern. Durchrechnungszeiträume sind dabei unverzichtbar. Der Mitarbeiterschutz – ich sage es noch einmal – wird auf die innerbetriebliche Ebene zu verlegen sein.


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Viertens: selbständigere Arbeit. Dabei geht es um das neue Unternehmertum. Wir sollten selbstbestimmte produktive Arbeit ermöglichen, auch durch eine freiere und liberalere Gewerbeordnung. Dabei geht es nicht um den Taglöhner, nicht um die Durchlöcherung des sozialen Netzes, sondern um neue Formen, Arbeit selbständiger zu gestalten.

Fünftens werden wir auch lernen müssen, mit unterschiedlicher Arbeit umzugehen. Solange wir Unzumutbarkeitsbestimmungen im Sozialversicherungsrecht, im Arbeitslosenversicherungsrecht haben, die nicht den nötigen Druck auf Umschulungen – begleitet von der nötigen Hilfe –, auf das Umsteigen von einem Beruf auf den anderen ausüben, werden wir auf der einen Seite Arbeitslosigkeit und auf der anderen Seite in manchen Branchen Arbeitskräftemangel haben.

Ich meine, daß jede vorhandene Arbeit – gleichgültig, welcher Qualifikations- und Bezahlungsstufe sie angehört – letztlich gesellschaftlich wichtig ist. Und davon müssen wir ausgehen.

Sechstens – aber nicht letztens – brauchen wir in der neuen Arbeitswelt auch ein vollkommen neues Modell des gleitenden Ausstiegs. Die Generation der Erben hat einen anderen Anspruch auf Arbeit im Alter als es die Generationen von vor 30 oder 40 Jahren hatten. Heute sind viele Menschen in der glücklichen Lage, daß sie erben, daß sie Häuser bekommen und keine Mietbelastungen mehr haben. Geben wir ihnen doch die Möglichkeit, ab einem gewissen Alter schrittweise gleitend ihre Arbeitszeit zu verringern und damit auch Platz für andere Mitarbeiter zu machen. Es wird für uns Unternehmer eine große Herausforderung sein, mit dieser flexiblen Arbeitswelt, mit diesem gleitenden Ausstieg umzugehen, mit neuen Dienstplänen, mit verlängerten Produktionszeiten, mit einem Samstag als Arbeitstag, aber vielleicht nur mehr einer 4-Tage-Woche. Das sind moderne Modelle, die wir überlegen sollten, wenn wir Arbeitslosigkeit wirklich bekämpfen wollen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Über Bürokratieabbau, den Abbau des lähmenden Hemmnisses für Unternehmer, wurde schon sehr oft gesprochen. Auch Minister Ditz hat ihn heute versprochen. Ich bin gespannt, wie oft ich mir das noch anhören werde. Wann wird dieser Bürokratieabbau endlich kommen, meine Damen und Herren?

Wo sind außerdem die Maßnahmen, um aus Eigenkapital und Risikokapital vermehrt Innovationskapital zu beschaffen? Wo bleiben die Beteiligungsfinanzierungen? Wo bleibt die Börse? Wo ist denn Ihr Modell, das Sie seit Jahren ankündigen, und zwar ein Modell, um die Börse wirklich in Aktion zu setzen? Wo ist denn Ihr Modell, in Österreich einen Risikokapitalmarkt zu schaffen? Dieser wäre nämlich die Voraussetzung für die Wahrnehmung von Zukunftschancen, für die Wahrnehmung zusätzlicher Marktchancen und damit für die Schaffung von Arbeitsplätzen in einem exportorientierten Österreich.

Herr Minister Dr. Ditz! Beim Investitionsfreibetrag bin ich nicht Ihrer Meinung. Das, was wir heute als Investitionsfreibetrag haben, ist eine Art Gießkanne, eine Gießkanne mit 6 bis 8 Prozent, die niemandem hilft. Haben Sie den Mut, den Investitionsfreibetrag zu konzentrieren, ihn auf 25 Prozent anzuheben, ihn aber ganz konzentriert auf Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen sowie auf Umweltinvestitionen zu gewähren und ihn vor allem auch dort zu gewähren, wo immaterielle Investitionen in den Betrieben auf vier Jahre aktiviert werden können und dafür mit einem 25prozentigen Investitionsfreibetrag honoriert werden. Das sind die Chancen immaterieller Investitionen, nämlich Investitionen in Markterschließung, in Mitarbeiterausbildung, in die Entwicklung zur Produktreife. Dort liegen die Chancen für den Export, die Chancen, neue Märkte zu gewinnen.

Meine Damen und Herren! Ich meine überhaupt, daß wir einen ganz großen Fehler machen, wenn wir über Wirtschaft und Arbeitsplätze hier im Hohen Haus reden und dabei immer unsere eigene Situation vor Augen haben. Ich schlage vor, dabei einmal ausschließlich die Situation der Nachfrage, des Kunden und des Marktes zu betrachten. Dort liegen nämlich in Wirklichkeit die Zukunftschancen, dort liegen Arbeitsplätze in Reserve.

Als letzten Punkt wiederhole ich schon fast wie eine Gebetsmühle den Privatisierungsvorschlag. Es gibt kein Land in Westeuropa, das einen so hohen Anteil an seinem eigenen Grund und Boden besitzt wie Österreich. Der Staat Österreich besitzt über 10 000 Quadratkilometer dieses


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Landes. Der Staat besitzt eine Vielzahl von Firmenanteilen und Beteiligungen. Meine Damen und Herren! Warum haben Sie nicht den Mut, in substantiellem Umfang staatlichen Grundbesitz an die Österreicher zu verkaufen – bei 3 800 Milliarden Schilling Vermögensbildung in privater Hand? Warum haben Sie nicht den Mut, auf diese Weise finanzielle Spielräume zu gewinnen, nicht um mit diesen Geldern Schulden zu decken, sondern um mit diesen Geldern die staatliche Aufgabe zu erfüllen, die staatliche Aufgabe der Infrastrukturinvestition bis hin zum Denkmalschutz, der Umweltsanierung bis hin zur Verkehrsinfrastruktur?

In der großzügigen, flächendeckenden Privatisierung liegt die Chance, heute und in den nächsten Jahren schnell hohe Milliardenbeträge freizubekommen, die dann im Sinn des Vermögenstausches verwendet werden könnten. Der Erlös aus dem Verkauf eines Vermögensanteiles würde in die staatliche Infrastruktur investiert, die nötig ist, um die Wirtschaftskraft zu bewahren.

Meine Damen und Herren! Wir werden heute noch lange über das Thema Arbeitslosigkeit diskutieren. Wenn wir nicht den Mut und die Kraft haben, die Arbeitswelt prinzipiell neu anzudenken, werden wir über kleine Detailmaßnahmen nicht hinauskommen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.17

Abgeordneter Fritz Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß es grundsätzlich in jedem Fall positiv ist, daß wir über Beschäftigung, über Beschäftigungsmöglichkeiten, über Beschäftigungschancen und nicht nur über das Thema Arbeitslosigkeit diskutieren.

Diese heutige Debatte gibt – so glaube ich – auch die Möglichkeit, in einige Details einzugehen. Es wurde schon erwähnt: In den letzten zehn Jahren konnte der Stand der Beschäftigten in Österreich um mehr als 300 000 erhöht werden. Die Hälfte dieses Beschäftigungszuwachses geht auf private Unternehmungen, die andere Hälfte auf den öffentlichen Dienst im weitesten Sinne zurück.

Wir müssen über ein Problem als Herausforderung reden und nicht über ein Problem als Problem. Ich habe das schon an anderer Stelle erwähnt. Wenn man die 295 000 Arbeitslosen rein technisch zusammenführen würde, dann wäre Linz und Klagenfurt ohne Arbeit, wenn man die Einwohnerzahl dieser Städte als Meßzahl nimmt.

Da mein Vorredner gemeint hat, es geht einfach darum, positive Zeichen zu setzen, muß ich sagen, ich bin überzeugt davon, daß zum Beispiel der industriepolitische Vorschlag, den die Sozialdemokratien im Rahmen des Wahlkampfes auf den Tisch gelegt haben, sehr wohl ein positives Zeichen ist, denn sonst würde es ja nicht zu den großen Industrieansiedelungen, die es innerhalb Österreichs in den letzten Jahren gegeben hat, auch in Zukunft kommen, soweit sie bereits bekannt sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube – und das ist nichts Neues –, daß es sicherlich kein Wunderrezept gibt. Es geht darum, sich mit Maßnahmen auseinanderzusetzen. Wir hatten vor Jahren das Problem, daß die Kommunikation zwischen jenen, die Arbeit angeboten haben, und jenen, die Arbeit gesucht haben, nicht immer die beste war. Sie wissen, Stellenangebote in den Zeitungen waren oft der Arbeitsmarktverwaltung, wie sie damals noch hieß, nicht bekannt. Es ist ein Faktum, daß durch die Neuordnung des Arbeitsmarktservice sehr wohl eine bessere Verständigung zwischen Angebot und Nachfrage auf beiden Seiten vorhanden ist und daß vor allem durch die Regionalisierung des Arbeitsmarktservice eine dementsprechend bessere Vor-Ort-Entscheidung möglich ist.

Meine Damen und Herren! Es ist so, daß wir bereits seit dem vergangenen Jahr intensiv über Beschäftigungsmöglichkeiten im Baubereich nachdenken. Wir, die Sozialdemokraten, haben im


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Vorjahr geglaubt, daß es durchaus sinnvoll ist, das Road-Pricing-System, die Mautfrage rascher zu klären. Es ist dies damals nicht zustande gekommen. Ich bin froh darüber, daß heute ein neuerlicher Ansatz in dieser Richtung erfolgt ist.

Es ist auch ein Faktum, daß es besser ist, nicht die Konsumation und damit praktisch den Import von Waren und Gütern aus dem Ausland, sondern vermehrt die Infrastruktur eines Landes zu fördern. Dabei geht es nicht um einen endlosen Straßenausbau, sondern darum, daß die bessere Infrastruktur letztendlich auch eine bessere wirtschaftliche Standortchance bietet.

Ein weiteres Problem, das angesprochen werden mußte – einige Vorredner haben das schon gesagt –: Wir wären natürlich vor der Problematik gestanden, Arbeitnehmer in verschiedenen Bereichen arbeitslos werden zu lassen. Denken wir an die Lebensmittelindustrie, denken wir an den Zollbereich, denken wir an das heute schon angesprochene Problem der Banken und Versicherungen, welches in Zukunft auf uns zukommt.

Aber es ist falsch, diesen Zustand nur zu beschreiben. Ich halte es für viel sinnvoller, was in vielen dieser Bereiche geschehen ist, daß über den Weg der Arbeitsstiftung eine aktive Gestaltung der Zeit der Arbeitslosigkeit ermöglicht wird und Menschen nicht nur finanziell versorgt werden, sondern durch eine entsprechende Qualifizierungsmaßnahme letztendlich auch eine bessere Wiedereinstiegschance haben.

Wir wissen seit einiger Zeit, daß wir am Bau Schwierigkeiten haben. Ich bin davon überzeugt, daß auch hier Verbesserungen notwendig wären. Es sollte meiner Auffassung nach der einzelne Unternehmer offensiver agieren. Was meine ich damit? – Wir haben in der Bauwirtschaft ein Modell, das vorsieht, in der Zeit der Arbeitslosigkeit eine Bauhandwerkerschule zu besuchen, ein Modell, das auch finanziert wird. Das ist aber aufgrund der Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes jetzt nur mehr im Wege von Einzelvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich. So weit, so gut. Das funktioniert auch in einigen Bereichen.

Probleme haben wir in Kärnten und in der Steiermark dahin gehend, daß bereits begonnene Schulungsmaßnahmen, die vor dem Jahr 1994/95 eingesetzt haben, durch die Weigerung der Unternehmer, weiter Einzelvereinbarungen abzuschließen, einfach "hängen". Resultat: Die Leute werden einfach nicht mehr weiter geschult, sie erhalten nur mehr das Arbeitslosengeld. – Meiner Meinung nach ein falscher Ansatz. (Abg. Dr. Haider: Warum muß das vom Unternehmer abhängen? – Sie waren doch immer so dagegen!) Weil das im Kollektivvertrag vereinbart ist. Das ist von beiden Seiten so vereinbart worden.

Herr Abgeordneter! Sie reden immer von Eigenverantwortung. Wenn Eigenverantwortung, dann muß meiner Meinung nach auch der Wille der Arbeitgeber vorhanden sein, das entsprechend zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Genauso wichtig erscheint es mir auch, über die Qualifikation insgesamt zu reden. Wir haben in diesen Tagen den Berufsbildungsbericht 1995 erhalten. Darin werden in einigen Punkten Fragen der Berufsbildung behandelt. Ich bin nicht der Überzeugung, daß die in diesem Bericht angesprochene Sequenz, die Ausbildung solle solide und stetig im betrieblichen Bereich erfolgen, richtig ist. Ich glaube, daß wir hinkünftig, wenn es uns mit dem dualen System ernst ist, eine gute Verbindung zwischen Berufsschule und Betrieb brauchen und nicht immer einen Bereich gegen den anderen ausspielen sollten.

Es sollte uns zu denken geben, daß der Prüfungserfolg vor allem in der Lehrlingsausbildung in einigen Berufen zu wünschen übrigläßt; das ist zumindest meine Meinung. Ich muß meinen eigenen Beruf, Gas- und Wasserleitungsinstallateur, zitieren: Wenn hier nur 68 Prozent das Prüfungsziel erreichen, dann zeigt das, daß man darüber nachdenken muß, ob es nicht eine bessere Qualifikationsmöglichkeit gibt, als – das erlaube ich mir als kritische Anmerkung – Prüfungstaxen zu erhöhen. Es zeugt nicht unbedingt von sparsamem Umgang, wenn man die Prüfungstaxe von derzeit 500 S innerhalb kürzester Zeit auf 1000 S erhöhen will. Ich halte das für kein Qualifizierungsmerkmal.


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Meine Damen und Herren! Ich sagte es bereits: Man sollte sich schon auch mit Einzelbeispielen auseinandersetzen. Wenn ich von seiten der Freiheitlichen höre, man sollte wieder die Handwerksschule einführen, so habe ich das Gefühl, daß man hier in der Geschichte ganz gewaltig zurückspringt. Wir hatten in unserem Land bereits solche Modelle: Zunftschulen, Handwerksschulen mit Lehrgeld. Es steht auch im Programm der Freiheitlichen (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Punkt 18, Punkt 12 –, daß ein Eigenbeitrag für diese Handwerksschule zu leisten ist. Vielleicht ist das eine Gelegenheit, das einmal klarzustellen. Im Programm heißt es, daß ein Eigenbeitrag zu leisten ist, und wir sollten das auch deutlich sagen.

Da zum Beispiel ein höheres Arbeitslosengeld bei Qualifizierungsverbesserung verlangt wird – Punkt 9 des freiheitlichen Programms –, muß ich sagen: Sie haben leider nicht aufgepaßt, denn das gibt es bereits. Wenn sich heute jemand in der Zeit der Arbeitslosigkeit höher qualifiziert, bekommt er eine höhere Entschädigung als nur das Arbeitslosengeld. – Das ist also bereits realisiert.

In einem weiteren Punkt, dem Punkt 3 des freiheitlichen Programms, wird gesagt, der Insolvenzfonds sollte nicht nur zur Finanzierung von Pleiten dienen. Ich stimme mit dieser Aussage durchaus überein. Er ist ja kein Fonds zur Finanzierung von Pleiten, wie er fälschlicherweise verstanden werden könnte, sondern der Insolvenzausgleichsfonds ist nichts anderes als ein Ersatz für Löhne und Gehälter für bereits geleistete Arbeit. (Abg. Dr. Haider: Und die Leute sehen kein Geld! Haben die Leute ihr Geld schon gekriegt beim "Konsum"?) Laufend bekommen, zum Beispiel auch durch Unterstützung der Gewerkschaften.

Wenn der Anreiz zu Investitionen in Arbeitsplätze nicht klappt, dann wird es uns so ergehen, wie wir vor kurzem einer internationalen Nachricht entnehmen konnten. Da kündigte der Generaldirektor des amerikanischen Unternehmens AT&T an, daß er 7 000 Mitarbeiter kündigen werde, woraufhin die Aktienkurse in die Höhe schnellten. Wollen wir in Zukunft wirklich in eine Dividendengesellschaft hineinwachsen? Oder sollte es nicht eher mehr eine Beschäftigungsgesellschaft sein, meine Damen und Herren?

Forschung und Entwicklung wurden heute schon mehrfach erwähnt. Ich bin davon überzeugt, daß es durchaus Sinn machen würde, die vor uns liegende Zeit dazu zu nützen, darüber nachzudenken, weshalb ein Bauherrenmodell für manche Anleger so attraktiv geworden ist. Warum kann man dieses Modell nicht neu überdenken und es zum Beispiel auch für Forschung und Entwicklung verwenden, etwa auch in der Richtung, daß der Ertrag aus einem Produkt, das daraus entsteht, letztlich auch zur Abdeckung des vorhandenen Kapitals genützt wird? Das ist meiner Meinung nach beschäftigungsintensiv, das schafft Arbeit, und da geht es nicht um irgendwelche Steuergeschenke.

Es paßt meiner Meinung nach auch nicht zusammen, wenn auf der einen Seite im freiheitlichen Programm gefordert wird, Arbeit zu schaffen, man auf der anderen Seite aber dafür ist, Planstellen nicht nachzubesetzen. Dieses Schwarzweißdenken müssen wir uns abgewöhnen. Vielmehr sollten wir überlegen, wo es Sinn macht, Arbeitsplätze anders zu gestalten, wo es Sinn macht, Beschäftigung auch in Zukunft zu sichern. Eine Kürzung des Arbeitslosengeldes schafft meiner Meinung nach keinen einzigen Arbeitsplatz. Wenn man die Höhe des österreichischen Arbeitslosengeldes im internationalen Vergleich betrachtet, wird deutlich, daß die Ersatzrate eher im mittleren und unteren Feld und nicht im oberen Feld angesiedelt ist.

Ich sage das deshalb, weil in unserem Land vielfach in der Richtung argumentiert wird, daß die Höhe des Arbeitslosengeldes manche von der Arbeit abhalte. Das ist meiner Meinung nach eines der größten Fehlurteile, die es in unserem Land gibt. (Abg. Dr. Haider: Wieso will es dann der Herr Sozialminister einschränken?) Der Herr Sozialminister schränkt es nicht ein, sondern er macht etwas, was eben auch dazugehört, nämlich Mißbrauch auf jeder Ebene abzubauen.

Kollege Haider! Für mich ist es nicht vorstellbar, daß ein Unternehmer sagt: Ich stelle einen Arbeitslosen zur Geringfügigkeitsgrenze ein, er muß aber arbeitslos sein und die Arbeitslosenunterstützung bekommen; dann bezahle ich ihm 3 500 S und bezahle ihm schwarz noch 5 000 S dazu, und dann hat er das Einkommen, das er eigentlich braucht. Dieser Mißbrauch


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muß eingeschränkt werden! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Die oberen Lohnkategorien einfrieren!) Herr Kollege Haider! Weil Sie die obere Kategorie ansprechen: Wir sollten uns meiner Meinung nach auch darüber klarwerden, was Sie darunter verstehen. (Abg. Dr. Haider: Das sagt der Sozialminister!) Er sagt, die Anpassung sollte überdacht werden.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es in diesem Zusammenhang durchaus Sinn macht, die Frage des Mißbrauchs erneut zu durchleuchten.

Besonders interessieren würde mich, wie es funktionieren soll, einerseits die finanziellen Mittel der Arbeitsmarktförderung zu kritisieren, andererseits aber gleichzeitig ein Karenzjahr für Angestellte mit 80 Prozent über das Arbeitslosengeld zu finanzieren. Ich weiß nicht, wie das funktionieren soll. Es wäre wirklich wünschenswert, wenn die Freiheitliche Partei einmal erläutern würde, wie sie für rund 600 000 Österreicherinnen und Österreicher im Angestelltenstatus ein Karenzjahr schaffen möchte, in dem 80 Prozent des Gehalts durch die Arbeitsmarktförderung ersetzt werden sollen. (Abg. Dr. Haider: Du hast schon gescheiter argumentiert!) Ich habe nur Punkt 14 deines eigenen Pressedienstes zitiert.

Meine Damen und Herren! Meiner Meinung nach ist zu hinterfragen, was die Freiheitliche Partei unter "mehr Zeitautonomie für Betriebe" versteht. Ich bin überzeugt, daß es sinnvoller ist, über neue Arbeitszeitformen nachzudenken, die einerseits die Beschäftigung absichern und andererseits auch den Standortvorteil in Österreich entsprechend weiterentwickeln.

Es geht darum, permanent geleistete Überstunden abzubauen. Ich weiß, wovon ich rede. Es ist gar nicht so leicht, das in den Betrieben durchzusetzen, denn der eine oder andere Mitarbeiter sagt: So nimmst du mir etwas von meinem Einkommen weg. Wenn wir aber nicht ausreichend Arbeit haben und die Arbeitslosenzahlen steigen, müssen wir meiner Meinung nach auch über diese Bereiche nachdenken. (Abg. Dr. Haider: Wie machst du das beim öffentlichen Dienst? Wie machst du das bei der Exekutive? Da müßt ihr neue Polizisten einstellen, aber ihr wollt ja abbauen!) Ich sage, man muß darüber nachdenken. Auch das wäre eine Möglichkeit, eine entsprechende Beschäftigungswirkung zu erzielen.

Ich persönlich bin überzeugt davon, daß Arbeitszeitverkürzung neu angedacht durchaus auch in Bildung umgesetzt werden kann.

Und weil hier so oft das Thema Teilzeitarbeit angesprochen wird, erlauben Sie mir auch dazu eine Bemerkung. Teilzeitarbeit kann für eine bestimmte Lebenszeit durchaus eine Arbeitszeitform sein. Wer sich aber die österreichische Statistik der Arbeitslosen ansieht, wird feststellen, daß im Gegensatz zu vor fünf Jahren immer mehr Alleinverdiener arbeitslos werden und in diesem Fall die Teilzeitarbeit nichts anderes bedeutet als das, was zum Beispiel im Vorjahr in Amerika publiziert worden ist, wo sich einer gerühmt hat: 7 Millionen neue Arbeitsplätze!, und hinter ihm stand einer und sagte: Ich habe leider drei davon. Es kann nicht das Ziel sein, daß die neue Arbeitswelt so aussieht, daß man mit einem Vollzeitarbeitsplatz nicht mehr auskommt, sondern drei, vier braucht, um überhaupt leben zu können.

Meine Damen und Herren! Vielleicht war das ein verräterischer Satz des Abgeordneten Haider –wenn ich ihn richtig verstanden habe –: Statistiken, die man selbst schreibt; Sparpaket der FPÖ; Programme, die man selbst schreibt. 1994: Punkt 2: Gemeinnützige Pflichtarbeit. Punkt 3: Arbeitsplatzschaffung in Niedriglohnbereichen. Punkt 6: Verwendungsstopp beim Arbeitsmarktservice. Punkt 10: Allgemeiner Sozialdienst. Punkt 11: Durchrechnungszeitraum bei der Arbeitszeitänderung. Punkt 17: Beamteneinstellungsstopp.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, es ist schon interessant, sich auch mit den Plänen der Freiheitlichen Partei auseinanderzusetzen. Man könnte das ja noch fortsetzen: Die Kollektivvertragspolitik sollte zugunsten einer Stärkung der autonomen Bertriebsvereinbarung zurückgedrängt werden, und auf Arbeitnehmerseite sollten sämtliche Lohn- und Preisverhandlungen ausschließlich durch die Betriebsräte oder gesetzlich legitimierte Organe und nicht durch den ÖGB erfolgen. – Nachzulesen beim Herrn Abgeordneten Brauneder, ein Artikel, "weil das Land sich ändern muß". (Abg. Dr. Haider: Du solltest etwas zu den Arbeitsplätzen sagen!) Du kannst es dir aussuchen, wem du was vorhältst. Auf der einen Seite hältst du uns vor, daß wir uns


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zuwenig mit dir beschäftigen, und wenn es unangenehm wird, beschäftigen wir uns zu genau mit dir. Das ist eben das Problem, das die Freiheitliche Partei immer wieder hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiter im neuen Programm der Freiheitlichen, dem 18-Punkte-Programm.

Punkt 6: Wohnbauoffensive. Hier wird verlangt, daß man die Rücklagen auflösen soll. Der steirische Landesrat Schmid, der nach meiner Information für Wohnbau und Blasmusik zuständig ist, brüstet sich, daß er doch nicht verrückt sei, ins Spitalsressort zu wechseln, denn er habe ja eine wirklich gute Rücklage von 1,5 Milliarden Schilling Wohnbauförderungsmitteln auf der hohen Kante. – Nachzulesen in den steirischen Blättern. Ich glaube, daß auch hier etwas nachzuholen wäre, wenn man Beschäftigungsinitiativen setzen will.

Wenn wir in Europa dafür kämpfen, daß Beschäftigung im Zusammenhang mit den Maastricht-Kriterien als gleichwertig betrachtet wird, dann dürfen wir nicht mit gespaltener Zunge reden. Rasch handeln setzt meiner Meinung nach auch voraus, daß man international gemeinsam handelt.

Ich glaube, wir müssen alles daransetzen, daß Beschäftigung vor Dividenden geht, daß wir für die Zukunft ein Klima schaffen, in dem wir die Chancen unserer Qualifikationspotentiale, aber auch der Betriebsstrukturen in Österreich nutzen können, daß wir eine Erleichterung der Finanzierung von entsprechenden Projekten vornehmen und daß wir Qualifikation vor allem als Zukunftsoption und nicht nur als Kostenfaktor sehen. Motivation für die Beschäftigung braucht kein Bündnis für Überschriften, sondern harte Arbeit im Detail, wenn es uns gelingen soll, Arbeit für alle zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Abgeordneter Dr. Haider hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet.

Herr Abgeordneter! Sie kennen die Geschäftsordnung. Ich bitte Sie, Ihre Berichtigung mit der Behauptung zu beginnen, die Sie berichtigen wollen. – Bitte.

18.35

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich berichtige die Aussage des Kollegen Verzetnitsch, daß ich jene Rücklagen gemeint habe (Abg. Verzetnitsch: Nicht Sie, der Landesrat Schmid!) , von denen Kollege Schmid in der Steiermark gesprochen hat. Ich spreche von den Rücklagen der Wohnbaugenossenschaften. Das sind jene Mittel, die die Wohnbaugenossenschaften als Eigenkapitalmittel angespart haben und die nicht Förderungsmittel sind, von denen etwa im "Wirtschaftsblatt" vom 24. Jänner 1996 der Chef der gemeinnützigen Wohnbauträger, der auch Ihr Parteifreund ist, selber zugibt, daß es ein Versäumnis der Politik ist, diese Eigenmittel nicht in das Förderungssystem eingebunden zu haben. Wenn das zur Bedingung gemacht werden würde, würden Milliarden mehr in den Wohnbau fließen und daher die Förderungsmittel verstärkt für noch mehr Wohnungen eingesetzt werden können. (Abg. Verzetnitsch: Wo ist die Klarstellung?)

Nachdem Kollege Verzetnitsch diesen Bericht kennt und auch seinen Genossen kennt, weiß er ganz genau, daß es sich hier um jene Maßnahmen handelt, die in Wirklichkeit dazu führen würden, allein dadurch Tausende Arbeitsplätze zu sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist der Abgeordnete Öllinger. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

18.36

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Alles, was über ein halbes Prozent Arbeitslosigkeit hinausgeht, ist unmoralisch. Dieser Satz wurde nicht in dieser Debatte gesagt, sondern er


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stammt vom britischen Arbeitsminister – auch nicht von jenem der konservativen Regierung, sondern von einem britischen Arbeitsminister aus den fünfziger Jahren.

Alles, was über ein halbes Prozent Arbeitslosigkeit hinausgeht! – Das sind harte Maßstäbe, meine Damen und Herren! Ich habe noch keinen Redner hier am Pult erlebt, der auch nur mit einem Wort das Thema Vollbeschäftigung angesprochen hätte. Es wurde viel über die Arbeitslosigkeit gesprochen, das gebe ich zu, aber über Vollbeschäftigung hat noch keiner gesprochen. (Abg. Koppler: Das haben sie dir überlassen!) – Danke, Kollege Koppler. Aber ich hätte mir eigentlich erwartet, daß auch sozialdemokratische Abgeordnete dazu reden. (Abg. Koppler: Es kommen ja noch welche!)

In den sechziger und siebziger Jahren galt die Formel: Vollbeschäftigung ist dann gegeben, wenn es nicht mehr als 3  Prozent Arbeitslose gibt. In einer Anfragebeantwortung an die Grünen hat Sozialminister Hums ebenfalls von 3 Prozent-Vollbeschäftigung gesprochen. Nur: Inzwischen sind die 3 Prozent andere 3 Prozent geworden. Das sind nicht mehr die alten 3 Prozent von etwa 100 000 oder etwas weniger Arbeitslosen. Die 3 Prozent Arbeitslosen sind auch nicht mehr jene nach den OECD-Richtlinien, sondern das sind inzwischen die nach den ILO-Richtlinien. Das heißt, 3 Prozent Arbeitslose sind in dieser Diskussion schon annähernd 200 000 Menschen. Das stört aber offensichtlich niemanden in diesem Land, denn 3 Prozent sind ja noch immer irgendwie erträglich. Wir haben uns in diesem Land anscheinend an vieles gewöhnt. Aber an eines sollten wir uns tatsächlich nicht gewöhnen: an die Arbeitslosigkeit und an die Tatsache, daß diese Arbeitslosigkeit noch weiter steigen wird.

Wenn ich mir näher ansehe, was in den letzten Monaten von den Wirtschaftsforschern gesagt wurde: Wir haben mit unseren knapp 300 000 Arbeitslosen im Jänner dieses Jahres noch lange nicht den Gipfel der Arbeitslosigkeit erreicht, sagen sie. Ein Schub droht auf dem Sektor Arbeitslosigkeit. Das hat Herr Wörgötter vom Institut für Höhere Studien bestätigt, das wurde schon im November vom Wifo bestätigt. Es wurde gesagt, es sei damit zu rechnen, daß wir noch weit mehr als diese derzeitigen Arbeitslosen, nämlich zwischen 8 und 9 Prozent Arbeitslosigkeit nach herkömmlicher österreichischer Zählung, wie wir sie noch vor ein paar Jahren gewohnt waren, bekommen werden. 8 bis 9, möglicherweise auch 10 Prozent!

Eines ist nämlich noch nicht in diese Berechnungen eingerechnet, und auch darüber wurde heute noch nicht gesprochen: Was passiert eigentlich dann, wenn das Sparpaket 1, dessen Auswirkungen erst jetzt spürbar werden, und das Sparpaket 2, dessen Auswirkungen wir vermutlich erst in den nächsten Monaten kennenlernen werden, greifen werden? Was passiert dann, wenn auf europäischer Ebene die Sparpakete aller europäischen Länder zu greifen beginnen, wenn nicht nur das Wachstum, sondern auch die Beschäftigungsraten in allen europäischen Ländern entsprechend sinken werden und die Arbeitslosigkeit hochschnellen wird?

Wifo-Chef Kramer hat schon im November gesagt, auf längere Sicht sei eine Annäherung an den europäischen Durchschnitt zu befürchten. – Meine Damen und Herren, was heißt denn das? Ist das ein Naturgesetz, gegen das wir uns nicht wehren können? Ist das das Gesetz der Angst, mit dem wir einfach zu rechnen haben, mit dem hier in diesem Land Politik gemacht wird, mit dem den Leuten erzählt wird: Es nützt ohnehin nichts, was sollen wir denn machen?, wie wir es in der Sendung "Zur Sache" am Sonntag ähnlich gehört haben: Was nützt es schon, sich dagegen zu wehren? Wir sind doch nur ein kleines Land, was können wir denn auf dem internationalen Sektor, auf internationaler oder auf europäischer Ebene ausrichten?

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen vorlesen, was hier in diesem blauen Büchlein (der Redner hält die EU-Broschüre "Das Buch" in die Höhe) zum Thema "Arbeitslosigkeit und EU" gestanden ist: "Die hohe Arbeitslosenrate in einigen Mitgliedstaaten der EG ist eine Folge der Wirtschaftspolitik dieser Länder und nicht der EG-Mitgliedschaft."

Nehmen Sie diesen Satz ernst, meine Damen und Herren, auch von der Regierung? – Dann müssen Sie sich selbst den Vorwurf machen, daß Sie in der Frage Beschäftigungspolitik, Arbeitslosigkeit versagt haben. Es ist nicht die EU, sondern es ist die Wirtschaftspolitik hier in diesem Land, und es sind damit Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, die die


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Verantwortung zu tragen haben, daß die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren so gestiegen ist, auf diese hohen Werte angestiegen ist und vermutlich in den nächsten Jahren noch weiter ansteigen wird.

Sie haben dafür die Verantwortung zu tragen und offensichtlich nicht die EU, oder Sie haben uns damals, als Sie dieses blaue Büchlein publiziert haben, etwas Falsches gesagt, denn damals ist auch in dem blauen Büchlein gestanden: "Das Wirtschaftsforschungsinstitut sagt für einen EG-Beitritt nach sechs Jahren 55 000 zusätzliche Arbeitsplätze voraus."

Meine Damen und Herren! Sie wissen doch alle genauso wie ich, daß diese 55 000 zusätzlichen Arbeitsplätze ungefähr so etwas sind wie das Blaue vom Himmel. Sie haben das einfach versprochen und wissen ganz genau, daß Sie das nicht einhalten können, daß Sie das nicht einhalten wollen.

Herr Präsident Maderthaner, der ja jetzt hier als Abgeordneter sitzt, hat gestern in der "ZiB 2" erklärt: Wir werden uns bei den Löhnen etwas einfallen lassen müssen, um innerhalb Europas konkurrenzfähig zu bleiben. Ich lese noch einmal aus dem blauen Büchlein vor, was da zum Thema "Löhne in Österreich" drinnen gestanden ist, Herr Präsident: "Mittelfristig wird in Österreich eine Erhöhung des Lohnniveaus eintreten." (Abg. Wabl: Originalzitat Maderthaner!)

"Mittelfristig"! Natürlich, Herr Präsident, mittelfristig heißt, die Erhöhung des Lohnniveaus muß erst in fünf Jahren passieren, aber, meine Damen und Herren, Sie wissen genauso wie ich, sie ist auch mittelfristig nicht in Sicht. Was wir hier in diesem Haus jetzt schon einige Zeit debattieren, das ist die Senkung der Lohnkosten. Und das ist das falsche Rezept. Es ist das völlig falsche Rezept, und Sie wissen genauso wie ich, daß die Lohnkosten allein keineswegs für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in diesem Land verantwortlich gemacht werden können.

Ich zitiere aus einem Kommentar in der "Presse" vom 27. Jänner: "Um zu wirklich effizienten Strategien zu kommen" – im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit –, "wird man sich die Arbeitsmarktsituation wohl ganzheitlich ansehen müssen." Und ein Wifo-Experte sagt dann: "Keine einzelne Ursache ist für den Anstieg der Arbeitslosigkeit in Europa verantwortlich." – Keine einzelne Maßnahme, keine einzelne Ursache. Es gibt auch kein Beispiel in der Wirtschaftsgeschichte, wo mit noch so drastischen Sparaktionen bei den Löhnen, im Budget eine Beschäftigungskrise hätte überwunden werden können. Im Gegenteil! Auch in der jetzigen Debatte um den Sparkurs in Europa warnen immer mehr Wirtschaftsforscher, immer mehr Wirtschaftsexperten davor, daß dieser drastische Sparkurs bei den Löhnen, im Budget, bei den Sozialausgaben nicht nur möglicherweise diesen europäischen Sozialstaat ruinieren wird, sondern auch die Konjunktur und damit die Beschäftigung in Europa noch weiter senken und das Wachstum zusammenhauen wird.

Die Regierung hier in diesem Land – abgesehen davon, daß Sie heute kein sehr mutiges Bild abgegeben und präsentiert haben, was Sie im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zu tun gedenken – will am falschen Ort sparen: bei den Ausgaben für die Arbeitslosen. Ja, die Arbeitslosigkeit steigt an in Österreich. Was ist das Rezept dieser Bundesregierung, das sie vor den Wahlen angeboten hat? – Kürzungen! Kürzungen bei den Arbeitslosengeldern, Kürzungen auch im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik.

Es ist auch eine Drohung, Herr Minister Hums, wenn Sie hier sagen, bei den Mitteln für die aktive Arbeitsmarktpolitik werde nicht gekürzt. Das ist eine Drohung angesichts der Tatsache, daß Österreich in Europa jenes Land ist, das auch in bezug auf seine Arbeitslosenquote die niedrigsten Ausgaben macht. Die niedrigsten Ausgaben! Ich lese aus dem letzten Wifo-Monatsbericht jetzt vom Jänner vor: "Die Gesamtausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik, gemessen am BIP, waren 1987 0,27 Prozent, 1994" – das liegt noch nicht so lange zurück – "0,22 Prozent."

In anderen Ländern wird für aktive Arbeitsmarktpolitik folgendes ausgegeben: in Dänemark 1,81 Prozent – das ist, auch gemessen an der Arbeitslosenrate, um einiges mehr –, in den Niederlanden 1,21 Prozent und in Schweden 2,95 Prozent. Das ist das Zehnfache für aktive


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Arbeitsmarktpolitik, obwohl die Arbeitslosenrate in diesen Ländern nicht das Zehnfache der österreichischen Rate beträgt.

Daher: Ein Nichtansteigen der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik ist in Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit hier in diesem Land ansteigt, kein gutes Versprechen, Herr Minister, es ist nur die Verwaltung des Status quo. Sie sagen, es wird nicht anders werden, wir bleiben bei diesem Stand, aber das ist zuwenig, Herr Minister!

Es geht auch nicht an – auch wenn das nicht Ihre Politik ist –, daß darüber diskutiert wird, bei den Arbeitslosen noch weiter einzusparen. Sie kennen die Debatte, Herr Minister. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten diese Debatte wieder präsentiert bekommen – wir haben es ja heute schon gehört hier in dieser Runde –, es wird wieder darüber diskutiert werden, daß die Ersatzrate für die Arbeitslosen zu hoch ist. Herr Haider hat ja auch in seinem Vorschlagskatalog drinnen, daß die Arbeitslosen eigentlich etwas weniger bekommen sollten.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, hier müssen tatsächlich Maßnahmen gesetzt werden. Herr Minister, warum haben Sie nicht den Mut, zu sagen: Die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik müssen erhöht werden!? Wir brauchen einen Beitrag – das haben Sie und andere Minister vor Ihnen immer wieder betont –, wir brauchen einen Beitrag von allen für aktive Arbeitsmarktpolitik, für aktive Arbeitsmarktförderung. Warum ist die Debatte über den Beitrag aller anderen Gruppen, die Debatte über den Solidarbeitrag, der von Beamten, von Freiberuflern, von Selbständigen geleistet werden sollte, abgeschlossen? Selbstverständlich brauchen wir diesen, wenn wir tatsächlich einen aktiven Beitrag zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit durch die Arbeitsmarktpolitik leisten wollen.

