Stenographisches Protokoll
64.
Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode
Freitag, 4. Juni 2004
64. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode Freitag, 4. Juni 2004
Dauer der Sitzung
Freitag,
4. Juni 2004: 11.00 – 17.38 Uhr
*****
Tagesordnung
Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zur Regierungskonferenz
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Inhalt
Personalien
Verhinderungen ................................................................................................................ 6
Ordnungsruf ................................................................................................................. 102
Geschäftsbehandlung
Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung ............................................................................................................ 7
Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Verantwortung von Bundesministerin Gehrer als Aufsichtsorgan der Bundesmuseen hinsichtlich der fehlenden Konsequenzen aus offenkundigen Missständen im Kunsthistorischen Museum gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung ................ 102
Bekanntgabe ................................................................................................................... 41
Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG – Zurückziehung ..................................................................... 41, 102
Zurückziehung des Antrages ........................................................................................ 102
Antrag der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die Beschaffung von Kampfflugzeugen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................................ 106
Bekanntgabe ................................................................................................................... 41
Ablehnung des Antrages .............................................................................................. 109
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 2 |
Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die im europäischen Vergleich katastrophale Präsenz der österreichischen Regierungsmitglieder in den EU-Räten und den damit verbundenen Schaden für Österreich gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung .................................................................. 103
Bekanntgabe ................................................................................................................... 42
Ablehnung des Antrages .............................................................................................. 105
Unterbrechungen der Sitzung ............................................................................. 42, 102
Ersuchen des Abgeordneten Herbert Scheibner auf Unterbrechung der Sitzung und Einberufung einer Präsidiale ...................................................................................................................... 100
Feststellung des Präsidenten Dr. Andreas Khol in Bezug auf eine von Abgeordnetem Josef Broukal gemachte Äußerung ..................................................................................................... 102
Stellungnahme des Abgeordneten Josef Broukal dazu ........................................... 102
Ausschüsse
Zuweisungen .................................................................................................................... 7
Dringliche Anfrage
der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Klarheit über die Positionierung der österreichischen Bundesregierung zu Europäischer Demokratie und Verfassung (1849/J) ....................................................................................................... 62
Begründung: Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................ 66
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 71
Debatte:
Dr. Evelin
Lichtenberger ............................................................................................. 77
Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 79
Peter Schieder .............................................................................................................. 81
Dr. Reinhard Eugen
Bösch ......................................................................................... 83
Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 85
Mag. Karin Hakl ............................................................................................................ 87
Gabriele
Heinisch-Hosek ............................................................................................. 88
Mag. Eduard Mainoni ................................................................................................... 90
Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 92
Werner Amon, MBA ..................................................................................................... 94
Josef Broukal ................................................................................................................ 95
Herbert Scheibner ........................................................................................................ 97
Josef Broukal
(tatsächliche Berichtigung) ................................................................... 98
Mag. Wilhelm
Molterer ................................................................................................ 98
Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 100
Verhandlungen
Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zur Regierungskonferenz ....................................................................................................... 8
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ....................................................................... 8
Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 6
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Redner:
Dr. Alfred
Gusenbauer ................................................................................................ 14
Mag. Wilhelm
Molterer ................................................................................................ 17
Dr. Alexander Van
der Bellen ..................................................................................... 21
Herbert Scheibner ........................................................................................................ 28
Bundesminister Mag.
Herbert Haupt ......................................................................... 33
Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 37
Dr. Michael
Spindelegger ............................................................................................ 39
Dr. Evelin Lichtenberger ...................................................................................... 40, 42
Dr. Reinhard Eugen
Bösch ......................................................................................... 43
Doris Bures ................................................................................................................... 49
Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ...................................................................................... 50
Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 52
Klaus Wittauer .............................................................................................................. 53
Dr. Caspar Einem ......................................................................................................... 55
Fritz Grillitsch ............................................................................................................... 58
Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 59
Mag. Dr. Magda
Bleckmann ........................................................................................ 60
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend klare und nachvollziehbare Standpunkte Österreichs zur Europäischen Demokratie und Verfassung – Ablehnung ......................................................................................... 25, 61
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verurteilung und Verhinderung ungerechter Sanktionen gegen einen EU-Mitgliedsstaat – Annahme (E 60) ............................................................................ 45, 62
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Caspar Einem, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Regierungskonferenz zur Europäischen Verfassung – Ablehnung ........................ 56, 62
Eingebracht wurden
Petitionen ........................................................................................................................ 7
Petition
betreffend „Resolution Helft den Helfern“ (Ordnungsnummer 32) (überreicht
von den Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Dietmar Keck und
Mag. Christine
Muttonen)
Petition
betreffend „Österreich ist ein Sozialstaat – schreiben wir es in die
Verfassung“ (Ordnungsnummer 33) (überreicht vom Abgeordneten Dietmar
Keck)
Regierungsvorlage ........................................................................................................ 6
512: Bundesgesetz
zum Schutz vor gefährlichen Produkten (Produktsicherheitsgesetz 2004 –
PSG 2004)
Berichte ........................................................................................................................... 7
III-82: Wahrnehmungsbericht über die Budgetkonsolidierung; Rechnungshof
III-83:
Österreichischer Forschungs- und Technologiebericht 2004; BM f. Bildung,
Wissenschaft und Kultur und BM f. Verkehr, Innovation und Technologie
III-85:
Energiebericht 2003; Bundesregierung
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Anfragen
der Abgeordneten
Dr. Helene
Partik-Pablé,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit,
Generationen und Konsumentenschutz betreffend gesundheitsgefährdende Substanzen
in importierten Textilwaren (1845/J)
Dr. Helene
Partik-Pablé,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend gesundheitsgefährdende Substanzen in
importierten Textilwaren (1846/J)
Dr. Helene
Partik-Pablé,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
betreffend gesundheitsgefährdende Substanzen in importierten Textilwaren
(1847/J)
Mag. Christine
Muttonen,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung
betreffend Rechnungshofkritik am Heeresgeschichtlichen Museum (HGM) (1848/J)
Dr. Alexander Van der
Bellen,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Klarheit über die
Positionierung der österreichischen Bundesregierung zu Europäischer Demokratie
und Verfassung (1849/J)
Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Finanzen betreffend Schenkungssteuer an den Verein zur
„Förderung der New Economy“ (1850/J)
Karl Dobnigg, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Schließung von Kasernen
(1851/J)
Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Finanzen betreffend Steuerreform-Roadshow (1852/J)
Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Justiz betreffend „Gemeinsame Obsorge“ (1853/J)
Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Förderung
des Friedrich August von Hayek-Instituts (1854/J)
Klaus Wittauer, Kolleginnen
und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vollzug des
Bundestierschutzgesetzes – budgetäre Vorkehrungen ab 2005 (1855/J)
Klaus Wittauer, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Vollzug des
Bundestierschutzgesetzes – budgetäre Vorkehrungen ab 2005 (1856/J)
Klaus Wittauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister
für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend
Vollziehung des Bundestierschutzgesetzes – Hunde- und Katzenchip (1857/J)
Klaus Wittauer, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Vollziehung des
Bundestierschutzgesetzes – Hunde- und Katzenchip (1858/J)
Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Dotierung des
Hepatitis-C-Unterstützungsfonds (1859/J)
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Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die
Bahnstrecke Rohr–Bad Hall (1860/J)
Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend SKH
Dr. Otto von Habsburg-Lothringen (1861/J)
Dipl.-Ing. Dr.
Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Umsetzung der
GAP-Reform in Österreich II (1862/J)
Heidemarie
Rest-Hinterseer,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
betreffend Lebens- und Arbeitsbedingungen der ErntehelferInnen in Österreich (1863/J)
Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundeskanzler betreffend Getränkesteuerrückzahlung – Ausgleich der
Verluste für die österreichischen Gemeinden durch den Bund (1864/J)
Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Finanzen betreffend Getränkesteuerrückzahlung –
Ausgleich der Verluste für die österreichischen Gemeinden durch den Bund
(1865/J)
Anfragebeantwortungen
des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen (1618/AB zu 1638/J)
der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen (1619/AB zu 1641/J)
des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen (1620/AB zu 1637/J)
des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen (1621/AB zu 1639/J)
des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen (1622/AB zu 1640/J)
der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (1623/AB zu 1644/J)
der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen (1624/AB zu 1645/J)
des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen (1625/AB zu 1646/J)
der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen (848/AB zu 851/J) (Zu 848/AB zu 851/J)
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Beginn der Sitzung: 11 Uhr
Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter
Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.
*****
Präsident Dr. Andreas Khol: Ich eröffne die 64. Sitzung des Nationalrates, die auf Grund eines ausreichend unterstützten Verlangens gemäß § 46 Abs. 6 des Geschäftsordnungsgesetzes einberufen wurde, und begrüße Sie alle sehr herzlich.
Die Amtlichen Protokolle der 61. Sitzung vom 26. Mai 2004 sowie der 62. und 63. Sitzung vom 27. Mai 2004 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.
Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Csörgits, Mag. Johann Maier, Verzetnitsch, Dolinschek und Walch.
Der Herr Bundeskanzler hat seine Absicht bekannt gegeben, eine Erklärung zum Thema „Österreich in Europa – Die Zukunftsthemen“ abzugeben.
Es liegt ein Verlangen von fünf Abgeordneten vor, über diese Erklärung gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung sogleich eine Debatte durchzuführen.
Ankündigung einer Dringlichen Anfrage
Präsident Dr. Andreas Khol: Der grüne Klub hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die am Beginn der Sitzung eingebrachte schriftliche Anfrage 1849/J der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Klarheit über die Positionierung der österreichischen Bundesregierung zu Europäischer Demokratie und Verfassung dringlich zu behandeln.
Die Durchführung der Dringlichen Anfrage wird frühestens drei Stunden nach deren Einbringung, also um 14 Uhr, nach der Debatte zur Erklärung des Bundeskanzlers erfolgen.
Einlauf und Zuweisungen
Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.
Die
schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A.
Eingelangte Verhandlungsgegenstände:
1.
Schriftliche Anfragen: 1845/J bis 1848/J.
2.
Anfragebeantwortungen: 1618/AB bis 1625/AB.
Ergänzung
zur Anfragebeantwortung: Zu 848/AB.
3.
Regierungsvorlage:
Bundesgesetz
zum Schutz vor gefährlichen Produkten (Produktsicherheitsgesetz 2004 –
PSG 2004) (512 d.B.).
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 7 |
B.
Zuweisungen:
1. Zuweisungen seit der letzten
Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b
Abs. 1 und 100c Abs. 1:
Ausschuss
für Petitionen und Bürgerinitiativen:
Petition
Nr. 32 betreffend „Resolution Helft den Helfern“, überreicht von den
Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Dietmar Keck und Mag. Christine
Muttonen,
Petition
Nr. 33 betreffend „Österreich ist ein Sozialstaat – schreiben wir es
in die Verfassung“, überreicht vom Abgeordneten Dietmar Keck.
2.
Zuweisungen in dieser Sitzung:
a) zur Vorberatung:
Rechnungshofausschuss:
Wahrnehmungsbericht
des Rechnungshofes über die Budgetkonsolidierung (III-82 d.B.);
b) zur Enderledigung im Sinne des
§ 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):
Wirtschaftsausschuss:
Energiebericht
2003 der Bundesregierung (III-85 d.B.);
Ausschuss
für Wissenschaft und Forschung:
Österreichischer
Forschungs- und Technologiebericht 2004, vorgelegt von der Bundesministerin
für Bildung, Wissenschaft und Kultur und vom Bundesminister für Verkehr,
Innovation und Technologie (III-83 d.B.).
*****
Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde folgende Redezeitvereinbarung für die Debatte zur Erklärung des Bundeskanzlers getroffen, wobei ich die Damen und Herren darüber informiere, dass unsere Beratungen von 11 bis 16 Uhr vom ORF dankenswerterweise live übertragen werden. Der ORF überträgt die Sitzung in der Zeit von 11 bis 13 Uhr sowie von 13.15 Uhr bis 16 Uhr. Ich werde daher die Sitzung um 13 Uhr für 15 Minuten unterbrechen.
Einvernehmen wurde über folgende Redezeitordnung für die Debatte zur Erklärung des Bundeskanzlers erzielt. Der Herr Bundeskanzler wird 20 Minuten seine Erklärung vortragen, danach folgen je eine Wortmeldung pro Fraktion zu je 15 Minuten, dann eine Wortmeldung eines Regierungsmitgliedes, in diesem Fall Bundesminister Herbert Haupt, mit 15 Minuten, anschließend je eine Wortmeldung pro Fraktion zu je 6 Minuten, ferner je eine Wortmeldung pro Fraktion zu je 5 Minuten und schließlich je eine Wortmeldung pro Fraktion zu je 4 Minuten. Die restliche Redezeit bis 14 Uhr wird vom Vorsitz führenden Präsidenten vor Beginn der letzten Rednerrunde nach Rücksprache mit allen Klubvorsitzenden auf die vier Fraktionen in der Weise verteilt, dass noch alle Fraktionen zu Wort kommen.
Wir kommen sogleich zur Abstimmung.
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Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
Ich gehe auch davon aus, dass tatsächliche Berichtigungen in einer Weise gehandhabt werden, dass die Redezeitvereinbarung nicht ins Wanken gerät.
Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zur Regierungskonferenz
Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur Erklärung des Herrn Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG zum Thema „Österreich in Europa – Die Zukunftsthemen“.
Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung entsprechend dem von fünf Abgeordneten vorliegenden Verlangen eine Debatte stattfinden.
Herr Bundeskanzler, Sie sind am Wort.
11.04
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! In der vergangenen Legislaturperiode des Europäischen Parlaments sind drei ganz zentrale Vorhaben, die für Europa große Bedeutung haben, angegangen und zum Teil schon erfolgreich umgesetzt worden. Das Erste war die Einführung des Euro, der gemeinsamen europäischen Währung, mit großem Erfolg. Wir haben bei den Währungsparitäten eine recht günstige Situation. Man muss sich nur einmal ausmalen, was es angesichts der Ölpreissteigerungen bedeuten würde, hätten wir nicht eine so erfolgreiche Euro-Einführung hinter uns.
Es wurde die EU-Erweiterung um zehn neue Mitgliedstaaten mit 1. Mai erfolgreich umgesetzt, und es sind zwei Jahre Arbeit an der europäischen Verfassung zurückgelegt. Sie ist zwar noch nicht endgültig abgeschlossen, aber es liegt ein Konventstext vor, der durch die Regierungskonferenz in einigen wichtigen Punkten verbessert wurde. Wir hoffen sehr, dass wir in etwa 14 Tagen einen gemeinsamen Beschluss über diese neue europäische Verfassung haben werden. Damit wird das Europäische Parlament ein voll entwickeltes Parlament mit Zustimmungsmöglichkeiten.
Vielen Bürgern und Bürgerinnen ist gar nicht bewusst, welche Bedeutung dieses Parlament hat: Das Budget wird dort beschlossen, somit auch, wie viel Geld für den ländlichen Raum, für die Landwirtschaft, für die Forschung, für Studentenaustauschprogramme, für die Außenpolitik, für die Verwaltung, für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung steht. All dies wird letztlich vom Europäischen Parlament beschlossen. 100 Prozent der Landwirtschaftspolitik werden heute in Brüssel und Straßburg gemacht, die Hälfte aller relevanten Umwelt- oder Verkehrsnormen und 80 Prozent der Wirtschaftspolitik, in etwa die Geldpolitik, die Zinspolitik, die Geldmenge, die Währungsrelationen. All diese wesentlichen Fragen werden heute auf europäischer Ebene entschieden.
Daher ist es nicht gleichgültig, wer nach dem 13. Juni Österreich vertritt, welche 18 Abgeordneten dort das Sagen haben und im Rahmen eines sehr großen Parlaments mit 732 Abgeordneten eine starke Stimme für Österreich abgeben.
Natürlich kann einer allein wenig bewegen – das ist wohl jedem klar –, aber entscheidend ist, gute Netzwerke zu bilden in der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Fraktionen und mit like-minded Abgeordneten etwas zu bewegen, den Blick zu schärfen, wie das in einigen Punkten sehr gut gelungen ist.
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 9 |
Die Europäische Union ist natürlich jetzt anders. Sie umfasst fast 500 Millionen Menschen, das heißt 470 Millionen einzelne Vorstellungen, Wünsche, Sorgen, Träume, Ängste, Ideen, die jeder Einzelne mit dieser seiner Vorstellung von einer Europäischen Union verbindet. Die Aufgabe der Politik ist es, das in einem Paket, in Lösungen, in Antworten so zusammenzufassen, dass es möglichst viele dieser Vorstellungen widerspiegelt.
Ich glaube, dass wir Österreicher über die letzten zehn Jahre – es jährt sich jetzt fast auf den Tag genau der Tag, an dem wir uns im Rahmen einer Volksabstimmung mit Zweidrittelmehrheit für diese Europäische Union entschieden haben – eine durchaus positive, selbstbewusste Bilanz ziehen können. Die Mitgliedschaft hat Österreich nach vorne gebracht, und wir haben uns sehr gut behaupten können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Österreich hat seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Wir sind heute in allen Rankings auf Platz 13 in der Welt vorgerückt. Wir haben uns innerhalb der Europäischen Union deutlich nach vorne gearbeitet. Wir sind schon unter den Top 5, wir wollen unter die Top 3 kommen. Wir haben eine stabile Preissituation mit einer geringen Inflation. Die Löhne und Gehälter sind seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union um sage und schreibe 20 Milliarden € gestiegen. Die Exporte sind dank der Mitgliedschaft und dank der Öffnung der Märkte geradezu explodiert. Sie haben sich verdoppelt, gegenüber Mitteleuropa sogar vervierfacht.
Österreich ist durch diese Mitgliedschaft ein höchst attraktiver Investitionsstandort geworden. In der Zeit vor der Mitgliedschaft Österreichs haben wir ein Drittel jener Auslandsinvestitionen gehabt, die wir jetzt haben. Das heißt, die Investoren haben seit dem Beitritt jedes Jahr drei Mal so viel investiert als damals. Darauf kann man, glaube ich, ohne weiteres stolz sein. Das ist ein Ergebnis eines großen parteiübergreifenden Konsenses. Österreich hat seine Chancen sehr gut genützt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Jetzt, meine Damen und Herren, geht es um die Zukunft. Welche Themen sind jetzt wichtig und bedeutsam? – Zuallererst ist die Erhaltung des Friedens zu nennen. Es jährt sich in zwei Tagen, also am 6. Juni, zum 60. Mal die Landung der Alliierten in der Normandie, also des D-Day, an dem die Alliierten gelandet sind, um Europa von den Schrecken des Nationalsozialismus zu befreien.
Es tut vielleicht in diesen Tagen, in denen viele Staats- und Regierungschefs zusammenkommen, um dieser Tage zu gedenken, auch ganz gut, wenn man sich in Erinnerung ruft, was damals geschehen ist. An einem einzigen Tag, an diesem 6. Juni, sind 20 000 junge Männer verblutet, auf alliierter Seite, auf deutscher Seite!
Aus dem Schrecken dieser Tage – allein der Normandie-Feldzug hat in den ersten 30 Tagen 130 000 Tote gefordert; insgesamt forderte der Zweite Weltkrieg in Europa rund 25 Millionen Tote – ist eigentlich die Vision Europa, ein friedlicher, starker, geeinter Kontinent, entstanden. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Europäische Union als Friedensmacht bewährt. Dieses „Nie wieder Krieg!“ beziehungsweise der Hinweis, von dem Helmut Kohl vor einigen Tagen in Wien gesprochen hat, dass er, wenn er von seiner Heimat Rheinland nach Frankreich hinüberfährt, viele Soldatenfriedhöfe sieht, auf denen Menschen begraben sind, wo eben in den drei Völkerschlachten 1870, 1914 und 1940 Millionen Deutsche und Franzosen ihr Leben lassen mussten, ist ja das eigentlich Prägende, ist die Basis: Das Werte-Fundament „Nie wieder Krieg!“, lieber am Konferenztisch streiten, lieber da und dort auch Niederlagen mit einem nationalen Sonderinteresse in Kauf nehmen, als je wieder eine Situation zu haben, in der die Völker Europas die Waffen gegeneinander erheben! Das ist entscheidend! (Allgemeiner Beifall.)
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Deswegen ist es, wie ich meine, auch so wichtig, diese kommenden Schritte in Bezug auf die europäische Verfassung zu unterstützen. Es sind dies vielleicht erste, manchmal vielleicht etwas zaghafte Schritte, aber: Ein europäischer Außenminister, gemeinsam beauftragt von den Nationen und von der EU-Kommission, eventuell auch als Vizepräsident beauftragt, das Gemeinschaftsrecht zu vollziehen, das wäre ein wirklicher Schritt in die Rolle Europas als ein Global Player, ein Global Player, der sich für Frieden, für Menschenrechte und für eine vernünftige Außenpolitik einsetzt.
In diesem Zusammenhang ist auch anzuführen der Aufbau einer europäischen Sicherheitstruppe, einer Friedenstruppe, die sozusagen auf Knopfdruck 60 000 freiwillige, professionelle Soldaten einsetzen kann, um dem Frieden eine Chance zu geben, so etwa auf dem Balkan – oder aber auch in anderen Krisenzonen.
Wichtig ist jedenfalls, dass wir jetzt den Startschuss in der europäischen Verfassung für eine solche Entwicklung geben. Und dazu gehört natürlich auch Solidarität und Beistand füreinander. Da sind, wie ich meine, kluge Formulierungen in den Entwürfen vorgesehen, sodass da alle – auch nicht an eine Allianz gebundene Länder – mittun können.
Dieses erste zentrale Element Friede in Europa ist das, was auch jetzt, in den Tagen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament, laut und deutlich gesagt werden soll.
Das Zweite, was die Menschen sehr bewegt, ist klarerweise die Beschäftigungssituation: Wachstum, Arbeitsplätze, Einkommenssituation, Wohlstand. Natürlich kann die Europäische Union noch sehr viel mehr als bisher gemeinsam für Wachstum, für Arbeitsplätze und Job-Chancen tun. So erwarten wir etwa, dass mit dem Bericht High Level Task Force Beschäftigung, ein Bericht von Wim Kok, im Herbst auch tatsächlich ganz konkrete Vorschläge gemacht werden. Da sind ja auch die europäischen Sozialpartner eingebunden, und da werden hoffentlich jene praxisnahen Ideen kommen, die uns weiterbringen. Auch die Europäische Zentralbank ist da gefordert, rasch, zügig und mutig zu entscheiden.
Und ich glaube, dass wir Österreicher uns in diesem durchaus nicht immer einfachen Umfeld ganz gut behauptet haben. Der Internationale Währungsfonds stellt uns jedenfalls ein ausgezeichnetes Zeugnis aus und sagt, dass die Reformen in Österreich geradezu als Modell für die Reformen in Europa gelten können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Mit Anstrengung – ja, das gebe ich offen zu – konnten wir erreichen, dass wir heute mit Freude sagen können: Im Jahre 2003 war Österreichs Wirtschaftswachstum fast doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt, die Arbeitslosigkeit halb so hoch, und das Budgetdefizit betrug in Österreich nur ein Drittel des Gesamtschnitts in der Europäischen Union.
Drittes und ganz wichtiges Thema ist die Sicherheit. In Tampere, unter finnischem Vorsitz, konnte da ein ganz großer Schritt nach vorne gemacht werden. Ich meine jedoch, dass wir da jetzt weitergehen müssen. Und gerade vor Wahlen zum Europäischen Parlament sollte man das Thema Sicherheit für unsere Bürger besonders ins Zentrum rücken; zwei Drittel der Menschen erwarten das auch von uns.
Daher glaube ich, dass Themen, die vielleicht heute noch nicht einmal noch überall konsensfähig sind, von uns Österreichern ganz klar vorgeschlagen werden sollen. So etwa: Wir brauchen eine Europa-Polizei; wir brauchen eine europäische Grenzschutz-Polizei. Wir brauchen ermittlungsbefugte Fahnder, die wirklich über die Grenzen hinweg organisierte kriminelle Banden, Terroristen oder auch Menschenschmuggler jagen können.
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Weiters: Wir brauchen einen europäischen Staatsanwalt, der jene Delikte, die europäisch geregelt und verfolgt werden müssen, auch wirklich klären kann; EUROJUST ist mir persönlich da zu wenig. Längerfristig – nicht heute, sondern eben langfristig gesehen – brauchen wir ein europäisches Strafgesetzbuch, das solche Delikte auch wirklich gemeinsam regelt. Weiters brauchen wir einen gemeinsamen und starken EU-Koordinator für Terrorismusbekämpfung.
Warum diese Themen so wichtig sind, meine Damen und Herren, will ich Ihnen anhand einiger weniger Beispiele erläutern. Wenn heute ein Terrorist oder ein Krimineller über die Grenzen flieht, kann er, eben auf Grund der heutigen Rechtslage, auf europäischer Ebene nicht verfolgt werden! Nur die nationalen Polizeiorganisationen können dies tun! In der Schweiz geht es sogar von Kanton zu Kanton nicht so ganz einfach; aber wir in der EU wollen das ja besser machen. Daher, so meine ich, genügen nicht bilaterale Verträge allein, sondern da brauchen wir europäische Spielregeln: ein Haftbefehl, europäische Nacheile, europäische Fahndungsmethoden, und zwar die besten Fahndungsmethoden.
Ich weiß, meine Damen und Herren, dass einige von Ihnen manchmal skeptisch waren bei Eurodac, als wir bei Asylanträgen Fingerabdrücke verlangt beziehungsweise biometrische Erkennungsdaten für die Pässe und so weiter vorgeschlagen haben. Aber bereits heute, ein Jahr nach In-Kraft-Treten von Eurodac, sehen wir die positiven Auswirkungen. Wir haben zum Beispiel im ersten Jahr pro Monat ungefähr 30 so genannte Treffer gehabt, dass sich bei Asylanten, die bei uns angesucht haben, herausgestellt hat, dass diese bereits in zwei oder drei anderen europäischen Ländern gleichfalls Asylanträge gestellt haben. Das macht doch keinen Sinn! Jetzt, nach dem Beitritt der zehn neuen EU-Länder, liegen wir diesbezüglich bereits bei 170 Treffern pro Monat! Das heißt, Eurodac beginnt sich wirklich zu bewähren: Die Zahl der Asylanträge in Österreich ist allein durch die Erweiterung und durch diese gemeinsamen Methoden um 60 Prozent zurückgegangen! Die Zahl der illegalen Grenzübertritte hat um 75 Prozent abgenommen, meine Damen und Herren! Das zeigt doch, dass da ungeheuer viel, mehr an Sicherheit drin ist, wenn man es nur richtig macht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ganz bedeutsam ist meiner Ansicht nach auch die Kooperation der Polizeiorganisationen. Ich darf Ihnen dazu einige wenige, jedoch sehr interessante Beispiele nennen. Am Pfingstmontag beziehungsweise Pfingstdienstag gab es eine massive Fahndung in Bulgarien; Hunderte bulgarische Sicherheitsbeamte wurden hiefür eingesetzt. EUROPOL hat die Analyse und die Vorbereitung hiefür gemacht, hat auch die gesamte Aktion überwacht und begleitet, auch der amerikanische Secret-Service hat da mitgewirkt – und das Ergebnis waren Dutzende Verhaftungen. Tausende, und zwar perfekt gefälschte Visa-Anträge für Europa und für Kanada konnten bei dieser Aktion sichergestellt werden. Hunderttausende gefälschte Euro-Banknoten – sehr gut gefälschte Banknoten – konnten beschlagnahmt werden. Und das ist nur ein Beispiel!
In Österreich etwa haben wir in Kooperation mit Nachbarstaaten einige genauso gute Beispiele vorzuweisen: So etwa konnten Österreich und Tschechien gemeinsam vor einigen Monaten 42 Verhaftungen von Schleppern vornehmen, die Tausende Menschen nach Österreich geschleppt haben. Im Oktober vorigen Jahres gab es gemeinsam mit den Ungarn eine ähnliche Aktion, bei der 27 Verdächtigte, inklusive einiger korrupter Grenzbeamter, verhaftet wurden, wobei diese Verdächtigten 10 000 Kosovo-Albaner illegal nach Österreich geschleppt haben sollen. Und im Februar konnten wir gemeinsam mit der Slowakei die Verhaftung von 19 Schleppern vornehmen, die Hunderte Chinesen illegal nach Österreich gebracht haben.
Ich erzähle Ihnen das jetzt deswegen hier, weil das konkrete Erfolge sind – und dazu, meine Damen und Herren, brauchen wir Ihre Unterstützung: nicht nur hier im öster-
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reichischen, sondern auch im Europäischen Parlament. Und darum ersuche ich Sie, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Das dritte große Thema ist natürlich die europäische Verfassung, wobei ich glaube, dass wir da eine gute Chance haben, denn nach einigen Anläufen – im Dezember ist es nicht gleich gegangen – ist es so, dass wir jetzt doch die Chance haben, da einiges zu bewegen, sodass man das dann in Brüssel fertig machen kann.
Die EU-Außenminister haben dazu insgesamt drei Sitzungen; zwei bereits hinter und eine noch vor sich. Weiters haben wir dazu noch einige technische Expertenrunden vor – und dann wird das Ganze hoffentlich zum Abschluss gebracht werden können.
Was sind nun die wichtigsten Errungenschaften, Errungenschaften, die zum Teil auf wirklich wichtiges und engagiertes österreichisches Verhandeln zurückzuführen sind? Ich stehe da auch gar nicht an, unsere österreichischen EU-Konvent-Mitglieder Hannes Farnleitner, Caspar Einem beziehungsweise die EU-Abgeordneten Bösch und Voggenhuber namentlich zu erwähnen, haben sie doch wirklich erstklassige Arbeit in diesem Bereich geleistet, wofür ich mich bei ihnen ausdrücklich bedanken möchte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Viele Anregungen für die europäische Verfassung kommen auch von den Österreichern, wie zum Beispiel die Aufnahme der Charta der Grundrechte in die Verfassung. Sie verbrieft jedem europäischen Bürger die klassischen Freiheits-, aber auch politische Beteiligungsrechte, soziale und kulturelle Rechte, die bei der Rechtssetzung und Vollziehung des europäischen Rechts beachtet werden müssen. Es wird vereinfachte Verfahren geben und vor allem erstmals einen individuellen Rechtsschutz. Das haben wir übrigens das erste Mal in der Hofburg diskutiert, als wir – alle Sozialpartner, politischen Parteien und die Bürgergesellschaft – zusammengekommen sind und das österreichische Modell eines individuellen Rechtszugs zum Europäischen Gerichtshof zur Diskussion gestellt haben.
In Hinkunft wird jede natürliche oder juristische Person gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter direkt beim EuGH Klage führen können, wenn sie durch diesen Rechtsakt direkt betroffen ist und die Rechtsakte keine weiteren Durchführungsmaßnahmen mehr nach sich ziehen.
Die Schaffung einer einheitlichen Rechtspersönlichkeit – ganz wichtig; die Auflösung der bestehenden Säulenstruktur; ein einheitlicher Verfassungstext. Europa wird damit als ein einheitliches selbständiges Völkerrechtssubjekt auf der internationalen Bühne wahrgenommen werden können. Eine klarere Aufteilung der Zuständigkeiten – vor allem ein Anliegen der föderalistisch organisierten Länder Österreich, Deutschland, Belgien; ausschließliche und geteilte Kompetenzen und Koordinierungsmaßnahmen. Der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung ist im Vertrag ausdrücklich verankert und definiert. Eine verbesserte Anwendung und Kontrolle des Subsidiaritätsprinzips; die Möglichkeit für ein Drittel der nationalen Parlamente und der Kammern, Klage einzureichen. Ebenso kann der Ausschuss der Regionen letztlich die Wahrung des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beim EuGH einklagen.
Stärkung der nationalen Parlamente. Die Achtung der nationalen Identität ist ausdrücklich in der europäischen Verfassung verankert. Es darf die Union nicht in die Strukturen der Mitgliedstaaten eingreifen, wenn der Status der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung berührt wird. Verankert wird ausdrücklich erstmals die Gleichheit der Mitgliedstaaten.
Die Bestimmungen des Konventstextes über die Daseinsvorsorge, Nahverkehr, Abfallbeseitigung, Gesundheitsversorgung, Wassernetze, wurden in der Regierungskonferenz entsprechend einem Vorschlag der österreichischen Außenministerin insofern
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verbessert, als die Achtung der kommunalen Selbstverwaltung als Teil der Identität der Mitgliedstaaten eingefügt wurde und andererseits klargestellt ist, dass europäische Gesetze über Grundsätze dieser Dienste die Zuständigkeit der Staaten, die diese Dienste zur Verfügung stellen, in Auftrag geben oder finanzieren, unberührt lassen.
Der Überflüssigkeit halber – erlauben Sie, wenn ich das sage – füge ich hinzu, dass es das Anliegen und der Erfolg Österreichs war, dass der Bewirtschaftung der Wasserressourcen, der Raumordnung und der Bodennutzung, natürlich vor allem auf österreichischen Druck, die Einstimmigkeit erhalten bleibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Da die Redezeit begrenzt ist und drängt, nur in Stichworten: Sehr wichtig: Die Sozialpolitik der Union wird in der Verfassung aufgewertet. Zu den Zielen in der Verfassung gehören jetzt Beschäftigung, Vollbeschäftigung, soziale Marktwirtschaft und neu – österreichischer Wunsch, nicht im Konventsentwurf enthalten – die Preisstabilität. Soziale Ausgrenzung und Diskriminierung werden bekämpft. Soziale Gerechtigkeit und sozialer Schutz werden gefördert. Der Dialog mit der Bürgergesellschaft: In einem eigenen Verfassungsartikel wird die Rolle der Sozialpartnerschaft gewürdigt. Die horizontale Sozialpolitik wird neu als Klausel in den Vertrag eingefügt, wodurch jeder Rechtsakt auf diese sozialen Auswirkungen überprüft werden soll.
Die Rolle der Europäischen Kommission in der Wirtschaftspolitik wird gestärkt. Die Solidaritätsklausel habe ich bereits angesprochen. Die Möglichkeit einer gemeinsamen Verteidigung wird in Artikel 17 aufgezeigt. Es gibt die Möglichkeit einer permanenten strukturierten Zusammenarbeit, allerdings in einer transparenten, offenen, jederzeit für die Mitgliedstaaten geöffneten Art und Weise, was uns persönlich sehr wichtig gewesen ist.
Offen geblieben sind bis zum Schluss drei wichtige institutionelle Fragen. Erster Punkt: der Wunsch kleiner Staaten nach einer besseren Vertretung im Europäischen Parlament. Ich glaube, das ist nicht mehr wirklich strittig. Der zweite Punkt: der Übergang zur qualifizierten Mehrheit. Da wären wir mutiger: In der Sozialpolitik, in der Steuerpolitik, aber auch in der GASP, der Außenpolitik, wären wir für Mehrheitsabstimmungen, andere nicht. Das wird daher nicht kommen.
Wir sind sehr dafür eingetreten, dass man
die Parität bei der qualifizierten doppelten Mehrheit, Bevölkerung und
Nationen, vorsieht. Hier liegt noch kein Vorschlag der irischen Präsidentschaft vor. Ich denke, dass etwa
nächste Woche dazu ein Vorschlag kommen wird. Die volle Parität, so höre ich,
wird nicht von den Iren vorgeschlagen werden, es geht wahrscheinlich in
Richtung 55, 65.
Was die
Kommission betrifft, ist es so: Wenn keine Einigung im Verfassungsvertrag
verankert ist, gilt Nizza. Das heißt ab 2009 eine deutlich verkleinerte
Kommission. Das wird wahrscheinlich ab 2007 der Fall sein, wenn Rumänien
und Bulgarien dazukommen. Der Konvent hat einen unzumutbaren Vorschlag gemacht
mit zwei Klassen von Kommissaren: mit und ohne Stimmrecht. Ich denke, dass
dieser Vorschlag nicht zulässig sein wird. (Präsident
Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)
Die Zeit läuft – ich halte mich
natürlich genauso an die Redezeitbeschränkung wie jeder andere. Ich weiß, dass
ohnehin noch eine Dringliche Anfrage behandelt wird. Daher hebe ich mir
einiges auf. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Anhaltender Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
11.26
Präsident Dr. Andreas Khol: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler
für seine Ausführungen.
Wir gehen
in die Debatte über die Erklärung ein. Die Redezeit ist bekannt.
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Erste
Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. 15 Minuten. –
Bitte, Sie sind am Wort. (Abg. Reheis
stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Für ein
soziales Europa! – SPÖ“ auf das Rednerpult. – Abg. Scheibner:
Das ist zu groß, das verdeckt den Redner! – Weitere Zwischenrufe bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.)
11.27
Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es ist richtig: Europa hat sehr viel erreicht. Und das Allerwichtigste, was Europa erreicht hat, ist, dass es nicht nur in den letzten Jahrzehnten auf dem Gebiet der Europäischen Union keine kriegerischen Auseinandersetzungen mehr gegeben hat, nein, viel mehr: Es ist heute völlig unvorstellbar, dass Mitgliedstaaten der Europäischen Union miteinander in Kriegshandlungen verwickelt werden. Und das ist das größte historische Ergebnis der europäischen Einigung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)
Ich
glaube, uns allen ist bewusst, dass „einmal erreicht“ nicht heißt, dass das für
alle Zeiten so bleiben muss, und dass man an den Voraussetzungen für Frieden
und Sicherheit in Europa dauerhaft arbeiten muss. In diesem Zusammenhang ist
die Erweiterung der Europäischen Union, die am 1. Mai 2004
stattgefunden hat, ganz sicher ein historischer Quantensprung, weil sie zehn
weitere Staaten in die Zone der Sicherheit und der Stabilität integrieren wird.
Damit wird die Europäische Union nicht nur größer, sondern auch sicherer, und
der Frieden ist damit in Zukunft besser gesichert. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Es ist auch unbestreitbar, dass es in vielen
Fragen der Kooperation und der Integration auf europäischer Ebene Fortschritte
gegeben hat und dass der Weg von der Freihandelszone zu einer Zollunion und
dann zur Wirtschafts- und Währungsunion ganz bedeutende Schritte waren, die
einen Einfluss auf die Wirtschaft und auf die Beschäftigung auf unserem
Kontinent haben.
Aber ich
glaube, wir sollten dabei nicht übersehen, was in den letzten Jahren die blinden
Flecken der Politik der Europäischen Union waren. Wenn wir mit Recht feststellen,
dass es in den letzten Jahrzehnten einen wirtschaftlichen Aufstieg Europas
gegeben hat, dann müssen wir aber, glaube ich, gleichzeitig auch feststellen,
dass sehr ambitionierte Ziele, zum Beispiel den Reichtumsabstand zwischen
Europa und den Vereinigten Staaten zu verringern, leider nicht erreicht
wurden.
Wir müssen des Weiteren feststellen, dass viele Menschen, auch wenn es in Europa Beschäftigung gibt, nach wie vor arbeitslos sind und sehr viele Menschen um ihren Arbeitsplatz bangen. Wir müssen auch feststellen, dass die moderne wirtschaftliche Entwicklung und der Umstand, wie die Europäische Union damit umgegangen ist, auch zu vermehrten sozialen Spannungen nicht nur in Europa, sondern auch in all den Mitgliedstaaten geführt haben.
Herr Bundeskanzler, ich glaube, das ist von entscheidender Bedeutung, weil es darum geht, möglichst alle Menschen auf dem europäischen Weg mitzunehmen, und das geht ohne eine ganz starke soziale Komponente in Europa nicht. Und hier ist eine Änderung erforderlich. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich bin schon der Meinung, wenn in den vergangenen Jahren Preisstabilität und Budgetziele im Vordergrund gestanden sind – alles sehr wichtige Zielsetzungen –, dass dem manchmal das Beschäftigungsziel geopfert wurde. Ich erwarte mir schon einen stärkeren Einsatz, wenn es um die Beschäftigung und um die Chancen der Menschen in Europa geht.
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Sie haben vor kurzem zum Thema Jugendarbeitslosigkeit einmal gesagt: Die Lage wird sich bis zum Jahr 2012 nicht wirklich verändern. – Was heißt das? Stellen wir uns das vor: Sie sagen einem heute 15-Jährigen: Gedulde dich acht Jahre, die Lage wird sich im Jahr 2012 bessern! (Abg. Dr. Brinek: Das stimmt ja nicht! Wer sagt denn das?) Das heißt, der heute 15-Jährige wird darauf vertröstet, dass, wenn er 23 Jahre alt sein wird, die Lage eine bessere sein wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das sind nicht die Chancen und Perspektiven, die sich die heutige Jugend erwartet! Wir müssen Hoffnungen geben und dürfen nicht die jungen Leute auf das Jahr 2012 vertrösten. Das wäre in dieser Situation gefragt. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich glaube, wir müssen uns auch mit einem Phänomen beschäftigen, das durch die Verfassung zwar verbessert wird, aber letztendlich nicht geklärt wird: nämlich dass viele Menschen nach wie vor den Eindruck haben, dass europäische Politik sehr weit entfernt von ihnen stattfindet. Es finden dort sehr komplizierte Verfahren statt, die alle ihre Berechtigung im Detail haben, aber dazu führen, dass viele Menschen nicht nachvollziehen können, wo wann was entschieden wird. Ja, das führt sogar dazu, dass politische Handlungsträger nicht immer ganz genau wissen, was da passiert.
Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, heute zum Beispiel den Europäischen Haftbefehl anführen: Den haben wir bereits beschlossen! Wenn Sie heute den Europäischen Staatsanwalt fordern, dann kann ich Ihnen sagen, das haben wir im österreichischen Parlament gefordert, ist aber bei den Regierungsparteien leider nicht auf offene Ohren gestoßen. (Abg. Mag. Wurm: Abgelehnt!) Es freut mich, wenn Sie sich heute dazu entschließen, die Forderung der Opposition nach einem Europäischen Staatsanwalt zu unterstützen. Da würden wir wirklich weiterkommen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht schon darum, auch wenn Sie den 13. Juni angesprochen haben: Was ist die künftige Richtung, die Europa nimmt? Geht es so weiter wie bisher und werden die blinden Flecken nicht aufgearbeitet, oder kommt es am 13. Juni zu einer Richtungsentscheidung, wo sich Europa dazu entschließt, dort, wo heute die größten Defizite vorhanden sind, in Zukunft stärker aufzutreten?
Daher glaube ich, dass es ganz wesentlich ist, den Menschen jetzt das Gefühl zu geben, sie können an der Entscheidung über die große Richtung, in die Europa gehen soll, mitwirken: nämlich entweder weiter blind zu sein gegenüber der steigenden Arbeitslosigkeit und den damit verbundenen Nichtmöglichkeiten oder eine Entscheidung zu treffen für ein Europa, das an die erste Stelle seiner Tagesordnung den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, mehr Chancen für die Jugend und ein soziales Europa setzt. Und das wünschen sich viele, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Bundeskanzler, Sie haben mit Recht
darauf hingewiesen, dass das Europäische Parlament von großer Bedeutung ist und
in Zukunft von noch größerer Bedeutung sein wird. Ich glaube, man braucht hier
das Licht nicht unter den Scheffel zu stellen: Wenn man internationale
Zeitungen liest, wird man feststellen, dass die österreichischen Abgeordneten
im Europäischen Parlament
teilweise eine außerordentlich gute Figur machen. Im Übrigen wird auch in
österreichischen Zeitungen die Arbeit einzelner EU-Abgeordneter durchaus sehr
positiv bewertet, und zwar über die Fraktionsgrenzen hinweg.
Wenn die „Oberösterreichischen Nachrichten“ der Meinung sind, dass die Abgeordneten Bösch, Voggenhuber, Karas und Swoboda ausgezeichnete Arbeit im Europäischen Parlament leisten, dann bin ich als Österreicher stolz darauf, dass nicht nur Angehörige
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meiner Fraktion, sondern auch Angehörige anderer Fraktionen im
Europäischen Parlament eine allgemein anerkannte politische Arbeit leisten,
die meiner Meinung nach auch absolut herzeigbar ist. (Beifall bei der SPÖ
sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Grünen.)
Herr
Bundeskanzler! Für mich gilt das nicht nur in den fünf Jahren zwischen Wahlen,
sondern für mich gilt das auch in den Wochen vor einer Wahlauseinandersetzung.
In dem Zusammenhang finde ich es etwas bedrückend, wenn trotz der guten
Leistung der Abgeordneten wenige Wochen vor der Wahl eine Kampagne gegen einen
allgemein anerkannten Abgeordneten, nämlich gegen den Abgeordneten Swoboda,
inszeniert wird. Sie sind der Meinung, sein Verhalten ist wirklich empörend,
die Kollegen der Freiheitlichen Partei haben noch tiefer in die Schublade
gegriffen, was dazu geführt hat, dass sich der anerkannteste österreichische
Europa-Politiker, Kommissar Fischler, genötigt sah, in dieser
Wahlauseinandersetzung das Wort zu ergreifen und zu sagen, er finde die
Angriffe gegen Hannes Swoboda ungeheuerlich und unter jeder Kritik. (Beifall
bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)
Ich sage Ihnen,
Herr Bundeskanzler, es wäre für das politische Klima und für das Verhältnis
zwischen der österreichischen Bevölkerung und der Europäischen Union bedeutend
besser, wenn Sie sich im politischen Stil am Beispiel Franz Fischlers
und nicht an dem Jörg Haiders orientieren würden. (Beifall bei der SPÖ und
den Grünen.)
In der Tat, die
Fragestellungen, die vor uns und vor der Bevölkerung liegen, sind von ganz,
ganz gravierender Bedeutung, und ich halte es nicht für gut, wenn man in einer
Art Panikreaktion wenige Tage vor der Wahl das Niveau der Debatte dermaßen zu
senken versucht. Ich finde, das haben Sie nicht notwendig, denn ich sage Ihnen
ganz offen: Ihre heutige Rede hat ein gutes Niveau gehabt (Abg. Großruck: Geh, hör
auf! Wirklich wahr?), bietet eine Einladung zu einer Auseinandersetzung,
die fair geführt werden kann, die sich unterscheidet vom politischen Stil der
ÖVP in den letzten Wochen. (Abg.
Dr. Fekter: Der SPÖ!) Ich
sage Ihnen: Bleiben Sie so, wie Sie heute sind, und machen Sie es nicht so, wie
es Ihnen der Herr Lopatka vorschreibt! (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, davon gesprochen
haben, dass wir als Österreicher in Brüssel erfolgreich sind und auch erfolgreich
sein können, und die Abgeordneten erwähnt haben, jene, die im EU-Konvent tätig
waren und gute Arbeit geleistet haben, dann würde ich sagen, ja, ziehen wir die
Bilanz weiter. Sie sind verantwortlich für eine Bundesregierung, Sie sind
verantwortlich für Minister, die natürlich in der Europäischen Union eine ganz
große Bedeutung haben, weil nach wie vor in den Ministerräten Bedeutendes
entschieden wird.
Wie können Sie es
als Bundeskanzler zulassen, dass die Präsenz der österreichischen Minister in
Brüssel zu einer der geringsten aller Mitgliedsstaaten gehört? Ich verstehe
nicht: Wie soll sich Österreich Gehör verschaffen, wenn Ihre Kollegen in der
Regierung größtenteils zu den Sitzungen nicht einmal hinfahren? Wie sollen da
österreichische Interessen eingebracht und durchgesetzt werden?
Herr
Bundeskanzler, sorgen Sie dafür, dass Ihre Regierungsmitglieder ihre Aufgabe
erfüllen und nicht Brüssel dauernd schwänzen, denn nur dann wird es uns
gelingen, auch österreichische Interessen dort durchzusetzen! (Beifall bei
der SPÖ.)
In der Tat, wir stehen an einem Scheideweg in Europa, in welche Richtung das neue, erweiterte Europa gehen wird: Wird es ein Europa, wo die Menschen das Gefühl haben, dass über sie drübergefahren wird, wo die Entfernung zu den Entscheidungszentralen wächst – oder wird es ein Europa, wo der Gemeinsinn dieser neuen Sicherheitsgemeinschaft auch tatsächlich gelebt wird?
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Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir als Österreicherinnen und Österreicher im Zentrum dieses Kontinents können nicht nur inhaltlich Europa einen Anstoß geben in Richtung einer neuen sozialen Politik für Europa, sondern wir können auch den Beweis dafür liefern, dass der politische Stil der Auseinandersetzung ein professioneller, ein fairer und ein sachlicher ist.
Ich möchte Sie alle dazu auffordern, die verbleibenden neun Tage bis zur EU-Wahl dazu zu nützen, die Inhalte in den Vordergrund zu stellen, sich den Interessen und Anliegen der österreichischen Bevölkerung zu widmen und Schmutzkübelkampagnen einzustellen. Sie tun sich damit selbst nichts Gutes, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Um Ihnen einen empirischen Beleg zu
liefern: Es hat auch in der sehr fair geführten Wahlauseinandersetzung um das
Amt des österreichischen Bundespräsidenten Versuche gegeben – zarter als
jetzt –, gegen Heinz Fischer auf derselben Ebene vorzugehen. Sie haben
genau gesehen, wie die österreichische Bevölkerung darauf reagiert hat: Sie hat
sich von diesen Versuchen nicht beeindrucken lassen und hat den gewählt, den
sie für den Besten hält. Lassen Sie sich das eine Lehre sein! (Anhaltender
Beifall bei der SPÖ.)
