Bei den meisten Gesetzesbeschlüssen hat der Bundesrat das Recht, einen begründeten Einspruch dagegen zu erheben. Die Frist, die ihm die Bundesverfassung dafür einräumt, beträgt acht Wochen (Art. 42 Abs. 2 und 3 B-VG).
Ist der Bundesrat also mehrheitlich mit einem Gesetzesbeschluss des Nationalrates nicht einverstanden, kann er dagegen einen begründeten Einspruch erheben. Dies erfolgt üblicherweise gleich in der nächstfolgenden Sitzung, also lange vor Ablauf der 8-Wochen-Frist.
Dieser Einspruch kann in der Folge allerdings vom Nationalrat durch eine Wiederholung seines ursprünglichen Gesetzesbeschlusses (sog. Beharrungsbeschluss) außer Kraft gesetzt werden (Art. 42 Abs. 4 B-VG). Bei einer solchen Abstimmung muss mindestens die Hälfte der Mitglieder des Nationalrates anwesend sein (sog. erhöhtes Quorum). Dies geschieht meist sogleich in der nächstfolgenden Nationalratssitzung, die im Fall von besonderer Dringlichkeit auch eigens zu diesem Zweck einberufen werden kann.
Ein Beharrungsbeschluss wird ohne neuerliche Befassung des Bundesrates direkt an den Bundespräsidenten zur Beurkundung weitergeleitet und nach der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler schließlich von diesem kundgemacht.
Es kommt also durch einen Einspruch in der Regel nur zu einer gewissen Verzögerung (um wenige Tage oder Wochen) des Gesetzgebungsverfahrens. Daher spricht man beim Einspruchsrecht auch von einem aufschiebenden (oder suspensiven) Veto des Bundesrates.
Würde der Nationalrat keinen Beharrungsbeschluss fassen, wäre das Gesetzgebungsverfahren damit beendet. Dies war in der Vergangenheit vor allem dann der Fall, wenn noch während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens ein Fehler bekannt wurde. Dann wurde der Beschluss des Nationalrates vom Bundesrat beeinsprucht und vom Nationalrat ein neuer Gesetzesantrag eingebracht. Der beeinspruchte Beschluss wurde nicht wieder in Verhandlung genommen, wodurch der fehlerhafte Beschluss nie in Kraft trat.
Der Nationalrat könnte – als dritte Möglichkeit – aber auch einen geänderten Gesetzesbeschluss fassen. In diesem Fall würde dieser neuerlich dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegen.
Beschluss, keinen Einspruch zu erheben
Solange sich der Bundesrat zu einem Gesetzesbeschluss nicht geäußert hat und die 8-Wochen-Frist nicht abgelaufen ist, kann das Verfahren (Beurkundung, Gegenzeichnung, Kundmachung) nicht fortgesetzt werden.
Ist der Bundesrat mit einem Gesetzesbeschluss ohnedies mehrheitlich einverstanden, fasst er daher üblicherweise gleich in der erstmöglichen Sitzung einen ausdrücklichen Beschluss, "keinen Einspruch zu erheben" (Art. 42 Abs. 4 B-VG), damit der Gesetzesbeschluss nicht bis zum Ablauf der 8-Wochen-Frist "liegen bleibt" und das weitere Verfahren nicht unnötig verzögert wird.
Verstreichen der 8-Wochen-Frist
Wie kann es dazu kommen, dass der Ablauf der 8-Wochen-Frist abgewartet werden muss?
Dies ist immer dann der Fall, wenn der Gesetzesbeschluss entweder schon im Ausschuss oder erst im Plenum des Bundesrates keine Mehrheit findet.
a) Keine Mehrheit im Ausschuss
Wenn es im Ausschuss keine Mehrheit für den Antrag, Einspruch oder keinen Einspruch zu erheben, gibt, sind die Ausschussverhandlungen über diesen Gegenstand nicht abgeschlossen, es gibt weder einen schriftlichen Ausschussbericht noch eine/n Berichterstatter/in fürs Plenum. Der Gegenstand bleibt "im Ausschuss liegen", die 8-Wochen-Frist läuft bei Einspruchsmaterien weiter.
Dies war z. B. im Jahr 2020 bei den Beschlüssen 52/BNR (betr. 21. COVID-19-Gesetz) oder 104/BNR (betr. Änderung des Allg. Sozialversicherungsgesetzes) der Fall.
Gibt es in solchen Fällen eine Möglichkeit, den Gegenstand dennoch im Plenum zu verhandeln?
Ja, es gibt – so wie im Nationalrat – auch im Bundesrat die Möglichkeit der Fristsetzung: Das Plenum kann einem Ausschuss eine Frist zur Berichterstattung über einen zur Vorberatung zugewiesenen Gegenstand setzen. Nach Ablauf dieser Frist muss der betreffende Gegenstand dann in der nächstfolgenden Plenarsitzung behandelt werden, und zwar auch dann, wenn kein schriftlicher Ausschussbericht vorliegt. Dies gilt für Einspruchsmaterien während der 8-Wochen-Frist, bei Zustimmungsmaterien ohne zeitliche Begrenzung.