Und wir brauchen selbstverständlich Maßnahmen wie den Arbeitsurlaub – ähnlich wie in Dänemark –, weil sie Sinn machen, weil sie auch Zukunft bedeuten im Bereich des Arbeitsmarktes, weil es Sinn macht, das Arbeitsleben zu unterbrechen – entweder aus Bildungsgründen oder auch deshalb, weil man einfach nicht mehr kann. Wir erleben doch immer wieder und sehr häufig, daß die Leute darauf warten, diese Möglichkeit zu erhalten. Warum soll das Arbeitsleben nicht unterbrochen werden können? Warum soll nicht etwas mehr Flexibilität in den Arbeitsalltag hineinkommen? Und das ist auch finanzierbar. (Abg. Dr. Feurstein: Das müssen Sie aber erklären!)

Etwas mehr Skepsis ist angebracht bei dem, was Sie als einen großen Fortschritt anpreisen, was zwischen den Sozialpartnern offensichtlich auch bereits akkordiert ist: das Bonus-Malus-System. Das Bonus-Malus-System zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer halte ich, meine Damen und Herren, für keine besonders gute Idee. Ich würde mir wünschen, es könnte greifen, aber Sie wissen genauso wie ich: Es kann nicht funktionieren. Auch bei der Behinderteneinstellung hat die Ausgleichstaxe nicht gegriffen. Ich denke, ähnlich wie bei der Behinderteneinstellung wird auch dieser Bonus-Malus im Bereich der älteren Arbeitnehmer nicht greifen. Wenn jemand schon einen älteren Arbeitnehmer kündigen will, dann wird er ihn halt in Zukunft mit 49 3/4 Jahren kündigen und nicht mit 50 1/2 Jahren, wenn jemand schon Arbeitnehmer austauschen will, dann wird er vermutlich in Zukunft auf die 45jährige Frau – Herr Kollege Feurstein – zurückgreifen, denn die Frauen sind schon mit 45 Jahren aus dem Arbeitsmarkt ausgesteuert. Das wissen Sie genauso wie ich.

Ich denke nicht, daß diese Maßnahmen greifen können. Ich würde es mir wünschen. Ich würde mir aber auch wünschen, daß die Regierung und die politischen Parteien, die Sozialpartner hier mit etwas mehr Mut an die Sache herangehen und aktiv auch für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer werben, so wie das etwa in der Bundesrepublik gemacht wurde. Dazu braucht man nicht unbedingt eine Ausgleichstaxe, man braucht den Leuten nur zu sagen, welchen Wert ältere Arbeitnehmer in einem Betrieb darstellen können. Das wird nicht ausreichen, das ist mir auch klar, aber es ist ein Schritt nach vorne. Denn offensichtlich ist es in diesem Land kein Wert mehr, ältere Arbeitnehmer in einem Betrieb zu beschäftigen.

Eines muß ich auch noch zum Bonus-Malus sagen: Möglicherweise gelingt es Ihnen dadurch, ältere Arbeitnehmer in einem bescheidenen Ausmaß zu beschäftigen, aber wenn das nicht mit


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Beschäftigungspolitik verbunden ist, gegen wen wird dann der ältere Arbeitnehmer ausgetauscht? – Gegen den jüngeren! Schon jetzt ist im Vergleich der regionalen Arbeitslosenstatistiken der einzelnen Bundesländer beobachtbar, daß in jenen Bundesländern, in denen der Anteil älterer Arbeitnehmer an den Arbeitslosen sehr hoch ist, der Anteil jüngerer Arbeitnehmer an den Arbeitslosen sehr niedrig ist, während in den Bundesländern, in denen jüngere Arbeitslose sehr häufig sind, also eine hohe Quote erreichen, die älteren Arbeitnehmer eine sehr niedrige Quote haben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Feurstein. )

Natürlich sind diese Auswertungen – es gibt sie, Herr Kollege Feurstein, Sie sollten sie auch lesen – mit bedingter Vorsicht zu genießen, aber tatsächlich ist es so: Es findet ein Austausch von älteren gegen jüngere Arbeitnehmer statt.

Warum, meine Damen und Herren – um ein anderes Beispiel, eine andere Maßnahme aufzugreifen, die neben der aktiven Arbeitsmarktpolitik notwendig ist, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen –, warum ist – ausgenommen in dem Beitrag des Kollegen Peter vom Liberalen Forum, der das auch sehr verschämt und natürlich mit seiner liberalen Note gebracht hat – das Thema Arbeitszeitverkürzung noch in keiner Weise angesprochen worden? Nicht Arbeitszeitverkürzung in dem Sinn, als ob es hier darum ginge, bei vollem Lohnausgleich die vorhandene Beschäftigung abzusichern. Bei Arbeitszeitverkürzung und Arbeitsaufteilung kann es in Zukunft nur darum gehen, auch die Arbeitslosen wieder in Beschäftigung zu bringen.

Und das war Teil jenes Paktes für Beschäftigung, den die bundesdeutsche IG Metall vorgeschlagen hat. Das wollte sie einbringen und mit den Arbeitgebern ausverhandeln, und dazu hat es große Bereitschaft und eine Diskussion in der Bundesrepublik gegeben. Das ist das tatsächlich Umwälzende: daß eine Gewerkschaft zum ersten Mal bereit war, auch unter dem Aspekt, daß es Einbußen bei Löhnen geben wird, sich tatsächlich des Themas Arbeitsaufteilung auf alle und dadurch Schaffung neuer Beschäftigung anzunehmen. Das ist das tatsächlich Fortschrittliche an dieser Frage!

Warum können wir nicht zu einer besseren Verteilung von Arbeit in diesem Land kommen? Warum haben die einen gar keine Arbeit und dürfen nicht arbeiten, und die anderen kommen in Überstunden um? Das ist doch die Realität in diesem Land! Warum gelingt es nicht, Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, auch solche, die sozial verträglich sind? Jahresarbeitszeitverträge beispielsweise! Warum soll es nicht möglich sein, einen entsprechenden sozialen Begleitschutz zu schaffen, der es verhindert, daß sich die Leute in der Arbeit umbringen, wo aber trotzdem auch entsprechende Flexibilität vorhanden ist? Warum soll es in Österreich nicht möglich sein, neue Wege zu gehen und hier einen Schritt nach vorne zu machen und auf diesem Wege zu einem Abbau von Überstunden und zu einem Ende dieses unleidigen Hetzens nach Überstunden zu kommen?

Meine Damen und Herren! Vor einigen Tagen hat auch wieder ein Wirtschaftsforscher, Herr Geldner, gesagt: Die Verkürzung der Lebensarbeitszeit über die Pensionierungen ist mit hohen Kosten verbunden, und er hätte sich eigentlich gewünscht, daß schon vor Jahren, bevor mit dieser Frühpensionierungswelle begonnen wurde, der Weg in die Verkürzung der täglichen und der wöchentlichen Arbeitszeit gegangen worden wäre, weil es tatsächlich der billigere und wahrscheinlich auch der effektivere Weg gewesen wäre. Aber in Österreich ist dieser Weg zur Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit, zur Entwicklung von neuen Arbeitszeitmodellen mit einem Tabu verbunden, mit einem Tabu nicht nur von Wirtschaftsseite her, sondern auch die Gewerkschaftsseite traut sich dieses Thema offensichtlich nicht einmal mehr anzusprechen.

Zurück zum Thema Lohnkosten, weil es hier ja am häufigsten angezogen wurde. Die Lohnkosten sind zu hoch, vor allem die Lohnnebenkosten – das wurde immer wieder gesagt. Ich lese Ihnen einige Zitate vor:

Wirtschaftsforscher Guger: "Die Nullrunde löst Probleme nicht. Die Differenz" – und es ist auch eine Antwort auf den Herrn Haider – "zwischen den heimischen und den Ostlöhnen ist 10  1. Es nützt auch nichts und schützt auch nicht vor Abwanderung, wenn wir bei den Lohnnebenkosten


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sparen. Es nützt auch nichts und schützt nicht vor Abwanderung, wenn wir ein, zwei oder drei Nullohnrunden machen. Das ist noch immer zuwenig." (Zwischenruf des Abg. Haigermoser .)

Das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, Herr Kollege Haigermoser – aber es ist offensichtlich nicht Ihre vornehmste Aufgabe, solche Sachen zu lesen (Abg. Haigermoser: Danke, Herr Oberlehrer!) –, sagt über die deutschen Lohnkosten: "An den Löhnen liegt es nicht, vielmehr sei es die Währungsaufwertung gewesen, die der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen geschadet habe."

Immer noch verweise ich darauf: Eine Ursache allein war es nicht. Es ist auch nicht die Aufwertung der österreichischen Währung, weil wir ja verbunden sind im Währungsverbund, die allein Ursache ist, aber dennoch sei darauf hingewiesen, daß mindestens im selben Ausmaß, in dem Sie die hohen Löhne einklagen, es die Währungskosten sind, Herr Kollege Haigermoser, die Währungskosten durch den Währungsverbund, die tatsächlich zu diesen höheren Lohnkosten führen.

Der Chef des IHS, Bernhard Felderer, sagt, Herr Haigermoser, daß die häufig als zu hoch kritisierten Lohnkosten auch international nicht mehr das entscheidende Standortkriterium seien. Inzwischen mache der Personalaufwand auch nur mehr 26 Prozent der Gesamtkosten aus, Herr Haigermoser (Abg. Haigermoser: Ja bitte!) , wenn Sie das verstehen. 26 Prozent! Nur mehr zu einem geringen Teil sind die Lohnkosten tatsächlich verantwortlich für die Gesamtkosten eines Produktes. Und wesentlich sind in diesem Zusammenhang nicht die Lohnkosten, sondern die Lohnstückkosten. Die Lohnstückkosten, Herr Kollege Haigermoser! Da zählt auch die Produktivität. Auch die Produktivität müssen Sie da miteinrechnen. (Abg. Madl: Sie sprechen nicht vom Dienstleistungsbereich!) Sie müßten sich einmal mit diesen Denkmodellen auseinandersetzen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Herr Gunther Tichy, Professor für Volkswirtschaftslehre in Graz, sagt zur Debatte um die Lohnnebenkosten, Herr Kollege Haigermoser: "Die Diskussion um die Lohnnebenkosten geht mir bereits auf die Nerven" – das ist nicht von mir, das sagt Tichy –, "da es sich schließlich dabei um ein reines Rechenphänomen handelt." (Abg. Haigermoser: Weichen Sie nicht aus!) Und das ist tatsächlich so, das werden Sie auch feststellen können, Herr Kollege Haigermoser. (Abg. Haigermoser: Weichen Sie nicht aus, Herr Kollege!) Je nachdem, ob Sie bei den Lohnkosten Stundenkosten berechnen oder ob Sie Jahreskosten berechnen, kommt etwas ganz anderes dabei heraus. Es macht etwas ganz anderes aus, ob ich das 13. und 14. Gehalt in die Jahreskosten miteinrechne oder nicht. Bei den Stundenkosten ist das natürlich nicht dabei.

Ich meine, meine Damen und Herren vor allem von den Freiheitlichen, Sie müßten sich, bevor Sie mit Ihren großen Vorschlägen, mit dem Bündnis für Arbeitsplätze hinausgehen, tatsächlich überlegen, ob sie kompatibel sind mit Ihren anderen Vorstellungen zur Wirtschaftspolitik, die Sie in den letzten Monaten sehr häufig hier verbreitet haben. Was außer Ihren Versprechungen soll denn noch alles billiger werden, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen? Ich zähle Ihnen auf, was billiger werden soll (Abg. Haigermoser: Gute Vorschläge!) : die älteren Arbeitnehmer für die Dienstgeber, die Langzeitarbeitslosen durch billigere Einstiegslöhne, die Billiglohnkräfte durch Lohnzuschüsse – das ist ein Aspekt aus dem 46- oder 47-Punkte-Programm –, die jungen Arbeitnehmer im Dienstleistungsbereich durch Einführung eines uneingeschränkten Saisonniermodells ohne Quoten, alle Arbeitnehmer durch Zurückhaltung bei den Löhnen im Rahmen eines Lohn-Preis-Paktes, die Arbeitslosen durch die Erhöhung der Differenz zwischen Arbeitseinkommen und Arbeitslosenbezug und die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen durch Senkung der Kammerumlage.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Jetzt verstehe ich, was Herr Haider immer mit den "kleine Leuten" meint. Jetzt verstehe ich, was dahintersteckt. Er will die Leute tatsächlich klein machen. Das ist das, was Herr Haider meint, und das ist es, was Sie uns hier wirtschaftspolitisch verkaufen wollen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Was wir von Ihnen brauchen, sind nicht billige Versprechen, sondern Ideen. Ideen haben Sie keine gehabt. (Abg. Böhacker: Da sitzt die Re


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gierung!) Richtig, auch die Regierung! Auch die Regierung hat heute eigentlich durch Abwesenheit von Ideen geglänzt, denn es reicht nicht aus, bei Investitionen für die Zukunft einfach nur auf die Transeuropäischen Netze zu verweisen, auf die großen Technologien, durch die wir auch partizipieren werden in diesem Land, durch die in diesem Land Arbeitsplätze geschaffen werden. (Abg. Haigermoser: Was hast du für Vorschläge, Kollega?) Das reicht nicht aus. (Abg. Haigermoser: Sondern?) Ich sage es Ihnen, Herr Kollege Haigermoser, selbstverständlich!

Ich warne vor den großen Hoffnungen bezüglich der neuen Technologien! Ich warne vor den großen Hoffnungen bezüglich der harten Technologien! (Abg. Mag. Stadler: Zurück zur Kolchose!) – Ich kann dann noch weiterreden.

"Die Zeit" vom 6. 10. 1995 hat schon lange, bevor der amerikanische Telefonkonzern AT&T die Kündigung von 50 000 Arbeitskräften angekündigt hat, gesagt: "Hoffnungen auf neue Arbeitsplätze sind im Bereich der Telekommunikation verfrüht." Und man hat hinzugefügt: "Der fahrlässige Umgang mit Fakten weckt Hoffnungen, die nicht berechtigt sind."

Meine Damen und Herren! Unserer Meinung nach wäre der Schritt vorwärts eine umfassende Ökosteuer, und zwar durch die langfristige Anhebung der Energietarife. Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, sind uns die Erklärung schuldig geblieben, wie Sie das finanzieren wollen. Sie haben nur gesagt, daß Sie die Mehrwertsteuer senken wollen. Sie haben uns nicht gesagt, in welchem Ausmaß Sie den Benzinpreis tatsächlich erhöhen wollen – um 3 S, um 4 S? Wir haben uns das durchgerechnet: Nach Ihren Vorschlägen würde der Benzinpreis in etwa um 3 bis 4 S erhöht werden. 3 bis 4 S! Man soll das auch ehrlich sagen.

Wir anerkennen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, daß Sie sich hier und heute zu einer Erhöhung des Benzinpreises entschlossen haben, daß Sie auch diesen Weg gehen wollen, aber Sie sollten klar und deutlich sagen, daß Sie den Benzinpreis erhöhen wollen. Sie können dann nicht mehr bei den Autofahrern und bei den Tankstellenbesitzern die große Lobby, die Verteidiger des niedrigen Benzinpreises spielen, nur weil der Herr Meischberger zufällig Tankstellenbesitzer ist. Diese Zeit ist dann vorbei, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Sie müssen sich dazu bekennen, Sie müssen sagen, was Sie wirklich wollen in diesem Bereich.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Ich muß in 2 Minuten unterbrechen, damit wir die dringlichen Anfragen behandeln können. Bitte das zu berücksichtigen.

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend) : Wie wenig Sie die Umwelt im Blickfeld haben, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, das beweist ja schon allein die Tatsache, daß Sie mit der dringlichen Anfrage, die Sie hier eingebracht haben, eine dringliche Anfrage zum Thema Umwelt "abstechen". (Abg. Haigermoser: Was sind denn das für Worte?) Denn um nichts anderes ist es Ihnen ja im Vorfeld unserer dringlichen Anfrage gegangen.

Arbeitsplätze gegen Umwelt, das ist die Botschaft, die Sie hier und heute vermitteln. Das ist das "Konzept", für das Sie offensichtlich stehen, und da nützt Ihnen auch das Bekenntnis zu etwas Ökosteuer nichts. (Beifall bei den Grünen.)

Wie sehr Sie die Demokratie in diesem Haus "schätzen", das hat Ihr Parteiobmann Haider schon vor ein paar Tagen demonstriert, als er via Fernsehen erklärt hat, welche Anträge Sie heute einbringen werden, für die Sie um Unterstützung werben. Diese Anträge haben wir gerade erst erhalten! Bis jetzt haben Sie Ihre Anträge zurückgehalten. Sie waren nicht dazu imstande, sie an die Abgeordneten, die in wenigen Stunden darüber abstimmen sollen, zu verteilen. Vor ein paar Tagen schon hat Ihr Parteiobmann Haider diese Anträge angekündigt und dafür um Unterstützung geworben. Sie haben sie also schon vor ein paar Tagen gehabt. (Beifall bei den Grünen.)

19.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Wir haben die heutige Sitzung um 16.03 Uhr begonnen, daher unterbreche ich jetzt, um 19.03 Uhr, die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt.


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Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dolinschek und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Rekordarbeitslosigkeit (14/J)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr geschäftsordnungsgemäß – drei Stunden nach Beginn der Sitzung – zur Behandlung der beiden dringlichen Anfragen.

Als erstes rufe ich die schriftliche Anfrage 14/J auf. Diese Anfrage ist in der Zwischenzeit an alle Abgeordneten verteilt worden; es erübrigt sich daher eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Die Tatsache, daß die Budgetkonsolidierung oft versprochen und nie durchgeführt wurde, rächt sich jetzt bitter. Schon im OECD-Wirtschaftsbericht 1993-1994 wurde die österreichische Budgetpolitik kritisiert und festgestellt, daß zusätzliche budgetäre Maßnahmen notwendig sein werden, um den staatlichen Finanzierungsbedarf zurückzuführen und die Verschuldungsquote zu begrenzen. Darüber hinaus weist dieser Bericht auch die finanzpolitischen Versäumnisse der Bundesregierung bei der Defizitreduktion nach. So war die Fiskalpolitik im Zeitraum 1987 bis 1991, trotz des kräftigen Wirtschaftswachstums, weitgehend konjunkturneutral angelegt. In diesem Zeitraum wurde es demnach verabsäumt, das Budgetdefizit entscheidend zu reduzieren. Die Zwangsvorstellung der derzeitigen Bundesregierung, alles zu unternehmen, um den Untergang des österreichischen Schilling zu erreichen, erfordert entsprechende budgetäre Vorleistungen, die auch wegen der mutwillig abgebrochenen Budgetverhandlungen und dem damit herrschenden Budgetchaos zu dramatischen Arbeitsplatzverlusten führt. Die Korrektur der verfehlten SPÖ-Budgetpolitik der vergangenen Jahre soll jetzt allem Anschein nach auf Kosten der Arbeitnehmer durchgeführt werden. Die gesellschaftspolitischen Auswirkungen der jetzt herrschenden Rekordarbeitslosigkeit (allein 295 000 im Jänner 1996) sind der derzeit sozialistisch dominierten Bundesregierung offenbar völlig gleichgültig.

Der Ernst der derzeitigen wirtschaftlichen Situation drückt sich zum Beispiel in der Insolvenzstatistik aus. So betrugen die Insolvenzpassiva im Jahr 1995 mehr als 63 Milliarden Schilling (gefährdete Arbeitsplätze nahezu 30 000). (Im Gesamtjahr 1985 mußten Insolvenzpassiva von 11,5 Milliarden Schilling festgestellt werden.) Allein die Insolvenzen im Jänner 1996 lassen eine Verbesserung dieser Negativrekorde nicht erwarten.

Die dramatische Lage der österreichischen Wirtschaft wird durch folgende Beispiele deutlich aufgezeigt.

Die eindeutige Krisenbranche ist derzeit die Bauwirtschaft. Durch die schwache Baukonjunktur und wegen fehlender Infrastrukturaufträge (Budgetchaos) hat die Baubranche übermäßig zu leiden. Die drastische Reduktion der Infrastrukturausgaben führt zu einer Rekordarbeitslosigkeit von nahezu 100 000 Bauarbeitern im Winter 1995/1996. Das Wifo erwartet für das Jahr 1996 einen Rückgang des Bauproduktionswertes im Ausmaß von rund 1,5 Prozent, und für das Jahr 1997 ist zu befürchten, daß der Bauproduktionswert sogar um mehr als 2 Prozent sinken wird. Es muß daher im Bereich der Bauwirtschaft mit einer Sockelarbeitslosigkeit von mehr als 10 Prozent gerechnet werden.

Die schlechte Verhandlungsführung der österreichischen Bundesregierung bei den EU-Beitrittsverhandlungen verunmöglichte mit dem EU-Beitritt nahezu alle Japan-Exporte von österreichischen Automobilzulieferern. Betrug das Exportvolumen in Spitzenjahren rund 4,3 Milliarden Schilling, so sind jetzt lediglich Exporte in der Größenordnung von knapp 1 Milliarde Schilling möglich. Eine weitere Abschwächung des Japan-Geschäfts wird durchaus erwartet. Betroffene Arbeitsplätze: direkt rund 3 500 und in weiterer Folge rund 7 000 (zumeist in Problemregionen). Eine der am schwersten betroffenen Firmen ist Semperit. Der Vorstandschef der Semperit Reifen AG rechnet mit einem Totalausfall des Japanexports im Jahr  1997.

Der dafür Hauptverantwortliche Bundesminister Dr. Schüssel ließ dazu im Parlament am 18. 04. 1994 verlauten:


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"Trotz harter Konkurrenzsituation mit Betrieben in der EU ist es bei den Verhandlungen mit der Europäischen Union einerseits und in Gesprächen mit der japanischen Wirtschaft andererseits gelungen, sicherzustellen, daß die österreichischen Exportquoten nach Japan voll beibehalten werden."

Als weitere Branche, die der EU-Beitritt in große Schwierigkeiten brachte, ist die Nahrungsmittelindustrie zu nennen. Betriebsschließungen, drastische Personalreduktionen, deutliche Rückgänge der Produktion und die Notwendigkeit, weitere 10 000 Arbeitsplätze innerhalb der nächsten vier Jahre abzubauen, zeigen den dramatischen Zustand der heimischen Nahrungs- und Genußmittelindustrie deutlich auf.

Eine weitere Belastung für den Arbeitsmarkt werden die Rationalisierungsmaßnahmen im Bereich der österreichischen Banken bringen. Es ist zu befürchten, daß in den nächsten Jahren im Bereich der Banken rund 15 bis 20 Prozent der rund 70 000 Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren werden.

Der Zustand der österreichischen Wirtschaft ist also durch Insolvenzrekorde und eine Rekordarbeitslosigkeit gekennzeichnet. Da es die erklärte Absicht der derzeitigen Bundesregierung ist, die Konvergenzkriterien auf Biegen und Brechen zu erfüllen, muß auch für die Zukunft mit weiteren Pleitenrekorden und einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit gerechnet werden. Aus gesellschaftspolitischen Überlegungen sind jedoch weder Insolvenzrekorde noch die damit einhergehende Rekordarbeitslosigkeit tragbar. Die österreichische Bundesregierung war jedoch bisher nicht willens, durch entsprechende Maßnahmen für eine Verbesserung der angespannten wirtschaftlichen Lage zu sorgen. Auch von der wirtschaftspolitischen Koordinierungskompetenz des Bundeskanzlers konnte bisher nichts festgestellt werden. Es ist offensichtlich, daß sich Bundeskanzler Dr. Vranitzky dieser Koordinierungskompetenz nicht bewußt ist.

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler nachstehende

dringliche Anfrage:

1. Wann und in welcher Form haben Sie von Ihrer wirtschaftlichen Koordinierungskompetenz Gebrauch gemacht und welche konkreten Erfolge konnten Sie erreichen?

2. Welche Maßnahmen wollen Sie setzen, um eine Verbesserung der angespannten wirtschaftlichen Lage zu erreichen?

3. Welche finanziellen Aufwendungen werden diesbezüglich notwendig sein?

4. Welche diesbezüglichen Steuer- beziehungsweise Abgabenerhöhungen sind geplant?

5. Ist beabsichtigt, diesen Finanzbedarf durch Kreditfinanzierung zu decken?

6. Welche Arbeitslosenzahlen erwarten Sie für das Jahr 1996 und 1997?

7. Welche volkswirtschaftlichen und budgetären Belastungen müssen durch diese Rekordarbeitslosigkeit erwartet werden?

8. Wie sollen diese Kosten finanziert werden?

9. In welchen Bereichen wollen Sie die Ausgaben reduzieren?

10. Wollen Sie die ständig steigende Anzahl der Frühpensionierungen reduzieren?

Wenn ja, wie?

11. Welche Maßnahmen haben Sie bisher gesetzt beziehungsweise werden Sie setzen, um die Pleiterekorde einzudämmen?


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12. Welche Auswirkungen sehen Sie aus dem nicht verhinderbaren Zuzug von "Billigarbeitskräften" aus dem südlichen EU-Raum auf den sozialen Frieden, das Lohnniveau und die Arbeitslosigkeit in Österreich?

13. Welchen rechtlichen Charakter hat Ihrer Meinung nach die Ermächtigung des Verkehrsministers zur Aufnahme von 60 Milliarden Schilling durch den Finanzminister?

14. Auf welcher gesetzlichen Basis ist es dem Verkehrs- beziehungsweise Finanzminister ohne Befassung des Parlaments möglich, Kreditermächtigungen beziehungsweise Haftungszusagen für Bahnbauprojekte der ÖBB zu geben?

15. Welche Maßnahmen wollen Sie treffen, um auf den Konsolidierungspfad zurückzukehren?

16. Wie viele zusätzliche Arbeitsplatzverluste müssen erwartet werden, wenn die EU-Wettbewerbskommission den Milliardenzuschuß der AT an die HTM-Gruppe verhindert?

17. Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung wann setzen, um die Attraktivität Österreichs als Wirtschaftsstandort erheblich zu verbessern?

18. Besteht die Absicht, die Japan-Exporte der österreichischen Kfz-Zulieferindustrie zu erhöhen?

Wenn ja, wann und wie werden Sie dies erreichen?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des § 93 Abs. 4 der GOG des Nationalrates dringlich vor Eingang in die Tagesordnung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile nunmehr Herrn Abgeordneten Dolinschek als erstem Fragesteller das Wort zur Begründung dieser Anfrage. Ich mache darauf aufmerksam, daß nach der Geschäftsordnung Ihre Wortmeldung 40 Minuten nicht überschreiten darf. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. (Abg. Koppler: Der große Auftritt des Dolinschek!)

19.04

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Feiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Wirtschaftsprognosen für Österreich sind schlecht. Es ist keine Steigerung zu erwarten, im Gegenteil: Die Wirtschaftsprognosen wurden in den vergangenen Monaten immer wieder nach unten revidiert. Eine Pleitenwelle überrollte Österreich schon in den vergangenen Jahren, und die Situation spitzt sich jedes Jahr mehr zu. Viele Betriebe sind von Insolvenzen betroffen, die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist prekär. Wir haben in Österreich die höchste Arbeitslosenrate seit Kriegsende zu verzeichnen. Der Beschäftigtenstand, sehr geehrte Damen und Herren, der in den vergangenen Jahren noch leicht angestiegen ist – im Gegensatz zur rasch steigenden Arbeitslosigkeit –, wird laut Prognosen in den nächsten Jahren eher sinken und nicht mehr steigen.

Im vergangenen Jahr – 1995 – sank die Zahl der Industriebeschäftigten um rund 2 Prozent. Die meisten Jobs gingen in der Bekleidungsindustrie verloren, nämlich zirka 10,5 Prozent. Und die Gesamtzahl der Industriebeschäftigten in Österreich, die seit dem Jahre 1980 bei knapp 670 000 lag, ging damit erstmals auf unter 500 000 zurück, und zwar auf zirka 460 000.

In der krisengeschüttelten Bauwirtschaft gingen im vorigen Jahr 7,9 Prozent der Arbeitsplätze verloren, und die Aussichten dieser Branche für das heurige Jahr sind noch trister. Denn wenn man den Aussendungen der Wirtschaftskammer Glauben schenken darf, befürchtet diese für das heurige Jahr neuerlich einen Gesamtrückgang um 15 000 bis 20 000 Beschäftigte in dieser Branche. Und neben der steigenden Arbeitslosigkeit in der Textil-, der Nahrungs- und Genußmittelindustrie sowie einer enormen Arbeitslosigkeit auf dem Bausektor prognostiziert das Wifo


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eine zusätzliche Belastung des Arbeitsmarktes auch im Agrarbereich, aus dem rund 7 000 Arbeitssuchende zu erwarten sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erinnern uns alle an die Werbung vor dem EU-Beitritt: "Der Aufschwung muß allen zugute kommen!", das hat seinerzeit unser Bundeskanzler plakatieren lassen. Wo es bei Anpassungsproblemen Schwierigkeiten gibt, werde die SPÖ dafür sorgen, daß die negativen Effekte abgefedert werden. Der Herr Bundeskanzler hat versprochen, daß niemand im Stich gelassen werde. Österreich werde seine Vorreiterrolle als mustergültiger Wohlfahrtsstaat bewahren und ausbauen können. – So Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky.

"Jetzt rasch Arbeitsplätze schaffen", versprach unser Herr Bundeskanzler den Österreichern im Wahlkampf 1995. Tatsache ist, sehr geehrte Damen und Herren, daß es mit zirka 300 000 Arbeitslosen einen negativen Rekord seit den fünfziger Jahren in Österreich gibt. Die Tendenz ist steigend. Die Arbeitslosenquote könnte sogar über das EU-Niveau von 10 Prozent steigen, denn der Kampf um die Erreichung der Maastricht-Kriterien erhöht zusätzlich den Rationalisierungsdruck in Österreich und verschärft damit die kritische Situation des österreichischen Arbeitsmarktes.

So gehen etwa durch die Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst – bei der Post werden bis Ende 1998 zirka 6 000 Arbeitsplätze abgebaut, 2 000 pro Jahr – weitere Tausende Arbeitsplätze verloren. Im Finanz- und Dienstleistungssektor, also bei den Banken und Versicherungen, sind durch Wettbewerbsdruck 17 000 Arbeitsplätze in Gefahr. Beim Handel hat der Kostendruck bereits voll eingesetzt. Allein in der Lebensmittelbranche gingen in den ersten fünf Monaten des Vorjahres 2 500 Arbeitsplätze verloren. Eine dramatische Entwicklung ist vor allem in der Industrie zu erwarten: Experten prophezeihen eine Reduktion der 460 000 Arbeitsplätze um 120 000 in den nächsten zehn Jahren.

Wenig Arbeit auf mehr Leute verteilen, lautet ein Slogan der Sozialisten in Österreich. (Abg. Verzetnitsch: Nicht nur dieser!) Ich sage: mehr Arbeit schaffen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Verzetnitsch! Du hast vorher hier heraußen gesagt, die österreichischen Arbeitnehmer verdienen etwas zuwenig, es muß die Arbeit, die es gibt, auf mehr Leute aufgeteilt werden, etwa durch Umschulungen und so weiter. Das ist alles gut und schön, aber die österreichischen Arbeitnehmer sehen das etwas anders. Da geht es nämlich um ihr Einkommen. Die Überstundenzuschläge werden heute massiv besteuert, sodaß die Leute nicht mehr bereit sind, länger zu arbeiten. (Abg. Verzetnitsch: Permanente Überstunden!) Sie wollen aber mehr verdienen, also sind sie gezwungen, in der Freizeit im Pfusch zu arbeiten, um ein Einkommen zu erlangen, das sie auf ihrem geregelten Arbeitsplatz eben nicht mehr verdienen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn die Leute mehr Geld verdienen, dann gibt es auch eine größere Kaufkraft in Österreich. Das Geld, das die Arbeitnehmer verdienen, stecken sie wiederum in die Wirtschaft. Wofür braucht denn jemand mehr Einkommen? – Um sich ein Eigenheim zu bauen, die Wohnung neu einzurichten, eine Familie zu gründen, sich irgend etwas anzuschaffen. (Abg. Verzetnitsch: Ordentlichen Lohn, keine Billiglohnländer!) Das ist schon richtig, aber es ist auf jeden Fall eine Tatsache, daß in der Vergangenheit durch geringere Arbeitszeit keine neuen Arbeitsplätze geschaffen wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Sozialminister hat vorhin in seinen Ausführungen bemerkt, das Arbeitsmarktservice sei neu gestaltet, umgestaltet worden, es wäre viel effizienter als früher. Und er hat wortwörtlich gesagt: Es arbeitet jetzt völlig unbürokratisch. Indirekt hat er damit zugegeben, daß die Arbeitsmarktverwaltung früher aufgebläht war und bürokratisch gearbeitet hat. Ich habe bisher von dieser Veränderung noch nichts gemerkt. Die Arbeitslosenrate ist steigend, und ich habe noch nicht gehört, daß mehr Arbeitslose vermittelt worden wären, seit es das neue Arbeitsmarktservice gibt. Die dafür Zuständigen in der Bundesregierung – inklusive Bundeskanzler und Sozialminister – haben Handlungsbedarf, um diesen Mißstand hintanzuhalten.

Die Arbeitslosenrate beträgt heute saisonbedingt – nach den EU-Kriterien, nach ILO-Kriterien – 4 Prozent, das hat der Sozialminister vorhin bestätigt. Nach der österreichischen Messung


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wären es 8 Prozent. Ich erinnere Sie an die Zeit, als Kreisky Bundeskanzler war: Er hat bei einer 2prozentigen Arbeitslosenrate nach österreichischer Messung den Staatsnotstand ausgerufen und gesagt, jeder Arbeitslose sei um einen zuviel, jeder Arbeitslose komme uns zu teuer. Und heute wird eine Arbeitslosenrate von 8 Prozent einfach unter den Tisch gekehrt, das sei alles halb so wild. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundesregierung hätte längst reagieren müssen. Der Sozialminister sagt: Wir haben schon im Vorjahr reagiert. Das ist um ein paar Jahre zu spät, sehr geehrte Damen und Herren! Und wenn gesagt wird, man hätte gemeinsam mit den Sozialpartnern Maßnahmen ergriffen, um ein Ansteigen der Arbeitslosenrate zu verhindern, so muß ich Sie angesichts der heutigen Zahlen, der heutigen Statistik fragen: Wo denn? Ich habe von all dem nichts gemerkt, vor allem nicht in Anbetracht der Zahlen und der Statistiken, die uns vorliegen.

Der Herr Sozialminister hat vorher auch das Anheben des tatsächlichen Pensionsantrittsalters erwähnt. (Abg. Koppler – ein Schriftstück zeigend –: Im internationalen Vergleich!) Ja, im internationalen Vergleich. Österreich will ein Wohlfahrtstaat sein. Und wo sind wir? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir wollen Vorreiter sein, wir wollen besser sein als die übrigen, wir wollen uns nicht nach negativen Vorbildern orientieren, sondern nach positiven.

Kollege Koppler! Das ist doch unrealistisch, was du hier vorbringst. Das ist doch negativ besetzt, was du da in den Händen hältst! Wir müssen nach Höherem streben (Beifall bei den Freiheitlichen – Heiterkeit bei der SPÖ) – selbstverständlich! – und nicht länger jenen nacheifern, die eine viel höhere Arbeitslosenrate haben als wir in Österreich. Das kann doch nicht der Sinn sein!

Das Anheben des tatsächlichen Pensionsantrittsalters, sehr geehrte Damen und Herren, von 35 auf 37 Versicherungsjahre – der Herr Sozialminister hat das vorhin angeschnitten – ist meiner Meinung nach völlig danebengegriffen. Wir haben ein gesetzliches Pensionseintrittsalter von 65 Jahren. Man müßte einmal darüber nachdenken, daß es Leute gibt, die mit dem 14. Lebensjahr ins Erwerbsleben einsteigen, ab dem 14. Lebensjahr Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Wenn diese im Erwerbsleben bleiben, dann haben sie mit 60 Jahren bereits die 45 Versicherungsjahre nach dem ASVG erreicht. Wieso soll so jemand bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter von 65 Jahren arbeiten müssen? Das sehe ich überhaupt nicht ein. So jemand müßte die Möglichkeit haben, schon früher in Pension gehen zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Verzetnitsch: Wer verlangt das?)

Die Kriterien für den Pensionsantritt müßten sich daran orientieren, wieviel Versicherungsjahre jemand im Erwerbsleben erworben hat, damit löst sich das Problem nämlich von selbst. Und es müßte auch jedem, der schwer körperlich gearbeitet hat und gewisse Muskel- oder Skelettschäden hat, die Möglichkeit gegeben werden, mit dem 55. Lebensjahr in Pension zu gehen, wenn er bereits die entsprechenden Jahre erreicht hat – mit einem gewissen Abschlag oder Zuschlag, keine Frage.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Sozialminister hat vorhin auch gemeint, die Budgetkonsolidierung sei unbedingt notwendig, um den Wirtschaftsstandort Österreich weiterhin attraktiv zu halten. Selbstverständlich stimmen wir mit ihm in dieser Frage überein. Tatsache ist aber, daß diese Budgetkonsolidierung sehr, sehr oft zwar versprochen, aber nie durchgeführt wurde. Und das rächt sich jetzt bitter. Schon in den OECD-Berichten von 1993 und 1994 wurde die österreichische Budgetpolitik kritisiert und festgestellt, daß zusätzliche budgetäre Maßnahmen notwendig sein werden, um den staatlichen Finanzierungsbedarf zu reduzieren und die Verschuldungsquote zu begrenzen.

Darüber hinaus weisen diese Berichte auch finanzpolitische Versäumnisse der österreichischen Bundesregierung bei der Defizitreduktion nach. So war die Fiskalpolitik während des Zeitraumes von 1987 bis 1991 trotz des kräftigen Wirtschaftswachstums weitgehend konjunkturneutral. In diesem Zeitraum wurde es demnach verabsäumt, das Budgetdefizit entscheidend zu reduzieren. Diese Zwangsvorstellung der jetzigen Bundesregierung, alles zu unternehmen, um den


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Untergang des österreichischen Schilling feiern zu können, erfordert entsprechende budgetäre Vorleistungen, da die mutwillig abgebrochenen Budgetverhandlungen und das dadurch herrschende Budgetchaos zu dramatischen Arbeitsplatzverlusten geführt haben.

Eine Korrektur der verfehlten sozialistischen Budgetpolitik der vergangenen Jahre soll jetzt allem Anschein nach auf Kosten der österreichischen Arbeitnehmer durchgeführt werden. Die gesellschaftspolitischen Auswirkungen der jetzt herrschenden Rekordarbeitslosigkeit – ich habe es schon erwähnt: allein im Jänner 295 000 Arbeitslose – sind der jetzigen Bundesregierung, die sozialistisch dominiert ist, offenbar völlig gleichgültig.