11.42
Präsident
Dr. Andreas Khol: Nächster
Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Auch seine Redezeit beträgt
15 Minuten. – Herr Klubobmann, Sie sind am Wort. (Abg. Mag. Molterer begibt sich zum Rednerpult und stellt
dort eine Tafel auf, auf welcher unter dem ÖVP-Logo Folgendes steht: „Europawahl
13. Juni“: „Frieden sichern. Sicherheit geben. Arbeit schaffen.
Österreich stark vertreten.“ – Zwischenruf bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer – auf einen Zwischenruf aus den
Reihen der SPÖ replizierend –: Aber
ich trage es selber heraus und brauche keinen Träger, meine Damen und
Herren! – Beifall bei der ÖVP.)
11.42
Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Ich begrüße es außerordentlich, dass wir heute, wenige Tage vor einem entscheidenden Wahlgang, nämlich der Wahl zum Europäischen Parlament, hier im österreichischen Nationalrat die Möglichkeit haben, auf Basis einer Erklärung unseres Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel die europäischen Zukunftsfragen zu diskutieren und im Anschluss daran im Rahmen einer Debatte über eine Dringlichen Anfrage das Thema „Europäische Verfassung“ besonders zu vertiefen. Das ist gut, das ist richtig! Wir als Volkspartei werden diese Chance selbstverständlich gerne wahrnehmen.
Meine Damen und Herren hier im Hohen Haus, vor allem aber auch zu Hause an den Fernsehschirmen! Wer in Europa mehr Demokratie will, wer in Europa das Europäische Parlament stärken will und wer will, dass Österreich in diesem Europa seine Interessen stark vertritt, der hat am 13. Juni die Chance, mit seiner Stimme dafür zu sorgen, dass das Europaparlament gestärkt wird, dass die Demokratie gestärkt wird und dass von Österreich in diesem Europäischen Parlament die österreichischen Interessen stark vertreten werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Wenn jetzt in der Öffentlichkeit die Diskussion über diese Rolle des Europäischen Parlamentes geführt wird, so ist das gut und richtig. Ich denke, wir sollten der Öffentlichkeit noch viel klarer machen, welche Aufgaben dieses Europäische Parlament eigentlich hat.
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Meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament entscheidet letztendlich beispielsweise über das Budget der Europäischen Union. Das Europäische Parlament entscheidet dabei, welche Investitionen es etwa in die Infrastruktur, in die Grenzregionen, in Forschung und Entwicklung, in den ländlichen Raum, in die Landwirtschaft gibt.
Das Europäische Parlament entscheidet aber auch über eine ganz wichtige Frage, nämlich über die Erweiterung der Europäischen Union. Wir wissen, dass gerade dieses Thema eines der sensibelsten ist.
Ich bin überzeugt davon – so, wie die
große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher auch –, dass Europa
eine Verschnaufpause und eine Vertiefungsphase braucht, bevor weitere
Erweiterungen überhaupt diskutiert werden können. Das muss im Parlament auch
klar ausgedrückt werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Das Europäische Parlament entscheidet, meine Damen und Herren – und ich weiß, wovon ich rede, weil ich selbst lange Zeit hindurch dafür die Verantwortung getragen habe –, etwa über einen Großteil der Umweltgesetzgebung, über die Umweltnormen und die Umweltstandards in diesem Europa. Das Europäische Parlament ist daher auch – und kann und soll es noch viel stärker werden – das ökologische Gewissen auf diesem Kontinent – im Interesse der Menschen und der Zukunft!
Oder: Das Europäische Parlament entscheidet über die Spielregeln, wie Wirtschaft stattfindet, über die Wettbewerbsregeln. Dabei ist entscheidend, ob das Europäische Parlament dem wirtschaftlichen Hausverstand zum Durchbruch verhilft oder den Maßstab der Bürokratie und der Regulierung anwendet. – Das sind die Entscheidungsfragen für dieses Europäische Parlament, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)
Ich denke, dass wir die Aufgabe haben – wir als politische Verantwortungsträger hier in Österreich –, diese Rolle des Europäischen Parlaments noch viel stärker bewusst zu machen. Wodurch? – Meiner Meinung nach dadurch, dass wir das Europäische Parlament selbst stärken. Die Europäische Verfassung bietet die große Chance – und es wird Wirklichkeit werden –, dass das Europäische Parlament als Hort demokratisch gewählter Abgeordneter eine stärkere Rolle hat.
Aber das alleine genügt mir nicht! Ich denke, die Stärke des Europäischen Parlaments kommt auch dadurch zum Ausdruck, wie viele Menschen sich an der Wahl zum Europäischen Parlament beteiligen. Wir sollten daher ein parteiübergreifendes Ziel haben, meine Damen und Herren – so wie die Sozialpartner auch –: dass uns die Wahlbeteiligung ein gemeinsames Anliegen ist.
Wahlbeteiligung heißt Stärkung der Demokratie, Stärkung des Parlaments und damit Stärkung der Mitbestimmung unseres Heimatlandes Österreich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Natürlich ist klar – und, Herr Kollege Gusenbauer, ich greife das gerne auf –: Bei der Wahl zum Europäischen Parlament stehen unterschiedliche Konzepte am Prüfstand. Es ist auch notwendig und gut, diese Unterschiede herauszuarbeiten.
Für die Österreichische Volkspartei als die Europa-Partei – die Europa-Partei dieses Landes! (ironische Heiterkeit bei den Grünen) –, die besonnen von der ersten Minute an pro-europäische Politik im Interesse Europas und Österreichs gestaltet hat, stehen dabei in erster Linie die berechtigten Anliegen und Sorgen der Menschen im Mittelpunkt. Über diese dürfen wir nicht hinweggehen. Wenn wir Europa erlebbar machen wollen, dann müssen wir Antworten auf die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger geben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
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Dieses Europa ist für die Österreichische Volkspartei in erster Linie – und da haben wir in Österreich, meine ich, doch einen parteiübergreifenden Konsens – ein Europa des Friedens und ein Europa der Werte. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns einfach hinstellen und sagen können: Europa ist ein Friedensprojekt!, sondern wir müssen dafür auch etwas tun.
Ich denke, dass beispielsweise das klare Eintreten für eine stärkere Rolle Europas in der Welt, ein stärkeres Eintreten für mehr europäische Rechte im gemeinsamen Außen- und Sicherheitsbereich eine Antwort auf die tiefe Friedenssehnsucht der Menschen ist. Wenn wir ja zu Frieden sagen, dann müssen wir auch ja sagen zu mehr Europa im Bereich der Friedens- und Außenpolitik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Dieses Europa ist zweitens für die
Österreichische Volkspartei ein Projekt der Sicherheit. – Gerade in
diesen Tagen spüren wir, dass bei den Menschen ganz massiv das
Sicherheitsbedürfnis gegeben ist. An dieser Stelle sage ich ganz offen und
klar: Die Volkspartei in Österreich und die Europäische Volkspartei im
Europäischen Parlament treten kompromisslos für die Instrumente
zur Herstellung dieser Sicherheit ein! (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Da kann nicht die weiche Linie gelten, wenn es gegen organisierte Kriminalität geht, wenn es gegen Drogendealer geht, wenn es gegen Menschenhandel geht, wenn es gegen Kindesmissbrauch geht. – Kompromisslos für die Sicherheit muss daher unsere Antwort sein!
Für die Österreichische Volkspartei ist drittens dieses Europa ein Wachstumsmotor, der noch stärker werden muss, damit wir das Ziel der Vollbeschäftigung erreichen.
Herr Kollege Gusenbauer! Nicht die Ziele unterscheiden uns, sondern die Wege! Wenn Sie beispielsweise sagen, dass zwischen Stabilität und Beschäftigungssituation ein Widerspruch sei, dann erkennen Sie meiner Meinung nach die ökonomischen Realitäten nicht! Wir brauchen Stabilität und Wachstum, damit wir Vollbeschäftigung haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Daher ist diese Wachstumsinitiative in Europa von so zentraler Bedeutung.
Meine Damen und Herren! Wir brauchen, viertens – und das ist dieses unser Ziel –, ein Europa der Stabilität! – In diesem Punkt unterscheiden wir uns voneinander. Ja, wir sagen kompromisslos: Der Stabilitätspakt muss eingehalten werden! Denn: Wir wollen kein Europa, wo neue Schulden gemacht werden! Wir wollen kein Europa, wo die Steuerzahler unbegrenzt Beiträge leisten! Wir wollen ein Europa, wo der Euro stabil ist, und wir wollen ein Europa, wo die Haushalte in Ordnung sind! Daher sind wir gegen ein Aufweichen der Stabilitätspakte! Das wäre ökonomisch absolut falsch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Ich möchte auch, dass wir offen darüber diskutieren, wo wir weniger Europa brauchen. – Bei Frieden, bei Sicherheit, bei Wachstum, bei Beschäftigung, bei Stabilität brauchen wir mehr Europa! – Aber wir wollen weniger Europa dort, wo es um die regionalen Spielräume geht. Wir wollen weniger Europa dort, wo es um Bürokratie geht, wir sind für Entbürokratisierung. Wir wollen weniger Europa, wenn es um Zentralismus geht. Wir wollen das Gegenteil: die Regionen stärken, unsere Möglichkeiten, unsere Spielräume vergrößern.
Das heißt: mehr Europa, wo es sinnvoll ist, und weniger Europa, wo es positiv für die Menschen, für Beschäftigung, für Wohlstand und für die entsprechende Freiheit bei der wirtschaftlichen Entwicklung ist! (Beifall bei der ÖVP.)
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Meine Damen und Herren! Weil dieses Europa auch von der Wahlauseinandersetzung in den nächsten Tagen und Wochen – Tagen eigentlich nur mehr – bestimmt sein wird, ist es nur legitim, dass wir uns auch mit den Mitbewerbern beschäftigen. In diesem Zusammenhang sage ich Ihnen ganz offen: Ich lasse mich als Vertreter der Österreichischen Volkspartei nicht daran hindern, politische Mitbewerber in der Wahlauseinandersetzung auch entsprechend zu bewerten! (Abg. Öllinger: „Bewerten“!?) Das tut jeder, das ist Teil der demokratischen Auseinandersetzung.
Da sage ich Ihnen schon: Wir meinen, dass ein linkes Europa dazu führen wird, dass der Zentralismus gestärkt wird – und nicht die Subsidiarität! Wir meinen, dass ein linkes Europa eher zu mehr Bürokratie führen wird – und nicht zur Deregulierung! Wir meinen, dass ein linkes Europa eher ein Risiko für die Sicherheit ist, als Sicherheit gibt! Wir meinen, dass ein linkes Europa ein Risiko für die Stabilität ist – und nicht Stabilität gibt! Wir meinen, dass ein linkes Europa eher zum Schuldenmachen tendiert als zur Haushaltsstabilität und zur Haushaltsdisziplin! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Natürlich, Herr Kollege Gusenbauer, diese
Auseinandersetzung um die politischen Konzepte (Abg. Öllinger: Sind Sie ein Rechter?), die in der
Demokratie notwendig ist, kann nicht nur in der Zukunftsperspektive geführt
werden, sondern muss auch vor dem Hintergrund geführt werden, welche
Verantwortung Parteien haben. So gesehen sage ich Ihnen ganz offen: Die
Österreichische Volkspartei hat sich sehr klar gegen einen
Untersuchungsausschuss in der Sanktionenfrage ausgesprochen! (Abg. Öllinger: Nein!) Die
Österreichische Volkspartei hat sich sehr klar dagegen
ausgesprochen, dass bei einem Mitglied des Europäischen Parlaments das
Wahlrecht in Diskussion gezogen wird oder diesem aberkannt werden sollte. Das
wird mit uns nicht stattfinden, meine Damen und Herren! (Abg. Öllinger: Da hat es aber am
Anfang andere Töne gegeben!)
Aber die Sanktionenfrage, Herr Kollege Gusenbauer, ist natürlich auch Thema dieser Auseinandersetzung, und ich habe Ihnen letztes Mal schon gesagt: Bei dieser Frage steht Ihnen das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben! (Abg. Reheis: Das ist Ihr schlechtes Gewissen!) Die SPÖ hat diese Sanktionen zumindest mitzuverantworten. Ihr ehemaliger Spitzenkandidat Hans-Peter Martin, der Spitzenkandidat der SPÖ bei der letzten Europawahl, bestätigt dies eindeutig und sehr klar, indem er sagt – und Sie selbst haben das auch gelesen; ich wiederhole es nur noch einmal kurz und zitiere –:
„Das Verhalten der SPÖ war inakzeptabel. Viktor Klima hat sich bei mir am Telefon gemeldet und keinen Zweifel daran gelassen, dass er bei der Vorbereitung der Sanktionen voll eingebunden war. Zu mir hat er beschwörend gemeint: ‚Du wirst doch nichts davon sagen.‘“ – Zitatende. (Rufe bei der ÖVP: Hört! Hört!)
Das ist einfach die Wahrheit, meine Damen und Herren, und die Wahrheit ist in diesem Fall den Menschen nicht nur zumutbar, sondern sie ist notwendig, damit sie die Rollen der einzelnen Parteien auch entsprechend bewerten können, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Mainoni: Und das sollen wir nicht untersuchen?!)
Herr Kollege Gusenbauer, ich greife durchaus auch den Ball auf, der jetzt in der öffentlichen Auseinandersetzung eine Rolle spielt, nämlich das Thema „Wahlkampf“ und „Wahlauseinandersetzung“. Eines muss ich Ihnen in diesem Zusammenhang schon mitgeben, meine Damen und Herren von der SPÖ, aber auch der Öffentlichkeit:
Wenn Sie beispielsweise das Thema „Wasser“ in Ihrer Wahlauseinandersetzung als eines der Hauptmotive einbringen, dann mache ich Sie auf Folgendes aufmerksam: Dieses Thema ist im Jahr 1994 eines der Hauptthemen der EU-Gegner gewesen!
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Wenn Sie in Ihrer Wahlauseinandersetzung beispielsweise sagen, Sie seien gegen ein Europa der Konzerne, dann sage ich Ihnen: Das war das Hauptargument der EU-Gegner im Jahr 1994!
Ich habe nichts gegen einen Voest-Konzern,
wo 23 000 Menschen beschäftigt sind, gegen einen Magna-Konzern, wo
11 000 Menschen beschäftigt sind, gegen einen BMW-Konzern, wo in
Österreich 3 000 Menschen beschäftigt sind. Ich könnte diese Liste noch
weiter fortsetzen. (Abg. Silhavy:
Die werden ja alle verkauft!)
Meine Damen und Herren! Sie kommen mit dem Argument des Neoliberalismus, mit genau jenem Argument, das die Europagegner im Jahre 1994 vorbrachten!
Jetzt werden Sie vielleicht sagen, da sei eine gewisse Emotionalität gegeben. – Ja, die gibt es auch in der Wahlauseinandersetzung. Ich sage Ihnen: Es besteht die Gefahr, dass die „Ver-Haiderung“ der SPÖ voranschreitet. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich meine den Erich Haider aus Oberösterreich, der genau diese Wahlkampfstile in die politische Auseinandersetzung gebracht hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Herr Kollege Gusenbauer, ich gehe allerdings nicht so weit zu sagen, dass in dieser Konzeption die Schildlaus fehlt. Ich hoffe, dass Sie nicht so weit gehen!
Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich die Menschen in diesem Lande bitten, diese Wahl zum Europäischen Parlament so ernst zu nehmen, wie sie ernst zu nehmen ist. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Das ist eine Richtungswahl!
Wir wollen, dass Österreich stark
vertreten wird! Mit Ursula Stenzel haben wir die profilierteste Kandidatin und
ein erfolgreiches Team. (Abg. Brosz:
Sie sollten zur EU-Verfassung reden!) Jede Stimme für die Österreichische
Volkspartei ist eine starke Stimme für Österreich in einem starken
Europa! (Anhaltender lebhafter Beifall bei der ÖVP.)
11.58
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Herr Kollege, Sie haben auch 15 Minuten Redezeit. (Abg. Scheibner: Ich rede gern, Herr Präsident, aber ich bin noch nicht dran!) – Entschuldigung!
Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen
ist der nächste Redner. (Abg. Großruck:
Vielleicht ist der Van der Bellen ein Pro-Redner!) 15 Minuten
Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.
11.59
Abgeordneter
Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Danke, Herr
Präsident! Ich war jetzt auch etwas verwirrt, weil auch ich dachte, dass
Kollege Scheibner von der FPÖ dran ist, aber Sie haben sicher Recht, denn der
Präsident hat immer Recht. (Präsident
Dr. Khol schüttelt den Kopf.)
Meine Damen und Herren! Abgesehen von den letzten Minuten der Ausführungen von Klubobmann Molterer, es geht ja doch: Man kann über Europapolitik diskutieren! (Abg. Mag. Molterer: Die letzten Minuten gehören auch dazu!) Wir werden natürlich in vielen Punkten nicht einer Meinung sein, aber wir haben endlich im Rahmen dieser Sondersitzung, die von den Grünen verlangt und für heute einberufen wurde, eine europapolitische Debatte – und keinen Schwachsinn über Briefleichen und so weiter. Ich finde das super! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Bedanken Sie sich beim Schüssel!)
Ich danke den bislang zu Wort gekommenen Kolleginnen und Kollegen – auch dem Bundeskanzler, der diese Debatte eröffnet hat – für den bisherigen Verlauf. Ich denke, da sollten wir fortsetzen und vertiefen in Bezug auf die Fragen: Was wollen wir? Was
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erwarten wir von Europa? Was sind unsere Vorstellungen bezüglich der künftigen EU-Verfassung?
Ich darf in den folgenden Punkten kurz zusammenfassen, was wir Grüne vom künftigen Europa erwarten, wie wir Europa, das Europa der 25, in der Zukunft gestalten wollen:
Wir wollen erstens ein demokratischeres, ein demokratisches Europa. Das heißt: Wir wollen die Rechte des Europäischen Parlaments stärken. Das ist ein nicht unwesentlicher Punkt, denn hier kommt es sehr darauf an, was dann tatsächlich in der Europäischen Verfassung stehen wird. – Erster Punkt also: Stärkung des Europäischen Parlaments, Aufwertung des Europäischen Parlaments.
Zweitens: Wir brauchen eine handlungsfähige Union, eine entscheidungsfähige Union. Es wird mit den EU-25 nicht leichter werden als mit den EU-15. Das heißt konkret, wir müssen die Mehrheitsabstimmungen, das Prinzip der Mehrheitsabstimmung ausbauen im Vergleich zum bisherigen, sehr häufig – zu häufig – vertretenen Prinzip der Einstimmigkeit. Anders wird das Europa der 25 Mitglieder scheitern. Wir kennen Beispiele aus der Geschichte. Vielleicht sollten wir auch unseren polnischen Freundinnen und Freunden einmal die Geschichte des 18. Jahrhunderts in Erinnerung rufen, als nämlich dort das liberum veto der damaligen „Aristokratenrepublik“ – unter Anführungszeichen – gültig war. Dieses liberum veto, das Vetorecht jedes einzelnen Mitgliedes, hat zum Scheitern des polnischen Parlaments geführt. – Das können wir nicht, das wollen wir nicht, und das werden wir auf europäischer Ebene nicht wiederholen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Wir brauchen drittens ein soziales Europa. Ja, wir brauchen ein Europa, das weitaus mehr ist als ein gemeinsamer Binnenmarkt – gemeinsame Wettbewerbsregeln sind wichtig, aber sind nicht das Einzige –, wir brauchen einen Fokus auf die Arbeitsmarktprobleme und insbesondere auf die Wachstumsprobleme, das wirtschaftliche Wachstum der EU.
Was ich bisher vermisst habe, Herr Kollege Scheibner – weil Sie mich gerade anschauen –, ist eine Stellungnahme des Bundeskanzlers – aber sie wird ja vielleicht noch kommen, spätestens bei unserer Dringlichen Anfrage – zum so genannten Stabilitätspakt der Union. Dieser Pakt fördert weder Stabilität noch Wachstum – das ist leider so. Und wenn wir das Wachstumsziel ernst nehmen, dann müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen als den Schwachsinn des derzeitigen Finanzministers – noch Finanzministers –, Staaten, die die 3-Prozent-Regel verletzen (Abg. Mag. Molterer: Das ist ein ...vorschlag, Herr Kollege, nicht „Schwachsinn“!), das Stimmrecht in der Union zu entziehen. Das ist abenteuerlich, Herr Kollege Molterer, und wirtschaftspolitisch völlig unsinnig! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Wir brauchen viertens ein ökologisches Europa, eines, das die selbst gewählten Umweltstandards ernst nimmt, kontrolliert, überwacht, und insbesondere ein AKW-freies Europa. Diesbezüglich sind die konservativen Regierungen, der konservative Teil der jetzigen Bundesregierung gefordert. Es sind insbesondere konservativ regierte Staaten, die derzeit eine Renaissance der Atomkraft in Europa betreiben, zum Beispiel Frankreich und Bayern. Bayern ist bekanntlich nicht rot-grün regiert, Bayern ist seit Jahrzehnten – wenn ich nicht irre, seit dem Krieg – von der CSU regiert, einer Partei, die der ÖVP sicher nicht fern steht. Vielleicht setzen Sie sich einmal mit Ihren Kollegen in München in Verbindung! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ein ökologisches Europa heißt auch – das merke ich hier en passant an –, dass man die Verdienste von Kommissar Fischler parteiübergreifend würdigt. Fischler hat eines der schwierigsten Ressorts innerhalb der Europäischen Kommission gehabt. Die Landwirtschaft ist ein höllisches Ressort – jeder, der sich nur am Rande damit beschäftigt,
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weiß das –, und innerhalb des Rahmens, den er hat – hatte, muss man jetzt schon fast sagen –, innerhalb der Restriktionen, unter denen er arbeiten musste, unter dem Druck der europäischen Agrarindustrielobby, hat er sehr viel erreicht und hat immer wieder versucht, auch der österreichischen Landwirtschaft, den österreichischen Bauern und Bäuerinnen sozusagen den Rücken freizuhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ, der ÖVP und der Freiheitlichen.)
Sie nicken jetzt, Herr Kollege Molterer, und ich freue mich, dass Sie dieser Bemerkung zustimmen – auch Herr Grillitsch stimmt ihr offenbar zu. Ich kann mich aber an etliche Fälle aus der Vergangenheit erinnern (Abg. Mag. Molterer: Wo wir anderer Meinung waren! – Abg. Grillitsch: Im Detail!), wo Fischler dringend Unterstützung aus Österreich gebraucht hätte und sie von den Grünen erhalten hat, aber nicht von der ÖVP. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Man muss nicht immer einer Meinung sein!) – Das stimmt! Es freut mich, dass Sie das zugeben! (Abg. Mag. Molterer: Wenn man nicht überzeugt ist, dass das richtig ist, kann man eine andere Meinung äußern, Herr Kollege Van der Bellen! Meinungsfreiheit gibt es!)
Zusammenfassend: Wir schätzen Kommissar Fischler sehr. Wir würden uns freuen, wenn er die Chance hat, Präsident der Kommission zu werden. (Abg. Mag. Mainoni: Um Gottes willen!) Wir hielten ihn für einen ausgezeichneten Kandidaten angesichts der Verdienste, die er sich erworben hat in diesem Amt, in der Kommission und in der Landwirtschaftspolitik, die ein enorm schwieriges Politikfeld ist, eines, das sehr heikle Kompromisse erfordert und bei dem es sehr darauf ankommt, inmitten dieser Schlangenlinien der Landwirtschaftspolitik (Abg. Mag. Molterer: „Schlangengruben“!) das Fernziel im Auge zu behalten. Das ist ihm, so glaube ich, sehr gut gelungen.
Die Grünen wollen, fünftens, eine gemeinsame Außenpolitik der Union – und das ist mehr, Herr Bundeskanzler Schüssel, als ein formaler Außenminister der Union, das ist viel mehr! Von dieser Entwicklung der gemeinsamen Außenpolitik sind wir meilenweit entfernt. Solange wir diese gemeinsame Außenpolitik aber nicht haben, finden wir es abenteuerlich, von einer gemeinsamen Militärpolitik, gemeinsamen Verteidigungspolitik auch nur zu sprechen, denn dann fehlt ja jede Basis, jede Voraussetzung für eine gemeinsame Militär- und Verteidigungspolitik. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Wir sind gerne bereit, über die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu sprechen, aber zwei Dinge sollten außer Streit sein. Das braucht zumindest zwei Voraussetzungen: Erstens eine gemeinsame Außenpolitik, die diesen Namen verdient – als Vorstufe –, und zweitens eine parlamentarische Fundamentierung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Ohne diese parlamentarische Absicherung – und damit meine ich jetzt selbstverständlich das Europäische Parlament – wird es nicht gehen. Wir, die Grünen zumindest, wollen keine gemeinsame Verteidigungspolitik, die ausschließlich auf Ratskonferenzen, ausschließlich auf Beschlüssen der so genannten Reichsfürsten basiert. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Joschka Fischer als „Reichsfürst“ – das ist gut!)
Und wir wollen – das ist, glaube ich,
aus dem Bisherigen schon klar geworden – als Basis der künftigen
europäischen Verfassung den Konventsentwurf – nicht irgendetwas anderes,
sondern wir wollen jenen Entwurf, den der Europäische Konvent, an dem auch
österreichische Abgeordnete aus allen Fraktionen beteiligt waren, erarbeitet
hat. Wir wollen diesen Konventsentwurf! Wir sind von tiefem Misstrauen erfüllt
gegenüber der Tatsache, dass am 14. Juni – einen Tag nach der Wahl
zum Europäischen Parlament – schon die Regierungskonferenz zur, wie der
Herr Bundeskanzler meinte, Verbesserung des Konventsentwurfs beginnt. Wir
befürchten ganz im Gegenteil eine Verwässerung des Konventsentwurfs!
Das ist der Dissens, den wir derzeit haben. (Beifall
bei den Grünen.)
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Herr Präsident! Wenn Sie mir aufmerksam zugehört haben – wovon ich selbstverständlich ausgehe –, dann werden Sie bemerkt haben, dass ich in den bisherigen Minuten ...
Präsident Dr. Andreas Khol: Gegenstände Ihres Entschließungsantrages erläutert habend!
Abgeordneter
Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): ... die Grundgedanken des Entschließungsantrages
betreffend klare und nachvollziehbare Standpunkte Österreichs zur Europäischen
Demokratie und Verfassung erläutert habe. Dieser Entschließungsantrag, der an
alle Angehörigen dieses Hauses verteilt wird, bezieht sich auf den
Konventsentwurf, auf die Handlungsfähigkeit der Union, auf das volle Recht des
Europäischen Parlaments, über den europäischen Haushalt zu bestimmen –
fast hätte ich es vergessen. Wer hat versucht, dieses Recht zu unterminieren,
das ja noch nicht gegeben ist, sondern in der Verfassung erst festgeschrieben werden
muss? Wer war denn das, Herr Kollege Molterer? (Abg. Öllinger: Oh! Der Herr
Grasser!) War das nicht ein gewisser Karl-Heinz Grasser? (Abg.
Mag. Molterer: Der sich für die Einhaltung ausspricht, wie Sie
wissen! Der sich für die Einhaltung
ausspricht!) Hatte er dafür irgendeine Legitimation? Hatte er auch nur
einen Beschluss der Bundesregierung als Legitimation, vom Hauptausschuss ganz
zu schweigen, vom Nationalrat, von diesem Haus ganz zu schweigen? (Abg. Öllinger:
... der Finz! Der Finz war dafür!)
Überhaupt keine Legitimation hatte er! Er will ein Grundrecht des Parlamentarismus, nämlich die Budgethoheit, untergraben. Seit 600, 700 Jahren – wann war diese Frage im englischen Parlament debattiert worden? –, so in der Größenordnung, glaube ich (Abg. Dr. Gusenbauer: Beim Oliver Cromwell!), seit mindestens 600 Jahren (Abg. Mag. Molterer: Nein! Das ist zu lang! Das ist sicher nicht richtig!) ist es klar, dass die Hoheit über das Budget ein Grundrecht für jeden Parlamentarismus ist. Ohne diese gibt es keinen demokratischen Parlamentarismus. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Herr Bundeskanzler, Sie haben ja heute noch Gelegenheit, sich etwas genauer festzulegen. Ich habe den Eindruck, Sie haben einige Punkte angeschnitten, aber Sie legen sich – so wie immer, behaupte ich – nicht fest. Sie sagen, der Europäische Konvent habe erstklassig gearbeitet. Sie haben namentlich erwähnt: Voggenhuber, Einem, Farnleitner – in beliebiger Reihenfolge. Farnleitner war Ihr persönlicher Delegierter, Hannes Farnleitner war – wie lautet der Fachausdruck? – der für Sie persönlich in den Europäischen Konvent Entsandte. Farnleitner hat den Konventsentwurf unterschrieben, er hat ihn unterzeichnet.
Das ist Ihnen gleichgültig?! Sie nämlich unterzeichnen den Konventsentwurf für die Europäische Verfassung trotz Ihres Lobes – erstklassig gearbeitet und so weiter – offensichtlich nicht. Ich bin auch nicht zufrieden damit, dass Sie sagen, das Prinzip der qualifizierten Mehrheit in der Abstimmung muss ausgebaut werden, sonst – das füge ich hinzu – wird Europa entscheidungsunfähig. – Ja! Mir jedoch ist es zu wenig, wenn Sie sagen: Aber in einer wichtigen – das war nämlich Ihr zweiter Satz dazu – Frage, wie der Steuerpolitik in Europa – ich sage nicht „europäische Steuerpolitik“, sondern ich sage „der Steuerpolitik in Europa“ (Abg. Mag. Molterer: Wasser! Raumordnung!) –, hat das ohnehin keine Chance, und daher wird es nicht kommen. – Das ist mir zu wenig! Ich warte auf die österreichischen Initiativen in dieser Frage, zumindest in der Kapitalertragsteuer, zumindest in der Körperschaftsteuer, dass hier Plafonds nach unten, sozusagen, Deckelungen nach unten eingezogen werden, um dem europäischen Steuer-Dumping einen Riegel vorzuschieben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Abschließend, Herr Bundeskanzler: 60 Jahre Landung in der Normandie (Abg. Mag. Mainoni: Kampf gegen die Redezeit!) – ja, ein bedeutendes Datum der Ge-
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schichte. Ungeachtet aller Querelen, die man im Einzelnen – in der Landwirtschaftspolitik, in der Wettbewerbspolitik, in der Verkehrspolitik – in der EU hat, ist es klar: Dieses Verdienst, dieses historische Ziel der Union bleibt, nämlich die Erhaltung des Friedens in Europa!
Einer Ihrer nächsten Sätze aber war dann: Und wie schön, dass wir in Zukunft 60 000 Mann auf Knopfdruck-Bereitschaft abrufbar haben! – Darüber muss man schon etwas genauer diskutieren! Ich finde es im Prinzip auch notwendig, dass sich die EU auf diese Dinge, die leider immer wieder auftreten werden – siehe Balkankrise vor zehn Jahren –, vorbereitet, aber Sie haben kein Wort über die so genannte strukturierte Zusammenarbeit in der EU gesagt; vielleicht habe ich das überhört.
Wohl aber ist mir eine Aussage der Frau Außenministerin in den Ohren, die – nicht in Wien, aber in europäischen Gremien – der Ansicht ist, dass Österreich dieser so genannten strukturierten Zusammenarbeit sofort beitreten sollte. Wahrscheinlich versteht kein Mensch unter den Zuhörern, was das ist, aber diese militärische strukturierte Zusammenarbeit hätte unter anderem zur Folge, dass sich das österreichische Militärbudget annähernd verdreifachen müsste. Und dafür, Herr Bundeskanzler, gibt es jedenfalls seitens der Grünen kein Mandat – das muss völlig klar sein. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
12.13
Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Van der Bellen in den wesentlichen Grundzügen vorgestellte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Dr. Lichtenberger und KollegInnen betreffend klare und nachvollziehbare Standpunkte Österreichs zur Europäischen Demokratie und Verfassung ist hinreichend unterstützt und wird nun gemäß § 53 Abs. 4 des Geschäftsordnungsgesetzes an die Abgeordneten verteilt.
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten
Van der Bellen, Lichtenberger und KollegInnen betreffend klare
und nachvollziehbare Standpunkte Österreichs zur Europäischen Demokratie und
Verfassung, eingebracht im Zuge
der Debatte über die Erklärung des Bundeskanzlers
Die österreichische Bundesregierung
wollte in der entscheidenden Vorbereitungsphase zur Europäischen Verfassung,
zehn Tage vor den Wahlen zum Europäischen Parlament und vierzehn Tage vor der
möglichen Wiederaufnahme der Regierungskonferenz nach Brüssel fahren, ohne der
Öffentlichkeit im Nationalrat zu erklären, welche Positionen sie bei der für
die Verfassung entscheidenden Punkten einzunehmen gedenkt. Diese Vorgangsweise
zeigt, dass die schwarz-blaue Bundesregierung für das Regierungseuropa und den
nationalen Interessensbazar steht. Sie hat offensichtlich nur ein geringes
Interesse an einer gemeinsam im österreichischen Nationalrat entwickelten
Position. Im Lichte der Tragweite der Entscheidungen bei der bevorstehenden Regierungskonferenz
über eine Europäische Verfassung handelt es sich um eine demokratiepolitisch
unzulässige Vorgangsweise. Diese Nicht-Befassung des Parlamentes in der heißen
Phase der Verfassungsdebatte macht die Einberufung einer Sondersitzung durch die
Grünen nötig.
Die parlamentarische Legitimationsbasis der Europapolitik der österreichischen Bundesregierung ist schmal. Die Bilanz zu den parlamentarischen Mitspracherechten gemäß Art. 23 e B-VG ist negativ. Die Informationspflichten der Regierungsmitglieder gegenüber dem Nationalrat wurden mehrfach verletzt. In den zentralen europapolitischen Angelegenheiten wurde kein Konsens gesucht. Gab es unmittelbar nach dem Beitritt
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zur Europäischen Union immer wieder gemeinsame Initiativen des
österreichischen Nationalrates, so muss heute festgestellt werden, dass in
dieser GP nur noch ein einziger Beschluss im EU-Hauptausschuss gefasst wurde.
Und selbst bei diesem Beschluss handelte es sich um die Kenntnisnahme einer
vorgeformten Grundsatzposition der Bundesregierung zur Verfassungsdebatte durch
die Regierungsfraktionen und nicht um eine offene Debatte über ebendiese
österreichische Position, die eigentlich einen parteienübergreifenden Konsens
dringend nötig hätte. Die Bundesregierung trägt, weil sie im Parlament nach
keinem Konsens gesucht hat, für die Europapolitik die alleinige Verantwortung.
Die europapolitischen Defizite im Hinblick auf die Umsetzung europäischer
Richtlinien und auf die mangelhafte Beteiligung österreichischer Minister an
Ratssitzungen sind besonders unverständlich.
Bei der Außenministerkonferenz ist die
Ausweitung der qualifizierten Mehrheit in den Bereichen Sozial-, Wirtschafts-
und Steuer- sowie Landwirtschaftspolitik, wie sie der Konvententwurf zum Inhalt
hat, zur Disposition gestellt worden. Nationalstaatlich unlösbare Probleme
werden nach Brüssel delegiert, wo sie an der Einstimmigkeit wiederum scheitern.
Damit werden uneinlösbare Erwartungen geweckt. Dies gilt umso mehr, solange der
Rat mit der Aufrechterhaltung des Einstimmigkeitsprinzip in zahlreichen
Politikbereichen alle Lösungen blockiert. Die nationalen Regierungen verbinden
damit den Erhalt ihrer Machtstellung. Das Prinzip der Einstimmigkeit bedeutet
Veto-Macht für jeden Mitgliedstaat und führt zum Scheitern.
Dieselbe Täuschung begeht die ÖVP auch,
was ihre Haltung zur Nato betrifft. Während die Außenministerin im
Präsidentschaftswahlkampf behauptete, die Nato sei keine Option mehr, erklärte
am 3. Mai 2004 Bundeskanzler Schüssel in Rumänien: Mit der Verfassung
müsste auch geklärt werden, wie die künftigen Brennpunkte von EU und NATO
aussehen sollen: „Ich würde sagen, der militärische liegt bei der NATO, der
friedenserhaltende bei der EU-Seite.“ (APA0625, 2004-05-03) Damit wird von der
Bundesregierung eine gemeinsame, souveräne und autonome Außen- und
Sicherheitspolitik der EU hintertrieben. Die europäischen Regierungschefs haben
den Passus, der die Nato zur unverzichtbaren Grundlage der europäischen
Verteidigung macht, dem Verfassungsentwurf im vergangenen Dezember angefügt. Das
leitet eine völlig falsche Entwicklung der europäischen Außen- und
Sicherheitspolitik und eine Unterordnung unter die Hegemonie der USA ein. Es
steht im krassen und offenen Widerspruch zum österreichischen
Neutralitätsgesetz. Das ist ein schwerer Einbruch in den soliden Entwurf des
Verfassungskonventes, der eine autonome, souveräne, von der Nato unabhängige
Außen- und Sicherheitspolitik ermöglichen würde. Die Bestimmung. die Nato zur
„Instanz für die Verwirklichung der gegenseitigen Verteidigung“ zu machen,
schreibt eine Identität von Nato und EU unter der militärischen und politischen
Vorherrschaft der USA fest. Sie stellt den kürzesten Weg zu einem
Nato-Beitritt Österreichs dar, den die schwarz-blaue Regierung auf diese Weise
umzusetzen versucht.
Der Euratom-Vertrag schreibt seit 1957 die Förderung der Atomenergie und die Entwicklung einer „mächtigen Atomindustrie“ in Europa als unbefristetes EU-Primärrecht fest. Eine Reform des Vertrages ist der Schlüssel für den Europäischen Atomausstieg. Auf Initiative der Grünen ist es im EU-Konvent gelungen, den Euratom-Vertrag aus der EU-Verfassung herauszulösen und der Weg ist damit frei für eine überfällige Reform. Darüber hinaus eröffnet sich für einzelne Staaten die Option eines Ausstiegs aus Euratom, ohne aus der Union austreten zu müssen. Derzeit besteht die große Gefahr, dass das Konventsergebnis bei der bevorstehenden EU-Regierungskonferenz zunichte gemacht wird. Zentrales Anliegen muss die rasche Einberufung einer Euratom-Revisionskonferenz sein. Eine Revisionskonferenz ist zwar erklärtes Ziel der Bundesregierung, allerdings hat die Bundesregierung bisher keine entsprechend kraftvolle Initiative gesetzt. Statt im Verfassungsprozess permanent als Bremser aufzutreten, wäre die Bundesregierung in dieser Frage alleine aufgrund des in Österreich bestehenden
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Verfassungsverbotes von Atomkraft angehalten, zumindest einmal eine
Pionierrolle in Europa einzunehmen. Außerdem plant die Bundesregierung die
einzig ökologisch und sozial vernünftige Alternative zu Atomenergie, nämlich
den Ausbau der erneuerbaren Energieträger, zu blockieren. Das Ökostromgesetz
soll zerschlagen werden. Dadurch wird Österreich das per EU-Richtlinie
vorgegebene Ziel zur Steigerung von Ökostrom verfehlen. Stattdessen werden die
Atomstromimporte steigen, weil keine Energieeinsparung betrieben wird.
Das Ergebnis des Konvents, bei dem die
Vertreter des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente eine
zentrale Rolle gespielt haben, zeigt, dass offene Diskussionen im Konvent bei
weitem erfolgreicher sind als die bisherige Methode der Regierungskonferenzen
unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ungeachtet der zunächst vielen
unterschiedlichen Ansichten hat eine große Mehrheit und alle österreichischen
Vertreterinnen und Vertreter im Konvent seinen abschließenden Vorschlag
unterstützt. Dieser basiert daher auf einem neuen und breiten Konsens, auch
wenn nicht alle Forderungen des Parlamentes im Hinblick auf Demokratie,
Transparenz und Effizienz in der Union erfüllt worden sind.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen
daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung, insbesondere der
Bundeskanzler, werden dringend und mit Nachdruck aufgefordert, als Konsequenz
der Erfahrungen des Scheiterns der letzten Regierungskonferenz, bei der
Wiederaufnahme der Regierungskonferenz klare und nachvollziehbare Standpunkte
auf Grundlage der heutigen parlamentarischen Debatte zu entwickeln und:
in der Regierungskonferenz zum
Konvententwurf zurückzukehren, dem der persönliche Vertreter des Bundeskanzlers
Fahrnleitner und alle österreichischen Mitglieder des Parlamentes im Konvent
zugestimmt haben;
gegenüber dem Konvententwurf keine
weiteren Einschränkungen jener Politikbereiche, über die mit qualifizierter
Mehrheit entschieden werden soll, hinzunehmen;
in jeder Weise die Öffentlichkeit der
Gesetzgebung im Rat zu sichern und alle Maßnahmen zu unterstützen, die diese
Öffentlichkeit in der Praxis herstellen;
keinerlei weiteren Ausweitung der
Ratsgesetzgebung zuzustimmen;
Keine Ausdehnung der Zuständigkeiten des
Ratspräsidenten – gegenüber dem Konvententwurf – zuzulassen;
Gerichtliche Kontrolle aller Handlungen
aller europäischen Institutionen insbesondere auch im Bereich der inneren
Sicherheit zu gewährleisten;
für die Rechtsverbindlichkeit der
Europäischen Charta der Grundrechte einzutreten und keine einschränkende
Erklärung zur Grundrechte-Charta zuzulassen;
für das volle Recht des Europäischen
Parlamentes über den europäischen Haushalt und für sein Zustimmungsrecht bei der
mehrjährigen finanziellen Vorausschau einzutreten;
Außenminister und Vizepräsident der
Kommission dem Vertrauens- bzw. Misstrauensvotum des Parlamentes
uneingeschränkt zu unterwerfen;
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für den dritten Teil der Verfassung eine
erleichterte Revisionsmethode einzuführen, die nicht mehr auf Einstimmigkeit
beruht und die volle Einbeziehung und die Ratifizierung durch das Europäische
Parlament beinhaltet;
die Übergangsbestimmungen (Übergang von
der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit und vom besonderen Gesetzgebungsverfahren
zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren) so zu gestalten, dass sie nicht von
nur einem einzigen nationalen Parlament blockiert werden können;
die österreichische Bundesregierung soll
sich entsprechend dem Willen des Konventes dafür einsetzen, Vollbeschäftigung
auch für die Umsetzung europäischer Politik als Grundlage zu heranzuziehen;
für die Bürgerinnen und Bürger den
Zugang zu allen Dokumenten und die volle Informationsfreiheit zu unterstützen;
im Hinblick auf die Gemeinsame Außen-
und Sicherheitspolitik die Nato nicht als unverzichtbare Grundlage der
gegenseitigen Verteidigung (Art. 40 (7)) zuzulassen; für eine
gemeinsame Außenpolitik als Voraussetzung zur militärischen Sicherheitspolitik
und für die Zuständigkeit des Europäischen Parlamentes als verantwortliche
parlamentarische Instanz einzutreten; ein militärisches Kerneuropa der Nato
zum Aufbau von Interventionskapazitäten abzulehnen; und auf Basis der
Neutralität und Bündnisfreiheit Österreichs für eine autonome europäische Außenpolitik
zu nützen;
die Reform des Euratom-Vertrages als
Top-Priorität für die bevorstehende EU-Regierungskonferenz und die
österreichischen EU-Präsidentschaft 2006 festzulegen; in den
bevorstehenden Verhandlungen bei der EU-Regierungskonferenz sicherzustellen,
dass die vom EU-Konvent eröffnete Möglichkeit eines Euratom-Austrittes
einzelner Staaten gewährleistet bleibt; eine Revisionskonferenz zur Reform des
Euratom-Vertrages spätestens für den Zeitraum der Österreichischen
EU-Präsidentschaft 2006 einzuberufen und für den Fall eines Scheitern
dieser Reformkonferenz den Ausstieg Österreichs aus Euratom vorzubereiten und
zum frühest möglichen Zeitpunkt zu vollziehen; weiters vordringlich den Ausbau
der Erneuerbaren Energieträger in Österreich als einzig nachhaltige
Alternative zu Atomstromimporten aktiv voranzutreiben.
In der Regierungskonferenz dafür
einzutreten, dass die Ratifizierung der Verfassung durch ein europaweites
Referendum erfolgt.
*****
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist nunmehr Herr Abgeordneter Scheibner. Auch er hat 15 Minuten Redezeit. – Bitte.
12.13
Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der österreichischen Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Eine Sondersitzung etwas mehr als eine Woche vor einer Wahl zum Europäischen Parlament, zum gleichen Thema wie eine Dringliche Anfrage der Freiheitlichen und der Volkspartei in der letzten Nationalratssitzung, hat natürlich nichts mit diesem Wahlkampf und mit dieser Wahlbewegung, mit diesem Wahltermin zu tun; so wie auch sicherlich die Taferln, die hier präsentiert worden sind (Abg. Mag. Wurm: Der Herr Molterer weiß das!) und auf denen zufällig irgendwelche Wahlkampfslogans zu lesen waren, natürlich nichts mit dem Wahlkampf zu tun haben. Das gilt auch für die Inhalte und Themen, die man hier vorbringt, denn wenn ich mir die Bewertungen hier so ansehe, dann darf man ja über die Europawahl, über die Linien und über die Verdienste oder auch die Versäumnisse von Abgeordneten und Repräsentanten nichts sagen, denn sonst ist das ja „Hantieren“,
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ein „Schwachsinn“ oder „Schwachsinn über Briefleichen“,
wie es Kollege Van der Bellen ausgedrückt hat. (Abg. Dr. Van der Bellen: Genau
so!)
Ich will jetzt nicht sagen, dass das scheinheilig ist, denn sonst würde ich vielleicht einen Ordnungsruf bekommen, und dieses Wort nehme ich auch nicht in den Mund, aber man sollte doch ehrlich sein, meine Damen und Herren: Wir haben viele Gelegenheiten, über Europapolitik zu reden – ich hoffe, nicht nur in salbungsvollen Worthülsen, sondern auch dann, wenn es darum geht, Kritik zu üben, Kritik auch an Verhaltensformen in der Europäischen Union, an den Mechanismen der Europäischen Union. Es kann nicht so sein, dass man dann hier gleich als Europakritiker oder Europagegner diskreditiert wird. Aber selbstverständlich muss man doch offen und ehrlich zugeben, dass in einer Europawahlkampagne über alle Vorzüge der jeweiligen Konzepte und auch der jeweiligen Kandidaten, aber auch über die Nachteile und negativen Aspekte diskutiert wird und auch diskutiert werden soll. Das soll man wohl auch hier offen zum Ausdruck bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Natürlich ist es gut und immer gut, wenn wir über die Europäischen Union und die Entwicklung dieser Europäischen Union diskutieren. Aber man sollte sich auch offen und ehrlich zu den jeweiligen Konsequenzen der Forderungen bekennen, Herr Kollege Van der Bellen. Sie haben sehr zu Recht, wie alle anderen auch, hier das Friedensprojekt der Europäischen Union in den Vordergrund gestellt und auch begrüßt. Auch ich tue das – keine Frage. Eine der Wurzeln der europäischen Einigung waren ja die schrecklichen Ereignisse und Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg, aber selbstverständlich auch der Kriege davor, worauf man gesagt hat: Das darf sich in Europa nicht mehr ereignen! Es darf nicht mehr vorkommen, dass sich europäische Nationen bekriegen, Millionen an Toten zu beklagen sind. Wir müssen eine Organisation schaffen, wo Konflikte auf demokratische, auf menschliche, auf humane Art und Weise abgewickelt werden können. – Das war am Beginn, und selbstverständlich ist das die Erfolgsgeschichte der Europäischen Union.
Wir können aber nicht von dieser Geschichte leben und für die Zukunft nichts weiter tun, sondern aus diesem Friedensprojekt der Europäischen Union muss auch ein Sicherheitsprojekt der Europäischen Union werden. Es reicht nicht, wenn wir sagen: Deutschland wird nie wieder Krieg gegen Frankreich führen. Österreich wird nie wieder Krieg gegen Italien führen. – Das ist Gott sei Dank selbstverständlich geworden, aber das reicht nicht.
Wenn wir uns zu dem Projekt der Sicherheitsunion bekennen, wobei wir zu Recht auch beklagen, dass heute die Vereinigten Staaten die Einzigen sind, die politisch und militärisch die Möglichkeit haben, Krisenbewältigung unter Beweis zu stellen und auch aktiv zu intervenieren – wobei wir zu Recht auch kritisieren, wie das etwa im Irak unter Missachtung aller rechtsstaatlichen, völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Prinzipien geschieht –, dann ja, dann bekenne ich mich auch dazu, dass wir aus diesem Europa, aus dieser Europäischen Union auch ein Instrument für eine weltweite Sicherheitspolitik machen müssen, die auch einen Kontrapunkt zu einer Sicherheitspolitik darstellt, die sich nur militärisch versteht.