Voraussetzung für so eine Fristsetzung ist allerdings, dass sie im Plenum mit Mehrheit beschlossen wird.
In der 915. Bundesratssitzung am 3. Dezember 2020 beispielsweise wurden von ÖVP und Grünen drei Fristsetzungsanträge gestellt, von denen bei der Abstimmung jedoch keiner eine Mehrheit fand.
Abgesehen davon könnte der Ausschuss den Gegenstand innerhalb der 8-Wochen-Frist (bei Zustimmungsmaterien ohne zeitliche Begrenzung) neuerlich in Verhandlung nehmen.
b) Keine Mehrheit im Plenum
Es kann sein, dass zwar der Bundesratsausschuss mit Mehrheit beschließt, an das Plenum den Antrag zu stellen, keinen Einspruch zu erheben, dann aber im Plenum keine Mehrheit für einen solchen Beschluss zustande kommt, aber auch keine Mehrheit für einen Beschluss auf Erhebung eines Einspruchs. Dann muss die 8-Wochen-Frist abgewartet werden, bis der Gesetzesbeschluss kundgemacht werden kann.
Dies war beispielsweise beim Budgetbegleitgesetz 2003 (17/BNR, XXII. GP) der Fall, weil einige Bundesräte der FPÖ für keinen der beiden Beschlüsse stimmten. (Siehe Stenographisches Protokoll Seiten 198-200.)
Was passiert, wenn im Ausschuss wegen Stimmengleichheit keine Beschlüsse zustande kommen?
Herrschen im Plenum knappe Mehrheitsverhältnisse, dann kann es im Ausschuss im Fall einer geraden Mitgliederzahl zu einem Mandatsgleichstand zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen kommen. Dies war von Anfang Dezember 2020 bis November 2021 in den Ausschüssen des Bundesrates der Fall: ÖVP 7, Grüne 1; SPÖ 5, FPÖ 3. Auf diese Weise kam es bei Abstimmungen immer wieder zu Stimmengleichheit, was gemäß § 32 Abs. 1 GO-BR bedeutet, dass Anträge als abgelehnt gelten.
Für diesen Fall sieht die Geschäftsordnung in § 32 Abs. 6 allerdings ausdrücklich vor, dass trotzdem ein Berichterstatter zu wählen ist, der in diesem Fall "lediglich über den Verlauf der Verhandlungen zu berichten hat". Der Gegenstand wird auf die Tagesordnung des Plenums gestellt und kann dort auch Gegenstand einer Abstimmung sein. Dazu muss im Plenum neuerlich der Antrag gestellt werden, Einspruch zu erheben oder keinen Einspruch zu erheben. Dies war im genannten Zeitraum auch immer wieder der Fall, beispielsweise beim Beschluss 284/BNR (Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Investitionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird).
Findet ein im Plenum gestellter Antrag, begründeten Einspruch oder keinen Einspruch zu erheben, keine Mehrheit, ist kein Beschluss des Bundesrates zustande gekommen. Der Verhandlungsgegenstand "bleibt liegen" und wird erst nach Ablauf der 8-Wochen-Frist weitergeleitet.
Kann es auch zu einer Verzögerung um mehr als 8 Wochen kommen?
Am längsten könnte der Bundesrat ein Gesetz dann verzögern, wenn er erst knapp vor Ablauf der 8-Wochen-Frist noch einen Einspruch beschließt. Denn dann käme zu den 8 Wochen noch die zusätzliche Verzögerung aufgrund der Notwendigkeit eines Beharrungsbeschlusses.
Wie häufig sind Einsprüche des Bundesrates?
Einsprüche kommen immer dann häufig vor, wenn die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat andere sind als im Nationalrat.
In der 27. GP gab es bisher (Stand Jänner 2024) sieben Einsprüche, die meisten davon im Jahr 2020.
In der 25. GP (2013-2017) gab es einen einzigen, der – zurückzuführen auf eine Abstimmungspanne im Nationalrat aufgrund eines Feueralarms – formale Gründe hatte.
In der 23. GP (2006-2008) gab es zwei Einsprüche.
In der 22. GP (2002-2006) gab es – fast durchwegs im Jahr 2006 – 24 Einsprüche. Damals stand von Herbst 2005 bis Herbst 2006 eine SPÖ-Grüne-Mehrheit im Bundesrat einer ÖVP-FPÖ/BZÖ-Mehrheit im Nationalrat gegenüber.
In der 26. GP (2017-2019), 24. GP (2008-2013), 21. GP (1999-2002) und 20. GP (1996-1999) gab es jeweils keinen Einspruch.