Der Ernst der derzeitigen wirtschaftlichen Situation drückt sich auch in der Insolvenzstatistik aus. So betrugen die Insolvenzpassiva im Jahr 1995 mehr als 63 Milliarden Schilling; es waren 30 000 Arbeitsplätze gefährdet. Diese Pleitenwelle, sehr geehrte Damen und Herren, rollt aber auch heuer ungebrochen weiter. Gab es bereits im Vorjahr einen neuen Nachkriegsrekord, so dürfte sich diese Horrorentwicklung auch heuer kaum abschwächen. Sogar der mit den Prognosen stets extrem vorsichtige Kreditschutzverband von 1870 geht für 1996 von Passiva in der Höhe von mindestens 40 Milliarden Schilling aus, was – den "Konsum" mit 26 Milliarden Schilling Verbindlichkeiten herausgerechnet – eine deutliche weitere Steigerung der Passiva bedeutet. Die dramatische Lage der österreichischen Wirtschaft wird durch folgende Beispiele ganz deutlich aufgezeigt.

Eine eindeutige Krisenbranche ist jetzt die Bauwirtschaft. Durch die schwache Baukonjunktur und wegen fehlender Infrastrukturaufträge aufgrund des Budgetchaos hat die Baubranche übermäßig zu leiden. Die drastische Reduktion der Infrastrukturausgaben führte zu einer Rekordarbeitslosigkeit von nahezu 100 000 Bauarbeitern im Winter 1995/96, und das Wifo erwartet für das Jahr 1997 einen Rückgang der Bauproduktion im Ausmaß von zirka 1,5 Prozent. Für das Jahr 1997 ist auch zu befürchten, daß der Bauproduktionswert sogar um mehr als 2 Prozent sinken wird. Es muß daher im Bereich der Bauwirtschaft mit einer Sockelarbeitslosigkeit von mehr als 10 Prozent gerechnet werden. Und wenn das eintritt, dann haben das Sie, Herr Bundeskanzler, und diese Bundesregierung zu verantworten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die schlechte Verhandlungsführung der österreichischen Bundesregierung bei den EU-Beitrittsverhandlungen zeigt sich nach dem EU-Beitritt auch bei nahezu allen Japan-Exporten. Hat das Exportvolumen von österreichischen Automobilzulieferern in Spitzenjahren 4,3 Milliarden Schilling ausgemacht, so sind jetzt lediglich Exporte in einer Größenordnung von knapp 1 Milliarde Schilling möglich. Eine weitere Abschwächung des Japangeschäftes wird erwartet, wodurch wieder Arbeitsplätze gefährdet werden, und zwar direkt zirka 3 500, und in weiterer Folge ist damit zu rechnen, daß 7 000 Arbeitsplätze gefährdet sind, und das zumeist in Problemregionen.

Eine der in dieser Hinsicht am schwersten betroffenen Firmen ist sicherlich Semperit. Der Vorstandschef der Semperit Reifen AG rechnet mit einem Totalausfall des Japan-Exports im Jahre 1997. Das hat uns der EU-Beitritt aufgrund der Tatsache, daß wir nicht darauf vorbereitet waren, gebracht, sehr geehrte Damen und Herren!

Der dafür hauptverantwortliche Bundesminister Dr. Schüssel ließ dazu hier im Hohen Haus am 18. April 1994 verlauten – ich zitiere –: "Trotz harter Konkurrenzsituation in Betrieben in der EU ist es bei den Verhandlungen mit der Europäischen Union einerseits und in Gesprächen mit der japanischen Wirtschaft andererseits gelungen, sicherzustellen, daß die österreichischen Exportquoten nach Japan voll beibehalten werden." – Er hat also somit Ihnen hier im Hohen Haus, der österreichischen Bevölkerung und den Betroffenen im Prinzip die Unwahrheit gesagt.

Eine weitere Branche, die der EU-Beitritt in große Schwierigkeiten gebracht hat, ist die Nahrungs- und Genußmittelindustrie. Betriebsschließungen, drastische Personalreduktionen, deutliche Rückgänge der Produktion und die Notwendigkeit, weitere zehntausend Arbeitsplätze innerhalb der nächsten vier Jahre abzubauen, zeigen den dramatischen Zustand der heimischen Nahrungs- und Genußmittelindustrie ganz deutlich auf.


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Eine weitere Belastung für den Arbeitsmarkt werden auch die Rationalisierungsmaßnahmen im Bereich der österreichischen Banken bringen. So werden in den nächsten Jahren im Bankenbereich 15 bis 20 Prozent der rund 70 000 Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren.

Die österreichische Wirtschaft ist durch Insolvenzrekorde und durch Rekordarbeitslosigkeit gekennzeichnet. Da es die erklärte Absicht der derzeitigen Bundesregierung ist, die Konvergenzkriterien auf Biegen und Brechen zu erfüllen, muß auch in Zukunft mit weiteren Pleiterekorden gerechnet werden.

Aus gesellschaftspolitischen Überlegungen sind jedoch weder Insolvenzrekorde noch die damit einhergehende Rekordarbeitslosigkeit für uns tragbar. Die österreichische Bundesregierung war bisher nicht willens, durch entsprechende Maßnahmen, die wir immer wieder eingefordert haben, für eine Verbesserung der angespannten wirtschaftlichen Lage zu sorgen. Auch von Ihrer wirtschaftspolitischen Koordinierungskompetenz, Herr Bundeskanzler, war bisher kaum etwas bemerkbar. Es ist offensichtlich, daß Sie sich, Herr Bundeskanzler, dieser Koordinierungskompetenz gar nicht bewußt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zur Beantwortung dieser Anfrage hat sich nunmehr der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. – Herr Bundeskanzler, ich bitte Sie, die an Sie gestellten Fragen zu beantworten.

19.24

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beantworte die an mich gestellten Fragen folgendermaßen:

Zur Frage 1:

Ich habe, seit ich Bundeskanzler bin, immer von meiner wirtschaftspolitischen Koordinierungskompetenz Gebrauch gemacht. Wenn Österreich heute nach allen Statistiken das drittreichste Land der Union ist, wenn wir die geringsten Preissteigerungsraten seit Jahren haben und wenn sich unsere Arbeitslosenrate – trotz verschärfter Bedingungen – im internationalen Vergleich relativ günstig ausnimmt, dann ist das, so meine ich, sicher das Verdienst der Arbeit und des Fleißes der Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn die Anfragesteller aber meinen, daß die Koordinierungskompetenz des Bundeskanzlers ein wichtiger Faktor in der Wirtschaftspolitik ist, dann werde ich sie nicht daran hindern. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Fragen 2 bis 5:

Damit die Beschäftigungslage in Österreich weiterhin so günstig bleibt wie bisher und damit die Prognosen, die eine höhere Arbeitslosenrate erwarten lassen, nicht wahr werden, wird die Bundesregierung neue Beschäftigungsimpulse setzen. Zwei meiner Kabinettskollegen haben heute ausführlich darüber berichtet und dazu Stellung genommen.

Bei der von mir initiierten Aktion "Arbeit für alle" handelt es sich um budgetschonende Maßnahmen, die erstens neue Arbeitsplätze schaffen sollen und zweitens zu mehr registrierter Arbeit und weniger Schwarzarbeit führen werden. Weiters soll eine gerechtere Verteilung der Arbeit zu einer höheren Beschäftigtenzahl führen.

Meine Damen und Herren! Wir werden die nächste Etappe einer Exportoffensive starten und wollen das Exportvolumen bis zum Jahr 2000, also in dieser Gesetzgebungsperiode, um 100 Milliarden Schilling erhöhen. Damit könnten 50 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Ich füge gleich hinzu, daß wir auch einen Rückstand aufzuholen haben. Wir exportieren zurzeit ungefähr 22 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes. Das ist ein – im internationalen Vergleich – für ein hochentwickeltes Industrieland zu niedriger Prozentsatz. Mit diesen 100 Milliarden plus sollte es gelingen, auf ungefähr 25 Prozent zu kommen.


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Daher werden wir die bisher erfolgreiche Strategie zur Ansiedelung großer exportintensiver und technologieintensiver Unternehmen fortsetzen, und wir werden erfolgreichen kleineren und mittleren Unternehmen einen besseren Zugang zu Marktchance, Koordinierung und Eigenkapital ermöglichen. Wir haben diesbezüglich sehr, sehr erfolgversprechende Gespräche aufgenommen, und wir werden dies zu guter Zeit auch hier im Hohen Haus in Ausschüssen konkret zu beraten haben. So soll zum Beispiel der Aufbau von Venture Capital-Fonds mit Unterstützung der Finanzierungsgarantiegesellschaft beschleunigt werden. Eine klare Schwerpunktsetzung in der Förderpolitik wird auch zu stärkeren Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, zu einem Innovationsschub und zu einer höheren Präsenz auf den Wachstumsmärkten auch für kleinere und mittlere Exporteure führen.

Schließlich werden die legistischen Veränderungen im Bereich der Exportförderung, die hier im Hohen Haus Ende 1995 – also vor wenigen Wochen – beschlossen wurden, in die Praxis umzusetzen sein.

Verehrter Herr Abgeordneter Peter, der Sie in Ihrer Wortmeldung darauf Bezug genommen haben: Das sind konkrete Maßnahmen – und nicht Ankündigungen. Wenn Sie meinen, die Bundesregierung hätte in den letzten Jahren für die Unternehmen und die Wirtschaft zu wenig übrig gehabt, so möchte ich sagen, daß ich mich einer solchen Diskussion gern stelle. Ich erinnere aber an die zwei Etappen der Steuerreform, in denen insbesondere die Unternehmensbesteuerung maßgeblich herabgesetzt wurde, wodurch eine wesentliche Voraussetzung für intensives Investieren in Österreich geschaffen wurde. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich habe mit der Exportoffensive deshalb begonnen, weil in diesem Bereich nicht nur noch erhebliches Potential zu holen ist, wie ich sagte, sondern weil das auch budgetschonende Maßnahmen sind und weil damit nicht nur Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch das Handelsbilanzdefizit verringert werden kann.

Darüber hinaus werden wir trotz des konsequenten Budgetkurses einen neuen Schritt in Richtung Infrastruktur, Modernisierung unserer Infrastruktur, und zwar in einem europäischen Zusammenhang, setzen. Investitionen in den Bereichen Verkehr, Umwelt, Energie und Telekommunikation verbessern die Qualität des Wirtschaftsstandortes und erhöhen die Chancen für Betriebsansiedelungen und Beschäftigung.

Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Konjunkturbelebung soll von einer Liberalisierung im Gewerberecht ausgehen sowie durch Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Zuge von Betriebsgründungen und -erweiterungen erfolgen.

Herr Abgeordneter! Sie haben heute gesagt, das hören Sie schon so lange, daß Sie es schon fast nicht mehr hören können. Aber ich muß betonen, da sind immer wieder Anläufe zu nehmen, und wir haben jetzt auch einen sehr konkreten vor. Im Zuge der Budgetverhandlungen zwischen Bund und Gebietskörperschaften, also Ländern und Gemeinden, wollen wir entsprechende Fortschritte erzielen. Wir können das aber nicht alles allein tun: Es bedarf auch der Genehmigungspraxis in den Gemeinden und in den österreichischen Bundesländern.

Noch etwas ist hier und heute zu sagen, Hohes Haus, meine Damen und Herren: Es gibt zwei Möglichkeiten, an die Lösung von Problemen heranzugehen: entweder mit dem Pessimismus meines Vorredners, des Anfragebegründers, und so mancher in die gleiche Kerbe schlagenden Krankjammerei oder aber mit positiven Zukunftsplänen und mit Zuversicht und Optimismus. Ich habe mich für die zweite Variante entschieden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wird ja in der innenpolitischen Diskussion regelmäß von den "tüchtigen Österreichern" gesprochen. Wenn man nun die tüchtigen Österreicher, nämlich die vielen tüchtigen Arbeitnehmer und die vielen tüchtigen Unternehmer in unserem Land, frägt, was sie jetzt nach Wahlkampf und geschlagener Wahl erwarten, dann sagen diese tüchtigen Österreicher einhellig, es muß jetzt Schluß sein mit Demagogie, mit Verunsicherung, mit Schwarzmalerei,


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damit es ihnen nämlich auch in Zukunft möglich ist, tüchtig zu sein, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Lauf der heutigen Debatte – nicht bei dieser Anfragebegründung, sondern schon vorher – hat Herr Dr. Haider einige Firmen genannt, die einen Teil ihrer Aktivitäten ins Ausland verlagert haben. Sie haben aber dabei vergessen, Herr Kollege, daß es umgekehrt zahlreiche Firmen von Weltruf gibt, die 1996 und 1997 Investitionen in Milliardenhöhe in Österreich tätigen werden: Philips, BMW, Opel, Hoffmann – La Roche, Siemens und andere. Ich sage das deshalb, weil das natürlich von der anderen Seite nicht kommt, denn das paßt nicht in das Konzept des Krankjammerns, wenn man diese Investitionen hier aufzählt. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Dr. Haider hat heute davon gesprochen, daß die internationalen Investoren eine Art Jury abgeben. Das stimmt. Sie sind tatsächlich eine Jury, und zwar eine Jury, die dem Industriestandort Österreich ein sehr gutes Zeugnis ausstellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Vertrauen der internationalen Investoren zeigt sich an den hohen Devisenreserven, zeigt sich am niedrigen Zinsniveau, am niedrigen Preisniveau und an der fortgesetzten Investitionstätigkeit in unserem Land, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

In die Anfrage des Herrn Abgeordneten Dolinschek ist die Frage eingebettet, ob für diese Maßnahmen – nämlich Maßnahmen in bezug auf Infrastrukturinvestitionen – Steuererhöhungen oder neue Kreditfinanzierungen notwendig sein werden. Wir werden für all diese Maßnahmen, die ich jetzt hier geschildert habe, keine, jedenfalls keine maßgeblichen öffentlichen Mittel brauchen. Bei Infrastrukturinvestitionen wird der Staat natürlich nach wie vor eine wichtige Rolle zu spielen haben.

Zu den Fragen 6, 7 und 8:

Aufgrund der sich verschlechternden internationalen Konjunkturlage prognostiziert das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung einen Anstieg der Arbeitslosigkeit für 1996 um 2 500 und für 1997 einen weiteren Anstieg um 24 000 Personen. Das ist sehr ernst zu nehmen. Allerdings wird in diesen Prognosen nicht der bereits jetzt verstärkte Einsatz arbeitsmarktpolitischer und beschäftigungspolitischer Maßnahmen berücksichtigt. Die österreichische Bundesregierung und die beiden Parteien, die diese Bundesregierung tragen, gehen davon aus, daß Prognosen nicht notwendigerweise Realität werden müssen, sondern daß wir, wenn die Prognosen ungünstiger ausgefallen sind als zu früheren Perioden, eben alles zu unternehmen haben, um zu verhindern, daß die prognostizierten Werte eintreten, wenn sie ein negatives Wirtschafts- und Beschäftigungsbild bieten.

Herr Bundesminister Hums hat in seiner Stellungnahme bereits ausführlich hervorgehoben, welche Schritte gesetzt wurden. Ich möchte nur noch, um es zu verstärken und zu ergänzen, in diesem Zusammenhang auf weitere Initiativen hinweisen, meine Damen und Herren.

Die Initiative Bauwirtschaft wurde bereits ausführlich beschrieben. Aber ich füge gleich hinzu: Wir sind damit noch nicht am Ende des Zieles, am Ende der Wünsche. Wir haben noch eine Reihe von Verhandlungen zu führen, nämlich überall dort, wo die öffentliche Hand die österreichische Bauindustrie und das Baugewerbe unterstützen kann. Es gibt auch sehr interessante sozialpartnerschaftliche Verhandlungen und Unterredungen, die dahin gehen, Arbeitszeitmodelle und verwandte Materien in der Zukunft gemeinschaftlich zu regeln.

Ich verweise auf das Bonus-Malus-System für ältere Arbeitnehmer, auf das Sonderprogramm für Langzeitarbeitslose, auf die Unterstützung auf dem Weg zur Selbständigkeit, auf die Qualifizierungsoffensive – Lebensbegleitendes Lernen – und die Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern.

Die Möglichkeit, trotz Budgetkonsolidierung verstärkt arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitisch aktiv zu werden, wird nicht zuletzt durch die Fördergelder der europäischen Strukturfonds unterstützt. 7 Milliarden Schilling, meine Damen und Herren, stehen bis zum Jahr 1999 insgesamt zusätzlich zu unseren Möglichkeiten und Mitteln dafür zur Verfügung.


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Auf die Fragen eingehend halte ich abschließend fest: Die materielle Absicherung der Arbeitslosen wird aus Einnahmen der Arbeitslosenversicherung getragen. Eine Anhebung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung wird trotz der ungünstigeren Arbeitsmarktentwicklung nicht erforderlich sein.

Zu den Fragen 9 und 15:

Die notwendige Budgetkonsolidierung soll überwiegend – das ist ja bekannt – ausgabenseitig erfolgen. Die Arbeitsgruppe "Budget" arbeitet auf Basis von Gesprächen mit den Fachministern ausgabenseitige Einsparungsmaßnahmen aus, die den Kriterien der Beschäftigungssicherheit, sozialer Ausgewogenheit und Standortsicherung entsprechen werden. Darauf aufbauend werden zur Deckung temporärer Lücken bis zum vollständigen Wirksamwerden von Strukturverbesserungen Einmal-Maßnahmen – wie etwa Privatisierungserlöse – sowie einnahmenseitige Maßnahmen zu erarbeiten sein.

Zu Frage 10 ist die Antwort: ja. Zu Ihrer zusätzlichen Frage, wie die ständig steigende Zahl der Frühpensionierungen reduziert werden soll, halte ich fest: Zunächst durch Maßnahmen, die dazu führen, die Menschen länger im Berufsleben zu halten, dann aber auch durch aktive Beschäftigungspolitik für ältere Menschen. Das Bonus-Malus-System wurde schon erwähnt. Es wird aber auch die als Zugangsleistung in die Frühpension konzipierte allgemeine Sonderunterstützung abgeschafft werden, wobei noch auf die Lebensplanung der Betroffenen Bedacht zu nehmen ist.

Zur Frage 11:

Der unvermeidliche und für eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung notwendige Strukturwandel ist mit dem Entstehen neuer Betriebe, in einer dynamischen Wirtschaft aber auch mit der Schließung älterer Betriebe verbunden. Eine Insolvenzrechtsreform soll die in diesem Zusammenhang entstehenden volkswirtschaftlichen Verluste so gering wie möglich halten. Eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Justizministeriums ist damit beauftragt, das Insolvenzrecht soweit zu ändern, daß die Chancen zur Vermeidung von Insolvenzen verbessert werden können.

Zur Frage 12:

Von der Beschäftigung von Ausländern aus dem südlichen EU-Raum – wie es in der Anfrage heißt – ist weder eine Störung des sozialen Friedens noch eine Senkung des Lohnniveaus noch eine Auswirkung auf die Arbeitsmärkte zu erwarten. Negative Auswirkungen auf das Lohnniveau sind ausgeschlossen, da im Sinne des Territorialitätsprinzips österreichische Löhne zu zahlen sind. Meine Damen und Herren! Es ist bemerkenswert, daß diese Frage im Hohen Haus überhaupt noch gestellt wird, denn die letzte noch bestehende Lücke wurde durch das Antimißbrauchsgesetz – § 7 Abs. 2 Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz – geschlossen, diese Lücke gibt es also gar nicht mehr. Nunmehr sind österreichische Löhne vom ersten Tag an und nicht erst nach einem Monat zu bezahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

Da die Kollegen von der Freiheitlichen Partei immer wieder auf die ausländischen Arbeitskräfte zu sprechen zu kommen, sei einmal hier gesagt: Eine Störung des sozialen Friedens und Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt können bei der Beschäftigung von Ausländern aus dem südlichen EU-Raum schon deshalb nicht erfolgen, weil seit der Öffnung des EU-Arbeitsmarktes die Zahl der in Österreich beschäftigten Spanier 326 und jene der in Österreich beschäftigten Portugiesen 127 beträgt. (Neuerliche Heiterkeit .) Ich gebe aber zu, daß vor dem Beitritt zum EWR diese Zahlen etwas geringer waren. (Heiterkeit . – Zwischenruf des Abg. Dr. Haider . – Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum reden Sie nur von den Spaniern?) W eil Sie mich nach dem Zuzug von "Billigarbeitskräften" aus dem südlichen EU-Raum gefragt haben. Norwegen etwa ist im Norden, also woanders. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ.) Wikinger gibt es noch weniger. (Heiterkeit .)

Zur Frage 13: Es wurde in Entsprechung ... (Abg. Dkfm. Bauer: Eine Information: Norwegen ist nicht in der EU!) Ja, aber im Norden. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich habe vom EWR gesprochen,


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und Norwegen ist im EWR, Herr Abgeordneter Bauer. Na sehen Sie, jetzt verstehen wir uns wieder. Gerade bei den Nordlichtern müßten wir uns doch verstehen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Trattner: Sie sind noch bei guter Laune!) Natürlich bin ich bei guter Laune – es sind ja die Fragen leicht zu beantworten. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dkfm. Bauer: Wir wollten es Ihnen nicht so schwermachen am Anfang! Wir wollten Ihnen eine Chance geben! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ich mache mit Ihnen jedes Aufbautraining mit, Herr Bauer – wäre überhaupt kein Problem! (Abg. Dr. Haider: Vielleicht lernen Sie es noch!) Herr Kollege Haider! Auf Sie komme ich noch. Warten Sie noch ein bißchen. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Nun zur Frage 13:

In Entsprechung des Bundesbahngesetzes 1992 § 2 Abs. 6 wurde ein mehrjähriger Investitionsrahmen im Bereich der Schieneninfrastruktur zwischen dem Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr und dem Bundesminister für Finanzen abgeschlossen.

Demnach steht dem Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr bis zum Jahr 2000 inklusive ein jährlicher Rahmen von 12 Milliarden Schilling zur Bedeckung von Ausgaben für Investitionen in die Schieneninfrastruktur zur Verfügung. Auf Basis dieser Vereinbarung kann der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen bis zum Jahr 2000 inklusive Vereinbarungen über den Ausbau der Schieneninfrastruktur, also bezüglich Investitionen, mit dem Eisenbahnunternehmen abschließen.

Zur Frage 14:

Der Nationalrat hat 1992 – § 2 Abs. 2 des Bundesbahngesetzes – beschlossen, daß der Bund die Kosten für die Bereitstellung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur trägt, die zur Erfüllung des Betriebszweckes notwendig ist, soweit die Kosten nicht durch Dritte aufgebracht werden können.

Um ein Ausufern der Infrastrukturkosten zu verhindern, legt einerseits gemäß § 2 Abs. 6 der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr im Einvernehmen mit dem Finanzminister einen mehrjährigen Investitionsrahmen fest. Weder der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr noch der Finanzminister geben Kreditermächtigungen oder Haftungszusagen, die darüber hinausgehen.

Zur Frage 16:

Vor Kenntnis der definitiven Entscheidung der EU-Wettbewerbskommission und der darauf aufbauenden entsprechenden Maßnahmen der HTM-Gruppe ist eine solche Aussage rein spekulativ.

Zur Frage 17, wo Sie mich nach konkreten Maßnahmen gefragt haben:

Verwaltungsvereinfachungen im Wirtschaftsbereich. Durch Verwaltungsvereinfachung, Deregulierung und Reform des Verwaltungsverfahrens sollen die Verwaltungsabläufe deutlich beschleunigt, Kosten vermindert und Entscheidungen, vor allem auch in Bewilligungsverfahren, möglichst rasch getroffen werden.

Thema Wirtschaftsförderung: Parallel zur Kompetenzbereinigung zwischen Bundesministerien sind auch Vereinfachungen im Wirtschaftsförderungswesen in Vorbereitung, womit die Übersichtlichkeit für die Kunden erhöht und die Bearbeitung der Fälle beschleunigt werden wird. Dabei wird natürlich unter strenger Beachtung des EU-Förderungsrechtes vorgegangen.

Verbesserung der Rahmenbedingungen für Klein- und Mittelunternehmen: Dazu wird eine Reihe von Einzelmaßnahmen vorbereitet. Fast abgeschlossen ist auch die Vorbereitung eines EU-orientierten und flexiblen Mittelstandsförderungsgesetzes, das das Gewerbestrukturverbesserungsgesetz von 1969 ablösen soll und wird. Speziell den industriellen Klein- und Mittelunter


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nehmen dient auch der Aufbau und Ausbau einer strategischen, technologieorientierten Unternehmensberatung.

Was die EU-Strukturfonds betrifft, so ist der Einsatz dieser Fonds – Regionalfonds, Sozialfonds und Landwirtschaftsfonds – nun voll zum Tragen gekommen. Die Projekte werden in enger Kooperation mit der österreichischen Kofinanzierung abgewickelt. Allein im Bereich der Regionalförderung stehen für die Periode bis 1999 1,6 Milliarden ECU zur Verfügung.

Das Bildungswesen betreffend ist zu erwähnen, daß das österreichische Bildungswesen – von den Pflichtschulen bis zu den Universitäten – in ständiger Umgestaltung ist, womit auch ein verstärkter Wissenstransfer in den wirtschaftsrelevanten Bereichen besonders erfolgen soll. Der Fachhochschulausbau erleichtert die regionale Inanspruchnahme dieser Wissenstransferstellen. Eine Durchforstung der Lehrpläne in weiten Schulbereichen soll die Schüler aufnahmefähig für Neues machen.

Infrastrukturausbau: Im hochrangigen Straßennetz geht es um die Finanzierung der Schließung von Lücken, speziell auch durch die Vergabe von Bemautung von Teilstrecken an Konzessionäre, um die Vorgänge zu beschleunigen. Generell soll die verstärkte Erschließung privater Finanzierungsquellen erfolgen. Für bestimmte Verkehrswege wird auch die Finanzierung aus dem Gemeinschaftshaushalt im EU-Programm für transeuropäische Netze geprüft. Der Ausbau von Hochleistungsstrecken der Bahn, zunächst der Westbahn, wird betrieben. Im Energienetz werden ebenfalls bestehende Lücken geschlossen.

Was das schon erwähnte Exportfinanzierungs- und Exportförderungssystem betrifft, so sind das Exportfinanzierungs- und vor allem das Garantiesystem bereits in der Vergangenheit an die strengen Vorschriften der internationalen Regelungen angepaßt worden, und das soll unter Beachtung dieser Bedingungen und des Niveaus vergleichbarer europäischer Industrieländer weiter entwickelt werden. Für alle, die mit der Exportwirtschaft näher vertraut sind, möchte ich sagen, daß natürlich die Garantiepolitik ausgebaut werden soll, insbesondere in den Ländern, in denen die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch nicht so stabil sind, wie es eben in den meisten EU-Ländern der Fall ist.

Die weitere Ansiedlungspolitik von ausländischen Projekten steht ebenfalls im Vordergrund unserer Bemühungen – ich sagte es schon. Die hohe Standortqualität ist jedenfalls aufrechtzuerhalten. Die verschiedenen Maßnahmen wurden schon erwähnt.

Zur Beantwortung der Frage 18:

Mit der Übernahme des EU-Außenzolltarifs ist das bis dahin in Österreich gehandhabte System österreichischer PKW-Zulieferexporte nach Japan beendet worden. Meine Damen und Herren, das ist nicht irgendeine diskretionäre Entscheidung des Ministeriums gewesen, sondern dieses System ist beendet worden.

Die bis dahin angewandte Ermäßigung des österreichischen autonomen PKW-Zolls von früher 20 Prozent auf 4 Prozent für Einfuhren von japanischen PKW nach Österreich bei der Erfüllung der vorgesehenen Gegenlieferungen nach Japan kann somit nicht mehr angewendet werden. Für Einfuhren von japanischen PKW nach Österreich gilt nun der Zollsatz der Europäischen Union – nämlich 10 Prozent.

Österreich hat im Zuge der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union die Bedeutung der österreichischen Exporte nach Japan hervorgehoben und damals über Alternativlösungen verhandelt. Als Ergebnis dieser Verhandlungen hat sich die Kommission verpflichtet, mit Japan Vereinbarungen zu treffen, die die Sicherstellung der österreichischen Zulieferungen während einer Übergangsperiode bis zum 31. Dezember 1999 ermöglichen soll. Die Kommission hat dabei nachdrücklich Vorschläge von der japanischen Seite eingefordert.

Parallel zu den Verhandlungen mit der EU-Kommission bemüht sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten in direkten Gesprächen mit dem japanischen Industrieministerium MITI um Lösungen. Seitens der Bundesregierung hat unter anderem die Frau Staats


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sekretärin Waldner bei ihrem Besuch am 18. Jänner dieses Jahres darauf gedrängt, daß die japanische Regierung trotz Auslaufens der Gegengeschäftsvereinbarung Maßnahmen setzt, um den Rückgang bei den österreichischen Automobilzulieferungen auszugleichen.

Seit 1995 läuft darüber hinaus das Programm "Successful in Japan" mit österreichischer und japanischer Unterstützung, die darauf abzielt, die österreichischen Exporte bis 1997 um 50 Prozent zu erhöhen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte Sie bitten, mir auch nach der Einzelbeantwortung der Fragen noch Ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Ich möchte noch eine generelle Anmerkung zu der heutigen Debatte und zur Fragestellung machen.

Es ist sich die österreichische Bundesregierung, es sind sich alle ihre Mitglieder vollkommen bewußt, daß wir mit einer ernsten Lage unserer Wirtschaft, wie die Prognosen über unsere Wirtschaft für die Jahre 1996 und 1997 zeigen, konfrontiert sind. Und wir wissen auch wie Sie, die Anfragesteller, daß 295 000 Arbeitslose natürlich nicht eine Arbeitslosenzahl sind, mit der wir uns in irgendeiner Weise abfinden wollen oder dürfen.

Wir müssen allerdings – und das beansprucht die Bundesregierung schon für sich – die Ausgangslage bei der Meisterung dieser Probleme ebenfalls ins Kalkül ziehen. Und da können und wollen wir nicht darüber hinwegsehen, daß wir von einem Beschäftigungssockel von 3 Millionen unselbständig Erwerbstätigen in Österreich ausgehen können.

Sie sprechen von einem Insolvenzrekord, vergessen aber oder unterlassen es, hinzuzufügen, daß einer der wesentlichsten Gründe dafür auch ein großer Strukturwandel ist, von dem alle europäischen Industriestaaten derzeit erfaßt sind, der neue Unternehmungen entstehen läßt, der aber ältere oder nicht wettbewerbsfähige Betriebe und Unternehmungen auch in existenzgefährdende Situationen bringt.

Ich meine also, daß, wenn ich sage, die Lage ist ernst, wir nicht von einem Katastrophenszenario auszugehen haben, denn wir haben seit 15 Jahren ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum zu verzeichnen, das heißt eine kontinuierliche reale Steigerung des Volkseinkommens. Und das heißt, daß in 15 Jahren Österreich Jahr für Jahr reicher geworden ist – mit unterschiedlichen Wachstumsraten, aber niemals mit einer negativen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es steht uns schon gut an, meine Damen und Herren – der verstorbene Professor Horst Knapp hat das in einer seiner letzten Analysen sehr deutlich klargelegt –: Wir sind in einer Weltrangliste der Weltbank, was das Volkseinkommen pro Kopf betrifft, an 13. Stelle unter ungefähr 120 oder 130 Mitgliedern der Weltbank. An 13. Stelle! Das heißt anders ausgedrückt – so schrieb Horst Knapp –, daß wir Österreicher das harte Schicksal haben, daß es 5 Milliarden Menschen auf der Welt schlechter geht als uns. Auf diesem Szenario aufbauend müssen wir unsere Probleme ernsthaft und gemeinsam angehen.

Herr Abgeordneter Dolinschek hat vorhin gesagt, daß die Prognosen Rückgänge aufweisen. Meine Damen und Herren! Das sind Rückgänge in den Wachstumsraten, aber nicht Rückgänge in der Form von Minuswerten. Wir haben für 1996, wenn die Prognosen recht behalten, eben ein geringeres Wachstum unseres Volkseinkommens zu gewärtigen, aber keine Schrumpfung unseres gesamten Volkseinkommens. Und das, meine Damen und Herren, ist schon ein Pluspunkt, wenn eine Wirtschaft darauf verweisen kann, daß sie nicht grundsätzlich krank ist, sondern auch in einer schwierigen Lage die Kraft hat, aktuelle Probleme zu meistern. Und das ist unsere Aufgabe, und der werden wir uns stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Erlauben Sie mir noch, gleich etwas hinzuzufügen, weil Herr Dr. Haider in seiner Nachmittagsrede hier gemeint hat, das seien die typischen Europapolitiker-Allüren, daß man die Verantwortung von Wien nach Brüssel hin- und herschiebt: Nein, das tun wir nicht, und das können wir auch gar nicht tun!

Es ist vollkommen klar, daß sämtliche Problemlösungen, die es zu ergreifen gilt, auf nationaler Ebene zu ergreifen sind: in der Bundesregierung, im Parlament, mit den Sozialpartnern. Aber


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seit 1. Jänner 1995 ist die europäische Dimension dazugekommen, mit zusätzlichem Wettbewerb, mit zusätzlichen Kostenbeeinflussungen, aber auch mit zusätzlichen Chancen. Und wir sind daher aufgefordert, nicht Verantwortung nach Brüssel oder sonstwohin zu delegieren, sondern unsere Mitgliedschaft so zu verstehen, daß wir diese Chancen wahrzunehmen haben.

Wenn am Nachmittag davon gesprochen wurde, daß Betriebe ausgelagert werden – nach Slowenien, nach Ungarn oder anderswohin –, dann, muß ich sagen, hat das damit zu tun, daß die Grenzen aufgegangen sind, daß sich Europa seit 1989 verändert hat – und nicht damit, daß wir EU-Mitglied geworden sind. Auslagerungen hätte es auch gegeben ohne unsere EU-Mitgliedschaft oder wenn es eine Europäische Union gar nicht gäbe, meine Damen und Herren! Dem Abgeordneten Peter ist zuzustimmen, wenn er heute gesagt hat, wir befinden uns überhaupt in einer Situation der Verlagerungen. Und das ist nicht auf Österreich beschränkt, sondern das haben alle EU-Mitglieder zu tragen. Ich meine, daß wir das vor unserer Bevölkerung nicht falsch darstellen und es nicht zulassen dürfen, daß die Mitgliedschaft an einem europäischen Integrationsmodell sozusagen die "Schuld" daran trägt, daß nun eben neue Entwicklungen eingetreten sind und wir damit zu kämpfen haben.

Und weil das so ist, meine Damen und Herren, wäre es auch ein verhängnisvoller Fehler, beispielsweise den Beitritt zur Wirtschafts- und Währungsunion aufschieben zu wollen. Ganz im Gegenteil: Ich meine, daß für ein Land wie Österreich stabile und sichere Währungsverhältnisse, die uns seit 20 Jahren gutgetan und geholfen haben, auch in Zukunft aufrechtzuerhalten sind. Wir haben sie natürlich nicht isoliert und nicht einseitig zu sehen, sondern als eine notwendige Zusatzbedingung zu einer offensiven, aktiven Struktur- und Beschäftigungspolitik.

Daher ist auch etwas dagegen zu sagen, wenn hier vom Rednerpult aus vom Anfragebegründer, vom Herrn Dolinschek, ein wahres Lamentarium, ein Lamento massimo angestimmt wird gegen Rationalisierung, Modernisierung und Erweiterung. Herr Abgeordneter! Wenn Sie hier beklagen, daß die Banken sich modernisieren und rationalisieren, daß die österreichische Post modernisiert wird, dann muß ich Sie fragen: Glauben Sie denn, daß es für Österreich und für die Arbeitnehmer in unserem Land gut und positiv wäre, wenn wir bei all dem bleiben würden, was die ganze Zeit schon gewesen ist? Sollen wir, was die Post betrifft, etwa Abstand nehmen, uns an internationalen Telekommunikationsmodellen zu beteiligen? Das würde ein unglaubliches Infrastrukturdefizit für die ganze Wirtschaft bedeuten.

Oder sollen in den Geldinstituten heute noch handschriftlich die Saldokonti ausgefüllt werden? Dann brauchen wir einen Arbeitstag von 12 oder 14 Stunden, und es würde nicht nur die ganze Welt über uns lachen, sondern wir würden wahrscheinlich ausgegliedert, isoliert werden von jedem internationalen Zusammenhang.

Ich verstehe die Sorge darüber, daß dadurch Arbeitsplätze verlorengehen werden. Die Aufgabe ist allerdings nicht, die Modernisierung zu verhindern und den Innovationsschub zu unterlassen, sondern ihn zu forcieren und damit wirtschaftliche Substanz zu gewinnen, um mit neuen Arbeitsplätzen verlorengegangene zu ersetzen. Das muß in Wirklichkeit unsere Aufgabe sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Dr. Haider hat heute nachmittag hier in seiner Rede gesagt, die Großinvestoren hätten Österreich vergessen und verlassen, im Jahr 1995 wären die Investitionen zurückgegangen. – Sie sind natürlich nicht zurückgegangen, wohl aber ist die Zuwachsrate gegenüber 1994 geringer. Und das ist auch nicht verwunderlich, weil für das ... (Abg. Mag. Trattner: Er hat gesagt, das Engagement der ausländischen Investoren in Österreich ist zurückgegangen!) Ja, das meine ich ohnehin, ich meine genau dasselbe. (Abg. Mag. Trattner: ... ganz allgemein!) Nein, nein. Ich rede von den ausländischen Investitionen in Österreich. Die sind im Jahr 1995 langsamer gewachsen als im Jahr 1994. (Abg. Mag. Trattner: Sie sind zurückgegangen!) Nein, zurückgegangen sind sie nicht – die Wachstumsrate ist kleiner geworden. Sie ist deshalb kleiner geworden, weil die ausländischen Investoren natürlich diese Dispositionen schon im Vorjahr getroffen haben und da noch unsicher war, ob Österreich EU-Mitglied wird. Jetzt ist das wieder klargestellt, und daher sind die absehbaren Investitionen ... (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Schlagen Sie Ihre Hände ruhig zusammen – es ist eh alles in Ordnung! 1996 werden


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die realen Investitionen, die Industrieinvestitionen wieder steigen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Lachen Sie ruhig! Schauen Sie sich die Statistiken an, und dann lachen Sie weiter, denn die sind ziemlich gut. (Beifall bei der SPÖ.)