Aber, Herr Kollege Van der Bellen, wenn man dann gleichzeitig sagt: Die Mittel und die Instrumentarien in diese Richtung lehnen wir ab, denn mehr investieren in Sicherheitsaufgaben, zu versuchen, auch die militärischen Einrichtungen, die militärischen Strategien zusammenzuführen, das lehnen wir alles ab!, dann ist das inkonsequent. Zum einen zu sagen: Ja, diese Vision wollen wir!, aber den Weg dorthin dann nicht bestreiten zu wollen – das ist nicht der richtige Weg in diese Sicherheitsunion, so wie wir uns das vorstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
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Wenn wir sagen, am Anfang stand dieses Friedensprojekt, dann müssen wir auch sagen, dass gleich danach das Projekt der Wirtschaftsunion stand. Dieses ist auch zu unterstützen – selbstverständlich. Gerade weil wir uns jetzt – das war ja damals noch gar nicht abzusehen – in einem globalen Wettbewerb befinden, war das der richtige und ein wichtiger Weg für Europa, dass man Wirtschaftssysteme vereinheitlicht hat, Zölle abgebaut hat, versucht hat, zumindest Steuersysteme zu harmonisieren, Impulse für die Stabilisierung von Wirtschaftssystemen zu geben und damit auch in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht positive Maßnahmen zu setzen.
Aber auf der anderen Seite – das muss man auch darstellen, und dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen – sind auch Wirtschaftslobbys entstanden – an der Spitze die Atomlobby, aber auch viele andere Wirtschaftslobbys, auch eine Agrarlobby, auch andere entsprechende Institutionen –, die genau diese Harmonisierungen, die genau diese Systeme missbrauchen.
Wenn man dann in einer Europäischen Union – zaghaft, aber doch – Kontrollmechanismen einführt und draufkommt, dass etwa Förderungen, Subventionen missbraucht werden, dass es Wettbewerbsverzerrungen gibt, dass es Kartelle gibt, dann aber nur sehr, sehr halbherzig dagegen vorgegangen wird, weil man ja doch auch ein bisschen verschränkt ist mit all diesen Systemen, dann ist das auch gegen dieses Prinzip, gegen die Wurzeln, gegen die Visionen der Europäischen Union gerichtet.
Wenn man dann nicht einmal so weit ist, dass man diesen Subventionsmissbrauch dadurch bekämpft, dass man diese Subventionen von jenen Ländern, die sie zu Unrecht kassiert haben, zurückfordert, dann ist das falscher Umgang mit auch unserem Geld. Und dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen, wo immer wir das können! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Keuschnigg. – Zwischenruf des Abg. Dr. Van der Bellen.)
Deshalb, meine Damen und Herren, ist es inkonsequent, wenn man auf der einen Seite Stabilitätskriterien für die gemeinsame Währung verlangt – und die sind aus meiner Sicht notwendig, ob das jetzt ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Van der Bellen.) – Ja, okay, darüber kann man immer diskutieren, aber man braucht Stabilitätskriterien, und diese müssen auch eingehalten werden. Und wir Freiheitlichen haben damals, vor der Euro-Einführung, ausdrücklich gesagt, dass wir nicht gegen das Projekt der gemeinsamen Währung sind, sehr wohl aber dagegen, dass man für jene Fälle, die genau jetzt eintreten, nämlich dass sich Länder nicht an die notwendigen Vorgaben zur Stabilität dieser Währung halten, keinen Sanktionsmechanismus hat. Natürlich sind es die großen Länder wie Deutschland, die sich überhaupt nicht darum kümmern.
Wenn jetzt ein Finanzminister Vorschläge macht – über deren Inhalt kann man immer diskutieren, aber jedenfalls hat er Vorschläge gemacht –, endlich einmal einen auch aus österreichischer Sicht mutigen Vorschlag macht (Abg. Öllinger: Geh bitte! Was ist daran mutig?), der natürlich denjenigen, die es betrifft, weh tut, dann greifen Sie sich schon wieder auf den Kopf und sagen, man könne doch die anderen nicht vor den Kopf stoßen und das werde uns wieder schaden. – Also was wollen wir jetzt?
Wir Freiheitlichen wollen eine aktive, eine offene, eine dynamische Vertretung österreichischer Interessen auch in der Europäischen Union! Und Gott sei Dank wird genau das derzeit durch diese Bundesregierung durchgeführt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Van der Bellen. – Abg. Öllinger: Was ist daran mutig?)
Sie fordern das. Aber wenn es gemacht wird, sagen Sie wieder: Um Gottes Willen, da werden wir schon wieder hinten angestellt!
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Kluge Vertretung österreichischer Interessen (Abg. Öllinger: War das klug?): Herr Kollege Öllinger, Sie haben in der letzten Sitzung eine, glaube ich, Dringliche Anfrage betreffend Atompolitik eingebracht. Sie haben hier groß getönt: Die Slowakei halte sich nicht an Vereinbarungen, man müsse jetzt alle möglichen Maßnahmen setzen. Dann haben Sie die Regierung dafür kritisiert, dass sie hier zu wenig tue.
Wir haben gesagt: Wenn diese Ankündigung des slowakischen Wirtschaftsministers, also diese unsicheren Kraftwerke nicht zu schließen, sondern sogar noch auszubauen, umgesetzt wird, dann muss man selbstverständlich und mit allen möglichen Mitteln hier die Stimme Österreichs dagegen erheben und dagegen auftreten. Wir haben das klug gemacht. Die österreichische Bundesregierung hat das klug gemacht, sie hat Signale gesetzt – nicht solche, die Sie wollten –, und die Antwort, die darauf gekommen ist, war ein eindeutiges Nein der Slowakei zu diesen Ausbauplänen.
Das ist gute Vertretung österreichischer
Interessen in der Europäischen Union, meine Damen und Herren! (Beifall bei
den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe der
Abgeordneten Reheis und Öllinger.)
Und wenn es jetzt darum geht, diese Europäische Union auch zu einer politischen Union zu entwickeln, dann kommen wir zum Verfassungskonvent – und da hat auch unser Abgeordneter Bösch eine wichtige Rolle gespielt –, vor allem wenn es in die Richtung echter Volksvertretung in der Europäischen Union geht. Das ist ja das große Defizit: Friedensunion – ja! Wirtschaftsunion – ja! Aber wo ist die politische Union, die sich natürlich auch als demokratische verstehen muss, meine Damen und Herren? (Abg. Öllinger: Und die soziale?)
Wie sehen sich denn die demokratischen Instanzen wie das Europaparlament? Wie ist ihr Selbstverständnis? Wie sieht es denn da aus mit der Volksvertretung? Auch diesbezüglich erwarte ich mir noch eine ordentliche Diskussion bei der Verfassung der Europäischen Union. Wie sieht es denn aus mit Volksabstimmungen gerade über diese Verfassung auf europäischer Ebene? Ich würde mir erwarten, dass man auch darüber diskutiert! Oder hat man in der Europäischen Union wirklich Angst vor dem Willen des Volkes? Ist es vielleicht Zufall – ich glaube nicht –, dass die einzigen Volksabstimmungen, die gewonnen werden, die Beitrittsabstimmungen sind? Alles Weitere wird dann immer zum Problem gemacht.
Mehr Bürgernähe in dieser Europäischen
Union! Das sollte auch bei dieser Verfassungsdiskussion im Vordergrund stehen,
anstatt – und das Europaparlament muss sich diese Kritik gefallen
lassen – über die Interessen der Bevölkerung drüberzufahren, wie das etwa
bei unseren Transitinteressen der Fall gewesen ist, als sich das Europaparlament
sogar noch im Vergleich zur Kommission hervorgetan und noch striktere Maßnahmen
gegen Österreich verlangt hat. Das ist nicht Volksvertretung, so wie wir uns
das vorstellen, meine Damen und Herren! (Beifall
bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Reheis.)
Selbstverständlich, Herr Kollege von der SPÖ – ich danke Ihnen für den Zwischenruf –, erwarten wir uns aber, dass auch wirklich alle österreichischen Vertreter in den Institutionen der Europäischen Union diesem Grundsatz nachkommen, meine Damen und Herren, nämlich österreichische Interessen zu vertreten – und nicht so, wie es mir Abgeordneter Einem als Antwort in der letzten Debatte gesagt hat, als er gemeint hat: Na ja, Abgeordneter Scheibner ist ja auch in erster Linie Vertreter seiner Partei, der freiheitlichen Interessen und nicht der Vertreter seines Bundeslandes.
Nein, Herr Kollege Einem, aber darin unterscheiden wir uns vielleicht. (Abg. Dr. Einem: ... im Protokoll nachlesen, Herr Kollege!) Und wenn es so ist, dann Gott sei Dank: Selbstverständlich bin ich von einer Partei nominiert, bin über eine Parteiliste gewählt worden. Aber mein Selbstverständnis als Abgeordneter ist es, die Interessen der öster-
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reichischen Bevölkerung zu vertreten! (Ironische Oh-Rufe bei der SPÖ.) Der Weg
mag, wenn man ein ideologisches und ein grundsatzpolitisches Fundament hat, ein
anderer sein, aber das Ziel muss dasselbe sein, Herr Kollege Einem. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der ÖVP.)
Das sei auch Ihren EU-Abgeordneten gesagt,
denn das war ja der Grund für die damalige Debatte. Sie haben das Verhalten
etwa der sozialistischen EU-Abgeordneten in der Zeit der Sanktionen damit
gerechtfertigt, dass diese eben sozialistische Interessen vertreten hätten. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.) Und genau dadurch unterschieden
wir uns eben. (Ironische Heiterkeit bei
Abgeordneten der Grünen.)
Ich verlange von einem österreichischen
Abgeordneten zum Europäischen Parlament, dass er österreichische Interessen
vertritt (Zwischenrufe bei der SPÖ und
den Grünen), in einer Zeit, in der es darum geht, dem Land Hilfe zu geben,
weil diese Europäische Union die demokratischen Grundsätze vernachlässigt, sie
bricht, indem sie gegen ein Land Sanktionen setzt, wie das gegen Österreich der
Fall gewesen ist, und zwar nur deshalb, weil hier in einer demokratischen Wahl
ein Parlament gewählt und eine Bundesregierung eingesetzt worden sind. Darin
unterscheiden wir uns, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Und, Herr Kollege Gusenbauer, das ist keine
Schmutzkübel-Kampagne! Das ist keine Schmutzkübel-Kampagne! (Abg. Dr. Wittmann: Was ist es dann?) Sie sollten sich einmal Ihre
Wahlkampfpropaganda zur EU-Wahl 1999 ansehen, als Sie angesichts einer
militärischen Aktion im Kosovo, als nach dem Tod von 300 000
Menschen – ob sie dann im Ausmaß gerechtfertigt war oder nicht – auf
dem Balkan endlich eine Militäraktion stattgefunden hat, um dieses Morden und
Vertreiben und Foltern zu beenden, dieses Thema hier in Österreich zum Thema
eines EU-Wahlkampfes gemacht haben. Sie haben es dabei so dargestellt, als ob
die böse NATO, die böse Staatengemeinschaft gegen irgendwelche demokratischen
Staaten zu Felde gezogen sei, und haben gesagt: Gott sei Dank sind wir nicht
dabei, wir sind ein neutrales Land und müssen uns nicht beteiligen. (Abg. Reheis:
Das ist ja unglaublich!) Das war ein Spiel mit den Gefühlen
der Bevölkerung, Herr Kollege Gusenbauer. Also halten Sie uns hier keine Vorträge!
(Abg. Reheis: Das ist ja schön peinlich, was Sie da sagen!)
Meine Damen und Herren! Uns geht es darum, dass österreichische Vertreter im Europäischen Parlament österreichische Interessen zu vertreten haben.
„Briefleichen“ nennt es Herr Van der
Bellen. (Abg. Dr. Wittmann: Sehr schwach! Besonders
schwach!) – Das ist noch immer die gleiche Amtsperiode Ihrer
EU-Abgeordneten. Ich hätte mir erwartet, dass Sie das nicht kritisieren, sondern
dass Sie sich endlich entschuldigen, und zwar für die Rolle, die Ihre Partei
und Ihre Abgeordneten Ihres Bundeskanzlers Klima bei den Sanktionen gespielt
haben. (Abg. Reheis: Entschuldigen Sie sich doch für Ihre
unqualifizierten ...!) Das hätte ich mir von Ihnen, meine Damen und
Herren von der SPÖ, erwartet! Das war zum Schaden Österreichs. (Beifall bei den Freiheitlichen und der
ÖVP.)
Wenn Herr Gusenbauer im Europaparlament auftritt und diese Aktionen nicht nur nicht kritisiert, sondern sie sogar noch begrüßt, wie er das in seiner Rede gemacht hat (Rufe bei der SPÖ: Gusenbauer?), wenn ein Abgeordneter ... (Abg. Dr. Gusenbauer: Europaparlament?) – Entschuldigen Sie: Swoboda! (Abg. Dr. Gusenbauer – auf den Redner deutend –: Er ist verwirrt!) Sie haben sie auf andere Art und Weise begrüßt! (Abg. Mag. Molterer: Champagner trinkend!) Wenn ein Abgeordneter Swoboda in seiner Rede einen Bundeskanzler und einen Landeshauptmann der Republik als machtzerfressen und Sonstiges tituliert, dann ist das zum Schaden österreichischer Interessen, Herr Abgeordneter Gusenbauer! Und dafür müssen Sie sich hier auch rechtfertigen! Das und nichts anderes wollen wir!
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Sie haben Kommissar Fischler angesprochen:
Ja, selbstverständlich, er hat jetzt diese Wahlkampagne kritisiert. Ich weiß
zwar nicht, mit welcher Berechtigung, aber als Privatperson kann er das
sicherlich machen. (Abg. Mag. Wurm: Ja darf der denn das?) Ich
hätte mir aber auch damals, in dieser schwierigen Situation, erwartet, dass er
nicht mit der gesamten EU-Kommission mitstimmt und diese Resolutionen begrüßt
und zur Kenntnis nimmt, sondern dass er auch damals gesagt hätte, diese
Sanktionen sind ungerechtfertigt und ungerecht. (Abg. Dr. Van der Bellen:
Das hat mit ... überhaupt nichts zu tun!)
Also kann es, meine Damen und Herren, wohl keine Schmutzkübel-Kampagne sein (Rufe bei der SPÖ: Natürlich!), wenn man verlangt, dass österreichische Repräsentanten in der Europäischen Union für österreichische Interessen auftreten, und nicht dagegen. Und das werden am 13. Juni selbstverständlich auch die Österreicherinnen und Österreicher zu beurteilen haben.
Gibt es eine Vision für ein gemeinsames Europa? – Ich hoffe: ja! Die Realität sollte an diese Vision angenähert werden. Wir brauchen aber jedenfalls eine offensive, eine aktive Vertretung Österreichs in der Europäischen Union. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
12.29
Präsident Dr. Andreas Khol: Von der Regierungsbank aus ist Herr Bundesminister Mag. Haupt zu Wort gemeldet. Seine Redezeit ist mit 15 Minuten festgelegt. – Bitte, Herr Bundesminister.
12.29
Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehschirmen! Europa ist mit 1. Mai größer geworden. Das Friedensprojekt hat neue Grenzen, ein neues Gesicht und wird auch eine neue Verfassung und einen neuen Weg dieses vereinten größeren Europa brauchen. Für mich aber ist das, wie ich es auch schon am 1. Mai ausgeführt habe, keineswegs ein Grund für überschwängliche Freude und Freudenkundgebung, sondern für mich als Sozialminister dieser Republik ist es ein Grund für hohe Wachsamkeit, damit Österreich und seine Menschen durch diese Osterweiterung nicht unter die Räder kommen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Da das soziale Europa nicht nur in den Reden des Kollegen Gusenbauer, sondern auch auf seinem Taferl angesprochen wurde, so darf ich schon darauf hinweisen, dass die Übergangsfristen für die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ursprünglich zwei Jahren auf fünf und dann sieben Jahre durch mich und diese Bundesregierung sowie die Vorgängerbundesregierung ausverhandelt worden sind, um eben gerade das soziale Europa und die soziale Sicherheit in Österreich für unsere Menschen, unsere Bürger auch in Zukunft zu erhalten.
Sie werden mir auch darin Recht geben, dass im Jahre 2000, als ich als Minister begonnen habe, weder die Arbeiterkammer noch der Österreichische Gewerkschaftsbund mit diesem Ergebnis gerechnet haben, weil wir mit der Startlinie zwei Jahre begonnen haben. Das Ergebnis, das wir gemeinsam mit Deutschland unter schwedischer EU-Präsidentschaft erreicht haben, wird sich für die friedliche soziale Entwicklung in Europa positiv auswirken.
Sehr geehrte Damen und Herren! Da auch die Rolle der Agrarpolitik in der heutigen Diskussion angesprochen worden ist, so werden Sie sich sicher daran erinnern, dass ich nahezu zwei Jahre lang für die österreichische Veterinärpolitik in Europa zuständig
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war. Es war dies die schwierigste Phase für die österreichische Landwirtschaft: Der erste BSE-Fall in Österreich und die Maul- und Klauenseuche mit, ich würde fast sagen, mittelalterlichen Verbrennungsmethoden im sozialistisch dominierten England des Tony Blair, mit Nicht-Sicherheitsmaßnahmen in Holland und in anderen europäischen Ländern haben uns, unsere Landwirtschaft und die Entwicklung unserer Landwirtschaft bedroht.
Ich bin sehr stolz darauf, dass meine damaligen und die heutigen Beamten des Veterinärbereichs, aber auch des Landwirtschaftsbereichs in mehrstündigen, nächtelangen Sitzungen auf europäischer Ebene erreicht haben, dass heute ein wissenschaftliches Ausmerzungsmodell nach österreichischem Beispiel in der Europäischen Union Standard ist.
Der eine oder andere Landwirtschaftsminister hat auf andere Modelle gesetzt, war in der damaligen Situation wirtschafts- und nicht gesundheitlich und wissenschaftlich orientiert, weil er falschen Beratern geglaubt hat und Irrtümern unterlegen ist, und musste dann seinen Hut nehmen, um diesen Weg für eine gute und gedeihliche Entwicklung der Landwirtschaft und sicherer Lebensmittel in Europa voranzutreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich glaube, dass ich aus dieser Sicht durchaus berechtigt bin zu sagen, dass es hier in Europa nicht einfach war. Ich kann mich daran erinnern, dass ich mit der damaligen Vertreterin der österreichischen Delegation, Frau Dr. Gebetsroither, und meinem Veterinär 19 Stunden lang alleine da gesessen bin, bis ich dann, vielleicht auch mit meiner Sturheit, für Österreich die gleichen BSE-Zahlungen wie für die anderen Länder erreicht und schlussendlich den Startschuss für ein künftiges positives Modell gegeben habe.
Herr Kollege Van der Bellen, verzeihen Sie mir daher, dass ich manches im Rückblick etwas weniger rosig sehe, als Sie es in der Zukunft sehen, aber ich setze darauf, dass jeder intelligente Mensch aus positiven Erfahrungen und positiven Erkenntnissen für die Zukunft auch neue Wege der positiven Gestaltung geht.
Wenn wir davon sprechen, dass dieses Europa ein Friedensprojekt ist, so gestatten Sie mir auch, die Sorgen und Nöte der Österreicherinnen und Österreicher anzusprechen, wenn sie sich fragen: Was ist das für ein Friedensprojekt? – Seit mehr als einem Jahr verharren europäische Truppen in einem völkerrechtswidrigen Kriegszustand im Nahen Osten, die Europäische Union braucht Tage, um sich gegen Menschenrechtsverletzungen, gegen Terrorismus und Übergriffe zu äußern! Zwar hat Spanien Gott sei Dank seine Truppen zurückgezogen, aber die anderen europäischen Partner führten dort mit europäischem Geld immer noch einen Krieg, der für uns in Österreich, als drittem Land mit einem UNO-Sitz inakzeptabel ist.
Wir in Österreich haben in unserer Außenpolitik immer darauf gesetzt, dass die Vereinten Nationen jenes Regulativ sind, das den Weltfrieden herstellen, den Frieden auf der ganzen Welt für alle Staaten nach gleichen Maßstäben garantieren soll.
Wenn Sie es verkürzt haben wollen: Gleiche Menschenrechte für alle! Diese gleichen Menschenrechte für alle gibt es offensichtlich immer noch nicht. Es ist jedenfalls ein gutes Zeichen, wenn Schröder in dieser Woche als erster deutscher Bundeskanzler zur Gedenkveranstaltung zu den 60-Jahr-Feiern der Landung der alliierten Truppen in der Normandie eingeladen wird.
Herr Kollege Gusenbauer! Wenn wir die damalige Ausgrenzung Österreichs und die Argumente dafür, die auch Ihr heutiger Spitzenkandidat Swoboda damals vorgebracht hat, betrachten, so verzeihen Sie mir schon, dass ich darauf hinweise, dass wir in Kärnten, in Tirol, in Südtirol, in den angrenzenden Regionen nicht so lange gebraucht
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haben, um aus
den Gräben des Ersten Weltkriegs den Weg zum Frieden und zu einem gemeinsamen
Treffen mit den Feinden von jenseits und diesseits der Grenze für einen
Interessenaustausch und eine Konfliktbewältigung zu finden, während die
Europäische Union sechs Jahrzehnte braucht, um den gleichen Schritt zu machen,
den unsere Regionen und unsere Regionalpolitiker, Herr Dr. Haider, die
Landeshauptleute von Tirol, Südtirol und die Regionalpräsidenten von Friaul,
Julisch-Venetien schon vor Jahrzehnten geschafft haben. (Abg. Öllinger: Na, na, na!)
Ich glaube daher, dass wir es uns nicht
gefallen lassen dürfen und auch nicht gefallen zu lassen brauchen, wenn uns in
dieser Situation von unseren eigenen Landsleuten im Europaparlament ein
falscher Spiegel vorgehalten wird. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Und wenn, Kollege Gusenbauer, gerade während dieser Sitzung eine Historikerkommission von Ihrem Spitzenkandidaten verlangt wird, so gestatten Sie mir, festzustellen: Wir brauchen keine Historikerkommission (Ruf bei der SPÖ: Oh ja!), wir brauchen Österreicher, die Österreich im Europäischen Parlament vertreten, die Österreich in ihrem Herzen tragen, denn die Beschlüsse der nächsten Jahre im Europaparlament werden entscheidend sein.
Über die neue Verfassung ist abzustimmen. Neben der neuen Verfassung steht die Neuordnung der finanziellen Gestaltung der Europäischen Union 2006 an. Da möchte ich Österreicher haben, die Österreich vertreten und nicht andere politische Überlegungen auf Kosten ihres Heimatlandes anstellen. Ich glaube, das ist ein legitimer Wunsch der österreichischen Bevölkerung auch für diese Europawahlen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Kollege Gusenbauer, gestatten Sie mir auch noch, Folgendes zu sagen: Seien wir doch nicht larmoyant! Ihr Spitzenkandidat war der Erste, der im österreichischen Fernsehen den Europawahlkampf in einen nationalen Wahlkampf umfunktioniert hat. In meinem Heimatbundesland Kärnten heißt es: Wie man in den Wald hineinruft, so kommt es als Echo zurück. – Das Echo hat er nunmehr dafür bekommen, dass er aus einer Europawahl eine andere, höchst politische Wahl machen wollte.
Wir brauchen eine Europawahl. Wir brauchen europäische Abgeordnete für Österreich im Europäischen Parlament, denn die Fragen der Zukunft sind dort zu lösen. Wir haben mehr als 60 Prozent unserer Regelungen, die wir seinerzeit im österreichischen Parlament getroffen haben, mit Einverständnis der österreichischen Bevölkerung auf die europäische Ebene verlagert. Und daher brauchen wir jetzt 18 Abgeordnete im Europäischen Parlament, die Österreich dort „vollinhaltlich“ vertreten.
Herr Kollege Gusenbauer, verzeihen Sie mir auch, dass ich eine andere Sichtweise habe, als Sie in Ihrer Rede gezeigt haben. Wir haben von Seiten dieser Bundesregierung Österreich im Europäischen Parlament, in der Kommission und in den Räten gut vertreten. Wir haben im Sinne eines sozialen Europa diese Übergangsfristen erreicht. Wir haben auch erreicht, dass wir für das hohe soziale Niveau, das wir in Österreich haben, die horizontalen Möglichkeiten des Vergleichs, die Sozialstaaten mit der Niveauanhebung nach oben und nicht mit einer Nivellierung nach unten im europäischen Sozialausschuss bekommen haben. Wir haben gerade vor zwei Tagen im Europäischen Rat Soziales eine Diskussion darüber geführt, dass der Gesundheits- und der Sozialbereich selbstverständlich anders zu behandeln sind als alle anderen Wirtschaftsbereiche, bei denen es nach dem Herkunftsland-Prinzip geht, um eben nicht in Zukunft den Sozialabbau in Österreich erleben zu müssen. Und ich glaube daher, dass jene Mehrheiten, die wir bis heute in Europa erreicht haben, für die Entwicklung des österreichischen Sozialstaates gut waren.
Wenn ich mir die Steuerreform ansehe, mit der wir den Wegfall des 13. Umsatzsteuertermins und eine vorgezogene Steuerreform erreichen konnten, sodass 100 Mil-
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lionen € in Österreich
bleiben und nicht in die Europäische Union gehen, so halte ich das als
österreichischer Minister für Soziales für gut, weil wir damit mehr Geld im
Inland zur Verfügung haben. Und ich gebe Kollegem Van der Bellen, der meint, dass
Herr Kollege Grasser da etwas zu knausrig mit der Förderung der Europäischen
Union sei, nicht Recht, sondern bin der Meinung, dass wir jeden einzelnen Euro
brauchen, um gerade hier in Österreich Beschäftigung und Arbeit zu schaffen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.)
Wenn wir uns die Arbeitslosenzahlen in
Österreich ansehen, so sind wir Gott sei Dank weit vor vielen
sozialdemokratisch und grün geführten Ländern der Europäischen Union, was die
Beschäftigung betrifft. Wir liegen im Spitzenfeld. Wir sind bei der Jugendbeschäftigung
Spitze, wir sind bei der Beschäftigung insgesamt im Spitzenfeld, und wir sind
Gott sei Dank auch in einem Aufholprozess, was die Beschäftigung der älteren
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrifft – und das, sehr geehrte Damen
und Herren, ist gut so! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten
der ÖVP.)
Verzeihen Sie mir, sehr geehrte Damen und Herren, dass ich auch hier in manchen Punkten der Diskussion eine andere Sicht als die Opposition habe. Wir brauchen in einem Europa der Zukunft auch engagierte Menschen, die die Eigenart ihres eigenen Landes voll vertreten.
Die Konzeption der Gründerväter der Europäischen Union ist von ihrer Erfahrung ausgegangen. Ob der Franzose Schuman, der Deutsche Adenauer oder der Italiener de Gasperi – im Übrigen drei deutschsprachige Politiker, die alle aus den ehemaligen Kriegszonen des Ersten und Zweiten Weltkrieges ihre Erfahrungen für das Friedensprojekt Europa gesammelt haben –, sie alle haben dieses Europa auch als ein Europa der Vielfalt und nicht als ein Europa des Einheitspreises dargestellt.
Wenn ich sehe, dass in meiner Zeit als Jugendminister im Vergleich zu meinen Vorgängerinnen im Bereich der österreichischen Innenpolitik gerade der Jugendaustausch und die Förderung von Jungendprogrammen um mehr als 25 Prozent im Vierjahresabstand gesteigert werden konnten, dann meine ich, dass wir von Seiten der österreichischen Regierung, um diesem friedenfördernden Projekt in Europa eine Chance zu geben, mehr getan haben als viele andere vor uns.
Ich meine auch, dass es legitim ist, hier im österreichischen Parlament darauf aufmerksam zu machen. Es wundert mich immer, dass sich die Sozialdemokratie ihrer historischen Verantwortung nicht bewusst ist, dass auch die Menschenrechte für die altösterreichischen deutschsprachigen Minderheiten selbstverständlich nicht teilbar sein dürfen. Die März-Ereignisse des Jahres 1919, als Hunderte demonstrierende deutschsprachige Alt-Österreicher von Tschechen niedergeschossen worden sind, waren Demonstrationen nach einem Aufruf der damaligen Sozialistischen Partei. Daher sollte, so meine ich, gerade die Sozialdemokratische Partei heute in ihrer Tradition für diese Frage mehr Sensibilität und mehr Kontinuität auch in Europa haben.
Ich wünsche mir, dass das neue Europaparlament nicht so wie das alte nur einen kurzen Moment lang eine Mehrheit auch für die Menschenrechte für die altösterreichischen Minderheiten hat, sondern stetig dafür kämpft, dass es für alle Minderheiten und für alle Volksgruppen in Europa, auch für die altösterreichischen Minderheiten, volle Menschenrechte gibt und nicht immer noch totes Recht judiziert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich weiß, wovon ich spreche, sehr geehrte Damen und Herren! Manche der heutigen Prozesse, die in unserem Nachbarland Tschechien erledigt werden und bei denen es um Entschädigungsfragen und um Fragen der Anerkennung von Menschenrechten und von Haftzeiten geht, sind immer noch von den Beneš-Dekreten geprägt. Die Beneš-Dekrete sind leider nicht totes Recht, wie uns das immer weisgemacht wird. In
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einem neuen Europa, das ein Friedensprojekt ist, müssen diesen Dingen alle ihre Aufmerksamkeit zuwenden.
Ich bin der gleichen Meinung wie der Ministerpräsident von Bayern in seiner Pfingstrede: Es ist eigentlich eine Schande, dass es zwei Geschwindigkeiten für Menschenrechte in der Europäischen Union gibt. Es kann nur ein Friedensprojekt mit einer Geschwindigkeit für die Menschenrechte geben. Die Menschenrechte müssen unteilbar sein – innerhalb Europas, außerhalb Europas, weltweit! Daher brauchen wir – ja, Herr Kollege Van der Bellen! – eine gemeinsame Außenpolitik all jener, die von dem Prinzip der Unteilbarkeit der Menschenrechte ausgehen.
Egal, ob es sich um den Irak handelt, ob
es sich um innereuropäische Fragen handelt, ob es sich um Fragen des Nahen
Ostens oder um Fragen aus Südamerika handelt, Menschenrechte müssen unteilbar
sein – auch in China beispielsweise, weil sich auch dort gerade der sehr
bedenkliche Jahrestag des Studentenaufstandes zum 15. Mal jährt:
Menschenrechte sind unteilbar! Wenn das Bestandteil der Europäischen Union
wird, dann hat die Europäische Union alle Zukunft. – Danke schön. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
12.44
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Cap. Seine Redezeit wie jene der nachfolgenden Redner beträgt 6 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Cap begibt sich zum Rednerpult und stellt dort eine Tafel mit der Aufschrift auf: „Für ein soziales Europa! SPÖ“.)
12.44
Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Meine Damen und Herren, ich werde Ihnen auch erklären, weshalb diese Forderung nach einem sozialen Europa eine so wichtige ist. Sie sollten nämlich wissen: Es genügt nicht, bloß zu deklamieren, dass es nie wieder einen Ersten und Zweiten Weltkrieg geben soll, sondern es gilt auch, hinzuzufügen, dass die Wurzeln für Extremismus, Ausschaltung der Demokratie und Kriege in Wirtschaftschaos, Beschäftigungslosigkeit und Arbeitslosigkeit liegen. Deshalb ist uns das ein solch großes Anliegen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Das geht bis hin zur Frage der Kriminalität, das geht bis hin zur Frage der Sicherung von Wirtschaftsstandorten, die man dann diskutieren muss, das geht so weit, dass man soziale Niveaus absichert, dass man einfach für ein österreichisches Modell, letztlich dann transportierbar und übertragbar auf ein europäisches Modell eines Sozialstaates eintritt. Für dieses soziale Europa kämpfen wir. – Und das ist unsere Kritik an der Regierungspolitik und Ihrer Politik in Brüssel: dass Sie genau das nicht erfüllen, dass Sie hier säumig sind, dass Sie nicht wirklich, nicht rechtzeitig Initiativen für Beschäftigung unterstützt haben – wenn, dann zögerlich, und wenn, dann zu spät – und für Wachstumspolitik nichts gemacht haben!
Was haben Sie getan? – Finanzminister Grasser macht antidemokratische Vorschläge, indem ihm nichts Besseres mehr einfällt als: Stimmrechte entziehen, wenn jemand Defizitgrenzen nicht einhält! Das mache keinen Sinn, weil man durch diese strenge Einhaltung des Stabilitätspaktes nicht wirklich Impulse für Wachstum und Beschäftigung setzen könne. – Die größte Geißel ist letztlich die Arbeitslosigkeit! Sie unterminiert die Demokratie, und sie ist die Wurzel für antidemokratische und extremistische Strömungen. (Beifall bei der SPÖ.)
Daher ist es wichtig, dass dieses Europa eine Friedensunion ist, eine Sozialunion ist. Daher ist es wichtig, dass dieses Europa zusammenwächst im Rahmen einer Verfassung, dass dieses Europa ein starkes Europäisches Parlament bekommt. Es ist wichtig, dass es diese Legitimation auch durch eine hohe Wahlbeteiligung bekommt.
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Deswegen sollten wir uns alle hier bemühen, dass die Wählerinnen und Wähler durch entsprechende Wahlkampfkultur motiviert werden, dass sie auch wirklich Lust und Motivation haben, an den Wahlen am 13. Juni teilzunehmen.
Ich habe mich schon damit abgefunden, dass Österreich zu jenen Ländern gehört, deren Regierungsmitglieder ganz wenig bei EU-Räten vertreten sind und kein Interesse an diesen Sitzungen haben. Damit habe ich mich abgefunden, das ist eben ein Wesenselement dieser Regierung. Aber was ich nicht verstehe, ist: Was macht es für einen Sinn, wenn Österreich einen respektierten, geachteten Kommissar hat, dem dann im eigenen Land Prügel vor die Füße geworfen werden, der kritisiert wird von seiner eigenen Partei, von den eigenen Regierungsmitgliedern? Was macht es für einen Sinn, dass die ÖVP duldet, dass die FPÖ den ehemaligen ÖVP-Minister und jetzigen EU-Kommissar Fischler, der sich dem Anstand gebührend zu dieser Wahlkampfkultur kritisch zu Wort gemeldet hat, der dieser Schmutzkübel-Kampagne gegen Hannes Swoboda entgegengetreten ist – im Interesse Österreichs! –, so attackiert, wodurch letztlich Schaden für Österreich entstanden ist?
Mit welchem Renommee wird denn Franz Fischler in der Kommission in der noch verbleibenden Zeit weiter arbeiten, wenn er aus der eigenen Heimat so attackiert wird? Das verstehe ich nicht, was Sie hier machen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Was ich noch nicht verstehe, ist: Was macht es für einen Sinn, die Atmosphäre auch zwischen den EU-Abgeordneten der vier Fraktionen derart zu vergiften? Herr ÖVP-Parteiobmann Dr. Schüssel! Weshalb lassen Sie den ÖVP-Generalsekretär Lopatka auf der Homepage der ÖVP mit gefälschten Briefen gegen Hannes Swoboda arbeiten? Das vergiftet nur die Atmosphäre.
Wir hier in Österreich sollten daran interessiert sein, dass alle unsere Abgeordneten im Europäischen Parlament ein Klima vorfinden, das es erlaubt, in Fragen, in denen es Übereinstimmung gibt, zusammenarbeiten zu können – nicht nur in den großen Fraktionen –, um den Interessen Österreichs im Parlament in Brüssel wirklich zum Durchbruch zu verhelfen, anstatt sich, so wie in der Transitfrage, in der Atomfrage – und jetzt werden wir sogar noch den Kommissar verlieren –, nicht durchsetzen zu können, weil wir eben nicht wirklich bündnisfähig sind.
Ein Bild der Zerstrittenheit, ein Bild eines Wahlkampfes, angesichts dessen sich ein Außenstehender nur auf den Kopf greift und sich fragt, ob dieses Land überhaupt begreift, dass es auch um die Interessen Österreichs in Brüssel geht. (Abg. Mag. Molterer: Wasserausverkauf!) – Sie sollten gleich einmal anfangen, Sie haben sicher einen heißen Kopf wegen dieses Wahlkampfes, den Sie hier geführt haben. – Das ist das Problem, vor dem wir heute stehen. (Beifall bei der SPÖ.)
Daher mein Appell, die letzten Tage zu nutzen und für unsere künftige Arbeit in Brüssel das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen! Und dazu gehört nicht, den Kommissar, der von Österreich aufgestellt wurde, zu ramponieren, dazu gehört nicht, sich gegenseitig zu ramponieren, wenn es um die Vertretungsarbeit im Europäischen Parlament geht!
Ein Letztes noch, Herr Bundeskanzler Schüssel! Ich erinnere Sie an den Artikel des Herrn Rauscher im „Standard“ vom 3. Juni, in dem er schreibt, Sie wurden von Juncker, von Chirac darauf hingewiesen, dass es eine Reaktion geben wird, wenn – im Jahr 2000 – die FPÖ in die Regierung kommt. – Wir hätten gegen einen Untersuchungsausschuss nichts gehabt, denn uns hätte auch Ihre Rolle interessiert, Herr Bundeskanzler Schüssel, Ihre Rolle zur Verhinderung der Sanktionen – das hätte uns sehr interessiert – und die Rolle der Konservativen, der spanischen VP, der französi-
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schen VP und aller anderen konservativen Schwesterparteien, die gezündelt haben und in Wirklichkeit die Wurzel dieser Sanktionen waren.
Wir haben dann in Wirklichkeit versuchen müssen, das Ganze zu beseitigen, und haben dagegen gekämpft. Hannes Swoboda an der Spitze, Seite an Seite mit Franz Fischler und anderen, die sich für Österreich eingesetzt haben. Das ist unangenehm für Sie, aber auch das werden Sie sich anhören müssen! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ.)
12.51
Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger an das Rednerpult. Auch seine Redezeit beträgt 6 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Spindelegger begibt sich zum Rednerpult und stellt dort eine Tafel mit folgender Aufschrift auf: „Österreich in Europa stark vertreten! EU-Wahl 13. Juni! ÖVP“.)
12.51
Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Mein Kollege und Klubobmann Willi Molterer hat heute den Begriff der „Verhaiderung der SPÖ“ geprägt. – Kollege Cap soeben hat den Wahrheitsbeweis prompt angetreten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wer wie Sie mit so viel negativer Energie, mit so viel Oberflächlichkeit und mit dieser Polemik versucht, in Europa etwas zu bewegen, der ist auf der falschen Fährte, meine Damen und Herren! Damit bewegt man nichts. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wie oberflächlich Ihre Sprüche sind, zeigt sich ja an Ihrem einzigen Taferl, das Sie heute offenbar ausgegeben haben: „Für ein soziales Europa!“. Heißt das, meine Damen und Herren: Wir wollen die Sozialpolitik nach Brüssel verlagern? Wir wollen, dass künftig die Europäische Union darüber entscheidet, wie in Österreich Pensionen gezahlt werden, welcher Gesundheitsstatus hier besteht, wer eine Arbeitslosenversicherung bekommt? – Nein, danke, das soll und muss in Österreich entschieden werden! Dafür treten wir ein in diesem Europa. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Geschätzte Damen und Herren! Ich darf auch meine Kritik an Ihnen, Herr Kollege Van der Bellen, nicht verhehlen. Sie rufen uns heute zu einer Sondersitzung und verlangen, dass man über die Sache diskutiert. – Einverstanden. Aber was tun denn Sie im Wahlkampf? Wenn ich durch Österreich fahre und die Plakate von Ihnen betrachte, dann sehe ich dort Karikaturen österreichischer Politiker. Ich meine, der Herr Bundeskanzler ist ein humorvoller Mensch, er würde sich, von Ihnen als Napoleon karikiert, wahrscheinlich auch nicht kränken, sondern darüber lachen können, aber, meine Damen und Herren von den Grünen: Ist das Ihr Inhalt? Darum geht es Ihnen in einem Wahlkampf? (Heiterkeit bei der ÖVP.) Was ist das für ein Inhalt: österreichische Politiker zu karikieren? (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Im Übrigen darf ich Ihnen auch Folgendes vorhalten: Einen österreichischen Minister als Vampir darzustellen, das ist eher geschmacklos denn inhaltsreich, meine Damen und Herren! Ich meine, wir alle hätten uns ein anderes Niveau auch einer Wahlauseinandersetzung gewünscht. Sie brauchen hier nicht herauszutreten und den moralischen Zeigefinger zu erheben, wenn Sie in Wirklichkeit mit solchen Methoden arbeiten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Van der Bellen: Haben Sie das dem Herrn Lopatka auch gesagt?)
Aber reden wir über den Inhalt, meine Damen und Herren! Für uns ist eben eine positive Europadarstellung und -einstellung das Wichtigste. Es wurde heute schon erwähnt, aber ich halte es noch einmal fest: Dass wir heute ein Europa der 25 sind, das ist, so
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glaube ich, nicht zu unterschätzen und darf nicht oft genug als das dargestellt werden, was es ist: Das ist das weltweit einzigartigste, das ist das weltweit beste Friedensprojekt, das es gibt! Darauf können wir gemeinsam auch stolz sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Blicken wir in die Welt von heute! Es ist immer noch eine Frage von Krieg und Frieden, die da und dort gestellt wird: im Irak, ob das am Balkan ist, wo nur durch massive Truppenpräsenz Frieden gehalten werden kann, oder ob das das Pulverfass des Nahen Ostens ist. Die Frage von Krieg und Frieden ist in Europa entschieden, nämlich für Frieden und für Freiheit. Wir legen Wert darauf, dass man auch in einen Wahlkampf mit einer positiven Einstellung zu diesem Europa, zu diesem Friedensprojekt, geht. Dafür stehen wir als Volkspartei, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Wir wollen, dass wir dieses Friedensprojekt auch ausbauen und weiterbauen. Wir stehen dazu, in unseren Inhalten, die wir in unserem Europamanifest dargelegt haben, dass wir ein Friedensprojekt erweitern wollen, indem wir künftig eine gemeinsame Außenpolitik machen – darin stimmen wir mit Ihnen überein –, die diesen Namen verdient, aber das heißt auch, dass wir rund um diese Europäische Union eine Zone von Sicherheit und von Wohlstand haben wollen, innerhalb derer nicht unbedingt alle Mitglied der Europäischen Union sein müssen, auf Grund derer wir uns aber darauf verlassen können, dass dieses Europa und damit Österreich sicher bleibt.
Dazu gehört vieles, so zum Beispiel auch eine gemeinsame Asylpolitik. Meine Damen und Herren von den Grünen! Wir wollen, dass in Europa der Standard herrscht, dass jemand, der verfolgt wird, Asyl bekommt (Abg. Öllinger: Auch in Österreich!), aber nur der und nicht alle anderen auch. Wir wollen, dass auch alle europäischen Staaten zu einer Verantwortung stehen und nicht nur jene, die besonders betroffen sind, wie eben wir Österreicher. Dafür setzen wir uns ein, damit dieses Europa sicher bleibt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir stehen auch dafür, dass es eine Wertestruktur in Europa gibt, damit so etwas, wie es uns passiert ist, nicht mehr passieren kann – eine Wertestruktur, wo Rechtsstaatlichkeit von allen befolgt wird, und eine Wertestruktur, wo Sanktionen, die ungerechtfertigt sind, nicht über ein Mitgliedsland verhängt werden können.
Wir stehen zu einem inhaltlich positiven Europa, meine Damen und Herren, und wir glauben, dass man Österreich in diesem Europa stark vertreten kann: mit einem Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel, der die Kompetenz und Erfahrung hat, uns im Europäischen Rat zu vertreten, und einer Ursula Stenzel, die gezeigt hat, dass sie eine kompetente und hervorragende Europaparlamentarierin ist. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
12.56
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. Redezeit: 6 Minuten. Sind Sie damit einverstanden, dass ich Sie nach 2 Minuten unterbreche, weil dann ja die Sitzung, wie angekündigt, unterbrochen wird? – Bitte.
12.57
Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Sondersitzung, die wir einberufen haben, ist letzten Endes ein Akt, der dringend notwendig war, weil die europäischen Staatschefs sich geweigert haben, ihre Haltung zur europäischen Verfassung vor der Europawahl offen zu legen. (Beifall bei den Grünen.)
Sie haben verhindert, aktiv verhindert, dass die Parteien, denen sie angehören, auch daran gemessen werden können, was sie zur europäischen Verfassung sagen. Und
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ich sage Ihnen, einer der zentralen Punkte, gerade auch in Österreich, aber nicht nur in Österreich, ist die Haltung der Regierungen zum EURATOM-Vertrag, dazu, welche Rolle er in der künftigen Verfassung spielen wird, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)
Was dieses Thema betrifft, haben die Wählerinnen und Wähler bei der kommenden Europawahl ein Recht auf Klarheit, wie Sie es, Herr Bundeskanzler, mit der Ausgliederung von EURATOM aus der europäischen Verfassung halten wollen, wie Sie dazu stehen, dass dieses Instrument zur Förderung der Atomenergie nach wie vor existiert, dass es offensichtlich nicht in Frage gestellt wird, weil sehr viele konservative Regierungen nach wie vor auch gegen den Willen ihrer Bevölkerung auf die Atomenergie setzen wollen. (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Mag. Haupt: Tony Blair!) Da wollen wir Klarheit.
Ja, es ist auch ein sozialistischer Ministerpräsident dabei, das verhehle ich nicht, aber der Schwerpunkt der Pro-Atom-Liga, meine Damen und Herren – das muss wohl klargelegt werden, und das lässt sich an allen Entscheidungen der Regierungschefs deutlich ablesen –, liegt bei den konservativen Parteien. Das muss klar sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) – Ist es schon so weit?
Weshalb legen wir so großen Wert auf das Ende von EURATOM? – Wir wollen nicht dazu verpflichtet werden, dafür zu zahlen, dass ein Energieforum gefördert wird, das für Europa viel zu gefährlich und viel zu teuer ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
13.00
Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete, Sie können nach der Sitzungsunterbrechung weitersprechen. Die verbleibende Redezeit beträgt 4 Minuten.
Ankündigung von Anträgen auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen
Präsident Dr. Andreas Khol: Bevor ich die Sitzung unterbreche, gebe ich bekannt, dass die Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung der Verantwortung von Bundesministerin Gehrer als Aufsichtsorgan der Bundesmuseen hinsichtlich der fehlenden Konsequenzen aus offenkundigen Missständen im Kunsthistorischen Museum einzusetzen.
Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.
Gemäß § 33 Abs. 2 GOG finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.
*****
Ferner haben die Abgeordneten Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 GOG beantragt, einen Untersuchungsausschuss betreffend die Beschaffung von Kampfflugzeugen einzusetzen.
Eine Debatte wurde nicht verlangt. Die Abstimmung findet nach Erledigung der Tagesordnung statt.
*****
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Weiters haben die Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuss zur im europäischen Vergleich katastrophalen Präsenz der österreichischen Regierungsmitglieder in EU-Räten und dem damit verbundenen Schaden für Österreich einzusetzen.
Die Durchführung einer Debatte darüber wurde nicht verlangt. Auch in diesem Fall findet die Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.
*****
Ich unterbreche nunmehr die Sitzung bis 13.15 Uhr.
(Die
Sitzung wird um 13.01 Uhr unterbrochen
und um 13.15 Uhr wieder aufgenommen.)
Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Plätze wieder einzunehmen und nehme die unterbrochene Sitzung – wie vereinbart, um 13.15 Uhr – wieder auf.
Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger, um ihre vor der Unterbrechung begonnene Rede fortzusetzen. Restliche Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.
13.16
Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Herr Präsident! Ich habe vor der Unterbrechung das Thema EURATOM angesprochen. Meine Damen und Herren! Das ist kein Spezialhobby, das fünf Grüne reiten, weil ihnen sonst nichts einfällt, sondern das ist die zentrale Forderung der Österreicherinnen und Österreicher an eine europäische Politik. Das ergibt sich auch aus Umfragen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Laut einer Umfrage ist für 78 Prozent der Ausstieg aus der Atomenergie eine der zentralen Forderungen an die Europäische Union.
Meine Damen und Herren! Wir Grüne haben mit Bündnispartnerinnen und Bündnispartnern aus vielen europäischen Ländern im Verfassungs-Diskussionsprozess erreicht, dass der EURATOM-Vertrag herausgelöst wurde, was Hoffnung geben kann, dass in Zukunft Staaten, die sich gegen die Atomenergie entschieden haben, nicht mehr mitzahlen müssen bei der Förderung der Atomenergie, wo auf der anderen Seite das Europäische Parlament kein einziges Wort mitzureden hat – denn das lehnen wir ab! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Einem.)
Damit, Herr Bundeskanzler, ist auch ein Auftrag verbunden, der Auftrag, diese Politik bei Ihren Kolleginnen und Kollegen in der Regierungskonferenz klarzumachen. (Abg. Öllinger: Kein Interesse bei der ÖVP!) – Das Interesse bei der ÖVP an diesem Thema ist eher enden wollend, wie ich anhand der Anwesenheit hier feststellen muss. (Zwischenruf der Abg. Mag. Hakl.)