Gleichzeitig hat Herr Abgeordneter Dr. Haider beklagt, daß die ausländischen Investoren uns nicht mehr so gut leiden können, aber er hat dann gesagt, daß das mit den Großinvestitionen in Wirklichkeit ohnehin schlecht ist. Und er hat dann gemeint, man möge doch einmal in die Anlage von Leykam in Gratkorn schauen, wo große neue Investitionen getätigt werden sollen, dort gäbe es nur gähnende Leere. Ja bitte, was glauben denn die Damen und Herren? – Daß man heute noch Zellstoff gewinnt, indem man mit der Hacke die Fichten zerschlägt und dann in der Brühe umrührt, daß sich dann zehn Männer draufsetzen, das pressen und man so Papier macht?

Dann würde Gratkorn zugrunde gehen. Daher brauchen wir die modernen Investitionen. Meine Damen und Herren! Wenn dort gähnende Leere ist, dann deshalb, weil die Firma Voith die großen Papiermaschinenanlagen liefert, und dort ist der Arbeitsplatz gesichert und die Papiermaschinenfabrik für zwei Jahre ausgelastet.

Wenn Herr Dr. Haider Abgeordnetem Nowotny sagt, er werde der erste sein, der wegrationalisiert wird, dann lade ich ihn ein: Er soll der erste sein, der einmal zur Firma Voith hingeht und sich dort bei den Arbeitern – mit denen so oft zu reden er vorgibt – erkundigt welche Freude sie haben werden, wenn er über die gähnende Leere in Gratkorn redet, weil die zwei Jahre lang ausgelastet sind. Das sollte er einmal machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Da redet er über die Querverbindungen. Haider würde jetzt sagen: Das sind die Zusammenhänge! – Das sind sie auch. So ist das nämlich zu sehen.

Meine Damen und Herren! Vielleicht können Sie Kollegen Haider folgendes mitteilen – er weilt gerade nicht unter uns – betreffend seine nahezu überromantische Liebe zu den Mindestreserven. (Abg. Mag. Stadler: So gut sind Sie gar nicht! Sie waren auch schon besser bei Ihren Witzen! – Gegenruf bei der SPÖ: Das tut auch weh!) Aber wenn ich ganz schlechte Tage hatte, war ich immer noch besser als Sie. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Sie sind immer beleidigt, wenn man Ihnen mit Gegenargumenten kommt. (Abg. Mag. Stadler: Ich bin nicht beleidigt!) Ihr Parteiobmann hat heute hier wieder vorgeschlagen, die Mindestreserven... (Abg. Mag. Stadler: Sie waren schon besser als Gesundbeter der Nation! – Abg. Koppler: Du bist und bleibst ein Unsympathler!)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Bundeskanzler! Sie sind am Wort. – Bitte.

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky (fortsetzend): Herr Abgeordneter! Sie bringen Argumente gegen uns, und wir erlauben uns nichts anderes, als das demokratische Recht in Anspruch zu nehmen, Gegenargumente vorzutragen. Das erlaube ich mir, gar nichts anderes. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Sie erlauben sich platte Scherze zum Arbeitsmarkt! Sie machen über die Arbeitslosigkeit in Österreich platte Scherze!) Ich messe Ihnen nur keine Entscheidungskraft über meine Wortwahl zu. (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler .)

Wollen Sie jetzt ein Argument hören oder nicht? (Abg. Mag. Stadler: Dann bringen Sie doch endlich eines! Sie bringen platte Scherze über die Arbeitslosenzahlen!) Sie unterbrechen doch dauernd. Ich stehe hier mit der Verpflichtung, Ihre Aussagen, die keinen einzigen Arbeitsplatz sichern, zu widerlegen. Das ist meine Aufgabe, meine Absicht und mein Interesse. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn hier gesagt wurde, durch die Abschaffung der Mindestreserven könnte man die Bankzinsen senken, die Kredite billiger machen und damit Arbeitsplätze schaffen, so ist das eine Unwahrheit. Das schreiben Sie sich ins Stammbuch! Das ist eine Rechnung, die ich Ihnen


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später präsentieren werde! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Seien Sie doch nicht so aufgeregt!)

Meine Damen und Herren! Es ist gar nicht möglich, hier sachlich zu diskutieren, denn der Vorschlag, 42 Milliarden Schilling, eine sogenannte ökologische Energieabgabe, einzuheben und gleichzeitig die Kommunalabgabe zu streichen und die Mehrwertsteuer um 2 Prozent zu senken, ist so abenteuerlich und würde nicht nur keinen Arbeitsplatz sichern, sondern auch der österreichischen Wirtschaft großen Schaden zufügen.

Nehmen Sie ein praktisches Beispiel her. Nehmen Sie eine gut funktionierende, hoch energieintensive Stahlproduktion wie die in Donawitz und brummen Sie dieser eine hohe Energiesteuer auf und reduzieren Sie gleichzeitig die Mehrwertsteuer um 2 Prozent: Dann ist diese in der Unternehmerkette, bezahlt überhaupt keine Mehrwertsteuer, aber mit der hohen Energiesteuer, die Sie ihr aufbrummen, fällt sie aus ihren Märkten heraus. Die Arbeitnehmer dort können vielleicht als Konsumenten von der zweiprozentigen Senkung der Mehrwertsteuer profitieren, aber wenn ihre "Bude" zugesperrt wird, haben sie von der zweiprozentigen Mehrwertsteuerkürzung nichts! Das ist in Wirklichkeit Ihre abenteuerliche Steuerpolitik! (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Ich habe heute gehört, als ich vorher über Handelshäuser sprach, daß das eine alte freiheitliche Idee sei. Ich habe das nicht gewußt, akzeptiere es aber gerne und sage: Wenn wir Verbesserungen bei den Handelshäusern im Interesse unserer exportierenden Wirtschaft herbeiführen wollen, dann sei jede neue Idee, jeder Verbesserungsvorschlag willkommen, denn wir werden dieses große Problem der Beschäftigungssicherung in Österreich sicherlich nicht gegeneinander, sondern nur miteinander angehen können. Ich bitte Sie und lade Sie ein, diesen Weg so zu gehen – die Bundesregierung wird das jedenfalls tun –, daß wir nicht durch ein Multiplizieren des Mißtrauens, durch ein Multiplizieren des Krankjammerns agieren, sondern bei aller Ernsthaftigkeit eine gute Portion Zuversicht in unser eigenes Handeln setzen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß den Bestimmungen der Geschäftsordnung kein Redner länger als 15 Minuten sprechen darf.

Als erster hat sich Abgeordneter Haigermoser zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, ich erteile es Ihnen.

20.06

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Vielleicht zuvor die schlechte Nachricht. Neueste Meldung: Die "Steuerfindungskommission" ist fündig geworden. ÖAAB-Chef Höchtl verlangt eine Ergänzungs- oder Solidarabgabe.- Es ist also nichts mit dem Sparen! 25 Jahre Sozialismus waren noch nicht genug. Es gibt hier offensichtlich einen Fortsetzungsroman.

Es ist interessant, wenn man sich heute die Worte Ditzens angehört hat, seine berühmten 13 Fragen und die Antworten, die er auf diese 13 Fragen erwartet. Da gibt es einen diametralen Gegensatz zu dem, was Höchtl gesagt hat. Offensichtlich – das lese ich hier heraus – ist Ditz mit seinen Fragen isoliert.

Herr Bundeskanzler! Ich gebe Ihnen schon recht und darf Ihnen mit Goethe antworten: "Das Leben gehört dem Lebendigen an, und wer lebt, muß auf Wechsel gefaßt sein." So weit können wir uns noch treffen, Herr Bundeskanzler, aber diesen Wechsel muß man von seiten der Politik begleiten. Das haben Sie bis dato leider verabsäumt.

Wir sind überhaupt nicht wehleidig, Herr Bundeskanzler. Wir haben Ihren Ausführungen sehr interessiert gelauscht, und wir haben es auch als besonders humorvoll gefunden, daß Sie heute offensichtlich in Ihrem Biorhythmus besonders gut drauf sind. Heute, sage ich, denn immer ist das nicht der Fall gewesen.


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Herr Bundeskanzler! Jetzt komme ich auf den Vorschlag Handelshäuser zurück. Wenn Sie bereit sind – streiten wir uns nicht um den Erfinder dieses Namens –, diese großartige Idee, welche die Freiheitlichen geboren haben, umzusetzen, und zwar gegen den Widerstand der Wirtschaftskammer, die wie eine Gluckhenne auf ihren Außenhandelsstellen sitzt und offensichtlich nicht bereit ist, diese Handelshäuser zu realisieren, dann haben Sie uns dabei als Verbündete. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir freuen uns, daß Sie guter Laune sind, aber ob angesichts der dramatischen Entwicklung auf dem Arbeitsplatzsektor die Arbeitslosen und jene, die in nächster Zukunft arbeitslos werden Ihre humoristischen Einlagen auch so lustig finden, sei dahingestellt. Daher wäre es wichtig gewesen, wenn Sie Ihre Anmerkungen insgesamt etwas ernsthafter gestaltet hätten.

Herr Bundeskanzler! Sie haben von Demagogie gesprochen. Ich darf Ihnen damit antworten, daß etwas weniger Polemik von der Regierungsbank aus besser gewesen wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist wichtig, ob Ihrer heute wohlklingenden Worte auch ein bißchen in der Vergangenheit zu blättern, und zwar am Vorabend eines offensichtlich neuerlichen Umfallers der ÖVP in den Koalitionsverhandlungen.

Herr Kollege Höchtl. Bei Ihren eigenen Versprechungen in den zahlreichen Regierungserklärungen, die Sie bereits abgegeben haben, sei, wie gesagt, ein bißchen nachgeblättert. So haben Sie am 28.1.1987 – so lange ist das schon her, darum der Zwischenruf von einigen unserer Kolleginnen und Kollegen: Nicht schon wieder dieselben Versprechungen wie vor neun Jahren! – einiges versprochen, Herr Bundeskanzler. Und das ist nicht Wehleidigkeit, sondern das sind Ihre eigenen gedruckten Werke! Sie haben vor neun Jahren, Herr Bundeskanzler – bei aller Wertschätzung –, unter anderem folgendes versprochen: "Die Stärkung der kleinen und mittleren Betriebe: Die Bundesregierung wird durch eine wirksame Politik der Stärkung der kleinen und mittleren Betriebe einen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt setzen." – Vor neun Jahren!

Was haben Sie auf dieser Ebene auf diese Versprechungen hin getan? – Wenig bis gar nichts, Herr Bundeskanzler, weil Sie natürlich die stetig steigende Konjunktur dazu verleitet hat, nichts zu tun, so nach dem Motto: Na, es wird schon nicht schlechter werden, es wird schon gut weitergehen. Und jetzt, wo ein gewaltiger Konjunktureinbruch über die Bühne geht, haben wir das Schlamassel und haben Insolvenzen, die nicht nur, wie Sie es heute getan haben, Herr Bundeskanzler, mit einer Umstrukturierung insgesamt zu begründen sind. Ihre Versäumnisse in der Vergangenheit, Ihre seit neun Jahren nichteingehaltenen Versprechungen sind maßgeblich schuld daran, daß wir heute eine Insolvenzwelle sondergleichen in Österreich haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Heute haben Sie uns wieder versprochen – mit Verlaub, wenn es gestattet und keine Majestätsbeleidigung ist –, daß die Zugangsvoraussetzungen für den Gewerbeantritt bei der Novellierung der Gewerbeordnung den heutigen technisch-innovatorischen Gegebenheiten angepaßt werden müssen. Das haben Sie heute versprochen, das haben Sie 1990 versprochen, und das haben Sie 1987 versprochen.

All diese Dinge haben Sie unter Ihrer Kanzlerschaft blockiert, Herr Bundeskanzler. Wir müssen Ihnen heute diese Versprechungen wie einen Spiegel vorhalten, denn Sie sind, interessanterweise auch was die Förderungspolitik anbelangt, säumig geworden und haben die falsche Richtung eingeschlagen. Denn wie sonst könnte es passieren, Herr Bundeskanzler, daß Sie im gleichen Atemzug mit dem Sie eine neue Förderung beziehungsweise Unterstützungswelle für diese auch heute von Ihnen so hochgelobten klein- und mittelständischen Betriebe, die Arbeitsplatzerhalter Nummer eins in diesem Lande sind, ankündigen, einen bewährten Förderungsmechanismus ausschalten, indem Sie die BÜRGES-Aktion eines unsanften Todes sterben lassen?

Herr Bundeskanzler! Sie wissen, daß mit diesem bewährten Förderungsinstrumentarium in den letzten zehn Jahren immerhin 50 000 Förderungsanträge mit einem Kreditvolumen von 14 Milli


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arden Schilling bewältigt und damit 25 000 Arbeitsplätze geschaffen werden konnten. Mit Ende des Jahres 1995 haben Sie, wie gesagt, diese Förderungsaktion in der bisher bewährten Form die Donau hinuntergehen lassen. Jetzt wäre es möglich, mit einer, ich möchte sagen, "Lappalie" von 90 bis 100 Millionen Schilling für diese Aktion wiederum ein gewaltiges Förderungsvolumen in Gang zu setzen, um dieser klein- und mittelständischen Wirtschaft unter die Arme zu greifen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Das heißt also, daß mit diesem Beispiel Ihre heutigen humoristischen Einlagen konterkariert werden. Denn nicht einmal 90 bis 100 Millionen Schilling sind Ihnen die klein- und mittelständischen Betriebe wert. Das ist ein Faktum! Daher fordern wir Sie heute auf, diese Aktion wieder ins Leben zu rufen, um Ihren Worten auch entsprechende Taten folgen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir wissen, daß insbesondere in diesem Bereich die Hauptarbeit geleistet wird, was die Lehrlingsausbildung anbelangt. Kollege Verzetnitsch ist ja heute wieder einmal in alter klassenkämpferischer Manier auf die Wirtschaft insgesamt losgegangen. Sie haben gesagt, bei der Lehrlingsausbildung seien so quasi die Ausbeuter unterwegs. (Abg. Verzetnitsch: Aber wo steht denn das?) Wir müssen uns einmal darüber unterhalten, was die Wirtschaftskammer, Ihr Sozialpartner, dazu sagt. Wir sitzen ja nicht an diesem Tisch.

Von der Wirtschaftskammer wird zum Thema "Lehrlingsausbildung" – und das ist ein starkes freiheitliches Anliegen – folgendes gesagt: Ein Rückgang der Lehrlingsausbildung in der Industrie um rund 35 Prozent zeigt, daß die Politik von ÖGB und AK, durch permanente Erschwernisse die Lehrlingsausbildung fast unmöglich zu machen, zu jenen "Erfolgen" – unter Anführungszeichen – geführt hat.

Herr Kollege Maderthaner! Wie ist das hier? Stimmt es, was Sie da in Presseaussendungen behaupten? Ist damit Ihr Sozialpartner ein Sozialdiktator geworden? Oder setzen Sie sich nicht durch, oder hat Verzetnitsch mit seinen Behauptungen, daß die Wirtschaft schuld sei, recht? Wir bekennen uns zum dualen Ausbildungssystem. Wir bekennen uns aber auch zur Entlastung bei den Lehrlingen, nämlich dazu, daß die Kommunalabgabe, ist gleich Lehrlingssteuer – in Anträgen von uns formuliert –, abgeschafft gehört.

Meine Damen und Herren! Heute und in den nächsten Tagen und Wochen haben Sie von der Österreichischen Volkspartei Gelegenheit, diesen Ihren eigenen Forderungen bei den Sonntagsreden im Parlament den Offenbarungseid nachzuschicken und entsprechend zu handeln und unseren Anträgen zuzustimmen.

Meine Damen und Herren! Wir wissen alle, daß eine Gründungswelle natürlich auch aufgrund äußerer Einflüsse und hausgemachter Probleme – die Hausaufgaben wurden vor dem EU-Beitritt nicht gemacht – nicht so ohneweiters zu verwirklichen ist. Sie haben uns damals verlacht, Herr Bundeskanzler, und humoristisch gemeint: Na, was wollen Sie denn mit den Hausaufgaben? – Setzen, Herr Haider! Heute müssen Sie zugeben, daß von Ihnen als verantwortliche Bundesregierung diese Hausaufgaben nicht gemacht wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Maderthaner! Sozialpartnerschaft: Ihr zugegebenermaßen tüchtiger Sprecher der Jungen Wirtschaft, Herr Petschnig, sagt folgendes: "Österreichs Selbständige sterben aus." Er meint: Wie liegen seit Jahren an vorletzter Stelle der Selbständigenquote in Europa. 140 000 Unternehmen müßten sofort in Österreich entstehen.

Herr Bundeskanzler! 140 000 Unternehmen müßten sofort in Österreich entstehen! Ich weiß schon, daß das nicht sofort geht. Aber wir sind nicht so weit entfernt. Pessimismus lasse ich mir nicht unterstellen, denn wenn ich kein Optimist wäre, wäre ich nicht Unternehmer in diesem Lande. Ich sage Ihnen: Wenn wir aber, so wie Höchtl dies will, jetzt eine neue Steuerwelle lostreten, dann werden wir diese Unternehmen in diesem Land nicht bekommen, und damit werden natürlich auch keine Arbeitsplätze gesichert werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Bundeskanzler! Daher: Arbeit für alle gibt es nur in gesunden Betrieben! Sie mögen das als Floskel bezeichnen. Aber daß in weiten Bereichen die Betriebe nicht mehr gesund sind, beweist die Insolvenzwelle, die Sie so nonchalant mit den Worten abgefertigt haben: Na ja, da kann man nichts machen, das ist eine Umstrukturierung, dabei gehen halt ein paar pleite! Herr Bundeskanzler! So kann man die Dinge nicht sehen und sagen, die Freiheitlichen krakeelen da herum. Da antworte ich Ihnen: Ich weiß nicht, ob Herr Hierzenberger, der KSV-Chef, ein Kakreeler ist. Dieser Herr Hierzenberger, der, glaube ich, von seinem Geschäft etwas versteht, muß es wohl wissen, wenn er sagt: Die Insolvenzwelle hält bisher unvermindert an. Was noch kommt, hängt von den Budgetbelastungen ab.

Was noch kommt! Und für dieses "Was-noch-kommt" sind Sie mit – ich sage nicht allein – verantwortlich, Herr Bundeskanzler. Daher fordert KSV-Chef Hierzenberger einen Abbau von Regulierungen, ein Höchstmaß an Flexibilität, den Verzicht auf jede weitere Belastung der Wirtschaft, Pepi Höchtl, herhören, eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten und eine Stärkung der Eigenkapitalbasis. – Originalzitat Hierzenberger.

Nun können Sie sagen: Das sind Allgemeinfloskeln, das wissen wir schon alles, das werden wir schon machen, Herr Kollege! Aber: 1987 versprochen, 1990 versprochen, 1995 versprochen – nicht eingehalten! Herr Bundeskanzler, ich müßte jetzt zu Ihnen sagen: Aufgaben nicht erfüllt! Setzen, nicht genügend, Herr Dr. Vranitzky! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Höchtl: Er sitzt ja ohnehin!)

Meine Damen und Herren! Sie erfinden neue Belastungen für die Wirtschaft. Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge, der Beiträge zum Pleitefonds, Abschaffung des Fiskal-LKW – Kleinigkeiten, größere Dinge, bunt durcheinander. Aber insgesamt ist natürlich der Unternehmer in diesem Lande verunsichert. Er ist grundsätzlich Optimist, Herr Bundeskanzler. Aber Sie sollten nicht darangehen, diesen Optimismus zu zerstören. Daher sind Sie für den Pessimismus zuständig und nicht der Überbringer der Botschaft in der Form der Opposition.

Wenn der Nationalbank-Generaldirektor Wala sagt, die Nationalbank halte das Budget auch ohne Steuererhöhungen für sanierbar, dann weiß ich nicht, wer hier recht hat. Aber ich meine, in diesem Fall, wird wohl Wala recht haben.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen haben eine Reihe von vernünftigen Anträgen zur Entlastung der Wirtschaft, zur Ankurbelung des Arbeitsmarktes eingebracht. Ich bin gespannt, wie sich die ÖVP verhalten wird, die zum Beispiel im Salzburger Landtag für diese freiheitlichen Anträge gestimmt hat. Sie wird aber wahrscheinlich heute hier und in den nächsten Tagen umfallen.

Meine Damen und Herren! Sie werden Gelegenheit haben, nach dem a auch b zu sagen. Eine Werbekampagne für die Abschaffung der zehnprozentigen Getränkesteuer wird zuwenig sein. Das wird hier beschlossen werden müssen. Und wenn Sie, Herr Präsident Maderthaner, diese Ihre eigene Forderung ernst nehmen, dann sollten Sie darangehen, der sich schwer in Bedrängnis befindlichen Tourismuswirtschaft zu helfen und nicht nur leere Versprechungen abzugeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher: Eine Werbekampagne ist schon gut, um Verbündete zu finden. In uns haben Sie Verbündete. Dazu brauchen Sie keine Werbekampagne, denn wir sind der Meinung, daß der Arbeitsplatzerhalter Tourismus in vielen Regionen Unterstützung braucht. Daher, Herr Bundeskanzler, das Ersuchen: Sie sollten nicht so oft Ihrem Tourismussprecher Parnigoni, sondern den Praktikern und Sachkundigen in diesem Bereich das Ohr leihen!

Meine Damen und Herren! Ich – und die Bürger können das auch nicht mehr – kann die abgedroschenen Politikerfloskeln nicht mehr hören: Wir schaffen Tausende Arbeitsplätze! Weder die Regierung noch die Opposition kann einen Arbeitsplatz schaffen, höchstens die Bürokratie. Die Politik kann Rahmenbedingungen setzen, welche dazu ermutigen, daß Menschen Selbständige werden und vor allem bleiben, womit Arbeitsplätze geschaffen werden können. Diese Rahmenbedingungen hat dieses Haus, hat die Regierung zu verantworten. Wenn es uns nicht gelingt, diese Mittelstandspolitik zu forcieren, dann wird das eine nicht passieren,


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nämlich daß sich Leistung wieder lohnt, wie es Paul Schnitker, der Präsident der Internationalen Gewerbeunion, formuliert hat.

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter, Ihren Schlußsatz bitte.

Abgeordneter Helmut Haigermoser (fortsetzend): Die beste Mittelstandspolitik ist eine vernünftige Steuerpolitik, die Leistung belohnt und nicht bestraft. Handeln wir nach diesem Kernsatz! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.22

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Höchtl gemeldet. Ich verweise auf den § 58 der Geschäftsordnung. Redezeit: 3 Minuten.

20.23

Abgeordneter Mag. Dr. Höchtl (ÖVP): Hohes Haus! Herr Abgeordneter Haigermoser hat hier behauptet, ich hätte einer Solidar- oder Ergänzungsabgabe zugestimmt. (Abg. Mag. Stadler: Na ja! Der "Kurier"?!)

Ich berichtige: Auf eine Frage eines Redakteurs in einer Pressekonferenz, ob ich einer Solidar- oder Ergänzungsabgabe zustimme, habe ich gesagt: Ich nehme zu überhaupt keiner einnahmenseitigen Maßnahme Stellung, solange nicht ausgabenseitig – wie vereinbart – zwei Drittel des Konsolidierungsbedarfes erledigt sind. – Das ist die Wahrheit. Alles andere ist die Unwahrheit oder eine Mißinterpretation. Damit habe ich das berichtigt. (Beifall bei der ÖVP.)

20.24

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Hostasch. – Bitte schön.

20.24

Abgeordnete Eleonora Hostasch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werter Kollege Dolinschek! Sie haben zuerst einige Zahlen aus der Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts und aus der Prognose der Wirtschaft für 1996 und 1997 genannt. (Die Rednerin blickt in Richtung des früheren Platzes des Abg. Dolinschek. – Abg. Mag. Stadler: Wir sind umgesiedelt!) – Er ist im Moment dort drüben. Ja, alle sind dort; dort, wo es richtig ist für Sie, im rechten Teil dieses Saales. (Abg. Mag. Stadler: Darum sind Sie so weit links!) Sie können mir glauben: Ich fühle mich sehr wohl dort links gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte zu dem, was Sie aus der Wifo-Prognose zitiert haben, noch ein paar Ergänzungen dahin gehend machen, daß auch gesagt wird, daß mit einem mäßigen Wirtschaftswachstum zu rechnen ist, daß die Zinsen weiter nachgeben werden, daß der Export Wachstumsstütze bleiben wird, daß die Einbußen im Reiseverkehr abklingen werden, daß wir eine robuste Investitionskonjunktur auf dem privaten Sektor haben, daß das Leistungsbilanzdefizit abnimmt, daß wir eine anhaltend hohe Preisstabilität haben.

Ich möchte nicht beschönigen und auch in keiner Weise die Probleme negieren, die wir in der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt haben, aber doch betonen, daß wir mit über 3 Millionen unselbständig Erwerbstätigen auch im Jahre 1995 einen sehr hohen Beschäftigungsstand hatten und dieser ein Ausdruck der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft, aber auch der Qualifikation unserer Kolleginnen und Kollegen ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube daher, es wäre unverantwortlich und auch nicht zutreffend, hier ein Krisenszenario und eine Weltuntergangsstimmung zu entwickeln und das zu erzeugen, was auch für die Wirtschaft negativ ist: Pessimismus! Auch die Wirtschaft braucht Optimismus, und Optimismus ist auch ein Teil des Erfolges! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit sind – abgesehen von einer guten Stimmung – natürlich noch andere Rahmenbedingungen. Ich meine hier politische Stabilität und Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes. Dazu gehören auch


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stabile soziale Verhältnisse, gute Qualifikation der Beschäftigten, Verläßlichkeit in der Leistung und Erfüllung von Aufträgen. Ich glaube, diese Faktoren kann Österreich aufweisen, es hat diese Wettbewerbsfähigkeit, und es gilt für uns alle, daran zu arbeiten, damit sie auch für die Zukunft erhalten bleiben.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Lohnnebenkosten sind in dieser Betrachtung nur ein Teil der Faktoren. Lohnnebenkosten sind ein Teil der Arbeitskosten im internationalen Vergleich, die für den Gesamtpreis erforderlich sind. Auch hier sollte man darauf verweisen, daß wir bei den Arbeitskosten im Mittelfeld liegen. (Abg. Haigermoser: Das stimmt nicht, Frau Kollegin! – Abg. Mag. Peter: An der vierten Stelle in der EU!) Im internationalen Vergleich. Es gehören nicht nur EU-Länder zu diesem Vergleich, sondern es sind auch andere Länder als Maßstab zu nehmen.

Ich weiß, Sie haben ein etwas gestörtes Verhältnis zu Aussagen, die in Studien der Wirtschafts- und Sozialpartner gemacht werden. (Abg. Haigermoser: Zu wem habe ich ein gestörtes Verhältnis?) Wenn die Wirtschafts- und Sozialpartner Aussagen treffen, so haben Sie zu diesen ein etwas gestörtes Verhältnis. Daher verweise ich auf eine Studie, die diese Sozialpartner erstellt haben. Wenn sie in dieser Studie nachlesen, werden Sie das bestätigt finden, was ich soeben gesagt habe. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich wollte nämlich darauf verweisen, Herr Kollege Haigermoser, daß Lohnkosten ein Faktor, aber Zinsentwicklungen, Währungsschwankungen ein wesentlich stärkerer Faktor für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit sind und daß daher diesen Faktoren zumindest gleich große Bedeutung beizumessen ist. Daher unterstütze ich auch die Aussagen, die der Herr Bundeskanzler zur Bedeutung der Währungsstabilität, zur Beseitigung von Währungsschwankungen gemacht hat, damit unsere Exportwirtschaft in ihrer Wettbewerbsfähigkeit absolut auch für die Zukunft gesichert ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, daß wir sehr viele Vorschläge haben, die die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt verbessern und der negativen Tendenz entgegenwirken werden. Ich sagte, die Rahmenbedingungen sind entscheidend, aber es sind auch konkrete Maßnahmen wichtig. Wenn Sie, Herr Dr. Haider, zuerst von sieben Vorschlägen gesprochen haben, so lassen Sie mich auch wieder sieben nennen. Sie werden sehen, es kommt vielleicht der eine oder andere Vorschlag neu hinzu. Die Zahl von sieben Vorschlägen ist ein Beispiel dafür, daß es unseriös ist, ein Patentrezept zu erwarten. (Abg. Mag. Stadler: Da sind Sie schon besser als der Herr Bundeskanzler, wenn Sie einen Vorschlag machen! Der Herr Bundeskanzler hat nur Scherze gemacht!) Der Herr Bundeskanzler hat eine Reihe neuer Vorschläge eingebracht. (Abg. Mag. Stadler: Er hat nur platte Scherze gemacht!)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Es bleibt Ihnen vorbehalten, wie Sie Aussagen bewerten. (Beifall bei der SPÖ.) Wir wissen es zu schätzen, was der Herr Bundeskanzler sagt, und nicht nur wir! Und wir wissen auch um die Bedeutung und die Qualität seiner Aussagen. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, ganz entscheidend wird es sein, daß zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Projekte, die in Bearbeitung sind, forciert und umgesetzt werden. Ich erinnere an jene Vorschläge, die auch schon von Herrn Bundesminister Klima gemacht wurden, Bahn und Straße in einer gemeinsamen Finanzierungskonstruktion mit den Mauteinnahmen zu verbinden und eine mittelfristige Finanzierungsmöglichkeit zustandezubringen. Ich denke, daß es wichtig ist – und das wurde heute schon gesagt –, Verfahren zu beschleunigen und auch dort zu entbürokratisieren, wo eben bestimmte Bürokratievorschriften nicht sinnvoll sind. Wir brauchen eine aktive Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik, um auch die Kofinanzierung durch die Europäische Union zu nützen. Wir bekämpfen – und wir werden das noch offensiver und noch wirksamer tun müssen – illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit. (Abg. Mag. Stadler: Blablabla! Das sind nur Phrasen!)

Aktive Arbeitsmarktpolitik heißt, sehr geschätzter Herr Kollege, ganz gezielt dort Qualifikationsmaßnahmen zu setzen, wo es Gruppen gibt, die dieser Qualifikation bedürfen, um wieder eine


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Chance zu haben, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. (Abg. Mag. Stadler: Das sind alles Phrasen! Sie haben sieben Vorschläge angekündigt! Wo sind sie?)

Herr Mag. Stadler, wenn Sie das als "Phrasen" bezeichnen, dann haben Sie Ihre Leseübungen dahin gehend noch nicht bestanden, daß es ein Arbeitsmarktprogramm des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gibt, in dem Sie das alles finden, ganz konkret, auch mit den Erfolgsquoten, auch mit dem, worauf wir stolz sind, daß nämlich die Vermittlungsquoten durch die Ausgliederung des Arbeitsmarktservices höher geworden sind, als das vorher der Fall war. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Da war ja der Vogler besser!)

Sehr geschätzte Damen und Herren von den Freiheitlichen! Wenn Sie hier von Handelshäusern sprechen und diese Idee für sich reklamieren, so soll es mir recht sein: Aber das ist nichts Neues, denn diese gibt es bereits. Sie arbeiten sehr effizient für die klein- und mittelständische Wirtschaft. Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, einen Vertreter eines derartigen Handelshauses kennenzulernen, und ich habe gesehen, wie wirksam hier für Teile unserer Wirtschaft gearbeitet werden kann. Ich bin überzeugt davon, daß es richtig ist, diese Initiativen weiter auszubauen, weil wir auch da die Chance nützen können, durch die Mitgliedschaft zur Europäischen Union eine zusätzliche Finanzierungsquelle zu erschließen.

Aber wenn Sie, sehr geschätzte Damen und Herren von den Freiheitlichen, Ideen in Richtung Vergangenheit entwickeln, wenn in Ihren Programmen Handwerkschulen als eine Möglichkeit der Qualifikation genannt werden, dann würde ich Sie bitten, mir zu erklären, was Sie darunter verstehen. Ich kenne diese nur aus der Geschichte des vorigen Jahrhunderts – und das ist für uns kein akzeptables Instrument, Verbesserungen in der Arbeitswelt zu schaffen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich noch auf ein paar Punkte aus den Vorstellungen der Freiheitlichen Partei Bezug nehmen. Sie sprechen von der steuerlichen Begünstigung nicht entnommener Gewinne als einer Maßnahme zur Belebung des Arbeitsmarktes, zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit.

Ich darf Ihnen auch hiezu eine Studie der Arbeiterkammer empfehlen, die sich mit den Gewinnsteuerentwicklungen auseinandersetzt. Ich glaube, sehr geschätzte Damen und Herren, wenn Sie diese Studie nehmen und ihre Ansätze betrachten, dann werden Sie sehen, daß die Realisierung dieser Vorschläge nur eine Verstärkung der Gewinne zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeuten würde. Kein einziger zusätzlicher Arbeitsplatz würde dadurch weder geschaffen noch gesichert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Da Sie hier von mehr Zeitautonomie gesprochen haben, habe ich mir gedacht, das ist ein Vorschlag, der sich auch mit unseren Überlegungen deckt. Aber Ihr Vorschlag geht auf mehr Zeitautonomie für die Betriebe. Ich frage mich: Wo bleiben für Sie die Interessen der Beschäftigten? Haben diese nicht auch ein Recht auf mehr Souveränität bei der Festlegung ihrer Arbeitszeit, auf die Art und Weise, wie sie ihre Beschäftigung absolvieren? Da gibt es keine Gleichwertigkeit bei Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich noch ein Beispiel bringen: In Ihrem Programm findet sich das Bonus-Malus-System. Ich habe zur Kenntnis genommen, daß Sie etwas abgeschrieben haben, was schon seit längerer Zeit zwischen den Sozialpartnern diskutiert wurde. Nur bei näherem Lesen bin ich draufgekommen: Es ist das ein anderes Bonus-Malus-System als das, was wir uns vorstellen. Bei Ihnen heißt Bonus, daß jene Betriebe einen Bonus erhalten, die nicht kündigen, also eine Bonifikation für ein Verhalten, das man überall dort erwarten müßte und erwarten sollte, wo es vertretbar ist. Aber es kann doch keine Politik sein, das zu bonifizieren, was eigentlich in einer Arbeitsbeziehung eine Selbstverständlichkeit sein sollte. (Abg. Dr. Haider: Die Unternehmen sollen die Leute hinausschmeißen, das ist Ihr Weg!)

Gleichermaßen, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen, darf ich Ihnen sagen: Was soll der Vorschlag, bei legaler Inanspruchnahme von Dienstleistungen eine Rückvergütung der Steuer in Aussicht zu nehmen? Das heißt, dann, wenn man das macht, was vom Gesetz her selbstverständlich ist, soll es – noch dazu aus Steuermitteln – eine Refundierung geben. Das ist eine Moralvorstellung, die nicht der meinen entspricht, meine sehr


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geehrten Damen und Herren. Mit dem haben Sie von den Freiheitlichen selbst zu Rande zu kommen. (Beifall bei der SPÖ. )

Lassen Sie mich noch etwas sagen, sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen, weil auch die Verantwortung des Herrn Bundeskanzlers hier eingefordert wurde. Ich frage mich: Wo soll die Verantwortung des Herrn Bundeskanzlers liegen, wenn ein Industrieller, wie der Herr Prinzhorn, einen beachtlichen Teil seiner Produktion nach Ungarn verlegt? (Abg. Nürnberger: Da schau!) Ist das das, was wir als Bekenntnis zu unserer Wirtschaft, als ein Bekenntnis zur Erhaltung der Arbeitsplätze in Österreich zählen? Ich habe dazu nichts von Ihnen gehört. Ich frage, wo Sie da die Verantwortung einfordern. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe dazu, daß wir gefordert sind, im nationalen Bereich alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Beschäftigung zu sichern, Arbeitsplätze zu schaffen und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Wir werden dieses aber gleichermaßen auf der Ebene der Europäischen Union tun müssen, denn es kann die Arbeitslosigkeit nur über die nationalen Grenzen hinaus bekämpft werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Warum haben Sie den "Konsum" ruiniert?)

Herr Kollege Haigermoser! Da Sie hier von Förderungen sprechen und so plakativ ein Beispiel herausnehmen: Wir sehen unsere Verantwortung bei den Förderungen darin, diese immer wieder auf die Effizienz zu hinterfragen. Und wenn wir erkennen, daß ein bestimmtes Modell einer Förderung nicht jene Effizienz bringt, die sie bringen soll, wofür sie geschaffen wurde, dann denken wir an eine Optimierung. Und das gilt auch in dem Fall, den Sie angesprochen haben. (Abg. Haigermoser: Dann brauchen wir eh nicht mehr zu reden darüber!)

Lassen Sie mich ganz zum Schluß, sehr geschätzte Damen und Herren, sagen: Wir sind gefordert, auch ein bißchen darüber nachzudenken, ob es richtig ist, besonders jene Unternehmungen herauszustreichen und vor den Vorhang zu stellen, von denen hier so lauthals verkündet wird: Sie haben es geschafft, mit noch weniger Mitarbeitern, durch Kündigung von Mitarbeitern die Dividende deutlich zu verbessern.

Ich möchte jene Betriebe vor den Vorhang rufen, die sagen können, sie haben es geschafft, mit der gleichen Anzahl – noch besser: mit mehr Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern – eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals zustandezubringen. (Abg. Haigermoser: Der "Vorwärts"-Verlag!) Wenn wir auch diese Wirtschaftsphilosophie erreichen, dann – davon bin ich überzeugt – sind wie wir einen Schritt weiter sind in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.39

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abg. Ing. Maderthaner. Ich erteile es ihm.

20.39

Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich glaube, es steht außer Zweifel, daß wir sehr viel erreicht haben in unserem Land. Denn dieses kleine Land so aufzubauen, wie wir es heute kennen – nach zwei verlorenen Kriegen – ist nicht einfach gewesen. In erster Linie ist das zu verdanken der Tüchtigkeit aller Österreicher und Österreicherinnen, wie das heute hier schon angeführt wurde, der Risikobereitschaft, der Kreativität der Unternehmer, dem Fleiß der Arbeitnehmer, der Bauern, kurz: allen Österreichern, die leistungsorientiert denken. Aber ich meine, daß das auch noch andere Gründe hat, denn tüchtige Menschen gibt es überall: Es sind auch die stabilen politischen Verhältnisse, die wir in dieser Zweiten Republik haben, die festgefügten Kammerorganisationen und damit auch die Sozialpartnerschaft. Das alles ist verantwortlich für unseren Erfolg. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Im Augenblick hat sich der Konjunkturhimmel jedoch etwas getrübt, und daher ist es unsere Aufgabe, alles zu tun, um wieder Tritt zu fassen, um auch in schwierigen Zeiten Probleme zu lösen. Ich bin überzeugt davon: Wenn wir die richtigen Schritte setzen, wenn wir Strukturkorrekturen dort vornehmen, wo dies notwendig ist, dann werden wir das alles schaffen. Wir


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dürfen aber sicherlich nicht den Kopf in den Sand stecken, denn sonst kann es leicht passieren, daß wir ohne Kopf aufwachen – und das wäre schlecht, glaube ich.

Daher, meine Damen und Herren, muß man – wenn man diese gesamte Entwicklung und das Ansteigen der Arbeitslosigkeit betrachtet – versuchen, die richtigen Analysen zu machen und dann in der Arbeitsmarktpolitik die richtigen Maßnahmen setzen.

Klar ist: Arbeitsplätze werden nur durch funktionierende, gewinnbringende Betriebe geschaffen beziehungsweise gehalten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie beim Liberalen Forum.)

Ich möchte nochmals klar und deutlich darauf hinweisen, daß es in der Hauptsache die Klein- und Mittelbetriebe waren, die in den letzten zehn Jahren, neben der öffentlichen Hand, Arbeitsplätze geschaffen haben, nämlich produktive Arbeitsplätze, rund 200 000 an der Zahl. Dafür muß man gerade diesem Wirtschaftsbereich besonders danken und weiterhin alles tun, um diese Betriebe erfolgreich sein zu lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Als praktizierender Unternehmer möchte ich hier betonen: Arbeitsplätze können nur durch Aufträge gesichert werden. Weder durch Verordnungen noch durch Vereinbarungen wird man Arbeitsplätze sichern beziehungsweise schaffen, sondern nur durch erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit.

Meine Damen und Herren! Um Aufträge zu bekommen, muß man sich dem Wettbewerb, und zwar dem internationalen Wettbewerb, erfolgreich stellen und stellen können. Das heißt, man muß konkurrenzfähig sein. Und dies ist eine Frage der Kosten, von denen heute schon so viel gesprochen wurde, und zwar der Material- und Maschinenkosten sowie der Lohnkosten, aber auch der Nebenkosten wie Energie, Umwelt, Aufwand für Bürokratie, Steuern und so weiter. Eigentlich müßte das ja jeder genau wissen und danach auch seine Handlungen richten.

Abgesehen von der Tatsache, daß die Konkurrenz aus dem Osten Europas und dem Fernen Osten, sprich Asien, immer größer wird, muß es uns bei der Betrachtung der Entwicklung schon zu denken geben, wie unterschiedlich sich das Wirtschaftswachstum im Vergleich zu den Beschäftigtenzahlen etwa zwischen Amerika und Europa entwickelt hat. Denn das wird die Zukunftsfrage für den gesamten Kontinent überhaupt sein.

Zwischen 1970 und 1992 ist die Wirtschaft in Europa real um 81 Prozent und in den Vereinigten Staaten um 70 Prozent gewachsen. Die Beschäftigung stieg in diesem Zeitraum in den Vereinigten Staaten um 49 Prozent, in Europa aber nur um 9 Prozent. In Österreich waren es 85 Prozent in diesem Zeitraum mit einer Beschäftigungssteigerung von 28 Prozent. Also wir waren sicher hier deutlich besser als das übrige Europa. Und das sollte uns auch durchaus positiv stimmen, daß wir eine größere Herausforderung gut meistern konnten.

Aber warum konnten die Unternehmungen in den USA so viel mehr an Arbeitsplätzen zur Verfügung stellen als in Europa beziehungsweise auch in Österreich? Der technische Fortschritt allein kann es jedenfalls nicht sein. (Abg. Dkfm. Bauer: Zehn Minuten warte ich schon! Sie sind der Präsident der Wirtschaftskammer! So eine Wald- und Wiesenrede halten!) Vielleicht hören Sie ein bißchen zu. (Abg. Dkfm. Bauer: Die ganze Zeit höre ich zu!) Dann ist es gut, Herr Kollege. Sie werden noch mehr hören! Haben Sie ein bißchen Geduld! Werden Sie nicht so ungeduldig. Habe ich jemanden von Ihrer Partei unterbrochen? Vielleicht sollten Sie sich ein bißchen an die Gepflogenheiten hier halten! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es hat sich sicherlich die Arbeit verteuert, und das ist vielleicht der Grund, wo wir zu korrigieren versuchen müssen. – Ich möchte nicht mißverstanden werden, ich möchte hier keine amerikanischen Verhältnisse haben. Ich bin sehr froh, hier in Europa und vor allem in Österreich zu leben. Aber ich appelliere jedenfalls sowohl an die Regierung, an die Sozialpartner (Abg. Dkfm. Bauer: Gut!), an die Kollegen (Abg. Dkfm. Bauer: Gut!) und auch an Sie hier im Hohen Haus, mitzuwirken bei positiven Maßnahmen und nicht nur Zwischenrufe hier anzubringen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Wir müssen uns mit diesem Thema insgesamt sehr sachlich auseinandersetzen. Wir müssen reagieren, müssen versuchen, an den Voraussetzungen, die diese Besserung auf dem Arbeitsmarkt ergeben können, zu arbeiten und eben gemeinsam Korrekturen ernsthaft durchzuführen und damit sozusagen auch für die Zukunft unser notwendiges Sozialnetz und die positive Wirtschaftsentwicklung abzusichern.

Jede Überforderung von Staat und Wirtschaft würde uns in die Spirale der Geldentwertung treiben, die bekanntlich die "kleinen" Sparer, die Pensionisten, die Bezieher niedriger Einkommen und die sozial Schwächeren am meisten treffen würde.

Ausreichend Arbeit in österreichischen Unternehmungen zu schaffen und soziale Sicherheit zu geben für jene, die ihr Leben lang gearbeitet haben, beziehungsweise für jene, die wirtschaftlich am Rand stehen, heißt, Taten setzen, und zwar konkret, meine Damen und Herren. (Abg. Dkfm. Bauer: Aber jetzt kommt’s, nehme ich an!) Seien Sie nicht so ungeduldig! Sie werden ja noch ein bißchen Zeit haben, oder? (Abg. Dkfm. Bauer: Ich schon! Aber Sie nicht mehr!) Ich habe mehr Zeit als Sie glauben.

Das heißt konkret – und es wurde ja diesbezüglich heute schon einiges angeführt, aber ich möchte versuchen, das ein bißchen zusammenzufassen –: Abbau von unnötiger Bürokratie, und zwar Schritt für Schritt. Wir sollten uns da Schritte vornehmen und diese auch umsetzen. Nicht reden, sondern handeln! Und manchmal habe ich hier so das Gefühl – lassen Sie mich das auch sagen –, daß in den Behörden manchmal auch eine gewisse Arbeitsmarktfeindlichkeit steckt, wenn man sieht, wie die Genehmigungsverfahren laufen, wie die Probleme der Betriebe gesehen werden. Da muß ich manchmal schon feststellen, daß man nicht immer gerade arbeitsmarktfreundlich handelt.

Nächstes Problem: Natürlich Abbau von Lohnnebenkosten, von denen wir immer reden. Auch hier mit mehr Eigenverantwortung und vielleicht mit mehr Eigenvorsorge. (Abg. Dkfm. Bauer: Zum Beispiel?) Beschleunigung aller Genehmigungsverfahren (Abg. Dkfm. Bauer: Drei Beispiele: Welche?) , um der Wirtschaft mehr Impulse zu geben. Es gibt Möglichkeiten, in private Investitionen sozusagen mehr an Beschleunigung hineinzubringen, wenn eben Genehmigungsverfahren entsprechend abgewickelt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Gezielte und wirksame Maßnahmen gegen gewerbliche Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung: Auch da dürfen wir nicht nur reden, sondern müssen Taten setzen.

Das Bonus-Malus-System wurde heute schon angesprochen; es wurde bereits sozialpartnerschaftlich vereinbart. – Für ältere Arbeitnehmer: flexible Arbeitszeiten, die sowohl von den Arbeitnehmern als auch von den Arbeitgebern gewünscht werden. Auch da, glaube ich, müssen wir vom Reden ins Handeln kommen.

Mehr Teilzeitbeschäftigung, was gerade auch für Frauen wichtig ist – und, heute schon gesagt, aber ich werde dann auch Beispiele hiezu bringen, verstärkte Förderung von Forschung und Entwicklung.

Zusätzliche Werbung für Österreich als Wirtschafts- und Investitionsstandort.

Da heute hier vom Abgeordneten Dolinschek nur die Nachteile eines EU-Beitritts aufgezählt wurden: Natürlich ist es zu Veränderungen gekommen, wie eben bei jeder Entwicklung. Sie haben aber nicht dazugesagt, was zusätzlich an Investitionen hereingekommen ist, was zusätzlich geschaffen wurde. Wären wir nämlich nicht der EU beigetreten, meine Damen und Herren, dann würde die Investitionstätigkeit ausländischer Großunternehmen überhaupt unterbleiben.

Versuchen Sie doch einmal, nachzufragen, was in der Schweiz in den letzten sechs Jahren passiert ist, wie sich dort die Investitionen entwickelt haben. Wenn Sie das tun würden, dann würden Sie merken, daß in der Schweiz innerhalb von sechs Jahren die Investitionssumme von etwa 30 Milliarden auf 6 Milliarden Franken gesunken ist, und zwar im Land selbst. Es wurde


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grundsätzlich außerhalb der Schweiz investiert. Reden sie mit Schweizer Unternehmen, dann werden Sie merken, daß diese besorgt in die Zukunft blicken. – Das zu diesem Thema.

Meine Damen und Herren! Es heißt auch: mehr Förderung zur Unternehmensgründung. – Das ist klar: Wir haben alles zu tun, um die Jungunternehmerförderung noch besser voranzutreiben. Die Wirtschaftskammer hat versucht, mit einem Beitrag Impulse zu setzen, aber es fehlt noch der Beitrag der öffentlichen Hand, und das muß hier angemerkt werden.

Das heißt: Von Worten zu Taten, Strukturreformen durchzuführen, eben auch unangenehme Dinge, wenn es notwendig ist, auszusprechen und vielleicht auch einen begrenzten Verzicht auf Reallohnerhöhung. Es hat niemand, bitte – das wurde heute hier behauptet –, eine Herabsetzung des Reallohnes verlangt. Ich habe nur gesagt: unter Umständen zwei bis drei Jahre Verzicht auf Reallohnerhöhung.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie Zeitungen lesen, haben Sie wahrscheinlich auch gelesen, daß bei einer Befragung von 1 500 Österreichern 75 Prozent der Meinung sind, daß Preise und Löhne gekoppelt werden sollen, das heißt, daß man sich an der Inflationsrate orientieren soll. – Das heißt, die Mehrheit der Menschen erkennt, daß das notwendig ist. Und sie sind bereit, derzeit zu sagen: Wir haben halt in den nächsten zwei Jahren nicht mehr zu verbrauchen, als wir jetzt verbrauchen können. Und schlecht geht es uns ja, glaube ich, doch nicht. Das kann man durchaus sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Da ich von zusätzlicher Werbung für Österreich gesprochen habe, möchte ich jetzt sehr deutlich festhalten – und das sind alles Taten, Herr Kollege Bauer, da Sie sich so alteriert haben darüber –, daß ich bei meiner letzten Reise nach New York in der vergangenen Woche versucht habe ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Reise? – Ruf bei den Freiheitlichen: Ball!) Hören Sie doch ein bißchen zu, bitte! Hören Sie ein bißchen zu, und dann werden Sie erfahren, was sich dort alles getan hat. Auch das ist Werbung. (Abg. Scheibner: Wer hat Sie angegriffen?) Ich sage das nur, weil Sie ständig polemisieren. Das ist die ganze Geschichte. (Abg. Scheibner: Was ist da polemisiert?) Hören Sie einmal zu! Auch bei einem Ball kann man Kontakte schließen und Gespräche führen, Gespräche, die durchaus für die Wirtschaft interessant sind. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir haben jedenfalls Österreich vorgestellt, wir haben geworben für Österreich. Es war auch Herr Professor Kramer mit, ebenso österreichische Manager und ein Repräsentant der Kontrollbank. Wir haben versucht, Österreich dort als interessanten Standort vorzustellen. Denn von heute auf morgen kommt niemand, wenn man die Leute nicht darauf aufmerksam macht.

Diesbezügliche Fortsetzungsveranstaltungen sozusagen wurden vereinbart. – Das sind echte Taten, um Österreich im Ausland noch interessanter zu machen.

Ich habe in den USA weiters mit MIT, mit dem Massachusetts Institute for Technology, ebenso mit dem Stanford Research Institute Kooperationsverträge abgeschlossen, und zwar was die Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung gerade für Klein- und Mittelbetriebe anlangt. Auch das ist wesentlich, und das sind wirklich Taten! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir haben jetzt auch die Aktion "Karriere mit Lehre" neuerlich gestartet. Mit dieser wollen wir besonders darauf hinweisen, daß Ausbildung, daß duale Ausbildung wichtig ist. – Das sind Taten, meine Damen und Herren, die zählen, die wichtig für die Zukunft sind.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, dabei mitzuhelfen, wo immer Sie die Möglichkeit dazu haben, denn Worte alleine, wie "wir werden" oder "wir wollen", werden sicherlich nicht die Probleme lösen helfen. Taten zu setzen, dazu sind Sie alle eingeladen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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20.54

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. Ich erteile es ihm.

20.54

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Heute erleben wir wirklich eine "appetitliche" neue Variante des Parlamentarismus: Die FPÖ beruft eine Sondersitzung ein, wozu ich ihr gratuliere, zu einem ganz besonders wichtigen Thema. Die Präsidiale einigt sich, wie schon so oft in diesem Hohen Hause, auf eine gewisse Redezeit, auf sechs "Wiener Stunden", das macht für die Freiheitlichen 78 Minuten. Der Klubobmann verbraucht hievon 40 Minuten, so ganz einfach nach dem Motto: Wichtig ist, daß er gesprochen hat, die anderen haben eh nichts zu sagen. (Heiterkeit beim Liberalen Forum.) Und dann machen wir eine Dringliche zum selben Thema.

Wirklich: Was wollen Sie mit dem Parlamentarismus noch alles aufführen? Sie berufen eine Sondersitzung ein zu einem Thema, und dann machen Sie noch eine Dringliche zum selben Thema. (Beifall beim Liberalen Forum, bei SPÖ und ÖVP sowie bei den Grünen.) Irgendwo ist die Seriosität einmal zu Ende. Es ist das alles bedauerlich. Dann uns noch zu sagen, wir bekommen jetzt 30 Anträge auf den Tisch geknallt, und das ist die Arbeit an gemeinsamen Lösungen! – So geht Wirtschaftspolitik nicht. Und es ist nur eines zu hoffen: daß ihr nie in die Gefahr kommt, wirklich Wirtschaftspolitik machen zu müssen. Das wäre eine Katastrophe, das kann ich euch nur sagen! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Bundeskanzler Vranitzky! Mein Kompliment! Sie haben heute kämpferisch zu einem sehr schwierigen Thema Stellung genommen: zur Arbeitslosigkeit. Und ich freue mich, daß nach der Regierungsbildung Venture Capital Fonds zum Tragen kommen werden. Denn die Fremdkapitalförderung der Vergangenheit war doch nicht zuletzt eine Bankenförderung, und sie ist nur zum Teil bei den Betrieben angekommen.

Es ist daher nicht richtig, wenn Kollege Haigermoser meinte, die Fremdkapitalförderung des BÜRGES-Fonds wäre auf jeden Fall fortzusetzen. – Wenn man sie fortsetzen würde, Kollege Haigermoser, wäre es sinnvoll, sie mit Festzinskrediten in der jetzigen Niedrigzinsphase fortzusetzen. (Abg. Haigermoser: Prima!) Darüber hinaus meine ich aber, daß es viel wichtiger wäre, in der Eigenkapitalförderung, bei Beteiligungsfonds zusätzliches Eigenkapital in die Betriebe zu bringen (Abg. Haigermoser: Ja, richtig!) , denn ihr Fremdkapitalniveau ist meistens schon weit über der Halskrause. (Abg. Haigermoser: Aber BÜRGES hat sich bewährt!)

Herr Bundeskanzler! Sie haben recht: Die Unternehmensbesteuerung in Österreich ist europareif. Das stimme ich Ihnen völlig zu. Nur: Wissen Sie, was uns Unternehmer ärgert und was Lust und Freude vergehen läßt? – Das sind die Rahmenbedingungen, was ich heute bereits angetönt habe, im Bereich der Arbeitswelt. Und es nützt uns halt nichts, wenn wir immer wieder einen Anlauf nehmen und sagen: Es wird weniger Bürokratie. – In Wirklichkeit wird es nicht weniger, in Wirklichkeit wird es immer mehr.

Ich bringe nur zwei Beispiele hiezu. Erstens: Es gibt jetzt ein Betriebsärztegesetz in Österreich. Das heißt, für mein Unternehmen gesprochen, ich weiß noch nicht, ob wir ab 1. Jänner 1997 oder 1998 eine Zusatzbelastung von 108 000 S jährlich haben werden. Dabei gibt es zwei praktische Ärzte in Sankt Wolfgang, die diese Aufgabe, wie ich meine, bisher gut erfüllt haben.

Zweites Beispiel: Umweltbeauftragte – ein ganz wichtiges Thema. Ich bitte meine liebe Frau, in meinem Unternehmen Umweltbeauftragte zu sein. Sie hat mich fast erwürgt. Sie wird seither mit Papier zugeschüttet. Solche Pakete Papier! Meine Frau ist berufstätig, bitte; sie hätte etwas anderes zu tun, als nur diese Papiere zu lesen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wenn man es wegschmeißt, ist es schade darum. Das wäre ja nicht der Sinn und Zweck. Ich bringe das als Beispiel dafür, worum es geht.

Ich stimme dem Herrn Bundeskanzler zu, daß Optimismus und Zuversicht die einzige Chance ist, uns aus dieser Misere zu befreien, in der wir uns doch momentan, vor allem was den Arbeitsmarkt anlangt, befinden.

Was mich betroffen macht, Herr Bundeskanzler, ist, daß Sie für die Erstellung des Budgets 1996 mittlerweile sechs Monate brauchen. Sie haben im August zu verhandeln begonnen. Heute


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schreiben wir Ende Jänner. (Bundeskanzler Dr. Vranitzky: Es war eine Wahl dazwischen!) Ich halte diese Wahl für genauso "notwendig" wie Sie. Für Sie war sie erfolgreich. Für jene, die sie vom Zaun gebrochen haben, weniger.

Nur, das ist der Punkt: Alles wartet in diesem Land auf Investitionskonzepte und bei der Umsetzung gibt es Zukunftshoffnungen und die Frage: Wann haben wir jetzt eine Regierung, wann haben wir wirklich ein Budget, wie wissen wir, wie es weitergeht? Das ist die Forderung, die die Wirtschaft an das österreichische Parlament und an die Bundesregierung erhebt: daß es Sicherheit und Stabilität auch im Jahre 1996 gibt.

Frau Präsidentin Hostasch! Das mit den Lohnnebenkosten ist ein ewiges Streitthema zwischen uns. Halten wir einmal eines fest: Es kann doch nicht klug sein, zu sagen, wir belassen die Lohnnebenkosten dort, wo sie sind, und nur in Ausnahmefällen, wie zum Beispiel bei den Langzeitarbeitslosen oder – wie die Freiheitlichen vorgeschlagen haben – bei der Saisonverlängerung, stellen wir fest, daß die Lohnnebenkosten zu hoch sind, und dann machen wir dort mit einem riesigen bürokratischen Aufwand Sondersenkungen. – Ich glaube, es wäre wirklich klüger, zu verstehen: Das, was uns Unternehmer trifft, sind Arbeitskosten. Wir in Österreich haben die vierthöchsten Arbeitskosten im europäischen Raum, und es gibt nur wenige außereuropäische Staaten – ich glaube, Japan gehört dazu, sonst fällt mir jetzt gar keiner ein; die Schweiz fällt mir ein –, in denen es höhere Arbeitskosten als bei uns gibt.

Unser Thema ist, die Bruttolöhne zu erhöhen durch Auslagerung der Lohnnebenkosten und die Arbeitskosten zu senken, und zwar nicht nur in den Sonderfällen mit allen bürokratischen Hürden und allen Mißbrauchsgefährlichkeiten dabei, sondern insgesamt. Das schafft Arbeitsplätze, das schafft Hoffnung. Und wir wollen das ja schaffen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.00

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Ich erteile es ihm.

21.00

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Das Thema ist immer noch der Arbeitsmarkt, meine Herren, auch für Holger Bauer.

Der Bundeskanzler hat heute – wie ich meine – bei der Beantwortung der sogenannten dringlichen Anfrage witzig und schlagfertig reagiert. Aber die Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen haben es ihm auch ziemlich einfach gemacht, würde ich sagen. Selten habe ich eine so kurios formulierte dringliche Anfrage gelesen. (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Bauer .)

Meine Damen und Herren! Sie haben ja auch andere Papiere! Warum haben Sie nicht die Unterlagen von der Pressekonferenz letzter Woche genommen und ein Papier daraus gemacht? Das wäre viel sinnvoller gewesen! Ich kann mich erinnern: Sie haben im Oktober oder November ein vierzig- oder fünfzigseitiges Papier zum Wirtschaftsstandort fabriziert. Dieses hätten Sie doch ausschlachten können! (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist auch nicht besser!) Ich weiß aber auch, warum Sie das nicht getan haben: Weil Ihnen die Zeit gefehlt hat. Sie wollten nämlich die Lambach-Anfrage der Grünen abstechen, und in einer halben Stunde bringt man halt nicht mehr viel zusammen. Das ist jedoch auch in Ihrem Sinne – wenn ich das so sagen darf – kontraproduktiv. (Abg. Dkfm. Bauer: Warum wollten wir die denn abstechen?)

Ich halte mich jetzt kurz. Ich sage nur noch einige Dinge, die vielleicht noch nicht vorgekommen sind, beziehungsweise ich betone einige Dinge, die die Grünen auch unterstützen. Es gibt einen Punkt in der ganzen Debatte über die Finanzierung von Beschäftigungsmaßnahmen, den wir seit einem Jahr wie mit der Gebetsmühle wiederholen, nämlich die Steuerhinterziehung beim Altlastensanierungsbeitrag. Da liegt etwa 1 Milliarde Schilling auf der Straße, oder besser gesagt, im Dreck der Deponien, die aufgehoben werden sollte, um die Sanierung von Deponien voranzutreiben und dadurch selbstverständlich die entsprechenden Arbeitsplätze zu schaffen.


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4. Sitzung / Seite 78

Das Stichwort "Technologieförderung" ist heute sehr oft gefallen, vor allem von seiten der ÖVP. Meine Damen und Herren! Ich erinnere Sie daran, daß es einen Industrieausschuß gegeben hat und gibt. Diesem ist es jedoch in der ganzen letzten Legislaturperiode nicht gelungen, auch nur ein einziges Mal den Entwurf zum Technologieförderungskonzept zu diskutieren. Ich hoffe, daß sich das ändert!

Zur Energiesteuerreform und Senkung bestimmter Teile der sogenannten Lohnnebenkosten: Ich bin sehr froh, wenn das thematisiert wird. Es ist ja kein Geheimnis, daß die Grünen seit längerem für eine Energiesteuerreform eintreten. Das brauche ich hier nicht wieder zu betonen. Skeptisch bin ich allerdings – bei allem Respekt vor Herrn Kollegen Schneider –, wenn man mit 43 Milliarden Schilling in die erste Runde gehen will. Das würde ich mir vorher doch noch genau anschauen. (Abg. Mag. Peter: Nur Lohnnebenkostensenkung, aber keine Steuererhöhung!) Die Freiheitlichen wollen beides, wenn ich sie richtig verstanden habe. (Weitere Zwischenrufe des Abg. Mag. Peter .) Richtig, abgesehen davon! Ich bin ja großzügig!

Natürlich könnte man die Freiheitlichen einmal bitten, uns zu sagen, um wieviel Schilling denn jetzt der Benzinpreis, um wieviel Groschen die Kilowattstunde Strom und so weiter steigen werden. Denn nach dem Vorschlag von Herrn Schneider wird der Benzinpreis weit stärker ansteigen als in unserem Energiesteuervorschlag vom letzten Sommer. Das wollen wir doch einmal festhalten! (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Bauer .)

Es gibt einen anderen Punkt in diesem Zusammenhang, den ich gerne einmal diskutieren würde – aber jetzt ist nicht der geeignete Augenblick dafür –, nämlich die Inzidenz der Lohnsummensteuer. Die Gewerkschaften gingen ebenso wie die Arbeitgeberverbände bis jetzt wie selbstverständlich davon aus, daß das eine Steuer ist, die der trägt, der sie zahlt. Es ist, glaube ich, noch keine vier Wochen her, daß die Industriellenvereinigung eine Aussendung über den Familienbeihilfenfonds gemacht hat, in der sinngemäß stand, daß die Arbeitnehmer doch auch etwas zu diesem Fond dazu zahlen sollten. Im Zusammenhang mit dem Insolvenzausfallgeldfonds gibt es auch immer wieder Bestrebungen, daß auch die Arbeitnehmer etwas dazu zahlen sollten.

Diejenigen von Ihnen, die Volkswirtschaft oder Betriebswirtschaft studiert haben, werden wissen: Wer eine Steuer trägt, hängt davon ab, wie die Elastizitäten von Angebot und Nachfrage beschaffen sind. Wenn ich eine unelastische Arbeitsangebotskurve und eine elastische Arbeitsnachfrage habe, dann tragen diese Steuern – Lohnsummensteuer, Insolvenz – oder Dienstgeberbeitrag oder wie immer all diese skurrilen Steuern heißen – ganz eindeutig die Arbeitnehmer und nicht die Arbeitgeber. Wenn sich das nicht im Preis, also in der Lohnhöhe, äußert, dann äußert es sich eben in der Menge, nämlich in der Beschäftigung. Daß solche Steuern beschäftigungsschädlich waren und sind, zumindestens in den achtziger und neunziger Jahren – in den fünfziger Jahren mag das anders gewesen sein –, ist, glaube ich, theoretisch schwer bestreitbar.

Was unterstützen wir noch? – Natürlich die Überstundensenkung zugunsten echter Arbeitsplätze. Die Einführung von Sabbaticals – Karenzjahren – ist wahrscheinlich in der Industrie und in der Wirtschaft schwieriger, im öffentlichen Dienst wäre die Übertragung des Universitätsmodells, glaube ich, nicht so schwierig, vor allem in den Berufen, die sozusagen nicht primär karriereorientiert sind. Ich nenne in diesem Zusammenhang einmal – ganz ohne Spott, sondern als Tatsachenbeschreibung – zum Beispiel Lehrer oder Krankenschwestern und so weiter, also Menschen in Berufen, die besonders vom Burn-out-Syndrom betroffen sind.

Neugründung von Unternehmungen – wunderbar! Minister Ditz sprach heute von einer "neuen Gründerwelle". Hoffentlich kommt sie bald! Endlich! Seit wann reden wir davon? Wie viele OECD-Berichte gibt es zu diesem Thema? Und was ist passiert? Wie oft sind Restriktionen der Gewerbeordnung thematisiert worden? Ich will nicht sagen, daß nichts geschehen ist, aber es ist jedenfalls sehr wenig geschehen. – Vielleicht klappt es diesmal!

Selbstverständlich: Das Budget 1996 steht bevor, es geht um eine Konzentration der Budgetmittel auf arbeitsmarktrelevante Bereiche.


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4. Sitzung / Seite 79

Jetzt noch ein Wort zur EU: Ich persönlich bin der Meinung, man sollte die Währungsunion morgen einführen und sich mit den fiskalischen Konvergenzkriterien dort beschäftigen, wo sie hingehören, aber nicht im Zusammenhang mit der Währungsunion. Ich brauche es nicht zu betonen – ich habe das letztes Jahr oft genug gemacht –, daß eine Budgetkonsolidierung selbstverständlich notwendig ist, aber nicht unter dem Druck dieser beiden sogenannten Konvergenzkriterien. (Abg. Ing. Reichhold: Das heißt, der Schilling würde weicher werden, ohne Konvergenzkriterien?) Darüber können wir lange diskutieren, ob der Schilling in der Währungsunion weicher wird. (Abg. Ing. Reichhold: Ohne Konvergenzkriterien?)

Nein. Dafür wäre notwendig, daß es eine unabhängige europäische Zentralbank gibt, – ich komme gleich darauf zurück: Wir müssen nicht unbedingt die Deutschen nachahmen, aber man könnte nach dem Muster der Deutschen Bundesbank vorgehen. Es sollte womöglich eine größere Autonomie geben, die es ermöglicht, daß der "Euro" – oder wie das Monster heißen wird – eine stabile Währung wie die D-Mark ist. Und auf diese Weise wäre selbstverständlich auch die Stabilität des Schillings gewährleistet.

Was Sie jedoch in der dringlichen Anfrage schreiben, ist ein bissel eigenartig. Ich habe mich darüber amüsiert. Sie unterstellen der Bundesregierung die Zwangsvorstellung – wörtlich –, "alles zu unternehmen, um den Untergang des österreichischen Schillings zu erreichen". – Man kann darüber debattieren, ob die Währungsunion ein sinnvolles oder ein fragwürdiges Projekt ist. Es gibt gute Argumente pro und kontra, das will ich gar nicht leugnen. Das Hauptargument gegen eine Währungsunion ist, daß einem das Instrument der Abwertung verloren geht, im übrigen ein Instrument, das Österreich seit mindestens 15 Jahren nicht angewandt hat, denn wir haben de facto eine Währungsunion, wenn man das öffentlich normalerweise auch nicht sagt, nämlich die mit der D-Mark, und zwar schon seit mindestens 15 Jahren.

Die Bundesregierung hat laut Ihrer Formulierung also die Zwangsvorstellung, den Schilling untergehen zu lassen. – Was aber machen Sie , meine Damen und Herren? Unter Ihren 30 Entschließungsanträgen, mit denen Sie uns nachher bombardieren ... (Ruf bei den Freiheitlichen: Beglücken!), pardon: beglücken werden, ist einer dabei, der mich nicht beglückt. De facto läuft er nämlich auf die Abschaffung der Autonomie der Österreichischen Notenbank hinaus, mit dem ausdrücklichen Zusatz, man möge doch etwas mehr Inflation in Österreich zulassen. – Also: Die Aufhebung der Unabhängigkeit der Notenbank und daß das Parlament dann noch sagt: Macht bitte außerdem ein bissel mehr Inflation, das ist das Gegenteil von dem, was ich mir für die österreichische Geldpolitik wünsche. Da ziehe ich wirklich die Währungsunion vor, in der die Stabilität des "Euro" in Frankfurt gewährleistet und solchen kurzfristigen Attacken entzogen wäre, selbst für den Fall, daß Sie die Regierung ab 19xx oder 2000 stellen würden. (Abg. Dkfm. Bauer: 1998 bis 2002!) 2098? (Allgemeine Heiterkeit.)

Liebe Kollegen von den Freiheitlichen! Zur Entstehung dieser dringlichen Anfrage: In einer APA-Aussendung von heute, 13.35 Uhr heißt es, daß Haider eine dringliche Anfrage an Bundeskanzler Vranitzky zum Thema Beschäftigungspolitik für den Fall ankündigt, daß die Grünen ihre Dringliche zum Kraftwerk Lambach nicht zurückziehen.

Mein Gott! Das ist wirklich eine "gute" Begründung dafür, daß man eine dringliche Anfrage macht! Wenn die Aussendung von halb zwei ist, und die Sitzung um vier begonnen hat, dann haben Sie eineinhalb Stunden – wenn man es großzügig sieht – Zeit gehabt, sich das zu überlegen. Und dementsprechend schaut der Text – entschuldigen Sie, wenn ich das sage – dieser dringlichen Anfrage zu einem zugegebenermaßen sehr wichtigen Thema auch aus! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Damit haben Sie, glaube ich, niemandem einen Dienst erwiesen, sich selbst auch nicht. Ich frage mich: Was soll der Versuch des Abstechens dieser Lambach-Dringlichen? (Abg. Ing. Reichhold: Umgekehrt: Was soll die dringliche Anfrage über Lambach?) Was soll das? Im Oberösterreichischen Landtag stimmen Sie gegen das Kraftwerk. Ich war selbst vor einer Woche dort, und wer war noch dort? – Herr Landesrat Achatz hat dort eine Ansprache gehalten. Wir haben ebenfalls Ansprachen gehalten. Monika Langthaler, Peter Pilz, Rudi Anschober und


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meine Wenigkeit waren dort. Immerhin war auch Landesrat Achatz dort, und er hat eindeutig gegen das Kraftwerk Stellung genommen.

Wir wissen, wie sich die SPÖ in diesem Fall leider verhalten hat. Im Oberösterreichischen Landtag stimmte sie für den Baustopp, im Bundesrat stimmte sie wieder dagegen. Wollen Sie jetzt hier im Nationalrat das gleiche machen? (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Bauer .) Was soll das? Sollen wir es auf Mitternacht verschieben? Ist das vielleicht kein wichtiges Thema? (Abg. Dkfm. Bauer: Das kommt von eurer Ausgrenzerei! Ihr habt Berührungsangst!) Ich habe keine Berührungsangst, vor niemandem von Ihnen. Das ist ja lächerlich!

Ich bin gespannt, was Sie dann sagen werden. Ich hoffe, daß Sie jetzt nicht plötzlich finden werden, daß Lambach energiewirtschaftlich sinnvoll ist. Ich hoffe, daß Sie nicht der Meinung sind, daß das, was Herr Landeshauptmann Pühringer dort aufgeführt hat, demokratiepolitisch akzeptabel ist. Ich hoffe, daß Sie jetzt nicht plötzlich der Meinung sind, daß diese Nichtkoordination des Kraftwerkparks in Österreich wirtschaftlich sinnvoll ist. Und ich hoffe auch, daß Sie nicht plötzlich der Meinung sind, daß das ökologisch eh unbedenklich ist. (Abg. Ing. Reichhold: Schauen Sie nach Kärnten, da haben wir es verhindert!) Mich interessiert Kärnten jetzt nicht, Herr Kollege! Wir reden jetzt von Lambach! (Abg. Dkfm. Bauer: Da ging es aber ums gleiche Thema!) Ja, es war das gleiche Thema. Aber hier und heute sollen Sie springen, nicht in Kärnten! (Abg. Ing. Reichhold: Heute geben uns sogar die Energieexperten in Kärnten recht!) Herr Kollege! Ich nehme nicht zum Fall Kärnten Stellung. Ich möchte wissen, was Sie in Lambach zu tun gedenken! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

21.13

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Van der Bellen! Sie sind noch immer allein am Wort. Oder sind Sie schon fertig? – Gut, danke schön.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Ich erteile es ihm.

21.13

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Van der Bellen! Sie brauchen nicht so wehleidig zu sein! Im Rahmen der Geschäftsordnung sind dringliche Anfragen möglich, und wenn eine Vereinbarung mit Ihnen nicht zustande kommt, dann müssen Sie eben zur Kenntnis nehmen, daß wir unser Thema ausnützen. Darüber gibt es überhaupt keine Frage. Mit Ihnen konnte man diese Vereinbarung nicht treffen, also kommt die fraktionsstärkere Partei im Hohen Haus dran. Und das sind eben die Freiheitlichen und noch lange nicht die Grünen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Dafür gibt es noch Applaus?)

Zur offensiven Wirtschaftspolitik des Herrn Kollegen Peter – jetzt ist er gerade draußen –: Von uns ist der Vorschlag nicht gekommen, 300 000 Betten abzubauen. Der Vorschlag ist von Helmut Peter gekommen, nicht von uns! (Abg. Schaffenrath: Das ist eine Unterstellung!)

Am liebsten wäre es ihm wahrscheinlich, wenn in seiner ganzen Nachbarschaft die Hoteliers die Betten abbauten und nur sein eigenes Hotel bestehen bliebe. Das würde er unter "Offensive" verstehen. Das verstehen wir wirklich nicht!

Aber jetzt zum Problem: Arbeitsplätze in Österreich. Dieses Problem ist nicht erst jetzt entstanden, von heute auf morgen oder vor der Nationalratswahl. Dieses Problem kocht schon seit längerem latent, und zwar insofern, als man in den Jahren 1987 bis 1992 verabsäumt hat, eine entsprechende Budgetpolitik zu betreiben. Man hat sich mit einem Budgetdefizit von 2,7 bis 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in einer Hochkonjunktur einfach zufriedengegeben. Man hat gesagt: Das genügt uns. Erst beim ersten Gegenwind im Jahr 1993, als das prognostizierte Budgetdefizit von 63 Milliarden Schilling auf 98 Milliarden Schilling explodiert ist, hat auf einmal das große Heulen begonnen.

1994 hat man sich auf die EU vorbereiten müssen. Der Herr Wirtschaftsminister, der Herr Finanzminister und der Herr Bundeskanzler wollten der österreichischen Bevölkerung und dem Hohen Haus glaubhaft machen, daß das nur 12 Milliarden Schilling und nicht mehr kostet. Dann


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hat sich jedoch herausgestellt, daß das nicht 12 Milliarden Schilling, sondern 50 Milliarden Schilling kostet. Diese 50 Milliarden Schilling haben offensichtlich gefehlt zur Erstellung des Budgets 1996. Damit hat die ÖVP den Koalitionsbruch gewissermaßen provoziert, obwohl sie eigentlich ganz genau gewußt hat, daß die Belastung für das Budget 1996 um die 50 Milliarden Schilling betragen wird.

Damals wollte man uns glaubhaft machen, daß es, wenn wir der EU nicht beitreten, zu einer höheren Arbeitslosigkeit kommt. Sie haben gesagt: Wenn wir nicht beitreten, dann kommt es zu einer höheren Arbeitslosigkeit und zu einem verminderten Wirtschaftswachstum, wenn wir aber beitreten, dann tritt genau das Gegenteil ein. Ein um 2 Prozent höheres Wirtschaftswachstum infolge des EU-Beitritts bringt einen Prozentpunkt Wachstum, 10 Milliarden Schilling mehr an Steuereinnahmen, nach dem Finanzausgleich verbleiben 6 Milliarden Schilling beim Bund, 2 Prozent sind gleich 12 Milliarden Schilling an höheren Steuereinnahmen für den Bund, das Ergebnis ist null zu null: 12 Milliarden Schilling Mehrbelastung, 12 Milliarden Schilling höhere Steuereinnahmen, der Beitritt kostet uns nichts, er bringt uns nur etwas: eine höhere Zahl an Arbeitsplätzen und geringere Arbeitslosigkeit.

Jetzt rühmt sich der Herr Bundeskanzler: Unsere Arbeitslosenstatistik ist im internationalen Vergleich gut. Wir hatten im Dezember 1995 eine Arbeitslosenrate von nur 8,1 Prozent.

Sie haben aber eines in dieser Statistik nicht berücksichtigt, nämlich die Frühpensionen in der Größenordnung von 166 720 per November 1995. Das bedeutet insgesamt 434 000 Nichtbeschäftigte, die eigentlich noch im Arbeitsprozeß tätig sein könnten. Das ergibt die wahre Arbeitslosenrate, die dann nicht bei 8,1 Prozent, sondern zwischen 12 und 13 Prozent liegt. Das sind leider die Tatsachen! Und die Sozialdemokraten haben immer versucht, das falsch darzustellen. Sie haben auch immer eines falsch dargestellt: Sie haben gesagt, daß der EU-Beitritt mehr bringt, als er uns kostet. Sehen wir uns doch den Jahresabschluß bei den Steuereinnahmen an!