Sie sind damit aber auch gefordert, dieses Anliegen zu Ihrem Kernanliegen zu machen. Wenn Sie betonen, österreichische Anliegen zu vertreten, dann muss ich sagen, dass es zum Beispiel ein klassisches österreichisches Anliegen ist, nach Umfragen ein wesentlich größeres, als einen Kommissar pro Land zu haben, Herr Bundeskanzler!
Hier muss es um Zukunftspolitik gehen, denn die große Auseinandersetzung zwischen der Atomenergie und der Atomlobby einerseits und den erneuerbaren Energien für eine nachhaltige Wirtschaft andererseits läuft jetzt und nicht erst in fünf Jahren. Da darf man sich nicht abmelden und in einer Debatte über derzeit vorhandene schlechte Sicherheitsstandards verfangen. Hier geht es um eine Grundsatzentscheidung, die wir auf europäischer Ebene zu treffen haben, die aber auch, Herr Bundeskanzler, für das
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Inland bedeutet, dass man die Ökostrom-Produzenten jetzt nicht per Gesetz aus dem Markt wirft. (Beifall bei den Grünen.)
Ein weiteres Thema, das den Menschen in Österreich – aber nicht nur in Österreich, das kann ich Ihnen sagen – für die europäische Zukunft enorm wichtig ist, ist die Frage der Verkehrsentwicklung, der Verkehrsbelastung. Das ist kein ursprüngliches Verfassungsthema – deswegen haben wir es ehrlicherweise auch nicht in unsere Fragenliste aufgenommen –, aber es ist ein Thema für eine zukünftige Politik, die die ÖVP-Vertreter und -Vertreterinnen auch werden mittragen müssen.
Hier wird es in Zukunft nicht darum gehen können, österreichische Interessen – und das haben Sie immer in den Vordergrund gestellt – so zu definieren, dass es um die Interessen der österreichischen Frächter geht, und zwar fast ausschließlich, sondern so, dass es um die Anrainerinnen und Anrainer und deren Gesundheit und gesunden Schlaf geht. – Herr Bundeskanzler! Das ist ein Auftrag an die Politik, der von den Wählerinnen und Wählern kommt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ich bin seit heute – und damit möchte
ich schließen – ja fast schon guten Mutes, dass eine gewisse Änderung in
der Position eintreten kann. (Präsident
Dr. Fischer gibt das
Glockenzeichen.) Vehement hat Böhmdorfer immer gegen den europäischen
Staatsanwalt gekämpft, der gegen Betrug mit europäischen Mitteln vorgehen
sollte. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. –
Ruf bei der ÖVP: Die Redezeit!) Sie haben heute gesagt, Sie sind
dafür. – Ich danke Ihnen. Nur so weiter! Folgen Sie uns auch bei EURATOM! (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
13.20
Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Bösch. Redezeit: 6 Minuten. – Bitte.
13.21
Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen begrüßen die heutige Sondersitzung – ich unterscheide mich darin vom Kollegen Spindelegger von der ÖVP –, weil sie uns die Möglichkeit gibt, die verschiedenen Konzepte zur kommenden EU-Wahl am 13. Juni auch wirklich darzulegen, auf verschiedene Widersprüche aufmerksam zu machen und einige Widersprüche aufzudecken.
Meine Damen und Herren von den Grünen! Wenn Sie, Herr Klubobmann Van der Bellen, hier ans Rednerpult treten und moralisierend gegen die FPÖ und die Regierungspolitik polemisieren, aber österreichweit auf den Straßen in Ihren Plakatsujets Politiker der Regierungsparteien verspotten, dann ist das ein Widerspruch! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei den Freiheitlichen: Peinlich ist das!)
Herr Kollege Van der Bellen! Sie haben uns hier auch einreden wollen, dass es richtig wäre, wenn wir dem EU-Verfassungsvertragsentwurf des Konvents ohne Wenn und Aber zustimmten. Gleichzeitig monieren Sie die strukturierte Zusammenarbeit, die auch ein Inhalt dieses Verfassungsvertrages ist (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger), und wollen uns weismachen, dass man darüber nicht mehr diskutieren wird.
Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen und diese Bundesregierung werden über diesen Verfassungsvertragsentwurf noch einmal diskutieren, weil für Österreich wichtige Themen darin noch auf den Punkt zu bringen sind. Frau Kollegin Lichtenberger, Sie haben einige angeschnitten – der EURATOM-Vertrag ist eine Thematik, die diese Bundesregierung, seit sie im Amt ist, ernster nimmt als all ihre Vorgängerinnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
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Frau Kollegin Lichtenberger, das ist eine Thematik, die genau wie die Sicherung des Wassers und die Entscheidung darüber auf nationaler Ebene, aber auch die Lösung des Transitvertrages Inhalt dieser Regierungspolitik ist. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das war ja nie umstritten!) Und deshalb ist es wichtig, dass wir auch in der Frage der Abstimmung auf europäischer Ebene in Bezug auf die Einstimmigkeit, in Bezug auf die Mehrstimmigkeit noch einmal darüber diskutieren, ob die Interessen eines Landes wie Österreich auch nach der künftigen Verfassung vertreten sein können.
Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen unterscheiden uns auch grundsätzlich von der SPÖ. Herr Kollege Gusenbauer, Sie sind ans Rednerpult getreten und haben richtigerweise auch moniert, dass es in dieser Wahlauseinandersetzung wenig um europäische Themen geht. Aber ich kann auch an Sie die Frage stellen: Warum plakatieren Sie dann österreichweit diese Wahl zu einer Denkzettelwahl gegen die Bundesregierung? – Das ist auch in Bezug auf die SPÖ eine Themaverfehlung, genauso wie bei den Grünen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Herr Kollege Gusenbauer, Sie haben zu Recht auch – ich stimme Ihnen zu – die Entfernung der europäischen Ebene von den Bürgern moniert. Sie haben moniert, dass die europäische Ebene in vielen Bereichen über die Mitgliedsländer, über die Interessen der europäischen Bürgerinnen und Bürger einfach drüberfährt. Und Sie haben in diesem Zusammenhang natürlich auch unsere Aufdeckung hinsichtlich Ihres Spitzenkandidaten und seiner Rolle im Rahmen der EU-Sanktionen als „ungeheuerlich“ und „unter jeder Kritik“ bezeichnet. Herr Kollege Gusenbauer! Ungeheuerlich und unter jeder Kritik war – ich muss das noch einmal in aller Deutlichkeit sagen – das Verhalten der SPÖ im Rahmen der Sanktionen gegen Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Oberlehrer! Herr Oberlehrer Bösch!)
Ich darf Sie daran erinnern – für den Fall, dass Sie diesbezüglich Erinnerungslücken haben –, dass diese Maßnahmen, die Sie mitgestaltet haben und an denen Sie führend beteiligt waren – auch Sie, Herr Kollege Gusenbauer, und Ihr jetziger Spitzenkandidat zur europäischen Wahl Swoboda –, bedauerliche Auswirkungen auf die österreichische Bevölkerung gehabt haben und nicht auf Regierungspolitiker, wie Sie der Öffentlichkeit weismachen möchten.
Meine Damen und Herren! Diese Maßnahmen
hatten Auswirkungen auf kulturelle, wissenschaftliche, sportliche und zwischenmenschliche
Beziehungen. Erinnern Sie sich an die anti-österreichische Hysterie, die von
Ihnen provoziert wurde! Die SPÖ war in dieser Sanktionenfrage der
Zauberlehrling. Und diese Verantwortung werden wir Ihnen nicht abnehmen, Herr
Gusenbauer! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ruf bei den
Freiheitlichen: So ist es!)
Meine Damen und Herren! Ich darf deshalb zur Bekräftigung dieser österreichischen Position für die Regierungsparteien und für uns Freiheitliche folgenden Antrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Spindelegger, Dr. Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verurteilung und Verhinderung ungerechter Sanktionen gegen einen EU-Mitgliedsstaat
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Nationalrat bekräftigt, dass die im Jahr 2000 von den damaligen Regierungschefs der EU-14 gegen Österreich verhängten Sanktionen ungerecht, rechtswidrig und unvereinbar mit grundlegenden Werten und Prinzipien der Europäischen Union waren, und ersucht daher die Bundesregierung, weiterhin entschlossen dafür einzutreten,
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 45 |
dass sich derartige Sanktionen gegen ein Mitgliedsland der EU nicht wiederholen können.
Weiters werden die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung ersucht,
dafür zu sorgen, dass das in den Verhandlungen über den Vertrag von Nizza erreichte rechtsstaatliche Verfahren im Falle der Verletzung der Grundwerte der Europäischen Union, das in Artikel I-58 des Entwurfs für einen Vertrag für eine Verfassung für Europa Eingang gefunden hat, auch tatsächlich in der neuen europäischen Verfassung verankert wird,
und ihre Bemühungen fortzusetzen, dass die Grundwerte und die Grundrechte der Union sowie die europäische Menschenrechtskonvention auch in der erweiterten Union ihren hohen Stellenwert zumindest beibehalten.“
*****
Ich danke Ihnen sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
13.26
Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht zur Verhandlung und Abstimmung.
Der
Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der
Abgeordneten Dr. Spindelegger, Dr. Bösch, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Verurteilung und Verhinderung ungerechter Sanktionen gegen einen
EU-Mitgliedsstaat, eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP Erklärung des
Bundeskanzlers in der NR-Sitzung am 4. Juni 2004
Nach
der Nationalratswahl 1999 und insbesondere in Zusammenhang mit der Bildung der
neuen Bundesregierung durch FPÖ und ÖVP haben die 14 anderen Mitgliedsstaaten
der Europäischen Union gegen Österreich Sanktionen verhängt. Die sog. „bilateralen
Maßnahmen" wurden vom portugiesischen EU – Ratspräsidenten und
Vorsitzenden der Sozialistischen Internationale, Antonio Guterres, verkündet
und widersprachen sowohl dem Buchstaben wie auch dem Geist des EU –
Vertrages.
Die
Erklärung der 14 Staats- und Regierungschefs hatte folgenden Wortlaut:
"Heute,
am Montag, den 31. Januar, hat der portugiesische Premierminister den Präsidenten
und den Bundeskanzler Österreichs sowie der portugiesische Außenminister seinen
österreichischen Amtskollegen über die folgende gemeinsame Reaktion in Kenntnis
gesetzt, die von den Staats- und Regierungschefs von 14 Mitgliedsstaaten
der EU für den Fall vereinbart wurde, dass in Österreich eine Regierung mit
Beteiligung der FPÖ gebildet wird.
Die
Regierungen der 14 Mitgliedsstaaten werden keinerlei offizielle bilaterale
Kontakte auf politischer Ebene mit der österreichischen Regierung unter
Beteiligung der FPÖ begünstigen oder akzeptieren.
Es
wird keine Unterstützung für österreichische Kandidaten geben, die sich um
Posten in internationalen Organisationen bewerben.
Die
österreichischen Botschafter in den EU-Hauptstädten werden nur auf technischer
Ebene empfangen.
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Der
Premierminister und der Außenminister Portugals haben den österreichischen Behörden
bereits zu verstehen gegeben, dass es kein "Business as usual" in den
bilateralen Beziehungen mit einer Regierung unter Beteiligung der FPÖ geben
wird.“
Die
in der Erklärung angedrohten Maßnahmen wurden von den
14 EU-Mitgliedsstaaten nach der Angelobung der Bundesregierung am 4. Februar 2000
in Kraft gesetzt.
Die
für die Österreicherinnen und Österreicher diskriminierenden Sanktionen der
EU – 14 stellten einen beispiellosen Eingriff in das demokratische Leben
und Selbstverständnis eines gleichberechtigten Mitgliedsstaates dar. Sie
wurden auf den bloßen Verdacht hin beschlossen, dass eine österreichische
Bundesregierung gegen die Prinzipien und Grundwerte der EU verstoßen könnte,
stellten eine Vorverurteilung dar und widersprachen jeder rechtsstaatlichen
Tradition: denn Beschlüsse gegen einen Mitgliedsstaat der Union, ohne diesen
überhaupt nur angehört zu haben, widersprachen damals wie heute den Grundsätzen
der Rechtsstaatlichkeit gem. Art. 6 EU-Vertrag.
Beteuerungen
der EU-14, dass sich die sog. „bilateralen Maßnahmen“ nicht auf die
Zusammenarbeit in den EU-Gremien auswirken würden, waren keineswegs überzeugend.
Die zwischenstaatlichen Beziehungen unter den 15 Mitgliedsstaaten lassen sich
nicht mehr von der immer engeren multilateralen Zusammenarbeit im Rahmen der EU
trennen. Als ein Beispiel dafür sei lediglich auf die Präsentation des
Programms des folgenden französischen Ratsvorsitzes verwiesen, wobei allerdings
der österreichische Botschafter in Frankreich ausdrücklich ausgeladen wurde.
Es
war auch offenkundig, dass die Maßnahmen der EU-14 gegen Österreich negative
und höchst bedauerliche Auswirkungen auf die österreichische Bevölkerung
hatten. Die Politik der EU-14 hatte teilweise eine antiösterreichische Hysterie
ausgelöst, durch die kulturelle, wissenschaftliche, sportliche und
zwischenmenschliche Beziehungen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Absage
von Veranstaltungen mit österreichischen Künstlern, Beschimpfungen
österreichischer Jugendgruppen, der Ausschluss österreichischer Sportler und
eine Bombendrohung bei einem Konzert der Wiener Philharmoniker zählten zu den
schlimmsten Vorkommnissen.
Die
unglaublichen Vorfälle rund um die Eröffnung der EU – Beobachtungsstelle
gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, wo ein österreichisches
Regierungsmitglied ausdrücklich als unerwünscht erklärt wurde, haben die
österreichische Bevölkerung empört.
Die
Behauptung von Regierungspolitikern der 14 EU-Staaten, dass die Sanktionen nur
die Bundesregierung, nicht aber die österreichische Bevölkerung treffen
sollten, entsprachen nicht der Realität. Selbst der Erzbischof von Wien,
Kardinal Schönborn, bestätigte in einem Interview in „La Stampa“, dass die
Sanktionen „alle Österreicher ohne Unterschied treffen“ würden. Die Trennung
zwischen einer demokratisch legitimierten Regierung mit entsprechender
parlamentarischer Mehrheit und der österreichischen Bevölkerung war weder
theoretisch nachvollziehbar noch wurde sie von den betroffenen
Österreicherinnen und Österreichern so empfunden. Das Unverständnis und die
Empörung über dieses Verhalten der EU-14 wuchs deshalb bei der österreichischen
Bevölkerung. Es gab keine Handlungen Österreichs, die mit europäischen Grundsätzen
und Prinzipien in Widerspruch gestanden wären. Hier hatte eine ideologische
Vorverurteilung Platz gegriffen, die – wie auch der Herr Bundespräsident
bei der Eröffnung der EU-Stelle zur Beobachtung von Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit ausgeführt hatte – unter europäischen Partnern
beispiellos war.
Auch in den anderen europäischen Staaten – bei den Mitgliedern der EU genauso wie bei den Beitrittskandidaten – stießen die gegen Österreich verfügten Maßnahmen auf immer stärkere Kritik. Die Europa-Idee, auf die sich die Staats- und Regierungschefs der EU-14 immer wieder beriefen, hatte bei den Bürgern Europas Schaden genom-
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men, da in allen Ländern nun Sorge vor weiteren
vergleichbaren Willkürakten unter Umgehung der demokratischen und
rechtsstaatlichen Prinzipien wuchs. So schrieb z.B. die Frankfurter Allgemeine
Zeitung am 14. April 2000:
„Das
Ansehen der EU hat in vielen Ländern, vor allem auch in jenen, die noch Mitglieder
werden wollen, gelitten. Denn nach wie vor bestehen massive Zweifel an den
hehren Beweggründen des Kreuzzuges gegen Österreich: Mit der präzedenzlosen,
die kodifizierten wie auch ungeschriebenen Regeln des Umganges innerhalb der EU
missachtenden Einmischung in den demokratischen Willensbildungsprozess eines
Mitgliedslandes verletzen die Vierzehn gerade jene europäischen Grundwerte der
Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, die sie angeblich schützen wollen.“ Und
die FAZ schloss mit dem Satz: „Wenn die EU nicht schweren Zeiten entgegengehen
will, muss sie die Sanktionen gegen Österreich aufheben.“
Nur
zwei Tage nach einer Konferenz in Stockholm, an der der damalige Bundeskanzler
Klima und führende europäische Sozialdemokraten teilgenommen hatten, am
29.01.2000, lagen die ausformulierten angedrohten EU-Sanktionen auf den Tischen
der europäischen Staatskanzleien. Eine offizielle Stellungnahme durch
Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzenden Klima, die eine klar ablehnende Haltung
Österreichs gegenüber den Sanktionen zum Ausdruck gebracht hätte, ließ auf sich
warten. Bereits am 31.01.2000 wurde die eingangs zitierte Erklärung der Staats-
und Regierungschefs der EU-14 durch den portugiesischen Ratspräsidenten
veröffentlicht.
Die
nachstehenden Aussagen des ehemaligen SPÖ-EU-Spitzenkandidaten Hans Peter
Martin runden das dargestellte Bild ab:
Der
damalige Bundeskanzler Klima „hat sich bei mir am Telefon gemeldet und keinen
Zweifel daran gelassen, dass er bei der Vorbereitung der Sanktionen voll
eingebunden war. Zu mir hat er beschwörend gemeint: Du wirst doch nichts davon
sagen!“
„Bei
den Sanktionen habe ich Swoboda live erlebt. Das war richtige Schadenfreude. Es
ging ihm nicht um Österreich. Es ging immer nur um seine Partei“ , sagt Hans
Peter Martin über SPÖ-Spitzenkandidat Swoboda im „Standard“.
In
der Folge unterstützten andere maßgebliche Repräsentanten der SPÖ die Sanktionen,
indem unter anderem festgestellt wurde,
„...dass
die Ausrichtung und Philosophie der Reaktion der 14 EU-Staaten auf die
Regierungsbeteiligung der FPÖ im Großen und Ganzen richtig waren“ (Swoboda OTS, 22.2.2000)
„...dass
sie für die Aktivitäten der Regierungschef Verständnis zeigen, dass ein Ende
der Sanktionen nicht absehbar sei“ (Gusenbauer APA, 17.03.2000)
„...
und [dass] die Sanktionen noch mindestens ein Jahr lang andauern sollten“
(Gusenbauer APA 22.05.2000).
In
diesem Zusammenhang begrüßte etwa der sozialdemokratische EU-Abgeordnete und
nunmehrige SPÖ-Spitzenkandidat Hannes Swoboda die damals von den EU-Vierzehn
gegen Österreich verhängten Sanktionen in einem Schreiben vom
16. März 2000 an EU-Parlamentarier, bedankte sich für die ihm entgegengebrachten
Zeichen der Freundschaft und der Solidarität und führte in diesem Dankschreiben
wörtlich folgendes aus: „Diese Zeichen sind für uns genauso wichtig, wie die
Tatsache, dass die übrigen EU-Regierungen angesichts der Beteiligung der FPÖ an
der österreichischen Regierung reagieren mussten.“
Genau
in dieses Bild passt auch jene Rede, die Swoboda im Europäischen Parlament zur
Regierungsbeteiligung der FPÖ gehalten hat und u.a. folgendes sagte:
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 48 |
„Ich
verstehe, dass Europa und die zivilisierte Welt mit einer solchen Regierung möglichst
wenig zu tun haben möchten.“
„Es
gibt aber auch jenes andere Österreich, jenes Österreich, das demonstriert hat
zu Zigtausenden gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ, das weiter
demonstrieren wird gegen diese Regierung. Ich bitte dieses Europa, dieses
Österreich zu unterstützen und diesem Österreich zu helfen!“
„Unterstützen
Sie das österreichische Volk gegen diese Regierung!“
Dank der konsequenten Arbeit der österreichischen Außenpolitik und trotz
der gegen die österreichischen Interessen gerichteten Agitationen
österreichischer Sozialdemokraten war es möglich, eine Aufhebung der
ungerechtfertigten Sanktionen noch im Jahr 2000 zu erwirken.
Darüber
hinaus konnte bereits in den Verhandlungen über den Vertrag von Nizza ein
rechtsstaatliches Verfahren im Falle der Verletzung der Grundwerte der
Europäischen Union errreicht werden, das auch in Artikel I – 58 des
Entwurfes für einen Vertrag für eine Verfassung für Europa Eingang gefunden
hat.
Diese
Bestimmung sieht ein besonderes Verfahren vor, wenn gegen einen Mitgliedsstaat
der Verdacht einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 genannten
Werte der Europäischen Union (z.B. Freiheit, Demokratie, Wahrung der
Menschenrechte, usw.) besteht. Auf Vorschlag eines Drittels der
Mitgliedsstaaten oder der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen
Parlaments kann der Europäische Rat einstimmig einen Europäischen Beschluss
erlassen, mit dem festgestellt wird, dass eine
schwerwiegende und anhaltende Verletzung dieser Werte der Union durch einen Mitgliedsstaat
vorliegt, nachdem er den betroffenen Mitgliedsstaat zu einer Stellungnahme
aufgefordert hat.
Dieses
Verfahren soll künftig sicherstellen, dass ein Vorgehen wie im Fall der von
14 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gegen Österreich im
Jahr 2000 verhängten Sanktionen, die dem Geist des EU-Vertrages
widersprachen und einen beispiellosen Eingriff in das demokratische Leben und
Selbstverständnis eines gleichberechtigten Mitgliedsstaates darstellten,
künftig nicht mehr möglich ist.
In
diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der
Nationalrat wolle beschließen:
„Der
Nationalrat bekräftigt, dass die im Jahr 2000 von den damaligen
Regierungschefs der EU-14 gegen Österreich verhängten Sanktionen ungerecht,
rechtswidrig und unvereinbar mit grundlegenden Werten und Prinzipien der
Europäischen Union waren, und ersucht daher die Bundesregierung, weiterhin
entschlossen dafür einzutreten, dass sich derartige Sanktionen gegen ein
Mitgliedsland der EU nicht wiederholen können.
Weiters
werden die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung ersucht,
dafür
zu sorgen, dass das in den Verhandlungen über den Vertrag von Nizza erreichte
rechtsstaatliche Verfahren im Falle der Verletzung der Grundwerte der
Europäischen Union, das in Artikel I-58 des Entwurfes für einen Vertrag
für eine Verfassung für Europa Eingang gefunden hat, auch tatsächlich in der
neuen europäischen Verfassung verankert wird,
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 49 |
und
ihre Bemühungen fortzusetzen, dass die Grundwerte und die Grundrechte der Union
sowie die europäische Menschenrechtskonvention auch in der erweiterten Union
ihren hohen Stellenwert zumindest beibehalten.“
*****
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Zum Wort
gelangt Frau Abgeordnete Bures. Redezeiten dieser Runde: je 5 Minuten.
Bitte exakt einhalten. – Bitte, Frau Kollegin. (Abg. Bures begibt sich zum Rednerpult und stellt dort eine
Tafel mit der Aufschrift auf: „Für ein soziales Europa! SPÖ“.)
13.27
Abgeordnete Doris
Bures (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, dass wir heute eine
Diskussion führen können darüber, wohin sich Europa in Zukunft entwickeln soll.
(Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das Einzige, was ihr wollt,
ist ein sozialistisches Europa, nicht ein soziales!)
Ich bin nicht sehr froh über die letzten Ausführungen, jene des Herrn Abgeordneten Bösch, der hier mit einem sehr untergriffigen und sehr aggressiven Stil fortgesetzt hat, den wir in den letzten Tagen ja ohnedies schon erleben mussten.
Wir haben in den letzten Tagen eine
Diskussion zur Europapolitik erlebt, die geprägt war von aggressiver Rhetorik
und hoher Nervosität seitens der Regierungsparteien. (Abg. Scheibner: Sie sehen
uns schon ganz nervös!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe, dass die ÖVP und die FPÖ sehr nervös sind, da sich immer mehr Menschen von der Politik, die Sie machen, abwenden (Abg. Dr. Stummvoll: So gelassen waren wir schon lange nicht mehr!), weil sie zum Nachteil der Mehrheit der Bevölkerung ist. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich verstehe die Nervosität auch, da es ja leider so ist, dass Sie österreichische Interessen in Europa denkbar schlecht vertreten haben. Der Vorwurf, den man Ihnen machen muss, ist: Sie haben sich nicht einmal bemüht, österreichische Interessen zu vertreten. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Nicht so wie der Swoboda, gell?) Sie sind nämlich gleich gar nicht zu den Ratssitzungen gegangen! Herr Bundeskanzler, Sie und Ihre Regierung ergreifen nicht einmal die Chance, dort an Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit teilzunehmen. (Abg. Mag. Molterer: Der Bundeskanzler war bei jedem ... vertreten! Das ist falsch!) Sie schwänzen die Sitzungen, Sie gehen gleich gar nicht hin, Sie versuchen es nicht einmal. Und das ist der Vorwurf, den man Ihnen machen muss, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ.)
Diesen Vorwurf muss man Ihnen machen. Und deshalb möchte ich auch Ihnen, die Sie heute auf der Regierungsbank sitzen, die Lebensrealität vieler Menschen, die heute vor dem Bildschirm sitzen, ein bisschen näher bringen, Ihnen sagen, wie die Lebenssituation vieler Menschen ausschaut.
Seit Amtsantritt der schwarz-blauen Regierung steigt die Arbeitslosigkeit von Jahr zu Jahr. (Abg. Dr. Fasslabend: Das ist falsch!) Wir haben eine Rekordarbeitslosigkeit in Österreich. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: In Wien!) Wir haben Jugendarbeitslosigkeit: 50 000 junge Menschen ohne Job, ohne Zukunftshoffnung, ohne Chancen – und Ihre Politik ist schuld daran, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Danke, Michael!)
Wir haben auch eine Arbeitsmarktsituation, wo es für Frauen immer schwieriger wird (Ruf bei der ÖVP: Sie sind Wienerin, Frau Kollegin!), einen Job zu finden, Beruf und Familie zu vereinbaren. 850 000 Österreicherinnen und Österreicher sind einmal im
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Jahr von Arbeitslosigkeit bedroht. Das heißt, jeder Dritte, der in der Privatwirtschaft tätig ist, ist einmal im Jahr arbeitslos – und das hat massive Auswirkungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen vor Augen halten: Die Einkommen sinken, Sie kürzen die Pensionen – aber die Preise steigen. Wir haben die höchste Abgabenquote, die Mieten steigen, die Menschen können sich das Wohnen nicht mehr leisten.
Herr Bundeskanzler, während Ihrer Amtszeit ist die Zahl der Delogierungen um 300 Prozent angestiegen! (Abg. Großruck: Sie haben die Rede von Karl Marx erwischt!) Sie sind dafür zuständig, dass sich die Menschen das Wohnen und ein Dach über dem Kopf nicht mehr leisten können, weil Sie Einkommen und Pensionen kürzen. (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Bundeskanzler, deshalb sind die ÖVP und die FPÖ zu Recht nervös, die Menschen wenden sich ab. Die Mehrheit der Menschen will eben ein soziales Österreich und ein soziales Europa. (Abg. Großruck: Eine Bundeskanzlerin Bures!) Sie tun nichts dazu, um der Arbeitslosigkeit gegenzusteuern.
Ich sage Ihnen auch, dass die Mehrheit der Menschen eben kein Europa der Massenarbeitslosigkeit haben möchte, dass die Mehrheit der Menschen kein Europa haben möchte, in dem Privatisierungswahn herrscht. Sie verkaufen österreichische Betriebe, Sie veräußern Sozialwohnungen an Immobiliengesellschaften, Sie versuchen sogar, unser österreichisches Wasser zu privatisieren. (Abg. Scheibner: Das ist eine Frechheit! Hören Sie auf mit der Polemik! Das ist ungeheuerlich!) Das ist ein Vorwurf, den man Ihnen machen muss. (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Wenn man weiß, dass es keine tatsächliche Berichtigung gibt! Das ist ein Missbrauch unserer Vereinbarung! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)
Die Mehrheit der Menschen lehnt diese
Politik, diese unsoziale Politik ab. Die Mehrheit der Menschen lehnt diesen
politischen Stil ab, der beschämend ist, der eines Bundeskanzlers – wie
mir viele gesagt haben – wirklich unwürdig ist. (Abg. Scheibner: Was ist das für ein Stil?)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir
sind angetreten, einen Wahlkampf zu führen, in dem es um den Wettbewerb der
Ideen geht (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie wollen nur Wahlkampf
führen! – ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), in dem es
darum geht, den Menschen Problemlösungen anzubieten. Wir kämpfen für ein
Europa, in dem Arbeitslosigkeit bekämpft wird, wir kämpfen für ein Europa, in
dem es Wachstumsinitiativen gibt. Wir kämpfen darum, dass in Europa österreichische
Interessen auch tatsächlich vertreten und gehört werden. Daher steht die SPÖ
für ein neues, für ein soziales Europa. – Darum werben wir
am 13. Juni! (Beifall bei der SPÖ.)
13.32
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Gleiche Redezeit. – Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort. (Abg. Dr. Stummvoll begibt sich zum Rednerpult und stellt dort eine Tafel mit der Aufschrift auf: „Europawahl, 13. Juni, ÖVP. Frieden sichern. Sicherheit geben. Arbeit schaffen. Österreich stark vertreten.“)
13.32
Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Kollege Spindelegger hat nach der Rede des Kollegen Cap gemeint, der Ausspruch unseres Klubobmannes, die Verhaiderung der SPÖ schreite voran, sei durch die Cap-Rede bestätigt worden. Ich kann nur sagen, auch Ihre Rede, Frau Bures, hat diese Theorie bestätigt. Es ist die Ver-
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haiderung der SPÖ, die in Ihrer Rede zum Ausdruck gekommen ist. Und eine solche Politik lehnen wir ab, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Neudeck: Sie meinen Erich Haider!) – Erich Haider, das war klargestellt, Erich Haider aus Oberösterreich.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich
Folgendes sagen: Wenn Sie dieser Regierung vorwerfen, dass sie die
Lebenssituation der Menschen in diesem Land negiert, dann tun Sie das wider
besseres Wissen. Wenn wir heute einen Vergleich anstellen, wohin rote Politik
etwa in Wien, wohin rot-grüne Politik in Deutschland führt, dann sehen wir, der
Vergleich macht uns sicher. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Wien, von Rot regiert, ist das Bundesland
mit der höchsten Arbeitslosigkeit. Noch im Mai war ein Zuwachs der
Arbeitslosenrate zu verzeichnen, während sich österreichweit die
Arbeitsmarktdaten verbessern. (Zwischenrufe
bei der SPÖ.) Rot-Grün in Deutschland: doppelt so hohe Arbeitslosigkeit
wie in Österreich. Das ist Ihre Politik, meine Damen und
Herren! – Sozial ist, was Arbeit schafft. Frau Kollegin, merken Sie sich
das! (Beifall bei der ÖVP.)
Zur heutigen Diskussion. – Dem Kollegen Posch möchte ich sagen, für uns gibt es da keine Diskrepanz, auch wir sind dankbar für diese Sondersitzung. Wir sind vor allem dem ORF dankbar für fünf Stunden Live-Übertragung, dafür, dass sich die Seher und Seherinnen ein konkretes Bild machen können, denn natürlich unterscheidet sich unsere Politik in vielen Dingen, Herr Kollege Öllinger. Sie wollen letztlich ein linkes Europa mit Instabilität, mit neuen Schulden, mit negativen Konsequenzen für Wachstum, Beschäftigung und soziale Sicherheit haben. (Abg. Silhavy: Und Sie wollen ein rechtes Europa!) Das ist Ihre Politik, die wir nicht wollen, Herr Kollege Cap. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Wenn wir heute natürlich auch über die
Zukunft Europas reden – Politik ist ja Zukunftsgestaltung –, dann
muss nach zehn Jahren Mitgliedschaft schon auch ein kleiner Blick zurück, eine
kleine Zwischenbilanz erlaubt sein. Zehn Jahre Mitgliedschaft Österreichs bei
der EU heißt zehn Jahre Erfolgsstory, meine Damen und Herren! Wir haben wichtige
Impulse für Wachstum, Beschäftigung und Stabilität gesetzt. Aber das war kein
Zufall. Das ist nicht das Verdienst der EU, das ist das Verdienst dieser
Bundesregierung, meine Damen und Herren, denn diese Erfolge sind ja kein
Zufall. (Abg. Öllinger: Bei der Arbeitslosigkeit!)
Zur Stabilität: 1999 waren wir auf dem letzten Platz, was die Stabilität betrifft. Unsere Vertreter sind von Brüssel nach Hause geschickt worden, etwa in der Art: Kommt wieder, wenn ihr ein ordentliches Konzept habt! – Heute gehören wir zu den vier Besten in der Europäischen Union, was die Stabilität betrifft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wissen Sie, was Instabilität bedeutet? – Instabilität bedeutet primär, dass es den „kleinen“ Mann trifft. (Zwischenruf des Abg. Eder.) Wer wird denn bei mangelnder Preisstabilität, bei mangelnder Geldwertstabilität getroffen? – Der „kleine“ Mann, den Sie vorgeben zu vertreten, Herr Kollege Öllinger, das ist Ihre Politik! Ihre Politik versucht, ein Bild zu zeichnen, das der Realität überhaupt nicht entspricht!
Oder nehmen wir die Wachstumsstrategie, Beschäftigungsstrategie. Diese Regierung hat folgende Maßnahmen gesetzt: Konjunkturpaket I, Konjunkturpaket II, Wachstums- und Standortpaket, Steuerreform I und Steuerreform II – also eine geballte Ladung an positiven Maßnahmen, die dazu führen, dass das Wirtschaftswachstum in Österreich im Vorjahr doppelt so hoch war wie im Durchschnitt der EU (Beifall bei der ÖVP), dass die Arbeitslosigkeit (Abg. Öllinger: Bitte nicht immer wieder dasselbe!), egal, ob Ge-
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samtarbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit oder Langzeitarbeitslosigkeit, in Österreich (Abg. Öllinger: Steigt!) nur halb so groß war wie im EU-Durchschnitt.
Natürlich, jeder Arbeitslose ist einer zuviel. Das wissen wir, Herr Kollege, aber wir leben nicht im luftleeren Raum. Wir leben in Europa, und es ist entscheidend, welchen Weg Europa in Zukunft gehen wird. Und wenn wir uns für dieses Europa so engagieren und haben wollen, dass möglichst viele Menschen den richtigen Weg wählen, dann deshalb, weil wir die Erfolgsstory der letzten zehn Jahre auch in Zukunft fortsetzen wollen.
Wir wollen, dass eine Ursula Stenzel und ihr Team dafür eintreten, dass jene Maßnahmen, die in Österreich so erfolgreich umgesetzt wurden, in Zukunft auch die Richtschnur für Europa sind. (Abg. Eder: Bitte, nicht das auch noch! Das sind Drohungen! – Abg. Öllinger: Bitte nicht!) Der Währungsfonds hat erst vor zwei Wochen gesagt, die Reformen dieser Regierung seien ein Showcase, ein Musterbeispiel für Europa, und auch, dass wir auf Grund dessen, was wir gemacht haben, im Rahmen der Lissabon-Strategie – und Lissabon bedeutet Arbeitsplätze, Einkommenschancen und soziale Sicherheit – zu den drei Besten, also den Top Drei in Europa gehören. Daher wollen wir, dass diese Politik von einer Ursula Stenzel, von einem Othmar Karas, von einer Agnes Schierhuber und einem Paul Rübig auch in Europa durchgesetzt wird. Wir wollen ein bürgerliches Europa, wir wollen eine erfolgreiche Politik, wir wollen kein linkes Europa! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
13.37
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Zum Wort
gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Gleiche Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim – in Richtung
des Abg. Dr. Stummvoll –: Das war jetzt ein abschreckendes
Beispiel!)
13.37
Abgeordneter
Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Von Brüssel bis Wien, bis Budapest – man
könnte noch viele europäische Städte aufzählen – hat sicher niemand
Interesse daran, ob das ein linkes Europa, ein rechtes Europa, ein
Landesverräter-Europa, ein Vernaderer-Europa oder ein sonstiges Europa ist,
sondern die einzige Frage, die sich heute und hier stellt, ist: Ist dieser
Nationalrat, ist diese Bundesregierung in der Lage, in den nächsten Jahren
einen substanziellen Beitrag zur europäischen Einigung in vielen, vielen
Bereichen zu leisten? (Abg. Mag. Posch: Nein! Nein!) Das diskutieren
wir hier, und deswegen stellen wir einige Fragen. Und deswegen müssen wir auch
eine Dringliche Anfrage stellen, weil der Bundeskanzler nach wie vor entweder
nicht imstande oder nicht bereit ist, auf einige der wichtigsten Fragen
Antworten zu geben. (Abg. Scheibner: Du warst das letzte Mal
nicht da, wie wir das diskutiert haben!)
Wir haben schon gehört: Verkehrspolitik, Energiepolitik – ich möchte nichts davon wiederholen. Ich möchte nur in einem Punkt einige wichtige Fragen so vertiefen, dass sich auch über dieses Haus hinaus Menschen, die vor einer schwierigen Wahlentscheidung stehen, ein vielleicht etwas besser fundiertes Urteil bilden können, und das ist der große Bereich der Sicherheitspolitik.
Ich habe mit großer Überraschung die Erklärung der Frau Außenminister in Brüssel vom 17. Mai gelesen, in der sie der Bundesheer-Reformkommission, die ihre Arbeit demnächst und, wie ich hoffe, mit einem sehr positiven Ergebnis abschließen wird, unterstellt hat, sie würde empfehlen, Österreich solle von Anfang an an der strukturierten Zusammenarbeit im Rahmen der Europäischen Union teilnehmen. Das klingt jetzt wie ein schreckliches Fremdwort, aber dahinter verbirgt sich etwas sehr Einfaches. Die europäische Verfassung soll einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, so etwas wie ein militärisches Kerneuropa zu bilden.
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Das ist aus mehreren Gründen problematisch, und es ist heute noch offen, ob das wirklich ein sinnvoller Beitrag zur notwendigen Einigung in der Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik ist.
Aber eines sollte hier nicht verschwiegen werden: In der Bundesheer-Reformkommission zeichnet sich überhaupt nicht auch nur die geringste Empfehlung zugunsten einer strukturierten Zusammenarbeit ab, und das, weil uns von den Militärs bis zu den zivilen Experten beim derzeitigen Stand alle davor warnen und uns darauf hinweisen: Liebe österreichische Politikerinnen und Politiker, überlegt euch, was ein Persilschein für den Bundeskanzler und für die Außenministerin in den Fragen der strukturierten Zusammenarbeit bedeutet!
Wir haben derzeit einen Anteil der Militärausgaben von etwas mehr als 0,78 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der europäische Durchschnitt liegt bei 1,4 Prozent. Der Durchschnitt im Rahmen der Kandidaten für die strukturierte Zusammenarbeit liegt bei etwa 2,0 Prozent. Wer heute in Wien einen politischen Persilschein für die strukturierte Zusammenarbeit verlangt, muss auch sagen, dass er beim nächsten Bundeshaushalt bereit ist, die Steigerung in Richtung Verdreifachung des österreichischen Militärbudgets zu befürworten!
Herr Bundeskanzler, das hätte ich gerne einmal von Ihnen erklärt bekommen! Bitte setzen Sie sich nicht in Brüssel oder in Bukarest oder sonst wo – wo es die seltsamsten Erklärungen von Ihnen und Ihrer Außenministerin gegeben hat – für die strukturierte Zusammenarbeit ein, und verschweigen Sie nicht in Wien, dass dafür die Menschen in Österreich nach dem Modell Eurofighter die Kosten zu tragen haben! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Beschreiben Sie lieber einen präzisen und angemessenen Beitrag Österreichs zur gemeinsamen europäischen Sicherheit. Beschreiben Sie positiv, wie wir innerhalb Europas solidarisch und nach wie vor jenseits der Unionsgrenzen neutral bleiben können. Beschreiben Sie, wie wir Europa in der Verfassung und in der Demokratie so absichern können, dass zukünftige gemeinsame militärische Einheiten nicht nach dem Vorbild Irak-USA – und das droht durchaus für afrikanische Szenarien –, sondern in einem gesicherten völkerrechtlichen Rahmen, gut vom Europäischen Parlament kontrolliert, eingesetzt werden können.
Wir machen jeden Tag neue Vorschläge, wie ein sinnvoller sicherheitspolitischer und auch militärischer Beitrag Österreichs zur europäischen und zur globalen Sicherheit ausschauen könnte. Aber wir legen auch allergrößten Wert darauf, Herr Bundeskanzler – und damit möchte ich schließen –, dass in der Sicherheitspolitik (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), und das mag für die Zukunft gelten, erstmals in Wien und in Brüssel dasselbe gesagt wird ...
Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte den Schlusssatz, die Zeit ist wirklich knapp!
Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Ich bin gerade beim Schlusssatz. – In diese Richtung, Herr Bundeskanzler, möchte ich abschließend an Sie appellieren. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
13.43
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.
13.43
Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Kanzler! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Bures, es ist schon eigenartig, wenn Sie hier herausgehen und gerade dieses Land – und das bezeichne ich jetzt auch so – vernadern, obwohl man dieser Regierung gratulieren muss, weil sie die Arbeitslosigkeit gegenüber dem
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europäischen Niveau halbiert hat, weil sie besonders auch an die jungen Menschen denkt und ihnen Zukunftschancen gibt. Ich finde es eigenartig, dass Sie dieses Land schlechter machen, als es ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Das ist eure Diskussionsgrundlage, aber ich gratuliere dieser Regierung: 13. Platz weltweit, Wirtschaftsstandort Österreich – ich gratuliere Ihnen, Herr Kanzler! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Top drei in Europa: Arbeitslosigkeit, Inflation, Wirtschaftswachstum. – Das sind Leistungen, die diese Regierung zustande gebracht hat, weil es eine freiheitliche Beteiligung gibt und weil freiheitliche Politik vor allem in diese Regierung sehr bewusst hineingebracht wird!
Aber diese Regierung kann nicht – und das ist die freiheitliche Position – kritiklos gegenüber Europa sein. In vielen Bereichen haben wir Probleme. EURATOM: Es ist schon fast – „scheinheilig“ darf man in diesem Hohen Haus nicht sagen, aber es ist für mich eigenartig: Wir haben einen Entschließungsantrag eingebracht, der gerade die Frage von EURATOM betroffen hat, und die Grünen sind nicht mitgegangen. Das ist auch eine Art von Solidarität, eine gemeinsame Anti-Atom-Politik nach außen zu vertreten, das ist Solidarität innerhalb von Österreich. Aber hier wird geschimpft und vernadert, nach außen hin wird also nicht gemeinsam vorgegangen.
In Bezug auf EURATOM haben wir ganz klare Positionen: Das langfristige Ziel eines schrittweisen Auslaufens des EURATOM-Vertrages war immer Grundsatz unserer Politik. Eine grundlegende Revision von EURATOM und ein Einsetzen dafür, dass eine politische Festlegung auf einer gesonderten Revisionskonferenz zur Neugestaltung von EURATOM erfolgt, wollen wir spätestens ein Jahr nach Beendigung der Regierungskonferenz; dort soll das neu geregelt werden. Die Verwendung von EURATOM-Geldern ausschließlich für die Stilllegung von Anlagen – das haben die Grünen nicht unterstützt! Ich finde es verwerflich von Ihnen, dann herauszugehen und zu sagen, dass Sie diejenigen sind, die Anti-Atom-Politik betreiben. Das stimmt nicht, sondern wir betreiben sie hier, mit einem Entschließungsantrag, den Sie nicht unterstützt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Begrüßenswert ist natürlich auch, dass gerade diese Regierung sich für europaweite Sicherheitsstandards einsetzt. Das wird uns auch gelingen.
Herr Abgeordneter Pilz, zur Solidarität: Ich war jetzt bei der NATO-Hauptversammlung in Bratislava. Dort ist von Solidarität nicht die Rede gewesen, sondern dort ist gesagt worden: Solidarität in Europa bedeutet gemeinsame Verteidigungs- oder Außenpolitik, gemeinsame Forschungs- und Wirtschaftspolitik, auch in der Frage der Waffensysteme und anderer Bereiche. Dort verlässt Sie also auf einmal die Solidarität. Europa braucht auch dort eine gemeinsame Position, und wir werden diese gemeinsame Position der Bevölkerung näher bringen.
Wo von Europa keine Solidarität kommt, zeigt sich gerade auch beim Transit. Als Tiroler weiß ich, wie schwer unser Kampf gegen den Transit ist. Das sehe ich auch, wenn ich mir die letzten Tage anschaue: 60 Kilometer lange Staus, dann ist wieder die Autobahn zu – und keine Unterstützung von Europa! Aber unser Vizekanzler Hubert Gorbach wird diesen Kampf nicht aufgeben. Wir werden dafür kämpfen, dass es zu einer geordneten Wegekostenrichtlinie kommt. Wir werden weiterhin diese konsequente Politik verfolgen, im Gegensatz zu Ihnen, die Sie alles schlecht machen, sodass manche im Ausland glauben, unser touristisches Land, in dem wir 70 Millionen Nächtigungen haben, ist es nicht wert, besucht zu werden.
Da muss ich Ihnen sagen: Unterstützen Sie diese Regierungspolitik! Unterstützen Sie die Positionen unseres Vizekanzlers in der Frage des Transits, und wir werden Erfolg haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Präsident
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Dr. Fischer gibt im Hinblick auf die vereinbarte Redezeit das Glockenzeichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Einen Schlusssatz möchte ich zum Abgeordneten Van der Bellen sagen. Was die Einstimmigkeit in gewissen Fragen angeht, wird es eines mit uns nie anders geben: Das Einstimmigkeitsprinzip gilt auch in der Frage des Wassers! (Präsident Dr. Fischer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Wenn man diesbezüglich sagt, dass man das Einstimmigkeitsprinzip aufgibt, dann überlegen Sie sich bitte, was Sie tun! Wir werden dafür kämpfen, dass es weiterhin aufrecht bleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
13.48
Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur letzten Rednerrunde und haben noch 11 Minuten.
Ich schlage vor: Viermal 3 Minuten plus Abstimmungen bedeutet, dass wir diese Debatte und damit die Tagesordnung um etwa 14.03 Uhr beenden. Der grüne Klub ist einverstanden, dass die Dringliche Anfrage nicht um Punkt 14 Uhr, sondern 2 oder 3 Minuten nach 14 Uhr beginnt.
Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall, ich gehe daher so vor.
Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Einem. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.
13.48
Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wegen der knappen Zeit möchte ich zunächst einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Einem und KollegInnen betreffend Regierungskonferenz zur Europäischen Verfassung einbringen. Der Antrag ist, wie ich hoffe, lang genug, um verteilt zu werden.
Worum es uns geht, ist, deutlich zu machen, dass die Europäische Union jetzt vor entscheidenden Herausforderungen steht und dass die Regierung daher aufgerufen ist, einen Beitrag dazu zu leisten, dass diese Herausforderungen bewältigt werden können. Es geht einerseits darum, diese Europäische Union, das Friedensprojekt Europa, handlungsfähig zu erhalten, und das heißt, primär dafür zu sorgen, dass das Parlament gestärkt wird und dass die Bürgerinnen und Bürger selbst das letzte Wort in Europa bekommen.
Es geht andererseits darum, meine sehr
geehrten Damen und Herren, dafür zu sorgen, dass die wesentlichen
Lebensinteressen der Menschen in Europa – das ist Frieden, das ist Arbeit
und Einkommen oder Arbeit mit einem Einkommen, von dem man auch leben kann, das
ist soziale Sicherheit, und das ist eine gesunde Umwelt – die Hauptziele
sind, um die gekämpft wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der
Grünen.)
Ich möchte nicht allzu sehr ins Detail gehen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht lassen Sie mich einmal eines sagen: Worum es am 13. Juni geht, ist eine Wahl von Menschen in das Europäische Parlament, die sich genau für diese Lebensinteressen der Menschen in Österreich und der Menschen in ganz Europa einsetzen. (Abg. Mag. Molterer: Und nicht um einen Denkzettel!) Es geht nicht primär um Interessenvertreter, sondern es geht um Menschen, die sich für die Lebensinteressen der Menschen, die in Österreich und in Europa leben, einsetzen. (Abg. Mag. Molterer: Keinen Denkzettel! – Ruf bei der ÖVP: Kein Vernadern!) Diese Wahl ist am 13. Juni zu schlagen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Dabei geht es eben darum, dass das Menschen sind, die sich für Frieden einsetzen, für ein friedliches Europa, das Demokratie und Rechtsstaatlichkeit exportiert, und nicht
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primär Soldaten und Krieg. Dabei geht es darum, dass das Menschen sind, die sich für Arbeit, von der man leben kann, und für Vollbeschäftigung einsetzen, und die sich dafür einsetzen, dass das auch in der künftigen Verfassung steht. Es geht darum, dass Menschen gewählt werden, die dafür eintreten, dass es eine aktive europäische Wirtschaftspolitik gibt, die für Wachstum und Beschäftigung sorgt. (Abg. Mag. Molterer: Ursula Stenzel!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht schließlich darum, das europäische Sozialmodell zu sichern, das nicht nur darin besteht, dass man gegen die Risken des Lebens versichert ist, sondern auch darin, dass es für alle diskriminierungsfrei den Zugang zu den Leistungen der Daseinsvorsorge, bis hin zum Wasser, gibt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Ursula Stenzel!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie glauben, dass Vertreter der Regierungsparteien – die in Österreich die Politik machen, die Sie erleiden – die Richtigen sind, diese Interessen in Europa zu vertreten, dann wählen Sie sie. Wenn Sie glauben, dass es da einen Wandel braucht, dann geben Sie einen Denkzettel! (Beifall bei der SPÖ.)