Wir haben Sie darauf aufmerksam gemacht, daß es, wenn die Hausaufgaben für den EU-Beitritt nicht gemacht werden, zu einem Kaufkraftabfluß kommen wird, wie er bereits seit der Teilnahme am EWR stattgefunden hat. Schauen wir uns nun die Erträge aus den Umsatzsteuereinnahmen im Jahr 1995 an: Gegenüber dem Jahr 1994 mit 202 Milliarden Schilling sind es im Jahr 1995 nur 179 Milliarden Schilling. Das ist ein Minus von 23 Milliarden Schilling an Umsatzsteuereinnahmen. Ich gebe zu: Die Umstellung von der Einfuhrumsatzsteuer auf die Verbrauchssteuer macht zirka 10 Milliarden Schilling aus. Es bleiben aber immer noch 13 Milliarden Schilling, und das bedeutet einen Kaufkraftabfluß von 60 Milliarden Schilling. Dieser Kaufkraftabfluß von 60 Milliarden Schilling betrifft nicht nur den Handel, sondern er betrifft auch den Tourismus und natürlich auch die Arbeitsplätze in all jenen Zulieferbereichen im Bereich der Bauindustrie, im Bereich des Baunebengewerbes, welche sehr viele Leistungen für die Tourismuswirtschaft aufgrund der dort getätigten Investitionen erbracht haben. Genau da liegt das Problem.

Das Problem liegt außerdem auch darin, daß die Sozialdemokraten, insbesondere auch die Gewerkschaften – und darüber beklagen sich auch sehr viele Mitglieder der Gewerkschaft –, den Produktionsfaktor Arbeit immer für eine steuerliche Belastung freigegeben haben. Man hat immer nur darauf geachtet, einen vernünftigen Abschluß zu bekommen, man hat sich jedoch nie darum gekümmert, wie hoch die Steuerbelastung auf diese Arbeitseinkommen ist und wie die Entwicklung ausschaut. Man hat eine vernünftige Lösung für die Sparbuchsteuer gefunden, für eine Endbesteuerung des Kapitals in einer Größenordnung von 22 Prozent. Man hat sich jedoch überhaupt nicht darum gekümmert, was man machen kann, damit die Arbeitskraft steuerlich geschützt und nicht so diskriminiert ist.

Man braucht sich nur die Entwicklung anzuschauen. Die Lohnsteuerzahlen weisen im Jahr 1995 eine Steigerung um 11,5 Prozent gegenüber 1994 auf, das bedeutet eine Steigerung von 134 Milliarden Schilling auf über 150 Milliarden Schilling. Die Lohnabschlüsse lagen eindeutig bei weitem darunter. Erstens einmal schlägt die kalte Progression zu, zweitens gab es Versäumnisse der Gewerkschaften. Das bekritteln nicht nur die Freiheitlichen, sondern auch


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sehr viele Mitglieder aus der Gewerkschaftsorganisation. Sie werfen Ihnen berechtigterweise vor, daß Sie in diesem Bereich überhaupt nichts gemacht haben.

Und jetzt kommt der Herr Bundeskanzler und sagt, daß es eine große Investitionsoffensive geben wird, und fragt, was die Freiheitlichen überhaupt haben, warum wir behaupten, daß es im nächsten Jahr weniger Investitionen und weniger Arbeitsplätze im Industriebereich geben wird. Er stellt fest: Opel wird nach Österreich kommen, Siemens wird nach Österreich kommen, Phillips wird nach Österreich kommen, BMW wird nach Österreich kommen. – Warum also diese Schwarzmalerei?

In Anbetracht dessen schaue ich mir die "Presse" vom Jänner an: "Konjunkturklima der Industrie – 9 000 Jobs in der Industrie wackeln." – Das ist keine freiheitliche Aussage, sondern das ist eine Aussage seitens der "Presse", des Mitteilungsblattes der Bundeswirtschaftskammer.

Also bitte: Was stimmt jetzt? Stimmt jetzt die Aussage des Bundeskanzlers? Oder stimmen die Aussagen der "Presse" und doch auch die Aussagen der freiheitlichen Fraktion? – Ich glaube, die Aussage der freiheitlichen Fraktion stimmt in diesem Fall. Denn der Bundeskanzler betreibt hier in diesem Falle, wie bereits auch in der Pressestunde, nur Schönfärberei. Er sagt einfach, daß eigenkapitalstärkende Maßnahmen ergriffen werden müssen. Da frage ich: Welche eigenkapitalstärkenden Maßnahmen hat es denn in den letzten Jahren gegeben? – Die vorzeitige Abschreibung ist abgeschafft worden. Die Investitionsprämie ist abgeschafft worden. Bei der Steuerreform ist die Investitionsrücklage, die zuerst von 25 auf 10 Prozent reduziert worden ist, abgeschafft worden. Der Investitionsfreibetrag ist auf 9 Prozent reduziert worden. – Sind das etwa eigenkapitalstärkende Maßnahmen?

Wenn man heute sagt: Die Steuerreform hat den Unternehmern so viel gebracht, dann muß ich Ihnen die Frage stellen: Was hat sie den Unternehmern gebracht? – 34 Milliarden Schilling Einsparungen im Hinblick auf Lohnsummensteuer, Vermögenssteuer und Gewerbesteuer. Die Belastung durch die Kommunalsteuer hat dann allerdings wieder 20 Milliarden Schilling ausgemacht, es blieben also unterm Strich nur mehr 14 Milliarden.

Im gleichen Atemzug hat man die Pauschalwertberichtigung gestrichen, im gleichen Atemzug hat man die Investitionsrücklage gestrichen, und im gleichen Atemzug hat man die Körperschaftssteuer von 30 auf 34 Prozent angehoben.

Was war der Effekt? – Null! Das war Ihre große Steuerreform! Im Endeffekt wollen sie immer auf Nummer sicher gehen. Deswegen sind sie auch für die Ökosteuer überhaupt nicht zugänglich, weil Ihnen da die Bemessungsgrundlage zu unsicher ist. Sie wollen lieber eine sichere Bemessungsgrundlage, und die haben Sie nur bei den Masseneinkommen, bei den Löhnen und Gehältern. Warum sollten Sie daran rütteln, wenn Sie auf diese Weise jede Möglichkeit haben, mit der Steuerschere zuzugreifen? Das ist für Sie natürlich viel sicherer als eine Ökosteuer, über die allerdings in der nächsten Zeit eine Diskussion geführt werden muß.

Warum sollte man nicht über ein Modell der Grünen oder über ein Modell der Freiheitlichen diskutieren? Man soll über alle Modelle diskutieren, mit denen jetzt eine Ökosteuerreform herbeigeführt werden könnte! Aber man soll doch bitte nicht Ideen – gleichgültig welcher Fraktion – sofort negativ und abschlägig behandeln! Wenn wir in der jetzigen Situation eine gemeinsame Linie finden wollen, um die derzeitige kritische Lage zu überwinden, dann muß man sich meiner Meinung nach alle Vorschläge ansehen und anhören, die guten Dinge daraus übernehmen, und die schlechten weglassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dazu gehört natürlich auch, daß man im Zuge einer solchen Debatte darauf eingehen muß, warum die Sache eigentlich in einen solchen Kanal geraten ist. Warum diskutieren wir jetzt nicht wie in Deutschland über eine Steuersenkung? In Deutschland diskutiert man jetzt über die Senkung der Solidarabgabe, die wir noch nicht haben, die aber offensichtlich auch bei uns kommen wird, nachdem die Österreichische Volkspartei dieser Solidarabgabe zustimmen will.

Man spricht in Deutschland davon, daß man bis zum Jahr 2000 die Steuerquote absenken und natürlich auch den Steuersatz senken will. Das ist auch ein Vorschlag der Freiheitlichen. Denn


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es bedeutet noch lange nicht, daß man, wenn man den Steuersatz senkt, dadurch auch geringere Steuereinnahmen hat. Viele Beispiele, etwa in England, in Amerika und in Neuseeland, haben gezeigt, daß gerade das Gegenteil eingetreten ist. Wenn man den Spitzensteuersatz absenkt und die Masseneinkommen etwas entlastet, dann kommt es auch zu einer größeren Steuerehrlichkeit. Auf diese Weise erreicht man eine höhere Bemessungsgrundlage für den Steuersatz, eine höhere Steuerehrlichkeit und natürlich eine Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich. Denn dann gibt es wieder neue Wachstumsimpulse für die Volkswirtschaft, und es können auch wieder mehr Arbeitsplätze geschaffen werden.

Man muß sich mit diesen Beispielen kritisch auseinandersetzen. Es ist nicht alles gut, was eine Fraktion vorschlägt, und es ist nicht alles schlecht, was eine Fraktion vorschlägt. Man sollte die guten Dinge herausholen und zu konkreten Ansätzen daraus gemeinsame Überlegungen anstellen.

Ich glaube, gemeinsam könnten wir ein sinnvolles Modell erarbeiten, wie wir diese kritische Phase überwinden können. Wenn man jedoch von vornherein gleich kritisiert und sagt: Die Freiheitlichen bringen schon wieder 30 Anträge ein, das ist sowieso Mist!, dann kann es keine Basis für eine künftige gute Zusammenarbeit geben. Ich glaube, das ist auch nicht im Sinne der österreichischen Bevölkerung, die dieses Hohe Haus erst vor drei Monaten gewählt hat! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.25

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. Ich erteile es ihm.

21.25

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie immer diese Anfrage zustande gekommen ist und wer immer sie in Zukunft stellen wird, ich stehe auf dem Standpunkt – Herr Kollege Trattner, ich stimme mit Ihnen voll überein –: Das Thema Beschäftigungspolitik oder Arbeitslosigkeit – wie auch immer man das bezeichnen mag – wird das vorherrschende Thema sein, und zwar nicht nur heute, nicht nur im nächsten Jahr, sondern es wird uns noch lange begleiten.

Wenn Kollege Haider sagt, ihn interessiere Österreich, dann antworte ich ihm: Uns auch, aber man muß die gesamte Situation im Auge behalten.

Dem, was Kollege Trattner zum Schluß gesagt hat, stimme ich voll zu: Sagen wir doch in dieser wirklich wichtigen Frage nicht: Was der oder jener, diese oder jene sagen, ist schlecht! – Es ist überhaupt keine Frage: Niemand weiß ein Patentrezept!

Ich beschäftige mich mit diesem Thema wirklich sehr ernst, lese viele ausländische Berichte zu diesem Thema und muß sagen: Selbst renommierteste Wissenschafter oder Praktiker haben kein Patentrezept. Das ist die Realität! Viele Dinge spielen mit, die uns zu dieser Situation geführt haben. Erst am letzten Wochenende war in der "FAZ" ein Leitartikel mit dem Titel "Herausforderung am Arbeitsmarkt" zu lesen, und es trifft eigentlich grosso modo auf uns zu, wenn der "Leitartikler" schreibt: "Im komplizierten Wirkungsgefüge der deutschen Wirtschaft ist in den vergangenen Jahrzehnten viel zusammengekommen, was jetzt am Arbeitsmarkt zu Buche schlägt. Das reicht weit über die Schlagworte der aktuellen Debatte wie Arbeitskosten, Steuerabgabenlast hinaus." Dann zählt er auf: Die großen Probleme Auslagerung, Ostöffnung, Binnenmarkt in Europa, Entwicklung der Handelsblöcke, die gesamte Welthandelspolitik in den letzten drei, vier Jahren, das Heraufkommen der asiatischen Staaten mit nicht mehr nur Nachmachungspolitik, sondern echter Qualitätspolitik, nicht nur kombiniert mit billigen Löhnen, sondern auch mit echter qualitativer hoher Arbeit.

Kollege Öllinger hat gesagt, wir haben das Wort Vollbeschäftigung verwendet: Wir könnten jetzt darüber streiten, ob Vollbeschäftigung bei 3,5 Prozent, bei 3 Prozent, bei 2,5 Prozent oder bei 0,5 Prozent Arbeitslosigkeit erreicht ist. Bitte glauben Sie uns aber eines: Natürlich hat es im Wahlkampf gut geklungen, aber wir stehen auch dazu, und ich glaube, das ist jedem – das hoffe


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ich zumindest – ein Anliegen. Es muß ein hohes Maß an Beschäftigung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das ist nicht nur aus sozialpolitischen oder wirtschaftspolitischen Überlegungen notwendig. Letztlich ist das vielmehr die Basis dafür, daß man in Ruhe weiterleben kann. Und jeder, der dagegen etwas tut, schadet dem Land, der Wirtschaft und letztlich den Arbeitsplätzen mehr, als manche vielleicht annehmen.

Kollege Haider hat gemeint – ich habe es schon gesagt –, daß ihn andere Länder nicht interessieren. – Andere Länder müssen uns aber interessieren, meine Damen und Herren, weil wir ein stark auslandsorientiertes Land sind! Jeder dritte Arbeitsplatz in der österreichischen Wirtschaft, jeder zweite Arbeitsplatz in der Industrie hängt mittelbar oder unmittelbar vom Funktionieren des Exports ab. Da kann man doch nicht sagen: Es interessiert mich nicht, was rundherum vorgeht!

Meine Damen und Herren! Man sollte nicht so tun, als ob die Tatsache, daß in den letzten zehn Jahren 308 000 Arbeitsplätze neu geschaffen wurden, ein Zufall sei. Sicherlich sind Hunderttausende auch verschwunden, aber netto sind 308 000 dazugekommen. Da ist gut gewirtschaftet worden. Wenn man sagt, Voraussetzung dafür ist, daß die Rahmenbedingungen stimmen, dann müssen sie gestimmt haben, denn sonst gäbe es kein Plus von netto 308 000 Arbeitsplätzen. Und wenn ich das gelten lasse, dann muß das auch in Zukunft gleichbleiben.

Zugegeben: Die Ausgangslage ist kritisch. Ich möchte jetzt überhaupt nicht gesundbeten. Es ist viel, wenn man auf 300 000 Arbeitslose zugeht, darüber gibt es überhaupt keine Diskussion. Ich bin aber überzeugt – und nicht nur, weil ich ein geborener Optimist bin –, daß wir die Probleme meistern werden. Es wäre nur unehrlich, zu sagen: Das schaffen wir in einem Jahr! Die derzeitige Struktursituation in Europa – ich behaupte sogar: die weltweite – erfordert ein Umdenken in vielen Bereichen. In vielen Bereichen werden Bewußtseinsänderungen notwendig sein, darauf komme ich später noch zu sprechen. In Anbetracht dessen wäre es unfair und wie ich glaube, auch wirklich unkollegial gegenüber allen Kollegen, die in der Arbeitswelt stehen, zu sagen: Wir beseitigen die Probleme mit einem Programm! Ein Wirtschaftsprogramm muß her, und in einem Jahr funktioniert das. In vielen Bereichen wird es knirschen, und es wird zwei, drei oder vielleicht mehr Jahre dauern. Aber ich bin überzeugt, wir können die Probleme meistern.

Meine Damen und Herren! Wie schaut unsere Ausgangslage aus? – Ich glaube, da kann man ruhigen Gewissens sagen – kritisieren kann man das eine oder andere schon –: Wir finden bei den Lohnkosten, bei der Produktivität und bei der Qualität unserer Arbeitskräfte grosso modo eine gute Situation vor. Bei uns haben sich die Lohnstückkosten nicht so entwickelt wie in Deutschland. Im Gegensatz zu Deutschland, das unser größter Markt ist, haben sich bei uns die Parameter dafür – auch wieder im großen und ganzen im OECD-Durchschnitt und gegenüber unseren Märkten – in den letzten Jahren gut entwickelt.

Auch unsere Exportsituation hat sich verbessert: Abgesehen vom Jahr 1993 war da die Entwicklung positiv, es hat auch im vorigen Jahr gut ausgeschaut, und trotz der schwierigen Situation schaut es auch heuer gut aus, aber gerade in diesem Bereich ist noch viel zu holen. Doch da kann unsere Botschaft sicher nicht lauten: Schauen wir, daß wir mit Niedriglöhnen operieren! So kann sie nicht heißen, denn Niedriglohn bedeutet, nichtqualifizierte Arbeitskräfte zu verwenden, und nicht sehr qualifizierte Arbeitskräfte verwenden bedeutet wiederum, keine qualitativ hohen Produkte zu produzieren. Doch ich bin überzeugt: Qualitätsprodukte sind unsere Zukunft im Export! Das bedeutet aber, daß wir die Ausbildungs- und Weiterbildungsoffensive, mit welcher vor ein, zwei Jahren begonnen wurde, noch viel intensiver machen müssen. Wir müssen dazu beitragen, daß das Sozialprestige eines Facharbeiters gehoben wird. Muß denn jeder ein Maturant sein, bitte? (Beifall bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen.) Applaus – danke.

Wichtig ist, daß wir uns einig sind. Darum geht es mir eigentlich, denn jeder von uns kann dazu beitragen; davon bin ich überzeugt. Wenn wir über das Thema "Beschäftigung", wenn wir über


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das Thema "Wie geht es weiter mit unseren Arbeitsplätzen?" reden, spielt das eine wichtige Rolle.

Wir helfen einer Textilarbeiterin nicht, wenn wir sagen: Wir brauchen 100 gute Zimmerleute, und die finden wir nicht, schulen wir also um! – Das geht nicht! Das ist ja die Problematik dieser Arbeitssituation, die wir nicht nur bei uns vorfinden, sondern europaweit, nämlich daß es zwar Bereiche gibt, wo man Beschäftigte sucht – Qualität muß vorhanden sein! –, daß wir aber im Hilfsarbeiterbereich immer mehr Arbeitslose vorfinden.

Das ist ja eine Konsequenz der Entwicklung in der weltweiten Politik: Je mehr man rationalisiert, je mehr Maschinen man hinstellt, umso mehr im Hilfsarbeiterbereich Tätige werden freigesetzt. Dadurch entstehen andere Beschäftigungen. Nehmen wir folgendes Beispiel her: Wenn in Hongkong jemand in einer Textilfabrik 5 000 Textilarbeiterinnen durch "hochqualifizierte" – wie der Kanzler es sagte – Maschinen ersetzt, so müssen diese zuerst einmal produziert werden, und die müssen gewartet werden. Mir hat ein Bekannter aus Hongkong erzählt, er habe 5 000 Textilarbeiterinnen in Kanton durch Maschinen ersetzt, für die Wartung dieser Maschinen brauche er 400 Leute; qualifizierte Leute natürlich, denn das sind "qualifizierte" Maschinen. Das heißt, es verschieben sich natürlich die Tätigkeitsbereiche.

Wenn wir als kleine Volkswirtschaft das mit einer hohen Grundausbildung forcieren (Abg. Böhacker setzt zu einem Zwischenruf an) – sofort; lassen Sie mich den Satz noch zu Ende sagen – so bin ich überzeugt, daß wir über die Exportintensität hohe Wertschöpfung und infolgedessen eine hohe Beschäftigtenbezahlung erhalten werden. Das heißt, wir steigern die Wertschöpfung und wir steigern das Einkommen der Leute, und damit ist das gesamte Sozialprodukt, das wir erzeugen, auf ganz andere Füße gestellt. – Bitte, Entschuldigung. (Abg. Böhacker: Völlig d’accord! Aber was mache ich mit den 5 000 arbeitslosen Textilarbeiterinnen?) Sie meinen das Hongkonger Beispiel. Das ist hart, das muß ich zugeben, da muß es eben eine Umschulung geben. Noch einmal: Das ist hart, das ist überhaupt keine Frage. (Abg. Böhacker: Wegschieben!) Also von mir werden Sie sicher nicht hören, daß ich sage: Na, irgendwo findet sich das schon! Wegschieben kann man so etwas nicht.

Ich habe zuvor gesagt – wenn Sie mir zugehört hätten, wüßten Sie es –: Über Nacht geht das nicht! Es wäre unfair, wenn man sagen würde im Handumdrehen löst man das Problem. Was ich bewußtmachen will, ist die Tatsache, daß wir gute Voraussetzungen haben, aber wir müssen einige wichtige Dinge rasch tun.

Im Dienstleistungsbereich ändert sich ja viel. Wenn wir uns die Dienstleistungsquote der amerikanischen, der kanadischen und der englischen Wirtschaft anschauen, so sehen wir, daß es dort einen viel höheren Faktor im Dienstleistungsbereich gibt. Und da ändert sich viel.

Schauen wir doch nur bei uns selbst, wieviel sich ändern wird. Im Gesundheitsbereich wird es neue Jobs geben und gibt es schon neue Jobs. Auch im Gesundheitstourismus gibt es neue Jobs. Nur die Leute gehören ausgebildet. Masseur kann man nicht – wenn man ein guter sein will – innerhalb von drei Monaten lernen. Wenn man eine gute Ausbildung hat, so besitzt man einen hochdotierten Job. Bei ordentlicher Ausbildung gibt es auch neue Arbeitsplätze.

Wenn wir in der Pflegefürsorge wirklich konsequent weiterarbeiten, dann wird es – davon bin ich überzeugt – Zigtausende neue Arbeitsplätze geben. Nur müssen wir verschiedenes noch ändern. So locker, daß man sagt, es kann jeder nebenbei etwas machen, wird es nicht gehen. Aber Beschäftigung ist da, und wir können damit auch in den Bereich der Schattenwirtschaft hineinwirken. Nur, da müssen wir auch die Courage besitzen, zu sagen: Es geht nicht an, daß jeder, der nebenbei arbeitet und 20 000 S, 30 000 S dabei verdient, keine Sozialversicherung und keine Lohnsteuer zahlt!

Wir wissen, daß im Jahr geschätzte 100 Milliarden Schilling in der Schattenwirtschaft herumschwirren. Damit wird zwar auch Volksvermögen geschaffen, aber den ganzen öffentlichen Institutionen, was immer sie sind, fehlt dieses Geld, und dann haben wir wieder Budgetprobleme. So schließt sich dann der Kreis. So muß man das sehen! (Beifall der Abg. Dr. Höbinger-Lehrer .)


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Ich war heute sehr angetan – nicht weil es Regierungsmitglieder der beiden Regierungsparteien sind – sowohl von den Aussagen von Hums als auch von jenen von Ditz: Wenn in diese Richtung ein Regierungsprogramm geschaffen wird, wenn in diese Richtung Regierungspolitik gemacht wird, dann bin ich überzeugt, daß dieses Land diese Situation auch meistern wird! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.36

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Schwarzenberger. – Bitte schön.

21.36

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Umstand, daß es schon nahezu 300 000 Arbeitslose gibt, muß uns natürlich alle mit Sorge erfüllen, und wir haben alle unseren Beitrag zu leisten und unsere Möglichkeiten zu nützen, um für möglichst viele unserer Mitbürger Arbeit zu schaffen. Es muß das für uns alle eine vordringliche Aufgabe sein. Nur: Mit Gesetzen kann man nicht direkt Arbeit schaffen, sondern man kann die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Da geht es darum, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, daß unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig ist und damit auf dem europäischen Markt Marktanteile gewinnen kann.

Wir haben in Österreich nach wie vor eine steigende Zahl von Arbeitsplätzen im Dienstleistungssektor, wir haben aber laufend und schon seit einiger Zeit eine sinkende Zahl von Arbeitsplätzen im produzierenden Bereich. Das ist in der Industrie so, wo durch Rationalisierungen sehr viele Arbeitsplätze verlorengehen, das ist aber auch in der Landwirtschaft so. Im Jahre 1950 waren in der Landwirtschaft noch rund eine Million Arbeitskräfte beschäftigt. In der Zwischenzeit ist diese Zahl auf etwa 180 000 Beschäftigte gesunken. Das heißt, es gingen in der Landwirtschaft in den letzten 45 Jahren oder 40 Jahren rund 800 000 Arbeitsplätze verloren. Allerdings ist die Produktion in der Landwirtschaft im selben Zeitraum nahezu um das Doppelte gestiegen. Die 180 000 Beschäftigten im Jahre 1995 haben mehr als doppelt so viel landwirtschaftliche Produkte hergestellt als etwa die Million Arbeitskräfte im Jahre 1950. Noch nie zuvor war der Tisch des Volkes mit Produkten von den Bauern in so guter Qualität und so ausreichend gedeckt worden, als es gerade in der jetzigen Zeit der Fall ist.

Da ergeht aber der Aufruf an alle Konsumenten in Österreich, in erster Linie nach den Waren zu greifen, die von Österreichern hergestellt werden. Das ist nicht unbedingt ein Affront gegen andere europäische Länder. Vielmehr kann ich, wenn ich österreichische Lebensmittel kaufe, die sich durchaus mit allen anderen europäischen Lebensmitteln messen können, einen Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Österreich leisten. (Beifall bei der ÖVP und der Abg. Dr. Krammer .)

Wir haben aber durchaus auch erste Erfolge, nachdem wir bis vor einem Jahr sehr große Grenzhürden zu überwinden hatten, unsere Lebensmittel in europäische Länder zu bringen. Der oberitalienische Markt wurde von uns immer als Hoffnungsmarkt angesehen, und er hat sich auch als Hoffnungsmarkt erwiesen. Bereits im ersten Jahr der EU-Mitgliedschaft konnten wir die Agrarexporte nach Italien um 75 Prozent steigern. Innerhalb eines Jahres eine Steigerung um 75 Prozent! Machte im vergangenen Jahr das Agrarhandelsbilanzdefizit mit Italien noch über eine Milliarde Schilling aus, konnten wir bereits in den ersten neun Monaten des Jahres 1995 einen Überschuß von 220 Millionen Schilling erwirtschaften.

Das heißt aber nicht, daß wir nun sozusagen die Hände in den Schoß legen können. Wir brauchen eine stärkere Wettbewerbsfähigkeit der lebensmittelverarbeitenden Wirtschaft, die sowohl im vor- als auch im nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft tätig ist. Ich hoffe, daß nun endlich, nachdem die Richtlinien für die Sektorenpläne auch mit Brüssel ausverhandelt sind, österreichische Betriebe modernisiert werden und auch auf europäischen Märkten besser Fuß fassen können.

Besondere Aufmerksamkeit erfordert daher die Erhaltung der bäuerlichen Vollerwerbsbetriebe, und das muß auch Aufgabe unserer Beratung sein. Wir haben aufgrund unserer kleinstrukturier


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ten österreichischen Landwirtschaft – immerhin ist die Hälfte der rund 260 000 Betriebe kleiner als zehn Hektar – einen hohen Anteil an Nebenerwerbsbauern. Wir hören von den Nebenerwerbsbauern immer die Klage, sozusagen Sklave der Arbeit zu sein. Es ist eine Überlastung sowohl der Bäuerin als auch des Bauern als Nebenerwerbsbauern gegeben, der neben seiner Arbeit noch die Arbeit auf dem Bauernhof zu verrichten hat. Es wird notwendig sein, den Nebenerwerbsbauer extensivere Betriebszweige schmackhaft zu machen, die weniger arbeitsintensiv sind, wodurch ein höherer Stundenlohn in der Landwirtschaft erzielbar sein wird.

Den Vollerwerbsbetrieben sind mehr Marktchancen zu geben, denn Vollerwerbsbetriebe werden in Zukunft ihre Produktion steigern müssen. Es wird wahrscheinlich in der Preissteigerung nicht besonders viel drinnen sein. Ich hoffe aber, es wird etwas drinnen sein, denn derzeit ist das Preisniveau für landwirtschaftliche Produkte auf dem österreichischen Markt unter das des europäischen Durchschnitts abgesunken, und ich hoffe weiters, daß es uns in den nächsten Jahren durch Marketingmaßnahmen wieder gelingen wird, in diesem Bereich europäisches Niveau zu erreichen. (Abg. Haigermoser: Herr Schwarzenberger, was ist mit der AMA?)

Die AMA hat bereits durchaus wertvolle Dienste geleistet. Es gibt zum Beispiel das AMA-Gütesiegel für Produkte, die nachweislich zu 100 Prozent aus österreichischen Waren bestehen. Es ist zumindest eine Garantie für österreichische Konsumenten, daß es sich bei allen Produkten, die mit diesem Gütesiegel versehen sind, zu 100 Prozent um österreichische Ware handelt. In diesem Bereich sind bereits erste Erfolge erzielt worden. (Beifall bei der ÖVP.)

Arbeitsplätze in der Landwirtschaft zu erhalten beziehungsweise zu schaffen ist auch Ziel der neuen Jungübernehmerförderung, die mit EU-Mitfinanzierung vorgesehen ist. Das ist eine Maßnahme, um dem jungen Bauern, der an der Übernahme des Betriebes Interesse hat, Hoffnung zu geben und ihm durch besonders günstige Kredite Hilfe zu leisten, aber auch durch Direktförderungen, um den Hof modernisieren zu können.

Eine Maßnahme ist auch das sogenannte ÖPUL-Programm, wo eine Verpflichtung vorhanden ist, den Betrieb fünf Jahre lang zu bewirtschaften. Es zeigen sich immerhin bereits erste Erfolge, denn im vergangenen Jahr, im Jahr 1995, ist die Zahl der Pensionsansuchen, obwohl sie österreichweit sehr stark gestiegen ist, in der Landwirtschaft um 20 Prozent zurückgegangen. Im Jahr 1995 haben um 20 Prozent weniger Bauern einen Pensionsantrag gestellt als noch im Jahr 1994. Das heißt, gewisse erste Anzeichen sind vorhanden, daß diese Maßnahmen greifen.

Notwendig sind allerdings auch Investitionsförderungen, denn wir sind sonst nicht in der Lage, da wir in vielen Bereichen einen Nachholbedarf haben, europaweit wettbewerbsfähig zu sein. Wenn andere Länder – ich verweise auf Südtirol – da besonders gute Möglichkeiten haben, so müssen auch wir ähnliche Voraussetzungen in diesem Bereich haben.

Es ist aber für einen Teil der Nebenerwerbsbauern notwendig, daß wir Arbeitsplätze in zumutbarer Entfernung vom Hof schaffen und erhalten können. Es ist für einen Nebenerwerbsbauern, der nebenbei den Hof bewirtschaftet, nicht möglich, Wochenpendler zu sein beziehungsweise einen Arbeitsplatz 80, 100 Kilometer von der Heimat entfernt zu haben.

Da versuchen wir – das ist ein Novum in Europa –, mit eigenen Arbeitsstiftungen für Bauern – in der Steiermark ist eine solche Arbeitsstiftung in Planung, auch in Oberösterreich –, spezifisch für die Landwirtschaft Maßnahmen zu setzen. Diese Arbeitsstiftungen sollen den Sinn haben, Bauern im Regionalmanagement auszubilden, aber auch eine entsprechende außerlandwirtschaftliche Qualifikation zu schaffen, um in der Region angebotene Arbeitsplätze übernehmen zu können.

Zur immer stärker in Diskussion kommenden Energiesteuer: Mir wäre natürlich eine echte Öko-Steuer wesentlich lieber als eine Energiesteuer. Man kann es aber in der jetzigen schwierigen Lage zumindest als einen ersten Schritt betrachten. (Zwischenruf des Abg. Böhacker.)

Herr Abgeordneter Böhacker, ich kann mich noch erinnern: Als es vor zwei Jahren in Salzburg eine Pressekonferenz gab und man eine Öko-Steuer forderte, waren Sie der erste, der darauf


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reagierte und Öko-Steuern von Haus aus als nicht tragbar für die Wirtschaft wegwischte. (Beifall bei der ÖVP.)

Unser Problem ist, daß derzeit die erneuerbare Energie – und da wären in Österreich sehr viele Ressourcen vorhanden – zum Großteil ja auf Arbeitsleistung aufgebaut ist und nicht sozusagen auf die Vorräte unseres Planeten Erde gegriffen wird. Da ist fast alles Arbeitsleistung, und diese Arbeit ist wesentlich stärker besteuert als Rohstoffe, die wir nur aus dem Planeten Erde herausholen. Das ist auch mit ein Grund, daß erneuerbare Energie derzeit, unter den jetzigen Rahmenbedingungen, kaum wettbewerbsfähig ist. Wir hätten die Möglichkeit, wesentlich größere Mengen etwa an Biodiesel zu produzieren. Wir hätten die Möglichkeit, unsere Brachflächen für nachwachsende Rohstoffe zur Energiegewinnung zu verwenden. Das wäre wesentlich besser, weil dann auf diesen Flächen etwas produziert werden würde.

Leider ist das unter den derzeitigen Rahmenbedingungen kaum möglich, denn wenn wir das Toronto-Ziel ernst nehmen und bis zum Jahr 2005 die CO2-Belastung wesentlich reduzieren wollen, so müssen wir entsprechende Handlungen setzen. Ich hoffe, es gibt vernünftige Vereinbarungen, daß noch in dieser Legislaturperiode schrittweise die Öko-Steuer umgesetzt werden kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Langthaler: Zur Geschäftsbehandlung!)

21.49

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Abgeordnete Langthaler gemeldet.

21.49

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Ich beantrage eine Sitzungsunterbrechung und die Einberufung einer Präsidiale.

Die Begründung dafür ist folgende: Wir haben heute abend um halb acht Uhr erfahren, daß man auf dem Kraftwerksgelände in Lambach wahrscheinlich Skelette von jüdischen KZ-Opfern gefunden hat. Es ist sinnvoll und notwendig, in der Präsidialkonferenz zu diskutieren, wie man mit der dringlichen Anfrage der Grünen und vor allem dem Antrag auf Baustopp verfährt, und die einzelnen Klubs unter den geänderten Rahmenbedingungen beraten läßt, also die Möglichkeit gibt, das noch einmal zu diskutieren.

21.50

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Ich unterbreche die Sitzung auf unbestimmte Zeit und bitte, daß eine Präsidialsitzung stattfindet. – Danke schön.

(Die Sitzung wird um 21.50 Uhr unterbrochen und um 23.15 Uhr wiederaufgenommen .)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen, damit wir die unterbrochene Sitzung wiederaufnehmen können.

Meine Damen und Herren! Ich kann Sie in folgender Weise informieren:

Die Präsidialsitzung hat sich im Rahmen der Sitzungsunterbrechung mit der Auswirkung der Entdeckung von Kriegsgräbern auf dem Gelände des geplanten Kraftwerks Lambach beschäftigt und einvernehmlich folgende Feststellungen getroffen:

Wir sind erstens der Meinung, daß das Entdecken von Kriegsgräbern auf diesem Gelände eine neue Situation geschaffen hat, auf die mit Sensibilität reagiert werden muß.

Zweitens: Die bundesgesetzlichen Bestimmungen des österreichischen Kriegsgräberrechtes sind selbstverständlich genauestens zu beachten.

Drittens: Bis zur Klärung der damit zusammenhängenden Fragen und bis zu einer Berichterstattung durch den Herrn Innenminister an den Nationalrat erwarten die Mitglieder der Präsidialkonferenz einhellig einen Baustopp zumindest im Gräberfeld. Mit dem Herrn Landeshauptmann von Oberösterreich wird diesbezüglich unverzüglich Kontakt aufgenommen, um Informationen über die weitere Vorgangsweise einzuholen.


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Viertens: Unter diesen Umständen hat die grüne Fraktion ihre heute eingebrachte dringliche Anfrage zumindest für die heutige 4. Sitzung des Nationalrates zurückgezogen.

Eine weitere Präsidialkonferenz wird morgen unmittelbar vor Beginn der Plenarsitzung stattfinden. Plenarsitzungsbeginn bleibt 11 Uhr.

Wir fahren jetzt in der Erledigung der Tagesordnung fort.

Vor der weiteren Erledigung der dringlichen Anfrage hat sich noch Herr Klubobmann Dr. Khol zur Geschäftsbehandlung, wie ich annehme, gemeldet. – Ich erteile ihm daher das Wort.

23.17

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich möchte nicht zur Geschäftsbehandlung reden, sondern ich möchte mitteilen, daß ich mit dem Landeshauptmann von Oberösterreich telefoniert habe. Morgen, um 8.30 Uhr, werden alle Behörden inklusive Innenministerium zusammentreten und die weitere Vorgangsweise im Sinne des Gesetzes beraten und uns sofort informieren.

23.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke für die Mitteilung.

Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung liegen mir nicht vor.

Fortsetzung der dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir fahren nun in der Erledigung der dringlichen Anfrage fort.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Prinzhorn. Betreffend Redezeit haben wir uns einvernehmlich und einhellig auf 15 Minuten geeinigt. – Bitte sehr.

23.19

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Abgeordnete Hostasch – in Abwesenheit! Im Analysieren, heißt es, sind wir Österreicher Weltmeister, im Umsetzen bringen wir jedoch nichts weiter. In Abänderung dieses alten Spruchs kann man nur sagen: Gesundbeten ist eine Fachdisziplin des Herrn Bundeskanzlers, in der er Weltmeister ist. In der Disziplin Realitätsverlust ist er allerdings noch besser. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die gute Stimmung in der SPÖ führe ich darauf zurück, daß Mehrfachbezüge und Pragmatisierung bei Ihnen wahrscheinlich zur Arbeitsplatzsicherung führen. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) R eden Sie sich nur aus, ich komme schon dran! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Abgeordneter Prinzhorn. – Bitte sehr. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni . – Abg. Dr. Haider : Das ist eine Erstrede, Parnigoni!)

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (fortsetzend) : Frau Hostasch hat es für richtig befunden, über die Beschäftigung der Firma Hamburger und meiner Unternehmensgruppe zu sprechen und als erstes zu sagen, daß wir Arbeitsplätze nach Ungarn ausgelagert haben. Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist eine Falschmeldung! Wir haben keinen Arbeitsplatz nach Ungarn ausgegliedert. Wir haben dort verstaatlichte Unternehmungen übernommen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben verstaatlichte Unternehmungen übernommen und mußten dort leider Arbeitsplätze abbauen. Aber kein einziger Arbeitsplatz in Österreich ist abgebaut worden. (Erneute Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Sie lachen! Das freut Sie! Das verstehe ich! Es ist kein einziger Arbeitsplatz in Österreich abgebaut worden. (Abg. Schieder : In Ungarn sind aber Arbeitsplätze abgebaut worden!) Frau


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Abgeordnete Hostasch hat jedoch gesagt, daß in Österreich Arbeitsplätze abgebaut worden sind! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Richtig! Denn wir haben verstaatlichte Betriebe übernommen, bei denen Sie die Arbeitsplätze leider zu spät abgebaut haben. Und jetzt stehen wir vor dem Diktat der leeren Kassen, und das ist der Ansatz, wo unsere Beschäftigungsinitiative heute gleich steckt. (Lebhafte Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Vor vielen, vielen Jahren, in der guten alten Zeit, hat es die Sitte gegeben, daß man Erstreden so gestaltet, daß man ihnen auch zuhört! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bitte, Kollege Prinzhorn, fortzufahren. (Abg. Schieder : Die Jungfernreden waren damals aber auch etwas anders, Herr Präsident!)

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (fortsetzend ): Lassen Sie mir noch ein bißchen Zeit, Herr Abgeordneter!

Die Beschäftigungsinitiative, die wir heute hier setzen, enthält eine Reihe von entsprechenden Maßnahmen, trotz unserer tristen Budgetsituation: Über Privatisierung und langfristige Absicherung des Sozialsystems haben wir heute schon gesprochen. An oberster Stelle stehen jedoch zweifelsohne Flexibilisierung und Bürokratieabbau. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Wie jedes Unternehmen muß auch das Unternehmen Österreich entschlacken, um produktiver zu werden und auf diese Weise Arbeitsplätze zu schaffen. Wir haben das in zahlreichen anderen europäischen Ländern gesehen: Erst wenn Produktivität im Staatshaushalt gegeben ist, erst wenn das Budget stimmt, dann stimmt auch die Beschäftigungssituation. (Abg. Koppler : Wo ist das der Fall?) Das trifft für ganz Europa und auch für England zu. Schauen Sie sich die Privatisierungsschritte in England an, Herr Koppler, dann werden Sie all das sehen! (Beifall und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) In England funktioniert das Telefon, bei uns jedoch nicht! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Reden wir bitte über die anderen Punkte! Wir haben noch eine ganze Reihe anderer Punkte zu besprechen. Wir wollen letztlich diese Beschäftigungsinitiative auch dadurch setzen, daß wir eine forcierte Technologiepolitik einbringen, wie wir sie seit Jahrzehnten fordern, mit einer Forschungsförderungsquote, die eine ganz andere ist, als wir sie heute in Österreich vorfinden.

Wir haben heute ein zersplittertes Forschungsförderungssystem. Herr Abgeordneter Nowotny! Sie wissen das am allerbesten. Unsere heutige Quote von 1,6 Prozent stellt ungefähr die Hälfte des europäischen Durchschnitts dar. Wir müssen unsere Bildungs- und Technologieoffensive zur Grundlage unserer Beschäftigungsinitiative machen. Wir werden diesbezüglich auch einen entsprechenden Antrag einbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir müssen die materielle Infrastruktur verbessern und eine rasche Liberalisierung des Energiesektors und des Telekommunikationssektors bei uns forcieren. Glauben Sie mir als einem Vertreter eines exportorientierten Unternehmers: Wir stehen jeden Monat einen halben Tag neben dem zusammengebrochenen Hauptleitungsnetz unserer Telefonleitungen. Sie werden lachen. Ich sage Ihnen aber: Wenn Sie keine Aufträge mehr abwickeln und entgegennehmen können, dann ist das nicht komisch. Unser Telekommunikationsnetz ist diesbezüglich einzigartig in Europa. Die Stärkung der Eigenkapitalbasis ist bei uns dringend vonnöten. Entsprechende steuerliche Maßnahmen sind heute mehrfach verlangt worden.

Ein anderer Punkt ist die Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen. Die öffentlichen Dienstleistungen müssen so privatisiert werden, wie das heute in Ungarn geschieht, nämlich wesentlich schneller als in Österreich. Daher funktionieren dort auch sehr viele Dinge und bei uns nicht. Das müssen wir bei uns genauso machen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Landes- und Bundesvermögen, aber auch das Vermögen der Kammern, der Pensionsversicherungen und Arbeiterkammern können wir letztlich für die Privatisierung, Veräußerung


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und Teilveräußerung heranziehen, um uns die Liquidität für die Beschäftigungsinitiative zu verschaffen, die Sie alle dringend suchen und wofür Sie Steuereinnahmen als einziges Mittel ankündigen, wie wir in den letzten Tagen und Stunden gehört haben. – Eine Budgetsanierung und langfristige Absicherung des Sozialsystems dieser Art durchführen zu wollen, wird uns Freiheitlichen, nicht zuletzt auch im deutschen "Wirtschaftsblatt" vom 13. Dezember, testiert. Dort kann man über das vorbildliche Wirtschafts- und Standortsicherungsprogramm der Freiheitlichen nachlesen. Sie müßten es halt nur einmal lesen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abgeordneter Nowotny hat die einzigen Beschäftigungsinitiativen in dieser Frage eingebracht, indem er gesagt hat: Wir müssen die öffentliche Verwaltung ausbauen, diese stellt den einzigen expansiven Beschäftigungs- und Dienstleistungssektor dar; man kann die Zahl der Beamten nicht reduzieren, sondern man muß ausbauen. – Das steht zwar ein bißchen im Gegensatz zu dem, was Ihre Partei sonst gesagt hat. Außerdem glaube ich, daß Sie damit auch ausgabenseitig die Budgetsanierung nicht erreichen werden. Nur eine Entschlackung bringt letztlich die Wettbewerbssituation, die wir dringend brauchen, auch in unserem Budget. Und daß wir 22 Prozent öffentlich Beschäftigte gegenüber dem OECD-Schnitt von 15 Prozent haben, ist geradezu skandalös!

Privatisierungspolitik auf Landes- und Gemeindeebene ist daher eine erfolgversprechende Initiative. Ansätze betreffend Grundstücke der ÖBB und auch der Bundesforste, die wir heute als Reserve in Österreich haben, wozu Sie allerdings erst Gesetze einbringen müssen, um die Liquiditätsreserven auch dem Finanzminister zuzuführen, werden von Ihnen schon 20 Jahre lang plakatiert, gemacht haben Sie bis jetzt aber eigentlich nichts. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Strukturreformen im Pensionssystem stehen ebenso an. Letztlich würde ich Ihnen keine Verschlechterung der Rahmenbedingungen für Eigenvorsorge empfehlen, denn wir brauchen die Eigenversorgung auch bei den Pensionssystemen.

Frau Minister Krammer! Wir brauchen die Strukturreformen im Gesundheitssektor, wir brauchen eine leistungsbezogene Spitalsfinanzierung und Transparenz der Kosten, damit der Mensch weiß, was es kostet, wenn er ins Spital geht und wenn er es wieder verläßt.

Wir haben Ihnen eine ganze Reihe derartiger Maßnahmen vorgeschlagen, und wir hören derartige Vorschläge seit 10, 20 Jahren nicht zuletzt auch von unseren Freunden von der ÖVP in plakativer Form. Aber wie gesagt: Im Analysieren sind wir Weltmeister, wir setzen die Erkenntnisse aber nicht um. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Novellierung des Arbeitszeitrechtes mit weitgehender Weitergabe der Regelungsbefugnis an Kollektivvertrag und Betriebsvereinbarung ist eine langjährige Forderung. Sie wissen ganz genau, daß auch die Überprüfung der Befugnisse der Arbeitsinspektorate dringend notwendig wäre.

Eine Modernisierung des Betriebsanlagenrechtes, auch wenn wir heuer sehr wenig neue Betriebsgründungen haben, wäre notwendig. (Abg. Leikam : Schade um Haigermoser!) Herr Abgeordneter! Es ist nett, daß Sie das sagen! Seien Sie überhaupt ein bißchen netter zu mir, Herr Abgeordneter! Hören Sie zu, wenn ich etwas sage! – Eine Verfahrenskonzentration bei der Betriebsansiedlungserleichterung ist eben notwendig.

Wir müssen auch die Fallfristen von Verwaltungsverfahren verkürzen. All das ist Ihnen bekannt. Sogar das Insolvenzrecht bedarf für uns einer Überprüfung.

Lassen Sie mich aber jetzt zur forcierten Technologie- und Weiterbildungspolitik den Antrag von mir und meinen Kollegen betreffend Maßnahmen zur Vereinheitlichung und Verbesserung der Technologie- und Forschungsförderung einbringen.


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und der Erhaltung österreichischer Arbeitsplätze aufgefordert, Maßnahmen zu setzen, die folgenden Forderungen Rechnung tragen:

1) Einer Vereinheitlichung und Zusammenführung aller Forschungs- und Förderungsfonds in einer einheitlichen Stiftung für Forschung und Entwicklung und eine Koordinierung der Förderungsmaßnahmen zwischen Bund und Ländern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

2) Einer Steigerung und Heranführung der Aufwendungen Österreichs für Forschung und Entwicklung in Relation zum BIP auf den OECD-Durchschnitt.

3) Der Schaffung von steuerlichen Anreizen für Unternehmer zur Verbesserung der Forschungs- und Entwicklungsorientierung der Unternehmer.

*****

Soviel zum Entschließungsantrag. Wir brauchen dafür natürlich eine Erhöhung des Forschungsfreibetrags auf 30 Prozent.

Weiters haben wir eine Reihe von Vorschlägen betreffend Maßnahmen zum Ausbau der materiellen Infrastruktur und zur raschen Liberalisierung auf dem Energiesektor. Sie wissen, daß der Energiesektor einen stark fragmentierten Sektor mit einer schlechten Produktivität und ständig steigenden Energiekosten darstellt. Wir verlangen daher die Schaffung eines freien Nutzerzugangs für Großabnehmer und eines Poolings im Rahmen eines zeitgemäßen Energiewirtschaftsgesetzes, jedoch keine Anlehnung an die deutschen Reichsenergiegesetze.

Letztlich brauchen wir auch eine Privatisierung des Telekom-Bereiches und der Post.

Stärkung der Eigenkapitalbasis der Unternehmen und sonstige steuerliche Maßnahmen wie Förderung von Risikokapitalbeteiligungen an jungen, technologieorientierten Unternehmungen: Das sind arbeitsplatzschaffende Maßnahmen. Wir können es nur mit Weiterbildung und erhöhter Technologie schaffen, die Arbeitslosenzahl von 300 000, die vornehmlich auf Qualitätsmängel und Ausbildungsmängel zurückzuführen ist, zu reduzieren.

Wir haben in der Energiepolitik eine Umschichtung des Steuersystems vorgeschlagen. Wir haben auch die Energiesteuer – wie ja schon unser Klubobmann Dr. Haider gesagt hat – mit einer Senkung der Mehrwertsteuer, mit einer Streichung der Kommunalabgabe und mit einer schrittweisen Senkung der Getränkesteuer verbunden. Sie sehen, daß wir uns auch über strukturelle Maßnahmen den Kopf zerbrechen, weil wir der Meinung sind, auch dadurch werden Arbeitsplätze geschaffen.

Die Beschäftigungspolitik – zu der mir Abgeordneter Peter, bevor er es sich noch angehört hat, das Kompliment gemacht hat, mit unserer Wirtschaftspolitik sei ohnehin nichts zu machen – geht sicherlich nicht allein über Stillegungsprämien von Hotelbetten, Herr Abgeordneter Peter, sicherlich nicht (Beifall bei den Freiheitlichen) , sondern wir werden die Lohnnebenkostensenkung sehr wohl weiter forcieren, denn Sie wissen genau, daß wir auf dem Arbeitskostensektor sehr viel zu tun haben.

Und wir werden die Ausgabenumschichtung in Richtung privat forcieren – weil ich glaube, daß der öffentliche Anteil bereits ein Maß angenommen hat, das unerträglich ist –, nach dem Motto: Machen Sie aus uns Österreichern selbständige Menschen, hören Sie mit der Verpolitisierung in allen Lebensbereichen und politischen Bereichen auf, entschlacken Sie den Staat und sagen Sie dem Proporz, meine Damen und Herren, Lebewohl! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Maßnahmen zur Vereinheitlichung und Verbesserung der Technologie- und Forschungsförderung ist genügend unterstützt und steht in Verhandlung.


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4. Sitzung / Seite 93

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Peter gemeldet. Die Bestimmungen der Geschäftsordnung brauche ich nicht zu wiederholen.

23.31

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Hohes Haus! Kollege Prinzhorn hat in seiner Jungfernrede geruht, mich anzugreifen. Leider waren seine Angriffe unrichtig.

Er hat behauptet, ich würde Zusperrprämien für Hotelbetten verlangen.

Dies entspricht nicht der Wahrheit. Wir haben uns über Ausstiegsmodelle den Kopf zerbrochen. Zusperrprämien wurden nie verlangt. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Haigermoser : Das glaubt ja nicht einmal der Hans Helmut Moser, was du da erzählst!)

23.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Puttinger. Er hat das Wort.

23.32

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Man könnte dem Herrn Prinzhorn viele Dinge antworten oder mit ihm diskutieren.

Ich möchte nur eines sagen: Wenn er schon das Vermögen der Wirtschaftskammer zur Arbeitsplatzsicherung heranziehen möchte, dann sollte er doch in seiner Rede nicht das meiste aus diesem Buch (zeigt es vor) verwenden. Ich glaube, das ist ein Buch der Wirtschaftskammer. Wenn er schon das Vermögen zur Arbeitsplatzsicherung verwenden möchte (Abg. Dr. Haider: Er ist ja bei euch Mitglied!) , dann sollte er sich wenigstens nicht der Unterlagen in letzter Instanz bedienen. Ich finde das ein bißchen lustig, so zu agieren. Das ist eine Situation, die nicht ganz verständlich ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Zahlen, aber nichts tun! Er ist ja auch Mitglied!) Ihr wollt zahlen, aber dann das ausnützen und nichts zahlen, das ist ja noch viel schlimmer. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Dringliche Anfragen, meine sehr geehrten Damen und Herren, oder Sondersitzungen des Nationalrates sind gute und notwendige Gelegenheiten, dringend anstehende Probleme auszusprechen. Leider werden sie meistens zur Dramatisierung und nicht zu echten Problemlösungen verwendet.

Wir haben aber heute über das Schicksal von 300 000 arbeitslosen Menschen zu reden und das ernst zu nehmen. Die Frage ist nur, ob wir uns auf Kosten dieser profilieren oder ob wir die Symptome bekämpfen und den Ursachen auf den Grund gehen.

Die Ursachen der Arbeitslosigkeit, meine sehr verehrte Damen und Herren, sind zu dieser Zeit und auch in Zukunft mehr strukturell als konjunkturell bedingt. Und für mich sind die wesentlichsten Punkte die Kostenfrage, die Angebotsfrage und natürlich auch die Bekämpfung des Mißbrauchs.

Zentraler Punkt sind für mich die Arbeitskosten. Ich muß ja hier nicht als Verteidiger des Herrn Prinzhorn auftreten, aber ich möchte ihm behilflich sein: Die österreichische Arbeitsmarktpolitik kann mit ihren herkömmlichen Instrumentarien nichts ausrichten, wenn Industriebetriebe wegen der hohen Systemkosten hierzulande ihre Zelte abbrechen und ins Ausland gehen müssen. Diese Unternehmer werden dann beschimpft, daß sie nur ihren Profit im Auge hätten. Es müßte uns aber langsam klar werden, daß es den Arbeitnehmern nur dann gut geht, wenn es der Wirtschaft, wenn es den Betrieben gut geht, und umgekehrt.

Die Arbeitskosten, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben sich seit dem Jahre 1980 mehr als verdoppelt. Sie sind um 116 Prozent gestiegen, weit höher als der EU-Durchschnitt, in Schweden nur um 29 Prozent. Auch die deutsche Metallgewerkschaft hat kürzlich auf den direkten Zusammenhang von Lohnkosten und Beschäftigungslage verwiesen. Reformen sind angesagt, auch wenn dazu einige heilige Kühe geschlachtet werden müssen, wie generelle


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4. Sitzung / Seite 94

Reallohnsteigerungen, keine flexible Kollektivvertragspolitik. Es sollte vor allem in Krisensituationen für Unternehmungen möglich sein, zeitlich befristet auf Betriebsebene im Einvernehmen mit dem Betriebsrat vom Branchenkollektivvertrag abweichende Sonderregelungen zur Sicherung der Arbeitskräfte zu treffen.

Der zweite wichtige Punkt, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist sicher die Angebotsnachfrage. Das Angebot an Arbeit sinkt. Förderprogramme sind eine wichtige Maßnahme, aber mit Sonderaktionen für Personen, die am Rande des Arbeitsmarktes stehen, kann der Mangel an geeignetem Gewerbegrund nicht befriedigt werden, können Genehmigungshürden nicht verringert werden, können Verwaltungsverfahren nicht vereinfacht werden, können flexible Arbeitszeitmodelle, Arbeitszeitformen nicht eingeführt werden. Auch 300 Millionen Schilling der Arbeitsmarktförderungen können wahrscheinlich aus Langzeitarbeitslosen keine Unternehmer machen, wie es dieses 300-Millionen-Schilling-Projekt der Arbeitsmarktförderung derzeit vorsieht.

Wir müssen die Ampel auf Grün schalten (Abg. Mag. Stadler: Um Gottes willen!) für Forschungs- und Technologieförderung. Bedenken Sie bitte, daß im letzten Jahr der dafür vorgesehene Betrag von 1,64 Prozent auf 1,5 Prozent des Bruttosozialproduktes gesenkt worden ist.

Wir müssen die Ampel auf Grün schalten für Investitionsvorhaben. Schleppende Genehmigungsverfahren, Zeitverzögerungen bei der Freigabe von Bauaufträgen, Finanzierungsprobleme sind die größten Bremsklötze, die wir zu beseitigen haben. Eine Erhöhung des Investitionsfreibetrages ist ein ebenso adäquates Mittel wie die Reform des Beirates. (Abg. Böhacker: Wie lange werden Sie jetzt regieren?) Ich komme gleich zu euch! – Hier hoffen wir auf die Reformfreudigkeit aller politischen Partner in diesem Land.

Aber wenn Sie mich gerade aus Salzburg ansprechen, möchte ich schon ein Beispiel aus Salzburg bringen, das Sie sich ein bißchen zu Herzen nehmen sollten. (Abg. Ing. Reichhold: Er hat ja nur gefragt, wie lange Sie in der Regierung sein werden!)

Wenn Sie von der Zeitverzögerung bei öffentlichen Aufträgen sprechen, dann denken Sie bitte einmal an Ihren Landesrat Karl Schnell in Salzburg, der einen Akt für einen bereits budgetierten Neubau der Bezirkshauptmannschaft Sankt Johann seit 11. Juli 1995 liegenläßt, im Büro (Abg. Haigermoser: Das stimmt nicht! Sagen Sie bitte nicht die Unwahrheit!) liegenläßt! Herr Landesrat Schnell hätte nur für die Genehmigung der Planung einen Regierungsbeschluß vorbereiten sollen. Das ist bis heute nicht passiert! Damit haben Sie bis jetzt den Baubeginn eines Projekts, das der Bauwirtschaft 108 Millionen Schilling bringen würde, sieben Monate verzögert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Verzögerung, das ist auch die Politik der F! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie können nicht ununterbrochen Handlungen setzen, die dahin gehen, daß Sie von der Behörde Butter haben wollen, dafür aber mit Milch auf den Dienstweg gehen können. Das ist etwas, was nicht möglich ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nehmen Sie sich das auch zu Herzen!

Als drittes ist für mich wichtig, Mißbräuche abzustellen. Nach Schätzungen wird in Österreich dem Pfusch ein Umsatzvolumen von 150 Milliarden Schilling zugerechnet. Und wenn ich nur davon ausgehe, daß jede dritte Milliarde Schilling dem gewerbsmäßigen Pfusch zukommt und damit Arbeitsplätze kostet, so, meine ich, könnte die Beseitigung dieses Faktums allein 50 000 Arbeitsplätze schaffen. Es gilt, Mißbräuche abzustellen und härtere Maßnahmen vor allem gegen den gewerbsmäßigen Pfusch einzuführen.

So riskiert etwa in Schweden – weil dieses Beispiel immer wieder gebracht wird – ein Arbeitsloser, der gleichzeitig schwarz arbeitet, nicht nur, das von ihm bezogene Arbeitslosengeld zurückzahlen zu müssen, sondern auch, auf Betrug geklagt zu werden und darüber hinaus 130 Tage keine Stützungsgelder zu erhalten.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht ein Resümee ziehen und auf all diese Punkte, die heute x-mal genannt worden sind, eingehen. Ich möchte nur zum Abschluß sagen: Viel ist gesagt und analysiert worden. Unternehmen wir jetzt endlich etwas gegen die Ursachen der strukturellen Arbeitslosigkeit, und zwar sofort! Lassen Sie uns nicht in einer Sondersitzung und am gleichen Tag im Rahmen einer dringlichen Anfrage das gleiche Thema besprechen, von der gleichen Partei wieder eingebracht, sondern gehen wir daran, weniger dieses wichtige Thema zu besprechen als zu handeln! Lösen wir gemeinsam den Innovationsstau, und lassen wir Veränderung zu für eine positive Zukunft aller Menschen in diesem Lande! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

23.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Haigermoser gemeldet. Bitte, zuerst den zu berichtigenden, dann den berichtigten Sachverhalt.

23.40

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Präsident! Im Sinne der Geschäftsordnung darf ich zuvor noch einmal in den Raum stellen, daß es unrichtig ist, wie es Kollege Puttinger behauptet hat, daß Landesrat Schnell den Bau der BH seit sieben Monaten verzögert. Diese Behauptung ist unrichtig.

Wahr ist vielmehr, daß die ÖVP-Regierungsmitglieder mit den Sozialisten gemeinsam diesen Bau bis dato verhindert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Blünegger. Er hat das Wort. (Abg. Dr. Puttinger: Persönliche Erwiderung!) Herr Kollege, eine persönliche Erwiderung ist nicht möglich aufgrund der Geschäftsordnung. – Bitte, Herr Kollege Blünegger.

23.41

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geschätzter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Als ich heute unseren Bundeskanzler gehört habe, habe ich mich an den Wahlkampf 1995 erinnert, als er gesagt hat: Jetzt rasch Arbeitsplätze schaffen! Also ich glaube, da sind wir ja beim richtigen Thema. Dies hat er im Wahlkampf gesagt. Wir Freiheitlichen haben eine Sondersitzung zum Thema "Sicherung der Arbeitsplätze" beantragt. Und wenn der Herr Bundeskanzler unsere Anträge, die wir einbringen und eingebracht haben, annehmen wird, dann wird er sicher dazu beitragen, daß Arbeitsplätze geschaffen werden und auch Arbeitsplätze gesichert sind.

Wenn ich jetzt den Bericht des Herrn Sozialministers und den Bericht des Wirtschaftsministers Ditz gehört habe, dann hätte ich etwas erwartet, was Sie den Bürgern, den Arbeitnehmern, den Pensionisten eigentlich schuldig wären, und Sie hätten auch den Mut dazu haben müssen. Sie hätten sich nämlich bei diesen Menschen entschuldigen müssen für das Versagen der vorigen Regierung, wo eigentlich dieses Problem entstanden ist. Das wäre, glaube ich, der richtige Weg gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, Wirtschaftspolitik ist Arbeitnehmerpolitik (Abg. Öllinger: Eher umgekehrt!) , und das Produkt Arbeit ist ein gleichwertiger Partner in unserer freien Marktwirtschaft. – Geschätzter Abgeordneter, du wirst das wahrscheinlich nicht wissen, weil du kein freier Abgeordneter bist, vielleicht unter Zwang, aber wir selber wollen das sicher so haben, daß das Produkt "Arbeit" als gleichwertiger Partner betrachtet wird.

Die Arbeitskraft darf nicht einer so hohen Steuerlast unterliegen. Wir haben sicher eine Möglichkeit, das zu ändern.

Wir Freiheitlichen haben heute einen


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Entschließungsantrag betreffend die kalte Progression einzubringen, den ich jetzt vorlesen möchte:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Böhacker, Blünegger und Kollegen betreffend kalte Progression

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, im Rahmen einer Steuerreform Maßnahmen zu ergreifen, die es ermöglichen, daß den Einkommen- und Lohnsteuerpflichtigen die vermehrte Steuerbelastung aus der sogenannten kalten Progression gemindert wird.

*****

Ich kann nur an Sie alle appellieren, diesem Antrag zuzustimmen.

Ich glaube, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu verbessern und um die Lebensqualität der Menschen zu erhöhen, brauchen wir ein breites Bündel von privaten und staatlichen Maßnahmen, die zusammenwirken. Und da hätte ich drei Punkte zu erwähnen.

Eine Qualitätsoffensive verhindert sicher Arbeitslosigkeit. Fast alle im Dezember 1995 gemeldeten Arbeitslosen waren schlecht ausgebildet. Laut Arbeitsmarktservice gibt es eine Statistik. Von den 270 000 Arbeitslosen in Österreich im Dezember hatten 230 000 keine abgeschlossene Ausbildung. (Abg. Öllinger: Wie viele Arbeitsplätze?) Da ist es ja viel wichtiger, Herr Abgeordneter Öllinger, daß ich auf Ihre gar nicht Frage eingehe, denn ich kann Ihnen nur eines sagen: Wenn man diese Zahlen ernst nimmt (Abg. Dr. Mertel: Woher haben Sie diese Zahlen?) – die sind aus dem Buch des Arbeitsmarktservice –, muß die Möglichkeit geschaffen werden, eine Qualifikationsoffensive zu betreiben, um diese Arbeitnehmer auszubilden, denn Sie wissen selber ganz genau, Frau Abgeordnete, daß Sie, wenn Sie als Frau wieder in das Berufsleben einsteigen (Abg. Dr. Mertel: Das bin ich!) , die größten Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu bekommen, und auch nicht die entsprechende Ausbildung haben, weil sie leider nicht finanziert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein weiterer Punkt ist, eine Innovationsoffensive zu setzen, und ich glaube, das ist auch der richtige Weg, weil wir ja heute unter anderem gehört haben, daß Klein- und Mittelbetriebe gefördert und aufgebaut werden müssen, um dadurch 40 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Daher ist eine Innovationsoffensive sicher angebracht.

Genauso ist es mit dem dritten Punkt, der Technologieoffensive. Auch diese Offensive sollten wir sehr ernst nehmen, denn selbst wenn wir Budgetkürzungen hätten, wäre es, glaube ich, nicht zukunftsträchtig, in diesem Bereich das Budget zu kürzen, sondern dies muß mitfinanziert werden. Das würde auch bedeuten, daß die unmittelbare Telekommunikation eine Ausbaustufe erhalten sollte.

Werte Damen und Herren Abgeordnete! Die Bedrohung der österreichischen Arbeitsplätze ist ein Faktum, und auch da gibt es wieder einige Punkte, die ich anreißen möchte.

Die Arbeitslosigkeit ist heute nicht mehr ein Problem einiger weniger. Wenn wir bedenken, daß im Jahre 1995 620 000 Menschen in Österreich mit der Arbeitslosigkeit belastet waren, dann ist es sicher so, daß man sagen kann, daß die Arbeitslosigkeit kein kleines Problem mehr ist.

Etwa ein Viertel der Zahl der arbeitslosen Männer sind heute über 50 Jahre, und genau da ist der Hebel anzusetzen. Auch diese Menschen sollen nicht an den Rand ihrer Existenz gedrängt werden, sondern haben das Recht, auch eine Arbeit zu haben.

Ein dritter Punkt ist: 1995 befanden sich die meisten Arbeitslosen in den mittleren Altersgruppen. Da gibt es genauso einen Bericht, wonach von den 270 000 Arbeitslosen die Gruppe der 30- bis 40jährigen 79 158 Arbeitslose ausmacht, das sind 29,3 Prozent, und diese 29,3 Prozent bedeuten eine Steigerung von 10,4 Prozent gegenüber dem Jahr 1994. Und das ist sicher ein Alarmzeichen.

Ich glaube, die Arbeitslosenzahlen haben überall zugenommen, in allen Bundesländern, und da ist es sicher von meiner Seite aus als Gewerkschafter notwendig, auch einige Punkte zu


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erwähnen. Da decke ich mich sicher nicht mit den Aussagen des Vizepräsidenten Nürnberger, der von einer Nullohnrunde gesprochen hat. Ich glaube, mit der Nullohnrunde kann man nicht das Problem der Sicherung der Arbeitsplätze lösen. Aber man kann sicher eines machen: Es sollte eine Inflationslohnrunde sein, das würde viel sicherer sein, wo ich zumindest garantieren kann, daß die Kaufkraft der einzelnen Arbeitnehmer nicht geschmälert wird. Eine Inflationslohnrunde ist sicher der richtige Weg und nicht eine Nullohnrunde mit einem Einkommensverlust. (Abg. Öllinger: Lesen Sie Ihre eigenen Papiere nicht?)

Ich habe selber so viele Papiere gemacht, wo ich das Produkt "Arbeit" sicher richtig behandle, weil das nämlich wirklich noch eine Leistung ist, und andere, die nicht arbeiten, trotzdem da herinnensitzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, das Thema "flexible Arbeitszeiten" brauche ich an und für sich nicht anzureißen, denn von seiten der freiheitlichen Arbeitnehmer – auch in verschiedenen Gewerkschaftsbereichen – haben wir dieses Thema schon vor Jahrzehnten angerissen. Da hat sich der eine oder andere noch gar nicht drübergetraut. Es ist dies sicher unsere Erfindung, und wir werden dies auch dementsprechend verwirklichen, und zwar gemeinsam mit den Sozialpartnern.

Die Senkung der Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer sollte für uns ja eigentlich nicht Vision sein. Sie sollte keine Vision sein, sondern sie sollte auch ein neues Modell sein. Vielleicht kommen wir mit einem neuen Modell über die Runden, daß dieses Problem angefaßt wird und daß es zur Verwirklichung kommt.

Es wird nicht nur genügen, Kollektivvertragsabschlüsse in geänderter Form zu machen, sondern man wird auch das unmittelbare Bonus-Malus-System in Angriff nehmen müssen. Und da ist mir gleich, wer sich der Vaterschaft rühmt, sondern das sollte einfach verwirklicht werden.

Wir haben auch einen Entschließungsantrag betreffend Förderung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer konzipiert, und den möchte ich jetzt auch vorlesen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Haider, Dolinschek betreffend Förderung der Beschäftigung älterer Menschen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und zur Erhaltung österreichischer Arbeitsplätze aufgefordert, dem Nationalrat Gesetzentwürfe zuzuleiten, die bei gleichzeitiger Abschaffung der Sonderunterstützung für ältere Arbeitslose folgende Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung älterer Menschen enthalten:

1. Die Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung entfallen für alle Beschäftigten ab der Vollendung des 50. Lebensjahres.

2. Bei der Beschäftigung von Arbeitslosen, die älter als 50 Jahre sind, darf der Kollektivvertrag für die Dauer eines Jahres um 20 Prozent unterschritten werden; das Arbeitsmarktservice hat diese niedrigeren Einstiegslöhne durch eine direkte Unterstützung des Arbeitslosen auszugleichen.

3. Die Einstellung älterer Langzeitarbeitsloser ist anfangs zu 100 Prozent degressiv bis zu einem Auslaufen nach einem Jahr vom Arbeitsmarktservice zu fördern.

4. Arbeitnehmer sollen die Möglichkeit erhalten, unbezahlten Karenzurlaub bis zu maximal einem Jahr zu nehmen; wenn sie in dieser Zeit Weiterbildung betreiben, ist der Einkommensentfall vom Arbeitsmarktservice durch eine Unterstützung in Höhe von 80 Prozent des Arbeitslosengeldes auszugleichen.

*****


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren Abgeordneten! Ich glaube, wir wissen genau, in der Verkehrstechnik ist Österreich in diesem Wirtschaftsbereich sehr gut entwickelt. Es ist viel passiert, und da hat sicher die Bundesregierung den größten Fehler gemacht, weil sie einfach die Rahmenbedingungen zum Schutze der einheimischen Transport- und Fahrzeugindustrie gegenüber der EU verschlafen hat. Die Richtlinien und Rahmenbedingungen, die da eigentlich festzulegen gewesen wären, wurden nicht eingehalten. Daher müssen wir heute in einem Industriezweig, in der Fahrzeugindustrie, sagen: Wir sind in dem Bereich bei einem Dilemma angelangt. Wir wissen, daß Simmering-Graz-Pauker Kurzarbeit hat, wir wissen, daß Elin, ABB, Bombardier ebenfalls Schwierigkeiten haben mit der Auftragslage ihrer Betriebe.

Und wir wissen ganz genau, daß es sogar in Tirol einen renommierten Betrieb erwischt hat, wo eigentlich die Zusagen von Herrn Verkehrsminister Klima im Jahr 1994 so waren, daß er vor der Nationalratswahl im September vor der Belegschaft Versprechungen abgegeben hat, wonach der Standort der Fahrzeugindustrie in Tirol gesichert ist. Das hat er bis heute noch nicht eingehalten, es sind nur 140 Arbeitsplätze weniger geworden. Wenn man solche Versprechungen macht, kann man wahrscheinlich auch nicht ein besonders guter Finanzminister werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher mein Appell heute an Sie, den Entschließungsanträgen, die wir eingebracht haben, zuzustimmen, ein Appell an die SPÖ-Fraktion genauso wie auch an die ÖVP-Fraktion, diesen Anträgen zuzustimmen – zum Wohle und zur Sicherheit der Arbeitsplätze und unserer Wirtschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die beiden Entschließungsanträge Böhacker, Blünegger und Dr. Haider, Dolinschek sind genügend unterstützt und stehen in Verhandlung.

Am Wort ist Herr Abgeordneter Rosenstingl. Ich erteile es ihm.

23.51

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Herr Kollege Puttinger! Sie haben hier eine tadellose Oppositionsrede gehalten, zumindest in Teilbereichen. Sie haben hier nur vergessen, Herr Kollege, daß Sie zumindest jetzt noch immer Regierungspartei sind beziehungsweise in den letzten Jahren ja Regierungspartei waren, daß Sie in den Wirtschaftskammern in ganz Österreich die Präsidenten stellen, daß Sie daher in der Vergangenheit durchaus Mitwirkungsmöglichkeiten gehabt hätten. Sie hätten die Gewerbeordnung schon verändern können, Sie hätten die Pfuscherbekämpfung, die Sie angesprochen haben, verbessern können, Sie hätten die Standortsicherung betreiben können, Sie hätten begleitende Maßnahmen setzen können bei den Steuergesetzen – Sie haben nur nichts gemacht! Sie haben nur nichts gemacht, Herr Kollege Puttinger! Daher ist es so, daß diese Debatte unter dem Motto steht: Wir kündigen viel an, wir reden viel über die Sachen, die gemacht werden sollen, aber wir machen halt nichts! – Und das ist das Problem in Ihrer Regierungszeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Es freut mich, daß Sie mich so oft oder so viel erwähnt haben. Ich würde Sie nur bitten, meine Presseaussendungen auch zu lesen, wenn Sie sie zitieren. Das haben Sie zweifellos nicht gemacht, denn ich habe gesagt, Herr Bundesminister, daß wir Verkehrswege brauchen, daß es wichtig ist, diese auszubauen, daß es nur keinen Verkehrswegeplan gibt, weil der Herr Bundesminister Klima da seit vielen Jahren säumig ist, daß es keine Prioritätenreihung gibt und daß die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen auf Dringlichkeit, Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit geprüft gehören und insbesondere auf arbeitsplatzschaffende Wirkung. Das habe ich in meiner Presseaussendung verlangt, und mir ist es zuwenig, daß man ganz einfach sagt: Wir investieren irgendwo 60 Milliarden hinein und beachten das alles nicht.

Außerdem, Herr Bundesminister, glaube ich, daß wir die Gesetze einhalten sollten. Sie wissen ganz genau, daß diese Maßnahme, diese Vereinbarung über die 60 Milliarden weder dem Bundesfinanzgesetz noch einem anderen besonderen Bundesgesetz im Sinne des Art. 42 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz entspricht. Daher ist das ungesetzlich, und wir werden uns sicher noch unterhalten, wie das zu lösen ist im Nationalrat. Und das habe ich in meiner


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Presseaussendung gesagt und nichts anderes! Zitieren Sie mich daher bitte in Zukunft richtig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler, der heute eine sehr emotionelle Rede gehalten hat, hat gesagt, er wird alles durchführen, er wird vieles verändern. Wir geben ihm jetzt die Gelegenheit dazu, wir bringen jetzt mehrere Anträge ein, Anträge, die auch Sie, die Debattenredner, heute immer wieder in der Debatte gefordert haben. Wir wollen Ihnen die Gelegenheit geben, hier zuzustimmen, Ihre eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Wir haben halt den Mut. Wir dürfen und wir trauen uns, das einzubringen. Sie dürfen vielleicht nicht, weil es der Herr Bundeskanzler der ÖVP verboten hat, aber wir geben Ihnen die Gelegenheit, zuzustimmen.

Ich darf jetzt einige Anträge vorlesen, zuerst den

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen betreffend Einhebung einer einmaligen Sonderdividende von wirtschaftlich erfolgreichen Staatsbetrieben.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr wird im Interesse einer Verbesserung der Situation des Staatshaushaltes und der damit verbundenen Möglichkeiten zur Arbeitsplatzsicherung aufgefordert, im Zusammenwirken mit dem Bundesminister für Finanzen die Möglichkeiten für die Zahlung einer einmaligen Sonderdividende von wirtschaftlich erfolgreichen Staatsbetrieben an das Budget bei gleichzeitiger Schonung der Substanz dieser Unternehmen zu überprüfen und dem Nationalrat binnen zwei Monaten nach Antragstellung Bericht vom Ergebnis dieser Überprüfung zu erstatten.

*****

Ein weiterer

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Haider, Dolinschek betreffend umfassende Maßnahmen gegen

die steigende Arbeitslosigkeit.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales wird zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und zur Erhaltung österreichischer Arbeitsplätze ersucht, dem Nationalrat Gesetzentwürfe zuzuleiten, die:

in der Arbeitslosenversicherung

1. eine Förderung von Zwischen- und Zusatzverdiensten (auch aus nicht der Qualifikation des Arbeitslosen entsprechenden Tätigkeiten) sowie der Annahme einer Beschäftigung außerhalb der Saison trotz Einstellungszusage durch die nur teilweise Anrechnung auf das Arbeitslosengeld statt seines vollständigen Entfalles beziehungsweise der jetzigen Nichtanrechnung von geringfügigen Einkünften,

2. eine Verpflichtung des Arbeitsmarktservice zur weiteren Vermittlung auf Arbeitsplätze, die der höheren Qualifikation entsprechen, auch wenn eine schlechter qualifizierte Beschäftigung angenommen wurde, sowie die Beibehaltung der ursprünglichen Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld und der ursprünglichen Zumutbarkeitsgrenze,

3. eine degressive Gestaltung des Arbeitslosengeldes (wenn Zwischenverdienst angenommen oder eine sinnvolle und erfolgreiche Weiterbildung betrieben wird, erst nach Ablauf eines


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Jahres) mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit bis zur reinen Bedarfsabdeckung durch die Sozialhilfe,

4. die Präzisierung und Verschärfung der vom Arbeitslosen nachzuweisenden ausreichenden eigenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung und

5. spürbare Sanktionen für die "Vermeidung" einer Beschäftigung (etwa durch eine verstärkte Zusammenarbeit des Arbeitsmarktservice mit den Arbeitgebern)

enthalten und

im Bereich der Ausländerbeschäftigung

1. eine Ausweispflicht für ausländische Arbeitnehmer auf dem Arbeitsplatz, wobei aus diesem Ausweis die Arbeitsgenehmigung und die Anmeldung zur Krankenversicherung hervorzugehen hat, und

2. eine Absenkung der Höchstzahlen der Ausländerbeschäftigung für die Dauer der hohen Arbeitslosigkeit

vorsehen.

*****

Ich bringe nun einen weiteren


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Krüger und Kollegen betreffend Arbeitsplatzverluste durch die Budgetsanierung der Bundesregierung ein.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei ihren Maßnahmen zur Budgetsanierung negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt durch eine Beschäftigungsoffensive zu verhindern.