13.51
Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag ist in der Tat lang genug, um verteilt zu werden. Er wird schon verteilt, ist genügend unterstützt und wird daher abgestimmt.
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Caspar Einem
und KollegInnen betreffend die Regierungskonferenz zur Europäischen Verfassung,
eingebracht in der Sondersitzung des Nationalrats am 4. Juni 2004
Die Europäische Union steht vor zwei
entscheidenden Herausforderungen:
Einerseits geht es darum, die
Erweiterung der Europäischen Union von fünfzehn auf fünfundzwanzig Mitgliedstaaten
zu bewältigen. Soll das Friedensprojekt Europäische Union auch mit
fünfundzwanzig Mitgliedern handlungsfähig bleiben und auch in Zukunft für
Lebensgrundlagen sorgen, die allen Menschen innerhalb der EU Frieden, soziale
und wirtschaftliche Sicherheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit garantieren,
so bedarf es j e t z t mutiger Reformen.
Andererseits geht es darum, die Herzen
der EuropäerInnen für die Union zu gewinnen, die weit verbreitete Europaskepsis
zu überwinden. Das kann nur dadurch gelingen, dass jetzt Grundlagen geschaffen
werden, die die EU in den zentralen Lebensinteressen der Menschen –
Frieden, Arbeit und Einkommen, soziale Sicherheit und gesunde Umwelt –
handlungsfähig machen und zum Handeln bringen.
Der Europäische Rat von Laeken hat im Dezember
2001 einen Konvent eingesetzt, um eine Europäische Verfassung auszuarbeiten. Am
13. Juni 2003 hat der „Europäische Konvent zur Zukunft Europas“ seine
Arbeiten am Teil I und II des Verfassungsentwurfs abgeschlossen und am
10. Juli 2003 auch jene vom Mandat erfassten und noch notwendigen Arbeiten
an den Teilen III und IV. Damit hat der Konvent einen in sich geschlossenen
Verfassungstext für die Union vorgelegt. Nunmehr liegt es an der Regierungskonferenz,
den Verfassungsentwurf endlich abschließend zu beraten und zu beschließen.
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 57 |
Die österreichischen Regierungsvertreter
haben in den vergangenen Jahren vor allem auf das Ziel „ein Kommissar pro
Mitgliedsstaat“ gesetzt, scheinen nun aber dieses Regierungshauptziel nicht
einlösen zu können. Diese einseitige Konzentration hat andere für Österreich
entscheidende Fragen zu kurz kommen lassen. Diese Gesichtspunkte sollten daher
wenigstens jetzt noch in den Mittelpunkt der österreichischen Bemühungen
gerückt werden.
Aus diesem Grunde stellen die
unterfertigten Abgeordneten folgenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung und insbesondere der
Herr Bundeskanzler werden ersucht, sich im Rahmen der Regierungskonferenz vor
allem für folgende Fragen von österreichischem Interesse einzusetzen:
1. Die Europäische Union braucht den
Verfassungsvertrag, der eine Stärkung des direkt von den Bürgerinnen und
Bürgern gewählten Europäischen Parlaments bringen muss, jetzt. Die von den
Bürgerinnen und Bürgern gewählten Abgeordneten zum EP müssen im
Gesetzgebungsverfahren das letzte Wort haben. Ein neuerliches Scheitern der
Regierungskonferenz wäre ein Desaster für das europäische Einigungs- und Friedensprojekt.
2. Die EU muss auch nach der Erweiterung
handlungsfähig bleiben. Dazu ist es erforderlich, das Prinzip der Entscheidung
im Rat mit qualifizierter Mehrheit auszudehnen und durch die Mitentscheidung
des Europäischen Parlaments zu ergänzen. Es soll daher zu keinen
Einschränkungen der Anwendung der Mehrheitsentscheidung gegenüber dem Konventsentwurf
kommen. Bei der Ausdehnung der Anwendung der Mehrheitsentscheidung kann es
nicht darum gehen, öfter Minderheiten zu überstimmen. Es muss auch weiterhin
die Kultur der Berücksichtigung vitaler Interessen von andernfalls überstimmten
Minderheiten geben. Abweichende Stellungnahmen sollen jedoch begründungspflichtig
und kompromissbereit gemacht werden.
3. Für Leistungen der Daseinsvorsorge
beziehungsweise der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse muss
auch unter den Bedingungen der Vollendung des europäischen Binnenmarktes der
allgemeine und diskriminierungsfreie Zugang für alle gewahrt bleiben. Wenn
schon ein zusätzliches Ziel in den Zielbestimmungen (Artikel I 3)
der Verfassung verankert werden soll, dann soll auch die allgemeine und diskriminierungsfreie
Zugänglichkeit der Leistungen der Daseinvorsorge in Artikel I 3 der
Verfassung aufgenommen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass viele dieser
Dienste von – oftmals kleinen – Gemeinden organisiert oder erbracht
werden, muss sichergestellt werden, dass die Regeln des europäischen
Wettbewerbsrechts (Beihilfenverbot, Ausschreibungspflicht) die Erbringung und
die allgemeine Zugänglichkeit von Leistungen der Daseinsvorsorge nicht
verunmöglichen. Die Bundesregierung wird in diesem Zusammenhang weiters
ersucht, in der EU in geeigneter Form für eine Klarstellung zu sorgen, dass die
Wasserwirtschaft als Bereich der Daseinsvorsorge anerkannt wird und in der
Kompetenz der Mitgliedstaaten verbleibt.
4. Es reicht nicht aus, in
Artikel I 3 das Ziel der Vollbeschäftigung zu verankern und es im
Teil III beim bisher gültigen Ziel eines „hohen Beschäftigungsniveaus“ zu
belassen. Es sollen daher die Ziele der Union, wie sie in Artikel I 3
festgelegt sind auch in den Text des Teils III der Verfassung übernommen
werden („Vollbeschäftigung“ statt „hohes Beschäftigungsniveau“ und „soziale
Marktwirtschaft“ statt „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“). Sollte
eine allgemeine Sozialklausel, wie derzeit als Artikel III 2a
vorgesehen, beschlossen werden, gilt das auch für diesen Artikel.
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 58 |
5. Eine Einschränkung der
grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit bei der Verhütung und
Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Terrorismus und Menschenhandel
hinter den Konventsentwurf des Artikels III 49 sollte nicht
hingenommen werden. Zielführende Maßnahmen innerhalb der EU gegen
grenzüberschreitende Kriminalität zählen zu den Hauptforderungen der
Bürgerinnen und Bürger an die EU. Die Regierungskonferenz ist aufgerufen,
diesen berechtigten Forderungen Rechnung zu tragen.
6. In der Weiterentwicklung hin zu einer
europäischen Verteidigungspolitik soll ein Weg gewählt werden, der es den
Mitgliedstaaten der EU erlaubt, im Falle eines militärischen Angriffs auf einen
von ihnen, nach Maßgabe ihrer unterschiedlichen Sicherheitskonzeptionen und
Verfassungstraditionen sowie nach Maßgabe der Charta der Vereinten Nationen
solidarisch zu kooperieren und für einander einzustehen. Artikel I 40
Absatz 7 soll daher so formuliert werden, dass die von den Mitgliedstaaten
im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik eingegangenen
Verpflichtungen (NATO-Mitgliedschaft, Paktfreiheit, Neutralität) bei Art und
Umfang der Beistandsverpflichtung berücksichtigt werden.
7. Im Bereich der friedlichen Nutzung
der Nuklearenergie soll darauf gedrängt werden, dass es zu einer Beseitigung
der einseitigen Bevorzugung dieser Energieerzeugungsform und zu einheitlichen
europäischen Sicherheitsstandards für AKW kommt. Wenn dies nicht erreichbar
sein sollte, sollte eine Vertragsrevisionskonferenz für den EURATOM-Vertrag
fest vereinbart werden, die einen Ausstieg jener Länder aus diesem Vertrag
erlaubt, die ihre Energiepolitik am Prinzip der Nachhaltigkeit orientieren und
daher keinen finanziellen Beitrag zur Förderung von Nuklearenergie leisten
wollen.
8. Die neue Verfassung der EU soll einem
(gesamt-)europäischen Referendum unterzogen werden. Es sollen daher bei der
Regierungskonferenz die dafür nötigen Modalitäten vereinbart und beschlossen
werden. Eine neue Verfassung für die EU soll zum Anlass einer Volksabstimmung
und damit der Legitimierung des europäischen Verfassungswerks durch die
Bürgerinnen und Bürger selbst genommen werden. Die Qualität der EU hat den
Status eines Staatenbundes längstens jetzt überwunden und bedarf daher auch
neuer und zusätzlicher Legitimation.
*****
Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Grillitsch. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.
13.52
Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese EU ist wirklich ein großes Projekt – wie wir heute schon mehrmals gehört haben – für Frieden, Freiheit und Sicherheit.
Ich sage hier auch als Vertreter des ländlichen Raumes und für die bäuerlichen Familien: Wir haben seit dem Beitritt zur EU mit entsprechenden Programmen für unsere bäuerlichen Betriebe und für den ländlichen Raum tatsächlich Berechenbarkeit und Planbarkeit. Das ist wichtig, das gibt uns Sicherheit, um auch in Zukunft die Höfe zu bewirtschaften, um auch in Zukunft die Landschaft offen zu halten, um auch in Zukunft Dienstleistungen im ländlichen Raum entsprechend sicherzustellen. (Beifall bei der ÖVP.)
Das haben wir nun seit neun Jahren, und das beweist, dass wir und auch diese Regierung eine verantwortungsbewusste Politik gemacht haben, denn neun Jahre lang haben wir diese Programme verlässlich und kalkulierbar abrufen können. Manche haben damals noch gemeint, man sollte nicht beitreten. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.)
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Was wäre denn geschehen, wenn wir dieser EU nicht beigetreten wären? – Wir wären vor Beitrittsverhandlungen mit den Beitrittskandidaten gestanden, zu 25 Prozent von dem, was wir neun Jahre lang verlässlich und kalkulierbar bekommen haben. Das nennt sich verantwortungsbewusste Politik, und nicht Keiltreiberei, Herr Abgeordneter Kräuter! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Herr Dr. Van der Bellen, wenn Sie ansprechen, dass wir hin und wieder auch eine andere Meinung als Franz Fischler haben: Ja, das stimmt – aber nicht in der Grundtendenz! Denn die Politik, die Franz Fischler auch in Europa betreibt, ist genau jene, die wir seit mehr als 15 Jahren in Österreich betreiben: die ökosoziale Agrarpolitik – ökonomisch, ökologisch, sozial ausgewogen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)
Dass wir in Detailfragen unterschiedlicher Meinung sind – wenn es um eine Kürzung der Prämien geht, also darum, die Prämie um 20 Prozent zu kürzen, somit um einen Stich mitten ins Herz der bäuerlichen Struktur! –, ist klar. Daher ist das Ergebnis ein ganz anderes als der Vorschlag.
Meine Damen und Herren! Wir unterscheiden uns mit unserer Politik von der rot-grünen Politik. Wir machen Steuerentlastungsprogramme für Familien und für Arbeitsplätze, aber Sie wollen – und Sie haben das gestern wieder bewiesen – die Steuern erhöhen! Sie haben deswegen auch gestern im EU-Unterausschuss hier im Parlament einen Antrag gestellt. Sie wollen, dass die Mittel der Agrarpolitik und des ländlichen Raumes umgewidmet werden, zweckentfremdet werden. Sie wollen, meine Damen und Herren, dass den Bauern mehr Verbote und Zwangsverordnungen auferlegt werden! Wir wollen hier das Prinzip der Freiwilligkeit.
Und der Gipfel Ihrer Politik, meine Damen und Herren: Da Sie mich im Rahmen der Bundestierschutz-Diskussion wegen eines Inserats angesprochen haben, frage ich das jetzt Sie, Herr Dr. Gusenbauer, Herr Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen. (Der Redner hält ein Zeitungsinserat mit dem Text „Am 13. Juni für Arbeitsplätze statt Rindviecher“ in die Höhe.) Das ist Klassenkampf übelster Art und Weise: Sie zeigen hier, am 13. Juni geht es um „Arbeitsplätze statt Rindviecher“. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Ich frage Sie: Wen meinen Sie mit den „Rindviechern“? Meinen Sie die Bäuerinnen und die Bauern? Meinen Sie die Menschen im ländlichen Raum? – Wenn ja, dann sagen Sie das hier offen!
Ich sage Ihnen: Schämen Sie sich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
13.55
Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Lunacek. Gleiche Redezeit. – Bitte, Frau Kollegin.
13.55
Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Ein kurzes Wort noch zum Kollegen Wittauer: Sie meinten, die Grünen hätten einem Antrag der Freiheitlichen zur Abschaffung von EURATOM nicht zugestimmt. Wissen Sie, warum? – Unser Antrag war der viel stärkere, deswegen stimmen wir natürlich dem eigenen grünen Antrag und nicht dem der Freiheitlichen zu! So einfach ist das! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
Zur europäischen Verfassung. – Herr Bundeskanzler, Sie haben eine Gewichtung vorgenommen, die mich etwas erstaunt hat: a) die Friedensunion – das unterschreiben wir –, b) Sicherheit, und erst an dritter Stelle kam die europäische Verfassung. Eigentlich hätte ich mir erwartet, dass der österreichische Bundeskanzler die europäische
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Verfassung als derzeit erste Priorität in seiner Rede reiht und sie nicht erst unter Punkt 3 bringt. (Abg. Prinz: Dann ist es halt für Sie am wichtigsten!)
Herr Bundeskanzler, noch erstaunlicher ist, dass Sie dann von der Stärkung der nationalen Parlamente gesprochen haben. Es ist schon in Ordnung, nationale Parlamente zu stärken, aber Sie haben kein Wort über die Stärkung des Europäischen Parlaments verloren – kein Wort! (Abg. Wattaul: Das haben Sie überhört!) Das ist doch das zentrale Anliegen, dass es notwendig ist, die Demokratie auf europäischer Ebene zu stärken. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Und damit, dass Sie es verabsäumt haben, die Stärkung des Europäischen Parlaments einzufordern, Herr Bundeskanzler, haben Sie die Haltung der ÖVP, die Haltung Ihrer Bundesregierung entlarvt. Sie wollen anscheinend keine europäische Demokratie. Sie beharren auf den nationalen Interessen, nur auf den Interessen Österreichs, und nicht darauf, dass Österreich europäisch agieren soll. Sie tun das nicht.
Genauso war es, als Sie den Punkt Sicherheit erwähnten: Da haben Sie vor allem davon gesprochen und den Zusammenhang hergestellt, dass der Rückgang der Asylanträge jetzt mehr Sicherheit bedeutet. – Herr Bundeskanzler, ist das der Populismus der FPÖ, den jetzt die ÖVP übernommen hat, sodass Sie einfach sagen: weniger Asylanträge bedeuten mehr Sicherheit? – Herr Bundeskanzler, das ist tiefste, populistische FPÖ-Politik (Ruf bei der SPÖ: Verweigerungshaltung!) und keine europäische Asylpolitik! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Europa als Friedensmacht: Herr Klubobmann Molterer hat von der großen Friedenssehnsucht der Menschen gesprochen. Aber unsere Konzepte unterscheiden sich. Sie setzen vorrangig auf militärische Macht, auf ein Abschotten, auf eine Festung Europa. Die Grünen – und wir sind die Einzigen, die eine europaweite Kampagne führen (Abg. Wattaul: Populismus!) – setzen auf eine tatsächliche Friedenspolitik (Abg. Wattaul: Populismus, sonst gar nichts!) mit Konfliktverhütung und Konfliktprävention als Erstem, mit der Einbeziehung von Frauen in die Konfliktverhütung und die dafür notwendigen gesellschaftlichen Prozesse.
Wir setzen auf eine aktive Gestaltung der Globalisierung. Darauf kommt es nämlich auch an, wenn es darum geht, die Macht der Konzerne zu beschränken und die soziale und ökologische Verantwortung von Konzernen einzufordern. Herr Kollege Molterer, darum geht es, wenn es eine Absage an eine neoliberale Wirtschaftspolitik und an Finanzspekulationen geben soll.
Das Regierungskonzept ist eines von nationalem Machtpoker im Regierungs-Europa. Das grüne Konzept ist eines für europäische Demokratie (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) – das ist mein Schlusssatz, Herr Präsident! –, für eine Sozialunion, für den Atomausstieg und für eine tatsächliche Friedenspolitik. Und darum geht es am 13. Juni. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
13.59
Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. Gleiche Redezeit. – Bitte, Frau Kollegin.
13.59
Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPÖ beschwert sich über den aggressiven Wahlkampf. Wenn Kollegin Bures ihre Rede selbst angehört hat, dann weiß sie, was aggressiv heißt!
Mir scheint, es ist sehr unangenehm für die SPÖ, sich über die Zeit zu unterhalten, in der es die Sanktionen gab, und sich mit ihrer eigenen Rolle im Zusammenhang mit den Sanktionen wirklich auseinander zu setzen. Denn Sie wollen hier nur ablenken und auf
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andere Dinge hinweisen, und Sie vergessen auf diese Art und Weise Ihre Aktivitäten, die Sie sich in der Zeit der Sanktionen geleistet haben. Aber es ist wichtig, dass das auch einmal beleuchtet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der EU-Wahl geht es um die Abstimmung der Bevölkerung über die Arbeit im Europäischen Parlament, nämlich darum: Haben sich die Abgeordneten wirklich für die europäischen (Abg. Dr. Einem: Ein freudscher Versprecher!), für die österreichischen Interessen eingesetzt und sind dort eben nicht die besseren Europäer? Das ist der Punkt, Kollege Einem: Haben sie sich für österreichische Interessen eingesetzt, haben sie sich zu Zeiten der Sanktionen für Österreich oder gegen Österreich ausgesprochen? Das ist der Punkt, der beleuchtet werden muss.
Deshalb ist es wichtig, über Briefleichen zu sprechen, denn wenn man Leichen exhumiert, dann kommt doch die eine oder andere zusätzliche Erkenntnis ans Tageslicht (Abg. Öllinger: Das ist grauslich!), und das ist wichtig, wie ja die Gerichtsmediziner auch wissen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir wollen Aufklärung über die Sanktionszeit. Wir als Freiheitliche Partei wollen Aufklärung über Ihre Rolle als SPÖ und über die Rolle Ihres Kandidaten zu dieser Zeit. Dieser Kandidat erkennt das jetzt, fünf vor zwölf, auch – das wissen Sie, wenn Sie seine heutige APA-Meldung gelesen haben –, denn er verlangt die Einsetzung einer Historiker-Kommission. Ja wunderbar! Fünf vor zwölf, eine Woche für der EU-Wahl, will er auch Aufklärung über seine Aktivitäten und er schreibt:
„Ich habe keinen einzigen Satz gesprochen
oder geschrieben, in welchem die Sanktionen befürwortet wurden.“ (Abg. Dr. Cap: Ja, das stimmt!)
Ich sage Ihnen nur zwei Dinge. Er hat in der Zeitschrift „Zukunft“ gesagt, die Maßnahmen der EU-14 waren wichtig und richtig. Und er hat in einem OTS – Originaltext, selbst geschrieben und verfasst – am 22. Feber 2000 gesagt – Ihr Kandidat der SPÖ für die EU-Wahl –, dass die Ausrichtung und Philosophie der Reaktionen der 14 EU-Staaten auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ im Großen und Ganzen richtig waren. – Er hat also die Sanktionen gutgeheißen. (Ruf bei der ÖVP: Das ist ja unglaublich!)
Betreiben Sie also hier keine Kindesweglegung und sprechen Sie nicht von Schmutzkübelkampagnen, wenn Ihr Kandidat von einem Fettnäpfchen ins andere tritt (Abg. Öllinger: Erst die Leichen, jetzt die Kinder! Das ist ja ungustiös!), denn mit dieser Historiker-Kommission wird dann wohl auch endlich Licht ins Dunkel gebracht werden über Ihre Tätigkeiten und über Ihre Aktivitäten zu dieser Zeit. Und passen Sie auf, dass Sie heute und jetzt nicht wieder in ein Fettnäpfchen treten, denn der Entschließungsantrag zur Verurteilung der ungerechtfertigten Sanktionen wurde eingebracht, und ...
Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!
Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (fortsetzend): Treten Sie nicht ins Fettnäpfchen, indem Sie dem nicht zustimmen, dass die Sanktionen verurteilt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
14.03
Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet, daher schließe ich nunmehr die Debatte.
Wir gelangen zu den Abstimmungen, und zwar als Erstes zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Van der Bellen und Fraktion betreffend klare und nachvollziehbare Standpunkte Österreichs zur Europäischen Demokratie und Verfassung.
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Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem
Antrag Van der Bellen zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist keine
Mehrheit. Der Antrag ist daher abgelehnt. (Abg. Großruck: Die SPÖ hat
sich das jetzt gerade erst überlegt!)
Wir gelangen als Zweites zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Spindelegger, Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verurteilung und Verhinderung ungerechter Sanktionen gegen einen EU-Mitgliedsstaat.
Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Der Antrag ist mit Mehrheit vom Nationalrat beschlossen. (E 60.)
(Abg. Scheibner – in Richtung SPÖ –: Nicht einmal vier Jahre nach den Sanktionen stimmen Sie zu! Vier Jahre zum Nachdenken waren nicht genug!)
Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den dritten Entschließungsantrag.
Es ist dies der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Einem, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Regierungskonferenz zur Europäischen Verfassung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag Dr. Einem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag erhält keine Mehrheit. (Abg. Großruck: Das ist Gott sei Dank die Minderheit!) Er ist daher abgelehnt.
Damit haben wir den ersten beziehungsweise einzigen Tagesordnungspunkt „Erklärung des Bundeskanzlers“ erledigt.
Die Tagesordnung ist erschöpft.
Dringliche Anfrage
der Abgeordneten Dr. Alexander Van
der Bellen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Klarheit
über die Positionierung der österreichischen Bundesregierung zu Europäischer
Demokratie und Verfassung (1849/J)
Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 1849/J.
Diese ist inzwischen verteilt worden, sodass sich eine Verlesung erübrigt.
Die
Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:
Dringliche
Anfrage
der
Abgeordneten Van der Bellen, Lichtenberger und FreundInnen an den Bundeskanzler
betreffend Klarheit über die Positionierung der österreichischen Bundesregierung
zu Europäischer Demokratie und Verfassung
Die österreichische Bundesregierung wollte in der entscheidenden Vorbereitungsphase zur Europäischen Verfassung, zehn Tage vor den Wahlen zum Europäischen Parlament und vierzehn Tage vor der möglichen Wiederaufnahme der Regierungskonferenz, nach Brüssel fahren, ohne der Öffentlichkeit im Nationalrat zu erklären, welche Positionen sie bei der für die Verfassung entscheidenden Punkten einzunehmen gedenkt. Diese Vorgangsweise zeigt, dass die schwarz-blaue Bundesregierung für das Regierungseuropa und den nationalen Interessensbazar steht. Sie hat offensichtlich nur ein geringes Interesse an einer gemeinsam im österreichischen Nationalrat entwickelten Position. Im Lichte der Tragweite der Entscheidungen bei der bevorstehenden Regierungskonferenz über eine Europäische Verfassung handelt es sich um eine demokratiepolitisch unzulässige Vorgangsweise. Diese Nicht-Befassung des Parlamentes
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in der heißen Phase der
Verfassungsdebatte macht die Einberufung einer Sondersitzung durch die Grünen
nötig.
Die
parlamentarische Legitimationsbasis der Europapolitik der österreichischen Bundesregierung
ist schmal. Die Bilanz zu den parlamentarischen Mitspracherechten gemäß
Art. 23e B-VG ist negativ. Die Informationspflichten der
Regierungsmitglieder gegenüber dem Nationalrat wurden mehrfach verletzt. In
den zentralen europapolitischen Angelegenheiten wurde kein Konsens gesucht. Gab
es unmittelbar nach dem Beitritt zur Europäischen Union immer wieder gemeinsame
Initiativen des österreichischen Nationalrates, so muss heute festgestellt
werden, dass in dieser GP nur noch ein einziger Beschluss im EU-Hauptausschuss
gefasst wurde. Und selbst bei diesem Beschluss handelte es sich um eine
Kenntnisnahme einer vorgeformten Grundsatzposition der Bundesregierung zur
Verfassungsdebatte durch die Regierungsfraktionen und nicht um eine offene
Debatte über ebendiese österreichische Position, die eigentlich einen
parteienübergreifenden Konsens dringend nötig hätte. Die Bundesregierung trägt,
nachdem sie im Parlament nach keinem Konsens gesucht hat, für die Europapolitik
die alleinige Verantwortung. Die europapolitischen Defizite im Hinblick auf die
Umsetzung europäischer Richtlinien und auf die Beteiligung österreichischer Minister
an Ratssitzungen sind besonders unverständlich.
Bei
der Außenministerkonferenz ist die Ausweitung der qualifizierten Mehrheit in
den Bereichen Sozial-, Wirtschafts- und Steuer- sowie Landwirtschaftspolitik,
wie sie der Konvententwurf zum Inhalt hat, zur Disposition gestellt worden.
Nationalstaatlich unlösbare Probleme werden nach Brüssel delegiert. Damit
werden uneinlösbare Erwartungen geweckt. Dies gilt umso mehr, solange der Rat
mit der Aufrechterhaltung des Einstimmigkeitsprinzip in zahlreichen
Politikbereichen alle Lösungen blockiert. Die nationalen Regierungen verbinden
damit den Erhalt ihrer Machtstellung. Das Prinzip der Einstimmigkeit bedeutet
Veto-Macht für jeden Mitgliedstaat und führt zum Scheitern
In
der Europäischen Union gibt es 20 Millionen Arbeitslose, 18 Prozent
davon sind jugendlich. 56 Millionen Menschen sind akut von Armut bedroht.
Das Ziel der Vollbeschäftigung wurde auf der Außenministerkonferenz vollkommen
ausgehöhlt. Der so genannte „hohe Beschäftigungsgrad“ ist als Querschnittsbestimmung
in Kapitel III verankert worden. Diese Klausel wurde von der
Außenministerin Ferrero-Waldner als „Stärkung der sozialen Dimension“
kommentiert. Tatsächlich ist damit bereits vor in Kraft treten der Verfassung
die Vollbeschäftigung als Ziel der Union wieder fallen gelassen worden.
Auf
das Scheitern des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wurde keine politische Antwort
gefunden. Sinnvolle Reformvorschläge der Bundesregierung sind nicht bekannt.
Die
europäischen Regierungschefs haben den Passus, die Nato zur 'unverzichtbaren Grundlage der europäischen
Verteidigung' zu machen, dem Verfassungsentwurf im vergangenen Dezember
hinzugefügt. Das leitet eine völlig falsche Entwicklung der europäischen Außen-
und Sicherheitspolitik und eine Unterordnung unter die Hegemonie der USA ein.
Es steht im krassen und offenen Widerspruch zum österreichischen
Neutralitätsgesetz. Das ist ein schwerer Einbruch in das Konzept des Verfassungskonventes,
der eine autonome, souveräne, von der Nato
unabhängige Außen- und Sicherheitspolitik ermöglichen würde. Diese Bestimmung
schreibt eine Identität von Nato
und EU unter der militärischen und politischen Vorherrschaft der USA fest. Sie
stellt den kürzesten Weg zu einem NatO-Beitritt
Österreichs dar, den die schwarz-blaue Regierung auf diese Weise umzusetzen
versucht.
Nicht zuletzt angesichts steigender Rohölpreise droht in Europa eine Wiederbelebung der Atomkraft. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hat den deutschen Atomausstieg als falsch bezeichnet und sich für den Bau neuer Atomkraftwerke ausge-
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sprochen. Das konservativ regierte Frankreich hat vor wenigen Tagen den
Bau einer neuer Generation von Atomreaktoren beschlossen. Der slowakische
Wirtschaftsminister Pavol Rusko hat die Fertigstellung der Blöcke 3 und 4
des AKW Mochovce angekündigt und sogar die slowakische
Schließungsverpflichtung für den Hochrisikoreaktor Bohunice in Frage gestellt,
obgleich dies per Beitrittsvertrag im EU-Primärrecht verankert ist. In Temelin
reißt die Störfallserie nicht ab, am 2. Juni kam es zum bereits
64. Zwischenfall. In Großbritannien, Russland, Ukraine, Bulgarien,
Frankreich, Rumänien, Tschechien, Finnland, Litauen sind insgesamt mehr als
30 Atomkraftwerke in Bau oder Planung. Darunter in Russland sogar ein
Reaktor vom Typ Tschernobyl.
Diese
Wiederbelebung der EU-Atomindustrie droht von der EU-Kommission durch Millionen-Kredite
unterstützt zu werden. Denn der Euratom-Vertrag räumt der Kommission unter
anderem die Vergabe von günstigen Krediten an EU-Staaten und Drittländer ein.
Erst vor wenigen Wochen hat die EU-Kommission einen Kreditantrag für den Bau
des rumänischen AKW Cernavoda II in der Höhe von 223,5 Millionen €
bewilligt. Das bisher mit 4 Milliarden € limitierte
Euratom-Kreditvolumen soll auf 6 Milliarden € aufgestockt werden. Das
Europaparlament hat bei Euratom-Entscheidungen kein Mitspracherecht.
Eine
Reform des Euratom-Vertrages ist daher der Schlüssel für den Europäischen
Atomausstieg. Auf Initiative der Grünen ist es im EU-Konvent gelungen, den
Euratom-Vertrag aus der EU-Verfassung herauszulösen, damit den Weg für eine
grundlegende Reform zu ebnen und einzelnen Staaten die Option eines Ausstiegs
aus Euratom zu eröffnen, ohne aus der EU austreten zu müssen. Derzeit besteht
die Gefahr, dass das Konventsergebnis bei der EU-Regierungskonferenz wieder
zunichte gemacht wird. Zentrales Anliegen muss die rasche Einberufung einer
Euratom-Revisionskonferenz sein, wie dies auch das Europäischen Parlament
verlangt hat. Leider hat die Bundesregierung ihre bisherigen
Lippenbekenntnisse nicht in die Tat umgesetzt. Weder gab es einen Antrag
Österreichs bei der EU-Regierungskonferenz im Herbst 2003 noch hat die
Bundesregierung eine Euratom-Reform zum Schwerpunkt für die österreichische
EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 erklärt. Betreffend die
drohende Aufstockung des Euratom-Kreditvolumens hat die Bundesregierung eine
klare antiatompolitische Position vermissen lassen. Sie will zusätzlichen
EU-Atommilliarden selbst dann zustimmen, wenn mit diesen Geldern in Bau
befindliche AKW fertig gestellt werden.
Die
Bundesregierung wäre in der Antiatomfrage alleine auf Grund des in Österreich
bestehenden Verfassungsverbotes von Atomkraft angehalten, eine Pionierrolle in
Europa einzunehmen. Leider beschränkt sich die Antiatompolitik der
Bundesregierung hauptsächlich auf das Produzieren von innenpolitischen
Medienschlagzeilen, während sie in Brüssel durch Mutlosigkeit gekennzeichnet
ist.
Zudem
will die Bundesregierung die einzig ökologisch und sozial vernünftige Alternative
zu Atomenergie, nämlich den Ausbau der erneuerbaren Energieträger, blockieren.
Das Ökostromgesetz soll zerschlagen werden. Dadurch wird Österreich das per
EU-Richtlinie vorgegebene Ziel zur Steigerung des Ökostromanteils verfehlen.
Stattdessen werden die Atomstromimporte steigen. Große wirtschafts- und
arbeitsmarktpolitische Chancen drohen dadurch fahrlässig vertan zu werden.
Finanzminister
Grasser ist im ECOFIN-Rat – jenseits aller verfassungsrechtlichen Verpflichtungen
gegenüber dem österreichischen Nationalrat (wie der Informationspflicht nach
Art. 23e B‑VG) – für eine Beschneidung der Budgetrechte des
Parlaments eingetreten. Die Budgetkompetenz des Europäischen Parlamentes ist
gefährdet. Die Reduktion des EU-Budgets bei gleichzeitiger Abwälzung
zahlreicher Aufgaben auf Europa entspricht einer politischen
Selbstausschaltung. Mit jeder neu definierten Aufgabe muss eine entsprechende
Budgetierung einhergehen.
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 65 |
Ein
Volksentscheid ist ein wichtiger Schritt zur Annahme der Europäischen
Verfassung. Wenn die Verfassung von mehr als der Hälfte der Bevölkerung in der
gesamten EU und von drei Viertel der Parlamente angenommen ist, kann von einem
echten Gründungsakt für die Europäische Demokratie gesprochen werden.
Anfrage
Für eine Europäische Demokratie und Stärkung
des Parlamentes in der Verfassung
1. In
welchen Punkten ist die österreichische Bundesregierung vom Konvententwurf für
eine Europäische Verfassung, wie er auch von Hannes Farnleitner als ihrem
„persönlichen Vertreter“ im Konvent unterstützt wurde, im Rahmen der
Verhandlungen seit der gescheiterten Regierungskonferenz abgewichen?
2.
Werden Sie trotz der Zustimmung zum Konvententwurf weiteren Einschränkungen der
Handlungsfähigkeit der Europäischen Union in jenen Politikbereichen, in denen
laut Konvent mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden soll, zustimmen?
3. Sind
Sie für die rechtsverbindliche Aufnahme der Grundrechts-Charta in die Verfassung
ohne einschränkendes Protokoll und für die gerichtliche Kontrolle aller Handlungen
aller Europäischer Institutionen insbesondere auch im Bereich der inneren
Sicherheit aktiv eingetreten?
4. Hat
die Bundesregierung der Einschränkung der Rechte des Europäischen Parlamentes
in Fragen des Haushaltsrechtes zugestimmt?
5. Sind
Sie für eine europaweite Volksabstimmung über die Europäische Verfassung als
grundlegende demokratische Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger aktiv eingetreten
und haben Sie eine Initiative Österreichs dazu vorgelegt?
Für eine Europäische Sozialunion
6. Auf
welcher Grundlage haben Sie dem eklatanten Eingriff gegen die ersten Ansätze
eines Sozialen Europa, der Querschnittbestimmung eines „hohen Beschäftigungsniveaus“
(Kap. III-2a; CIG 76/04) zugestimmt und welche Auswirkungen wird
diese Bestimmung für das im Konvententwurf verankerte Ziel der
Vollbeschäftigung (Art. I-3 (3) Konvententwurf) haben?
7.
Welche Initiative haben Sie gesetzt, damit Steuerdumping innerhalb der EU mit
in Kraft treten der neuen Verfassung überwunden werden kann?
8. Teilen Sie
die Auffassung des Nobelpreisträgers (für Ökonomie) Robert Solow, dass der so
genannte Stabilitätspakt mehr schadet als er nützt? Wenn ja, für welche inhaltlichen
Reformen treten Sie ein, damit der Stabilitäts- und Wachstumspakt seinen Namen
tatsächlich verdient?
Europäische Friedenspolitik ohne Nato
9. Auf
welcher rechtlichen Basis hat die Bundesregierung dem Passus, der die Nato zur unverzichtbaren Grundlage der
europäischen Verteidigung macht (I-40 (7)), zugestimmt, ohne eine
gemeinsame Außenpolitik, parlamentarische Mitbestimmung und das Gewaltmonopol
der UNO als Voraussetzung verankert zu haben, und wie vereinbaren Sie das mit
den aus dem Neutralitätsgesetz abgeleiteten Verpflichtungen?
10.
Inwieweit halten Sie die Teilnahme des verfassungsrechtlich gebundenen
neutralen Österreich an möglichen Interventions- und Kampfeinsätzen eines
solchen militärischen Kerneuropa für vereinbar?
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Europäischer Atomausstieg
11.
Was werden Sie ab sofort und bis zum Ende der Legislaturperiode ganz konkret
tun, um eine Euratom-Revisionskonferenz zur Generalreform des Euratom-Vertrages
so rasch als möglich durchzusetzen? Warum ist die Frage einer Euratom-Reform
bisher kein Schwerpunkt der österreichischen EU-Präsidentschaft 2006?
12.
Was werden Sie ganz konkret tun, wenn diese Reformkonferenz nicht zustande
kommt beziehungsweise scheitert? Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung in
diesem Fall ergreifen? Befürworten Sie in diesem Fall einen Ausstieg Österreichs
aus der Europäischen Atomgemeinschaft? Falls nein, warum nicht?
13.
Was werden Sie konkret tun, um die vom EU-Konvent eröffnete Ausstiegsmöglichkeit
einzelner Staaten aus Euratom bei der kommenden EU-Regierungskonferenz
abzusichern?
14.
Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund zunehmender Atomstromimporte, steigender
Rohölpreise und den Vorgaben der EU-Richtlinie „2001/77/EG zur Förderung der
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt“
aktuelle Pläne, die erfolgreiche Ökostromförderung in Österreich zu
zerschlagen?
In
formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis
auf § 93 (2) GOG verlangt.
*****
Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist zwischen den Fraktionen beziehungsweise zwischen den Mitgliedern der Präsidialsitzung im Hinblick auf die Synchronisation zwischen Debattendauer und Fernsehübertragung vereinbart, dass der Anfragesteller, Kollege Van der Bellen, eine Redezeit von 20 Minuten hat, das zuständige Regierungsmitglied innerhalb von 20 Minuten antworten wird, dann eine Rednerrunde pro Fraktion mit je 8 Minuten, eine Rednerrunde mit je 6 Minuten und abschließend eine Wortmeldung pro Fraktion mit voraussichtlich 5 Minuten stattfindet – in der Erwartung, dass wir das bis 16 Uhr über die Bühne bringen. Ich hoffe das!
Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen. Redezeit: 20 Minuten. – Bitte.
14.05
Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe zuerst in die Sache ein. (Ironische Heiterkeit, demonstrativer Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen.) – Ich bin für jeden Applaus dankbar! Falls Sie es bis jetzt noch nicht mitbekommen haben, Herr Kollege von der FPÖ: Wir – nämlich wir, die Grünen, und einige Kollegen der anderen Fraktionen mit Ausnahme von Ihnen – diskutieren unter anderem tatsächlich über Fragen der künftigen Europäischen Verfassung, über die Ziele der Union. Da waren Sie halt geistig ein bisserl abwesend. (Abg. Scheibner: Die Frage ist, was nach dem „zuerst“ kommt!) Wenn in Ihrem Kopf immer nur diese Briefleichen zirkulieren, dann nehme ich das auch zur Kenntnis, aber primäres Thema dieses Tages, hätte ich gehofft und erwartet, ist das nicht. (Abg. Scheibner: Aber Sie haben gesagt „zuerst“! Und was kommt dann?) Wenn mir die Zeit bleibt, bin ich durchaus bereit, abschließend noch ein paar Sätzchen über den Antrag Spindelegger, Bösch zu sagen. (Abg. Scheibner: Da haben Sie dagegen gestimmt!) Aber nur wenn mir noch Zeit bleibt, zunächst möchte ich mich den wichtigeren Fragen widmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Die wichtigeren Fragen: Wir haben uns in Anbetracht der natürlich immer knappen Zeit, die für solche Diskussionen zur Verfügung steht und die auch dem Bundeskanzler im
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Prinzip nur 20 Minuten für die Beantwortung einer solchen Anfrage einräumt, bemüht, das zu kürzen und auf wesentliche Punkte zu konzentrieren.
Die vier Blöcke, die wir anschneiden wollen
und bei denen wir hoffen, dass Bundeskanzler Schüssel sich wenigstens in
einigen Punkten zu mehr Klarheit durchringt, als es bisher der Fall war, sind
erstens die Rolle des Europäischen Parlaments und die europäische Demokratie,
inklusive der Frage der Handlungsfähigkeit; der zweite Punkt umfasst die großen
Fragen Vollbeschäftigung, Europäische Sozialunion, Stabilitätspakt; der dritte
Punkt die europäische Friedenspolitik, Militärpolitik – warum haben Sie in
der letzten Regierungskonferenz dem Passus zugestimmt, dass die Nato unverzichtbare Grundlage der
europäischen Verteidigung sein soll, Herr Bundeskanzler?, und andere
Fragen –; und last but
not least – und damit beginne ich dann auch – der europäische
Atomausstieg.
Meine Damen und
Herren! Mit diesem europäischen Atomausstieg befinden wir uns wirklich an einer
Weggabelung der europäischen Politik. In den letzten Wochen, nicht zuletzt vor
dem Hintergrund der Entwicklung der Erdölpreise, ist die Atomlobby in
Österreich – nein, in Österreich ist sie Gott sei Dank schwach –, ist
die Atomlobby in Europa so rührig, so emsig, so energisch tätig geworden wie
seit langem nicht. Und diesem Treiben müssen wir, zumindest was die Europäische
Verfassung und was den EURATOM-Vertrag betrifft, versuchen ein Ende zu setzen. (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Und da, Herr Bundeskanzler,
sind einige Dinge, sind einige Klarstellungen von Ihrer Seite noch ausstehend.
Erster Punkt: Ich
vermisse schon lange seitens der ÖVP eine klare Aussage dazu, dass der
EURATOM-Vertrag, diese Förderung der europäischen Atomindustrie, einen klaren
Fremdkörper im europäischen Binnenmarkt darstellt und eine klare Wettbewerbsverzerrung
zu Gunsten der europäischen Atomindustrie ist. Das liegt doch auf der Hand.
Wenn Sie schon hin und wieder liberale, wirtschaftsliberale – meine Kollegen
sagen sogar: neoliberale – Tendenzen zeigen, hier könnten Sie sie zeigen.
Hier liegt eine echte Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten der europäischen
Atomindustrie seit bald 50 Jahren vor. Weg damit jetzt endlich! (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
In der
Europäischen Verfassung, besser gesagt, im Konventsentwurf zur Europäischen
Verfassung wird erstmals eine Ausstiegsmöglichkeit für Mitgliedstaaten der
Union aus dem EURATOM-Vertrag, sagen wir einmal, geöffnet. Es ist noch nicht
alles fixiert, was in diesem Zusammenhang notwendig ist. Wird diese
Ausstiegsmöglichkeit jetzt im Rahmen der kommenden Regierungskonferenz
beziehungsweise spätestens mit der österreichischen Präsidentschaft in der EU
Anfang 2006 zu einem zentralen Thema österreichischer Politik – ja
oder nein?
Ich möchte gleich hinzufügen: Es geht nicht nur darum, dass Österreich und anderen Staaten der Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag ermöglicht wird, denn was ich nicht haben möchte und was die Grünen nicht haben möchten, ist, dass uns zwar eine Ausstiegsmöglichkeit eröffnet wird – ohne deswegen aus der Union auszutreten selbstverständlich –, aber gleichzeitig der Vertrag für die Atomlobby erhalten bleibt und die automatische Finanzierung aus dem EU-Budget erhalten bleibt. Das ist überhaupt die schlechteste aller Varianten. Da bleibt man schon lieber drinnen und stimmt dagegen und hofft, Bündnispartner zu gewinnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Nein, es geht darum, auszusteigen und den EURATOM-Vertrag in einer so genannten Revisionskonferenz de facto aufzulösen, um dieser unzulässigen, unerträglichen Subventionierung der Atomindustrie, der Betreiber von Atomkraftwerken, die ja de facto seit 50 Jahren stattfindet, endlich einmal ein Ende zu setzen.
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 68 |
Herr Bundeskanzler! Soweit uns bekannt ist, ist in der derzeitigen Planung für die österreichische Präsidentschaft in der EU im ersten Halbjahr 2006 – die Vorbereitungen laufen selbstverständlich – seitens der österreichischen Präsidentschaft noch keine echte, wahrzunehmende, massive Initiative geplant, obwohl wir hier auf der anderen Seite eine ambivalente Situation haben: Einerseits haben wir eine Atom-Lobby in Europa, die sich so stark rührt wie selten zuvor, andererseits sind im Europa der 25 nur acht Staaten aktive Atomkraftwerksbetreiber. Die anderen haben entweder nie welche gehabt, so wie Österreich, oder sie haben welche und sind dabei, sie stillzulegen, oder sie haben wenigstens einen langfristigen Ausstiegsplan. Nur acht sind hier aktiv, ein Drittel der jetzigen 25 Mitgliedstaaten der Union.
In diesem Zusammenhang noch: Wissen Sie,
Herr Bundeskanzler, die Glaubwürdigkeit der Politik, und hier insbesondere der
Energiepolitik, steht wirklich auf dem Spiel – damit meine ich nicht die
europäische Energiepolitik, sondern die österreichische Energiepolitik –,
wenn Sie einerseits im Inland immer wieder beschwören, wir tun alles, um die
Atomlobby sozusagen im Zaum zu halten, und auf der anderen Seite, im gleichen
Atemzug von Minister Bartenstein im Widerspruch zu einer EU-Richtlinie de facto
die Förderung des Ökostrommarktes in Österreich zerschlagen werden soll. Was
ist denn das? Was, glauben Sie, wird an die Stelle dieser jetzigen
beziehungsweise zu produzierenden Ökostrommengen treten? Importierte
Atomstrommengen? Ist das die Politik, die Sie anstreben? (Beifall bei den
Grünen.)
Das muss einmal ganz klar gesagt werden, wie Sie sich die Zusammensetzung des künftigen österreichischen Strommarktes vorstellen. Sind das die Atomstromimporte oder ist das der Ökostrombereich, der, nebenbei gesagt, wirtschaftspolitisch enorm interessant ist? Man weiß doch – und das wissen doch auch Sie, hätte ich gedacht, Herr Kollege Mitterlehner von der ÖVP –, wie viele Jobs, wie viele Exportchancen im Bereich der Biomasse et cetera, et cetera von Österreich auf diesem Gebiet wahrgenommen werden könnten. Aber sicher nicht dann, wenn von Seiten der Bundesregierung dieser Markt kaputtgemacht wird.
Die Frage Friedenspolitik und Nato. Herr Bundeskanzler! Es ist leicht, sich auf einer abstrakten Ebene darauf einzuschwören: Natürlich werden alle in Österreich für eine friedliche, für eine friedensorientierte Ausrichtung der europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik sein. Aber warum und auf welcher Grundlage haben Sie dann dem neu eingefügten Passus, der im Konventsentwurf zur Europäischen Verfassung nicht drinnen war, zugestimmt, dem Passus, der die Nato zur unverzichtbaren Grundlage der europäischen Verteidigung macht?
Man kann zur Nato stehen, wie man will. Ich will den Deutschen gar nicht einreden, aus der Nato auszutreten. Das ist nicht unser Problem, sondern es geht um das neutrale Österreich und dessen Rolle in einer künftigen europäischen so genannten Verteidigungsarchitektur. Und dem ist es sicherlich nicht hilfreich und nicht zweckmäßig, wenn gleichzeitig die Nato zur Grundlage der europäischen Verteidigung gemacht wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das verhindert ja geradezu, dass die neutralen Länder, und darunter insbesondere Österreich, sich in irgendeiner Weise an der Entwicklung dieser gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik beteiligen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Also noch einmal: Wie ist es möglich, dass Sie einerseits offiziell die Neutralitätspolitik – was heißt „-politik“, die Neutralität ist verfassungsrechtlicher Status in Österreich, Sie müssen sie selbstverständlich einhalten! –, dass Sie einerseits die Neutralität in Sonntagsreden bewahren wollen und andererseits für die europäische Verteidigung die Nato als Grundlage ansehen? (Abg. Scheibner: Aber wer, Herr Kollege, bezahlt?) Österreich wird sicherlich nicht die Rüstungsanstrengungen der Nato bezahlen, oder, Herr Kollege Scheibner? Das ist zumindest die Position der Grünen. Ich weiß nicht,
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was die Position der
Freiheitlichen dazu ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der
SPÖ. – Abg. Scheibner: Wer
bezahlt für Europa die Verteidigungsstruktur, Herr Kollege? Das muss man
dazusagen!)
Ich habe es schon in meiner ersten Rede gesagt: Wenn Sie von den Grünen erwarten, dass wir einer Verdreifachung des österreichischen Rüstungsetats zustimmen (Abg. Scheibner: Das wollen Sie auch nicht! Und die NATO wollen Sie auch nicht!), während Sie gleichzeitig für die Anschaffung der so genannten Eurofighter Milliarden beim Fenster hinauswerfen – ich meine, für wie bescheuert halten Sie uns? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Nicht bescheuert, aber inkonsequent!)
Sie können uns viel vorwerfen, Herr Kollege
Scheibner, aber inkonsequent ist es sicher nicht, gegen die Anschaffung der
Eurofighter zu sein (Abg. Scheibner: Doch! Für Sicherheit in
Europa, aber gegen die NATO!),
gleichzeitig für eine Modernisierung des Bundesheeres, weil dieser Ankauf
dieser sinnlosen Flieger genau den Umbau des Bundesheeres zu einer sinnvollen
neuen Struktur behindert. Sie als ehemaliger Verteidigungsminister wissen das
genauso gut wie ich. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Herr Bundeskanzler, betrachten Sie das bitte nicht als Wortklauberei, wenn wir sehr nervös werden, wenn im so genannten Teil I des Konventsentwurfs zur Europäischen Verfassung das Wort „Vollbeschäftigung“ als Ziel steht, im Teil III aber von der Regierungskonferenz etwas hineingefügt wird, so quasi als Umsetzungsrichtlinie dieses Ziels der Vollbeschäftigung, wo aber nicht „Vollbeschäftigung“ steht, sondern „hohes Beschäftigungsniveau“.
Herr Bundeskanzler, das sind verschiedene Dinge! Vollbeschäftigung ist anders definiert, ist ein anderes Ziel als ein hohes Beschäftigungsniveau. Ein hohes Beschäftigungsniveau – ich werde das jetzt nicht im Detail ausführen – ist auch mit einer relativ hohen Arbeitslosigkeit vereinbar, Vollbeschäftigung nicht. Das wissen alle, und ich darf davon ausgehen, dass auch der Bundeskanzler das gewusst hat. Nichtsdestoweniger ist von der Regierungskonferenz gerade in diesem Punkt vom Konventsentwurf abgegangen worden. Und das ist die Frage: Warum? Warum machen Sie dieses Scheunentor auf, vom Ziel der Vollbeschäftigung – ich weiß ja, wie schwierig das zu erreichen ist; darum geht es nicht – abzuweichen und das gleich postwendend durch eine weichere Formulierung de facto aufzugeben?
Das ist der Eindruck, den man als Bürger bekommt: Einerseits beschwören Sie auch in der Regierungskonferenz: Sicher, Arbeitsmarkt, Beschäftigung, Vollbeschäftigung, das wollen wir doch alle!, aber andererseits, dort, wo es konkret wird, dort drücken Sie sich, dort suchen Sie sofort nach weicheren Formulierungen, die Sie dann zu nichts mehr verpflichten.
In diesem Zusammenhang noch einmal, Herr Bundeskanzler, zu Stabilität und Wachstum. Niemand in diesem Raum wird wahrscheinlich bestreiten, und ich zuletzt, dass das wichtige Ziele sind, aber der jetzige Pakt, der so genannte Pakt zur Förderung von Stabilität und Wachstum in der Union bewirkt in Tat und Wahrheit das Gegenteil.
Zufällig blätterte ich gestern in alten
Unterlagen der „Zeit“ – „Die Zeit“ ist bekanntlich
so groß und lang, dass man es kaum wirklich schafft, sie zu lesen – und
fand einen Artikel von Mitte April (Zwischenruf
des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch) –
„Die Zeit“, das Magazin –, in dem der Nobelpreisträger
Robert Solow zitiert wird. Robert Solow ist nicht irgendwer, Herr Kollege
Scheuch von der FPÖ, er ist ein Nobelpreisträger der Ökonomie, Professor am
Massachusetts Institute of Technology, einer der anerkanntesten Leute auf
diesem Gebiet, nämlich der Wachstumspolitik, und, wenn ich das noch hinzufügen
darf, eine Spur moderner als Mises und Hayek, die ihre Großtaten in
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den
zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts vollbracht haben. (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Robert Solow ist nun bei Gott nicht der Einzige, der sagt, dass es schon sein mag, dass dieser Pakt eine gute Intention gehabt hat, aber jetzt, in den letzten Jahren, richtet er eindeutig mehr Schaden als Nutzen an.
Wenn wir schon Regeln brauchen, dann brauchen wir andere Regeln. Wir müssen uns auf das strukturelle Defizit und nicht auf das laufende Defizit konzentrieren. Wir müssen uns auf die Verschuldungsquoten und nicht zu sehr auf die laufenden Defizite konzentrieren.
Nur ein Wort dazu: Es macht einen
Unterschied, ob ein Land mit einer Schuldenquote von 130 Prozent, wie es
bei Italien und Griechenland der Fall war, ein Defizit von auch nur 2 oder
3 Prozent des BIP macht, oder ob dies ein Land mit einer Schuldenquote von
50 oder 60 Prozent tut. Das macht auf lange Sicht einen riesigen
Unterschied aus! (Abg. Neudeck: Aber nicht erst jetzt! Das ist damals
ausdrücklich so beschlossen worden!)
Aber gerade neulich ist wieder – ich weiß nicht, in welchem Ausschuss das war; das habe ich schon vergessen, im Unterausschuss des Hauptausschusses oder in einem anderen – von Ihnen, von den Regierungsparteien ein Bekräftigungsbeschluss gefallen, dass der jetzige Stabilitätspakt auf Punkt und Beistrich einzuhalten ist. Nur vor diesem Hintergrund kommt jemand wie Finanzminister Grasser dazu, in Frankfurt zu fordern, dass die Deutschen das gefälligst auf Punkt und Beistrich einzuhalten hätten.
Ich verstehe schon – ich bin jetzt eh gutwillig –, bestehende Verträge sind einzuhalten. Aber dieser Vertrag ist ein unsinniger Vertrag! Deswegen müssen die Reformbestrebungen dahin gehen, ihn sinnvoll so zu ändern, dass er Stabilität und Wachstum fördert (Zwischenruf des Abg. Scheibner), Herr Kollege Scheibner. Die Reform darf nicht so ausschauen, dass ein sinnloser Vertrag mit zusätzlichen Sanktionen durchgepeitscht wird. Das war aber die Aussage von Karl-Heinz Grasser in Frankfurt. Das ist wirtschaftspolitischer Irrsinn. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Das dient auch – zumindest dieses Argument müsste bei Ihnen ziehen – nicht den wirtschaftspolitischen Interessen Österreichs. Österreich hat primäres Interesse daran, dass die deutsche Wirtschaft einigermaßen floriert. Wir haben doch kein Interesse daran, dass Deutschland – und das wäre eine Konsequenz des jetzigen Stabilitätspaktes – rund 11 Milliarden € zusätzlich in irgendeine Rücklage in Brüssel transferiert.
Bitte, 11 Milliarden zusätzlich! Und wenn die Deutschen das nicht tun, dann sollen sie mit Entzug des Stimmrechtes bestraft werden?! Das ist im Ernst die Vorstellung des Finanzministers? Es gibt niemanden in diesem Haus, niemanden in der Bundesregierung, niemanden in seinem Ministerium, der ihm diesen Unsinn, der auch den wirtschaftspolitischen Interessen – ich rede nicht von Moral, Recht oder irgendetwas Ähnlichem –, unseren wirtschaftspolitischen Interessen nicht entspricht, ausredet?
Sie schauen mich mit wunden Augen an, Herr
Kollege Molterer (Abg. Mag. Molterer: Gar nicht! Ich bin
überrascht, dass ein Ökonom so etwas sagen kann!), aber ich erwarte auch
von Ihnen eine klare Stellungnahme von Seiten der Bundesregierung in der
Öffentlichkeit, das Ja, dass der Pakt revidiert gehört, dass Sie sagen: Ja, wir
wollen Stabilität und Wachstum, aber so geht es offensichtlich nicht. (Abg.
Mag. Molterer: Sie sind Professor für Ökonomie? Da verstehe ich
nicht, dass Sie das sagen!) – Deswegen sage ich es ja dauernd. (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
Ich bin Professor der Ökonomie, ich missbrauche mit diesem Anliegen Ihre Zeit, aber das ist kein Privatanliegen. (Abg. Mag. Molterer: Ich verstehe, warum Sie es nicht
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mehr sind nach dieser Rede! Sie sollen Ökonomieprofessor sein?) Die europäische Wirtschaft wird sich auf diese Art nicht erholen.
Präsident Dr. Heinz Fischer: Auch ein Ökonomieprofessor kann nicht verlangen, dass man mit
eckigen Augen angeschaut wird, Herr Abgeordneter Van der Bellen. (Heiterkeit
bei den Freiheitlichen.)
Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): Ich gebe dem Kollegen Molterer noch eine gewisse Bedenkzeit. Mag sein, dass heute nicht der richtige Tag ist ... (Abg. Neudeck: Für die Dringliche heute!) – Nein, um über Sinn und Unsinn des Stabilitätspaktes zu diskutieren. Aber wenn Sie mir schon in Sachfragen nicht zuhören wollen und gedanklich abschweifen (Abg. Mag. Mainoni: Sind die 20 Minuten vorbei? – Abg. Neudeck: Sie haben es gleich geschafft!), dann sage ich auch noch zwei Worte über diesen Antrag Spindelegger, Bösch.
Es ist schon eine Chuzpe, Herr Spindelegger;
das hätte ich von Ihnen nicht erwartet. (Abg. Scheibner: Er hat bei
Ihnen keine Prüfung gemacht, Herr Professor!) Sie schreiben Seiten über
Seiten über die Sanktionszeit damals im Jahre 2000. Ich weiß nicht, wie
viele Seiten dieser Antrag hat, sechs oder sieben Seiten. Das muss man einmal
zusammenbringen, dabei nicht ein Wort darüber zu verlieren, wie diese
Sanktionszeit geendet hat. (Abg. Rädler: Wer hat sie begonnen?)
Da hat es so genannte drei Weise aus Finnland, aus Spanien und aus Deutschland gegeben. Diese haben einen Bericht geschrieben. (Abg. Lentsch: Das wissen wir alle!) Und mit diesem Bericht war die Geschichte dann erledigt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wie gnädig!) Diesen Bericht empfehle ich allen von uns, empfehle ich den Journalisten, empfehle ich der breiten Öffentlichkeit, hin und wieder nachzulesen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Eine Frechheit ist das gewesen!) Dort wird nämlich auch erklärt, wie die Vorgeschichte des Ganzen war.
Der Bericht der „drei Weisen“ kommt zum Schluss, die Sanktionen sollten beendet werden, weil sie inzwischen kontraproduktiv geworden sind. Die FPÖ (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Die SPÖ hat es noch immer nicht kapiert!) als Anlass dieser Sanktionszeit wird als „rechtspopulistische Partei mit radikalen Elementen“ bezeichnet. Sie wird an anderer Stelle als „rechtspopulistische Partei mit extremistischer Ausdrucksweise“ bezeichnet. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist eine Frechheit sondergleichen!) Und denselben Fall, den Haider jetzt wieder mit der Unterstellung der kriminellen Landesverräterei durch den Abgeordneten Swoboda aufgenommen hat, gab es damals schon.
Damals waren die Ziele – ich weiß nicht mehr – Voggenhuber, Gusenbauer und noch alle möglichen Leute, die von Haider mit Gefängnisstrafe bedroht wurden.
Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!
Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): Das
ist mein Schlusssatz, Herr Präsident: Diesen Fall empfehle ich Ihnen, im
Bericht der „drei Weisen“ noch einmal nachzulesen. (Abg. Neudeck: Die
Ruhephase ist vorbei!) Dort steht alles ganz genau drinnen, da braucht man
keine Historiker-Kommission mehr. (Beifall bei den Grünen und der
SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Den „drei Weisen“ ein
besonderes Dankeschön sagen!)
14.25
Präsident Dr. Heinz Fischer: Im Sinne der Bestimmungen der Geschäftsordnung gelangt der Herr Bundeskanzler zu Wort. Es ist vorgesehen, dass die Redezeit ebenfalls 20 Minuten betragen möge. – Bitte, Herr Bundeskanzler.
14.26
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Herr Präsident! Herr Abgeordneter und Klubobmann Professor Van der Bellen, ich danke Ihnen sehr für diese
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Sondersitzung und für die Gelegenheit, bei dieser Dringlichen Anfrage noch einmal in 20 Minuten die Positionen Österreichs, die ja bekannt sind, darstellen zu dürfen, vor allem vor einem breiteren Publikum, das uns jetzt an den Fernsehgeräten zuschaut und zuhört.
Erster Punkt – um das zurechtzurücken,
weil es in der Anfragebegründung steht –, die Regierung hätte „sich
schrauben“ wollen vor einer Erläuterung vor dem Parlament, wir wären quasi nach
Brüssel gefahren, ohne die Position mit dem österreichischen Nationalrat
abzustimmen. (Abg. Dr. Van der Bellen: Ja, richtig!) Das ist
natürlich völlig falsch. (Abg. Dr. Van der Bellen: Völlig
richtig!)
Nein, Herr Professor, bleiben wir bei der Wahrheit! Es ist längst ein EU-Hauptausschuss vereinbart, wo natürlich vor dem Treffen in Brüssel sämtliche Positionen – zu diesem Zeitpunkt liegen auch schon die Vorschläge der Iren und der Präsidentschaft auf dem Tisch – genau auf Punkt und Beistrich abgestimmt werden. Wir wären natürlich sehr froh – sage ich jetzt; das haben wir noch nicht besprochen –, wenn wir dann mit einem Standing Committee, mit einem Ständigen Ausschuss, die Diskussion im Europäischen Rat durch alle vier Fraktionen begleiten und damit hoffentlich auch einen breiten Konsens haben, den wir letztlich brauchen.
Also kein Grund zur Aufregung! Trotzdem ein Dankeschön für die Gelegenheit, hier sprechen zu dürfen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Damit ich nicht wieder in Zeitdruck komme, werde ich es jetzt umgekehrt machen. Ich werde sofort die Anfragen beantworten und mir dann die Freiheit nehmen, so mir noch Zeit bleibt, ein bisschen auf die Debatte einzugehen.
Zur Frage 1:
Sie fragen, wo wir vom Konvent abweichen. Ich stehe dazu, was ich in der vorigen Debatte gesagt habe: Der Konvent hat ein sehr gutes Ergebnis gebracht – allerdings eines, das verbessert werden muss. Das war bitte schon unsere gemeinsame Auffassung. Zu dieser haben wir uns in mehreren Sitzungen und Diskussionen durchgerungen.
Jetzt die Frage: verbessern oder verwässern? – Ich werde versuchen, einige ganz konkrete Punkte zu nennen, die eine Verbesserung sind.
Erstens: Beim Rechtsschutz gab es eine Lücke im Hinblick auf die verbindlichen Beschlüsse des Europäischen Rates, die jetzt durch unser österreichisches nachdrückliches Agieren geschlossen werden konnte. – Eine echte Verbesserung.
Zweitens: die Einführung des Minderheitenschutzes. Das war ein ungarisches Anliegen, dem wir sehr nachdrücklich Unterstützung gegeben haben. Das ist eingefügt worden. Weiters: Der Grundsatz der Gleichheit von Männern und Frauen unter die Werte der Europäischen Union. Herr Professor, ich glaube, das ist eine Verbesserung. Ich hoffe, Sie stimmen mir dabei zu.
Drittens: Es gibt auch Bestimmungen im Konvententwurf über die Daseinsvorsorge. Das war sehr wichtig, das war ein österreichischer Vorschlag: Wir haben erreicht – und das war am Anfang nicht klar, im Konvent ist das nicht durchgegangen –, dass die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, diese kommunalen Dienste zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben oder zu finanzieren, vollkommen unberührt bleiben. – Ein großer Erfolg für uns! Keine Verwässerung, Herr Professor Van der Bellen!
Weiters: Es gibt die Berücksichtigung – erstmals erwähnt in der Europäischen Verfassung – von Berggebieten und Grenzregionen. Das war ein österreichischer Vorschlag in der europäischen Regionalpolitik. Das ist doch hoffentlich ein Thema, dem Sie alle zustimmen werden.
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Die Vollbeschäftigung, Herr Professor, ist vollkommen unberührt geblieben. Das, was der Konvent als Ziel vorgeschlagen hat, ist unberührt geblieben. Neu hinein kam ein belgischer Vorschlag, den wir aber unterstützt haben, nämlich eine Sozialklausel einzufügen, wonach bei allen Politiken die Auswirkungen auf das hohe Beschäftigungsniveau und den Sozialschutz Priorität haben sollen. Das haben wir eigentlich aus vollem Herzen unterstützt. – Das ist keine Verwässerung, entgegen dem, was Sie hier behauptet haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Abgelehnt hat eine ganze Reihe von Ländern – auch wir – den Vorschlag eines Legislativrats. Ich weiß, Sie waren dafür, aber ich habe als Praktiker wirklich größte Bedenken. Ich bin dafür, dass die Fachminister, die ja auch den nationalen Parlamenten und dem Parlament hier verantwortlich sind und die auch die fachliche Kompetenz haben, in diesen Fachministerräten die Entscheidungen treffen – und nicht irgendein Sitzredakteur, der nach Brüssel geschickt wird und keine Anbindung zur konkreten, reellen Praxis hat. Das ist meine Meinung. Wir waren damit nicht allein: Eine überwältigende Mehrheit von Mitgliedstaaten hat das getragen, und das ist, so glaube ich, auch heute von jedem akzeptiert.
Nun zu den heiklen Fragen, die ich zuerst nicht ausführen konnte, zum Übergang zur qualifizierten Mehrheit und zur Stimmgewichtung. Wir wollten mehr Mehrheitsabstimmungen in der Außenpolitik, Steuerpolitik und Sozialpolitik. Ich meine, dass das sehr gut gewesen wäre. Aber ich frage Sie zurück: Wollen wir einen Kompromiss oder wollen wir jetzt Hardliner spielen? Wollen wir eine Verfassung schaffen, die Sie zu Recht hier eingemahnt haben, auch Caspar Einem und viele andere Redner, oder wollen wir jetzt justament alle Bedenken, die andere Mitgliedstaaten haben, zur Seite wischen, über sie drüberfahren und sagen, nein, dann gibt es eben überhaupt keine Europäische Verfassung? – So ist das zu verstehen. Nicht, dass ich unser Ziel plötzlich geringer achte, aber eine gewisse Kompromissfähigkeit gehört mit dazu.
Dazu kommt jetzt die Frage der Stimmgewichtungen. Wir sind – das ist unsere gemeinsame Position – für das, was etwa in der Schweiz das doppelte Mehr ist: Man braucht die Zustimmung der Bevölkerung und die Zustimmung der Stände. In der Europäischen Verfassung wäre das quasi die Mehrheit der Bevölkerung und die Mehrheit der Mitgliedstaaten, 50 : 50. Das wäre ideal. Der Konvent hat einen Kompromiss gemacht. Er hat gesagt: 50 Prozent Staaten, 60 Prozent Bevölkerung. Beides hat nicht funktioniert – ich sage das hier auch ganz offen.
Meine logische Position ist nach wie vor die gleiche Parität. Wir, die like-minded countries, haben gesagt: Na gut, wir können uns am Ende in einem Gesamtpaket, in dem die Kommission, die Teampräsidentschaft, das Stimmgewicht enthalten ist, durchaus bewegen, aber wir wollen, dass die Unterschiede zwischen dem Staaten- und dem Bevölkerungskriterium nicht zu groß werden. Ich würde anregen, dass wir dieses Thema in den Tagen der oder von mir aus auch parallel zur Verfassungskonferenz noch einmal besprechen, denn ich will hier nicht alleine vorgehen. Es ist sehr wichtig, dass wir den Geleitzug vieler anderer gleich gesinnter mittlerer oder kleinerer Mitgliedstaaten ernst nehmen, dass wir hier ein institutionelles Gesamtpaket haben, in dem vor allem die Gleichheit der Mitgliedstaaten, gleichberechtigte Rotationen und die gleichberechtigte Möglichkeit, eine wichtige Position einzunehmen, gewahrt bleiben. Das ist ein wichtiges Prinzip. Ich glaube, dass Sie mir – hoffentlich – in diesem Bereich auch zustimmen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Nun, genauso ist es aus meiner Sicht eine Verbesserung, dass wir – das war, so glaube ich, ein Versehen, aber es ist auf unseren Wunsch hin hineingekommen – die Preisstabilität oder monetary stability, wie es ja in den Zielen der gemeinsamen Währung immer außer Streit gestanden ist, genauso verankern wie eben die Beschäfti-
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gungssituation, die Vollbeschäftigung oder die Wachstumspolitik. Das ist aus meiner Sicht ganz wichtig.
Zur Frage 2:
Wie schon erwähnt: Wir haben uns für einen möglichst weit gehenden Übergang zu qualifizierten Entscheidungen ausgesprochen. Wir waren da immer sehr integrationsfreundlich und offensiv; offen gestanden, eine EU der 25 muss die Blockademöglichkeiten auch reduzieren. Selbstverständlich bleiben Finanzvorschau, Budget, Verfassungsänderungen und militärische Angelegenheiten Fragen der Einstimmigkeit, aber wir akzeptieren auch die red lines – die Briten nennen es jetzt: purple lines – mancher Mitgliedstaaten.
Interessant ist ja Folgendes: Nicht die Neoliberalen blockieren etwa das Abgehen von der Einstimmigkeit hinsichtlich der Steuern, sondern die bekannten sozialdemokratisch geführten Länder wie Schweden oder Großbritannien! Es ist also nicht ganz so weit her mit dem, wie Sie hier behauptet haben.
Zur Frage 3:
Ja, ich bin für die rechtsverbindliche Aufnahme der Grundrechts-Charta. Wir haben das immer verlangt, das ist ein zentrales Element, um den Bürgern Europa näher zu bringen und zugleich auch die Einklagbarkeit vor dem Europäischen Gerichtshof zu erreichen.
Zur Frage 4:
Auch in diesem Punkt sind wir nicht auseinander. Wir haben immer die Rechte des Europäischen Parlaments und die Aufwertung des Parlaments unterstützt.
Zur Frage 5:
Die Volksabstimmung ist ein Non-Starter, sprechen wir es offen aus. Acht Länder haben angekündigt, dass sie nationale Abstimmungen durchführen werden. Ich habe immer als Ausweg vorgeschlagen – ich habe das auch mit Tony Blair und mit anderen diskutiert –, ob es nicht etwa ein Ausweg wäre, wenn ganz Europa an einem Tag nach der nationalen Ratifizierung dieser neuen Europäischen Verfassung eine Volksbefragung oder Volksabstimmung abhalten würde. Bisher gab es viel Wohlwollen unter vier Augen, aber keine Rede, dass das in irgendeiner Weise akzeptiert wird. Wir werden sehen, wie das in Brüssel sein wird.
Zur Frage 6:
Zur Sozialklausel habe ich schon Stellung genommen. Da ist überhaupt kein Eingriff in den Konventtext zu verzeichnen. – Im Gegenteil: Der Konventtext ist dort, wo es Ihnen wichtig ist, von uns vollkommen unbestritten geblieben.
Zur Frage 7:
Die Frage der Steuern habe ich bereits beantwortet.
Zur Frage 8:
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist ein
wichtiges Thema. Ich teile nicht Ihre Meinung, dass der
Stabilitäts- und Wachstumspakt für Europa schlecht war oder gar für Österreich
schlecht ist. – Ganz im Gegenteil: Wer eine gemeinsame Währung will,
braucht auch gemeinsame Spielregeln, braucht auch Stabilität, die ernst gemeint
ist und an die sich alle halten. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Überlegen Sie sich, was es bedeuten würde, wenn wir eine gemeinsame Währung haben, sich aber von den zwölf Mitgliedsländern zwei oder drei nachhaltig und bewusst
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nicht daran halten! Die
Zinsen für uns alle würden steigen, damit auch die Inflation. Jeder kleine
Häuselbauer, jeder, der einen Kredit aufnimmt, würde das büßen. Wir hätten
überhaupt keine Möglichkeit, gegenzusteuern. Man kann über das Wie diskutieren,
aber gerade ein Professor der Ökonomie – und Sie wissen, ich schätze Sie
sehr – muss meiner Meinung nach zum Schluss kommen, dass eine gemeinsame
Währung auch eine gemeinsame Budgetdisziplin, eine gemeinsame, koordinierte
Wirtschafts- und Wachstumsstrategie und vor allem glaubwürdige Richtlinien
erfordert, die eingehalten und kontrolliert werden müssen. (Abg. Dr. Van
der Bellen: Aber andere!)
Jetzt ist der Punkt – das muss man auch dazusagen –: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist nicht perfekt. Ich habe das hier gesagt, ich habe das öffentlich gesagt, ich habe das in Brüssel, in Deutschland gesagt, ich habe das in Wien gesagt; da gibt es keine Unterschiede in meiner Meinung. Wir haben ein Problem, wir haben ihn nämlich auf drei Jahre angelegt. Niemand hat ursprünglich angenommen, dass es vielleicht sogar eine längere Phase der wirtschaftlichen Stagnation geben könnte. Daher wäre es klug, eine flexiblere Zeitspanne zu nehmen. Ich habe immer kritisiert, dass Eurostat in den letzten drei Jahren die Spielregeln verschärft hat, ohne dass es eine politische Diskussion gegeben hat. Wir schätzen, dass etwa ein halbes Prozent bis etwa ein Dreiviertelprozent an Verschärfung der Spielregeln nur durch Eurostat entstanden ist. Das macht überhaupt keinen Sinn.
Ich bin auch dagegen, dass wir politisch darüber befinden, ob jetzt Kriterien eingehalten werden oder nicht. Nicht der Weg, Stimmrechte für ein Land abzuerkennen, ist aus meiner Sicht der richtige Weg, ich würde eine Automatik, kontrolliert von der Kommission, vorschlagen, die praktisch der politischen Willensbildung entzogen wird.
Schlusssatz dazu: Ich halte es für ganz wichtig, dass man zwischen Wachstum und Arbeitsplätzen und Stabilitätskriterien langsam einen Link, eine Klammer herstellt. Wir sind ein sehr stabiles Land, wir haben die besten Beschäftigungsdaten, und genauso jene Länder, die sich daran gehalten haben. Die schlechtesten Arbeitsmarktdaten haben jene, die den Wachstums- und Stabilitätspakt verletzt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zur Frage 9:
Nun zur Frage der Beistandsgarantie, Artikel 40 (7). – Herr Professor, ich weiß nicht, wer Sie hier beraten hat, aber er sollte sich den Text wirklich einmal durchlesen. Sie kritisieren, wir akzeptierten die unverzichtbare Rolle der NATO. Darf ich den Text vorlesen? – Das stimmt überhaupt nicht, das kommt gar nicht vor. Ich weiß nicht, wer Ihnen das gesagt hat.
Im Text, im Artikel 40 (2) steht:
Die Gemeinschaft, die Union achtet die Verpflichtungen
bestimmter Mitgliedstaaten, die ihre gemeinsame Verteidigung in der NATO verwirklicht
sehen. – Na selbstverständlich, das ist ja ihre Entscheidung! Das geht ja
uns nichts an. (Abg. Gahr –
in Richtung Grüne –: Blamabel!)
Und im Artikel 40 (7) heißt es: Bei der Umsetzung einer möglichen engeren Zusammenarbeit arbeiten die beteiligten Staaten eng mit der Nordatlantikvertrags-Organisation zusammen. – Also zwischen einer Zusammenarbeit, die heute ja selbstverständlich ist – auch für uns; wir sind Partner für den Frieden in der NATO wie alle anderen Neutralen oder Nicht-Alliierten –, und dem, was Sie hier gesagt haben, klafft ein ganz, ganz großer Unterschied. Daher ist diese Solidaritäts- und Sicherheitsverpflichtung absolut in Ordnung. Sie wird auch von uns mitgetragen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zur Frage 10:
Sie wissen, die heutige Verfassung, nämlich Artikel 23f, gewährleistet, dass Österreich nicht nur an den Maßnahmen der Außenpolitik, sondern auch im vollen Umfang an den
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Aufgaben der so genannten Petersberg-Missionen teilnehmen kann. Wir bestimmen in jedem einzelnen Fall darüber, was wir tun. Ist das politisch, ist das militärisch, ist das wirtschaftlich? Wir bestimmen darüber. Wir haben in die gemeinsame Strategie, ausgearbeitet von Solana, auch ausdrücklich hineingenommen, dass alles auf das Gewaltmonopol des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen abstellt. Dieser Passus geht übrigens sehr massiv auf österreichisches Betreiben zurück. Ich glaube daher, dass das ein sehr vernünftiger Vorschlag ist.
Nun zum Thema Kernenergie, zu den Fragen
11 bis 13:
Ich bin ein wenig überrascht über den Schwenk so mancher hier, denn ich habe von April 2003 einen gemeinsamen Text der Abgeordneten Berger, Einem, Farnleitner, Rack, Tusek et cetera, wo wir gemeinsam vorgeschlagen haben, den Vertrag nicht herauszunehmen, sondern eigentlich besser zu integrieren und die Spielregeln parlamentarischer Mitbestimmung, Verfahrensbestimmungen und so weiter, die Übertragung der EURATOM-Forschung in das normale Forschungsprogramm et cetera vorzunehmen.
Ich persönlich halte es für falsch, wenn wir den Eindruck erwecken, wir sollen hier überhaupt auf jede Mitsprache verzichten. Ich bin dafür, dass Österreich auf die größtmöglichen Sicherheitsmaßnahmen besteht. Das muss unser Interesse sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Die EURATOM-Revisionskonferenz wurde im Konvent von allen Parlamentsparteien verlangt. Leider ist diesem Wunsch nicht entsprochen worden. Und etwas, was sehr wichtig ist: Die österreichische Außenministerin hat gemeinsam mit dem grünen Außenminister Dr. Joseph Fischer eine Initiative gestartet, dass jetzt quasi eine Initiative von interessierten Staaten vorgelegt wird. Das liegt vor und wird natürlich auch von uns nachdrücklich unterstützt.
Zur Frage 14:
Was die Ökostromförderung betrifft, muss ich ganz offen sagen: Es denkt niemand daran, die Ökostromförderung zu killen oder zu zerschlagen; ganz im Gegenteil. Es wird natürlich darum gehen, auch die Gewichtungen und die Förderhöhen festzulegen beziehungsweise neu festzulegen, aber es geht in keinster Weise darum, den Spitzenplatz, den Österreich hier einnimmt, in irgendeiner Weise zu gefährden.
Erlauben Sie, dass ich noch einige wenige Bemerkungen mache zu Themen, die in der Debatte angesprochen worden sind.
Das erste Thema: Wasser. Ich möchte die SPÖ daran erinnern, dass es die Abgeordnete Graenitz gewesen ist, die bei ähnlichen Kritiken, das Wasser sei gefährdet, wörtlich gesagt hat: Es ist völlig falsch, dass unser Trinkwasser gefährdet ist. – Ich darf Sie daran erinnern, dass es in der Europäischen Wasserrichtlinie wörtlich heißt:
„Wasser ist keine ... Handelsware“ wie jede andere, „sondern ein ererbtes Gut, das geschützt ... werden muss.“
Ich darf Sie daran erinnern, dass mit den Stimmen von uns allen im Europäischen Parlament beschlossen wurde, in Bezug auf Trinkwasser keine Liberalisierung der Wasserversorgung vorzunehmen. Daher, bitte: Machen wir den Menschen doch nicht Angst, sondern nehmen wir ihnen ihre Angst mit einer guten Politik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zweites Thema: Es kam die Kritik, dass österreichische Regierungsmitglieder nicht immer an den Ratssitzungen teilnehmen. – Ich darf darauf hinweisen, dass von den 15 Absenzen, die es von 70 oder 80 Ratstagungen gegeben hat, fünf in der Zeit der Regierungsbildung im Frühjahr vorigen Jahres waren, als es darum gegangen ist,
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Koalitionsverhandlungen zu führen und eine Regierung zu bilden. Es wird jeder dafür Verständnis haben, dass das Priorität hatte. Dazu kommen zwei Budgeträte, wo fast immer die Botschafter anwesend sind, weil das alles längst vorverhandelt ist. Weiters kamen drei Fischereiräte dazu – und dass Österreich keine Großmacht mit einer Hochseeflotte ist, das dürfte sogar Ihnen bekannt sein. Daher: Hören Sie auf! Bei den wichtigen Themen waren wir immer da und haben uns für unsere Bevölkerung eingesetzt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Letzter Punkt. – Meine Damen und Herren! Wer behauptet, Österreich hat nichts zu reden oder hat ein Problem, gehört zu werden, dem möchte ich doch einige Dinge zu bedenken geben: Der Europäische Präsident aller Wirtschaftskammern ist ein Österreicher. Der Europäische Vorsitzende aller 20 Millionen Klein- und Mittelbetriebe ist ein österreichischer EU-Abgeordneter. Wir haben eine von 13 Persönlichkeiten, die jetzt in der hohen Gruppe der Persönlichkeiten die Lissabon-Strategie überprüft: das ist Herr Präsident Verzetnitsch. Wir haben einen von sieben Direktoren in der Europäischen Zentralbank. Zehn Jahre lang hat unser Kommissar das größte und wahrscheinlich schwierigste Ressort in der Europäischen Kommission verwaltet. Wir haben im Konvent mit Farnleitner, mit Einem, mit Bösch, mit Voggenhuber exzellente Fachleute gehabt, die dort etwas weitergebracht haben. Wir können auf eine erfolgreiche EU-Präsidentschaft 1998 zurückblicken – dort wurden die Verhandlungen mit den Erweiterungskandidaten begonnen, die jetzt abgeschlossen worden sind –, und wir bereiten uns jetzt auf eine hoffentlich ebenso erfolgreiche Präsidentschaft 2006 vor.
Wir haben voriges Jahr mit Graz eine erstklassige Kulturhauptstadt präsentiert. Wir waren der Anwalt der Erweiterung und der Gründer der regionalen Partnerschaft. Wir haben wichtige Anregungen in die Verfassungsdebatte eingebracht.
Und wer jetzt noch immer behauptet, wir
werden nicht gehört, der hat entweder das Funktionieren von Europa nicht ganz
durchschaut oder er macht uns kleiner, als wir sind – und das stört mich
besonders! –, oder er sollte bessere Leute in die europäischen Institutionen
schicken. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie
Bravorufe bei der ÖVP.)
14.46
Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.
Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete
Dr. Lichtenberger. Redezeit: 8 Minuten. Auch die nachfolgenden
Rednerinnen und Redner haben je 8 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau
Abgeordnete. (Beifall bei den Grünen für die sich zum Rednerpult begebende
Abg. Dr. Lichtenberger.)
14.46
Abgeordnete
Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Herzlichen Dank,
Herr Präsident! – Zu den Antworten, die uns der Herr Bundeskanzler auf
unsere Fragen gegeben hat (Abg. Dr. Stummvoll: Sehr überzeugend!), möchte ich schon in einigen
Details hier Stellung nehmen.
Erstens:
Herr Bundeskanzler, Sie haben zu Recht davon gesprochen, dass im Hauptausschuss
eine gewisse Zeit für die Debatte über die Zukunft der Europäischen Verfassung
zur Verfügung steht. Ja, richtig! Aber sogar Ihr Präsident Khol hat öffentlich
beklagt, dass es keine Plenardebatte über die Zukunft der Europäischen Union
gibt, und deswegen haben wir Ihnen mit dieser Sondersitzung die Möglichkeit
dazu eingeräumt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ sowie demonstrativer
Beifall der Abgeordneten Dr. Khol, Dr. Stummvoll und Mag. Molterer. – Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. – Abg. Mag. Molterer: Heute! Jetzt!)
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Nicht
heute, Herr Kollege Khol, sondern in einer öffentlichen Stellungnahme, wo es
darum gegangen ist, ob wir genug über die Europäische Union diskutieren. Ich
suche Ihnen das gerne noch heraus.
Aber nun
zu Ihren Antworten, Herr Bundeskanzler.
Was die
Abweichungen vom Konventsvorschlag, die Sie aufgezählt haben, angeht, kann ich
auf Grund der knappen Zeit nur einige herausgreifen. Wenn Sie sagen, in Sachen
Vollbeschäftigung sei der Konventsentwurf unberührt geblieben, es sei das Ziel
der Vollbeschäftigung damit nicht in Frage gestellt, möchte ich dazu anmerken:
Wer sagt, dass in den konkreten Politiken dann jenseits des Ziels der
Vollbeschäftigung nur mehr das hohe Beschäftigungsniveau berücksichtigt werden
muss, nimmt in Kauf, dass eine hohe Arbeitslosigkeit noch immer im freien
Interpretationsspielraum liegt – und das halte ich für absolut falsch! (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Sie haben
sich auch dafür auf die Schulter geklopft, dass Sie die Frage der Preisstabilität
in die Zielsetzungen mit hineingenommen haben. Herr Bundeskanzler, ich erinnere
mich an die vormittägliche Diskussion: Das, was Ihnen als Erstes zum Thema Europäische
Union eingefallen ist, war der Euro. Jetzt ist es die Preisstabilität. Alles
andere – sei es Vollbeschäftigung, seien es soziale Rechte, seien es
Umweltfragen, sei es vor allem EURATOM – fällt den Vertreterinnen und
Vertretern der ÖVP – aber vor allem Ihnen! – spät oder gar nicht ein.
(Abg. Ellmauer: Falsch!) Das ist, glaube ich, ein
schlechtes Signal für die Regierungskonferenz. (Beifall bei den Grünen.)
Zu Ihrer
Anmerkung in Bezug auf die so genannten Red Lines oder Purple Lines der
einzelnen Staaten und dass man diese natürlich nicht überspringen dürfe: Herr
Bundeskanzler, wenn man alle Purple Lines, also alle unverzichtbaren Themen, die jedes Land für sich
einbringt, summiert, dann haben wir die Blockade der europäischen Politik, und
zwar auch in Politikbereichen, die uns sehr wichtig sind.
Herr Bundeskanzler,
ich bitte Sie, zu berücksichtigen, dass der Abtausch der unterschiedlichen
Interessen, der üblicherweise in Regierungskonferenzen stattfindet, für
Parlamentarier nicht akzeptabel ist und nicht hingenommen werden kann. (Beifall
bei den Grünen.)
Ich möchte aber vor allem auf zwei Themen noch eingehen. Das eine ist die Frage des Zusammenhangs zwischen der so genannten strukturierten Zusammenarbeit – ist gleich militärisches Kerneuropa – und dem, was der NATO-Konnex ist.
Sie haben zwei Zitate gebracht. Ich bringe Ihnen ein drittes, aus dem klar hervorgeht, wo die Intentionen liegen. In dem gemeinsamen Vorschlag steht explizit drinnen – ich zitiere –:
„Die Verpflichtungen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich bleiben im Einklang mit den im Rahmen der NATO eingegangenen Verpflichtungen,“ – so weit, so gut –, „die für die ihr angehörenden Staaten weiterhin das Fundament ihrer kollektiven Verteidigung und“ – und jetzt kommt’s! – „die Instanz für deren Verwirklichung ist.“
Das heißt: militärische Aktionen unter dem Dach der NATO (Abg. Scheibner: Das ist falsch!), und es ist für mich als Österreicherin und als eine Kämpferin für eine Friedenspolitik unzumutbar, das als das oberste Prinzip zu sehen. (Beifall bei den Grünen.)
Wenn Sie in Ihren Interviews im Ausland dann sagen: Europa macht ein bisschen was im Frieden, und den Krieg erledigt die NATO für uns!, dann ist das eine Rollenverteilung in der globalen Sicherheitspolitik, die völlig falsch ist und die Europa aus den wichtigen, zentralen Diskussionen über globale Sicherheit hinausdrängt. (Abg. Scheibner: Sie wollen es sachlich und bringen hier unerträgliche Falschheiten vor!)
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Ich komme abschließend noch zum Thema EURATOM. Dazu, Herr Bundeskanzler, sind Sie doch etliche Antworten auf unsere Fragen schuldig geblieben. Sie nennen im Zusammenhang mit EURATOM die größtmögliche Sicherheit für Atomkraftwerke als Ihr wichtigstes und zentralstes Ziel. Ja, richtig: Die Sicherung der derzeit noch laufenden Atomkraftwerke ist ein wichtiges und zentrales Ziel. Aber die derzeit vorliegende Richtlinie dazu ist so schwach, dass jedes noch so unsichere AKW darunter „durchschlüpfen“ kann.
Herr Bundeskanzler, das ist für uns inakzeptabel! Das ist keine Politik in Richtung Atomausstieg, sondern eine Legitimierung all dessen, was diesbezüglich derzeit „herumsteht“ und an unseren Grenzen eine nicht zumutbare Bedrohung für Gesundheit und Sicherheit bedeutet. (Beifall bei den Grünen.)
Sie haben die Frage nicht beantwortet, was denn geschieht, wenn die Revisionskonferenz nicht durchsetzbar sein wird. (Abg. Mag. Molterer: Das ist beantwortet!) Sie haben die Frage nicht beantwortet, wie Sie sich die Vorgangsweise im Zusammenhang mit einem Atomausstieg vorstellen.
Herr Bundeskanzler, diesbezüglich bleiben Sie die Antworten schuldig! Sie fühlen sich, so befürchte ich, den falschen Kollegen aus Ihrer konservativen Gruppe verpflichtet, die nach wie vor auf die Atomenergie setzen.
Ein abschließendes Wort noch: Sie haben den Legislativrat abgelehnt. Das ist etwas sehr Abstraktes: Es gibt einen eigenen Rat, der öffentlich entscheidet und wo die Menschen in Europa endlich einmal sehen könnten, wer bei welchem Thema aufzeigt und wer die Hand unten lässt. (Abg. Mag. Molterer: Das ist jetzt schon so!) Das war ja das Ziel: Uns geht es um die Transparenz!
Herr Bundeskanzler! Mit der Ablehnung dieses öffentlichen Feststellens, wer denn bei den entscheidenden Räten wirklich für welche Haltung stimmt, haben Sie gegen ein für uns ganz zentrales Prinzip gearbeitet. Das tut mir besonders Leid, weil Menschen in Europa das Recht haben, zu wissen, was in den europäischen Räten geschieht. Dieses Wissen aber wollen Sie ihnen verwehren, und das ist ein großer politischer Fehler. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
14.54
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. Gleiche
Redezeit: 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Lopatka begibt sich mit
einer großen Schautafel zum Rednerpult, die er vorerst verdeckt neben sich
hinstellt. – Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)
14.55
Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Danke für die freundliche Begrüßung von dieser Seite (in Richtung SPÖ), aber spätestens seit der Anfragebeantwortung durch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel müssten auch Sie bemerkt haben: Es gibt wirklich einen starken Anwalt für Österreich in diesem Europa, und das ist unser Bundeskanzler, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei den Grünen.)
Da waren Sie ziemlich sprachlos! (Widerspruch bei der SPÖ.) Jetzt sind Sie wieder erwacht, meine Damen und Herren, aber Sie haben relativ lange gebraucht, bis Sie sich ein bisschen erholt haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte hat heute auch noch ein Zweites gezeigt – und zwar sehr deutlich gezeigt –: Wenn es um die Zukunft Europas geht, dann gibt es keine zweite Partei, die so stark Österreichs Europapartei ist, wie die Österreichische Volkspartei! (Beifall bei der ÖVP.)
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Eine Partei lebt ja nicht nur von ihrem
Programm – und in diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die
Wahlprogramme aller im Parlament
vertretenen Parteien zu sprechen kommen (Ruf bei der SPÖ: 4 : 0!);
da werden Sie staunen, weil Sie Ihr Wahlprogramm wahrscheinlich gar nicht
kennen –, eine Partei lebt auch von den Persönlichkeiten an ihrer Spitze.
(Abg. Dr. Glawischnig: Wir wollen über die Verfassung reden!)
Es ist ja kein
Zufall, dass heute vom Klubobmann der Grünen in höchsten Tönen EU-Kommissar
Fischler – und er ist immerhin Bundesparteivorstandsmitglied der Österreichischen
Volkspartei – gelobt worden ist. Das ist kein Zufall. Und es ist auch kein
Zufall, dass vom Spitzenkandidaten der SPÖ zum Europäischen Parlament, Swoboda,
heute in einem Interview Erhard Busek als ein möglicher EU-Kommissar genannt
wird.
Das zeigt die
Linie der Österreichischen Volkspartei: Busek, Alois Mock – überhaupt der
„Mister Europa“ in Österreich –, und jetzt auch unser Bundeskanzler. Wir
stehen hier in einer klaren Tradition, die keine Partei in diesem Haus hat, die
niemand sonst hat! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Parnigoni. –
Abg. Dr. Van der Bellen schüttelt verneinend den Kopf.)
Herr Klubobmann
Van der Bellen, weil Sie jetzt so den Kopf schütteln: Sie wissen, dass Sie, als
sich vor 15 Jahren Alois Mock in der damaligen großen Koalition durchgesetzt
hat, dass dann am 17. Juli 1989 dieses Beitrittsansuchen nach Brüssel
abgeschickt worden ist – und das sind schon 15 Jahre! –, damals
eine ganz andere Sicht von Europa hatten – und gerade auch Ihr
Spitzenkandidat! – als heute. Aber es ist gut, dass sich bei Ihnen
diesbezüglich eine Änderung vollzogen hat.
Wir haben hier wirklich eine Tradition –
ich könnte da bis in die fünfziger Jahre zurückgehen –, und das zeigt
sich auch bei der heutigen Verfassungsdebatte, die wir hier führen: Wir haben
ganz klare Vorstellungen davon, wie diese Europäische Verfassung aussehen soll,
und wir haben das festgehalten im Europa-Manifest zur Europawahl 2004.
Wir wollen diese gemeinsame Verfassung. Wir halten sie für ganz entscheidend
für ein bürgernahes Europa. Wir wollen ein Europa – und das ist für uns
ganz wichtig! –, in dem nur jene Bereiche auf der europäischen
Ebene geregelt werden, die auf der nationalen, auf der regionalen oder auf der
kommunalen Ebene nicht so gut geregelt werden können. Das ist für
uns ein ganz wesentlicher Grundsatz, und unter diesem Aspekt ist es auch zu
verstehen, dass gerade unser Bundeskanzler ein so vehementer Kämpfer für die
Rechte der kleineren und der mittleren Staaten auch in Europa ist! (Beifall
bei der ÖVP.)
Wir wollen eine
Gleichbehandlung aller, ob groß oder klein, und jede Entwicklung
in Richtung einer Sonderstellung für größere Staaten in diesem Europa findet
ganz sicher nicht unsere Zustimmung! Diese Subsidiarität in der
erweiterten Union ist für uns weit mehr als ein Lippenbekenntnis, und daher
haben wir auch dafür gekämpft, dass der Nationalrat, dass der Bundesrat die
Möglichkeit hat, auch ein Klagerecht zu bekommen. Dieses Europa wird nämlich
nur dann funktionieren, wenn es auch entsprechend von den nationalen
Parlamenten mitgetragen wird und wenn wir auch entsprechend mit eingebunden
sind.
Und jetzt habe
ich mir gedacht – denn all das, was ich Ihnen jetzt gesagt habe, kann man
im Europamanifest der ÖVP nachlesen –, es hat sicherlich auch die SPÖ
Vorstellungen zur Europäischen Verfassung, und ich habe das Programm der SPÖ
gelesen: einmal, zweimal, dreimal. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe
es dreimal gelesen, und wissen Sie, was ich gefunden habe zur Europäischen
Verfassung? – Einen Halbsatz! Einen Halbsatz, meine sehr
geehrten Damen und Herren, habe ich gefunden. Und das ist wohl zu wenig für
dieses große Projekt Europa! Das ist wohl zu wenig, das ist kein Zukunftsprogramm!
(Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Wattaul.)
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Ich habe auch die
Programme der anderen Parteien gelesen. (Abg. Mandak: Sie sind ein
belesener Mann! – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den
Vorsitz.)
Es ist interessant: Es wurde heute von Klubobmann Van der Bellen Sachlichkeit eingefordert. Und wen sehe ich da im Programm der Grünen am Beginn? – Voggenhuber, gegenüber Lichtenberger.
Das Hoffnungsmandat könnte ein drittes sein. Na da wird gewartet – wer ist der Dritte? Der Dritte ist Karl-Heinz Grasser. (Der Redner zeigt die entsprechende Seite, auf der eine Karikatur von Bundesminister Mag. Grasser zu sehen ist.) So viel zur Sachlichkeit und zur Programmarbeit der Grünen in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Lesen! Nicht nur Bilder anschauen!)