Die Bundesregierung wird ferner aufgefordert, in den zuständigen EU-Institutionen als Voraussetzung für eine österreichische Teilnahme an der dritten Stufe der EWU (Währungsunion) zu erwirken, daß die Situation des Arbeitsmarktes als zusätzliches Konvergenzkriterium in den EG-Vertrag aufgenommen wird."

*****

Ich bringe einen weiteren Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Krüger und Kollegen betreffend Sicherung der Arbeitsplätze bei der HTM-Gruppe ein.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, den derzeitigen Interimsvorstand der AT sofort abzuberufen und den aus politischen Gründen zurückgetretenen ,alten‘ AT-Vorstand bis zur Bestellung des neuen Vorstands wieder einzusetzen, um weitere Arbeitsplatzverluste bei der HTM-Gruppe zu verhindern. Ferner wird der Bundesminister für Finanzen aufgefordert, durch die Finanzprokuratur schadenersatzrechtliche Schritte gegen den jetzigen Interimsvorstand der AT beziehungsweise gegen die am Debakel um die HTM-Gruppe beteiligten Berater, Firmen und Wirtschaftsprüfer zu prüfen beziehungsweise gegebenenfalls einzuleiten."

*****

Ein weiterer Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Kollegen betreffend umfassende Bürokratiereform lautet wie folgt:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine umfassende Bürokratiereform einzuleiten, die die Leistungsfähigkeit und die finanzielle Situation des Staates verbessern und auf diese Weise dazu beiträgt, den Spielraum für öffentliche Investitionen zu erweitern und dadurch die Beschäftigungssituation zu verbessern, und zumindest folgenden Anforderungen genügt:

1. Es müssen die Bereiche, die vom Staat allein oder besser besorgt werden könnten, von jenen getrennt werden, die von anderen Rechtsträgern besser besorgt werden können, und von jenen, deren Leistungen überhaupt entbehrlich sind. Letztere Bereiche sind sodann aus der staatlichen Verwaltung zu entfernen. Es hat somit gleichsam ein ,reinventing government‘ (Neuerfindung des Staates) zu erfolgen.

2. Die beim Staat verbleibenden Bereiche müssen einem umfassenden Bürokratieabbau unterzogen werden. Dabei sind alle bestehenden Organisationen und Regelungen mit Ziel einer bürgernahen, raschen, nachfrageorientierten, effizienten und kostengünstigen Verwaltung zu hinterfragen.

3. Für jede Ausgabe der Verwaltung sind die Kosten zu ermitteln sowie, soweit möglich, ein eigener Kosten-Nutzen-Vergleich anzustellen, wobei hierbei sowohl die Personal-, Sach-, Raum-, sonstige Kosten sowie die Verwaltungsgemeinkosten einzubeziehen sind (,lean- management‘).

4. Dies erfordert eine klare Zielvorgabe der politischen Führung. Die Modernisierung der Verwaltung muß einer der Schwerpunkte der Regierungsarbeit sein. Ein pauschaler Sparappell oder Sparbeschluß, die Zahl der Bundesbediensteten solle in den nächsten Jahren um einen mehr oder weniger großen Prozentsatz reduziert werden, wie von der derzeitigen Bundesregierung verkündet, ist keineswegs ausreichend. Er verkörpert im Gegenteil exemplarisch die ganze Einfallslosigkeit der Misere der derzeitigen Verwaltungspolitik."

*****

Ein weiterer Antrag der Kollegen Dr. Haider, Dr. Ofner und Genossen betrifft die Reform des Insolvenzrechtes zur Verbesserung der Sanierungsmöglichkeiten.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Justiz wird zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und zur Erhaltung österreichischer Arbeitsplätze ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der die Möglichkeit einer Weiterführung insolventer Unternehmen unter gerichtlicher Aufsicht nach dem Vorbild des amerikanischen ,Chapter 11‘-Verfahrens vorsieht und damit Sanierungs- und Reorganisationsversuche ermöglicht."

*****

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Hören Sie zu, und stimmen Sie mit! Reden Sie nicht nur, sondern stimmen Sie bei den Entschließungsanträgen mit! (Beifall bei den Freiheitlichen .)

Ein weiterer Entschließungsantrag der Abgeordneten Dolinschek und Kollegen betrifft das Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, die vorsehen, daß ab einem festzulegenden Stichtag für die Bediensteten der Oesterreichischen Nationalbank


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das Pensionsrecht des ASVG anzuwenden ist und die sich aus dem bisherigen Pensionsrecht ergebenden Ansprüche auf den Stand des Stichtages eingefroren werden."

*****

Ferner bringe ich einen Antrag der Abgeordneten Böhacker und Kollegen betreffend Pensionsreserve der Oesterreichischen Nationalbank ein.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, Vorkehrungen zu treffen, die eine schrittweise Überführung der Rücklage für Pensionsansprüche in eine neu zu schaffende Rücklage für Währungswagnisse und eine Dotierung einer neu zu schaffenden Stiftung für Forschung und Entwicklung durch die Rücklage für Pensionsansprüche zum Ziele haben."

*****

Weiters bringe ich einen Antrag der Abgeordneten Aumayr, Koller, Ing. Reichhold, Dr. Salzl, Wenitsch und Kollegen betreffend land- und forstwirtschaftliche Standortsicherung ein.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird dringend aufgefordert, im Rahmen des von ihr geplanten Programms zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich alle Anstrengungen zu unternehmen, um allen in Österreichs Land- und Forstwirtschaft arbeitenden Menschen gerechte Entlohnung und soziale Sicherheit zu garantieren sowie Österreichs Bauernhöfe als Betriebsstandorte und Arbeitsplätze im Dienste der Lebensmittelversorgung, der Landeskultur und der Ökologie zu erhalten."

*****

Ich bringe einen weiteren Antrag der Abgeordneten Dr. Preisinger und Kollegen betreffend die Einführung eines Bildungsschecks für alle in Ausbildung stehenden Staatsbürger ein.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung wird zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und der Erhaltung österreichischer Arbeitsplätze aufgefordert, Maßnahmen zu setzen, die die Einführung eines Bildungsschecks als verbrieftes Recht auf Aus-, Fort- und Weiterbildung für alle in Ausbildung stehenden Staatsbürger ermöglichen."

*****

Ein Antrag der Abgeordneten Ing. Reichhold und Kollegen betrifft die Finanzierung und Fertigstellung des Abschnittes "Völkermarkt West – Klagenfurt Ost" der A 2 Süd Autobahn (Lückenschluß).

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert,

– die für die erste Baurate erforderlichen Finanzmittel in Höhe von etwa 150 Millionen Schilling aus seinem Anteil am Bundesbudget 1996 bereitzustellen,

–


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die noch fehlende Detailplanung in Angriff zu nehmen und

– die ausreichende Finanzierung auch für die Folgejahre zu sichern, damit die aus verkehrstechnischen, aber auch aus arbeitsmarktpolitischen Gründen wichtige Fertigstellung der A 2 Süd Autobahn ehemöglichst erfolgen kann und es zu einer Belebung der Bauwirtschaft kommt."

*****

Weiters bringe ich einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Schöll und Kollegen betreffend Zusammenlegung der BGV I, der BGV II und der BIG ein.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, die erforderlichen administrativen und verwaltungstechnischen Voraussetzungen zur Zusammenlegung der BGV I, der BGV II und der BIG zu schaffen, um durch die solcherart erzielbaren Einsparungen den Staatshaushalt zu entlasten und dessen finanziellen Spielraum zur Arbeitsplatzsicherung zu erhöhen."

*****

Weiters bringe ich einen wichtigen Entschließungsantrag für die Wirtschaft ein – da stimmt Herr Präsident Maderthaner sicherlich mit –, den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker, Haigermoser, Rosenstingl und Kollegen betreffend steuerliche Begünstigungen nicht entnommener Gewinne ein.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf vorzulegen, der für Einzelunternehmer und Personengesellschaften im Einkommensteuergesetz wiederum eine steuerliche Begünstigung für nicht entnommene Gewinne vorsieht."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im Unterschied zu Ihnen heute Anträge eingebracht, die Maßnahmen zur Arbeitsplatzsicherung und zur weiteren Arbeitsplatzschaffung in Österreich vorsehen. Es sind viele Anträge dabei, die Maßnahmen enthalten, die in der Vergangenheit auch von vielen Ihrer Abgeordneten gefordert wurden, etwa von Kollegen Stummvoll oder auch von Kollegen der Sozialdemokraten. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ich bitte Sie wirklich im Interesse der österreichischen Wirtschaft, vor allem auch der klein- und mittelständischen und deren Arbeitnehmer, weil die klein- und mittelständische Wirtschaft der größte Arbeitgeber in Österreich ist, unseren Anträgen zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die zahlreichen eingebrachten Entschließungsanträge, die der Abgeordnete Rosenstingl soeben vorgetragen hat, sind ausreichend unterstützt. Sie stehen mit in Behandlung.

Als nächster Abgeordneter gelangt Kollege Böhacker zu Wort. – Herr Abgeordneter Böhacker! Ich erteile es Ihnen.

0.08

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Einleitend möchte ich ein paar kurze Worte zu Kollegen Puttinger aus


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4. Sitzung / Seite 104

Salzburg sagen, der sich darüber alteriert hat, daß Kollege Prinzhorn angeblich eine Publikation der Wirtschaftskammer verwendet hat. – Ich darf in diesem Zusammenhang nur darauf verweisen, daß Kollege Prinzhorn massiv Zwangsbeiträge für die Kammer bezahlt, und es ist eine Fehlansicht, wenn Kollege Puttinger meint, die Wirtschaftskammer ist nach wie vor Privateigentum des ÖVP-Wirtschaftsbundes. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dem Herrn Bundeskanzler war es vorbehalten, die Intentionen der Freiheitlichen zur Ökologisierung des Steuerrechtes als arbeitsplatzvernichtend und standortfeindlich abzuqualifizieren. Er hat das mit der Stahlindustrie begründet. (Abg. Koppler: Wer war das?) Der Herr Bundeskanzler. Er hat Donawitz angezogen.

Der Herr Bundeskanzler sollte die freiheitlichen Anträge einmal lesen. Es wäre sehr gut! Er würde damit seinen Wissenshorizont etwas erweitern, und er würde vor allem nicht derart falsche Aussagen machen. Vielleicht kann man ihm den freiheitlichen Antrag zur Ökosteuerreform kurz vorlesen. – Dort heißt es: "Als unabdingbare Voraussetzung einer freiheitlichen Zustimmung zu Ökoabgaben müssen abgesehen von der Lohnnebenkostensenkung zumindest temporäre Ausnahmen für energieintensive und exportorientierte Industrien und produzierende Gewerbebetriebe gesetzlich aufgenommen werden, da die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich bei der Einführung von Energiesteuern nicht gefährdet werden darf."

Ich weiß, die SPÖ geht einen anderen Weg: Sie führt unter dem Deckmantel "Ökosteuerreform" massive Belastungen von Wirtschaft und Konsumenten ein, ohne eine Aufkommensneutralität einzuführen. – Das lehnen wir ab! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich – wie bereits angekündigt – einige Entschließungsanträge einbringe.

Zuerst bringe ich einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker, Mag. Trattner, Rosenstingl und Kollegen betreffend steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit durch eine ökologische Reform des österreichischen Steuersystems ein:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, einen Gesetzentwurf über eine aufkommensneutrale und als ausschließliche Bundesabgabe konzipierte Energiesteuer dem Nationalrat vorzulegen, mit deren Aufkommen im gleichen Ausmaß

1. der Faktor Arbeit durch Abschaffung der Kommunalabgabe entlastet wird,

2. beim Letztverbraucher durch eine Mehrwertsteuersenkung im Ausmaß von jeweils zwei Prozentpunkten und Abschaffung der Getränkesteuer dessen Mehrbelastung aufgrund der Energiesteuer ausgeglichen werden kann,

3. Aufkommensneutralität auf allen Ebenen der Gebietskörperschaften durch eine Neuverteilung der Ertragsanteile an der Umsatzsteuer sichergestellt ist und

4. jedenfalls dabei Bedacht genommen wird, daß für sozial schwache Bevölkerungsgruppen keine zusätzliche Gesamtbelastung entsteht."

*****

Ein weiterer Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Haider und Kollegen betrifft die Entlastung der Unternehmen durch Entbürokratisierung.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


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4. Sitzung / Seite 105

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, Verhandlungen mit allen Gebietskörperschaften aufzunehmen, um im Bereich des Anlagenrechtes eine Verfahrenskonzentration, eine Verkürzung der Verfahrensdauer und eine einheitliche Verfahrenspraxis zu erwirken. Darüber hinaus hat die Bundesregierung in diesen Verhandlungen alles zu unternehmen, um eine Zusammenfassung der bisher zersplitterten Sonderverfahrensrechte (zum Beispiel Wasserrechtsgesetz, Gewerbeordnung, Abfallwirtschaftsgesetz) in einem einheitlichen Anlagenverfahrensrecht zu ermöglichen. Über die diesbezüglichen Verhandlungsergebnisse hat die Bundesregierung dem Nationalrat innerhalb von sechs Monaten Bericht zu erstatten."

*****

Ferner bringe ich einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Reichhold und Kollegen betreffend die vorgezogene Realisierung eines arbeitskräfteintensiven Arbeitsprogrammes für die Bauwirtschaft ein.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten werden aufgefordert, ein Arbeitsprogramm für die Bauwirtschaft in der Weise zu beschließen, daß bereits projektierte Bauvorhaben wie etwa das Sicherheitszentrum Klagenfurt und die Süd-Ost-Spange ehestmöglich realisiert werden."

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Ein weiterer Entschließungsantrag der Abgeordneten Schöll und Kollegen betrifft die Novellierung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, zur Belebung der Wirtschaft und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Übereinstimmung mit dem Bundesminister für Justiz dem Nationalrat einen tauglichen Gesetzentwurf zur Novellierung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) vorzulegen, durch welchen

- nach erfolgter vollständiger Rückzahlung aller entsprechenden Kredite und Darlehen eine Übertragung der Genossenschaftswohnungen in das Eigentum der Genossenschaftsmieter herbeigeführt und

- eine umgehende Zuführung der bei den Gemeinnützigen Bauvereinigungen gehorteten finanziellen Mittel zum Wohnbau gewährleistet wird."

*****

Weiters bringe ich einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Haider und Kollegen betreffend die Senkung der Kammerumlagen ein.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und zur Erhaltung österreichischer Arbeitsplätze ersucht, dem Nationalrat ehemöglichst Gesetzentwürfe zuzuleiten, die eine Senkung der für Arbeiter-, Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Landarbeiterkammern eingehobenen Umlagen in dem der jeweiligen Vermögenslage entsprechenden Ausmaß befristet bis Ende 1998 vorsehen."

*****


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4. Sitzung / Seite 106

Ein weiterer Entschließungsantrag betrifft Förderungsmaßnahmen für Saisonbetriebe zur Entlastung der Arbeitslosenversicherung durch eine Verlängerung der Saison.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Arbeit und Soziales wird zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und zur Erhaltung österreichischer Arbeitsplätze ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der für Saisonbetriebe unter folgenden Voraussetzungen eine Arbeitsmarktförderung für die Weiterbeschäftigung eines Mitarbeiters vorsieht:

1. Verlängerung der Beschäftigungszeit in der Saison für den betreffenden Arbeitsplatz im Vergleich zum Durchschnitt der drei vorhergehenden Jahre (Saisonen),

2. ein Arbeitslosengeldanspruch des Mitarbeiters, der auf diesem Arbeitsplatz beschäftigt ist, muß gegeben sein,

3. Förderung in Höhe von 50 Prozent des fiktiven Arbeitslosengeldes für die Zeit der längeren Beschäftigung, maximal aber für einen Monat pro Jahr."

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Nun bringe ich den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Kollegen betreffend Erhöhung des Investitionsfreibetrages ein:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, ehemöglichst einen Gesetzentwurf zum Einkommensteuergesetz 1988 vorzulegen, der eine Anhebung des Investitionsfreibetrages gemäß § 10 Abs. 1 und 4 EStG 1988 um jeweils drei Prozentpunkte und für Investitionen in umweltschützende Anlagen einen 15prozentigen IFB ermöglicht."

*****

Ein weiterer Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Kollegen betrifft die indirekte Förderung von Risikokapital.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach die bestehenden indirekten Förderungstatbestände für Risikokapital im Einkommensteuergesetz, insbesondere jene über Genußscheine und junge Aktien, attraktiver normiert sind, damit der österreichischen Wirtschaft mehr Risikokapital zur Verfügung gestellt werden kann."

*****

Es folgt nun ein Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Kollegen betreffend Einführung des Luxemburger Modells.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


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4. Sitzung / Seite 107

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, ehestmöglich einen Gesetzentwurf zum Umsatzsteuergesetz dem Nationalrat vorzulegen, welcher sich zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft in der Baubranche am Luxemburger Modell orientiert und eine 15prozentige Umsatzsteuerrückvergütung für private Bauherren vorsieht."

*****

Ein weiterer Entschließungsantrag der Abgeordneten Rossmann und Kollegen hat die Abschaffung der Getränkesteuer zum Gegenstand.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, einen Gesetzentwurf, der einen Entfall der Ermächtigung der Gemeinden zur Erhebung der Getränkesteuer bei gleichzeitigem und aufkommensadäquatem Ersatz über den Finanzausgleich vorsieht, vorzulegen."

*****

Ich komme schon zum Schluß. Der letzte Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Kollegen betrifft die Senkung der Mehrwertsteuersätze.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, im Zuge eines ehestmöglichen Abgabenänderungsgesetzes § 10 Abs. 1 und Abs. 2 UStG 1994 dahin gehend zu ändern, daß die Mehrwertsteuersätze um jeweils zwei Prozentpunkte gesenkt werden."

*****

Ich darf das Hohe Haus, die geschätzten Damen und Herren Kollegen, ersuchen, diesen Entschließungsanträgen ihre Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Auch die von Abgeordnetem Böhacker vorgetragenen Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt. Sie stehen mit in Behandlung.

Ich erteile nunmehr als vorläufig letztem Redner in dieser Debatte Abgeordneten Dr. Nowotny das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

0.17

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Abgeordneten der FPÖ haben nun, beginnend mit Abgeordnetem Prinzhorn, eine Reihe von Anträgen eingebracht. Ich bitte Sie um Ihr Verständnis, daß ich mich jetzt nach Mitternacht auf zwei Bemerkungen beschränke. Zuerst aber doch noch eine kurze Anmerkung.

Herr Kollege Prinzhorn! Ich teile völlig die Meinung des Herrn Präsidenten Fischer, daß man einen "Jungfernredner" hier mit Nachsicht behandeln soll. Ich habe – und das kann ich ganz offen sagen – durchaus Respekt, wenn ein aktiver Unternehmer hier in den Nationalrat einzieht. Ich möchte jetzt gar nicht auf die manchmal etwas turbulente Geschichte eines Unternehmerdaseins eingehen, glaube aber, daß es zu begrüßen ist, daß wir jemanden wie Sie hier im Hohen Haus haben.

Ich glaube nur, man soll sich davor hüten, hier gleich mit einem vielleicht doch etwas zu forschen Selbstbewußtsein aufzutreten. Ich möchte Ihnen wirklich wünschen, daß Sie hier ein besseres politisches Schicksal haben als etwa Abgeordneter Gudenus, an den Sie mich heute


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manchmal ein bißchen erinnert haben. – Ich glaube aber, wir werden uns gemeinsam doch zu einem sachlichen politischen Dialog hier finden.

Betreffend das Inhaltliche möchte ich nur auf einen Punkt eingehen, der gerade vorhin auch als


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Entschließungsantrag des Abgeordneten Böhacker eingebracht wurde, nämlich auf die Frage einer Energiesteuer. Vielleicht können wir das noch ganz kurz klären, denn das ist eigentlich nicht ganz klar geworden. Herr Abgeordneter Haider hat davon gesprochen, daß diese Energiesteuer ein Aufkommen von 42 Milliarden Schilling haben soll. Meine Frage dazu: Soll diese Energiesteuer jetzt zusätzlich zur bestehenden Mineralölsteuer eingehoben werden oder nicht? Es würde mich interessieren, Herr Kollege Haider, ob Sie uns darauf eine Antwort geben können. Beziehungsweise, wenn Sie so beschäftigt sind, kann vielleicht auch ein anderer eine Antwort geben: Soll die Energiesteuer jetzt zusätzlich zur Mineralölsteuer sein oder statt der Mineralölsteuer? Haben Sie darüber nachgedacht? – Offensichtlich nicht! Sie wissen es nicht, okay. (Abg. Haigermoser: Ihnen geben wir überhaupt keine Antwort!) Also Sie geben mir keine Antwort. (Abg. Rosenstingl: Antrag lesen!) Den Antrag konnte ich nicht lesen, der Antrag ist vorgelesen worden. Und so schön haben Sie es nicht vorgelesen, daß man es verstehen konnte. Könnten Sie uns das bitte einmal erklären? (Abg. Mag. Stadler: Hausaufgaben machen!) Ich sehe, meine Befürchtung hat sich also bewahrheitet. Sie wissen selber nicht genau, was Sie eigentlich meinen, und Sie wissen es aus gutem Grund nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie brauchen nur zu sagen: Ist das eingerechnet, ja oder nein? (Abg. Dr. Haider: Lesen Sie den Antrag!)

Können Sie es vielleicht soufflieren? – Offensichtlich nicht!

Wie gesagt: Das ist ein Beispiel dafür, daß die Dinge einfach nicht durchdacht sind. Das muß ich Ihnen ganz klar sagen. Wenn die Mineralölsteuer eingerechnet ist – die Mineralölsteuer hat derzeit ein Volumen von 31 Milliarden Schilling –, sind das heiße 11 Milliarden Schilling, die uns zur Verfügung stehen. Und so wollen Sie – das steht nämlich in Ihrem Antrag – die Kommunalabgabe senken oder abschaffen, die Getränkesteuer abschaffen, die Mehrwertsteuer senken, und eine soziale Abfederung. All das wollen Sie mit heißen 11 Milliarden Schilling machen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist doch nicht seriös, das ist in dieser Form nicht ernst zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich habe Sie doch gefragt. Sie könnten das einfach beantworten und sagen: ja oder nein. Aber da müßte man sich etwas überlegen, und das ist offensichtlich nicht geschehen!

Aber ich möchte Ihnen ganz kostenlos einen zweiten Tip dazu geben. (Abg. Dr. Haider: Kollege Schneider wird sich höflich bei Ihnen bedanken!) Ich wollte gerade über Kollegen Schneider sprechen. Seine Ausführungen haben Sie offensichtlich sehr genau studiert, und zwar so genau, daß Sie in Ihrer Schrift "Bündnis für Arbeitsplätze" immer von einem Professor Johannes Schneider, Linz, sprechen. – Ich darf Ihnen einen kleinen Tip geben: Der Mann heißt nämlich nicht Johannes, er heißt Friedrich. Aber auch das ist Ihnen nicht aufgefallen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich bin mit ihm befreundet: Er heißt Fritz Schneider, das weiß ich ganz genau. (Abg. Haigermoser: Friedrich Johannes Schneider!) Lieber Kollege! Das nützt Ihnen auch nichts mehr. Ich würde Ihnen vorschlagen: Schauen Sie sich das an, und kommen Sie wieder, wenn Sie es sich angeschaut haben, dann können wir weiter darüber reden! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt nicht auf dieses etwas inflatorische Potpourri von FPÖ-Anträgen eingehen. Wir haben beschlossen, anstelle einer solchen Antragsinflation einen zentralen Entschließungsantrag vorzubringen, der die zentralen Punkte dieser Diskussion zusammenfassen soll.

Ich bringe nun den Entschließungsantrag der Abgeordneten Verzetnitsch, Dr. Schüssel, Hostasch, Schwarzböck, Dr. Höchtl, Dr. Nowotny und Neugebauer über beschäftigungspolitische Initiativen ein.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, alle Möglichkeiten der Beschäftigungspolitik – sowohl auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite – auszuschöpfen.

Insbesondere sollen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich und zur Verbesserung der Arbeitsproduktivität Infrastruktur-, Ausbildungs-, Technologie- und Exportinitiativen im Rahmen der budgetären Möglichkeiten gesetzt werden. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Bravo!) Im Interesse des produktiven Sektors ist die Schonung der Betriebe und ihrer Beschäftigten bei den Lohnnebenkosten vorrangig. Eine Neugestaltung der Arbeitszeit, welche Beschäftigung sichert und die Standortqualität Österreichs weiterentwickelt, ist unter Einbeziehung der Sozialpartner zu erarbeiten.

Arbeitsmarktpolitische Initiativen mit dem Ziel der Integration von Langzeitarbeitslosen und der höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitnehmern am Arbeitsmarkt sollen verstärkt, die hohe Zahl an Saisonarbeitslosen unter anderem durch Weiterentwicklung von Qualifizierungsinitiativen abgebaut werden.

Ferner sollen Maßnahmen zur Erleichterung von Unternehmensgründungen – sowohl im Bereich des Gewerbes, der Freien Berufe als auch des Dienstleistungssektors – verwirklicht werden. Auch sind Aktionen zur Nutzung von Ausbildungskapazitäten und für neue Lehrstellen in der Wirtschaft zu starten. Die Förderung von Betriebsansiedlungen mit dem Schwerpunkt bei export- und technologieintensiven Unternehmungen soll ausgebaut werden. Parallel dazu muß lebensbegleitendes Lernen forciert werden. Schließlich sind die Ergebnisse des Baugipfels rasch umzusetzen und die anvisierten Privatisierungen zügig abzuwickeln.

Darüber hinaus möge die österreichische Bundesregierung in den zuständigen Gremien der Europäischen Union darauf hinwirken, eine Gleichwertigkeit von Beschäftigungs- und Stabilitätspolitik auf europäischer Ebene zu erzielen."

*****

(Abg. Haigermoser: Wo sind die konkreten Maßnahmen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese einzelnen Punkte fassen zusammen, was hier in der heutigen Debatte von den Rednern und von den Regierungsmitgliedern konkret und im Detail geschildert wurde. Ich glaube, das ist eine gute Zusammenfassung dieser Debatte, die zeigt, wie die Schwerpunkte einer konkreten beschäftigungsorientierten Wirtschaftspolitik aussehen können. Ich bitte Sie daher, diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

0.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Dr. Nowotny soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt. Er steht mit zur Behandlung.

Als nächster Redner ist Abgeordneter Nürnberger zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter! Ich erteile es Ihnen.

0.25

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Meine Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie vorweg um Entschuldigung, daß ich mich außer Programm in der Geisterstunde noch zu Wort melde. Gestatten Sie mir, einige Minuten zu dem zu sprechen, nachdem ich heute einige Male zitiert worden bin, was die Lohnpolitik in diesem Land und jene Organisation anbelangt, die ich repräsentieren darf, die doch für einige hunderttausend Menschen diesbezüglich in diesem Land verantwortlich ist.

Gut wäre es – das geht an alle, an die Medienberichterstatter, an die Journalisten, an all jene, die sich zur Lohnrunde zu Wort melden –, wenn man sich auf eine Sprachregelung einigen könnte, was "Nullohnrunde" bedeutet. Der eine versteht darunter eine reale Nullohnrunde, der


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andere will die Inflationsrate abgegolten wissen. Vielleicht kann man sich darauf einigen, daß eine Null eine Null ist, also nichts, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Nun zu meinen Aussagen: Es wird mir niemand nachweisen können, daß ich mich je für eine tatsächliche Nullohnrunde ausgesprochen habe. Ich bin das erste Mal darüber befragt worden, als Präsident Zwickel von der IG Metall seinen Vorschlag gemacht hat und bereit gewesen ist, die Löhne in der Höhe der Inflationsrate abzuschließen. Daraufhin bin ich von einigen Journalisten gefragt worden, was ich denn zu diesem revolutionären Vorschlag sage und welche Meinung ich dazu habe, daß die IG Metall festgestellt hat, daß es einen Zusammenhang zwischen der Situation der Arbeitsplätze und der Lohnkosten gibt.

Daraufhin habe ich mir erlaubt, darauf hinzuweisen, daß die österreichischen Gewerkschaften diesen Zusammenhang immer schon gekannt haben und jene Organisation, die ich repräsentiere, im Jahr 1993 weiter gegangen ist als der Inhalt des deutschen Vorschlags, indem wir nämlich eine tatsächliche – die Betonung liegt auf "tatsächliche" – Nullohnrunde in Form einer betrieblichen Öffnungsklausel angeboten haben.

Das zweite Mal habe ich dazu Stellung genommen in einem "Schilling"-Interview, in dem ich zum Vorschlag des Herrn Präsidenten Maderthaner befragt wurde, in den nächsten Jahren die Lohnerhöhungen mit der Inflationsrate zu begrenzen und im Gegenzug 50 000 neue Betriebe mit 250 000 Beschäftigten zu gründen.

Da wir den Grundsatz haben, vernünftige Vorschläge nicht von vornherein abzulehnen, habe ich auch im Auftrag meiner Organisation den Vorschlag des Herrn Präsidenten Maderthaner nicht abgelehnt, sondern habe Gesprächsbereitschaft signalisiert und bei dieser Gelegenheit im "Schilling"-Interview neuerlich darauf hingewiesen, daß wir schon im Jahr 1993 bereit gewesen sind, eine tatsächliche Nullohnrunde in Form der Öffnungsklausel zu vereinbaren. Ich habe mich mit keinem Wort für eine tatsächliche Nullohnrunde für die heurige oder die vor uns stehende Lohnrunde ausgesprochen. Aber ich habe klar und deutlich gesagt: Wenn es vernünftige Vorschläge und nachvollziehbare Arbeitsplatzgarantien gibt, dann wird man mit den Gewerkschaften insgesamt und insbesondere mit der Metallarbeiter-Gewerkschaft jederzeit reden können.

Eine Bemerkung noch – wenn ich schon am Wort bin – zu Herrn Abgeordnetem Puttinger. Herr Abgeordneter! Ich bin gerne bereit, mit Ihnen über den Vorschlag, den Sie hier unterbreitet haben, betriebliche Lohnvereinbarungen zu machen, zu diskutieren. Ich stelle Ihnen die Unterlagen über unsere Erlebnisse hinsichtlich der Öffnungsklausel gerne zur Verfügung. Lesen Sie es einmal durch, dann werden Sie wahrscheinlich draufkommen, daß dieser Vorschlag bei uns derzeit nicht gangbar ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf unterstreichen: Die Gewerkschaften insgesamt und insbesondere die, die ich repräsentieren darf, haben immer eine verantwortungsvolle Lohnpolitik betrieben, einerseits selbstverständlich zum Wohl der Arbeitnehmer. Der Lohnabschluß, der jetzt vom 1. November 1995 bis 31. Oktober dieses Jahres Gültigkeit hat, wird einer Kollegin oder einem Kollegen, der das geringste Einkommen hat, in den kommenden zwölf Monaten eine Lohnerhöhung von 11 600 S bringen. Das ist ein Monatslohn, den so manche in diesem Land noch nicht verdienen.

Wie gesagt: Wir betreiben eine verantwortungsvolle Lohnpolitik, um einerseits den Lebensstandard unserer Mitglieder zu sichern, andererseits aber auch im Interesse der wirtschaftlichen Gegebenheiten. Auf diese Weise werden wir auch in diesem Jahr die Lohnpolitik betreiben und die Lohnabschlüsse tätigen, wenn es im Herbst für die Metallarbeiter wieder Zeit dazu ist. (Beifall bei der SPÖ.)

0.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Meine Damen und Herren! Die Opulenz der vorliegenden Entschließungsanträge führt jetzt dazu, daß wir einen längeren Abstimmungsvorgang haben werden.


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Ich beginne jetzt mit der Abstimmung.

Wir gelangen nunmehr zunächst zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Genossen betreffend Maßnahmen zur Vereinheitlichung und Verbesserung der Technologie- und Forschungsförderung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Genossen betreffend kalte Progression.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag hat nicht die Mehrheit erlangt, er ist damit abgelehnt.

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend Förderung der Beschäftigung älterer Menschen.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch dieser Antrag findet nicht die Mehrheit und ist damit abgelehnt.

Nunmehr stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend umfassende Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen betreffend Einhebung einer einmaligen Sonderdividende von wirtschaftlich erfolgreichen Staatsbetrieben.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen betreffend Sicherung der Arbeitsplätze bei der HTM-Gruppe.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen betreffend Arbeitsplatzverluste durch die Budgetsanierung der Bundesregierung.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen betreffend umfassende Bürokratiereform.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend Reform des Insolvenzrechtes zur Verbesserung der Sanierungsmöglichkeiten.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dolinschek und Genossen betreffend Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank.


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Wer für diesen Antrag ist, der möge ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Genossen betreffend Pensionsreserve der Oesterreichischen Nationalbank.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Nunmehr stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend land- und forstwirtschaftliche Standortsicherung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Preisinger und Genossen betreffend die Einführung eines Bildungsschecks für alle in Ausbildung stehenden Staatsbürger.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Reichhold und Genossen betreffend die Finanzierung und Fertigstellung des Abschnitts "Völkermarkt West – Klagenfurt Ost" der A 2 Süd Autobahn (Lückenschluß).

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schöll und Genossen betreffend Zusammenlegung der BGV I, der BGV II und der BIG.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Genossen betreffend steuerliche Begünstigung nicht entnommener Gewinne.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Genossen betreffend steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit durch eine ökologische Reform des österreichischen Steuersystems.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt.

Nunmehr stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend Entlastung der Unternehmen durch Entbürokratisierung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Reichhold und Genossen betreffend die vorgezogene Realisierung eines arbeitskräfteintensiven Arbeitsprogramms für die Bauwirtschaft.

Jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, mögen das durch ein entsprechendes Zeichen kundtun. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Schöll und Genossen betreffend Novellierung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt worden.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend Senkung der Kammerumlagen.

Jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, mögen das durch ein entsprechendes Zeichen kundtun. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rossmann und Genossen betreffend Förderungsmaßnahmen für Saisonbetriebe zur Entlastung der Arbeitslosenversicherung durch eine Verlängerung der Saison.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Auch dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Genossen betreffend Erhöhung des Investitionsfreibetrages.

In diesem Fall ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Dieses Verlangen ist von 20 Abgeordneten gestellt worden, die namentliche Abstimmung ist daher durchzuführen.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordnetenpulte und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung "Ja" – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise "Nein" – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Antrag stimmen, "Ja"-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, "Nein"-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr die Frau Schriftführerin, Abgeordnete Parfuss, mit dem Namensaufruf zu beginnen; die Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer wird sie später dabei ablösen.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Parfuss und Rosemarie Bauer werfen die Abgeordneten den Stimmzettel in die Urne.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden jetzt unter der Aufsicht der Schriftführer die Stimmenauszählung vornehmen.

Ich unterbreche zu diesem Zweck die Sitzung für einige Minuten.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 0.48 Uhr unterbrochen und um 0.53 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. Es wurden insgesamt 173 Stimmen abgegeben, davon "Ja"-Stimmen 40, "Nein"-Stimmen 133.

Der Entschließungsantrag ist daher abgelehnt.


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Die Namen der Abgeordneten werden unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Apfelbeck, Aumayr;

Bauer Holger, Blünegger, Böhacker, Brauneder;

Dolinschek;

Graf, Grollitsch;

Haider, Haigermoser, Haller, Haupt, Höbinger-Lehrer, Hofmann;

Koller, Krüger;

Lafer;

Madl, Meischberger, Meisinger, Mentil;

Ofner;

Partik-Pablé, Povysil, Preisinger, Prinzhorn, Pumberger;

Reichhold, Rosenstingl, Rossmann, Ruthofer;

Salzl, Scheibner, Schöggl, Schöll, Stadler;

Trattner, Trenk;

Wenitsch.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Achs, Antoni, Auer;

Bartenstein, Bauer Rosemarie, Bauer Sophie, Brader, Brix, Buder, Bures;

Cap;

Dietachmayr, Ditz, Donabauer;

Eder, Ederer, Edler, Einem, Elmecker;

Fasslabend, Fekter, Ferrero-Waldner, Feurstein, Fink, Firlinger, Fischer, Freund, Frieser, Fuchs, Fuhrmann;

Gaal, Gartlehner, Gatterer, Gehrer, Grabner, Gradwohl, Großruck, Guggenberger;

Hagenhofer, Haidlmayr, Heindl, Hlavac, Höchtl, Horngacher, Hostasch, Huber, Hums;

Jäger;

Kaipel, Kaufmann, Keppelmüller, Khol, Kier, Kiermaier, Kiss, Klima, Konrad, Kopf, Koppler, Kostelka, Krammer, Kräuter, Kröll, Kukacka, Kummerer, Kurzbauer;

Lackner, Leikam, Leiner, Lukesch;


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Maderthaner, Maitz, Marizzi, Mertel, Mock, Molterer, Moser Hans Helmut, Moser Sonja, Motter, Mühlbachler, Müller, Murauer;

Neisser, Neugebauer, Niederwieser, Nowotny, Nürnberger;

Oberhaidinger, Öllinger, Onodi;

Parfuss, Parnigoni, Peter, Platter, Posch, Puttinger;

Rada, Rasinger, Rauch-Kallat, Reitsamer, Riepl;

Sauer, Schaffenrath, Schieder, Schlögl, Schmidt, Scholten, Schrefel, Schüssel, Schuster, Schwarzböck, Schwarzenberger, Schwemlein, Schwimmer, Seidinger, Sigl, Silhavy, Steibl, Steindl, Stoisits, Stummvoll;

Tegischer, Tichy-Schreder, Trinkl, Tychtl;

Van der Bellen, Verzetnitsch, Vranitzky;

Wallner, Wimmer, Wurm, Wurmitzer.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir fahren jetzt in der Abstimmungsserie weiter fort. – Bitte die Plätze einzunehmen!

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Genossen betreffend indirekte Förderung von Risikokapital.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Genossen betreffend Einführung des Luxemburger Modells.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rossmann und Genossen betreffend Abschaffung der Getränkesteuer.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Genossen betreffend Senkung der Mehrwertsteuersätze.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Verzetnitsch, Dr. Schüssel und Genossen betreffend beschäftigungspolitische Initiativen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist mit Mehrheit angenommen. (E1.)


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Fortsetzung der Debatte über die Erklärungen

des Bundesministers für Arbeit und Soziales sowie des

Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Da die dringliche Anfrage der grünen Fraktion, wie bereits bekannt ist, zurückgezogen wurde, nehme ich nunmehr die Debatte über die Erklärungen des Bundesministers für Arbeit und Soziales sowie des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten wieder auf.

Es liegt mir keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe daher die Debatte.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 25/A bis 38/A (E) eingebracht worden sind.

Ferner sind die Anfragen 14/J bis 42/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Mittwoch, den 31. Jänner 1996, um 11 Uhr ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 0.57 Uhr