Meine Damen und Herren! Für uns ist diese Europäische Verfassung auch deswegen so wichtig, weil in einem erweiterten Europa, in einem Europa der 25 klare Spielregeln von ganz enormer und großer Bedeutung sind, klare Spielregeln im Verfassungsrang festgehalten. Wenn es um diese klaren Spielregeln geht, dann bin ich bei dem Punkt, wo die SPÖ natürlich Probleme hat, weil hier auch festgehalten ist, dass unser Wasser gesichert ist. (Der Redner zeigt eine große Schautafel.) Das hat immerhin der Wiener Bürgermeister Häupl mit unterschrieben. Wenn Sie uns schon nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens Ihrem Wiener Landesvorsitzenden, bestätigt mit seiner Unterschrift, dem Bürgermeister von Wien, dem Präsidenten des Städtebundes, der auch in Aussendungen das Verhalten unserer Abgeordneten begrüßt hat, wenn es um den Schutz unseres Wassers geht! – Meine Damen und Herren, klarer geht es gar nicht mehr! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Damit meine Rede nicht zu lange wird, lassen Sie mich zum Schluss ein Zitat eines Mannes bringen, der die Sozialdemokratie sehr gut kennt. Er war über Jahrzehnte bei Ihnen Mitglied, hoch angesehenes Mitglied, obwohl er einmal von Bundeskanzler Kreisky als Wurstel bezeichnet worden ist: Günther Nenning. Nach „Hainburg“ hat er dann Sympathien für die Grünen entdeckt. (Abg. Dr. Cap: Spielen Sie nicht mit unserem Wasser!) – Ich spiele nicht mit unserem Wasser, aber ich sage Ihnen, was Günther Nenning Ihnen heute mit auf den Weg gibt. Günther Nenning sagt:
„Ach, meine lieben Sozis, jetzt gibt es halt den Fluch der bösen Tat. Da hilft alles Herumreden nichts, zu Sanktions-Zeiten wart ihr für die Sanktionen und gegen Österreich. In Wahlzeiten, wo alle nach halbwegs griffigen Themen suchen, kommt das wieder aufs Tapet. Ihr tut mir Leid, aber es geschieht euch recht.“
Dieses weise Urteil von Günther Nenning ist sicherlich für viele, meine Damen und Herren, eine gute Entscheidungshilfe für den 13. Juni. Glauben Sie Günther Nenning! Er hat die Erfahrung und die Weisheit eines langen Lebens. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
15.03
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schieder. (Abg. Schieder begibt sich zum Rednerpult und stellt dort eine Tafel mit der Aufschrift auf: „Für ein soziales Europa! – SPÖ“. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Stummvoll: Immer das Gleiche!)
15.03
Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht verhehlen, dass Ihre heutige erste Erklärung, Herr Bundeskanzler, auch mir gut gefallen hat (demonstrativer Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen) und dass sie sich wohltuend von den letzten Tagen und Wochen unterschieden hat, in denen Gegenstand des Wahl-
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kampfes ein falsch interpretierter vergilbter Brief gewesen ist (ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Khol), von dem man dachte, man könne ihn zu einer Schmutzkübelkampagne heranziehen.
Heute hatten wir wieder die Hoffnung auf das, was wichtig ist: auf eine klare gemeinsame österreichische Linie, eine Europapolitik der Bundesregierung, die nicht im Alleingang, sondern gemeinsam mit allen Fraktionen dieses Hauses, den Interessenvertretungen in den Ländern erarbeitet wird, nicht im abgedunkelten Koalitionskämmerlein, sondern vor den Augen der Öffentlichkeit.
Dem Abgeordneten Lopatka ist es jetzt fast gelungen, diese Erwartungen wieder rückgängig zu machen, auf jeden Fall zu dämpfen, aber vielleicht, wenn Sie länger in diesem Haus sind, wird es Ihnen auch einmal gelingen, eine Rede zu halten, in der Sie nicht auf alle losgehen. Weil Sie am Schluss Ihrer Rede die Erfahrungen eines langen Lebens zitiert haben: Eine meiner Erfahrungen ist es, dass man denen nicht trauen soll, die immer alles Schlechte nur bei den anderen und alles Gute nur bei sich selbst sehen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Ich glaube, die Anfrage der Grünen und die heutige Sitzung haben ihre Berechtigung. Es stimmt, wir haben sehr oft schon über Details der Verfassung diskutiert, aber die großen Debatten hier im Hohen Haus haben – wenn überhaupt – nur dann stattgefunden, wenn die Opposition eine Debatte über diese Themen verlangt hat.
Jetzt will ich gar nicht von den ganz großen Fragen sprechen: Was ist die Zukunft der EU? Soll eines Tages daraus ein eigener Staat werden? All diese Fragen wären wahrscheinlich zu weit, um sie mit letzter Endgültigkeit zu diskutieren. Vielleicht ist auch eine Plenardebatte nicht der richtige Platz dafür. Aber ich habe den Verdacht, dass diese großen Fragen nicht diskutiert worden sind, weil es darunter Punkte gibt, wo die beiden Regierungsparteien nicht einer Meinung sind. Mein Eindruck war es: All die Fragen, wo eine der beiden Parteien näher bei der Opposition als bei der anderen Partei in der Koalition war, hat man nicht diskutiert. Man hat vermieden, dass sie angesprochen werden, weil man nicht will, dass Punkte diskutiert werden, wo die Öffentlichkeit und das Parlament erkennt, dass es hiezu keine wirklich einheitliche Meinung, sondern sogar nur überdeckte Zwiste innerhalb der Koalition selbst gibt.
Aber auch zu den Fragen, die im Moment sehr dringlich sind, haben nicht viele Debatten stattgefunden. Warum sind diese Schilder so notwendig? Sie sind notwendig, weil tatsächlich die Frage der Wirtschaftspolitik – und ich möchte sagen: der falschen Wirtschaftspolitik in der EU – und die Frage der fehlenden Beschäftigungspolitik im Vordergrund stehen. Es stimmt nicht, wie Abgeordneter Spindelegger vermeinte, dass wir wollen, das diese Fragen stärker nur in der EU entschieden werden sollen, nur: Dort, wo auf europäischer Ebene schon Entscheidungen getroffen werden können, sollen sie in die richtige Richtung und nicht in die falsche Richtung fallen, wie es derzeit der Fall ist. Deshalb relevieren wir diese Fragen. (Beifall bei der SPÖ.)
Oder: Warum ist es Ihnen so peinlich, wenn wir über das Wasser und den Schutz des Wassers sprechen? – Weil das ein gutes Beispiel dafür ist, wie falsch es ist, innerhalb der EU schrankenlos zu liberalisieren, und weil das ein Punkt ist, wo Sie unseren Vorhaltungen nicht entgegengekommen und auch nicht gefolgt sind. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: O ja!) Auf diesem Gebiet ist ein Manko der österreichischen Haltung festzustellen, und deshalb wollen Sie nicht, dass diese Fragen angesprochen werden.
Oder: Anti-Atompolitik, das ist auch ein gutes Beispiel. Hier haben wir erst vor ein paar Wochen von der Regierungsbank aus gehört: Wir haben in der EU erreicht, dass jeder seine Haltung haben darf. Österreich wird es zugestanden, keine Atomkraftwerke zu haben. Österreich ist es erlaubt, die anderen nicht potentiell zu gefährden. Den ande-
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ren ist es erlaubt, Atomkraftwerke zu haben. – Das erinnert mich frappant an eine neue Version des alten Satzes von dem gleichen Recht aller, unter einer Brücke zu schlafen.
Das ist die Politik, die wir nicht wollen,
dass es uns bloß erlaubt ist, bei dem zu bleiben, was wir für richtig halten,
sondern wir wollen auch, dass etwas erreicht werden kann. (Beifall
bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Das sind die Punkte, wo wir glauben, dass etwas geschehen muss, was auch im Hinblick auf die Verfassung notwendig ist. Natürlich können wir in unserem Programm weniger Zeilen verwenden, Herr Lopatka, weil wir uns stärker zum Entwurf des Konvents bekennen als Sie, die Sie viele seiner Punkte abändern wollen. Jene Punkte, die wir hervorheben wollen, haben wir in einem Entschließungsantrag vor zwei oder einer Stunde hier im Haus gehabt, aber Sie haben nicht darüber gesprochen, Sie sind nicht darauf eingegangen. Sie sind einfach bei der Abstimmung sitzen geblieben und haben nein dazu gesagt. Das ist nicht die Form, die wir uns vorstellen!
Wir glauben, dass es in Europa notwendig ist, für die Inhalte und die Methoden, um sie zu verwirklichen, neue Formen zu finden. Die alte Politik der einseitigen Haltung Regierung – Opposition funktioniert in Europa nicht mehr. Da braucht man eine vernetzte Politik. Da braucht man eine Politik der verschiedenen Wege. Da brauchen Sie, auch wenn Sie sie hier im Parlament schlecht behandeln, die Opposition, damit sie in anderen Ländern auch für die Inhalte Österreichs Stimmung macht. Da brauchen Sie die Öffentlichkeit in anderen Ländern. Da brauchen Sie die NGOs, da brauchen Sie internationale Interessenverbände und vieles andere mehr.
Die neue europäische Politik, das ist nicht die Politik von „speed kills“ und „Opposition wird nur eingebunden, wenn man ihre Stimmen braucht“, sondern die neue europäische Politik, das ist eine wirklich gemeinsame Politik, wo man versucht, gemeinsam Ziele auf verschiedenen Wegen zu erreichen. Das ist die Aufgabe, so glauben wir, auch für Österreich in diesem Zusammenhang! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Mein letzter Satz: Herr Bundeskanzler, Sie haben vorhin sehr spitz formuliert und zum Vorbehalt den Leuten gegenüber, die in den Ministerräten sitzen, sinngemäß gesagt: Wenn Ihnen diese Leute nicht passen, dann müssen Sie sich dort bessere Leute aussuchen. – Ich darf in derselben spitzen Form replizieren, Herr Bundeskanzler: Sehr gerne, aber das wird erst nach der nächsten Wahl möglich sein! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
15.11
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte, Herr Abgeordneter.
15.12
Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute die Dringliche Anfrage der Grünen. Wir Freiheitlichen diskutieren mit Ihnen gerne über europäische Themen. Wir stehen der europäischen Entwicklung durchaus konstruktiv gegenüber, wir wollen aber auch das kritische Element in dieser Entwicklung sein, und ich glaube, dass das auch eine gute Mischung abgibt, nicht nur hier im Nationalrat und in der Öffentlichkeit, sondern, Herr Kollege Schieder, auch in der Bundesregierung. Deshalb glaube ich, dass auch dort das freiheitliche Vorgehen mit dem Koalitionspartner ein richtiges ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Herr Kollege Van der Bellen! Meine Damen und Herren von den Grünen! Sie haben mit dieser Dringlichen Anfrage wieder den Widerspruch bekräftigt, den ich heute Vormittag schon aufdecken konnte: Auf der einen Seite wollen Sie, dass wir dem Verfassungs-
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vertragsentwurf ohne Wenn und Aber zustimmen, und auf der anderen Seite fordern Sie die Bundesregierung auf, hier konkrete Verhandlungen zu tätigen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Auf der Basis des Vertrags!) Ich gebe Ihnen Recht, die Bundesregierung wird noch verhandeln müssen in Bezug auf diesen Verfassungsvertragsentwurf, Frau Kollegin Lichtenberger. Sie sollten das deshalb auch in der Präambel zu Ihrer Dringlichen Anfrage nicht abwerten mit Begriffen wie „nationaler Interessenbazar“ oder, wie Ihre EU-Abgeordneten das immer tun, als „Kuhhandel“ bezeichnen.
Meine Damen und Herren! Die Grünen wollen anscheinend nicht, dass die nationale Ebene auf europäischer Ebene ihre Interessen in Verhandlungen vertritt. Das ist seltsam! Deshalb, meine Damen und Herren, sind wir Freiheitlichen dafür, dass die Bundesregierung auch in der kommenden Regierungsverhandlung auf europäischer Ebene diesen Vertragsentwurf noch einmal durchleuchtet in Bezug auf österreichische Interessen. Das war auch immer die Vorstellung von uns Freiheitlichen im Rahmen der Bundesregierung, aber auch in der öffentlichen Debatte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Neben vielen guten Strukturen sind nun in diesem neuen Verfassungsentwurf enthalten – Frau Kollegin Lichtenberger, wir waren ja beide dabei –: die Charta der Bürgerrechte, der einheitliche Verfassungstext, der alles viel übersichtlicher machen wird, die Klärung der Zuständigkeiten, die Festlegung auf das Subsidiaritätsprinzip und die Kontrolle darüber auf nationaler Ebene, die darin verankerte Daseinsvorsorge – der Herr Bundeskanzler konnte darauf schon eingehen –, die Beschäftigungs- und Preisstabilität als Ziel der Wirtschaftspolitik der Europäischen Union. Alle diese Bereiche sind Inhalt des Verfassungsvertrages, und wir begrüßen das, das ist überhaupt keine Frage.
Dennoch gibt es Elemente, bei denen man als Österreicher noch aufpassen muss, um es ganz verkürzt zu sagen. Wir haben in diesem Zusammenhang die Forderung erhoben, dass jedes Land einen stimmberechtigten Kommissar haben soll, und ich finde es richtig, wenn die Bundesregierung auch mit dieser Forderung noch einmal in diese Verhandlungen hineingeht. (Abg. Dr. Cap: Schon gescheitert!) Das ist nicht schon gescheitert, Herr Kollege Cap, sondern das ist eine Forderung, die nach wie vor aufrecht ist! Wir werden sehen, wie die Verhandlungen sich gestalten, und wir werden sehen, in welcher Form diese Forderung im Zusammenhang mit den anderen im Rahmen eines Paketes zu beurteilen ist.
Wir haben auch klar gesagt, dass wir nicht diese Form der Präsidentschaft haben wollen, sondern eine Rotation, die es möglich macht, dass auch kleinere Länder die EU präsidieren. Wir wollten auch in vielen Bereichen das Einstimmigkeitsprinzip beibehalten. Das ist ganz wichtig! In wichtigen Fragen, vor allem Verfassungsänderungen betreffend, muss die Einstimmigkeit erhalten bleiben, wir dürfen das Prinzip der Mehrstimmigkeit in diese Bereiche nicht einfach so eindringen lassen. In vielen Bereichen soll das kommen, in vielen werden Mehrheitsentscheidungen sinnvoll sein, das ist überhaupt keine Frage, auch im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, wenn es um Erklärungen geht, aber nicht dann, wenn es um militärischen Einsatz geht. Wenn es um militärischen Einsatz geht, wollen wir die Einstimmigkeit beibehalten, und ich bin froh darüber, dass der Herr Bundeskanzler das auch bekräftigt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Die Stimmengewichtung, die Mitbestimmung, die grundsätzliche Mitbestimmung des EU-Parlaments in wesentlichen Fragen: All das sind Dinge, die wichtig sind und die wir unterstützen, und ich denke, dass das auch kommen wird.
Meine Damen und Herren! Die EURATOM-Frage und auch die Wasserfrage sind etwas, was Sie heute schon in mehreren Reden hier strapaziert haben. Gerade was die Wasserfrage betrifft, Herr Kollege Schieder, ist schon etwas zu sagen: Ich erinnere
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mich noch genau daran, dass wir Freiheitlichen, als wir diese Frage zum Thema gemacht haben – ich glaube, wir waren damals noch in der Opposition –, Ziel Ihres Spottes und Ihres Hohns waren. Wir Freiheitliche haben damals schon die damit zusammenhängenden Gefahren erkannt und dieses Thema hochgezogen beziehungsweise diese Frage auf nationaler Ebene zum Thema gemacht. Diese Gefahren erkennend hat diese Bundesregierung in den letzten Jahren die richtigen Schritte auf europäischer Ebene gesetzt, und wir können heute sagen, dass gesichert ist, dass die Entscheidungsbefugnis über die Wasserressourcen auf nationaler Ebene verbleiben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Wir werden auch die Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu beachten haben, die Solidaritätsklausel. Ja wer wird dagegen sein, dass, wenn es zu einem Terroranschlag in irgendeinem Mitgliedsland der Union kommt, die anderen zu Hilfe eilen mit den Möglichkeiten, die sie zur Verfügung stellen können? Niemand wird etwas dagegen haben können!
Dasselbe gilt auch für die engere und die strukturierte Zusammenarbeit. Bei diesen beiden Bereichen, wo es um die gemeinsame Verteidigung geht und um den Einsatz von Streitkräften im Sinne der Europäischen Union, besteht nur dann eine Gefahr, wenn sich Ihr Kollege Pilz mit seinem Konzept durchsetzt. Kollege Pilz will nämlich eine Berufsarmee auf europäischer Ebene, die nach europäischen Gesichtspunkten eingesetzt wird und irgendwo auf der Welt für irgendwelche Interessen den Kopf hinhalten muss.
Meine Damen und Herren! Das wollen wir Freiheitlichen nicht! Wir Freiheitlichen wollen souveräne österreichische Streitkräfte, die ausreichend ausgerüstet sind und über deren Einsatz hier in Österreich entschieden wird und nicht irgendwo auf europäischer Ebene! Bei dieser Entscheidung über den Einsatz geht es auch darum, dass man entscheiden kann, welche Mittel dafür eingesetzt werden. Deshalb ist auch dieses Schreckgespenst der Erhöhung des Verteidigungsbudgets, das Sie, Herr Kollege Van der Bellen, hier skizziert haben, völlig an den Haaren herbeigezogen. Sie können sicher sein, auch nach dem Ergebnis der Bundesheerreform-Kommission wird die Sicherheitspolitik von dieser Bundesregierung und von uns Freiheitlichen nicht nur in Österreich, sondern auch auf europäischer Ebene eine verantwortungsbewusste sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
15.19
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte, Herr Abgeordneter.
15.19
Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Nicht zuletzt auf Grund Ihrer Erklärung vom Vormittag, aber auch auf Grund der Debatte hier und jetzt darf ausnahmsweise einmal ein befriedigendes Zwischenresümee gezogen werden: Es wird in weiten Teilen der Debatte tatsächlich über Europapolitik diskutiert. Das war Sinn des Antrages der Grünen auf Sondersitzung, Sinn der Dringlichen der Grünen, und ich stehe nicht an zuzugeben, dass Sie auch in Ihrer Erklärung heute den einen oder anderen Aspekt eingebracht haben, den wir bislang in der Debatte tatsächlich vermissen mussten.
Trotzdem ist es Ihrem Parteisekretär Lopatka vorbehalten geblieben, hier herauszutreten und ähnlich in den Fettnapf zu hüpfen wie schon im Wahlkampf zuvor.
Herr Kollege Lopatka! Die Dinge passen ja insoweit zusammen, wenn Sie ein Wahlprogramm der Grünen durchblättern, auf den Karl-Heinz Grasser treffen und ihn, wahr-
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scheinlich in Ermangelung bestimmter Fähigkeiten, wirklich für den dritten Kandidaten der Grünen halten.
Ich weiß nicht, wo das im Gehirn angesiedelt ist, vielleicht bei den Stammzellen, die für den Humor zuständig sind, aber wenn das schon fehlt, dann sollten Sie sich wenigstens auf die nüchterne Aneinanderreihung von Buchstaben beschränken, denn dort steht klipp und klar im Text zu lesen, was nämlich wirklich gemeint ist, und das trifft genau den Kern dieser heutigen Debatte. Dort steht nämlich ... (Abg. Mag. Molterer: Karikativ?) Natürlich ist das karikativ gemeint! – Dort steht nämlich, sozusagen als abschreckendes Beispiel für die Diskussion: Neoliberalismus oder soziales Europa. (Abg. Dr. Lopatka: Das ist falsch!) Genau das ist auch ein Teil dieser Debatte hier herinnen.
Da schreit schon wieder einer: Das ist
falsch!, dabei hat er es vor sich, und es ist anders. Das ist unglaublich! (Abg.
Mag. Molterer: Es steht ja nicht drinnen!) Sie werden auch dazu
noch einen Brief erfinden. (Beifall bei
den Grünen.)
Aber die Sache ist ernst genug, wir haben offensichtlich unterschiedliche Standpunkte – das ist richtig! – in Bezug auf die Fragen: Was hat es auf sich mit dem Vollbeschäftigungsniveau? Was ist die Frage der sozialen Grundrechte? Wie ist es mit der abgesicherten Daseinsvorsorge? Wenn, dann aber schon auf abgesicherten, wenn Sie so wollen, nationalen oder kommunalen Ebenen?
Aber wie ist das jetzt umgekehrt, weil auch Sie ein bisserl karikiert haben, Herr Klubobmann Molterer, teilweise auch Sie, Herr Bundeskanzler Schüssel, mit „Europa der Konzerne“, „Neoliberalismus“? Sind das alles dumpfe Gespenster, die von der Opposition völlig unnötig an die Wand gemalt werden? – Ich meine, so unnotwendig und falsch ist das nicht.
Was ist denn gemeint mit „Europa der Konzerne“, Herr Klubobmann Molterer, weil Sie das angesprochen haben? (Abg. Mag. Molterer: Für Österreich?) – Doch nicht, dass die Konzerne per se schlecht sein müssen, wenn sie Arbeitsplätze schaffen – wie Sie das von uns ausgelegt haben. Es geht dabei um etwas ganz anderes. Es geht doch dabei darum, dass die Souveränität der Politik und die Politik als solche immer mehr Gefahr laufen, hinter bestimmten, sehr eingeschränkten Interessen hinterherzuhoppeln. Genau so schaut im Übrigen auch Ihre Regierungspolitik in Brüssel aus! Um dieses Thema geht es ja schließlich hier. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Das Thema hier ist doch auch: Was vertritt die österreichische Bundesregierung in Brüssel bei den Verhandlungen, und zwar nicht zuletzt jetzt, wo es um die Europäische Verfassung geht?
Es ist eben ein großer Unterschied, ob Vollbeschäftigung als Ziel anvisiert wird, weiter anvisiert werden soll, und was die dazugehörigen Instrumente sind.
Was sind die dazugehörigen Instrumente? – Wir haben da einerseits den Hinweis auf möglichst hohes Beschäftigungsniveau. – Ich glaube, so steht es nicht einmal drinnen, sondern es steht nur drinnen: ein hohes Beschäftigungsniveau. – Das ist insofern zu wenig, als die abgestimmte Politik nicht dazu führen muss, dass das Vollbeschäftigungsziel auch erreicht wird.
Ich stimme mit Ihnen, Herr Bundeskanzler, im folgenden Punkt überein: Wichtig ist die Frage einer koordinierten Finanz- und Wirtschaftspolitik! Das haben wir mehrmals hier festgestellt. Nur: Der Punkt ist der: Es gibt eine vorgegebene, strikte Währungspolitik, das ist die Währungsunion per se, in ihrer Anlage sehr restriktiv ausgerichtet, und es gibt einen so genannten Stabilitäts- und Wachstumspakt, der auch restriktiv wirkt, weil er eben sehr unsinnig – wie viele Ökonomen bestätigen – angelegt ist.
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Jetzt ist aber keine Rede von einer koordinierten Wirtschafts- und Fiskalpolitik, sondern die Rede ist von einem bloßen dumpfen und dummen Regelwerk, und das verteidigen Sie, obwohl es nichts nützt, sondern nur Schaden anrichtet. Wenn Sie das weiterhin mit verteidigen, dann sind Sie eben dabei, Europa auf der Bremsspur von Wachstum und nachhaltiger Entwicklung zu belassen, anstatt sinnvoll und flexibel auf die wirtschaftlichen und sozialen Probleme, die es nun einmal tatsächlich gibt – das werden Sie doch nicht weiterhin verschweigen wollen! –, zu reagieren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Nur weil man hergeht und ein restriktives Programm auflegt, nämlich dem Inhalt nach, das eigentlich wachstumshemmend wirkt, das eigentlich die Sozialpolitik einschränkt, und das Ganze dann mit „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ übertitelt – entweder aus schlechtem Gewissen oder aus Gründen des Tarnens und Täuschens, wie es in dieser Branche halt leider sehr üblich ist, und zwar auch in Brüssel –, obwohl man es eigentlich Stagnationspakt und Würgepakt nennen sollte, wird es nicht besser.
Das Ganze führt zur Stagnation und zum Abwürgen von Aufschwungtendenzen der Wirtschaft. Das ist der Punkt! Deshalb sind wir sehr enttäuscht. Noch dazu haben Ihre Vertreter gestern hier im Hohen Haus das Ganze wieder verteidigt.
Es hilft auch nichts, wenn Sie sich gegen die von dem heute hier schon apostrophierten Finanzminister gemachten Vorschläge, wie Stimmrechtsentzug et cetera, sinnvollerweise aussprechen – wahrscheinlich auf Grund verschiedener Ambitionen –, denn die ÖVP-Fraktion als Ganzes hat hier im Parlament den Finanzminister bis auf weiteres verteidigt.
Ich darf Sie über Folgendes in Kenntnis setzen, Herr Bundeskanzler: Gestern haben im Ausschuss Kollege Stummvoll und andere gemeint, dass Grasser da ganz gute Überlegungen angestellt hätte.
Setzen Sie sich, bitte, Herr
Bundeskanzler, ins Einvernehmen mit dem Herrn Praktikanten der
Industriellenvereinigung und der Weltbank, der hier weiter auf der Regierungsbank
„herumturnen“ darf! Aber dieses Problem müssen Sie lösen! (Beifall bei den
Grünen und der SPÖ.)
15.25
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete
Mag. Hakl. – Bitte. (Abg. Mag. Hakl
begibt sich zum Rednerpult und stellt dort eine Tafel auf, auf der Folgendes
steht: Im oberen rechten Eck das ÖVP-Logo. Unter der Überschrift „Europawahl
13. Juni“: „Frieden sichern. Sicherheit geben. Arbeit schaffen. Österreich
stark vertreten.“)
15.25
Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Wir stehen kurz vor der EU-Wahl – und wir sind Europa! „Wir sind Europa“ heißt, dass es mich sehr, sehr schmerzt, dass jeden Tag in der Zeitung zu lesen steht, es gäbe eine hohe Frustration, insbesondere innerhalb der Jugend, und die Jungen wollen nicht zur Wahl gehen.
Wir von der ÖVP waren nicht umsonst schon in der Vergangenheit immer für Europa und haben einen Weg in Richtung Einigung Europas eingeschlagen, weil wir wussten, dass Europa nicht etwas ist, was irgendwo in Brüssel passiert, sondern ein lebendiger, ein lebender Prozess, an dem wir alle aktiv teilnehmen sollten, teilnehmen wollen und teilnehmen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Wir sind Europa, und Europas Jugend hat mehr verdient – und deshalb bin ich ein bisschen enttäuscht von den Grünen – als kleinliche Karikaturen auf Wahlplakaten. (Abg. Dr. Van der Bellen: Der Schüssel ist nicht ...!) Die Jugend in Europa erwartet
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sich das, womit wir auch Wahlwerbung machen: Frieden in Europa – aber auch im Rest der Welt. Wir sind bereit, dafür zu arbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)
Die Jugend in Europa erwartet sich Bildung. (Abg. Öllinger: Ja, eben! Aber nicht der Gehrer ihre Sinnsprüche! – Abg. Dr. Van der Bellen: Die Gehrer weiß das noch nicht!) Deswegen investieren wir hier in Österreich und investieren in Europa in Ausbildung, in Bildung, in unsere Universitäten, in Wissenschaft und Forschung – denn wir sind Europa, und mit uns hat Europa Zukunft! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)
Wir haben nicht umsonst hier stehen (die Rednerin nimmt Bezug auf die Tafel, die auf dem Rednerpult steht): Sicherheit geben. – Was gibt dem Menschen Sicherheit?
Sicherheit ist Stabilität, auch wirtschaftliche Stabilität, und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Wir Österreicher wissen, wie das geht. Wir haben nicht umsonst die geringste Arbeitslosigkeit in Europa. Wir wollen unser Wissen darüber, wie das funktionieren kann, auch gerne mit Deutschland und den anderen Freunden in Europa teilen. Wir wollen mitarbeiten, dass es in ganz Europa besser wird, in Österreich noch besser als jetzt und in anderen Ländern so gut wie schon heute bei uns. So können wir Sicherheit geben in Europa! (Beifall bei der ÖVP.)
Unsere Jugend kennt sich mittlerweile gut
genug aus, um nicht in irgendwelche Angstfallen hineinzufallen. Über das
Wasser haben wir heute schon geredet, das ist gesichert. (Zwischenrufe und ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)
Unsere Jugend braucht eine Vision von einem lebendigen Europa. Unsere Jugend braucht eine Zukunft mit Stabilität und einen Weg, auf den man sich verlassen kann. Einen solchen Weg hat unser Bundeskanzler uns in allen Punkten auch immer vorgezeichnet.
Meine Damen und Herren! Ich möchte im
Zusammenhang mit der Verfassungsdebatte daran erinnern, dass in Regierungen und
auch im EU-Rat demokratisch gewählte Regierungschefs und Außenminister sitzen.
Auch sie haben eine Legitimation auf demokratischer Ebene! Aber es gibt keine
Demokratie ohne Demokraten! (Abg.
Scheibner: Das ist richtig!)
Das Wichtigste in einer Zeit, in der nahe
an unserer Grenze noch Menschen dafür sterben, dass sie irgendwann einmal in
ihrem Leben zu einer freien Wahl gehen können, ist, dass wir das Wahlrecht
nicht als lästige Pflicht empfinden, sondern dass wir alle gemeinsam – und
ich appelliere gerade an die jungen Menschen in Österreich – an unserem
Europa arbeiten, dass wir wählen gehen und dass wir unsere Zukunft selbst
gestalten – wir sind Europa. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.)
15.29
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete
Heinisch-Hosek. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Heinisch-Hosek begibt sich zum Rednerpult und stellt dort
eine Tafel mit der Aufschrift auf: „Für ein soziales Europa. – SPÖ“.)
15.29
Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! In der Europäischen Union leben 454 Millionen Menschen, 232 Millionen davon sind Frauen. Das sind mehr als 50 Prozent. All die heutigen Themen, die bisher behandelt wurden, betreffen natürlich auch die mehr als 50 Prozent Frauen, aber niemand von Ihnen – einschließlich Sie, Herr Bundeskanzler – hat Bezug genommen auf die Situation der Frauen in Europa (Abg. Neudeck: Die Frauen sind bei uns bei den Menschen dabei!), insbesondere auf die Situation der
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Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Das ist für uns Sozialdemokraten ein besonders wichtiges Thema, nämlich Frauen und Vollbeschäftigung. (Beifall bei der SPÖ.)
In der Tat ist, meine Damen und Herren, die Beschäftigungssituation der Frauen in Österreich ganz, ganz schlecht, insbesondere die Beschäftigungssituation der jungen Frauen, der Frauen mit kleinen Kindern. Das sagen nicht nur wir von den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, sondern das sagen auch die Europäische Kommission in ihrem jüngsten Bericht und die OECD in dem Ergebnis einer von ihr durchgeführten Untersuchung.
Die EU-Kommission hebt hervor, dass – und ich darf Sie neuerlich darauf hinweisen –die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen mehr als 30 Prozent betragen. Seit Sie seit 2000 an der Regierung sind, hat sich da leider nichts zum Besseren gewendet. Da muss ich Ihnen schon zuschreiben: dass Sie dagegen absolut nichts getan haben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Ursache dafür ist unter anderem, heißt es
weiter in dem erwähnten Bericht aus Brüssel, das mangelhafte Angebot an
Kinderbetreuung, meine sehr geehrten Damen und Herren von den
Regierungsfraktionen. Das heißt, dass wir in Österreich zu wenig Kindergartenplätze
haben, aber das heißt auch, dass wir in Österreich zu wenig Hortplätze haben.
Das Kindergeld an sich wird außerdem von der OECD als beschäftigungsfeindlich
kritisiert. (Abg. Scheibner: Sind
Sie dagegen?)
Das kann ich auch ganz leicht erklären. – Wenn eine junge Mutter ihre Chancen auf einen Vollzeitarbeitsplatz wahren möchte, dann muss sie bestimmte Dinge einhalten, denn – und darüber wurde sie von Ihnen nicht genau informiert (Abg. Scheibner: Sind Sie gegen das Kindergeld?) – nach zwei Jahren – und das wissen Sie genau, Kollege Scheibner – erlischt der Kündigungsschutz. Wenn sie ein halbes Jahr länger in Karenz bleibt, dann hat sie kaum eine Chance mehr, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass der Arbeitgeber sagt: Nein, wir brauchen Sie nicht mehr, wir haben Ihren Arbeitsplatz längst besetzt!
Alle Expertinnen und Experten, die mit dem Kindergeld zu tun hatten, haben Sie darauf aufmerksam gemacht. Auch wir haben Sie darauf aufmerksam gemacht. Sie haben aber all diese Ratschläge ignoriert. Daher ist die Situation so, wie sie ist. Aber es könnten 25 000 junge Frauen wieder in Arbeit gehen, wenn es genug Betreuungsplätze gäbe.
Was das bedeutet, wissen Sie auch genau. – Wenn wir genug Kinderbetreuungsangebote in Österreich hätten (Zwischenruf der Abg. Dr. Bleckmann) – wir haben sie leider nicht –, dann hätten wir mehr Frauenbeschäftigung, Kollegin Bleckmann. Wenn wir mehr Frauenbeschäftigung in Österreich hätten, dann hätten wir natürlich logischerweise auch mehr Vollzeitarbeitsplätze für Frauen. Das heißt, die Frauen hätten eine bessere Existenzsicherung, weil sie mehr verdienen würden. (Abg. Neudeck: Wie viel Kinderbetreuungsplätze gibt es in Wien?) Dann hätten wir auch weniger Armut in Österreich, weil besonders jene Frauen, die ihre Kinder allein erziehen, von Armut schwer bedroht sind. Dann hätten wir natürlich auch mehr Einnahmen, mehr Steuern für den Staat, und infolgedessen hätten wir mehr Geld für Kinderbetreuungsplätze. So schließt sich der Kreislauf, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Glawischnig.)
Leider rügt uns die EU-Kommission auch im Hinblick darauf, dass die Beschäftigungssituation der Frauen über 50 besonders trist ist. Von Ihnen, von der Bundesregierung wird eine ältere arbeitslose Frau doppelt bestraft: Erstens: Sie ist arbeitslos geworden, denn Sie haben nichts dagegen getan, Sie haben keine Maßnahmen dahin gehend gesetzt, dass ältere Arbeitnehmerinnen länger in Beschäftigung sein können. (Abg. Ellmauer: Völlig falsch!) Zweitens: Wenn der Partner dieser Frau sozusagen ein paar
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Euro zu viel verdient, dann verliert sie auch noch die Notstandshilfe. – Das heißt: doppelte Bestrafung für ältere Österreicherinnen.
Uns ist am allerwichtigsten – am allerwichtigsten! – die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hier in Österreich, aber auch in Europa, meine Damen und Herren. Wir wollen keine Wirtschaftspolitik, die nur große Konzerne fördert, sondern wir wollen eine Wirtschaftspolitik, die Wachstum und Beschäftigung fördert. Unsere sozialdemokratischen Frauen und Männer im Europaparlament haben diesbezüglich schon viel erreicht.
Ich darf nur noch ganz kurz an folgendes Beispiel erinnern: Warum müssen Frauen höhere Beitragszahlungen bei Versicherungen leisten, nur deshalb, weil Sie Frauen sind? (Abg. Großruck: Das habe ich noch nie gehört!) – Unsere Abgeordneten Maria Berger, Christa Prets und Karin Scheele haben hart verhandelt, und das Europäische Parlament hat beschlossen, diese Diskriminierung aufzuheben.
Nun ist die Bundesregierung beim Handeln am
Zug – und ich bin neugierig, wie Sie entscheiden werden, meine Damen und
Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich stelle mit Bedauern fest, dass Sie,
Herr Bundeskanzler (Abg. Großruck:
Ausgezeichnet sind!), sowie die gesamte Bundesregierung (Abg. Großruck: Hervorragende Arbeit
leistet!) die Interessen von uns Frauen in Österreich und die Interessen
der Frauen in der EU nicht ausreichend wahrnehmen. Daher ist es notwendig, meine
Damen und Herren, dass wir Frauen Ihnen die „rote Karte“ (eine rote Karte in die Höhe haltend) zeigen. (Bravorufe und Beifall bei der
SPÖ. – Abg. Großruck: Sie hätten eine Frau wählen können!)
15.35
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte, Herr Abgeordneter.
15.35
Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sozialdemokraten werden sich nicht so leicht aus der Verantwortung stehlen können, wie sie es hier bei dieser Sitzung probieren, denn es ist gerade in einem Wahlkampf beziehungsweise gerade in einer Zeit bevorstehender Wahlen sehr wohl richtig und vor allem auch erforderlich, über die Arbeit und Tätigkeit Bilanz zu ziehen und darüber zu diskutieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass die Sozialdemokraten und alle maßgeblichen Exponenten der SPÖ seinerzeit unter den Sanktionierern waren, mit applaudiert haben, als gegen Österreich sanktioniert wurde, ist heute hier sehr wohl Thema. So leicht kann man sich nicht aus der Verantwortung stehlen und aus dem Thema heraushalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Es ist auch nicht vergilbtes Papier, wie Sie es sagen, sondern das ist nach wie vor aktuell, weil Swoboda wieder Spitzenkandidat ist. Sie alle waren dabei!
Jetzt zu behaupten, das stimme nicht, und von „vergilbtem Papier“ zu sprechen, ist zu einfach, denn es war niemand anderer als Hans-Peter Martin, seinerzeit noch Spitzenkandidat der SPÖ, der gesagt hat – ich zitiere –:
„Und bei den Sanktionen habe ich Swoboda live erlebt. Da war richtige Schadenfreude dabei. Es ging ihm nicht um Österreich Es ging immer nur um seine Partei.“
Genau das ist Ihre Haltung: Sie sind keine Patrioten! Sie sind
internationale Sozialdemokraten! – Das ist die Realität! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Herr Gusenbauer! Was war denn seinerzeit bei der Holocaust-Konferenz – vielleicht können Sie sich daran noch erinnern! –, wo Sie den Widerstand organisiert haben, wo
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Sie eine
Strategie entwickelt haben, wie man vorgehen wird? (Abg. Dr. Gusenbauer: Ich war gar nicht dort!)
Die Strategie war klar: auf der einen Seite versuchen, Österreich über die Sanktionen zu vernadern, und auf der anderen Seite auch hier im Lande selbst den Widerstand organisieren.
Ich erinnere mich noch an die Demonstrationen, an die gewalttätigen Ausschreitungen, an die Brüller, die alle „Widerstand“ gerufen haben, wo Leute von Ihrer Seite mit dabei waren, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ.
Das darf man nicht so einfach wegwischen,
indem man sagt: Das ist Schnee von gestern! – Der Swoboda war da überall
mit dabei. Es gab nur ein Ziel, und dieses Ziel lautete: Sozialistische
Internationale geht vor Österreich und seine Interessen! – Es ist bis
heute so! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Sie sollten auf die Tafel, die Sie hier auf dem Rednerpult immer so schön stehen haben, eigentlich nicht draufschreiben „für ein soziales Europa“, sondern Sie sollten draufschreiben: für ein sozialistisches Europa!
Aber Sie haben noch ein großes Problem. – Herr Einem, Herr Schieder, Sie beide möchte ich da ansprechen. – Zum Thema „EU-Beitritt der Türkei“ konnte ich lesen, die Sozialdemokraten hätten sich jetzt im Wahlkampf entschieden, dagegen zu sein. – Ich sage Ihnen: Das ist purer Populismus! Es ist die Unwahrheit! Das werde ich Ihnen jetzt auch beweisen.
Herr Schieder und Herr Einem, bitte kommen
Sie heraus und bestätigen Sie es! Ich habe hier nämlich Ihre Aussagen dazu. Das
war am 12. Februar dieses Jahres anlässlich eines Ausschusses über
Außenpolitik und Integration, da haben Sie beide dazu Stellung genommen und
gesagt, ein EU-Beitritt der Türkei sei zu begrüßen. (Abg. Schieder nickt.)
Aber es ist nicht nur diese Aussage interessant, meine Damen und Herren! Herr Schieder, der immerhin außenpolitischer Sprecher der SPÖ ist, wird in einer Austria-Presse-Agentur-Mitteilung, die mir hier vorliegt, folgendermaßen zitiert: „Schieder grundsätzlich für EU-Beitritt der Türkei.“
Dann heißt es wörtlich: „Schieder selbst sprach sich in aller Klarheit für einen EU-Beitritt der Türkei aus.“
Meine Damen und Herren! Wie soll das funktionieren: Heute ist diese Sozialdemokratische Partei gegen den EU-Beitritt der Türkei?!
Ich komme des Weiteren zu einem nicht unwichtigen Mann (Abg. Öllinger: Und der Haider?!) in der SPÖ, zum Europasprecher Einem. – Der Europasprecher Einem, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird noch deutlicher, und zwar sagte er am 24. Oktober 2003, also erst vor zirka einem halben Jahr, Folgendes – ich zitiere –:
„Es ist daher fair und konsequent, Ankara
einen Beitritt unter gleichen Bedingungen zu ermöglichen.“ (Rufe bei der ÖVP: Hört! Hört! – Abg. Dr. Gusenbauer:
„Unter gleichen Bedingungen“!)
Also, was sagen Sie jetzt dazu: Sind Sie jetzt für den EU-Beitritt der Türkei, oder sind Sie jetzt, nur deshalb, weil Wahlkamp ist, gegen den EU-Beitritt der Türkei?
Ich behaupte hier an dieser Stelle: In Wirklichkeit haben Sie, weil Sie Mitglied der Sozialistischen Internationale sind, genauso wie Ihre deutschen Freunde Schröder & Co. den EU-Beitritt der Türkei längst paktiert und unterstützen ihn. Nur: Im Wahlkampf passt das nicht.
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Ich sage Ihnen auch, warum. – Sie haben das Meinungsforschungsinstitut SORA beauftragt, weil das im Wahlkampf Thema wurde, eine Umfrage zum EU-Beitritt der Türkei zu machen. SORA hat im April für Sie in Ihrem Auftrag eine Untersuchung durchgeführt, bei der für Sie ein verheerenden Ergebnis herauskam.
Das verheerende Ergebnis war: Die überwiegende Mehrheit der Österreicher und Österreicherinnen wollen überhaupt nichts wissen von einer Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union! – Das ist der Grund, warum bei Ihnen so kurzfristig ein Stimmungswechsel stattgefunden hat. Bleiben Sie bei der Wahrheit! Es ist für die Österreicher und Österreicherinnen einfach notwendig, auch von Ihnen als Oppositionspartei zu erfahren, was wirklich die Wahrheit ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Wart ihr wieder bei Saddam?)
Meine Damen und Herren! Zum Thema
Wahlbeteiligung und weil immer wieder beklagt wird, dass sie so niedrig sein
werde, muss man doch auch ein wenig Ursachenforschung betreiben. Das
Desinteresse und die EU-Müdigkeit hat mehrere Gründe (Abg. Dr. Gusenbauer: So
eine Rede ist ein Beitrag dazu!): Einer der wichtigsten Gründe sind
sicherlich Versprechungen, die anlässlich des EU-Beitritts Österreichs
abgegeben wurden. – Es war damals Ihre Frau Ederer, die die
1 000 S versprochen hat. Jede Österreicherin und jeder Österreicher
weiß nunmehr schon seit längerer Zeit, dass das absolut falsch ist. (Abg. Neudeck:
... der Swoboda gesagt!) – Es sind aber natürlich auch die
Sanktionen, die Sie alle selbst mitgetragen und unterstützt haben. Es ist aber
auch das Thema Transitfrage, wo man über uns drübergefahren ist, meine Damen
und Herren. (Ironische Heiterkeit bei
Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Eder: Vier
Minister haben Sie verbraucht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Deshalb ist es notwendig, dass wir gerade jetzt, anlässlich der bevorstehenden EU-Wahl eine starke Stimme für Österreich und eine konsequente Vertretung für Österreich haben – und, meine sehr geehrten Damen und Herren, das bieten wir Freiheitliche Ihnen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Eder: Früher habt ihr keine gehabt? – Abg. Dr. Gusenbauer: Das war aber jetzt ziemlich ...! – Abg. Dr. Cap – in Richtung des zu seinem Sitzplatz zurückkehrenden Abg. Mag. Mainoni –: Zurück in die Rednerschule!)
15.41
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Die Redezeit in der letzten Runde beträgt pro Fraktion 4 Minuten.
Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig zu Wort. – Bitte.
15.41
Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren auf der Regierungsbank! Jetzt muss ich einmal etwas Grundsätzliches erklären: Ich hege gewisse Zweifel, ob Sie mit dem Begriff „österreichische Interessen“ nicht einem ganz fundamentalen Irrtum unterliegen. Sie tun nämlich so, als würden das, was die Regierung vertritt, ausschließlich österreichische Interessen sein. – Ich glaube, da liegt ein fundamentales Missverständnis vor, und ich möchte versuchen, Ihnen das zu erklären.
Angenommen, der Finanzminister vertritt in Brüssel die Position, dass das Europaparlament bei Budgetfragen entmachtet werden soll, so wäre es nach Ihrem Konzept automatisch eine Verletzung österreichischen Interesses, wenn man sich dagegen aufregen würde. – So ist das in vielen Fällen: Es gibt einfach in vielen Fragen ganz fundamentale Unterschiede zwischen den Grünen und der ÖVP. Mit unserer Position haben wir in Europa auch Verbündete: Wenn wir uns für einen europäischen Atomausstieg aussprechen, wenn wir uns für Friedenspolitik aussprechen, dann sind wir natürlich
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auch in Europa in einer Allianz! – Dieses zwangsweise
Hineindrängen in eine automatische Allianz, nur deshalb, weil Sie jetzt gerade
in der Regierung sitzen, hat überhaupt nichts damit zu tun, ob das für Österreich
gut oder schlecht ist – überhaupt nichts! (Beifall bei den Grünen sowie
bei Abgeordneten der SPÖ.)
Das Thema „Wasser“ ist da ein gutes Beispiel. Sie stellen sich jetzt alle hierher und stellen die rot-weiß-rote Fahne auf den österreichischen Alpenstock uns sagen: Das Wasser muss österreichisch bleiben! – Was ist tatsächlich der Fall?
Österreich hat im Moment Wasser im Privateigentum. Es gibt private Genossenschaften, und es ist mittlerweile ein Trend, dass sich das immer weiter industrialisiert und liberalisiert. (Abg. Mag. Molterer: Wasser ist an Grund und Boden gebunden!) In Niederösterreich zum Beispiel – in Ihrem Niederösterreich: schwarz regiert! (Abg. Mag. Molterer: Ich bin Oberösterreicher! Oberösterreicher!) – wird das Wasser mittlerweile von einer Aktiengesellschaft verwaltet, und über kurz oder lang wird diese Aktiengesellschaft nicht mehr in österreichischem Eigentum stehen! In Kärnten haben wir das schon: In Kärnten ist das österreichische Wasser, verbunden mit dem Energiekonzern, an einen Atomkonzern verkauft worden – die Zugriffe auf die Wasserressourcen der Kärntner Energieversorgung! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das Kärntner Wasser gehört ...!) Dann stellen Sie sich hierher und behaupten, Sie würden das österreichische Wasser schützen! – Also ich kann Ihnen das nicht glauben, und das glaubt Ihnen wohl niemand in Österreich. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Das ist nur populistisch, es ist wirklich
nur populistisch! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: ...! An den Haaren
herbeigezogen ist das!)
So, und jetzt komme ich zu dem, was ich sagen wollte. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: An den Haaren herbeigezogen ist das!) – Herr Bundeskanzler, wir haben Ihnen ein paar sehr einfache Fragen gestellt. Diese sind uns sehr, sehr wichtig, denn es geht jetzt um die Wurst, wenn ich es so leger ausdrücken darf. Mit dieser Regierungskonferenz werden die Weichen für oder gegen einen europäischen Atomausstieg gestellt, und wir wollten ganz simple Dinge wissen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Es lebe die Fernseh-Zeit! Da kann man jeden Blödsinn sagen! – Unvorstellbar ist das!) Wir wollten einfach wissen: Was haben Sie vor? Was werden Sie tun? Wie werden Sie das durchsetzen? Wie werden Sie dieses Instrument europäischer Atomförderung umgestalten? – Ich höre von Ihnen immer nur dasselbe, nämlich: Okay, wir haben dort einen Antrag eingebracht! Wir werden vielleicht eine Konferenz zustande bringen! – Aber das echte Engagement, das fehlt Ihnen komplett!
Ich weiß auch, warum ich immer so ein Unbehagen kriege, wenn Sie über Anti-Atompolitik reden. Sie haben heute gesagt: Was uns wichtig ist, das ist Sicherheit, das sind europäische Sicherheitsstandards. – Ich sage Ihnen: Das sagt die französische Atomindustrie auch! Die will auch keine unsicheren Atomkraftwerke! – Wir wollen nicht sichere AKWs, sondern wir wollen einen Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie! (Abg. Dr. Cap: Richtig!) Ich würde mir wünschen, dass Sie das auch wollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Sie scheinen auch die Dimension total zu unterschätzen. Wenn Sie in letzter Zeit die Wirtschaftsseiten gelesen haben, dann wissen Sie: Die Diskussion rund um den steigenden Ölpreis macht die Renaissance der Atomenergie in Europa wieder salonfähig! Mittlerweile sind es 30 neue Projekte, die in Bau oder in Planung sind, und da reicht es einfach nicht, wenn Sie nur hergehen und sagen: Wir sind ohnehin gegen Atomkraftwerke, und wir versuchen halt irgendwas!, sondern das muss in den nächsten Wochen und Monaten absolute Priorität haben! Das muss der zentrale Schwerpunkt der österreichischen Präsidentschaft 2006 sein! Mir reicht es einfach nicht, wenn Sie sich hier herstellen und sagen: Wir sind ohnehin dagegen, und wir versuchen vielleicht mit dem
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Joschka Fischer gemeinsam eine Initiative! – Das ist zu wenig,
Herr Bundeskanzler! Das ist viel zu wenig! (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Reicht der Fischer nicht? Der Fischer reicht
nicht? – Der Joschka Fischer ist der Glawischnig einfach zu wenig! Ich
verstehe das!)
Wir haben in Bayern, in Frankreich, in einigen mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen) Probleme mit der Renaissance der Atomenergie – und wir haben einen Bundeskanzler, der sich hier herstellt und sagt: Wir wollen sichere Atomkraftwerke! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Nicht so schnell! Nicht so schnell! ... verstehen es nicht!) – Ich weiß nicht, ich glaube, die Menschen sollten sich selbst ein Bild davon machen und am 13. Juni überlegen, ob sie dieser Regierung weiterhin das Schicksal des österreichischen Kurses in Europa in die Hände legen wollen. – Ich glaube, nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
15.46
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster
gelangt Herr Abgeordneter Amon zu Wort. – Bitte. (Abg. Dr. Cap – in
Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Amon –: Was haben Sie
gegen unser Wasser? Was haben Sie gegen unser Wasser, Herr Amon?)
15.46
Abgeordneter Werner
Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen
und Herren! Ich muss schon sagen, geschätzte Frau Dr. Glawischnig: Heute
haben die Grünen den politischen Stil kritisiert. Aber was machen Sie?
Sie betreiben hier eine populistische Angstmache! – Das ist
ein Stil, den wir ablehnen, meine Damen und Herren! (Beifall
bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren von der SPÖ! Es ist ja ganz interessant, dass Sie heute den ganzen Tag über mit Ihrer Tafel hier sitzen, die Sie beziehungsweise die der Herr Gusenbauer (lebhafte ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen, die auf eine Tafel mit dem ÖVP-Logo und der Aufschrift „Österreich in Europa stark vertreten – Europawahl 13. Juni“ hinzeigen, die der Redner auf dem Rednerpult platziert hat) – na warten Sie, ich erkläre es Ihnen ja gleich, nicht so aufgeregt! – gar nicht selbst ans Rednerpult tragen konnte und auf der draufsteht: „Für ein soziales Europa“.
Meine Damen und Herren, dazu ist natürlich schon Folgendes zu sagen: Sie reden von einem sozialen Europa – und wir setzen uns dafür ein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist eine gefährliche Drohung!)
Wenn ich etwa genau das uns sehr wichtige
Thema der Frage des Arbeitsmarktes, die Frage der Arbeitslosigkeit als Beispiel
nehme, dann ist festzustellen: Wir haben Gott sei Dank die niedrigste
Arbeitslosigkeit in Europa – dank dieser Bundesregierung! (Beifall bei
der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Wir haben auch die niedrigste
Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa! Sosehr mir jeder einzelne Arbeitslose
einer zu viel ist, muss ich doch sagen: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es
24 Regierungen in Europa gibt, die bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
weniger erfolgreich sind, als es diese österreichische Bundesregierung ist! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Sie von der SPÖ kritisieren, österreichische Interessen würden in Brüssel nicht ausreichend wahrgenommen. Da frage ich mich: Wo sind denn Ihre sozialpolitischen Spitzen heute den ganzen Tag? Wo ist denn der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes den ganzen Tag? (Die Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Dr. Cap: In
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Brüssel! In Brüssel!) Wo ist denn der Präsident der Metallergewerkschaft heute den ganzen Tag? Wo sind sie denn, meine Damen und Herren? (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie sollten hier die Interessen der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wahrnehmen! Das ist ihre Aufgabe! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Aber Gott sei Dank ist Fritz Neugebauer hier im Saal! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)
Dann, meine Damen und Herren von der SPÖ,
reden Sie und plakatieren Sie: „Gegen ein Europa der Konzerne“. – Also,
ein bisschen müssten Sie da ja selbst aufpassen, denn wenn Sie gegen ein Europa
der Konzerne reden, dann müssen Sie sich Gedanken darüber machen, wo Sie
künftig Ihre erfolglosen Spitzenpolitiker entsorgen. Der Viktor Klima ist,
glaube ich, im VW-Konzern. Der Andreas Rudas ist im Magna-Konzern bei Frank
Stronach. Der ehemalige Staatssekretär Ruttenstorfer ist im OMV-Konzern. (Zwischenrufe
der Abgeordneten Dr. Bauer, Gaál und
Eder.) – Also reden Sie
nicht zu sehr gegen ein Europa der Konzerne, denn dann produzieren Sie mehr
arbeitslose Sozialdemokraten, als Ihnen lieb ist! (Beifall bei der ÖVP und
den Freiheitlichen. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Aber vielleicht sind ja Präsident Verzetnitsch und Herr Nürnberger gerade damit beschäftigt, die Konzernverflechtungen des ÖGB in Ordnung zu bringen und zu regeln. Ich habe leider nicht die Zeit, um hier jetzt auf die gewaltigen Verflechtungen einzugehen, aber auf die GPA-Privatstiftung möchte ich schon eingehen (Abg. Dr. Glawischnig: Was hat das jetzt mit der Verfassung zu tun? Das hat jetzt aber wirklich nichts mit der Verfassung zu tun!): die GPA-Privatstiftung, an der nämlich – und das ist ganz interessant – Hans Sallmutter persönlich beteiligt ist! (Oh- und Ah-Rufe bei der ÖVP.) Ich glaube, die GPA, die Gewerkschaft der Privatangestellten, bekommt jetzt einen neuen Namen, nämlich „PGS“ – „Privatgewerkschaft Sallmutters“ –, denn er vereinnahmt sie dementsprechend.
Meine Damen und Herren! Mit einer derartigen Politik – mit Angstmachen beim Thema „Wasser“, mit Angstmachen bei der Atompolitik – kann man österreichische Interessen nicht vertreten. Österreichische Interessen sind mit unserer Mannschaft und mit Ursula Stenzel in Brüssel hervorragend vertreten! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)
15.50
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Broukal. – Bitte, Herr Abgeordneter.
15.51
Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! (Der Redner platziert ein Fläschchen Wasser mit der Aufschrift „Unser Wasser darf nicht privatisiert werden“ auf dem Rednerpult.) Herr Amon! Mein Gott, manches Mal haben Behauptungen so kurze Beine, dass sie nicht einmal bis zum Zurückgehen auf die Abgeordnetenbank Wahrheiten bleiben.
Wissen Sie, wo der Herr Verzetnitsch und der Herr Nürnberger sind? – In Brüssel bei einer Tagung, bei der es um die Zukunft der europäischen Beschäftigung und der Arbeitsplätze geht! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Sie sollten hier sein!)
Ich möchte fast eine Anleihe beim Kollegen Walch nehmen und sagen: Lesen – denken – sprechen! – So, Punkt eins.
Das Europa der Konzerne – und dann zählen Sie den Herrn Ruttenstorfer und den Herrn Rudas auf. Warum erwähnen Sie eigentlich in diesen Tagen nie den Namen „Raidl“, frage ich mich? Da sind Sie die ganze Woche schon stumm! (Abg. Großruck: ... VP-Politiker?) Ihr Chef-Wirtschaftsberater, der Einflüsterer des Herrn Bundeskanz-
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lers, der Vorzeige-Paradeunternehmer der ÖVP (Abg. Mag. Molterer: Taus, oder was?) tritt auf einmal dafür ein, dass man Löhne kürzt, Arbeitszeit ohne Ausgleich erhöht. Und weil die Leute dann zu wenig zum Leben haben – im Fachbegriff: „working poor“ –, soll ihnen der Staat zum Gehalt noch etwas draufgeben, damit sie am nächsten Tag wieder um einen Hungerlohn arbeiten gehen können. – Dazu fällt Ihnen nichts ein, Herr Generalsekretär des ÖAAB? – Ich kann mich nur wundern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Herr Abgeordneter Mainoni! Warum stellt sich die SPÖ diesem Thema – dem Thema Sanktionen – nicht?, fragen Sie. – Wissen Sie, ich bin von dem allen völlig unbenommen. Ich war damals Journalist im ORF, ich war ... (Lebhafte ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Mir können Sie mit einer Verantwortung ... (Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Also ich glaube, ungefähr 4 Millionen Österreicher wissen das – für Sie ist es neu. Herzlich willkommen in der Realität! (Beifall bei der SPÖ.)
Aber ich würde Sie doch bitten: Wissen Sie,
das Dumme ist immer, wenn man Geschichten dort zu erzählen anfängt, wo es
einem passt. – Ich gehe zurück ins Jahr 1989 und sage: Damals habe ich im
Radio jemanden gehört, der sagte: „die ordentliche Beschäftigungspolitik im
Dritten Reich“. – Ich gehe zurück ins Jahr 1995.
Damals hörte ich im Fernsehen jemanden sagen: „Ich danke euch für euer Lebenswerk!“ –
einer Bande verurteilter SS-Verbrecher, wie sich nachträglich herausgestellt
hat. – Erklärung: Das habe ich leider nicht gewusst! (Abg. Neudeck: Wenn Ihnen
jetzt noch die Parkbank einfällt! Jetzt kommt noch die Parkbank, dann wird es
sehr tief!)
Gehen Sie doch so weit zurück! Oder gehen Sie zurück zu Ihrem Justizminister, der damals schon die Idee, dass man Abgeordnete, die missliebig sind, einfach einsperrt, für – Sie erinnern sich an das Zitat – „durchaus verfolgenswert“ gehalten hat! – Also ich denke mir, wenn man ein bisschen weiter zurückgeht, dann wird einem wahrscheinlich auch klar, warum so viele konservative europäische Staatsmänner gemeint haben, dass es im Jahr 2000 für eine Kundgebung der Missbilligung gegenüber der ersten Regierung der ÖVP und der FPÖ durchaus Zeit gewesen war. Das waren zum Großteil auch konservative Parteien – die Spanier, die Franzosen wurden schon genannt.
So, zum Thema Türkei (Abg. Dr. Rasinger: Sind Sie jetzt für die Sanktionen oder dagegen?): Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen ... (Abg. Dr. Rasinger: Sind Sie jetzt für die Sanktionen oder dagegen? Sind Sie jetzt für das Champagner-Trinken von Gusenbauer oder dagegen?) – Also ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn ich an einem 5. Mai entscheiden muss, ob ich mit einer Bande Neo-Nazis vor den Heldenplatz in Wien ziehe oder mit einem französischen Politiker für die endgültige Befreiung Europas vom Nationalsozialismus mit Champagner anstoße, dann sage ich Ihnen: Her mit dem Champagner-Glas!
Es ist Ihnen unbenommen, den Nationalsozialisten nachzutrauern, aber es ist unser Privileg, die Befreiung Europas auch heute noch als denkwürdiges Ereignis zu feiern! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Haidlmayr. – Abg. Scheibner: Das ist eine Frechheit! Sagen Sie einmal! Was soll das? Das ist doch unglaublich!)
Zum Thema Türkei: Ich bitte Sie, jetzt ein für alle Mal zur Kenntnis zu nehmen (lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP – Abg. Scheibner: ...! Was ist da los? Entschuldigen Sie sich! Entschuldigen Sie sich! Das ist ja unglaublich, was Sie da ...!): Die Sozialdemokratische Partei ist gegen einen Beitritt der Türkei (anhaltende empörte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP – Abgeordnete der ÖVP schlagen aus Protest mit den Handflächen auf die Bänke – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), jetzt und in der absehbaren Zukunft, und zwar aus
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dem einfachen Grund, weil die Konsolidierung der Europäischen Union jetzt Vorrang haben muss vor jeder Erweiterung!
Wissen Sie, das Dumme ist, ...
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz, bitte, Herr Abgeordneter!
(Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Haidlmayr für den das Rednerpult
verlassenden Abg. Broukal. – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei den
Freiheitlichen und der ÖVP.)
15.55
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.
15.55
Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt wieder einmal miterlebt, wie man hier glaubt, in diesem Land Politik machen zu können. Herr Broukal! Mit derartigen Argumenten, mit einer derartigen Verunglimpfung hier in diesem Haus Politik machen zu wollen, ist unter der Würde des Parlaments! Sie sollten sich entschuldigen, meine Damen und Herren, und nicht noch dazu klatschen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Aber es ist ja klar – und Herr Kollege Schieder hat es schon gesagt –: Gute Themen sind nur die, die Ihnen passen! Gute Regierungen sind nur die, die Ihnen passen! Aber Themen, die Ihnen nicht passen, haben hier anscheinend nichts verloren, und gegen Regierungen, die Ihnen nicht passen, wird zu Felde gezogen, auch in der Europäischen Union, egal, ob das der Bevölkerung schadet oder nicht. – Das ist Ihre Politik, meine Damen und Herren!
Genau darum geht es: dass so eine Politik abgewählt werden muss! Wir brauchen weder hier im Hohen Haus noch anderswo Vertreter, die mit dieser Keule kommen, die Sie einem Kritiker, wenn ein solcher auftritt und etwas sagt, was Ihnen nicht passt, sofort entgegenhalten: dass er nämlich mit den Nationalsozialisten gemeinsame Sache gemacht hat. – Meine Damen und Herren! Es ist ungeheuerlich, dass so etwas in diesem Hohen Haus noch möglich ist! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Wenn es hier eine Regierung gibt, die Ihnen nicht passt, dann ist sie faschistisch, dann ist sie anti-demokratisch, und dann arbeiten Sie mit Ihren sozialistischen Kollegen gegen diese Regierung und gegen Österreich! – Genau das wollen wir auch in diesem Wahlkampf thematisieren!
Meine Damen und Herren! Die Bevölkerung soll wissen, dass, wenn sie am 13. Juni SPÖ wählt und mit Herrn Swoboda einen Kandidaten, der Ihrer Partei angehört, dann genau diese Linie zur Wahl steht. Dann stellt sich die Frage: Stellt man in den Vordergrund das Wohl Österreichs, das Wohl der Bevölkerung – oder eine Parteipolitik, so wie wir sie heute bei der Rede des Herrn Broukal gehört haben? – Wir sind für Österreich und gegen derartige Diffamierungen von Politikern in diesem Land (Abg. Dr. Gusenbauer: Seit wann?), von einer Regierung und von ganz Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schieder! – Ich versuche mich jetzt wirklich zu beruhigen, aber da hört sich der Spaß auf. (Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy und Broukal.) Herr Kollege Broukal! Bei solchen Vergleichen gegenüber demokratischen Politikern und gegenüber dem Hohen Haus hier, da hört sich der Spaß auf! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Herr Kollege Schieder! Es geht uns nicht um diesen Brief, sondern um das Prinzip. Wenn, wie Sie wissen, am 31. Jänner 2000 der portugiesische Vorsitz die Sanktionen angekündigt hat und Maßnahmen nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen
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offizielle Einrichtungen in Österreich angekündigt hat, die Kommission diese Maßnahmen und diese Entscheidung am 1. Februar gebilligt hat – auch mit Stimme des österreichischen Kommissars – und dann das Europaparlament mit allen Stimmen der sozialdemokratischen und grünen Abgeordneten diese Erklärungen und auch die Entscheidung der Kommission befürwortet haben und Herr Swoboda dann in seiner Rede gesagt hat: Es ist ein schwarzer Tag für Österreich und für Europa!, und: Unterstützen Sie das österreichische Volk gegen diese Regierung!, dann, meine Damen und Herren, ist das nicht Politik für Österreich, sondern Politik möglicherweise für eine Partei – aber nicht für ein Land, nicht für die Republik Österreich und ihre Bevölkerung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)
Meine Damen und Herren! Wir stehen vorbehaltlos dazu: Egal, wer von außen kritisiert wird, egal, wer von außen diskreditiert wird – wir als österreichische Vertreter stehen im Ausland für alle Abgeordneten, für alle Politiker, für alle Angehörigen der österreichischen Bevölkerung! Das würden wir auch von Ihnen erwarten. Leider, meine Damen und Herren, haben Sie heute die Gelegenheit nicht wahrgenommen, mit uns diesen Entschließungsantrag mitzutragen, in dem die Sanktionen wenigstens vier Jahre danach verurteilt werden und in dem es weiters darum geht, dass dafür gesorgt wird, dass so etwas nie wieder vorkommt.
Aber, meine Damen und Herren: Aufklärung
muss sein! Wir werden sehen, ob es den Untersuchungsausschuss geben wird, aber
ich habe wenig Hoffnung, dass Sie zur Einsicht kommen, denn: Wenn das, was
Herr Broukal hier gesagt hat, von Ihnen auch noch akklamiert und wenn dazu
applaudiert wird, dann ist das anscheinend leider auch die Linie Ihrer Partei. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
16.00
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr
Abgeordneter Broukal zu Wort gemeldet. (Zwischenrufe
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Beginnen Sie mit der Wiedergabe der zu
berichtigenden Behauptung und stellen Sie dem den richtigen Sachverhalt
gegenüber! – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf
bei der ÖVP – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg.
Broukal –: Treten Sie zurück! – Abg. Steibl – gleichfalls in Richtung des sich zum Rednerpult
begebenden Abg. Broukal –: Treten Sie zurück!)
16.00
Abgeordneter Josef
Broukal (SPÖ): Herr Abgeordneter Scheibner hat behauptet, ich habe gesagt:
Wenn einem eine Regierung nicht passt, dann bezichtigt man sie faschistischer
und antidemokratischer Gesinnung. – Das ist unwahr! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt redet er sich
wieder heraus!)
Ich habe nicht über die österreichische Bundesregierung
gesprochen (Abg. Steibl: Sie haben gesagt „sie“!), ich habe über Herrn Haider
gesprochen (Ruf bei der ÖVP: Nein!),
der zu keinem Zeitpunkt Mitglied der österreichischen Bundesregierung war! (Beifall
bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. –
Abg. Mag. Molterer: Das ist ja
noch schlimmer! Das darf ja nicht wahr sein! – Ruf bei der ÖVP: Das ist
unerhört!)
16.01
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer zu
Wort gemeldet. (Weitere „Unerhört!“-Rufe
bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
16.01
Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehörte diesem Hohen Haus seit Beginn des Jahres 1990 für vier Jahre an,
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dann bin ich Mitglied der Bundesregierung gewesen und nun in dieser Legislaturperiode als Klubobmann wieder in diesem Hohen Haus tätig.
Herr Kollege Broukal! Es gibt
möglicherweise Situationen, in denen jemandem die Nerven durchgehen. Bei
Ihnen, sage ich, bin ich mir bewusst: Sie wissen, was Sie sagen. (Abg. Lentsch: Genauso ist es!) Wissen Sie,
was Sie gesagt haben? (Abg. Broukal: Was habe ich gesagt?) –
Sie haben gesagt, auf diese Seite deutend (der
Redner deutet auf die Regierungsfraktionen): Hier wird mit
Nationalsozialisten gemeinsame Sache gemacht. (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Jawohl! Zurücktreten!)
Sie haben gesagt, Herr Kollege Broukal, auf diese Seite des Hauses deutend, es
würde jemand den Nationalsozialisten nachtrauern. (Abg. Mag. Trunk: Das
ist Täter-Opfer-Umkehrung! – Zwischenrufe bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Herr Kollege Broukal, ich möchte Sie fragen, wie Sie mit dieser zumindest meiner Erinnerung nach einmaligen Entgleisung umgehen. Ich kenne Abgeordnete dieses Hauses, die für viel weniger die persönliche Konsequenz gezogen haben (Rufe bei der ÖVP: Ja! Ja!) und zurückgetreten sind, meine Damen und Herren! (Lebhafter anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wenn Sie nun meinen, Sie könnten hier herausgehen und etwas mit einer tatsächlichen Berichtigung korrigieren, dann mache ich Sie in Ihrem Interesse darauf aufmerksam: Mit dieser tatsächlichen Berichtigung haben Sie in Wirklichkeit die Sache noch schlimmer gemacht! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Keine Ehre!)
Meine Damen und Herren! Herr Kollege
Broukal meint vielleicht – denn ich sehe es den Gesichtern der
SPÖ-Abgeordneten an –, jetzt herausgehen zu können und glauben zu können,
mit einer Entschuldigung sei diese Sache aus der Welt. (Abg. Scheibner: Das macht
er ja nicht einmal!) Nein, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)
Erstens: Die SPÖ hat zu diesen unglaublichen
einmaligen Aussagen in der Geschichte dieses Hauses applaudiert, meine Damen
und Herren! (Rufe bei der ÖVP und den
Freiheitlichen: So ist es! Ja! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg.
Dr. Matznetter.)
Zweitens: Es ist den Abgeordneten der SPÖ offensichtlich nicht bewusst, was sie hier verteidigen.
Herr Kollege Broukal! Wenn Sie nur den Funken von politischem Anstand haben, dann ziehen Sie die Konsequenzen, die für derartige ungeheuerliche einmalige Vorwürfe, die in diesem Haus noch nie gemacht wurden! (Ruf bei der ÖVP – in Richtung des Abg. Broukal –: Treten Sie zurück!) Ziehen Sie die persönlichen Konsequenzen!
Ich sage Ihnen namens der Österreichischen
Volkspartei, namens der Freiheitlichen Partei (Abg. Steibl: Abtreten!
Zurücktreten!), namens der Grünen und namens der Sozialdemokratie –
davon gehe ich aus –, dass diese Vorgangsweise, diese Ihre Aussagen nicht
zu entschuldigen sind (Abg. Silhavy: Mit welchem Recht wollen Sie
über uns richten?) und nur mit einer Konsequenz richtig beantwortet werden
können, nämlich mit der, die Sie persönlich zu ziehen haben! (Anhaltender
Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
16.05
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Ich habe unmittelbar nach der Rede des Abgeordneten Broukal das Stenographische Protokoll angefordert und werde natürlich noch während dieser Debatte darin Einblick nehmen.
Zur Geschäftsordnungsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort gemeldet. – Bitte.
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16.05
Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Meine Damen und Herren! Ich habe mit meiner ... (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Nein, das ist keine künstliche Aufregung, wer immer das sagt, meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Molterer: Das darf ja nicht wahr sein!) Das zeigt ja leider: Es ist hier nicht einmal Einsicht vorhanden!
Ich habe die tatsächliche Berichtigung des
Abgeordneten Broukal abgewartet, weil
ich gehofft habe, dass er das richtig stellt – weil er vielleicht falsch
verstanden worden ist –, dass er sich entschuldigt, was auch immer. Er hat
das Gegenteil davon gemacht! Und damit steht fest, dass er in seiner Rede
zumindest eine Fraktion in diesem Hohen Hause, Angehörige dieser Fraktion, als
Nationalsozialisten bezeichnet hat. (Ruf
bei der SPÖ: Nein! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das lasse ich
nicht auf mir sitzen, das lässt auch meine Fraktion nicht auf sich sitzen! Das
ist einzigartig
in diesem Hohen Haus!
Ich beantrage deshalb eine Unterbrechung der Sitzung und die Einberufung einer Präsidialsitzung.
16.06
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich werde innerhalb der nächsten Minuten in das Stenographische Protokoll Einblick nehmen und dann darüber entscheiden.
Als nächster Redner hat sich Herr
Abgeordneter Dr. Cap zu Wort gemeldet. – Bitte. (Rufe bei der ÖVP: Abstimmen! Das war ein Antrag!)
16.07
Abgeordneter Dr. Josef Cap
(SPÖ): Ich möchte vorausschicken: Es gibt hier niemanden im Haus, der
irgendjemandem vorwirft, er hätte Sympathien mit den Nationalsozialisten. (Heftige Rufe bei der ÖVP und den
Freiheitlichen: Oja! Broukal!)
Sie wissen ganz genau, dass das in der Zuspitzung der Auseinandersetzung erfolgt ist. Es gibt hier niemanden ... (Abgeordnete der ÖVP und der Freiheitlichen deuten auf Abg. Broukal.) Wir haben hier anzumelden, dass es ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Unerhört! – Abg. Kopf: Herr Cap! Ihr macht es nur noch schlimmer!) – Herr Präsident! Das Mindeste, was man hier garantieren muss, ist, dass hier Ruhe herrscht und dass man hier in Ruhe seine Wortmeldung absolvieren kann. Sie von ÖVP und Freiheitlichen brauchen da gar nicht so einen Redeschwall zu machen! (Beifall bei der SPÖ.)
Also noch einmal: Es gibt hier niemanden, der jemand anderem vorwirft, er hätte gemeinsame Sache mit den Nationalsozialisten gemacht oder bedauert, dass es die Nationalsozialisten nicht mehr gibt. (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja nicht! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir haben es ja gehört! – Abg. Scheibner – auf Abg. Broukal deutend –: Er hat es gesagt!) Aber es gibt eine unsaubere Konfliktkultur (lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen) hier über Fragen, die mit dieser Sache befasst sind. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen) – Jetzt hören Sie mir bitte einmal in aller Ruhe zu, verdammt noch einmal! (Heftige Empörung bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Zuhören wird doch noch möglich sein! (Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abgeordnete der ÖVP und der Freiheitlichen verlassen demonstrativ ihre Sitzplätze und stellen sich hinter den letzten Sitzreihen vor den Glastüren zum Couloir auf. – Abg. Mag. Wurm – in Richtung ÖVP und Freiheitliche –: Er kann nicht einmal reden!)
Wenn heute eine Diskussion stattfindet, in der wir sagen: Wir wollen uns bemühen, dass das Gemeinsame Vorrang hat!, und wenn wir heute wirklich zu behandeln hätten, dass hier ein Wahlkampf in einer Form geführt wird, dass einem Spitzenkandidaten, in
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diesem Fall dem Hannes Swoboda, mittels gefälschter Briefe Dinge vorgeworfen werden, die er nie gesagt, nie geschrieben hat (Zwischenruf des Abg. Kopf), dann ist das etwas, von dem ich finde, dass es in der österreichischen politischen Kultur, in der politischen Auseinandersetzung nichts zu suchen hat. – Punkt 1. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Ist das jetzt ein Vergleich?)
Ich komme gleich zum zweiten Vergleich. Das
sage ich Ihnen schon noch: Es ist legitim, hier immer wieder auf den Ausspruch
Haiders über die „ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“
hinzuweisen. (Rufe bei der ÖVP und den
Freiheitlichen: Aber er ist zurückgetreten!) Es ist legitim, das zu
kritisieren! Und er ist bitte immer noch eine wichtige Persönlichkeit in der
FPÖ, daher kann man über das reden. (Abg.
Mag. Mainoni: Broukal muss
zurücktreten!)
Es ist legitim, darüber zu diskutieren, wenn Haider sagt, dass, wenn ihm einer quasi nicht passt, dieser sein Mandat hergeben müsse, nicht kandidieren dürfe; es ist legitim, wenn Haider damals, im Jahre 2000, gemeinsam mit Böhmdorfer darauf hingewiesen hat, dass es so weit gehen soll, dass man auf Amtsverzicht und Amtsverlust plädieren kann, und im heutigen „Standard“ steht, dieser Gedankengang Haiders erinnere an das Heimtückegesetz der Nationalsozialisten 1934. (Abg. Mag. Mainoni: Wir reden über Broukal jetzt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wenn Haider sagt, Hannes Swoboda und die anderen seien „Vaterlandsverräter“ und das ein Begriff ist, den Adolf Hitler gegen die Gegner des Nationalsozialismus verwendet hat, dann wird man ja bitte noch darauf hinweisen können, ohne dass man deswegen hier Unterstellungen zu erdulden hat! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Pirklhuber.)
Und dazu sage ich Ihnen noch etwas: Ich
erwarte mir auch vom Bundeskanzler eine andere Reaktion auf den Vorwurf mit dem
„Vaterlandsverräter“, als bloß zu sagen: Das ist nicht meine Sprache! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich
sage Ihnen, ich mag diese Form der Auseinandersetzung, die momentan hier
stattfindet, nicht! Ich halte sie für nicht positiv. (Zwischenrufe bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Ich bin der Auffassung, dass wir gemeinsam nach 1945 – viele davon sind im gleichen Lager der Nationalsozialisten gesessen – diese Republik aufgebaut haben. Wir sollten mit diesem Grundkonsens, der zum Aufbau dieser Republik geführt hat, nicht spielen! Dagegen bin ich wirklich vehementest! Ich halte das für wirklich schädlich für unsere Demokratie! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Scheibner.)
Und das geht so weit ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni.) – Nein! Ich sage
Ihnen etwas: Man kann zuspitzen, man kann polemisieren, man kann sich auch
bemühen, den anderen richtig zu verstehen (Abg.
Mag. Mainoni: Wieso? Das war
eindeutig!), das kann alles so sein. Aber wenn mit konkreten Unwahrheiten
Politik gemacht wird – übrigens bis dahin, dass Franz Fischler unterstellt
worden ist, er hätte einen Kommissionsbeschluss gegen Österreich
herbeigeführt, was gar nicht der Fall war. Er hat sich dann dagegen wehren
müssen, denn das war nachweislich falsch. So (der Redner trommelt auf das Rednerpult) spielt sich der Wahlkampf
momentan ab! (Abg. Mag. Mainoni: Der Wahlkampf spielt
sich ...!)
Daher muss ich Ihnen sagen: Das ist nicht die Art, wie wir diese Auseinandersetzung zu führen haben!
Und noch einmal: Es gibt hier niemanden, der das jemand anderem hier vorwirft (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), und schon gar nicht der ÖVP, dass sie Sympathien für den Nationalsozialismus hätte! Das möchte ich hier einmal in aller Deutlichkeit feststellen. Und hören Sie jetzt auf! (Beifall bei der SPÖ.)
16.11
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 102 |
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Es wird mir in Kürze das Protokoll der Rede des Abgeordneten Broukal vorliegen. Ich mache eine Sitzungsunterbrechung und bitte die vier Klubobleute zu einer Kurzpräsidiale zu mir ans Präsidium.
(Die Sitzung wird um 16.12 Uhr unterbrochen und um 17.33 Uhr wieder aufgenommen.)
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, Platz zu nehmen.
Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Bevor wir in der Tagesordnung weitergehen, nehme ich Bezug auf die Rede des Abgeordneten Broukal. Die dabei gemachten Äußerungen sprengen jede Relation bisher gemachter Äußerungen, die ich als Mitglied des Hohen Hauses erlebt habe.
Gemäß der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordnetem Broukal einen Ordnungsruf.
Präsident Dr. Andreas Khol (den Vorsitz übernehmend): Meine Damen und Herren! Darüber hinaus stellt der Präsident namens der Präsidialkonferenz Folgendes fest:
Die Präsidialkonferenz verurteilt die Unterstellung, wonach ein Teil dieses Hauses dem Nationalsozialismus nachtrauere. Diese Äußerung ist inakzeptabel! Niemand in diesem Hause trauert dem Nationalsozialismus nach!
Die Präsidialkonferenz nimmt weiters die Stellungnahme von Klubobmann Dr. Josef Cap zur Kenntnis, wonach die SPÖ niemandem im Hohen Haus unterstellt, dem Nationalsozialismus nachzutrauern.
Abgeordneter Broukal erhält jetzt die Gelegenheit zu einer Stellungnahme.
17.35
Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Meine Damen und Herren! Es tut mir Leid, ich habe Dinge gesagt, die man Ihnen gegenüber nicht sagen darf und nicht sagen soll.
Ich bedauere es und erbitte Ihre
Entschuldigung! (Beifall bei der SPÖ.)
17.36
Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Die Präsidialkonferenz ist im Einvernehmen mit allen Parteien übereingekommen, dass hiermit die Debatte über die Dringliche Anfrage geschlossen ist.
Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
*****
Der Antrag der Abgeordneten Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Untersuchung der Verantwortung von Bundesministerin Gehrer als Aufsichtsorgan der Bundesmuseen hinsichtlich der fehlenden Konsequenzen aus offenkundigen Missständen im Kunsthistorischen Museum wurde zurückgezogen, ebenfalls der Antrag auf eine Debatte, bei gleich bleibender Feststellung, dass in der nächsten Plenarsitzung die Grünen außerhalb der Kollisionsnormen und der diesfalls festgelegten Gesetzlichkeiten diesen Antrag erneut einbringen können.
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 103 |
Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen
Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die im europäischen Vergleich katastrophale Präsenz der österreichischen Regierungsmitglieder in den EU-Räten und den damit verbundenen Schaden für Österreich.
Der Antrag wurde an alle Abgeordneten verteilt. Eine Debatte wurde weder verlangt noch beschlossen.
Der
Antrag hat folgenden Wortlaut:
Antrag
der
Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 GOG
betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Die
unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss
im Verhältnis V: 5, S: 4, F: 1 und G: 1 einzusetzen.
Gegenstand der Untersuchung:
Die im
europäischen Vergleich katastrophale Präsenz der österreichischen Regierungsmitglieder
in den EU-Räten und der damit verbundene Schaden für Österreich.
Die
Verantwortung der Bundesregierung für die Versäumnisse bei der Umsetzung von
EU-Recht in nationales Recht durch die Nichtvorlage von Regierungsvorlagen an
den Nationalrat bei etwa 100 Richtlinien, für welche die Frist zur Umsetzung
bereits abgelaufen ist.
Untersuchungsauftrag:
Der
Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen
Auskünften und durch Einsicht in die Akten des Bundeskanzleramtes und der
betroffenen Ressorts klären, weshalb österreichische Minister bei EU-Ratssitzungen
auf eine Teilnahme und damit auf das Stimmrecht Österreichs verzichteten,
welche Themen bei diesen Sitzungen auf der Tagesordnung standen und welche
Auswirkungen dies auf die Vertretung österreichischer Interessen in der EU
hatte.
Ferner soll
geklärt werden, welche Verantwortung die Regierung für die Säumigkeit
Österreichs bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht trägt und ob
durch die Nicht-Umsetzung von EU-Recht die Interessen bestimmter Lobbygruppen
begünstigt werden.
Begründung:
In
einem Bericht der französischen Nationalversammlung über die Europapolitik
sind – basierend auf Daten des EU-Ratssekretariats – Aufzeichnungen
über die Anwesenheit der jeweiligen nationalen Minister bei EU-Ratstagungen
enthalten. Das Ergebnis dieser Bilanz ist für die österreichische
Bundesregierung vernichtend:
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 104 |
(Quelle:
Die Presse 27.5.04)
Damit
ist dokumentiert, dass die österreichischen Regierungsmitglieder lediglich bei
81,1 Prozent der Sitzungen anwesend waren. Bei nahezu zwanzig Prozent der
Sitzungen verzichteten österreichische Regierungsmitglieder demnach auf ihre
Teilnahme und damit auf das Stimmrecht Österreichs. Österreich lag, was die
Präsenz in EU-Räten betrifft, im vergangenen Jahr gemeinsam mit Dänemark und
Frankreich, an vorletzter Stelle in der EU.
Besonders
schlecht war die Präsenz bei den Ratsformationen Verkehr, Telekommunikation
und Energie sowie Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Konsumentenschutz,
weiters im ECOFIN, dem Rat der Finanzminister sowie im Rat Bildung, Jugend und
Kultur.
Absenzen
gab es ferner beim Rat Landwirtschaft, Wettbewerb und beim Rat Allgemeine
Angelegenheiten:
Rat
Verkehr, Telekommunikation und Energie
Abwesenheit
Österreichs bei 3 von 7 Sitzungen (42,85 Prozent)
Rat
Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz
Abwesenheit
Österreichs bei 2 von 5 Sitzungen (40 Prozent)
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 105 |
Rat
Bildung, Jugend und Kultur
Abwesenheit
Österreichs bei 1 von 3 Sitzungen (33,3 Prozent)
Rat
Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN)
Abwesenheit
Österreichs bei 4 von 13 Sitzungen (30 Prozent)
Rat
Landwirtschaft
Abwesenheit
Österreichs bei 2 von 11 Sitzungen (18,18 Prozent)
Rat
Wettbewerbsfähigkeit (Binnenmarkt, Industrie und Forschung)
Abwesenheit
Österreichs bei 1 von 7 Sitzungen (14,28 Prozent)
Rat
Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen
Abwesenheit
Österreichs bei 2 von 23 Sitzungen (8,6 Prozent)
(Quelle: Assemblée Nationale, Rapport d’Information
déposé par la délégation de l’Assemblée Nationale pour l’Union Européenne sur la
présence et l’influence de la France dans les institutions européennes)
Eine
effiziente Wahrnehmung österreichischer Interessen in der EU ist mit dieser
unzureichenden Präsenz österreichischer Regierungsmitglieder nicht
gewährleistet.
Eklatante
Versäumnisse in der Europapolitik zeigen sich auch bei der Umsetzung von
EU-Recht in österreichisches Recht. Aus der Beantwortung parlamentarischer
Anfragen (insbesondere 159/AB XXII. GP) geht hervor, dass bis
1. März 2003 43 EU-Richtlinien nicht umgesetzt worden waren,
obwohl die vorgeschriebene Fristen für Umsetzung längst abgelaufen waren.
Weitere 65 Richtlinien hätten laut Anfragebeantwortung bis März 2004
umgesetzt werden sollen. Insgesamt handelt es sich also um rund 100
EU-Richtlinien, die nach wie vor der Umsetzung in nationales Recht harren. Vor
allem im Gesundheits-, Agrar-, Umwelt- und Konsumentenschutzbereich wird, so
das Resultat der Anfragebeantwortungen, EU-Recht ignoriert. Österreich leistet
damit einen schlechten Beitrag zur Umsetzung der sogenannten
„Lissabon-Strategie“, mit der die EU dauerhaftes Wirtschaftswachstum, mehr
Beschäftigung und bessere Arbeitsplätze schaffen und bis zum Jahr 2010 zum
wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der
Welt werden möchte. Diese Kritik wurde auch von Seiten der EU-Kommission in
ihrem Bericht für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates geübt. Österreich
verzeichne weiterhin einen großen Umsetzungsrückstand bei
Binnenmarktrichtlinien, hieß es da. Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem
Zusammenhang, dass darüber hinaus zur Zeit in 26 Fällen Klagen der
Europäischen Kommission gegen Österreich wegen mangelhafter Umsetzung von
EU-Richtlinien anhängig sind.
Aus
all den genannten Fakten und Darstellungen ist die sofortige Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses geboten.
*****
Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen sogleich zur Abstimmung.
Wer diesem Antrag der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Antrag findet keine ausreichende Unterstützung und ist daher abgelehnt.
*****
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 106 |
Wir gelangen schließlich zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Beschaffung von Kampfflugzeugen.
Auch dieser Antrag wurde an alle Abgeordneten verteilt. Eine Debatte wurde weder beantragt noch beschlossen.
Dieser Antrag hat folgenden Wortlaut:
Antrag
der
Abgeordneten Dr. Kräuter, Mag. Gaßner und KollegInnen gemäß § 33
GOG betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Die
unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss
im Verhältnis V: 5, S: 4, F: 1 und G: 1 einzusetzen.
Gegenstand der Untersuchung:
Aufklärung
über die Existenz der von Bundeskanzler Schüssel propagierten Wirtschaftsplattform
zur Finanzierung von Kampfflugzeugen sowie mögliche Ergebnisse dieser
Plattform;
Aufklärung
der Vorwürfe möglicher Geldflüsse, „nützlicher Aufwendungen“ und Manipulationen
des Vergabeverfahrens im Zuge der Beschaffung von Kampfflugzeugen für das
österreichische Bundesheer seit April 2001;
Aufklärung
von Einflussnahmen auf Entscheidungsträger und Spitzenrepräsentanten der
Regierungsparteien in der XXI. und XXII. Gesetzgebungsperiode im
gegenständlichen Vergabeverfahren;
Aufklärung
des Vorwurfs der Verfolgung von „wirtschaftlichen (Eigen-)interessen“ von
politischen Parteien und persönlichen Interessen von Regierungsmitgliedern im
Zuge der gegenständlichen Vergabe;
Aufklärung
darüber, ob es im Zusammenhang mit diesem Sachverhalt – bedingt durch die
Verfolgung „wirtschaftlicher (Eigen-)interessen“ oder Manipulationen durch Entscheidungsträger
im Vergabeverfahren – zu Nachteilen für die österreichischen SteuerzahlerInnen
gekommen ist;
Aufklärung
über die tatsächlich durch die betroffenen Minister abgeschlossenen Verträge
bzw. Vorverträge sowie Rücktrittsmöglichkeiten und Schadenersatzfolgen aus
diesen Vereinbarungen;
Aufklärung
über die Vorgänge rund um die Ministerratsentscheidung am 2. Juli 2002
hinsichtlich der Meinungsbildung von Bundesminister Grasser, Bundesminister
Scheibner und Bundeskanzler Schüssel;
Aufklärung
über den Abschluss von Kompensationsgeschäften sowie deren Einfluss auf die
Kaufentscheidung;
Aufklärung
hinsichtlich der Reduktion der Kampfflugzeugstückzahl von 24 Geräten auf
18 unter Nichteinhaltung des selbst gewählten Vergabeverfahrens;
Aufklärung
über die durch die Bundesregierung beabsichtigten Anmietung von Kampfflugzeugen
zur Überbrückung des Zeitraumes bis zur Eurofighter-Auslieferung;
Aufklärung
über bekannt gewordene technische Mängel der Tranche II des angekauften
Flugzeugtyps;
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 107 |
Aufklärung
über Vertragsverhandlungen hinsichtlich des Ankaufes von 18 Kampfjets der
Britischen Armee;
Untersuchung
der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit den
genannten Sachverhalten.
Untersuchungsauftrag:
Der
Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen
Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die Akten des
Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundesministeriums
für Landesverteidigung, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und
anderer Bundeseinrichtungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand
alle Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten
überprüfen.
Begründung:
Jüngste
Pressemeldungen gehen davon aus, dass die Britische Armee ihre bereits
bestellten Eurofighter-Kontingente aufgrund technischer Beanstandungen nicht
ausnutzen wird, sondern im Gegenteil, Kampfjets verkaufen wird. Unter
möglichen Käuferländern scheint auch die Republik Österreich auf. Wurden
anfangs entsprechende Verhandlungen verleugnet, ist nunmehr klar, dass seitens
der Republik Österreich Vertreter mit der entsprechenden
Informationsbeschaffung beauftragt wurden. Immer wieder berichten
internationale Medien, zuletzt der Evening-Standard vom 25. Mai 2004 über
technische Mängel des Eurofighter „Typhoon“: Das Kampfflugzeug wird im bodennahen
Bereich oder bei Schlechtwetter nur von zwei Piloten geflogen werden können,
weil gewisse Systeme die Bodenannäherung nicht anzeigten oder ganz abschalteten
„mit katastrophalen Folgen“.
Die
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ Nr. 104 vom 5.5.2004 berichtet, dass es
der deutschen Bundesregierung gelungen sei, einen Nachlass für die bereits
bestellten Abfangjäger der Type Eurofighter Typhoon in Höhe von
200 Millionen Euro auszuhandeln. Somit erwirbt die deutsche
Bundesregierung den Eurofighter zum Stückpreis von 65 Millionen Euro,
während die österreichische Regierung für ein Flugzeug desselben Typs
112,5 Millionen Euro bezahlt. Gleichzeitig fehlt für den Betrieb einer
Übergangslösung, der Anmietung von 12 Maschinen des Typs F5-Tiger, noch
immer die Zustimmung der US-Regierung und des Kongresses sowie das Endverbraucher-Zertifikat
des „Tiger“-Herstellers Northrop für Österreich. Eine Ausbildung der Piloten
und die Schulung der Technikermannschaften kann erst dann beginnen, wenn
entsprechende Beschlüsse vorliegen. Völlig unklar ist auch der tatsächliche
Inhalt des Mietvertrages mit der Schweiz. Laut „Kleiner Zeitung“ vom 5.5.2004
ist ein Vertrag mit der Schweizer Regierung noch gar nicht unterschrieben.
Ebenso
weisen die jüngsten Erkenntnisse des Rechnungshofes erhebliche Mängel im Rahmen
des Vergabeverfahrens zur Beschaffung von 24 Kampfflugzeugen nach:
Musskriterien
wurden in Sollkriterien ohne nachvollziehbare Begründung umgewandelt;
neue
Entscheidungskriterien wurden ohne nachvollziehbare Dokumentation in das bereits
laufende Vergabeverfahren einbezogen;
die
Kostendarstellung im Zuge des Ministerratsvortrages zur Typenentscheidung wurde
unrichtig wiedergegeben;
Akten
hinsichtlich eines anders lautenden Ministerratsvortrages, die einen anderen
Bieter begünstigten, waren im Zuge der Rechnungshofprüfung nicht auffindbar;
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 108 |
die
Beurteilung der Gegengeschäfte erschien als nicht nachvollziehbar, ebenso eine
entsprechende Kommunikation zwischen den BMLV und dem BMWA;
es
erfolgte keine Überprüfung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des angebotenen
Kampfflugzeuges des Typs Eurofighter.
Erhebliche
Zweifel bestehen an der Einhaltung des Liefertermins sowie der grundsätzlichen
Einsatzfähigkeit des ausgewählten Flugzeugtyps. Dem gegenüber stehen exorbitant
hohe Lebenszykluskosten.
Auffällig
ist, dass die Prüfung des Rechnungshofes für ein Kaufvorhaben von 24 Abfangjägern
durchgeführt wurde, durch die österreichische Bundesregierung aber
18 Geräte angekauft werden. Der Rechnungshof gab in diesem Zusammenhang zu
bedenken, dass eine Verringerung der laut Angebotseinholung und Bewertung vorgegebenen
Stückzahl von 24 Kampfflugzeugen eine Neuausschreibung erforderlich machen
würde, wenn durch die Verringerung der Stückzahl die Bieterreihung geändert
würde.
Ging
der Ministerratsvortrag von 1,791 Milliarden Euro für 24 einsitzige
Flugzeuge aus, so erhöhten sich diese Kosten auf einen zu erwartenden
Beschaffungspreis von rund 2,767 Milliarden Euro. Darin noch nicht
enthalten sind die Ausgaben für die Adaptierung der fliegerischen
Infrastruktur, des Radars, des Funks usw.
In
der Rechnungshofausschuss-Sitzung am 27.4.2004 wurde mit RH-Präsidenten
Dr. Fiedler dieser Bericht des Rechnungshofes über die Typenentscheidung
und die Gegengeschäftsangebote im Zuge der Beschaffung von
Luftraumüberwachungsflugzeugen erörtert. Diesbezüglich stellte Präsident Dr. Fiedler
klar, dass in keiner Form die von BK Schüssel propagierte Wirtschaftsplattform
vorgefunden wurde. Der Rechnungshofpräsident hielt dazu fest: „Eine
Wirtschaftsplattform ist mir nach wie vor nicht untergekommen“.
Wesentliche
Kritik äußerte Präsident Fiedler an den verschiedenen Zahlungsvarianten: Für
den Rechnungshof blieb völlig unklar, ab wann eine Zahlungsvariante von
18 Halbjahresraten als prioritär bewertet wurde und warum. Daraus ergibt
sich, dass der Kaufpreis von 1,79 Milliarden Euro, der als Grundlage für
den Ministerratsbeschluss vom 2.7.2002 diente, „irreal ist und wesentlich höher
liegen müsste“ (Präsident Fiedler). Für den RH-Präsidenten wurde dadurch der
Eindruck einer Barzahung erweckt, tatsächlich war die Finanzierung aber im Zeitpunkt
des Ministerratsbeschlusses völlig offen. Der tatsächliche Preis von rund
2,7 Milliarden Euro musste aber bei der Ministerratsentscheidung
hinlänglich bekannt sein. Die Gründe für die Heranziehung einer Zahlungsvariante
mittels 18 Halbjahresraten war für den Rechnungshof auch formal nicht nachvollziehbar.
Laut Präsident Fiedler ist ein entsprechendes Schriftstück, mit dem erstmals
eine derartige Variante als prioritär betrachtet wurde, mit 24. Juni 2002
datiert.
Durch
den Rechnungshof wurden bisher nur die Vorgänge bis zum Ministerratsbeschluss
vom 2. Juli 2002 geprüft, eine Prüfung hinsichtlich der Reduktion der
Abfangjägeranzahl bis hin zur Vertragsunterzeichnung ist anhängig. Mögliche
Parteienfinanzierungen bzw. Geldflüsse (sogenannte „wirtschaftliche
Interessen“) außerhalb des Ausschreibungsprozesses konnten seitens des
Rechnungshofes keiner Kontrolle unterzogen werden.
Aus
der Rechnungshofkritik ergibt sich klar, dass die Regierung trotz Kenntnis
eines wesentlich höheren Preises am 2. Juli 2002 eine
Ministerratsentscheidung auf Basis von falschen Preiskalkulationen
herbeigeführt hat. Ebenso haben sich sämtliche Ankündigungen von Bundeskanzler
Schüssel hinsichtlich der Finanzierung der Abfangjäger über eine
Wirtschaftsplattform als nicht haltbar herausgestellt.
Nationalrat, XXII.GP | 64. Sitzung / Seite 109 |
Aus
all den genannten Fakten und Darstellungen ist die sofortige Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses und ein sofortiger Stopp der laufenden
Abfangjägerbeschaffung geboten.
*****
Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen auch in diesem Fall sogleich zur Abstimmung.
Wer die Zustimmung zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses erteilt, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch dieser Antrag erhält keine Mehrheit des Hohen Hauses und ist daher abgelehnt.
Einlauf
Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Anfragen 1849/J bis 1865/J eingelangt sind.
*****
Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, den 16. Juni 2004, 12 Uhr, in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.
Diese Sitzung ist geschlossen.
Schluss der Sitzung: 17.38 Uhr
Impressum: Parlamentsdirektion 1017 Wien |